Inhalt Vorwort - Arbeitsgemeinschaft Anwaltsnotariat
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<strong>Inhalt</strong><br />
Themen<br />
Unabhängigkeit und Unparteilichkeit im<br />
Spannungsfeld des § 17 BurkG ................................. 2<br />
Das englische Notariat ................................................ 11<br />
Informationen der<br />
<strong>Arbeitsgemeinschaft</strong><br />
<strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> ..................... 18<br />
<strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> im Internet .............................. 18<br />
Herbsttagung 2000 ...................................................... 19<br />
Herbstveranstaltung 2001 ........................................... 20<br />
Deutsche Anwaltakademie ........................................ 20<br />
Notarielles Berufsrecht<br />
Dienstordnung für Notarinnen und Notare (DONot) 21<br />
Rechtsprechung<br />
BverfG, Erster Senat, 2. Kammer,<br />
Beschl. v. 9.8.2000 ¼ 1 BvR 647/98 ....................... 22<br />
BVerfG, Erster Senat, 2. Kammer,<br />
Beschl. v. 15.8.2000 ¼ 1 BvR 1523/99 .................. 24<br />
BGH, Beschl. v. 31.7. 2000 ¼ NotZ 13/00 ............. 24<br />
BGH, Beschl. v. 22.3.1999 ¼ NotZ 2/99 ................ 25<br />
Hans. OLG Bremen,<br />
Beschl. v. 17.8.2000 ¼ 2 Not 3/2000 ..................... 25<br />
OLG Frankfurt,<br />
Beschl. v. 7.12.1999 ¼ 20 W 471/99 ...................... 25<br />
BGH, Urt. v. 15.4.1999 ¼ IX ZR 328/97 ................. 25<br />
OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.5.1999 ¼ 9 U 257/98 27<br />
KG, Beschl. v. 23.5.2000 ¼ 1 W 247/99 ................ 27<br />
OLG Düsseldorf,<br />
Beschl. v. 19.10.2000 ¼ 10 W 90/00 ...................... 27<br />
Zum Schluss<br />
Der verwirrte Notar ....................................................... 28<br />
<strong>Vorwort</strong><br />
Vor Ihnen liegt das Mitteilungsblatt der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong><br />
<strong>Anwaltsnotariat</strong>. Wie vieles andere<br />
auch, symbolisiert das Erscheinen einen Neuanfang<br />
in der Vertretung der Anwaltsnotare im deutschen<br />
Anwaltverein. Es wird in loser Folge erscheinen und<br />
Vorträge, Aufsätze, Rechtsprechung und Kommentare,<br />
Buchbesprechungen und Berichte rund um das<br />
Thema <strong>Anwaltsnotariat</strong> in Deutschland mit durchaus<br />
relevanten Bezügen zu Europa enthalten. Dabei wird<br />
neben der reinen Information zu ausgewählten Sachthemen<br />
die Reflexion über standespolitische Entwicklungen<br />
und Fragen ebensoseinen Raum einnehmen,<br />
wie die Auseinandersetzung mit den berufspraktischen<br />
Fragen der täglichen Arbeit.<br />
Das Mitteilungsblatt lebt sowohl von der Mitarbeit<br />
aller Kolleginnen und Kollegen als auch von der<br />
Resonanz, die der <strong>Inhalt</strong> des Blattes von Ihnen erfährt.<br />
Anregungen, eigene Beiträge und selbstverständlich<br />
Kritik sind nicht nur erwünscht, sondern<br />
auch gefordert. Das <strong>Anwaltsnotariat</strong>, vertreten durch<br />
die <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> soll weiter eine gewichtige<br />
Stimme nicht nur in der Auseinandersetzung mit dem<br />
Gesetzgeber und der Dienstaufsicht, sondern auch<br />
im Wettbewerb mit den anderen Notariatsformen in<br />
Deutschland erhalten. Hier ist das Mitteilungsblatt ein<br />
geeignetes und hervorragendes Forum, das durch<br />
die Darstellung der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> im Internet<br />
(www.anwalts-notariat.de) eine stets aktuelle Ergänzung<br />
erfährt. Abgerundet wird das Bild durch die<br />
Informations- und Fortbildungsveranstaltungen, die<br />
die <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> auf ihren Frühjahrs- und<br />
Herbsttagungen sowie bei den Anwaltstagen durchführt.<br />
Das Mitteilungsblatt wird auch diese Veranstaltungen<br />
begleiten und dokumentieren.<br />
Die <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> hat schon ein erhebliches<br />
Gewicht, das sich nicht nur darin dokumentiert,<br />
dass sie bei allen das Notariat tangierenden Gesetzes-<br />
und Verordnungsvorhaben von den federführenden<br />
Ministern beteiligt wird. Diese Position zu halten<br />
und auszubauen wird auch in Zukunft die Aufgabe<br />
der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> sein.<br />
In diesem Sinne mit vielen Grüßen<br />
des GF-Ausschusses<br />
Günter Schmaler
2 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />
Themen<br />
Unabhängigkeit<br />
und Unparteilichkeit im<br />
Spannungsfeld des §17 BurkG<br />
Rechtsanwalt und Notar Rembert Brieske, Bremen<br />
¼Teil1¼<br />
Vorbemerkung 1<br />
Der Gang der nachfolgenden Erörterung wird<br />
nach einer Einleitung zunächst über einige Ausführungen<br />
zum Normzweck der Beurkundungsvorschriften<br />
führen.<br />
Dies ist heute nicht nur eine Frage der Gesetzesauslegung.<br />
Es geht vielmehr um den Sinn von Vorschriften,<br />
die die Beurkundung vorschreiben, auf<br />
dem Hintergrund der Frage, ob man den mit dem<br />
Zwang zur Beurkundung verfolgten Zweck durch<br />
Notariat erfüllen und erreichen kann oder ob man<br />
sich dazu auch anderer Instrumente bedienen kann.<br />
Es geht nicht nur darum, weshalb der Gesetzgeber<br />
vorgeschrieben hat, ein Geschäft müsse beurkundet<br />
werden. Es geht darum, ob dieser Zweck durch notarielle<br />
Praxis tatsächlich erreicht wird oder gleichwohl<br />
verfehlt wird. Wird dieser Zweck in der Praxis verfehlt,<br />
stellt sich die Sinnfrage des Notariats.<br />
Der Normzweck wird uns weiter begleiten, wenn<br />
wir uns die Normen ansehen, die die Aufgaben des<br />
Notars und das von ihm einzuhaltende Verfahren beschreiben.<br />
Diese die Aufgaben des Notars beschreibenden<br />
Normen dienen auch dazu, ein Verfahren zu<br />
sichern, um den mit den Normen verfolgten Zweck zu<br />
erreichen.<br />
§ 17 Abs. 2a BurkG ist das insbesondere für das<br />
Verfahren einschlägige Aushängeschild. Es verlangt<br />
vom Notar, durch ein geeignetes Verfahren sicherzustellen,<br />
dass er die Pflichten aus den Abs. 1 und 2<br />
erfüllen kann.<br />
Diese Pflichten aus § 17 Abs. 1 und 2 BUrkG sind<br />
noch im einzelnen zu beschreiben. Es sind jedenfalls<br />
nicht nur Prüfungs- und Belehrungspflichten2 .<br />
§ 17 Abs. 1 S. 1 BUrkG beschreibt als Pflichten<br />
des Notars.<br />
Der Notar soll den Willen der Beteiligten erforschen,<br />
den Sachverhalt klären, die Beteiligten über<br />
die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und<br />
ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift<br />
wiedergeben.<br />
Diese einzelnen Pflichten werden wir nacheinander<br />
behandeln.<br />
Wir werden uns dann den Normen zuwenden, die<br />
