23.10.2013 Aufrufe

Ellwanger & Geiger: Kapital & Märkte, Ausgabe Oktober 2013

Politik und Börse Laut einer gängigen Börsenweisheit haben politische Börsen "kurze Beine". Lesen Sie in der aktuellen Ausgabe von Kapital & Märkte, ob diese Aussage nach wie vor gilt, wie sich politische Entscheidungen auf die Börsen auswirken und welche Folgen der Wahlausgang in Deutschland auf den Aktienmarkt hat.

Politik und Börse

Laut einer gängigen Börsenweisheit haben politische Börsen "kurze Beine". Lesen Sie in der aktuellen Ausgabe von Kapital & Märkte, ob diese Aussage nach wie vor gilt, wie sich politische Entscheidungen auf die Börsen auswirken und welche Folgen der Wahlausgang in Deutschland auf den Aktienmarkt hat.

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<strong>Kapital</strong> & <strong>Märkte</strong><br />

<strong>Ausgabe</strong> <strong>Oktober</strong> <strong>2013</strong><br />

Politik und Börse<br />

„Politische Börsen haben kurze Beine“ lautet ein gängiger<br />

Satz. Er stammt aus der Erfahrung, dass Kursverwerfungen,<br />

die aus politischen Einflüssen entstanden sind, in der Regel<br />

bald wieder ausgebügelt werden. Die Aussage kommt ursprünglich<br />

aus den USA und ist dort auch angebracht, weil<br />

politische Überraschungen in Übersee erstens selten sind<br />

und zweitens in der Vergangenheit noch seltener zu einer<br />

wesentlichen Trendänderung bei den Aktienkursen geführt<br />

haben. Ob dies heute noch so zutrifft und wie sich politische<br />

Entscheidungen auf die Börsen auswirken, soll hier<br />

betrachtet werden.<br />

Eines der besten Beispiele für die Bedeutung der Politik ,auch<br />

und gerade für die Börsenkurse, ist die Regelmäßigkeit, mit<br />

ABBILDUNG 1: PRÄSIDENTSCHAFTSZYKLUS<br />

140<br />

130<br />

120<br />

110<br />

100<br />

90<br />

80<br />

Dow Jones Index,<br />

historischer Durchschnitt<br />

(US-Dollar, normiert)<br />

<strong>Kapital</strong> & <strong>Märkte</strong> erhalten Sie sehr gerne auch per E-Mail.<br />

MF<br />

der in den USA die Aktienkurse innerhalb der vierjährigen<br />

Wahlperiode der Präsidenten bessere und schlechtere Phasen<br />

durchlaufen.<br />

Danach steigen die Aktienkurse tendenziell im Vorwahl- und<br />

im Wahljahr, um dann in den zwei Jahren nach der Wahl<br />

vorübergehende Tiefststände zu erreichen. Ausnahmen, wie<br />

die Zeit um die Finanzkrise von 2007 bis 2009, zeigen aber,<br />

dass man sich nicht blind auf diese Regel verlassen sollte.<br />

Auch das Nachwahljahr <strong>2013</strong> läuft bisher über Plan.<br />

Überraschend ist auch die historische Tatsache, dass die<br />

Aktienkurse in der Regel unter demokratischen Präsidenten<br />

mehr stiegen als unter den republikanischen Staatsoberhäuptern.<br />

Demokratische Regierungen zielen mit ihrer Politik<br />

mehr auf Wachstum und stellen dafür die Ziele Preisstabilität<br />

und gesunde Staatsfinanzen zurück. ❚<br />

Jahr 1 Nachwahljahr Jahr 2 Zwischenwahljahr Jahr 3 Zwischenwahljahr Jahr 4 Wahljahr<br />

Quelle: Eigene Darstellung, Wellenreiter-Invest<br />

Wenn Sie hiervon Gebrauch machen möchten, senden Sie uns bitte eine kurze E-Mail an:<br />

<strong>Kapital</strong>undMaerkte@privatbank.de<br />

1<br />

140<br />

130<br />

120<br />

110<br />

100<br />

90<br />

80<br />

siehe auch Hinweise im Impressum zu (2) und (3)


