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Onkologie – Vom Umgang mit dem Bösen

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<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong><br />

<strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong><br />

<strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong>


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Fragen<br />

1) Was hat die <strong>Onkologie</strong>, was haben onkologische Patienten und<br />

was haben in der <strong>Onkologie</strong> Tätige (Pflegende, Sozialarbeiter,<br />

Spezialtherapeuten, Ärzte) <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong> zu schaffen?<br />

2) Was bedeutet eigentlich „das Böse“?<br />

3) Welche psychosozialen und existentiellen Themen sind häufig<br />

<strong>mit</strong> „bösartigen“ Erkrankungen verknüpft?<br />

4) Wie lässt sich <strong>mit</strong> diesen Themen in der Medizin sinnvoll umgehen?


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

1) Was hat die <strong>Onkologie</strong>, was haben onkologische Patienten und<br />

was haben in der <strong>Onkologie</strong> Tätige (Pflegende, Sozialarbeiter,<br />

Spezialtherapeuten, Ärzte) <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong> zu schaffen?<br />

2) Was bedeutet eigentlich „das Böse“?<br />

3) Welche psychosozialen und existentiellen Themen sind häufig<br />

<strong>mit</strong> „bösartigen“ Erkrankungen verknüpft?<br />

4) Wie lässt sich <strong>mit</strong> diesen Themen in der Medizin sinnvoll umgehen?


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

warum eigentlich nicht:<br />

<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong><br />

<strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Ästhetischen?<br />

• HeLa-Zellen kurz vor vollendeter<br />

Teilung<br />

• Henrietta Lacks, 1951, Zervix-Ca.<br />

Johns-Hopkins-Hospital,<br />

Baltimore, Maryland


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

warum eigentlich nicht:<br />

<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong><br />

<strong>mit</strong> <strong>dem</strong> früh Erkenn- und<br />

Diagnostizierbaren?<br />

• Mammographie


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

warum eigentlich nicht:<br />

<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong><br />

<strong>mit</strong> <strong>dem</strong> Therapier- und<br />

Machbaren?<br />

• Vorbereitung Strahlentherapie


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Warum: <strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong>?<br />

jeder körperliche Zustand<br />

jedes Organ / Körperareal<br />

jede Krankheit weist beim Menschen ...<br />

neben anatomischen, physiologischen,<br />

biochemischen und pathophysiologischen<br />

Gegebenheiten auch ...<br />

individuelle (psychosoziale) und<br />

kollektive (soziokulturelle) Bedeutungen auf;


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Erklären:<br />

Verstehen:<br />

Krankheit<br />

Psyche (Individuum)<br />

Logos, Kultur (Kollektiv)<br />

(Sinn, Wert<br />

und Bedeutung)<br />

Anatomie, Physiologie,<br />

Biochemie, Pathologie:<br />

Materie, Bios<br />

(Maß und Zahl)


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Biperspektivischer<br />

Zugang zum Patienten<br />

Erklären:<br />

Verstehen:<br />

Malignom<br />

individuelle Bedeutung:<br />

Krankheitskonzepte, Coping;<br />

soziokulturelle Bedeutung:<br />

Metaphern-Gehalt, Tabus etc.<br />

Personale<br />

Medizin<br />

Proto-Onkogene,<br />

Suppressor-Gene,<br />

Immunsystem<br />

(z.B. NK-Zellen),<br />

Dysplasie, Metaplasie<br />

Staging, Grading usw.


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Susan Sontag (1933-2004):<br />

US-amerikanische Intellektuelle und<br />

Schriftstellerin;<br />

1975 Mamma-Karzinom (metastasiert)<br />

2004 Leukämie (72. Lebensjahr)<br />

Krankheit als Metapher (1977):<br />

Krebs wurde (wie früher Tbc) zum Bild<br />

für Todessehnsucht / das Böse /<br />

fehlgeleitete Lebenslust / Schuld;


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

psychosozialer / soziokultureller<br />

Metaphern- / Bedeutungsgehalt von<br />

Krebserkrankungen beim Menschen:<br />

das Unheimliche<br />

das Maßlose<br />

das Wuchernde<br />

das Unausrechenbare<br />

das Grenzüberschreitende<br />

das Ordnungswidrige<br />

das Chaotische<br />

das Stigmatisierende<br />

das Heimtückische<br />

das Lebensbedrohliche<br />

das Malignom<br />

das Bösartige<br />

das Böse????