die Grenzen notarieller Tätigkeit beschreiben. Dabei<br />
werden wir zum einen ein Wechselverhältnis zu den<br />
Verfahrensnormen entdecken; zum anderen aber<br />
auch zum Normzweck der Beurkundungsnormen.<br />
Wir werden uns mit der Frage befassen müssen,<br />
was sich der Gesetzgeber dabei gedacht hat, als er<br />
eine weitere Bezugnahme auf andere notarielle Niederschriften<br />
zuließ und dann die Vorlesungspflicht<br />
einschränkte 3 .<br />
In einem weiteren Schritt werden wir uns dann<br />
noch den Folgen zuwenden, die die Beteiligten treffen<br />
können, wenn diese Regeln des Beurkundungsverfahrens<br />
nicht eingehalten werden.<br />
Zu den nachfolgenden Erörterungen ist anzumerken,<br />
dass das Horrorszenario der Haftung möglichst<br />
nicht bemüht werden soll. Es sollen die Aufgaben des<br />
Notars geschildert werden, damit wir uns über diese<br />
abwägend streiten können. Die Sanktion der Haftung<br />
oder des Disziplinarrechts soll eben nicht bemüht<br />
werden. Es kann aber nicht verschwiegen werden,<br />
dass manche Erkenntnis, die in diesen Beitrag eingeflossen<br />
ist, aus dem Miterleben solcher Vorgänge<br />
stammt. Vielleicht kann man sich über die Frage, wie<br />
der Notar beurkunden soll, unterhalten in der Erwartung,<br />
der Notar/die Notarin werde dies tun; und nicht<br />
immer in der Vorfreude, was geschieht, wenn es nicht<br />
gemacht wird.<br />
Die im Titel verwendeten Begriffe ¹Unabhängigkeitª<br />
und ¹Unparteilichkeitª sind mehrschichtig. Sie werden<br />
herkömmlich verwendet, um zu beschreiben, dass<br />
der Notar von den Urkundsparteien unabhängig und<br />
ihnen gegenüber unparteilich sein soll. Manchmal<br />
fragt man sich, ob es auch um Unabhängigkeit von<br />
zu viel Reglementierung gehen muss. Wir werden<br />
dies später vertiefen müssen.<br />
Einleitung<br />
Wir beginnen damit, die Stellung und Rolle des<br />
Notars gegenüber den Rechtsuchenden zu bestimmen<br />
4 .<br />
1 Die nachfolgenden Ausführungen knüpfen an zwei Referate an, die auf<br />
dem 48. Deutschen Anwaltstag in Berlin zu den Leitthemen ¹Benachteiligung<br />
der Mütterª und ¹Berufsrechtª gehalten worden sind, AnwBl 1995,<br />
481. Sie greifen aber weitere Entwicklungen aus der Gesetzgebung und<br />
der Rechtsprechung zu den haftungsrechtlichen und berufsrechtlichen<br />
Fragen auf.<br />
2 So aber Frenz-Winkler Neues Berufs- und Verfahrensrecht für Notare S. 99.<br />
3 Zuletzt indem er § 14 BUrkG änderte.<br />
4 Um Missverständnisse zu vermeiden, sei sogleich betont, dass es nicht<br />
um die Frage geht, wie ein Notar möglichst einseitig Verträge zugunsten<br />
von Schwächeren gestalten kann. Es geht vielmehr um die Frage, wie<br />
Benachteiligungen vermieden werden können oder ¼ nach Maßgabe des<br />
Gesetzes ¼ vermieden werden müssen.
MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 3<br />
Wir sind uns einig, dass der Notar nach der Vorstellung<br />
des Gesetzgebers nicht mehr die bloße Urkundsperson<br />
ist, die durch ihre Unterschrift bestätigt, dass<br />
Jan Müller und Frieda Meier vor ihm etwas erklärt<br />
und/oder unterschrieben haben. Wir können uns diesen<br />
¼ längst überholten ¼ Notar am besten mit Perükke<br />
und Zopf vorstellen. Der alte Zopf, wonach der Notar<br />
nur ein bestimmtes ¼ möglichst unverständliches<br />
und geheimnisvolles ¼ Verfahren einzuhalten hat, ist<br />
längst abgeschnitten. Wir werden nachher sehen,<br />
dass die so entstandene und kultivierte Rechtssprache<br />
den Anforderungen des Gesetzes nicht entspricht.<br />
Auch entspricht es nicht dem vom Gesetz vorgegebenen<br />
Bild, wenn der Schreiberling des Notars die<br />
Rechtsuchenden vor und von dem Notar weghält. In<br />
manchen Richtlinien5 finden wir den Satz: In jedem<br />
Fall muss es den Beteiligten möglich bleiben, sich persönlichandenNotarzuwenden.<br />
Der Notar ist auch nicht auf die Rolle desjenigen reduziert,<br />
der die Identität der Unterzeichner bestätigt.<br />
Der Notar ist nicht der bloße Unterschriftsbestätiger<br />
aus anderen Rechtsordnungen. Gleichwohl kann nicht<br />
übersehen werden, dass etwa bei der Übertragung<br />
von Geschäftsanteilen zwischen Konzernunternehmen<br />
oder Konzerntöchtern oder Unternehmen mit einer<br />
gesellschaftsrechtlich versierten Rechtsabteilung oder<br />
zwischen Unternehmen, die auf beiden Seiten von<br />
gesellschaftsrechtlich spezialisierten Rechtsanwälten<br />
vertreten werden, eine über die dokumentierende<br />
Tätigkeit hinausgehende Tätigkeit des Notars nicht<br />
unbedingt erforderlich ist.<br />
Aus der Geschichte des <strong>Anwaltsnotariat</strong>s ist zu erinnern,<br />
dass gerade der rechtsgelehrte Advokat ¼<br />
und nur dieser ¼ Notar wurde. Dadurch wurde ein<br />
gewisser Standard notarieller Tätigkeit erreicht (Notariat<br />
als Rechtsbetreuung). Diesem Ziel6 , die Qualität<br />
notarieller Tätigkeit zu erhöhen, ist besonders förderlich,<br />
wenn der Anwaltsnotar aus seiner forensischen<br />
Erfahrung erlebend weiß, was mit den Urkunden und<br />
deren Auslegung passiert; man muss wissen, was die<br />
Rechtsprechung an Ideen entwickelt, aus denen sich<br />
immer wieder ergibt, dass notarielle Routinen verändert<br />
werden müssen. Wir werden später an Einzelfällen<br />
darstellen, wie sich aus der Rechtsprechung zu<br />
den §§ 134, 138, 242 BGB Anforderungen an notarielle<br />
Tätigkeit ergibt, die der forensisch tätige Rechtsanwalt<br />
aus seiner täglichen Praxis sofort für das<br />
Notariat mitnehmen soll.<br />
Die Stellung des Notars von heute wird schlicht<br />
von gesetzlichen Bestimmungen beschrieben. Es<br />
empfiehlt sich, diese einfach durchzulesen, um anhand<br />
ihrer Schlichtheit zu erkennen, welche sehr<br />
schlicht formulierten Anforderungen zu beachten<br />
sind. Man muss nur bereit sein, der schlichten Anforderung<br />
des Gesetzes den Vorrang zu geben gegen-<br />
über vermeintlichen Bedürfnissen der Praxis und<br />
Routine, denen allerdings die gesetzliche Legitimation<br />
ermangelt. Wer erklärt, angesichts der Gebührensätze<br />
der KostO und der betriebswirtschaftlichen Bedürfnisse<br />
der Praxis könne er nicht die Zeit erübrigen,<br />
den Anforderungen des Gesetzes zu genügen, verkennt<br />
den Vorrang des Gesetzes. Ebenso wenig geht<br />
es an, das Gesetz restriktiv auszulegen, um die Anforderungen<br />
aus derartigen Gründen ¹hinunterzuinterpretierenª.<br />
Das zu behandelnde Thema betrifft beide Notariatsverfassungen<br />
in gleicher Weise im Rahmen der<br />
gesetzlichen Vorgaben. Anwaltstätigkeit in der einen<br />
Angelegenheit und Notariat in der anderen Angelegenheit<br />
sind vereinbar; das Neutralitätsgebot stellt<br />
sich in jedem Einzelfall in beiden Notariatsverfassungen.<br />
Dies sei an einem Beispiel verdeutlicht:<br />
Der Notar beurkundet einen Erbvertrag in der<br />