ABBILDUNG 2: PRÄSIDENTEN UND AKTIENKURSE<br />

16.000<br />

14.000<br />

12.000<br />

10.000<br />

8.000<br />

6.000<br />

4.000<br />

2.000<br />

0<br />

Jan 82 Jan 84 Jan 86 Jan 88 Jan 90 Jan 92 Jan 94 Jan 96 Jan 98 Jan 00 Jan 02 Jan 04 Jan 06 Jan 08 Jan 10 Jan 12<br />

Quelle: Bloomberg<br />

Dow Jones Index (US-Dollar)<br />

Seit November<br />

1980 ist Ronald<br />

Reagan Präsident<br />

November 1988<br />

George Bush<br />

wird Präsident<br />

November 1992<br />

Bill Clinton wird<br />

Präsident<br />

USA aktuell: Vom Showdown zum<br />

Shutdown<br />

Wenn Sie diese Zeilen lesen, ist der Showdown, also die<br />

Machtprobe zwischen den beiden Parteien in den Vereinigten<br />

Staaten um die Anhebung der Schuldenobergrenze, hoffentlich<br />

abgeklungen. Bei Redaktionsschluss war der wieder einmal<br />

tobende Kampf um den Haushalt und die Erhöhung der<br />

Verschuldungsgrenze noch in vollem Gange. Er führte zum<br />

Shutdown, also der teilweisen Einstellung der nicht essenziellen<br />

bundesstaatlichen Tätigkeiten, seit dem 1. <strong>Oktober</strong>.<br />

Weil die Republikaner ihre Zustimmung für weitere Nothaushalte,<br />

mit denen der Regierungsbetrieb schon das ganze<br />

Jahr provisorisch geführt wird, teilweise verweigert haben,<br />

da ihnen die Demokraten nicht entgegenkamen, gab es<br />

Beurlaubungen von fast einer Million Beschäftigten. Dies entspricht<br />

rund einem Drittel der gesamten Bundesangestellten.<br />

Die Republikaner fordern ernsthafte Gespräche über <strong>Ausgabe</strong>nkürzungen<br />

und eine Verschiebung von „Obamacare“,<br />

der seit dem 1. <strong>Oktober</strong> angebotenen Krankenversicherung<br />

für Arbeitnehmer. Dieses wesentliche Reformwerk der jetzigen<br />

Administration ist auch in der Bevölkerung nicht sehr beliebt,<br />

weil es eine extreme Bürokratie schafft, für junge Arbeitnehmer<br />

wenig attraktiv ist und die Technik in den wenigen Tagen seit<br />

dem laufenden Betrieb vor allem durch Versagen von sich<br />

reden macht. Es wird auch den Bund viel Geld kosten.<br />

Demokraten und Republikaner pokern sehr hoch in diesem<br />

gefährlichen Spiel. Spätestens Ende <strong>Oktober</strong> werden die<br />

November 2000<br />

George W. Bush<br />

wird Präsident<br />

November 2008<br />

Barack Obama<br />

wird Präsident<br />

Republikaner Demokraten Republikaner Demokraten<br />

16.000<br />

14.000<br />

12.000<br />

10.000<br />

8.000<br />

6.000<br />

4.000<br />

2.000<br />

siehe auch Hinweise im Impressum zu (2) und (3)<br />

laufenden Einnahmen nicht mehr ausreichen, um die gesamten<br />

<strong>Ausgabe</strong>n zu decken. Die Folge: Die Weltmacht wird nicht<br />

mehr allen Verpflichtungen nachkommen können. Da für<br />

jeden Dollar <strong>Ausgabe</strong>n nur 70 Cents an Steuern hereinkommen,<br />

