Vortrag von Prof. Dr. Brambring, Köln als pdf-download.
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Die Kunst der verständlichen Urkunde – das Notariat im Spannungsfeld<br />
zwischen Rechtsklarheit und Bürgernähe<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. Günter <strong>Brambring</strong>, Notar a. D., <strong>Köln</strong><br />
I. Einleitung<br />
„Verhandelt zu <strong>Köln</strong>, am …<br />
Vor mir dem unterzeichneten Notar…<br />
erschienen…<br />
und erklärten bei gleichzeitiger Anwesenheit gemeinsam mündlich und mit der<br />
Versicherung, nicht über ihr gesamtes oder nahezu gesamtes Vermögen zu<br />
verfügen, mit dem Ersuchen um Beurkundung den nachfolgenden<br />
Grundstückskaufvertrag wie folgt:“<br />
Mit diesem monströsen Satz beginnen viele notarielle Urkunden, wenn auch<br />
nicht alle so überladen wie in meiner Collage.<br />
„Ihr Blick fällt auf einen dicken kleinen Herrn, der gesund aussieht und einen<br />
schwarzen Anzug trägt, der selbstsicher und fast immer steif und pedantisch<br />
wirkt, den vor allem etwas Bedeutungsvolles umgibt … Vor allem bewundern<br />
Sie einen butterfarbenen Schädel, der auf nächtelange Arbeit, Verdruss,<br />
Widerstreit der Gefühle, auf Stürme in der Jugend und das Erlöschen jeglicher<br />
Leidenschaft schließen lässt. Sie sagen: Dem Aussehen nach könnte dieser Herr<br />
Notar sein…<br />
Ach, dem Notar ergeht es geradeso wie den beiden wohl gefügigsten Dingen<br />
auf der Welt, dem Weib und dem unbeschriebenen Papier….<br />
Während Sie sein ausdrucksloses Gesicht betrachten, hören Sie<br />
heruntergeleierte Satzungetüme und - sagen wir es ruhig - so manche<br />
Gemeinplätze.“
Auszüge aus dem Text „Der Notar“, den Honore´ de Balzac im Jahre 1840<br />
veröffentlichte, ein intimer Kenner des Notariats, war er doch bei einem<br />
Pariser Notar in der Lehre, um Notariatsschreiber und vielleicht auch einmal<br />
Notar zu werden<br />
Balzac blieb das Schicksal des <strong>von</strong> ihm mit spitzer Feder karikierten<br />
mittelmäßigen und leidenschaftslosen Notars erspart:<br />
„Früher oder später gerät er auf die schiefe Bahn, macht Konkurs und besteigt<br />
die Postkutsche nach Belgien, den Leichenwagen des Notars. Er nimmt das<br />
Beileid einiger Freunde und das Geld seiner Klienten mit und hinterlässt eine<br />
freie Gattin.“<br />
Heruntergeleierte Satzungetüme, Gemeinplätze?<br />
Schauen wir uns den Urkundeneingang genauer an.<br />
„Verhandelt“<br />
„Als Verhandlung wird die Besprechung oder Erörterung eines Sachverhalts<br />
verstanden, der die Herbeiführung eines Interessenausgleichs zwischen<br />
mindestens zwei Verhandlungspartnern dient und wobei sich die Parteien<br />
durch Interaktion untereinander einen Vorteil gegenüber der aktuellen<br />
Situation versprechen“.<br />
Nach § 8 BeurkG muss bei der Beurkundung <strong>von</strong> Willenserklärungen eine<br />
Niederschrift über die Verhandlung aufgenommen werden.<br />
Wie sieht die Realität aus?<br />
Weder schreibt der Notar im Beurkundungstermin die mündlichen Erklärungen<br />
der Beteiligten nieder, noch kommt es zu einer Verhandlung der Parteien in<br />
dem vorgenannten Sinne, die der Notar notfalls zu verhindern weiß. Der nach<br />
einer Vorbesprechung mit den Vertragsparteien oder nach den <strong>von</strong> ihnen<br />
gemachten Angaben vom Notar vorbereitete Vertragstext liegt im<br />
Beurkundungstermin fertig vor. Über ihn wurde, wenn überhaupt, dann nahezu<br />
ausschließlich über den Kaufpreis und den Besitzübergang, vorab <strong>von</strong> Verkäufer<br />
und Käufer verhandelt, die Amtsstube des Notars ist kein Basar!
Der Federkiel ist durch den Computer mit gespeicherten Mustertexten ersetzt,<br />
aus denen der Notar den konkreten Vertragsentwurf zusammengestellt hat.<br />
Die Niederschrift ist in Wirklichkeit kein Verhandlungsprotokoll im Sinne eines<br />
Berichts über den Verlauf der Verhandlungen zwischen den Vertragsparteien,<br />
sondern ein Ergebnisprotokoll der bereits zustande gekommenen Einigung der<br />
Beteiligten über den Vertragsinhalt.<br />
„Zu“ <strong>Köln</strong>, hierzu bekenne ich mich. Auch meine Universität ist eine<br />
„Universität zu <strong>Köln</strong>“ und nicht eine in <strong>Köln</strong>. Das hebt sich ab.<br />
„Erschienen“.. „etwas wird irgendwo sichtbar“, „im Traum erscheint mir ein<br />
Engel“.<br />
Selbst fortschrittliche junge Kollegen halten an diesem antiquierten Begriff fest<br />
und schreiben nicht: „waren da“. Für den Notar <strong>als</strong> Träger eines öffentlichen<br />
Amts gehört ein wenig Transzendenz im Beurkundungstermin nun einmal dazu.<br />
Und jetzt kommt es für den juristischen Laien „knüppeldick“, bevor es<br />
überhaupt mit dem Vertrag losgeht. Der Kenner schnalzt mit der Zunge, ein<br />
vorbildlicher Notar, der § 925 Abs.1 S.1 BGB (gleichzeitige Anwesenheit bei der<br />
Auflassung) und § 1365 Abs. 1 BGB (Verfügung eines Ehegatten über sein<br />
Vermögen im Ganzen) „im Griff hat“ und dem Rechtspfleger keine Chance für<br />
eine Beanstandung gibt. Die Vertragsparteien ahnen, dass der Kauf einer Wiese<br />
für 4.000 € nicht so einfach ist, wie sie glaubten. Und das ist gut so und vom<br />
Notar auch beabsichtigt, seine Feststellungen sind der Sache nach aber schlicht<br />
überflüssig, ebenso dass die Erklärungen „gemeinsam und mündlich“<br />
abgegeben wurden – wie sonst?<br />
Ist Eheleuten Müller <strong>als</strong> Verkäufern und Eheleuten Huber <strong>als</strong> Käufern eines<br />
bebauten Grundstücks zu einem Kaufpreis <strong>von</strong> 500.000 € überhaupt bewusst,<br />
dass sie sich glücklich schätzen dürfen: der grundgütige Notar ist ihrem<br />
„Ersuchen“, „höflich, in förmlicher Weise um etwas bitten“, um Beurkundung<br />
nachgekommen. Jetzt gilt es, ihn nicht mit Fragen zu belästigen, er könnte<br />
anderen Sinnes werden. Wir wissen: nach § 4 BeurkG hat der Notar die<br />
Beurkundung vorzunehmen – auch ohne „Ersuchen“, er darf sie nur ablehnen,<br />
wenn sie mit seinen Amtspflichten nicht vereinbar wäre.