Unternehmerfamilie, der aus bestimmten Gründen<br />
keinen freien Rücktritt ermöglicht. Nach Jahr und Tag<br />
erscheint bei ihm der Unternehmer, der nunmehr anfragt,<br />
wie der Erbvertrag angefochten werden kann.<br />
Die Anfechtung des von diesem Notar beurkundeten<br />
Erbvertrages durch einen Vertragsbeteiligten greift<br />
den Bestand des Erbvertrages an. Der Notar handelt<br />
parteiisch, wenn er zugunsten einer Vertragspartei<br />
und zu Lasten der anderen den Vertrag angreift oder<br />
fremden Angriff unterstützt.<br />
Wie schwer manchmal Unparteilichkeit fallen kann,<br />
sieht man daran, dass Autoren von Vertragsmustern,<br />
die beim BGH keine Gnade fanden, aus beiden Notariatsverfassungen<br />
stammten.<br />
Die nachfolgenden Überlegungen befassen sich<br />
überwiegend mit Vereinbarungen auf der Grundlage,<br />
dass deutsches Recht gilt, sei es kraft Gesetzes oder<br />
kraft Rechtswahl. Nur in Teilbereichen sind ausländische<br />
Rechtsordnungen erwähnt.<br />
Warum ist notarielle Form vorgeschrieben?<br />
Unsere Überlegungen beginnen mit der Frage,<br />
weshalb das Gesetz für verschiedene Vorgänge teils<br />
die Beurkundung vorschreibt teils die Form der Beurkundung<br />
neben anderen Formen alternativ vorsieht.<br />
Bereits hier sei angemerkt: wir werden sehen,<br />
dass diesen Anforderungen des materiellen Rechts<br />
jeweils exakt Pflichten des Notars entsprechen. Es<br />
lohnt sich deshalb bereits jetzt darauf zu achten, welche<br />
Aufgabe des Notars mit den nachfolgenden<br />
Funktionen korreliert.<br />
5 Von den Notarkammern gem. § 67 Abs. 2 BNotO beschlossene Richtlinien<br />
etwa Celle, Hamm, Thüringen, Bayern und andere.<br />
6 Zu dem Ziel, juristische und technische Kompetenz zu fördern vgl. Ziffer<br />
1.2.5. des Europäischen Kodex des notariellen Standesrechts DNotZ<br />
1995, 329 ff.
4 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />
1. Schutz und Warnfunktion: Eine Gruppe von<br />
Normen verlangt die Urkundsform, um die Beteiligten<br />
zu schützen. Schutzzweck verbunden mit Warnungsfunktion<br />
(vor Übereilung) und Beratung durch den<br />
betreuenden Notar stehen im Vordergrund bei:<br />
9 § 311 BGB Verträgen über gegenwärtiges Vermögen<br />
9 § 313 BGB Grundstücksverträgen<br />
9 § 1410 BGB Eheverträgen ¼ hier verstärkt durch die<br />
Pflicht zur Anwesenheit beider Vertragsparteien ¼<br />
9 seien es Güterrechtsvereinbarungen<br />
9 oder Regelungen betreffend den Zugewinnausgleich<br />
9 § 1587o BGB vertraglichem Ausschluss des Versorgungsausgleichs<br />
¼ hier verstärkt durch die Möglichkeit<br />
diesen Ausschluss dadurch auszuhebeln, dass<br />
binnen Jahresfrist ein Ehegatte beantragt, die Ehe<br />
zu scheiden<br />
9 § 1934d BGB Verträge über den vorzeitigen<br />
Erbausgleich des nichtehelichen Kindes<br />
9 § 2348 BGB Erbverzichtserklärungen, bei denen<br />
auch die Annahme zu notarieller Urkunde erklärt<br />
werden muss.<br />
Dass die Schutzfunktion unvollständig ausgestaltet<br />
ist7 , zeigen folgende Beispiele:<br />
9 Vertragsabschluß mit einem oder mehreren vollmachtlosen<br />
Vertreter, so dass der eigentliche Vertragspartner<br />
gar nicht belehrt wird, sondern nur<br />
der Vertreter<br />
9 insbesondere unterlaufen wird der Schutzzweck,<br />
wenn der Verkäufer für den Käufer als vollmachtloser<br />
Vertreter erscheint; (Die Frage, ob es den<br />
Dienstpflichten des Notars entspricht, wenn der<br />
Notar diesen Weg ohne besonderen Grund beschreitet,<br />
ist auf dem Hintergrund des § 17 Abs. 2a<br />
BurkG besonders kritisch zu betrachten 8 .)<br />
9 formlos wirksam ist die Genehmigung, die der bei<br />
der Beurkundung Abwesende erteilt; soweit seine<br />
Unterschrift beglaubigt wird, dient dies nur dem<br />
Identitätsnachweis gegenüber einer Behörde oder<br />
dem Grundbuchamt oder Handelsregister, nicht<br />
aber der Wirksamkeit der Erklärung<br />
9 Heilung durch Auflassung und Eintragung mindern<br />
natürlich auch den Zweck der Norm und nehmen<br />
ihr ¼ wenn auch aus gutem Grund ¼ einen Teil<br />
ihrer Effektivität;<br />
9 durch den allerdings nur in seltenen Fällen zugelassenen<br />
Einwand des Rechtsmissbrauchs gegenüber<br />
demjenigen, der sich auf den Formmangel beruft9 ;<br />
9 ¼ eingeschränkt ¼ durch die die Form der notariellen<br />
Beurkundung ersetzende Form der gerichtlichen<br />
Protokollierung; ohne dass sichergestellt ist,<br />
dass im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens eine<br />
Partei nicht übervorteilt wird; allerdings fordert<br />
jedes gerichtliche Verfahren gleichsam jede Partei<br />
auf, sich anwaltlichen Rates zu bedienen.<br />
Wenn es darum geht, die Aufgaben des Notars zu<br />
beurteilen, ist nicht von dem eingeschränkt erreichbaren<br />
Schutzzweck der Normen auszugehen sondern<br />
von der Aufgabenstellung, die sich ergäbe, wenn es<br />
diese Einschränkungen nicht gäbe. Niemand wird<br />
generell die Belehrungspflichten des Notars reduzieren<br />
wollen, indem er nachweist, dass in einzelnen<br />
gesetzestechnisch ermöglichten Fällen die Vertragsbeteiligten<br />
selbst gar nicht belehrt werden. Gerade<br />
§ 17 Abs. 2a BurkG fordert hier neues Nachdenken.<br />
2. Klarstellung und Sicherheit des Rechtsverkehrs:<br />
In anderen Fällen dient die Formvorschrift<br />
dazu sicherzustellen, dass der Wille des Erklärenden<br />
klargestellt wird; dass dazu der Erklärende über die<br />
rechtliche Tragweite beraten wird; dass die Echtheit<br />
der Urkunde über das Erklärte gesichert wird; dass<br />
Beweis erbracht werden kann, wer zu welcher Zeit<br />
welche Erklärung abgegeben hat. Solche Fälle sind:<br />
9 § 2231 Nr. 1 BGB Errichtung eines Testaments, das<br />
auch ohne notarielle Begleitung errichtet werden<br />
kann;<br />
9 § 2276 BGB Abschluss eines Erbvertrages, an dem<br />
alle Beteiligten unmittelbar ¼ äußerstenfalls vertreten<br />
durch eine andere Person ¼ mitwirken müssen;<br />
9 § 2282 BGB Anfechtung des Erbvertrages;<br />
9 § 2296 BGB Rücktritt vom Erbvertrag;<br />
9 § 2371 BGB Erbschaftsverkauf;<br />
9 § 2 Abs. 2 GmbHG Gründung einer GmbH;<br />
9 § 15 Abs. 3, 4 Abtretung von GmbH-Anteilen.<br />
3. Beweisfunktion: Beweiskraft der notariellen<br />
Urkunde spielt in folgenden Normen eine Rolle, z. B.:<br />
9 § 415 ZPO 10<br />
9 § 1377 BGB i. V. m. § 1035 BGB Verzeichnis des<br />
Anfangsvermögens 11<br />
9 § 1418 BGB i. V. m. § 1412 BGB Begründung und<br />
Nachweis von Vorbehaltsgut<br />
9 § 2002 BGB Aufnahme eines Nachlassinventars 12<br />
9 § 2314 Abs.1BGB Aufnahme des Nachlassbestandes<br />
7 BGH NJW 1994, 1344 ff. (Timesharing-Entscheidung).<br />
8 BayObLG JurBüro 1994, 234: die Rechtswirksamkeit des Verfahrens<br />
stünde der Feststellung nicht entgegen, das Verfahren sei dienstordnungswidrig;<br />