müssen laufend neue Schulden gemacht werden.<br />

Dafür muss aber erneut die gesetzlich fixierte Höchstgrenze<br />

für Bundesschulden in Höhe von 16,7 Billionen Dollar angehoben<br />

werden. Sie wurde eigentlich schon im März gerissen<br />

(Vergleich Abbildung 3). Durch Geldtransfers aus den zwei<br />

großen Sozialversicherungsfonds wurden aber Finanzmittel<br />

geliehen. Diese Manövriermasse ist nun verbraucht.<br />

Dass die USA nur mit einem Nothaushalt operieren, ist beklagenswert,<br />

aber nicht neu. In den vergangenen 40 Jahren<br />

musste die Verwaltung bereits 17 Mal ihre Tätigkeit für einige<br />

Tage oder Wochen mangels Geld einschränken und Personal<br />

vorübergehend freistellen. Der letzte große Shutdown<br />

ereignete sich 1995/96 unter Präsident Clinton.<br />

Wie reagierte die Aktienbörse in der Vergangenheit auf diese<br />

Vorkommnisse? In diesen Tagen gingen die Aktienkurse<br />

mehrheitlich zurück. In der Spitze verlor der S&P 500 um bis<br />

zu 4,4 Prozent (<strong>Oktober</strong> 1979). Im Durchschnitt betrug der<br />

Rückgang hingegen nur 0,8 Prozent. Weil die Anleger richtigerweise<br />

davon ausgingen, dass es nur kleinere Schäden für<br />

den Staatshaushalt und die Wirtschaft geben würde, stiegen<br />

die Kurse oft trotzdem um bis zu 1,3 Prozent. Schon zwei<br />

Wochen nach dem Ende eines Shutdowns lagen die Aktiennotierungen<br />

im Schnitt wieder um ein Prozent über dem<br />

Stand vor der Krise.<br />

Dieses Mal sind die Parteien in der Auseinandersetzung besonders<br />

entschlossen. Die Republikaner wie auch die Mehrheit<br />

0<br />

2


x 100000000<br />

ABBILDUNG 3: SCHULDENGRENZE<br />

Bill.<br />

17<br />

16,5<br />

16<br />

15,5<br />

15<br />

14,5<br />

14<br />

14,294<br />

US-Staatsschulden (Bill. US-Dollar)<br />

Anhebung Schuldengrenze (Bill. US-Dollar)<br />

14,694<br />

15,194<br />

16,394<br />

13,5<br />

13,5<br />

Jan 11<br />

Quelle: Bloomberg<br />

Mai 11 Sep 11 Jan 12 Mai 12 Sep 12 Jan 13 Mai 13 Sep 13<br />

der Bevölkerung fordern ein Ende der andauernden Neuverschuldung.<br />

Eine radikale Kehrtwende der Finanzpolitik lässt<br />

sich allerdings nicht auf die Schnelle erreichen. Weil die beiden<br />

politischen Lager aber gemäß einer Untersuchung des<br />

Abstimmungsverhaltens so weit auseinander liegen wie seit<br />

1879 nicht mehr, könnte der Streit auch eskalieren – mit den<br />

entsprechenden Risiken für die Wirtschaft und die Finanzmärkte.<br />

Es ist falsch, dass die USA, wie oft behauptet wird,<br />

noch nie in diese Lage gekommen seien. In den Jahren 1779,<br />

1782/90, 1862 und 1934 kam es bereits zu Zahlungsausfällen.<br />

Zuletzt war dies 1979 aufgrund technischer Probleme der<br />

Fall. Auch im Juli 2011 wurde um die Erhöhung der Schuldenobergrenze<br />

lange gestritten. Dies trug wesentlich zum Kurssturz<br />

bei Aktien Anfang August desselben Jahres bei.<br />

Eingeführt wurde die Schuldengrenze, die in einigen Jahren<br />

auch in Deutschland gelten soll, bereits im Zuge der Finanzierungserfordernisse<br />

