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Johann Heinrich Pestalozzi – Der Mythos

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<strong>Johann</strong> <strong>Heinrich</strong> <strong>Pestalozzi</strong> <strong>–</strong> <strong>Der</strong> <strong>Mythos</strong><br />

[F. Osterwalder, P. <strong>–</strong> ein pädagogischer Kult, 1996]<br />

Viel zitiert, selten gelesen.<br />

Eine Biografie voll von Erfolgen und Misserfolgen, zu<br />

Lebzeiten ein charismatischer und begnadeter Verkünder (zu<br />

seiner Zeit PR-gewandt), stirbt P. 1827 in Brugg ohne dass viel<br />

Aufhebens um seinen Tod gemacht wurde. Noch 1826<br />

unterzieht sich P. selbst einer kritischen Selbstreflexion in<br />

seinem letzten Werk „Schwanengesang“.<br />

MA Educational Sciences: Warum Klassiker lesen? FS 2011<br />

Prof. Dr. Andreas Hoffmann - Ocon<br />

<strong>Pestalozzi</strong> - Wiese, Zürich<br />

In seinen pädagogischen, sozialkritischen und politischen Schriften traf er offenbar den Nerv<br />

der Zeit, was in der Schweiz indessen eher zu einer kritischen Haltung ihm gegenüber<br />

mündete.<br />

Seine Biografie glich in wesentlichen Zügen dem Leben Jesu:<br />

Unverdorbenheit (von Frauen geprägtes behütetes Aufwachsen in finanziell ungesicherter<br />

Umgebung)<br />

Leiden (finanziell und ideelles mehrfaches Scheitern, ausbleibender Nachfolge <strong>–</strong> Ruhm)<br />

Erlösung (notwendige Folge aus der Unverdorbenheit und dem Leiden, zentrale Sinngebung)<br />

Aus diesem christlichen Fundamentalgedanken heraus wird auch <strong>Pestalozzi</strong>s Vermächtnis,<br />

die „Elementarmethode“ rezipiert. <strong>Der</strong> Erlösungsgedanke wird der „Methode“ auch heute<br />

noch nachgesagt.<br />

Pädagogisches Hauptwerk 1797, „Meine Nachforschungen über den Gang der Natur in der<br />

Entwicklung des Menschengeschlechts“, wohl erst in der pädagogischen Forschung nach<br />

seinem Tod im 20. Jahrhundert auf gleiche Augenhöhe wie Rousseaus „Emile“ gestellt.<br />

Die Methode wird 1809 in einer Rede von <strong>Pestalozzi</strong> öffentlich verteidigt, nachdem in der<br />

pädagogischen Praxis Zweifel an der Durchführbarkeit entstanden, „über die Idee der<br />

Elementarbildung“:<br />

Alles Wissen lässt sich aus einer elementaren Ordnung herleiten.<br />

Kindgemässheit, Anschaulichkeit, Ganzheitlichkeit (Kopf, Herz, Hand; angebl.<br />

Bibelzitat aus 1 Thess, 5. Kap. Vers 3 1 ), stetige Übung, Erziehung zur Selbsterziehung.<br />

1 … 3 Wenn sie sagen werden: Es ist Friede, es hat keine Gefahr <strong>–</strong>, dann wird sie das Verderben schnell<br />

überfallen wie die Wehen eine schwangere Frau und sie werden nicht entfliehen.<br />

U. Zberg 05.04.2011


MA Educational Sciences: Warum Klassiker lesen? FS 2011<br />

Prof. Dr. Andreas Hoffmann - Ocon<br />

Im Zentrum dieser Methode steht die repetitive formale Übung der<br />

Subjektivität, die sich <strong>Pestalozzi</strong> als Kräfte der Seele vorstellt, bis diese aus<br />

sich selbst heraus das Gute erzeugen. Diese Übungen bestehen in der<br />

Anschauung der elementaren Ordnung der äusseren Welt.<br />

Es wird erwartet, dass aus der Verfügung über wenige Elemente das Kind<br />

zukünftig alles nötige Wissen, berufliche Können und alle sozialen<br />

Beziehungen ohne Anleitung selbständig korrekt konstruieren kann. <strong>Der</strong> Wille<br />

zu dieser korrekten und stabilen Ordnung, die Moral, soll entstehen aus der<br />

inneren Anschauung, die das Kind übt, wenn es sich innerlich im lückenlosen<br />

Fortschreiten innerhalb der äußern Ordnung wahrnimmt.<br />

Die Methode, welche die „einzige, aber absolut sichere, mechanisch handhabbare<br />

Grundlage der Erziehung zum guten Menschen“ sein sollte, bildete in ihrer absolut<br />

kontroversen Rezeption zu P.s Lebzeiten, wie auch im Anschluss an seinen Tod die<br />

wohl wichtigste Grundlage für den wachsenden <strong>Mythos</strong>. Ihr liegt Einfachheit,<br />

Geheimnis und Überhöhung gleichsam zu Grunde.<br />

U. Zberg 05.04.2011

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