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

1) Was hat die <strong>Onkologie</strong>, was haben onkologische Patienten und<br />

was haben in der <strong>Onkologie</strong> Tätige (Pflegende, Sozialarbeiter,<br />

Spezialtherapeuten, Ärzte) <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong> zu schaffen?<br />

2) Was bedeutet eigentlich „das Böse“?<br />

3) Welche psychosozialen und existentiellen Themen sind häufig<br />

<strong>mit</strong> „bösartigen“ Erkrankungen verknüpft?<br />

4) Wie lässt sich <strong>mit</strong> diesen Themen in der Medizin sinnvoll umgehen?


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

anthropologisch relevante Frage:<br />

erste Thematisierung <strong>–</strong><br />

im übertragenen Sinne bei Adam und Eva<br />

(Akt der Erkenntnis = Schuld und Sünde)<br />

sehr direkt bei Kain und Abel<br />

(Brudermord <strong>–</strong> Gott bevorzugt Abel<br />

Kain ist neidisch, erschlägt Abel <strong>–</strong><br />

das Böse ist offenkundig in der Welt);


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Animistische Kulturen <strong>–</strong> Kosmos, Materie und Natur<br />

von (un-) heimlichen Kräften und Wesen bewohnt:<br />

Dämonen<br />

Geister<br />

Teufel<br />

Hexen<br />

Götter<br />

Druden<br />

Nachtmahr<br />

müssen besänftigt und<br />

<strong>mit</strong> Ritualen / Opfergaben<br />

gnädig gestimmt werden<br />

Johann Heinrich Füssli, 1741-1825)


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Animistische Kulturen <strong>–</strong> unheimliche Kräfte äußern sich<br />

als Naturgewalten und haben Ziele und Absichten:<br />

Naturgewalten:<br />

Gewitter<br />

Sturm / Hagel<br />

Überschwemmungen<br />

Blitz / Donner<br />

Erdbeben<br />

Feuersbrünste<br />

Hitze / Dürre<br />

Schnee / Eis<br />

Konzept des<br />

Naturbösen


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Kulturen <strong>mit</strong> (monotheistischen) Religionen <strong>–</strong><br />

Tendenz zur Dichotomisierung in gut und böse:<br />

gut: böse:<br />

Schöpfergott Satan<br />

Logos und Geist Materie und Bios<br />

ewiges Leben ewige Verdammnis<br />

rein, lebendig sündig, tot<br />

Askese, Sublimierung Triebe, Affekte<br />

das Gute das Böse<br />

(Heiligung) (Dämonisierung)<br />

Drudenfuß


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Kulturen <strong>mit</strong> (monotheistischen) Religionen <strong>–</strong><br />

Tendenz zur Dichotomisierung in gut und böse:<br />

das Böse / Dämonische als eigenständige Macht:<br />

kann dingfest gemacht werden als ...<br />

der böse Blick<br />

das andere Aussehen<br />

die falsche Abstammung<br />

die eigentümliche Handlung<br />

die ketzerische Religionszugehörigkeit


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Kulturen <strong>mit</strong> (monotheistischen) Religionen <strong>–</strong><br />

Tendenz zur Dichotomisierung in gut und böse:<br />

das Böse / Dämonische als eigenständige Macht:<br />

muss eliminiert werden <strong>–</strong><br />

Sexualfeindlichkeit<br />

Naturfeindlichkeit<br />

Leibfeindlichkeit<br />

Frauenfeindlichkeit<br />

Fremdenfeindlichkeit<br />

Goya: Inquisition (1816)


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Jahrhundert der Aufklärung:<br />

Entdämonisierung des <strong>Bösen</strong><br />

Loslösung der Themen gut und böse<br />

aus animistischem / religiösem Kontext<br />

stattdessen wurde das Irrationale / ungehemmt Triebhafte zum<br />

Statthalter und Fokus des <strong>Bösen</strong> und Schlechten im Menschen<br />

(allzu weit von Vernunft, Ordnung und Maß entfernt);


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Jahrhundert der Aufklärung:<br />

Immanuel Kant (1724-1804):<br />

Über das radikal Böse in der<br />

menschlichen Natur (1792)<br />

Mensch ist Bürger zweier Welten <strong>–</strong> Natur und Kultur:<br />

als Naturwesen sind wir determiniert (Kausalität)<br />

als Kulturwesen haben wir Vernunft und freien Willen (Freiheit)<br />

Anlage zum Guten (kategorischer Imperativ) versus<br />

Hang zum <strong>Bösen</strong> (Selbstliebe, Eigendünkel, Willkür lässt eigene<br />

subjektive Antriebe evtl. zur Maxime des Handelns werden <strong>–</strong> radikal);