für die in den Krieg eingetretenen USA im<br />

Jahr 1917. Sie wurde in den vergangenen Jahren immer häufiger<br />

und stärker erhöht, wie in der Darstellung ersichtlich ist.<br />

Diese Grenze kannte nur eine Richtung, und zwar nach oben.<br />

Ausnahmslos alle US-Präsidenten seit Herbert Hoover (Amtszeit<br />

1929–1933) hoben die „Grenze“ an, die meisten von ihnen<br />

sogar mehrfach. Allein seit 1962 kam es zu rund 75 solcher<br />

Anhebungen. Diese traurige Routine im Schuldenmachen haben<br />

die Anleger praktisch abgehakt, wie man an der nur sehr<br />

verhaltenen Kursschwäche ablesen kann. Das Motto lautet: Es<br />

wird nicht sein, was nicht sein darf. Hoffentlich behalten sie<br />

Recht und in Washington passiert nichts Unvorhergesehenes.<br />

Eine auch nur vorübergehende Zahlungsverzögerung hätte<br />

gravierende Folgen. Das einzig Positive daran wäre, dass man<br />

die Probleme dann ernsthaft angehen müsste. ❚<br />

16,699<br />

Über den Einfluss der Bundestagswahlen<br />

auf die Entwicklung des<br />

deutschen Aktienmarktes<br />

Vor einer Bundestagswahl ist der DAX tendenziell schwächer<br />

als in Zeiten ohne anstehende Wahlen. Wie eine Auswertung<br />

des Marktverhaltens auch im Vergleich zu US-Börsenindizes<br />

zeigt, neigte der deutsche Leitindex in den zehn Wochen vor<br />

der Wahl bislang eher zur Schwäche. Die gilt sowohl wenn<br />

es nach der Wahl zu einem Wechsel kommt als auch für den<br />

Fall, dass die Regierung im Amt bestätigt wird.<br />

In diesem Jahr haben sich die Börsianer nicht an die historische<br />

Vorlage gehalten und die Kurse schon unmittelbar vor der<br />

Wahl weiter auf Jahreshöchststände getrieben. Nach einer<br />

Bundestagswahl geht es am Aktienmarkt normalerweise aufwärts,<br />

und zwar ebenfalls unabhängig davon, ob es zu einer<br />

Regierungsablösung kommt oder nicht. Erstaunlicherweise<br />

ist der positive Effekt bei einem Regierungswechsel noch deutlich<br />

ausgeprägter. Aktuell würde dies für eine Große Koalition<br />

oder eine Schwarz-Grüne Regierung gelten können. Ob ein<br />

rechnerisch mögliches Rot-Dunkelrot-Grünes Bündnis den<br />

deutschen Aktienmarkt auch beflügeln würde? Das ist mehr<br />

als fraglich. Auch Statistiken sind bekanntlich ohne den Einsatz<br />

des gesunden Menschenverstandes wenig hilfreich. Zur Zeit<br />

des Redaktionsschlusses war noch unklar, zu welcher Koalition<br />

es kommen wird.<br />

2<br />

3<br />

3<br />

Bill.<br />

17<br />

16,5<br />

16<br />

15,5<br />

15<br />

14,5<br />

14<br />

x 100000000


ABBILDUNG 4: REGIERUNGEN UND DEUTSCHE AKTIENKURSE<br />

10.000<br />

9.000<br />

8.000<br />

7.000<br />

6.000<br />

5.000<br />

4.000<br />

3.000<br />

Quelle: Bloomberg<br />

DAX (Euro)<br />

<strong>Oktober</strong> 1982<br />

Helmut Kohl wird<br />

Bundeskanzler<br />

2.000<br />

September 1998<br />

September 2005<br />

1.000<br />

Gerhard Schröder<br />

Angela Merkel<br />

0<br />

wird Bundeskanzler wird Bundeskanzlerin<br />

Jan 82 Jan 84 Jan 86 Jan 88 Jan 90 Jan 92 Jan 94 Jan 96 Jan 98 Jan 00 Jan 02 Jan 04 Jan 06 Jan 08 Jan 10 Jan 12<br />