Und letztlich: der „unterzeichnete“ Notar ist grammatikalisch einer, der bereits<br />
unterschrieben hat, was nach § 13 Abs. 3 BeurkG nicht sein darf.<br />
Mein Deutschlehrer auf dem Gymnasium hätte gesagt: „<strong>Brambring</strong><br />
mangelhaft“.<br />
II. Rechtssprache oder Umgangssprache<br />
Nach § 17 Abs. 1 BeurkG hat der Notar die Erklärungen der Beteiligten „klar<br />
und unzweideutig“ in der Niederschrift wiederzugeben, er hat darauf zu achten<br />
dass Irrtümer und Zweifel vermieden sowie unerfahrene und ungewandte<br />
Beteiligte nicht benachteiligt werden. Wir sprechen <strong>von</strong> der<br />
Formulierungspflicht des Notars und dem Verbraucherschutz durch notarielles<br />
Verfahren.<br />
Nicht nur „klar und unzweideutig“, <strong>als</strong>o unmissverständlich, muss der<br />
Urkundeninhalt sein, sondern bei Beteiligung eines Verbrauchers auch<br />
„transparent“. Ist eine formularmäßige Klausel „nicht klar und verständlich“,<br />
kann sich bereits hieraus nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB eine unangemessene<br />
Benachteiligung für den Verbraucher und damit die Unwirksamkeit der Klausel<br />
nach Satz 1 ergeben. Nach der Rechtsprechung verlangt das Transparenzgebot,<br />
die Klausel muss für den Verbraucher „durchschaubar“, „klar, einfach und<br />
präzise“ sein, sie muss „die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen für<br />
einen durchschnittlichen Vertragspartner soweit erkennen lassen, wie dies<br />
nach den Umständen gefordert werden kann“. Der Verwender darf aber aus<br />
der Gesetzessprache unbestimmte Rechtsbegriffe, wie z. B. „wichtiger Grund“<br />
übernehmen.<br />
Der Notar muss klar, eindeutig, präzise aber auch einfach und verständlich<br />
formulieren, sonst droht ihm die Haftung.<br />
Welche Möglichkeiten zur Gestaltung rechtlich relevanter Erklärungen und<br />
deren Formulierung stehen dem Notar zur Verfügung, wenn der Urkundentext<br />
diesen Anforderungen genügen soll, auch dem kritischen Auge seines früheren<br />
Deutschlehrers standhalten soll, <strong>als</strong>o unserem Thema „Kunst der<br />
verständlichen Urkunde“ (hierzu zähle ich auch die der guten deutschen<br />
Sprache) zumindest nahekommt?<br />
Und damit sind wir bei der „Gretchenfrage“.
Rechtssprache oder Umgangssprache?<br />
Auf die Frage der ZEIT (Ausgabe vom 16. Mai 2012), „Warum bemühen Sie sich<br />
nicht bei Urteilsbegründungen um eine verständlichere Sprache?“, antwortete<br />
der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Voßkuhle: „Uns liegt sehr daran,<br />
die Entscheidungen so zu formulieren, dass sie die Bürgerinnen und Bürger<br />
verstehen und überzeugen. Aber man darf sich nichts vormachen: die<br />
juristische Sprache ist eine Fachsprache, die sehr spezifische Anforderungen an<br />
den juristischen Diskurs erfüllen muss und deshalb nicht leicht zugänglich ist.“<br />
Der Richter verlässt sich darauf, dass der anwaltliche Vertreter die<br />
Entscheidungsgründe seinem Mandanten „übersetzt“, <strong>als</strong>o verständlich<br />
vermittelt. Der Notar hat weder die Autorität eines Gerichts noch steht den am<br />
Rechtsgeschäft Beteiligten in aller Regel ein anwaltlicher Interessenvertreter<br />
zur Seite. Vor allem: seine Urkunde, in der die Vertragsparteien originär Recht<br />
setzen, muss einer späteren richterlichen Prüfung standhalten.<br />
Was heißt das für die Urkundensprache?<br />
Einerseits: eindeutige und präzise Formulierungen sind streitvermeidend und –<br />
streitentscheidend. Also ist die Rechtssprache zu verwenden mit ihrem hohen<br />
Grad an Abstraktion, die den Richter im Streitfall bindet und so für die<br />
Beteiligten Rechtssicherheit schafft.<br />
Andererseits: mit dem Gebot juristischer Präzision und der diesem Rechnung<br />
tragenden Verwendung der juristischen Fachsprache kollidiert zwangsläufig<br />
die Forderung nach Verständlichkeit für den Bürger <strong>als</strong> einem juristischen<br />
Laien. Er ist aber der Adressat des notariellen Vertragsentwurfs. Da er das<br />
Rechtsgeschäft abschließt, muss er seinen Inhalt verstehen.<br />
Verliert er später den Prozess, weil er die ihn benachteiligende, aber rechtlich<br />
eindeutige Klausel, zum Beispiel zu den Erschliessungskosten, nicht verstanden<br />
hat, entspricht das dem Zweck der notariellen Beurkundung nun auch nicht.<br />
Nach Krafka und Seeger, zwei bayerischen Kollegen, ist die Kollision „jedoch im<br />
Zweifel funktional zutreffend zugunsten der durch die Rechtssprache<br />
vorgegebenen Präzision aufzulösen“ (ZNotP 2011, 445, 451). Richtig ist, dass<br />
sich der Verständnishorizont eines Vertragstextes, worauf die Kollegen<br />
hinweisen, an dem des Rechtsanwalts und Richters zu orientieren hat, und
umgangssprachliche Ausdrücke daher verfehlt sind. Aber ist ihre These<br />
zwingend, dass „ein Vertragstext nur insoweit unmittelbare<br />
Informationsfunktion für die Beteiligten erfüllen kann, <strong>als</strong> das durch die<br />
Fachsprache vorgegebene Gebot juristischer Präzision nicht entgegensteht“?<br />
Hat die Urkundensprache primär die Funktion, die richterliche Entscheidung in<br />
einem späteren Rechtsstreit der Parteien mittels der verwendeten<br />
Rechtsbegriffe zu determinieren und damit nicht zuletzt den eigenen<br />
Haftungsfall <strong>von</strong> dem Notar abzuwenden? Welchen Sinn macht es, wenn der<br />
Notar den Vertragsentwurf vorab den Beteiligten zur Prüfung zuschickt, diesen<br />
aber die hierzu erforderlichen Informationen über den Inhalt des Vertrages<br />
nicht oder nur schwer verständlich vermittelt?<br />
Gibt es nicht doch einen Königsweg zwischen der dem Bürger unverständlichen<br />