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Jahrhundert der Aufklärung:<br />

Revision des Konzepts vom Naturbösen<br />

1755 Erdbeben von Lissabon <strong>–</strong> Zehntausende Tote<br />

Voltaire / Kant / Goethe: weder natürliche noch satanische Tat;<br />

Natur will nichts, verfolgt keine Intentionen, kann nicht böse sein;<br />

Sinnlosigkeit von Naturkatastrophen verleitet Menschen dazu, ihnen<br />

Sinn und Bedeutung unterzuschieben <strong>–</strong> Kategorien von gut und böse;


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Jahrhundert der Aufklärung <strong>–</strong><br />

Jean-Jacques Rousseau (1712-1778)<br />

Abhandlung über Ursprünge und Grundlagen<br />

der Ungleichheit unter den Menschen (1755)<br />

Formulierung des Konzepts vom Kulturbösen<br />

Die Menschen sind böse; eine traurige und fortdauernde Erfahrung<br />

erübrigt den Beweis; jedoch, der Mensch ist von Natur aus gut,<br />

ich glaube, es nachgewiesen zu haben.<br />

Unter <strong>dem</strong> Einfluss der Kultur wird aus naturgemäßer Selbstliebe<br />

(amour de soi) die naturwidrige, bösartige Selbstsucht (amour propre);


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Friedrich Nietzsche (1844-1900):<br />

Jenseits von gut und böse (1886)<br />

Begriffe gut, böse, schlecht sind kultur- und epochenabhängig;<br />

Beispiel Christentum: gut = gottgefällig, <strong>dem</strong>ütig, arm,<br />

(Sklavenmoral) keusch, gehorsam, schwach;<br />

böse = sündig, stolz, egoistisch;<br />

Beispiel Antike: gut = stark, durchsetzungsfähig, stolz;


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Friedrich Nietzsche (1844-1900):<br />

Jenseits von Gut und Böse (1886)<br />

Begriffe gut, böse, schlecht<br />

sowie Moralvorstellungen / Ethik<br />

sind abhängig von Perspektive <strong>–</strong> Umwertung ist möglich:<br />

Es gibt gar keine moralischen Phänomene,<br />

sondern nur eine moralische Ausdeutung von Phänomenen.<br />

Nietzsche, F.: Jenseits von Gut und Böse (1886), KSA 5, S. 92


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Sigmund Freud (1856-1939):<br />

Jenseits des Lustprinzips (1920)<br />

Konzept zweier antagonistischer Triebe:<br />

Das Ziel des ersten (Eros, Libido) ist, immer größere Einheiten<br />

herzustellen und so zu erhalten, also Bindung, das Ziel des<br />

anderen (Thanatos, Todestrieb, Destrudo) im Gegenteil,<br />

Zusammenhänge aufzulösen und so die Dinge zu zerstören.<br />

Freud, S.: Abriss der Psychoanalyse (1938), in: GW XVII, S. 71


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Sigmund Freud (1856-1939):<br />

Jenseits des Lustprinzips (1920)<br />

nach innen gewendet:<br />

Auto-Aggression / böse:<br />

Masochismus / Krankheit<br />

Depression / Suizid / Tod<br />

Aggression<br />

Destruktion<br />

nach außen gewendet:<br />

Hetero-Aggression / böse:<br />

Sadismus / Kritik / Streit<br />

Gewalt / Mord und Totschlag<br />

das Böse (die Aggression) ist in der Natur / Biologie des<br />

Menschen als fixe Größe und Energie (Destrudo) angelegt;


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Konrad Lorenz (1903-1989):<br />

Das sogenannte Böse <strong>–</strong><br />

Zur Naturgeschichte der Aggression (1963)<br />

Konzept: Aggression / das Böse = Instinkt<br />

Instinkte müssen ausgelebt werden, sonst Triebstau (Hydraulik) <strong>–</strong><br />

bei Triebstau (Tante, Forscherteam, Verbrecher, Kriegsparteien)<br />

Aggressionsausbruch; das Böse / Krieg / Gewalt liegen in<br />

menschlicher Natur; Empfehlung: Aggressionsabbau (Sport);


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Hannah Arendt (1906-1975):<br />