CDU/CSU & FDP SPD & Grüne CDU/CSU & SPD CDU/CSU & FDP<br />

Kohl Schröder Merkel<br />

Vielleicht liegt es an dieser Unsicherheit, welche die Wirtschaft<br />

lähmt und die Börse hemmt, dass die Kurse bis Redaktionsschluss<br />

nicht mehr weiter geklettert sind. Bis zur 48. Kalenderwoche<br />

bestünde aber noch Zeit, um der Regel in Form neuer<br />

Jahreshochs genüge zu tun.<br />

Hat eine bestimmte politische Konstellation einen Einfluss auf<br />

die Entwicklung der deutschen Aktien? Diese Frage lässt sich<br />

schwer beantworten, denn neben den politischen Rahmenbedingungen<br />

verarbeiten die Anleger am Aktienmarkt eine<br />

Vielzahl anderer Einflüsse, die sich nur schwer von der deutschen<br />

Politik isolieren lassen.<br />

Auf den ersten Blick zeigt die obige Darstellung, dass unionsgeführte<br />

Regierungen wesentlich höhere Wertzuwächse zu<br />

bringen scheinen als SPD-geführte Koalitionen.<br />

Aufgrund der Komplexität der Einflussfaktoren ist dies natürlich<br />

nur ein Indiz für mögliche Vorteile bestimmter Regierungskonstellationen<br />

für Aktienanlagen. Denn unberücksichtigt – weil<br />

auch nicht getrennt zu analysieren – bleibt die Langfristwirkung<br />

großer Reformen. Beispielsweise gilt die Arbeitsmarktreform<br />

„Agenda 2010“ der SPD-Regierungskoalition unter<br />

Kanzler Schröder als eine wesentliche Grundlage für die Verbesserung<br />

der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft<br />

in den vergangenen Jahren. Die Früchte, auch am Aktienmarkt,<br />

wurden allerdings unter den unionsgeführten Koalitionen<br />

geerntet. Dass die Ölkrise in den siebziger Jahren in die<br />

Zeit einer SPD/FDP-Koalition fiel, hat ebenfalls nichts mit der<br />

Regierung in Deutschland zu tun. Dieses Beispiel zeigt auch,<br />

dass von keinem eindeutigen Einfluss einer bestimmten Regierungspolitik<br />

auf den Aktienmarkt ausgegangen werden kann,<br />

sofern insgesamt eine marktwirtschaftliche Politik vorherrscht.<br />

Ohnehin sind durch die Globalisierung, insbesondere der<br />

Unternehmen im DAX, weltwirtschaftliche Einflüsse mittlerweile<br />

erheblich bestimmender geworden. Anders verhält es<br />

sich bei Unternehmen, die überwiegend lokal ausgerichtet<br />

sind. Hier ist der Einfluss politischer Entscheidungen deutlich<br />

ausgeprägter. Als Paradebeispiel dafür kann die Entwicklung<br />

der Versorgeraktien nach dem beschlossenen Atomausstieg<br />

2011 dienen. Dagegen dürften sich die großen multinationalen<br />

Konzerne langfristig unabhängiger vom Ergebnis der<br />

Bundestagswahl entwickeln. ❚<br />

Nach der Wahl die Qual<br />

10.000<br />

9.000<br />

8.000<br />

7.000<br />

6.000<br />

5.000<br />

4.000<br />

3.000<br />

2.000<br />

1.000<br />

siehe auch Hinweis im Impressum zu (2)<br />

Der Wahlsieg von Bundeskanzlerin Merkel entsprach zwar<br />

den Wünschen der Wirtschaft und des <strong>Kapital</strong>marktes. Aufgrund<br />