Rechtssprache, die zwar klar und eindeutig ist, aber nicht für den juristischen<br />
Laien, und der Umgangssprache? Ist die Kunst der verständlichen Urkunde eine<br />
Utopie?<br />
Ich meine nein.<br />
Eins vorausgeschickt, damit ich nicht missverstanden werde:<br />
Der ureigene Zweck des in § 13 Abs. 1 Satz 1 BeurkG zwingend<br />
vorgeschriebenen Verlesens der Niederschrift, <strong>als</strong>o der Mündlichkeit der<br />
Verhandlung, ist die Erläuterung der Rechtsbegriffe durch den Notar, <strong>als</strong>o ihre<br />
Übersetzung in eine dem Bürger verständliche Sprache, die es diesem<br />
überhaupt erst erlaubt, Fragen zu stellen, deren Beantwortung Anlass geben<br />
kann, eine in ihrer Bedeutung jetzt erst erkannte Regelung in Frage zu stellen<br />
und auch zu ändern. Der Notar hat die Funktion eines Dolmetschers mit der<br />
Fähigkeit, auch schwierige rechtliche Zusammenhänge allgemeinverständlich in<br />
einfache Begriffe aufzulösen. Das meint § 17 Abs. 1 BeurkG, der Notar soll den<br />
wahren, wirklichen Willen der Beteiligten erforschen. Den können sie aber nur<br />
äußern, wenn sie alles verstanden haben, insbesondere nach Erläuterung des<br />
Notars die rechtliche Tragweite einzelner Klauseln überschauen.<br />
Diese unbedingte Amtspflicht des Notars entbindet ihn aber nicht da<strong>von</strong>, die<br />
Urkunde auch verständlich zu formulieren.<br />
1. Beispiele, wie eine rechtlich präzise Klausel verständlich gefasst werden<br />
kann.
Nach § 19 BeurkG hat der Notar bei einem Grundstückskaufvertrag darauf<br />
hinzuweisen, dass zur Eigentumsumschreibung die Vorlage der<br />
Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes erforderlich ist. Mit dem<br />
Begriff „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ kann der Bürger nichts anfangen und<br />
wittert Arges (hat er wirklich alle Steuern gezahlt?). Ergänze ich den Hinweis<br />
um die Worte, „die nach Zahlung der Grunderwerbsteuer erteilt wird“, ist den<br />
Beteiligten klar, worum es geht.<br />
Die nachstehenden Beispiele zumindest schwer verständlicher Klauseln<br />
entstammen Formularbüchern.<br />
Wird im Kaufvertrag über ein bebautes Grundstück der Kaufgegenstand mit<br />
„das Grundstück mit allen Bestandteilen“ bezeichnet, ist das juristisch<br />
einwandfrei, für den Laien aber irreführend, der das Haus kaufen will. Das ist<br />
für ihn wirtschaftlich der Kaufgegenstand. Transparent wird es für ihn, wenn<br />
wir formulieren, verkauft wird „das Grundstück mit Gebäuden und sonstigen<br />
Bestandteilen“.<br />
„Der Kaufpreis ist fällig, wenn die nachstehend bewilligte<br />
Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen ist“. Der Begriff<br />
„Auflassungsvormerkung“ ist antiquiert und stammt aus der Zeit, <strong>als</strong> die<br />
Auflassung erst nach Zahlung des Kaufpreises in gesonderter Urkunde erklärt<br />
wurde. Nicht die Auflassung wird vorgemerkt, sondern der Eigentumserwerb.<br />
Verständlich ist dagegen: „Der Kaufpreis ist fällig, wenn zur Sicherung des<br />
Anspruchs des Käufers auf Eigentumsübertragung eine Vormerkung im<br />
Grundbuch eingetragen ist“.<br />
„Weitere Fälligkeitsvoraussetzung ist, dass sämtliche für die vertragsgerechte<br />
Eigentumsumschreibung erforderlichen Unterlagen vorliegen, und zwar ggf.<br />
nur mit solchen Treuhandauflagen, die aus dem Kaufpreis erfüllbar sind“. Was<br />
ist mit „erforderlichen Unterlagen“ gemeint? Das kann der Bürger beim besten<br />
Willen nicht wissen. Er muss sich blind auf die Fachkenntnisse und die<br />
Unparteilichkeit des Notars verlassen. Als mündiger Bürger sollte er aber ein<br />
Mindestmaß an Einblick in die juristische Geheimwissenschaft erhalten.<br />
Es geht hier vor allem um die Lastenfreistellung. Warum schreiben wir nicht,<br />
„die Löschungsunterlagen für die vom Käufer nicht übernommenen<br />
Belastungen müssen dem Notar auflagenfrei oder mit der Maßgabe vorliegen,
hier<strong>von</strong> gegen Zahlung eines Betrages Gebrauch zu machen, der nicht höher <strong>als</strong><br />
der Kaufpreis ist“.<br />
Der Satz “bei nicht rechtzeitiger Zahlung gelten die gesetzlichen<br />
Verzugsregelungen“ ist einerseits überflüssig, andererseits nicht aussagekräftig.<br />
Zumindest einem rheinischen Käufer, der es mit einem Zahlungstermin nicht so<br />
genau nimmt („et kütt, wie et kütt“), muss der Notar deutlich machen, dass bei<br />
Fälligkeit zu zahlen ist, anderenfalls der Verkäufer auch ohne Mahnung<br />
Schadensersatz verlangen und nach Fristsetzung vom Vertrag zurücktreten<br />
kann.<br />
Im Muster eines Bauträgervertrages findet sich der Satz „weitere, nicht vom<br />
Notar zu bestätigende Grundvoraussetzung für die Fälligkeit der Teilbeträge ist<br />
das Vorliegen der Baugenehmigung. Der Verkäufer erklärt hierzu, dass die<br />
Baugenehmigung erteilt ist“. Ist die Voraussetzung nun erfüllt, oder ist dem<br />
Käufer die Baugenehmigung vor Zahlung des ersten Teilbetrages<br />
nachzuweisen?<br />
„Hinsichtlich der vertragsgegenständlichen Bauleistungen gelten die<br />
gesetzlichen Vorschriften, <strong>als</strong>o das Werkvertragsrecht des BGB“. Warum fehlt<br />
die für den Verbraucher-Käufer wichtige Information, dass damit seine Rechte<br />
wegen eines Sachmangels des Bauwerks gemeint sind, ihm zunächst ein<br />
Anspruch auf Nacherfüllung zusteht und seine Mängelansprüche in fünf Jahren<br />
nach Abnahme verjähren?<br />
Das notariell beurkundete gemeinschaftliche Testament der Ehegatten<br />
bestimmt, „sämtliche vorstehend getroffenen Verfügungen sind<br />
wechselbezüglich“. Ich habe keine Zweifel, der Notar hat die Beteiligten über<br />
die rechtliche Tragweite dieser Bindung, insbesondere der Einsetzung der<br />