m. w. N.<br />
9 Es fällt aber schwer einen Fall zu konstruieren, in dem der Schutzbedürftige<br />
sich nicht auf die Formvorschrift berufen kann.<br />
10 Vgl. dazu BGH NJW 1994, 2768 (Timesharing-Entscheidung).<br />
11 Mit der Folge, dass ggf. das Endvermögen als Zugewinn vermutet wird,<br />
wenn das Anfangsvermögen nicht anderweitig bewiesen werden kann.<br />
12 Mit gewissem haftungsrechtlichen Schutz.
MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 5<br />
Auf dem Hintergrund dieser und anderer Normen<br />
und dem jeweiligen Normzweck sind die nachstehend<br />
beschriebenen Aufgaben des Notars zu sehen.<br />
Wir werden die Aspekte der Warnung vor übereiltem<br />
Vertragsabschluß, der Unkenntnis der rechtlichen<br />
Tragweite, der genauen Wiedergabe des Willens, der<br />
klaren Formulierung und der Sicherung von Beweismitteln<br />
in den Normen wiederfinden, die beschreiben,<br />
wie der Notar sein Amt auszuüben hat.<br />
Aufgabe des Notars ist es, die vorstehend beschriebenen<br />
Normziele zu verwirklichen, nämlich<br />
9 formelle Sicherheit und formeller Bestand der Urkunde<br />
9 materiellen Bestand der Urkunde.<br />
Gesetzliche Vorgaben für die Stellung des Notars<br />
gegenüber den Rechtsuchenden<br />
Wenn nachstehend aus dem schlichten Gesetzeswortlaut<br />
abgeleitet wird, was Aufgabe des Notars<br />
gegenüber den Rechtsuchenden ist, und der Leser<br />
oder die Leserin den Eindruck gewinnt, diese Aufgaben<br />
könne nur perfekt erfüllen, wer jenseits juristischer<br />
Fähigkeiten göttliche Gaben sein eigen nennt 13 ,<br />
darf dies nicht abschrecken. Die Aufgaben zu beschreiben,<br />
ist das eine. Es geht vielmehr darum, die<br />
gesetzlichen Vorgaben zu beschreiben, die zu erreichen<br />
voraussetzt, dass die Beteiligten mitwirken, und<br />
zwar ebenso perfekt oder unvollständig.<br />
Anzumerken ist allerdings, dass nicht jedes ¹Versagenª<br />
oder ¹Zurückbleiben hinter dem Optimumª zu<br />
einer Amtspflichtverletzung im Sinne des Disziplinarrechts<br />
führen darf.<br />
Aus den einschlägigen Normen der BNotO und<br />
des BurkG sei zunächst zitiert:<br />
§ 14 Abs. 1 S. 1 BNotO:<br />
Der Notar hat sein Amt getreu seinem Eide zu verwalten.<br />
Über den Eid steht in § 13 Abs. 1 BNotO:<br />
... die verfassungsmäßige Ordnung zu wahren und<br />
die Pflichten eines Notares gewissenhaft und unparteiisch<br />
zu erfüllen ...<br />
Hier finden wir erstmals den Begriff der Unparteilichkeit,<br />
den wir an verschiedenen Stellen wiederfinden<br />
werden. Er wird sogleich in § 14 Abs. 1 S. 2<br />
BNotO wiederholt:<br />
Er ist nicht Vertreter einer Partei sondern unabhängiger<br />
und unparteiischer Betreuer der Beteiligten.<br />
Neben dem Begriff der Unparteilichkeit wird dort<br />
der Begriff des Betreuers erwähnt. Damit ist die betreuende<br />
Aufgabe des Notars gemeint. Bereits aus<br />
der betreuenden Tätigkeit kann sich ergeben, dass<br />
der Notar die Beteiligten belehren muss. Diese ¹Belehrungspflicht<br />
aus Betreuungª 14 steht neben der<br />
¹Belehrungspflicht aus Urkundstätigkeitª, wie wir sie<br />
nachstehend in § 17 Abs. 1 S. 1 BUrkG finden 15 .<br />
Es sei auch nicht verkannt, wie schwer es ist, notarielle<br />
Pflichten zu erfüllen, wenn etwa die öffentliche<br />
Hand verlangt, dass Verträge nach den von ihr vorgegebenen<br />
Mustern beurkundet werden und nicht um<br />
ein Satzzeichen abgewichen werden darf. Wenn man<br />
Vertragsmuster liest, in denen verlangt wird, dass fast<br />
schon vor der Beurkundung der Kaufpreis gezahlt<br />
wird, dann weiß der Notar, dass er selbst solche Entwürfe<br />
nicht fertigen dürfte; er würde den Käufern eine<br />
ungesicherte Vorleistung abverlangen; er würde<br />
gegen seine Pflicht zur Neutralität verstoßen und<br />
stattdessen einseitig Interessen der Verkäuferseite<br />
wahrnehmen. Bei rigider Betrachtung erkennt der<br />
Notar sofort, dass er derartige Verträge nicht beurkunden<br />
dürfte. Warum tut er es doch? Weil er befürchtet,<br />
sonst dieses Notariat zu verlieren. Oder weil<br />
er meint, sonst ginge die Behörde zu einem anderen<br />
Notar ¼ und der sei gefällig. Nur weil sich Notare finden,<br />
die ihre Unabhängigkeit aufgeben, gelingen den<br />
Behörden diese Beurkundungsvorgänge. Wehrten<br />
sich alle Notare, wäre das nicht möglich.<br />
Es sei nicht verkannt, dass die Banken verlangen,<br />
dass die Grundschulden mit ihren sprachlichen Monstern<br />
von Formularen bestellt werden. Hier ist es nur<br />
mit Schwierigkeiten möglich, den Bürgern zu verdeutlichen,<br />
was in den Urkundsentwürfen steht. Möglich<br />
ist es. Soweit es um die eigentliche Grundschuldbestellung<br />
geht, besteht auch kein Problem festzustellen,<br />
ob dieser Text dem Willen der Erschienenen<br />
entspricht. Bei der Zweckerklärung und bei einer<br />
Schuldübernahme durch Dritte, die nicht Darlehensschuldner<br />
sind, bedarf es allerdings einer genaueren<br />
Klärung, ob dies dem Willen der Dritten entspricht.<br />
Zugestanden: es ist lästig ¼ aber möglich.<br />
Es sei nicht verkannt, dass es bei der Beurkundung<br />
von Verträgen mit Bauträgern, insbesondere<br />
beim Erwerb von Eigentumswohnungen, nicht möglich<br />
ist, alles mit allen Erwerbern jeweils auszuhandeln.<br />
Jedenfalls die Baubeschreibung muss standardisiert<br />
werden ¼ sonst fällt das Bauwerk zusammen.<br />
Beim Entwurf der Baubeschreibung hat der Notar<br />
aber schon Pflichten gegenüber den späteren Erwerbern<br />
zu beachten. Ein Problem entsteht, wenn die in<br />
einer Bezugsurkunde enthaltene Baubeschreibung so<br />
ausfällt, dass der Erwerber wegen Undurchsichtigkeit,<br />
Widersprüchlichkeit oder Lückenhaftigkeit benachteiligt<br />
wird. Der Notar hat diese Vertragsmuster so zu<br />
13 Vgl. auch die Anmerkungen bei Keim, Das Beurkundungsverfahren,<br />
S. 5 ff. Rdnr. 34, S. 128 Rdnr. 34.<br />
14 BGH DNotZ 1987, 157; 1989, 45.<br />
15 Zu dieser Terminologie der Belehrungspflichten vgl. Haug, die Amtshaftung<br />
des Notars Rdnr. 407 ff.