der Tatsache, dass die FDP nicht mehr im Bundestag<br />

vertreten sein wird, braucht sie allerdings einen Koalitionspartner,<br />

der mit Sicherheit weniger wirtschaftsfreundlich sein<br />

wird, als es die FDP war.<br />

In Deutschland ist die künftige Marschrichtung der Politik<br />

weit weniger klar, als es das Wahlergebnis mit dem offensichtlichen<br />

Votum für eine Große Koalition erscheinen lässt. Eine<br />

solche Koalition wird es nur geben, wenn die SPD-Basis damit<br />

leben kann. Alle anderen Konstellationen erscheinen zunächst<br />

weniger wahrscheinlich und würden eine stabile Regierungsarbeit<br />

kaum erlauben. Die SPD wird sich eine Teilnahme an der<br />

Regierung aber sehr teuer abkaufen lassen, was die Kanzlerin<br />

selbst eher akzeptieren wird als ihre Partei und die CSU.<br />

0<br />

4


ABBILDUNG 5: BAUAKTIEN<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

Jan 03 Jan 05 Jan 07 Jan 09 Jan 11 Jan 13<br />

Quelle: Bloomberg<br />

DAXsector Construction Index (Euro, normiert)<br />

Die SPD muss ihre Strategie neu ordnen. Der Plan, die Basis<br />

der Partei darüber entscheiden zu lassen, ob und wie in einer<br />

großen Koalition mitregiert werden soll, zeugt von großer<br />

Unsicherheit. Es gibt auch andere Interpretationen dieses<br />

unüblichen Verhaltens: Damit kann die Partei die auch von<br />

der Bevölkerung präferierte Große Koalition gegebenenfalls<br />

verhindern und sich die Option auf das Modell Nordrhein-<br />

Westfalen (Rot-Grüne Koalition unter Duldung durch die<br />

Linkspartei) offenhalten. Auf jeden Fall erhöht sich damit der<br />

Druck auf die Union, den Anliegen der SPD entgegenzukommen.<br />

Für ein Bündnis von CDU und Grünen ist es vermutlich<br />

trotz der großen personellen Veränderungen an der<br />

grünen Parteispitze noch zu früh. Auf diese Option müsste<br />

die Partei ihre Wähler erst noch vorbereiten. Die Avancen der<br />

CDU an die Grünen haben wohl primär das Ziel, die SPD<br />

unter Zugzwang zu setzen. Doch dieser Flirt der CDU könnte<br />

die SPD vollends koalitionsunwillig machen. Das gute Ergebnis<br />

der neuen Partei Alternative für Deutschland, dürfte ein Weckruf<br />

für die künftigen Regierungsparteien sein, es mit der Haftungsunion<br />

in Europa nicht zu übertreiben. Andernfalls<br />

wäre ein Einzug der Eurogegner ins Europaparlament und<br />

später auch in den Bundestag zu erwarten.<br />

Wie auch immer die neue Regierung zusammengesetzt sein<br />

wird, es dürfte schwierig werden viele Gemeinsamkeiten zu<br />

finden. So ist vor allem bei einer Neuauflage der Großen<br />

Koalition, wie nach 2005, mit Stillstand zu rechnen. Dies<br />

würde angesichts der gewaltigen Herausforderungen – über<br />

die im Wahlkampf nur am Rande diskutiert wurde – keine<br />

positiven Folgen für das Land haben. ❚<br />

Die großen Themen der neuen<br />

Regierung<br />

Infrastruktur und Bau<br />

Der Investitionsrückstand bei der deutschen Infrastruktur beträgt<br />

inzwischen geschätzt über 100 Milliarden Euro. Wenn<br />

es, wie erwartet, zu einer großen Koalition käme, dürfte die<br />

deutsche Bauwirtschaft davon profitieren. Abschreibungserleichterungen<br />

im Wohnungsbau sowie die Förderung von<br />

Energiesparmaßnahmen und die Freigabe von Mitteln für<br />

den dringend notwendigen Infrastrukturausbau sind dank<br />

guter Steuereinnahmen realistisch. Weitere Energiesparauflagen<br />

werden vor allem den Bauzulieferern und dem Handwerk<br />

helfen.<br />

Steuerpolitik<br />

Schützenhilfe bekommt die Union für ihre Forderung, die<br />

kalte Progression abzumildern auch durch die EU Kommission,<br />

die Deutschland zur Steuer- und Abgabensenkung<br />

aufgefordert hat. Vor allem geringe Einkommen sollen netto<br />

mehr bekommen. Das wiederum stützt die Position der<br />

SPD. Mit steuerlichen Entlastungen ist also allenfalls bei<br />

niedrigen Einkommen zu rechnen. In Deutschland brachten<br />

Große Koalitionen immer auch Steuererhöhungen. Hohe<br />

Einkommen und Vermögenserträge werden etwas höher<br />

belastet werden. Und die Finanztransaktionssteuer wird<br />

früher oder später in einer wie auch immer gearteten Weise<br />

kommen. Die Folge: Unternehmen und Anleger werden<br />

diese neue Steuer bezahlen müssen.<br />

4<br />

5<br />

5<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

siehe auch Hinweis im Impressum zu (2)<br />

0


ABBILDUNG 6: VERSORGERAKTIEN<br />

200<br />

180<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

MSCI World Versorger Index (US-Dollar)<br />

MSCI Deutschland Versorger Index (Euro)<br />

Nuklearkatastrophe<br />

Fukushima<br />

11.03.2011<br />

40<br />

40<br />

Jan 10 Mai 10 Sep 10 Jan 11 Mai 11 Sep 11 Jan 12 Mai 12 Sep 12 Jan 13 Mai 13 Sep 13<br />