Eichmann in Jerusalem <strong>–</strong> Ein Bericht<br />

von der Banalität des <strong>Bösen</strong> (1963)<br />

Konzeptwandel: von der Radikalität zur Banalität des <strong>Bösen</strong><br />

Prozessberichterstattung April bis Juni 1961 in Jerusalem <strong>–</strong><br />

Prozess gegen Adolf Eichmann (1906-1962) <strong>–</strong> Organisator „Endlösung“<br />

millionenfache Aggression als Folge „ungewöhnlicher Beflissenheit“ <strong>–</strong><br />

durchdrungen von Ideologie der Sachlichkeit, vom Willen des Führers;


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Hannah Arendt (1906-1975):<br />

Eichmann in Jerusalem <strong>–</strong> Ein Bericht<br />

von der Banalität des <strong>Bösen</strong> (1963)<br />

Konzept: Banalität des <strong>Bösen</strong> <strong>–</strong><br />

das Böse wird entdämonisiert / handhabbar<br />

Eichmann war nicht Jago und nicht Macbeth ... Außer einer ganz gewöhnlichen<br />

Beflissenheit, alles zu tun, was seinem Fortkommen dienlich sein konnte, hatte er<br />

überhaupt keine Motive ... Es war gewissermaßen schiere Gedankenlosigkeit, ...<br />

die ihn dazu prädestinierte, zu einem der größten Verbrecher jener Zeit zu<br />

werden. Und wenn dies „banal“ ist und sogar komisch, wenn man ihm nämlich<br />

beim besten Willen keine teuflisch-dämonische Tiefe abgewinnen kann, so ist es<br />

doch darum noch lange nicht alltäglich. Arendt, H.: München 1992, S. 16f.


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Arno Plack (1930-2012):<br />

Die Gesellschaft und das Böse (1967)<br />

Wie oft wird Hitler noch besiegt? (1982)<br />

weitverbreitete Tendenz zur Personifizierung / Projektion des <strong>Bösen</strong><br />

Beispiele: Hitler, Stalin, Franco, Pol Pot, „Reich / Achse des <strong>Bösen</strong>“ <strong>–</strong><br />

Scheinlösung: deren Eliminierung!<br />

stattdessen Fragen nach gesellschaftlichen / kulturellen / politischen<br />

Bedingungen des <strong>Bösen</strong> (massive Frustrationen wie Hunger, Armut,<br />

Krieg, Unterdrückung, Obdachlosigkeit, Vertreibung etc.);


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Albert Camus (1913-1960):<br />

Die Pest (1947)<br />

Der Mensch in der Revolte (1951)<br />

Konzept: das Böse = das Absurde / Kontingente<br />

Die Pest wurde für Camus zur Parabel / Metapher für<br />

Faschismus<br />

Krieg<br />

Krankheit<br />

Tod<br />

das Absurde<br />

/ das Böse<br />

Reaktionen darauf (z.B.):<br />

Arzt Dr. Bernard Rieux<br />

Jesuitenpater Paneloux<br />

Schriftstellerversuch Grand<br />

Rentner / Schmuggler Cottard


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Albert Camus (1913-1960):<br />

Die Pest (1947)<br />

Der Mensch in der Revolte (1951)<br />

Der Mythos des Sisyphos (1942)<br />

Konzept: das Böse = das Absurde / Kontingente<br />

Antwort auf das Absurde: Revolte (solidarisches Dennoch ohne Hoffnung<br />

auf endgültige Überwindung) <strong>–</strong> „Ich empöre mich, also sind wir!“<br />

Empörung und Revolte gegen das Absurde / Sinnwidrige bewegt sich<br />

dauernd zwischen Gelingen, Misslingen und Neuanfang (Sisyphos) <strong>–</strong><br />

Camus: „Wir müssen uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen!“


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

1) Was hat die <strong>Onkologie</strong>, was haben onkologische Patienten und<br />

was haben in der <strong>Onkologie</strong> Tätige (Pflegende, Sozialarbeiter,<br />

Spezialtherapeuten, Ärzte) <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong> zu schaffen?<br />

2) Was bedeutet eigentlich „das Böse“?<br />

3) Welche psychosozialen und existentiellen Themen sind häufig<br />

<strong>mit</strong> „bösartigen“ Erkrankungen verknüpft?<br />

4) Wie lässt sich <strong>mit</strong> diesen Themen in der Medizin sinnvoll umgehen?