6 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />
entwerfen, dass auch die berechtigten Belange der<br />
Erwerber berücksichtigt sind. Kann er dies nicht, ist<br />
er erkennbar nicht vom Bauträger unabhängig.<br />
An dieser Stelle müssen wir uns einen Augenblick<br />
im Zusammenhang mit der Frage der Unparteilichkeit<br />
der Pflicht zur Verschwiegenheit zuwenden. Stets<br />
wird die Frage aufgeworfen, was der Notar von seinem<br />
Wissen preisgeben darf, wenn er die Beteiligten<br />
betreut. Immer wieder wird ¼ gerade in Haftungsprozessen<br />
¼ ein Widerstreit zwischen Verschwiegenheitspflicht<br />
und Betreuungspflicht behauptet. Mir schwebt<br />
folgende Auflösung des Problems vor:<br />
1. Der Notar hält es pflichtgemäß im Ansatz für geboten,<br />
einen Vertragsbeteiligten über etwas zu informieren,<br />
was er nur sagen darf, wenn er von der<br />
anderen Beteiligten von der Verschwiegenheit entbunden<br />
wird.<br />
2. Warum fragt er dann nicht die Beteiligten, die<br />
ihn von der Verschwiegenheit entbinden müssten?<br />
3. Entbindet ihn die Partei nicht von der Verschwiegenheit,<br />
dann weiß er, dass diese Partei der anderen<br />
Partei gegenüber einen Wissensvorsprung haben will,<br />
den er ¼ der Notar ¼ für ausgleichbedürftig hält.<br />
4. Dann kann er seine Aufgaben nicht erfüllen,<br />
weist die Beteiligten darauf hin und muss die weitere<br />
Tätigkeit ablehnen.<br />
Zu diesen Erwägungen zunächst folgende Anmerkungen:<br />
1. Dass der Notar die ihm von allen Beteiligten vermittelten<br />
Kenntnisse verwenden muss, zeigen schon<br />
§ 4 BurkG und § 14 BNotO, wonach der Notar seine<br />
Mitwirkung bei Handlungen verweigern soll, mit denen<br />
erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke<br />
verfolgt werden. Maßstab für das, was für ihn erkennbar<br />
ist, ist natürlich alles, was er weiß, woher auch<br />
immer.<br />
2. Warum sollte der Notar fragen? Bei genauerer<br />
Betrachtung ist auch diese Pflicht des Notars, sich<br />
von der Schweigepflicht entbinden zu lassen, im<br />
Gesetz angelegt und zwar in § 3 Abs. 2 S. 1 BUrkG.<br />
Den dort vorgesehenen Hinweis auf anderweitige<br />
Tätigkeit für einen Beteiligten in anderer Sache, der<br />
sogar in der Urkunde zu vermerken ist, kann der<br />
Notar nur geben, wenn er insoweit von der Schweigepflicht<br />
entbunden wird.<br />
Nun wird eingewendet: dann gehen die beiden<br />
zum nächsten Notar, der nichts weiß. Dieser Einwand<br />
beeindruckt auf den ersten Blick; bei genauerem Hinsehen<br />
ist er nicht beachtlich. Der Einwand wäre beachtlich,<br />
wenn es um die Frage ginge, ob es möglich<br />
ist zu garantieren, dass durch notarielle Tätigkeit jede<br />
Schädigung eines Beteiligten durch einen anderen<br />
Beteiligten ausgeschlossen werden könnte. Das kann<br />
nicht garantiert werden. Dass der ahnungslose Notar<br />
jederzeit seine Tätigkeit ausüben kann, ändert nichts<br />
daran, dass der wissende Notar nicht überall mitwirken<br />
darf. Der wissende Notar darf nicht entgegen §§ 4<br />
BurkG, § 14 BNotO mit der Begründung mitwirken, es<br />
fände sich sonst für die Beteiligten immer ein ahnungsloser<br />
Notar. Maßstab für die gegenüber den Beteiligten<br />
zu erfüllenden Pflichten sind immer sämtliche<br />
Kenntnisse des Notars.<br />
Weiterhin wird eingewendet: der Notar könne unter<br />
Umständen durch zu viel Fragen einen Vertrag zum<br />
Scheitern bringen und damit beeinträchtige der Notar<br />
den Grundsatz der Vertragsautonomie. Ich muss gestehen,<br />
dass mich dieser Einwand in der Tat beeindruckt;<br />
allerdings aus anderen Gründen als die Einwendenden<br />
annehmen: Gerade dieses Beispiel zeigt,<br />
dass bei genauerer Betrachtung des Sachverhalts<br />
die Parteien den Vertrag nicht abgeschlossen hätten;<br />
entweder halten die Vertragsbeteiligten die Fragen<br />
aus: dann wollen sie den Vertrag mit allen Folgen<br />
abschließen; oder die Vertragsparteien halten die<br />
Fragen nicht aus: dann ersparen die Fragen des<br />
Notars spätere Anfechtungsprozesse16 . Unter dem<br />
Aspekt, materiell sichere Verträge zu gestalten und zu<br />
beurkunden, scheint mir diese Position sinnvoller als<br />
jene der drei Affen, die nichts hören, nichts sehen<br />
und nichts sagen wollen.<br />
Im übrigen kann die andere Partei die Ablehnung<br />
durch den Notar zum Anlass nehmen, ihre Pläne zu<br />
überprüfen.<br />
Die Pflichten bei Beurkundung werden in § 17<br />
Abs. 1 S. 1 BurkG näher beschrieben:<br />
Der Notar soll:<br />
9 den Willen der Beteiligten erforschen<br />
9 den Sachverhalt klären<br />
9 die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des<br />
Geschäfts belehren<br />
9 ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift<br />
wiedergeben.<br />
Wie vorstehend beschrieben, sind diese Aufgaben<br />
auf dem Hintergrund aller Kenntnisse des Notars zu<br />
erfüllen.<br />
§ 17 Abs. 2 a BurkG verpflichtet den Notar, durch<br />
ein geeignetes Verfahren sicherzustellen, dass er die<br />
Pflichten aus Abs. 1 und 2 erfüllen kann.<br />
In § 17 Abs. 1 S. 1 BurkG wird die Tätigkeit des<br />
Notars in vier Gruppierungen beschrieben; man<br />
könnte versucht sein, diese als Schritte zu bezeichnen;<br />
damit wäre aber der Eindruck vermittelt, es han-<br />
16 Es ist schon erstaunlich, wie viel Aufklärung die Juristen den Ärzten zumuten,<br />
und wie früh sie bei eigener Betroffenheit damit aufhören wollen<br />
(auch wenn der Ansatz für die Aufklärungspflicht unterschiedlich ist).
MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 7<br />
dele sich um vier nacheinander zu ergreifende<br />
Schritte; aus dem nachfolgenden Schritt ergeben<br />
sich immer wieder Aufgaben für einen der vorausliegenden<br />
Schritte17 .<br />
9 Der Notar soll den Willen der Beteiligten erforschen.<br />
Entgegen einer weitverbreiteten Übung<br />
richtet sich diese Norm nicht an den Bürovorsteher<br />
oder sonstige Mitarbeiter des Notars sondern an<br />
den Notar selber18 . Sodann hat eben der Notar<br />
und nicht ein Dritter zu klären: Was wollen die Beteiligten<br />
wirklich? Weder darf sich der Notar mit<br />
der Angabe zufrieden geben, die der Makler ihm<br />
macht; noch darf er hinnehmen, dass nur ein Beteiligter<br />
redet und die anderen schweigen. Der<br />
lateinische Spruch ¹qui tacet consentire videturª ist<br />
neudeutsch formuliert kontraproduktiv.<br />
Strittig erscheint die Frage, wer die Beteiligten im<br />
Sinne des § 17 Abs. 1 BurkG sind. Bisher wurde<br />
gern die Auffassung vertreten, es seien die formell<br />
Beteiligten, insbesondere also die Vertreter und nicht<br />
die Vertretenen19 . Zu § 17 Abs. 2a BurkG wird folgerichtig<br />
die Meinung vertreten, es handele sich um<br />
eine leerlaufende Vorschrift20 .<br />
Schaut man in die Gesetzesmaterialien, so liest<br />
man21 :<br />
In der notariellen Praxis sind verstärkt Beurkundungen<br />
unter Beteiligung vollmachtloser Vertreter festzustellen.<br />
Dem Vertretenen wird in diesen Fällen lediglich<br />
eine vorbereitete Genehmigungserklärung übersandt,<br />
unter die dieser seine Unterschrift setzen und notariell<br />
beglaubigen lassen soll. Eine Belehrung durch den die<br />
Unterschrift beglaubigenden Notar ist nach dem Gesetz<br />
nicht vorgesehen. Durch eine solche planmäßige,<br />
missbräuchliche Gestaltung des Urkundsverfahrens<br />
wird die in § 17 Abs. 1 und 2 geforderte ausreichende<br />
Belehrung der materiell Beteiligten eindeutig unterlaufen.<br />
Dem ist entgegenzuwirken, indem die Verantwortung<br />
der Notare für die Gestaltung des Beurkundungsverfahrens<br />
hervorgehoben wird und sie angehalten<br />
werden, die Beurkundung in einer Weise durchzuführen,<br />
die die notwendige Belehrung der formell und<br />
materiell Beteiligten sicherstellt.<br />
In der Gegenäußerung der Bundesregierung22 wird<br />
dem ausdrücklich zugestimmt. Ebenso im Abschlußbericht<br />
des Rechtsausschusses des Bundestages23 Daraus ergibt sich zwanglos, dass der Gesetzgeber<br />