Quelle: Bloomberg<br />

siehe auch Hinweise im Impressum zu (2) und (3)<br />

Korrektur der Energiewende<br />

Die beiden großen Parteien werden gemeinsam die dringend<br />

notwendigen Nacharbeiten an der dilettantisch umgesetzten<br />

Energiewende erledigen müssen. Dies wird ein<br />

sehr schwieriges Unterfangen sein. Kurzfristig könnten<br />

unter dem Druck der EU-Kommission die Strompreise für<br />

die subventionierten großen Stromverbraucher ansteigen.<br />

Und ob es für Privathaushalte nach einer möglichen Verringerung<br />

der Stromsteuer zu einem Ende der permanenten<br />

Preissteigerungen kommen wird, darf bezweifelt werden.<br />

Die Versorger sollten etwas profitieren können, wenn sie<br />

für das Bereithalten ihrer konventionellen Kraftwerke besser<br />

entschädigt werden. Vor allem die Kohle als Energieträger<br />

sollte von einer Teilnahme der SPD an der Regierung profitieren.<br />

Produzenten von Solar- und Windstrom könnten<br />

mit Netzkosten belastet werden.<br />

Es bleibt zu hoffen, dass der immer größer werdende<br />

Standortnachteil Deutschlands bei den Energiekosten aufgehalten<br />

werden kann und die Planungssicherheit für<br />

Industrie und Energiewirtschaft nach den drei Energiewenden<br />

der letzten Regierungen verbessert wird.<br />

Euro<br />

Bei einem von den meisten Ökonomen erwarteten neuen<br />

Schuldenschnitt für Griechenland drohen Verluste in zweistelliger<br />

Milliardenhöhe für den Bund. Die geplante Bankenunion<br />

wird zumindest ein Mehr an gemeinschaftlicher<br />

200<br />

180<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

Haftung bringen. Die Kompetenzübertragung von der<br />

deutschen Bankenaufsicht auf die EZB, die nicht mehr der<br />

deutschen Regierung untersteht, ist ohnehin beschlossen.<br />

Nach überschlägigen Berechnungen hat sich Deutschland<br />

inzwischen in eine Verschuldungsgrößenordnung aus der<br />

Eurohaftung drängen lassen, aus der es nicht mehr herauskommt.<br />

Alle Rechnungen basieren darauf, dass die großen<br />

Nationen dazu stehen, den Euro zu erhalten. Auch deutsche<br />

Staatsanleihen sind nur so sicher wie der Euro. Aus deutscher<br />

Sicht scheint leider nur die Wahl zwischen großem Schuldenschnitt<br />

oder Dauersubventionen für das Weiterbestehen des<br />

Euros zu bestehen.<br />

Arbeitsrecht<br />

Eine Große, von der CDU/CSU dominierte, Koalition wird<br />

faktisch Mindestlöhne zulassen, welche die Tarifparteien<br />

für die einzelnen Branchen aushandeln sollen. Infolgedessen<br />

würden das allgemeine Lohnniveau und damit auch die<br />

Kosten für die Wirtschaft steigen. Das schadet tendenziell<br />

der Wettbewerbsfähigkeit und hilft dem Konsum, dem<br />

Bau und der Immobilienwirtschaft.<br />

Immobilienwirtschaft<br />

Diese müsste andererseits mit einer Mietpreisbremse und<br />

Auflagen zur Energieeinsparung rechnen; womöglich würden<br />

auch Umlagen und Steuern erhöht werden.<br />

6<br />

80<br />

60


ABBILDUNG 7: DEUTSCHE VERSUS EUROPÄISCHE AKTIEN<br />

6.000<br />

5.000<br />

4.000<br />

3.000<br />

DAX Kursindex<br />

(Euro, normiert)<br />

EURO STOXX 50<br />

(Euro, normiert)<br />

2.000<br />

2.000<br />

1.000<br />

23.04.2010:<br />

Griechenland<br />

beantragt offiziell<br />

EU-Hilfe<br />

27.09.2012:<br />

Der ESM<br />

tritt in Kraft<br />

1.000<br />

0<br />

0<br />

Jan 05 Sep 05 Mai 06 Jan 07 Sep 07 Mai 08 Jan 09 Sep 09 Mai 10 Jan 11 Sep 11 Mai 12 Jan 13 Sep 13<br />