Kinder zu Erben des Längstlebenden, belehrt, auch über die Möglichkeit des<br />
Widerrufs bei Lebzeiten der Ehegatten, und ist damit seinen Amtspflichten<br />
nachgekommen. Aber wer kann sich später an diese mündlichen Erläuterungen<br />
noch erinnern? Nehmen wir an, dass sich die Eheleute zehn Jahre später<br />
trennen und die Frau die Erbeinsetzung des Mannes widerrufen will. Wer sagt<br />
ihr, dass der Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung nach § 2271 Abs. 1<br />
S. 1 BGB nach der für den Rücktritt <strong>von</strong> einem Erbvertrag geltenden Vorschrift<br />
des § 2296 BGB zu erfolgen hat, <strong>als</strong>o der notariellen Beurkundung, und des
Zugangs bei ihrem Ehemann bedarf, ein neues Testament dagegen nicht<br />
genügt?<br />
Als Erinnerungsstütze (und zur Vermeidung späterer Vorwürfe an den Notar)<br />
hilft der Vermerk in der Urkunde: „Der Notar hat uns darauf hingewiesen, dass<br />
wir unser Testament gemeinsam jederzeit aufheben oder ändern können, dies<br />
aber nach dem Tode eines <strong>von</strong> uns nicht mehr möglich ist. Ein einseitiger<br />
Widerruf zu Lebzeiten des anderen Ehegatten ist möglich, bedarf aber der<br />
notariellen Beurkundung“.<br />
Im Erbvertrag ist die Bestimmung, alle Verfügungen der Ehegatten <strong>von</strong> Todes<br />
wegen sind „vertragsmäßig“, präzise und eindeutig. Was aber meint der<br />
Vermerk „Der Notar hat uns über die durch diesen Erbvertrag begründeten<br />
erbrechtlichen Bindungen belehrt“?<br />
Warum schreiben wir nicht weit verständlicher und damit bürgerfreundlich in<br />
die Urkunde, dass der Erbvertrag nur gemeinsam durch einen neuen Erbvertrag<br />
( bei Ehegatten auch durch ein gemeinschaftliches Testament) aufgehoben<br />
oder geändert werden kann, ein einseitiger Rücktritt nur möglich ist, wenn er<br />
im Vertrag vorbehalten ist, und der Längstlebende seine letztwilligen<br />
Verfügungen, insbesondere die Erbeinsetzung der Kinder zu gleichen Teilen,<br />
nach dem Tod des Erstversterbenden nicht mehr ändern kann, wenn er es sich<br />
nicht ausdrücklich vorbehalten hat?<br />
Eine kritische Prüfung rechtlich einwandfreier Klauseln in den<br />
Formularbüchern, deren Adressaten vertragsgestaltende Rechtsanwälte und<br />
Notare sind, zeigt, dass sie ohne Einbuße an Präzision mit minimalem Aufwand<br />
verständlicher formuliert werden können. Rechtssprache und Umgangssprache<br />
lassen sich in vielen Fällen ohne weiteres miteinander kombinieren, etwa in<br />
der Weise, dass dem juristischen Fachbegriff eine umgangssprachliche<br />
Erläuterung hinzugefügt wird.<br />
Am Rande sei erwähnt, dass die uns vorgeschriebenen Formulare der Banken<br />
und Sparkassen zur Grundschuldbestellung an Intransparenz nicht zu<br />
überbieten sind. Warum findet sich hier nicht im Eingang des Textes der<br />
klarstellende (und beruhigende) Satz, „alles, was der Notar dir vorliest, gilt nur,<br />
wenn du deinen Zahlungsverpflichtungen aus dem Darlehensvertrag nicht<br />
nachkommst, der auch die richtigen Zinsen ausweist“.
2. Übersichtlichkeit und innere Logik der Vertragsstruktur tragen zur<br />
Verständlichkeit der Urkunde bei<br />
Wir alle kennen Urkunden <strong>von</strong> Kollegen, die auf jede Gliederung des<br />
Vertragstextes verzichten, auf Absätze, Zwischenüberschriften und<br />
Ordnungszahlen, nicht selten auch jede innere Ordnung und Struktur vermissen<br />
lassen. Wenn schon der Anwalt oder Notar seine liebe Mühe hat, einen solchen<br />
Vertrag zu verstehen, gilt das für den juristischen Laien umso mehr. Ein Vertrag<br />
ohne eine logische Struktur, die die eigenständigen Regelungskomplexe<br />
geschlossen darstellt, ist unübersichtlich und damit intransparent und<br />
unverständlich. Der Vertragstext hat sich an Sachzusammenhängen zu<br />
orientieren und darf nicht konzeptionslos Einzelbausteine aneinanderreihen.<br />
Beim Standard-Grundstückskaufvertrag kann eine Gliederung mit den<br />
Abschnitten Grundbuchstand, Verkauf, Kaufpreis und Fälligkeit,<br />
Finanzierungsvollmacht, Besitzübergang, Rechts- und Sachmängelhaftung,<br />
Kosten und Steuern, Auflassung und Grundbuchanträge, Schlussbestimmungen<br />
entscheidend zur Übersichtlichkeit beitragen, übrigens auch den Mitarbeitern<br />
die Abwicklung erleichtern und die Beantwortung späterer Rückfragen der<br />
Beteiligten oder des Grundbuchamts vereinfachen. Das gilt für andere Verträge<br />
in gleicher Weise.<br />
Beim vorsorgenden Ehevertrag macht eine Präambel Sinn, in der der Notar die<br />
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der (künftigen) Eheleute und<br />
den geplanten Zuschnitt der Ehe (Stichwort: Kinderwunsch) dokumentiert und<br />
so die hierauf zugeschnittenen ehevertraglichen Vereinbarungen vor einer<br />
späteren richterlichen Inhaltskontrolle schützt.<br />
Die <strong>von</strong> Balzac angesprochenen, notartypischen „Satzungetüme“, die sich auch<br />
in Formularbüchern finden, erschweren die Verständlichkeit entscheidend.<br />
Werden z.B. die Fälligkeitsvoraussetzungen in einen einzigen ellenlangen Satz<br />
zusammengepresst, wird die große Bedeutung jeder einzelnen Voraussetzung<br />
für sich genommen nicht deutlich. Anders ist es bei einer Einzelaufzählung<br />
jeweils unter einer Ordnungsnummer, z. B. Ziffer: 1. Eintragung der<br />
Vormerkung, 2. Lastenfreistellung, 3. Eingang aller Genehmigungen, etc.<br />
In dem vom BGH kürzlich entschiedenen Fall (DNotZ 2011,192) eines<br />
Bauträgervertrages hatte der Notar lediglich auf einen in Abt. II eingetragenen
„Vermerk“ hingewiesen, bei dem es sich um einen<br />
Zwangsversteigerungsvermerk handelte. Es liegt auf der Hand, der Notar wollte<br />
im Interesse des guten Klienten dessen prekäre wirtschaftliche Situation dem<br />