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Fragen bei Malignom-Erkrankungen existentielle Themen<br />

Warum gerade ich? Identität / Narzissmus<br />

gerade jetzt? Biographie<br />

gerade dieses Organ? Körperselbst<br />

Was habe ich falsch gemacht? Schul<strong>dem</strong>pfindungen<br />

kann ich jetzt tun? Macht / Ohnmacht<br />

können andere für mich tun? Hoffnung / Verzweiflung<br />

Wie werde ich weiterleben (werde ich weiterleben)? Li<strong>mit</strong>ierungen<br />

kann ich mich auf andere verlassen? autonom / abhängig<br />

kann ich mich auf meinen Körper verlassen? Selbstwerterschütterung


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Psychosoziale Belastungen bei Malignom-Erkrankungen existentielle Themen<br />

ungeklärte Ätiologie Dämonisierung<br />

unsichere Prognose Unkontrollierbarkeit<br />

belastende Diagnostik / Therapie Hingabe / Auslieferung<br />

eventuell Lebensumstellungen narzisstische Kränkung<br />

eventuell keine Heilung Erlösungsphantasien<br />

eventuell latente Lebensbedrohung Angst / Resignation<br />

eventuell interpersonelle Konflikte (beruflich, privat) Ärger / Einsamkeit


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Emotionen bei Malignom-Erkrankungen existentielle Themen<br />

Scham Gefährdung von Würde<br />

Ekel Gefährdung von Inti<strong>mit</strong>ät<br />

Schuld prekäre Verantwortungsübernahme<br />

Angst Ahnung des Nichts<br />

Verzweiflung Verlust von Freiheitsgraden<br />

Depression Verlust von Zukunftsperspektiven<br />

Aggression Gefährdung von Autonomie<br />

Entfremdung Selbstverlust


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Krankheitskonzepte bei Malignomen Verweis auf das eventuell Böse<br />

physikalische / biologische Ursachen das Naturböse<br />

physikalische / chemische Ursachen das Kulturböse<br />

Schuld / Strafe für Sünden / Gottlosigkeit der Leib, die Triebe als das Böse<br />

defizitäre / falsche Selbstverwirklichung Unvernunft / Thanatos = das Böse<br />

Zufall / Schicksal Kontingenz / Absurde = das Böse;


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Coping<br />

persönliches Bewältigungsverhalten bei<br />

Belastungen wie etwa bösartige Erkrankungen;<br />

Strategien, Haltungen, Einstellungen, Handlungen, Emotionen <strong>–</strong><br />

um die internen oder externen Anforderungen zu beantworten und<br />

um die Anforderungen zu meistern, zu tolerieren oder zu vermeiden;<br />

zusammengefasst zu Coping-Mustern oder -Stilen;


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Coping: abhängiger Typus<br />

• sucht häufig Ärzte und Rettungsstellen auf<br />

• fordert verstärkt ärztliche Maßnahmen<br />

• wünscht längere Klinikaufenthalte<br />

• konsumiert viele Medikamente<br />

Überwiegen von anklammernden Wünschen <strong>–</strong><br />

die Autorität (Gottheit) widersteht der Krankheit (Dämon)<br />

und hält das Böse / den Krebs in Schach;


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Coping: pseudoautonomer Typus<br />

• leugnet Beschwerden<br />

• meidet Arztkontakte oder verzögert die Inanspruchnahme<br />

• verlässt Kliniken vorzeitig<br />

• Compliance-Probleme<br />

• Autonomieproblematik<br />

• Selbstwertproblematik<br />

Überwiegen von Größen- und Omnipotenz-Phantasien <strong>–</strong><br />

das Böse / der Zufall haben keine endgültige Macht über Krebs-Patienten;


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Coping: resignativer Typus<br />

• Unterwirft sich den Geschehnissen<br />

• niedriger Sense of coherence<br />

• Intra- und / oder extrapunitive Verarbeitungsmodi<br />

• ungünstige Distanzmanöver (Verleugnung / Drogen)<br />

• ungünstige Kommunikationsstile<br />

• Mangel an social support<br />

• geringe Selbstwirksamkeit<br />

Überwiegen von Verzweiflung / Sinnlosigkeitsempfindungen <strong>–</strong><br />

die Krankheit (das Natur- / Kulturböse) ist viel größer als der Patient;


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Coping: realitätsadäquater Typus<br />