erreichen wollte, dass gegenüber den eigentlichen<br />
Vertragsparteien die Pflichten aus § 17 Abs. 1<br />
und 2 BurkG erfüllt werden, also gegenüber den Vertretenen24<br />
und den Vertretern.<br />
In den Entwürfen der Richtlinien der Notarkammern<br />
finden sich entsprechende Regelungen wieder, denen<br />
zufolge gerade die eigentlichen Vertragsparteien geschützt<br />
werden sollten.<br />
Dann aber ergibt sich aus § 17 Abs. 2a BurkG,<br />
dass sich § 17 Abs. 1 und 2 BurkG nicht (mehr?) als<br />
Schutznormen nur für die formell Beteiligten sondern<br />
auch als solche für die materiell Beteiligten darstellt.<br />
Soweit der Notar Aufgaben auf Dritte delegiert, hat<br />
er durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass<br />
er selbst beurteilen kann, ob tatsächlich der wahre<br />
Wille der Beteiligten erforscht worden ist.<br />
Besondere Gefahrenquellen bestehen, wenn<br />
9 der Notar nicht den Akteninhalt vollständig zur<br />
Kenntnis nimmt und sich stattdessen mit der Zusammenfassung<br />
in Gestalt des durch den Bürovorstehers<br />
gefertigten Vertragsentwurfs zufrieden gibt;<br />
9 der Notar nicht sich vergewissert, dass die Beteiligten<br />
ihm alles mitgeteilt haben, was sie vereinbart<br />
haben.<br />
Diese Gefahren verwirklichen sich,<br />
9 wenn nur Vertreter auftreten<br />
9 wenn unkritisch fremde Entwürfe verwendet werden.<br />
Im Bauträgergeschäft werden so Nebenabreden<br />
getroffen, von denen den Beteiligten empfohlen wird,<br />
sie nicht beurkunden zu lassen, weil das Kosten spare.<br />
In einem Fall hatten die Beteiligten Nebenabreden<br />
über 110.000 DM bei einem beurkundeten Preis von<br />
300.000 DM getroffen; der Schutz der MABV ging verloren;<br />
der Bauträger behauptete später, die Abreden<br />
seien später getroffen worden (sein Angebot stammte<br />
vom Tag nach der Beurkundung).<br />
Besondere Gefahren bestehen aber auch bei der<br />
Bezugnahme auf Urkunden nach § 13a BurkG und<br />
§ 14 BurkG.<br />
Die Überschriften der genannten Normen lauten:<br />
Eingeschränkte Beifügungs- und Vorlesungspflicht<br />
Eingeschränkte Vorlesungspflicht<br />
Die Überschrift lautet nicht:<br />
Einschränkung der Pflichten aus § 17 BurkG<br />
Der Notar hat sich zu vergewissern, dass der Wille<br />
der Beteiligten dem entspricht, was in den in §§ 1a<br />
und 14 genannten Unterlagen steht. Also hat er zu fragen,<br />
ob die in Bezug genommene Baubeschreibung<br />
tatsächlich wiedergebe, wie der Bau aussehen soll.<br />
17 Vgl. auch Keim, Das notarielle Beurkundungsverfahren S. 41 Rdnr. 51.<br />
18 Vgl. dazu OLG Düsseldorf NJW 1995, 1761 insoweit bestätigt von BGH<br />
IX ZR 14/95 vom 16.11.1995.<br />
19 Vgl. Frenz-Winkler Rdnr. 301, S. 99; Keidel-Winkler Rdnr. 11 zu § 17<br />
BUrkG; Huhn-Schuchmann Rdnr. 52 zu § 17 BUrkG, die allerdings auf<br />
die haftungsrechtlichen Ansprüche der materiell Beteiligten verweisen.<br />
20 Frenz-Winkler Rdnr. 303, S. 100.<br />
21 BT-Drucksache 13/4184 v. 21.3.1996 Nr.16 ¼ abgedruckt bei Frenz<br />
S. 231.<br />
22 AaO S. 234 ff., 236.<br />
23 AaO S. 237 ff., 276.<br />
24 Vgl. Brambring DNotI-Rep. 1998, 185.
8 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />
Der Notar hat den Vertragsbeteiligten Gelegenheit<br />
und Zeit zu geben, festzustellen, ob der Text ihren<br />
Vorstellungen entspricht. Er hat dafür Sorge zu tragen,<br />
dass der Text verständlich ist.<br />
Gerade § 17 Abs. 2 S. 1 BurkG besagt:<br />
Bestehen Zweifel, ob das Geschäft dem ... wahren<br />
Willen der Beteiligten entspricht, sosollen die Bedenken<br />
mit den Beteiligten erörtert werden.<br />
Den wahren Willen soll also der Notar erforschen.<br />
Was der Notar später als Erklärung der Beteiligten<br />
niederschreibt, soll deren wahrem Willen entsprechen.<br />
Um diesen zu erfahren, muss der Notar fragen.<br />
§ 17 Abs. 1 S. 2 BurkG verlangt,<br />
Dabei soll er darauf achten, dass Irrtümer und<br />
Zweifel vermieden werden ...<br />
Damit wird dreierlei angestrebt:<br />
9 es wird noch einmal betont, dass der Notar bis<br />
zum wahren Willen der Beteiligten vordringt;<br />
9 eine zutreffende Wiedergabe dessen, was als wahrer<br />
Wille der Beteiligten erforscht wurde, damit der<br />
Empfänger der zu beurkundenden Erklärung deren<br />
<strong>Inhalt</strong> zutreffend versteht;<br />
9 ein hohes Maß an materieller Bestandssicherung<br />
notarieller Verträge; wird der wahre Wille der Beteiligten<br />
erforscht und werden dabei Irrtümer oder<br />
Zweifel ausgeräumt, dann verringert sich die Gefahr,<br />
dass die Erklärungen wegen Irrtums angefochten<br />
werden können.<br />
Gleichzeitig verbietet diese Norm etwas in den Vertragsentwurf<br />
aufzunehmen, was nicht dem wahren<br />
Willen entspricht:<br />
9 Ein klassisches Beispiel sind überraschende Klauseln.<br />
Wann immer der BGH in notariell beurkundeten<br />
Verträgen überraschende Klauseln entdeckt,<br />
beruht dies darauf, dass Notare nicht nach dem<br />
wahren Willen der Beteiligten gefragt haben. Gegen<br />
§ 138 BGB verstoßende Klauseln können ebenfalls<br />
nur in den Vertrag aufgenommen werden, wenn<br />
der Notar nicht den wahren Willen der Beteiligten<br />
erforscht. Täte er dies nämlich doch, dann würde<br />
er ¼ im Regelfall ¼ merken, dass z. B. die Unerfahrenheit<br />
ausgenutzt wurde oder ein Beteiligter die<br />
Tragweite des Geschäfts nicht überblickte; dann<br />
hätte er die Beurkundung abgelehnt.<br />
Würde jeder Notar immer der Pflicht genüge, den<br />
Willen der Beteiligten zu erforschen, so würde jeder<br />
Beteiligte die Vertragsklauseln kennen, ihnen zustimmen<br />
oder sie ablehnen oder sie abändern und nicht<br />
mehr überrascht werden. Allerdings fänden sich dann<br />
in vielen Verträgen zahlreiche Klauseln nicht mehr.<br />
Auf dem Hintergrund aktueller Rechtsprechung<br />
des BVerfG und des BGH taucht in den Fällen, in denen<br />
ein Dritter einer Bank eine Sicherheit für fremde<br />
Schulden stellt, natürlich die Frage auf, weshalb dies<br />
geschieht. Soll dies etwa unter Eheleuten nur verhindern,<br />
dass Vermögen verschoben wird 25 ? Oder: ist<br />
der Beteiligte überhaupt auf Dauer leistungsfähig 26 ?<br />
Die in den Entscheidungen des BGH und des BVerfG<br />
zu den Bürgschaftsfällen herausgestellten Gesichtspunkte<br />
zwingen den Notar zu sachgerechten Fragen,<br />
damit bezogen auf diese Aspekte der wahre Wille der<br />
Beteiligten erforscht wird und in der Urkunde seinen<br />
Niederschlag findet. Wir werden in anderem Zusammenhang<br />
auf weitere aus den genannten Entscheidungen<br />
abzuleitenden Konsequenzen zu sprechen<br />
kommen (Rechtliche Tragweite erkennen; Unerfahrenheit<br />
ausgleichen etc.). Loritz 27 meint, es widerspreche<br />
der Aufgabe des Notars, die inhaltliche Ausgewogenheit<br />
der Verträge zu überprüfen und anzutasten. Dieser<br />
Satz ändert aber nichts daran, dass der Notar zunächst<br />
feststellen muss, ob das geschriebene Wort<br />
dem wahren Willen der Beteiligten entspricht. Wir<br />
werden nachstehend unter dem Aspekt des Schutzes<br />
Unerfahrener uns näher der Frage zuwenden müssen,<br />
ob und inwieweit dieser nicht nur von Loritz vertretene<br />
Satz zutreffend ist. An dieser Stelle kommen<br />
wir jedenfalls nicht an der Fragepflicht vorbei.<br />
9 Der Notar soll den Sachverhalt klären: Zunächst<br />
nimmt der Notar entgegen, was ihm die Beteiligten<br />
schildern; dies sind die ersten Informationen. Nun<br />
heißt es nicht, der Notar nehme die Angaben der<br />
Beteiligten zum Sachverhalt entgegen. Vielmehr ist<br />
von einem Tun des Notars die Rede: er klärt den<br />
Sachverhalt. Er fragt nach, er informiert sich. Aber<br />
in welche Richtung?<br />
9 was wollen die Beteiligten tatsächlich erreichen?<br />
9 was muss er wissen, um die von den Beteiligten<br />
abzugebenden Erklärungen klar und unzweideutig<br />
wiedergeben zu können?<br />
9 was für ein Sachverhalt ist regelungsbedürftig?<br />
9 was wird bereits durch das Gesetz geregelt?<br />
9 was regelt das Gesetz nicht und ist deshalb regelungsbedürftig?<br />
9 wo kann Streit zwischen den Parteien des Vertrages<br />
entstehen, der durch eine Regelung im Vertrag<br />
vermieden werden kann?<br />
9 wo wirken sich im Rechtsverhältnis der Parteien zueinander<br />
oder zu Dritten die im Vertrag getroffenen<br />
Vereinbarungen aus?<br />
9 was muss geregelt werden, damit der Vertrag problemlos<br />
durchgeführt werden kann?<br />