Käufer verschleiern. Leider finden sich in notariellen Verträgen vereinzelt<br />
Formulierungen, die bewusst intransparent gehalten sind und dem Bürger<br />
absichtlich wesentliche Informationen vorenthalten, ein eklatanter Verstoß<br />
gegen die Neutralitäts- und Formulierungspflicht.<br />
3. Überlange Vertragstexte erschweren das Verständnis<br />
Das Standard-Muster eines Kaufvertrages über ein Altbaugrundstück füllt in<br />
einem Formularbuch nahezu 13 <strong>Dr</strong>uckseiten. Das dürfte einem Umfang der<br />
notariellen Niederschrift <strong>von</strong> mehr <strong>als</strong> 40 Seiten entsprechen. Das Verlesen<br />
schafft auch ein routinierter Notar nicht unter zwei Stunden. Mein Muster<br />
eines Standardvertrages ohne Besonderheiten hat einen Umfang <strong>von</strong> 9 Seiten.<br />
Im vorgenannten Muster füllt der Abschnitt „Hinweise und Belehrungen“ 43<br />
<strong>Dr</strong>uckzeilen, obwohl der eigentliche Vertragstext bereits mit<br />
Belehrungsvermerken gespickt ist, wie die Rehkeule mit Speck. In meinem<br />
Muster fehlen neben den gesetzlich vorgeschriebenen Vermerken fakultative<br />
Belehrungsvermerke gänzlich.<br />
Ich versetze mich in die Lage eines privaten Käufers, der zum ersten Mal in<br />
seinem Leben ein Grundstück kauft und <strong>als</strong> Verbraucher bei Übersendung des<br />
Vertragsentwurfs vom Notar angehalten wird, „sich vorab mit dem Gegenstand<br />
der Beurkundung auseinanderzusetzen“ (§ 17 Abs. 2a Nr. 2 BeurkG). 40 Seiten<br />
Vertragstext! Da reichen nicht einmal die zwei Wochen Sperrfrist vor der<br />
Beurkundung.<br />
Der Umfang des Vertrages hat mit der ars notarii oder dem Gebot des<br />
sichersten Weges nicht unbedingt etwas zu tun. Eine interessengerechte und<br />
rechtssichere Vertragsgestaltung erfordert weder einen derartigen Umfang<br />
noch wortreiche Belehrungsvermerke über allgemeine Risiken und<br />
Unwägbarkeiten, die eher den Eindruck erwecken, der Notar habe diese im<br />
Vertrag nicht in den Griff bekommen.<br />
Wie stellt der Notar sicher, dass die Beteiligten bei einem 2-stündigen Lese-<br />
Marathon noch in der Lage sind, sich auf die wesentlichen Punkte des
Vertrages zu konzentrieren und hierzu ihre Fragen zu stellen? Das ist aber der<br />
Zweck des Verlesens und der Erläuterung einzelner Klauseln durch den Notar.<br />
Die verständliche Urkunde ist so kurz wie irgend möglich.<br />
4. Standardmäßige, wortreiche Belehrungsvermerke fördern nicht die<br />
Verständlichkeit<br />
Tragen wortreiche Belehrungsvermerke zum Verständnis der Beteiligten bei?<br />
Selbstverständlich nicht, da sie die vom Notar bereits erteilte mündliche<br />
Belehrung lediglich dokumentieren. Sie dienen nahezu ausschließlich dem<br />
Notar zur Beweissicherung im Haftungsfall.<br />
„Die Beteiligten wurden vom beurkundenden Notar eingehend belehrt und<br />
dabei unter anderem auf Folgendes hingewiesen“: man riecht den<br />
Angstschweiß des Kollegen, wegen Verletzung seiner Belehrungspflichten zur<br />
Verantwortung gezogen zu werden. Die Hinweise füllen in diesem Muster etwa<br />
drei Seiten und geben dem Bürger neue Rätsel auf, da er da<strong>von</strong> ausging, dass<br />
der Notar einen interessen- und sachgerechten, einen rechtssicheren Vertrag<br />
vorschlägt, der nach dem Verlesen nur noch unterschrieben werden muss.<br />
Was soll der Vermerk im Bauträgervertrag, „die Zahlung des Kaufpreises vor<br />
lastenfreiem Eigentumsübergang bringt Gefahren mit sich“. Das ist eine<br />
Leerformel, da Grundstückskaufverträge ausnahmslos die Kaufpreiszahlung vor<br />
Eigentumsumschreibung vorsehen.<br />
Einige Vermerke lesen sich so, <strong>als</strong> warne der Notar generell vor dem Abschluss<br />
eines jeden Grundstückskaufvertrages, da er nicht beherrschbare Risiken in sich<br />
birgt. Da hat jemand die Warnfunktion der notariellen Beurkundung gründlich<br />
missverstanden.<br />
5. Die Sprache ist kein Mittel zur Selbstdarstellung des Notars<br />
Es gibt Notare, die einen Hang zur Mystifizierung in dem Sinne haben, dass ihre<br />
Fachsprache dem Bürger nachdrücklich vor Augen führt, ohne den allwissenden<br />
Notar bist du verloren. Seine Machtinstrumente sind der Nomin<strong>als</strong>til,<br />
überlange Schachtelsätze, Zitate gesetzlicher Vorschriften oder Gesetze in<br />
abgekürzter Form („VersAusglG“) oder Verweisungen hierauf, Kondition<strong>als</strong>ätze,<br />
die Verwendung <strong>von</strong> Füllworten wie „auch“, „gilt entsprechend“, „hinsichtlich“,
„insbesondere“, Klammereinfügungen, Verweisungen innerhalb des<br />
Vertragstextes <strong>von</strong> vorne nach hinten und <strong>von</strong> hinten erneut nach vorne, die<br />
Verwendung unterschiedlicher Rechtsbegriffe für ein- und dasselbe und<br />
Doubletten („doppelt genäht, hält besser“). Sie dienen häufig allein der<br />
Selbstdarstellung des Notars und dazu, den Beteiligten zu imponieren.<br />
„Die Beteiligten erklären nunmehr die Auflassung wie folgt:“. „Auflassung“ ist<br />
eine gesetzliche Definition, deren eigentliche Wortbedeutung und -ableitung<br />
niemand so richtig kennt. Warum nicht schlicht: „Verkäufer und Käufer sind<br />
sich einig, dass das Eigentum an dem Grundbesitz auf den Käufer übergeht“?<br />
„Die Eintragung einer Vormerkung gemäß § 883 BGB wird allseits bewilligt“.<br />
Welche andere Vormerkung kommt in Betracht? Wer ist „allseits“?<br />
„Das Vertragsobjekt ist abgesehen <strong>von</strong> II.3a unbelastet zu liefern“ oder (nicht<br />
besser): „Der Verkäufer schuldet den lastenfreien Besitzübergang, soweit<br />
vorstehend nicht etwas anderes vereinbart ist“.<br />