• erkennt und benennt Beschwerden / Schwierigkeiten / Grenzen<br />

• akzeptiert und organisiert Hilfe von anderen<br />

• toleriert medizinische Diagnostik und Therapie<br />

• verhält sich langfristig compliant (auch ohne Objektrealpräsenz)<br />

• Fähigkeit zu Trauer und Verlusterleben<br />

• Unterscheidung bewegliche / unbewegliche Facetten des Daseins<br />

• adäquates Distanzverhalten (Humor / sense of coherence)<br />

Überwiegen des Realitätsprinzips <strong>–</strong><br />

Malignom-Krankheiten sind sinnwidrig, aber kein Ausdruck des <strong>Bösen</strong>;


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

1) Was hat die <strong>Onkologie</strong>, was haben onkologische Patienten und<br />

was haben in der <strong>Onkologie</strong> Tätige (Pflegende, Sozialarbeiter,<br />

Spezialtherapeuten, Ärzte) <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong> zu schaffen?<br />

2) Was bedeutet eigentlich „das Böse“?<br />

3) Welche psychosozialen und existentiellen Themen sind häufig<br />

<strong>mit</strong> „bösartigen“ Erkrankungen verknüpft?<br />

4) Wie lässt sich <strong>mit</strong> diesen Themen in der Medizin sinnvoll umgehen?


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Psychosoziale Interventionsansätze in der <strong>Onkologie</strong>:<br />

rationale Aufklärung über Krebsentstehung;<br />

Aufspüren subjektiver (psychoonkologischer)<br />

Konzepte und da<strong>mit</strong> verknüpfter Emotionen <strong>–</strong><br />

häufig Idee von Schuld und falschem Leben<br />

(Krankheitskonzepte des Patienten);<br />

Formulierung gemeinsamer Krankheitskonzepte;


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Psychosoziale Interventionsansätze in der <strong>Onkologie</strong>:<br />

Thematisierung vorherrschender Coping-Strategien;<br />

Einordnung der Coping-Strategien in Biographie,<br />

Lebensstil und Weltanschauung des Patienten;<br />

Pro und contra diverser Coping-Strategien;<br />

eventuelle Ermutigung zur Erweiterung / Ergänzung<br />

von tradierten Coping-Mustern;


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Psychosoziale Interventionsansätze in der <strong>Onkologie</strong>:<br />

Thematisierung vorherrschender Affekte (Schuld,<br />

Scham, Angst, Wut, Ekel, Resignation, Hilflosigkeit);<br />

Einordnung der Affekte in Biographie, Lebensstil,<br />

Lebenssituation und Weltanschauung des Patienten;<br />

Entlastung im Hinblick auf affektive Tönung;<br />

Unterstützung im Hinblick auf sozialen Nexus;


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Psychosoziale Interventionsansätze in der <strong>Onkologie</strong>:<br />

eventuelle Thematisierung von Sinn- und<br />

Bedeutungsfragen der Malignom-Erkrankung<br />

(z.B. „das Böse“ als das Absurde, Kontingente);<br />

eventuelle Einordnung der Erkrankung in die<br />

Weltanschauung des Patienten (sense of coherence);


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Psychosoziale Interventionsansätze in der <strong>Onkologie</strong>:<br />

Ausloten des individuell günstigen Ausmaßes und<br />

Zeitpunktes für Aufklärung über und Mitteilung von<br />

ungünstigen Nachrichten (middle knowledge);<br />

Aufspüren und Akzeptanz der (momentanen)<br />

Abwehrbedürfnisse und Ängste des Patienten;


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

existentielle Reflexionsansätze in der <strong>Onkologie</strong>:<br />

Aufspüren und Akzeptanz der Abwehrbedürfnisse<br />

und Ängste von Pflegenden / Therapeuten / Ärzten;<br />

Aufspüren und Akzeptanz von Ohnmachtsgefühlen<br />

und Erlösungsphantasien bei Pflegenden und Ärzten;


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

existentielle Reflexionsansätze in der <strong>Onkologie</strong>:<br />

Einordnung von Siegen / Niederlagen / Li<strong>mit</strong>ierungen;<br />

<strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> nihil, <strong>dem</strong> Absurden, der Kontingenz;<br />

Formulierung eines realistischen „Dennoch“ auf <strong>dem</strong><br />

Boden von Empörung, Revolte und Solidarität;


<strong>Onkologie</strong> <strong>–</strong> <strong>Vom</strong> <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> <strong>dem</strong> <strong>Bösen</strong><br />

Ich bedanke<br />

mich für Ihre<br />

Aufmerksamkeit<br />

und wünsche Ihnen<br />

ein glückliches Leben.

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