Quelle: Bloomberg<br />

siehe auch Hinweis im Impressum zu (2)<br />

Zusammengefasst kann man davon ausgehen, dass<br />

Deutschlands ausgezeichnete Wettbewerbsfähigkeit, die<br />

vor allem dank Jahrzehnten von Lohnzurückhaltung entstanden<br />

ist, allmählich erodiert. Es gibt Stimmen von ausländischen<br />

Anlagestrategen, die deshalb konsequent empfehlen,<br />

deutsche Aktien zu Lasten von anderen europäischen<br />

Ländern abzubauen. Sie gehen von einer Abschwächung<br />

der deutschen Ausnahmestellung und einer allmählichen<br />

Besserung der zugegebenermaßen schlechten wirtschaftlichen<br />

Lage der meisten Nachbarländer aus.<br />

BANKHAUS ELLWANGER & GEIGER KG<br />

Börsenplatz 1, 70174 Stuttgart<br />

Amtsgericht Stuttgart HRA 738<br />

Persönlich haftende Gesellschafter:<br />

Dr. Volker Gerstenmaier, Mario Caroli<br />

Ihr Ansprechpartner:<br />

Michael Beck<br />

Leiter Portfolio Management<br />

Telefon 0711/2148-242, Telefax 0711/2148-250<br />

Michael.Beck@privatbank.de<br />

Redaktion:<br />

Helmut Kurz<br />

Leiter Fondsmanagement Immobilienaktien<br />

www.privatbank.de/kapitalmarkt<br />

Insgesamt ist der deutsche Wahlausgang nicht positiv für<br />

die deutschen Aktien und die deutsche Wirtschaft, sondern<br />

perspektivisch negativ zu bewerten. Einfach wird es<br />

eine Große Koalition nicht haben. Falls sie zustande<br />

kommt, ist die Gefahr eines vorzeitigen Endes nicht gering.<br />

In vielen Punkten ist die Übereinstimmung zwischen<br />

der SPD und den Grünen beziehungsweise Linken deutlich<br />

größer als die mit der Union. Für den Fall eines vorzeitigen<br />

Bruchs einer Großen Koalition wird es an den deutschen<br />

Finanzmärkten „Kraft“-voll nach unten gehen. ❚<br />

Impressum Stand: <strong>Oktober</strong> <strong>2013</strong><br />

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Die Darstellungen geben die aktuellen Meinungen und Einschätzungen zum<br />

Zeitpunkt der Erstellung dieses Dokuments wieder. Sie können ohne Vorankündigung<br />

angepasst oder geändert werden. Die enthaltenen Informationen<br />

wurden sorgfältig geprüft und zusammengestellt. Eine Gewähr für Richtigkeit<br />

und Vollständigkeit kann nicht übernommen werden. Die Informationen sind<br />

keine Anlageberatung, Empfehlung oder Finanzanalyse. Für individuelle Anlageempfehlungen<br />

und umfassende Beratungen stehen Ihnen die Berater unseres<br />

Hauses gerne zur Verfügung. Die Urheberrechte für die gesamte inhaltliche<br />

und graphische Gestaltung liegen beim Herausgeber und dürfen gerne, jedoch<br />

nur mit schriftlicher Genehmigung, verwendet werden.<br />

Ergänzende Hinweise:<br />

(1) Angaben zur steuerlichen Situation sind nur allgemeiner Art.<br />

Für eine individuelle Beurteilung der für Sie steuerlich relevanten<br />

Aspekte und ggf. abweichende Bewertungen sollten Sie Ihren<br />

Steuerberater hinzuziehen.<br />

(2) Wertentwicklungen in der Vergangenheit sind kein zuverlässiger<br />

Indikator für zukünftige Entwicklungen.<br />

(3) Finanzinstrumente oder Indizes können in Fremdwährungen notiert<br />

sein. Deren Renditen können daher auch aufgrund von Währungsschwankungen<br />

steigen oder fallen.


FORWARD DARLEHEN<br />

Denken Sie jetzt an Ihre<br />

Anschlussfinanzierung.<br />

DIE BESTE STRATEGIE.<br />

MASSGESCHNEIDERTE FINANZIERUNGEN.<br />

Konditionen sind bei Finanzierungen wichtig, doch<br />

entscheidend ist das richtige Konzept.<br />

Tilgungsvarianten, Sondertilgungsoptionen,<br />

Berücksichtigung von staatlichen Förderprogrammen – all dies<br />

macht eine gute und maßgeschneiderte Finanzierung aus.<br />

Sprechen Sie mit unseren Beratern. Wir unterbreiten Ihnen<br />

gerne ein unverbindliches Angebot.<br />

BANKHAUS ELLWANGER & GEIGER KG<br />

Börsenplatz 1, 70174 Stuttgart<br />

www.privatbank.de<br />

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