„Die Haftung des Verkäufers für Garantien bleibt unberührt, solche werden<br />
jedoch nicht übernommen“.<br />
„Altlasten i.S. <strong>von</strong> § 2 BBodschG sind dem Verkäufer nicht bekannt“.<br />
Die Liste verbesserungsfähiger Formulierungen ließe sich erweitern, auch bei<br />
familienrechtlichen und erbrechtlichen Rechtsgeschäften. Man gewinnt den<br />
Eindruck, dem Notar gehe es vornehmlich darum, auf die Beteiligten Eindruck<br />
zu machen: er ist ein gelehrter und hochqualifizierter Jurist, der mit<br />
Rechtsbegriffen und Klauseln, die der normale Bürger noch nie in seinem Leben<br />
gehört hat, wie Rastelli zu jonglieren Weiß.<br />
„Vormerkungseintragung wird bewilligt“, ein „Prachtexemplar“ des<br />
Kanzleistils, ebenso „ Eheleute Schmitz im gesetzlichen Güterstand lebend“.<br />
Gerne verwenden Juristen den Konditional, wenn eigentlich der Indikativ<br />
geboten wäre. „Sollte der Käufer den Kaufpreis nicht fristgerecht zahlen“ statt<br />
„Zahlt der Käufer den Kaufpreis bei Fälligkeit nicht“. Im Ehevertrag: „Sollte aus<br />
unserer Ehe ein gemeinschaftliches Kind hervorgehen, ist der vorstehend<br />
vereinbarte Unterhaltsverzicht <strong>als</strong> unwirksam anzusehen“ statt „ Der<br />
Unterhaltsverzicht wird mit der Geburt eines gemeinschaftlichen Kindes<br />
unwirksam“.
Bei handschriftlichen Änderungen des Entwurfs während der<br />
Beurkundungsverhandlung greift der Notar gerne auf einen kurzen, einfachen,<br />
aber spontan formulierten Satz zurück. Verwendet der Vertragsjurist einmal<br />
leichtfertig die Umgangssprache, kann dies zu rechtlichen Zweifelsfragen<br />
führen. „Der Verkäufer wird das Garagentor neu streichen“, eine wenig präzise<br />
Formulierung, die bereits die rechtlich relevante Verpflichtung hierzu nur<br />
unscharf erkennen lässt, vor allem die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung nicht<br />
regelt. „Der Verkäufer verpflichtet sich, bis zum Tage des Besitzübergangs auf<br />
seine Kosten die Außenseite des Garagentors fachgerecht in grauer Farbe zu<br />
streichen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, kann der Käufer einen<br />
Kaufpreisteil <strong>von</strong> …€ einbehalten.“<br />
Wenig hilfreich wäre hier der Zusatz: „ Im Übrigen hat der Käufer auch das<br />
Recht zur Minderung“, da das Wort „auch“ die Frage aufwirft, welche weiteren<br />
Rechte dem Käufer zustehen, die ungenannt bleiben.<br />
6. Verständlichlichkeit schützt nicht immer vor Unverstand<br />
Es gibt eine Fallgruppe, bei der die Dokumentation des guten Rats des Notars,<br />
der aber auf den Unverstand eines Beteiligten stößt, zwingend erforderlich ist.<br />
Ich meine die Fälle, in denen die Rechtsprechung eine „doppelte“<br />
Belehrungspflicht des Notars annimmt. „Falls ein Urkundsbeteiligter eine<br />
ungesicherte Vorleistung erbringen soll, die <strong>als</strong> solche nicht ohne weiteres<br />
erkennbar ist, trifft den Notar eine doppelte Belehrungspflicht. Er hat zum<br />
einen über die Folgen zu belehren, die im Falle der Leistungsunfähigkeit des<br />
durch die Vorleistung Begünstigten eintreten (erste Pflicht), und zum anderen<br />
Wege aufzuzeigen, wie diese Risiken vermieden werden können (zweite<br />
Pflicht).“<br />
Eine ungesicherte Vorleistung liegt vor, wenn dem einen Vertragsteil nach der<br />
rechtlichen Anlage des Geschäfts angesonnen wird, seine Leistung zu<br />
erbringen, ohne dass sichergestellt ist, dass er die Gegenleistung des anderen<br />
Vertragsteils erhält. Sind die Risiken einer Vorleistung <strong>als</strong> solche nicht ohne<br />
weiteres für den Laien erkennbar, löst die zweite Pflicht eine besondere<br />
Beratungspflicht des Notars aus, die in Betracht kommenden Sicherungen zur<br />
Vermeidung oder Verringerung des Vorleistungsrisikos den Beteiligten zu
nennen. Die doppelte Belehrungspflicht ist richtigerweise eine sich an die<br />
Belehrung über das Vorleistungsrisiko anschließende Pflicht des Notars zur<br />
interessengerechten Gestaltung des Vertrages. Diese Amtspflicht, sachdienliche<br />
Vorschläge zu unterbreiten, ist der gestaltenden Beratung zuzurechnen, um<br />
einen ausgewogenen, erkannte Risiken vermeidenden Vertragsinhalt zu<br />
bewirken.<br />
Das Besondere an der „doppelten“ Belehrungspflicht ist, dass sich der Notar in<br />
diesen Fällen nicht auf die konkrete Belehrung über die rechtliche Tragweite<br />
des risikobehafteten Geschäfts nach § 17 Abs. 1 BeurkG, insbesondere eines<br />
unerfahrenen und ungewandten Beteiligten, beschränken darf, so dass ein<br />
Belehrungsvermerk insoweit keinen Sinn macht.<br />
In dem vom BGH (DNotZ 2008, 925) entschiedenen Fall des vorzeitigen<br />
Besitzübergangs erklärte der Käufer in der Verhandlung, er könne den<br />
Kaufpreis derzeit nicht zahlen, er wünsche eine Stundung, aber den sofortigen<br />
Besitzübergang gegen Zahlung einer Nutzungsentschädigung. Nehmen wir an,<br />
der Notar, der die doppelte Belehrungspflicht beherrscht, erkennt das Risiko<br />
einer ungesicherten Vorleistung des Verkäufers und schlägt eine Sicherung<br />
durch eine Anzahlung oder eine Bankbürgschaft vor Besitzübergang vor, ein<br />
Ansinnen, das der Käufer zurückweist: er habe kein Geld und niemand gebe<br />
ihm derzeit Kredit. Der zur Neutralität verpflichtete Notar signalisiert dem<br />
Verkäufer, „nimm Abstand vom Verkauf. Hat der Käufer kein Geld, hilft die<br />
beste Vertragsgestaltung nicht“. Der vertrauensselige Verkäufer will trotzdem<br />
unterschreiben.<br />
Stößt der Notar mit seinen Vorschlägen, ein absehbares Debakel abzuwenden<br />
(das sich im entschiedenen Fall auch sofort realisierte, der Käufer zahlte die<br />
Nutzungsentschädigung nicht), auf den Unverstand des vorleistenden<br />
Vertragsteils, ist er mit seiner Kunst am Ende. Er hat aber seine<br />
Gestaltungsvorschläge in der Niederschrift zu dokumentieren, und zwar<br />
verständlich, das heißt die Konsequenzen ihrer Nichtbefolgung so drastisch zu<br />
schildern, dass spätestens jetzt jeder vernünftige Mensch zu seinem Verstand<br />
zurückfinden sollte. Auch das gehört zur Kunst der verständlichen Urkunde!<br />
7. Die „formelhafte“ Klausel: Verbraucherschutz kontra Rechtssicherheit
In der Ägide des Verbraucherschutzes ist die „formelhafte“ Klausel, <strong>als</strong>o eine<br />
für eine Vielzahl <strong>von</strong> Verträgen bestimmte vorformulierte Vertragsbedingung,<br />
die Ausgeburt des Satans und der Notar sein williger Vollstrecker, weil er sich<br />
ihrer bedient.<br />
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist ein „formelhafter“ Ausschluss<br />
der Gewährleistung für Sachmängel beim Erwerb eines Neubaus in einem<br />
Individualvertrag (Verkäufer und Käufer sind Verbraucher) gemäß § 242 BGB<br />
unwirksam, wenn die Freizeichnung nicht mit dem Erwerber „unter<br />
ausführlicher Belehrung über die einschneidenden Rechtsfolgen eingehend<br />
erörtert worden ist“. Ist die Freizeichnungsklausel, die nicht „formelhaft“ sein<br />
darf, mit ihren einschneidenden Rechtsfolgen mit dem Käufer nicht eingehend<br />
erörtert worden, sind ihm nicht in verständlicher Sprache Umfang und<br />
Tragweite des Gewährleistungsausschlusses gewissermaßen „vor Augen<br />
geführt" worden und ist ihm daher nicht bewusst, dass ihm bei etwaigen<br />
Mängeln keine Ansprüche gegen den Verkäufer zustehen, ist sie unwirksam mit<br />
der Konsequenz der uneingeschränkten werkvertraglichen Haftung des<br />
Verkäufers für Sachmängel. Im Streitfall muss der Verkäufer darlegen und<br />
beweisen, dass der Notar den Käufer in dem geforderten Umfang belehrt und<br />
aufgeklärt hat. Nach der Rechtsprechung des BGH "muss zum Schutze des<br />
Erwerbers hingenommen werden, dass die unterbliebene Aufklärung und<br />
Belehrung durch den Notar zur Unwirksamkeit der Klausel führt, <strong>als</strong>o dem<br />
Veräußerer zugerechnet wird, der sich freizeichnen will“.<br />
Die Rechtsprechung ist zu kritisieren. Den Notar trifft die Formulierungspflicht<br />
aus § 17 Abs. 1 BeurkG: die Freizeichnung muss „klar und unzweideutig“ sein,<br />
sie darf aber nicht "formelhaft" sein. Wie aber soll die Klausel, die den<br />
Gesetzestext des § 444 BGB wörtlich übernimmt, "die Rechte und Ansprüche<br />
des Käufers gegen den Verkäufer wegen eines Sachmangels sind<br />
ausgeschlossen", die auch klar, unzweideutig und transparent und für den<br />
juristischen Laien verständlich ist, anders gefasst werden, um den Makel der<br />
Formelhaftigkeit zu vermeiden?<br />
Auch im Urteil des OLG <strong>Köln</strong> vom 23. 2. 2012 (MittBayNot 2011, 480) ging es<br />
um den individualvertraglichen Gewährleistungsausschluss bei einem Neubau.<br />
Das OLG stellt fest, der Ausschluss einer eigenen Haftung des Verkäufers für<br />
Sachmängel des Neubaus sei „nach dem Verständnis beider Parteien nur
formelhaft, d. h. unter Verwendung pauschaler Begrifflichkeiten, festgelegt<br />
worden“, und definiert: „eine formelhafte Klausel liegt immer dann vor, wenn<br />
diese üblicherweise in Formularverträgen zu finden und nicht auf den<br />
Individualvertrag zugeschnitten ist“. Das ist schlicht Unsinn, da alle notariellen<br />
Verträge zwingend und zu Recht auf ausgearbeiteten Formularen <strong>als</strong><br />
Mustertexten beruhen.<br />
Die höchstrichterliche Rechtsprechung zeigt ein grundlegendes Missverständnis<br />
der Kautelen des Vertragsjuristen. Kautelen sind unverzichtbare Instrumente<br />
der „ars notarii“, sie sind ein in der juristischen Tradition entwickelter<br />
Formelschatz, der dem Notar bei der Rechtsanwendung zur Verfügung steht, es<br />
sind dies aber auch die bewussten Rechtsschöpfungen und eigenständige<br />
Vertragsgestaltungen, die vom Kautelarjuristen immer dann gefordert werden,<br />
wenn das Gesetz dem Bürger kein ausreichendes Instrumentarium zur<br />
Verwirklichung und - vor allem - zur Sicherung seiner Interessen an die Hand<br />
gibt. Kautelen sind Schutz- und Sicherheitsklauseln, die den ausgewogenen,<br />
den divergierenden Interessen beider Parteien Rechnung tragenden,<br />
sachgerechten Vertrag sicherstellen und damit Rechtssicherheit schaffen.<br />
Kautelen können aber nicht anders <strong>als</strong> „formelhaft“ sein, sie müssen es sogar<br />
sein in dem Sinne, dass sie auf der Grundlage des Rechts sorgfältig<br />
ausformuliert sind und gleichlautend <strong>von</strong> den Vertragsjuristen verwendet<br />
werden. Originalität oder Prosa sind in der notariellen Urkunde fehl am Platz.<br />
Überdies verraten weder der BGH noch das OLG <strong>Köln</strong> den Notaren, wie eine<br />
Freizeichnungsklausel anders <strong>als</strong> allgemein üblich gefasst werden soll, um nicht<br />
<strong>als</strong> „formelhaft“ ihre materielle Wirksamkeit in Frage zu stellen.<br />
Um einen individuell, aber schlampig formulierten Gewährleistungsausschluss<br />
ging es in dem vom OLG <strong>Köln</strong> entschiedenen Fall. Im Vertrag war auch die<br />
Abtretung der dem Verkäufer zustehenden Ansprüche wegen Sachmängeln<br />
gegen den Bauträger bzw. die am Bau Beteiligten an den Käufer zumindest<br />
nicht eindeutig geregelt. Die Klauseln setzen sich zu Recht dem Vorwurf der<br />
Intransparenz und Unverständlichkeit aus. Der Satz, „die Ansprüche des<br />
Käufers gegen den Verkäufer wegen eines Sachmangels des Grundstücks und<br />
des Gebäudes sind ausgeschlossen“, lässt sich beim besten Willen nicht<br />
eindeutiger und für den Bürger verständlicher formulieren.
Zum anderen hat der Notar im Vertrag zu dokumentieren, wie er den Käufer<br />
verständlich auf die einschneidenden Rechtsfolgen hingewiesen hat. Allein der<br />
Belehrungsvermerk schützt den Vertrag effektiv vor der Unwirksamkeit des<br />
Haftungsausschlusses. Obwohl § 17 BeurkG <strong>als</strong> "Soll-Vorschrift" ausgestaltet ist,<br />
die Verletzung der Belehrungspflicht zwar zur Haftung des Notars führen kann,<br />
aber die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht berührt (zum Schutz der<br />
Vertragsparteien, die nicht beurteilen können, ob der Notar seinen<br />
Amtspflichten ordnungsgemäß nachkommt), hat beim Verkauf eines Neubaus<br />
eine formelhafte Formulierung und eine unzureichende Belehrung, die allein<br />
der Notar zu verantworten hat, die materielle Unwirksamkeit der Klausel zu<br />
Lasten des Verkäufers zur Folge. Das ist mit der Systematik des<br />
Beurkundungsgesetzes nicht zu vereinbaren.<br />
Weiterhin erforderlich ist der urkundliche Nachweis, dass der Notar mit dem<br />
Käufer den Ausschluss einer eigenen Haftung des Verkäufers für Sachmängel,<br />
sollten die abgetretenen Ansprüche nicht durchsetzbar sein, "eingehend<br />
erörtert" hat. Beim Verkauf eines Altbaus (ohne Herstellungsverpflichtung) ist<br />
eine notarielle Belehrung über Umfang und Bedeutung des<br />
Gewährleistungsausschlusses nicht Voraussetzung für dessen Wirksamkeit,<br />
auch wenn er in einer formelhaften Klausel enthalten ist. Bei einem Kaufvertrag<br />
über einen Neubau soll dagegen der Käufer mit dieser Klausel "überrumpelt"<br />
werden und einer "ausführlichen Belehrung" des Notars bedürfen. Das ist<br />
schwer nachvollziehbar. Der Belehrungsvermerk ist jedenfalls bei diesen<br />
Verträgen zur Vermeidung der Unwirksamkeit der Freizeichnungsklausel<br />
zwingend erforderlich. Nur welchen Inhalt hat er?<br />
8. „Juristendeutsch“ und die gute deutsche Sprache<br />
Nimmt man die Vertragsentwürfe der Großkanzleien zu wirtschaftlich<br />
bedeutenden Verträgen <strong>als</strong> Maßstab, hat sich das Thema der guten deutschen<br />
Sprache <strong>von</strong> selbst erledigt: sie kommt überhaupt nicht mehr vor. Englisch ist<br />
„in“ und macht auch mehr her. Auch für den Grundstückskaufvertrag bieten<br />
Formularbücher eine englische Fassung, bei der die Eintragung der Vormerkung<br />
zur „Registration of the priority notice“ wird, was die Rechtsnatur der<br />
Vormerkung „vortrefflich“ beschreibt.
Die Verwendung der guten deutschen Sprache, möglichst frei <strong>von</strong> Anglizismen<br />
und lateinischen Fachbegriffen, wie culpa in contrahendo, ist nicht nur eine<br />
Frage der Ästhetik, sondern auch unverzichtbare Voraussetzung für die<br />
juristisch präzise , zugleich für den Bürger verständliche notarielle Urkunde.<br />
Eine (wahre) Lehrergeschichte dient dem Eingeständnis, dass auch der Referent<br />
den hohen Ansprüchen seines <strong>Vortrag</strong>s keineswegs genügt.<br />
Ein Lehrerehepaar kauft <strong>von</strong> einem Privatmann eine leerstehende und<br />
unbelastete Eigentumswohnung. Für den normalen Bürger und für den Notar<br />
ein Routine-Kaufvertrag, nicht dagegen für einen Lehrer. Einzelheiten erspare<br />
ich Ihnen. Nach zwei jeweils einstündigen Beratungsgesprächen endlich der<br />
Beurkundungstermin, selbstverständlich um 11 Uhr, <strong>als</strong>o während der<br />
Unterrichtszeit. Nach 6o Minuten war der 9seitige Text verlesen, unterbrochen<br />
<strong>von</strong> zahllosen Rückfragen unseres Lehrerehepaares. „Alles verstanden?“<br />
Sensationell „ja,… aber ich würde mir gerne vor der Unterschrift den Text noch<br />
einmal in Ruhe durchlesen“. Verkäufer und ich ließen die Lehrer allein - tun Sie<br />
das nie! 30 Minuten später präsentierten mir die Lehrer mit abgrundtiefem<br />
Abscheu die Niederschrift wie den korrigierten Deutschaufsatz mit unzähligen<br />
Unterstreichungen und Randbemerkungen, selbstverständlich in roter Tinte,<br />
angefangen mit „R“ und „Z“, über „Gr.“ und „Ausdruck“ bis hin zu „drücken Sie<br />
sich verständlicher aus“ und „was soll das heißen?“, „es gilt: Subjekt, Prädikat,<br />
Objekt“, usw.<br />
„<strong>Brambring</strong>, mangelhaft.“