25 BGH NJW 1995, 592.<br />
26 BVerfG NJW 1994, 36; BGH NJW 1994, 1341.<br />
27 DNotZ 1994, 543, 546.
MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 9<br />
An einem beliebig gewählten Beispiel sei dies verdeutlicht:<br />
Ein Ehepaar erscheint beim Notar. An dem<br />
Grundstück (Wert 600.000 DM) der Ehefrau soll eine<br />
Grundschuld über 550.000 DM nebst 18% Zinsen mit<br />
dinglicher und persönlicher Unterwerfung unter die<br />
Zwangsvollstreckung bestellt werden. Welche Fragen<br />
muss der Notar stellen, um den Sachverhalt zu klären?<br />
Wir wollen zunächst nicht verhehlen, dass einige<br />
Notare 28 meinen, ihre Tätigkeit beschränke sich auf<br />
die Beurkundung des Minimums, das erforderlich ist,<br />
damit die Grundschuld nebst Unterwerfungsklausel<br />
im Grundbuch eingetragen wird und damit die persönliche<br />
Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung<br />
wirksam werde; mit Zweckerklärung etc. hätten sie<br />
nichts zu tun. Wir wollen einstweilen unterstellen,<br />
diese Position sei zutreffend und es bedürfe keiner<br />
Fragen zum Willen der Beteiligten und zum Sachverhalt.<br />
Dann aber muss der Notar den Beteiligten die<br />
rechtliche Tragweite des Geschäfts verdeutlichen:<br />
Wann immer die Bank es will, muss die Ehefrau den<br />
Grundschuldbetrag nebst Zinsen an die Bank zahlen,<br />
gleichgültig, was auf das Darlehen zurückgezahlt worden<br />
ist; dies muss den Beteiligten so deutlich geschildert<br />
werden, dass sie es verstehen; zwar werden<br />
sie nicht die Grundzüge des Abstraktionsprinzips intellektuell<br />
verstehen aber schmerzhaft empfinden,<br />
was das bedeutet. Spätestens hier merkt der Notar,<br />
dass die Beteiligten derartige Erklärungen gar nicht<br />
abgeben wollten ¼ es ist kaum vorstellbar, dass die<br />
Beteiligten nicht ¹aufschreienª, nachdem der Notar<br />
ihnen dies erklärt hat 29 ; spätestens hier findet er also<br />
auch von seinem Ausgangspunkt die Brücke zu § 17<br />
BurkG, nämlich Willenserforschung und Sachverhaltsklärung.<br />
Beginnen wir mit der Frage, ob die Bestellung der<br />
Grundschuld zu § 1365 BGB führt, ob also dadurch<br />
das wesentliche Vermögen der Ehefrau erfasst wird.<br />
Die Ehefrau bejaht dies. Daraufhin wird der Ehemann<br />
befragt, ob er der Bestellung der Grundschuld zustimmt.<br />
Er tut dies mit dem Hinweis, der Kredit<br />
komme auch ihm zugute. Nun kommen wir zwanglos<br />
zu der Frage, wer denn den Kredit aufnehme, wozu<br />
er verwendet werde und wer ihn im Innen ¼ aber<br />
auch im Außenverhältnis tilgen muss oder werde. So<br />
erfährt der Notar, dass ein Kredit über 200.000 DM<br />
dazu diene, damit die Ehefrau sich eine Eigentumswohnung<br />
erwerbe, während 350.000 DM in den<br />
Betrieb des Ehemannes gehen sollten; in diesem Verhältnis<br />
solle der Kredit zurückgezahlt werden; dazu<br />
gebe es einen Tilgungsplan für die nächsten 5 Jahre;<br />
was bis dahin nicht zurückgezahlt worden sei, sei<br />
dann jedenfalls wegen des Betriebsmittelkredites auf<br />
einmal fällig. Wir wollen nun nicht im einzelnen erör-<br />
tern, was der Regelung bedarf. Wir wollen nur vier<br />
Punkte ansprechen?<br />
1. Wie ist der Rückzahlungsanspruch der Ehefrau<br />
gegen den Ehemann gesichert?<br />
2. Was soll im Falle der Trennung der Eheleute<br />
gelten 30 ? Was stellen sich die Eheleute dazu vor?<br />
3. Wie wirkt sich diese Grundschuldbestellung im<br />
Güterrecht der Eheleute aus?<br />
4. Wie wird gesichert, dass der zugrundeliegende<br />
Kredit planmäßig abgetragen und nicht erneut aufgebaut<br />
wird 31 ?<br />
Es wird an diesem simplen Beispiel deutlich, welche<br />
Fragen geboten sind. Es sind Fragen, die erst mit<br />
der Beurkundung dieses Vorgangs eine Rolle spielen.<br />
Es sind Fragen, an die erkennbar die Beteiligten<br />
regelmäßig nicht denken oder bei denen sie falsche<br />
Vorstellungen haben. Die Fragen werden nicht einfacher,<br />
wenn die Eheleute gemeinsam an einem gemeinsamen<br />
Grundstück eine Grundschuld bestellen.<br />
9 wer zahlt während bestehender Ehe?<br />
9 wer zahlt während des Getrenntlebens?<br />
9 wer zahlt nach der Scheidung?<br />
9 wie werden diese Zahlungen in anderen Rechtsverhältnissen<br />
berücksichtigt? Was ist der Rechtsgrund<br />
dafür, dass der oder die Alleinverdienende<br />
allein zahlt und damit der oder die andere begünstigt<br />
wird (ebenfalls gegliedert nach den drei Zeiträumen)?<br />
Alle von dem zu beurkundenden Rechtsverhältnis<br />
tangierten oder dadurch erst begründeten Rechtsverhältnisse<br />
sind zu beachten; jedes Mal fragt sich,<br />
ob die Beteiligten diese Konsequenzen wollen oder<br />
bedacht haben.<br />
Gerade auf dem Hintergrund des § 17a BurkG hat<br />
der Notar rechtzeitig die Vertragsbeteiligten zu befragen,<br />
was sie wollen. Diese Frage ist nicht an die Vertreter<br />
zu richten. Wenn diese Frage nur an die Vertreter<br />
gerichtet wird, muss sie lauten, was die von ihnen<br />
Vertretenen wollen und dass wie die Vertreter erfahren<br />
haben, dass dies der Wille der Vertretenen ist.<br />
28 Aus beiden Notariatsverfassungen.<br />
29 Wir vernachlässigen hier jenen raren Beteiligten, der in Kenntnis der<br />
rechtlichen Tragweite tatsächlich eine solche Erklärung abgeben will,<br />
wie sie in den Vordrucken für Grundschuldbestellungen vorgegeben<br />
sind.<br />
30 Bekanntlich ist die Scheidung kein Grund, um in jedem Fall verlangen<br />
zu können, dass der andere Ehegatte nunmehr den Sicherungsgeber<br />
im Außenverhältnis von der Haftung befreien muss, OLG Köln NJW-RR<br />
1994, 52; BGH NJW 1989, 1920 geht von einem unter dem Vorbehalt<br />
der Nachwirkung von Ehe sowie Treu und Glauben stehenden Befreiungsanspruch<br />
aus; zur Auswirkung dieser Grundsätze im einzelnen vgl.<br />
OLG Hamm FamRZ 1992, 437 m. w. N.<br />
31 Anschaulich das ehetypische und familientypische Chaos, das im Sachverhalt<br />
von OLG Hamm FamRZ 1992, 437 geschildert wird.
10 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />
9 Der Notar soll die Beteiligten über die rechtliche<br />
Tragweite des Geschäfts belehren: Wir<br />
haben vorstehend schon gesehen, wie sich diese<br />
Aufgabe mit den anderen Aufgaben überschneiden.<br />
Gleichwohl soll diese Aufgabe noch einmal<br />
besonders behandelt werden.<br />
Diesen Satz liest jeder Notar zunächst nur, um e<br />
contrario zu schließen, dass über die wirtschaftlichen<br />
Folgen nicht zu belehren sei32 . Ist schon die Abgrenzung<br />
zwischen rechtlichen Folgen und wirtschaftlichen<br />
Folgen nicht immer leicht33 , so wird diese Krücke immer<br />
schwächer je mehr der Notar nach dem Willen<br />
der Beteiligten gefragt, den Sachverhalt geklärt und<br />
dabei erfahren hat, was die Beteiligten wirtschaftlich<br />
wollen; wenn er dann die ungeeignete rechtliche Konstruktion<br />
wählt, bewegt er sich in dem Bereich, in dem<br />
er seine Pflichten zu erfüllen hat.<br />
Sodann liest er ihn in der sicheren Überzeugung,<br />
dass über die steuerrechtlichen Folgen nicht zu<br />
belehren sei 34 . Zunächst ist dieser Lesart entgegenzuhalten:<br />
Beruht die üblicherweise negative und<br />
kostenträchtige steuerliche Folge darauf, dass der<br />
Notar nicht den Willen der Beteiligten erforscht und<br />
den Sachverhalt erfragt hat, so hat der Notar seine<br />
Urkundstätigkeit unvollständig erbracht, ohne dass es<br />
des Rekurses darauf bedarf, dass er über die rechtliche<br />
Tragweite nicht belehrt hat 35 .<br />
Schließlich wird immer wieder von dem nicht belehrungsbedürftigen<br />
Beteiligten geschrieben36 ; es sei<br />
noch einmal betont, dass es hier nicht in erster Linie<br />
um Haftungsfragen geht, sondern um die im Gesetz<br />
angelegte Rolle des Notars: im Gesetz heißt es nicht<br />
¹Der Notar hat die Beteiligten über die rechtliche<br />
Tragweite zu belehren, wenn sie der Belehrung bedürfenª.<br />
Dass im Haftungsprozess der Beteiligte vortragen<br />
muss, er habe keine Kenntnis gehabt, beruht<br />
auf Grundsätzen des Schadensersatzrechts, hat aber<br />
nichts damit zu tun, was der Notar grundsätzlich zu<br />
tun hat. Er darf von der Belehrung nur absehen,<br />
wenn er sich vergewissert hat, dass die Beteiligten<br />
bereits die gebotene Kenntnis haben.<br />
Sobald Beteiligte mit Vertragsentwürfen kommen,<br />
vergessen manche Notare ihre Belehrungspflicht in<br />
der Annahme, sie würden die Beteiligten brüskieren.<br />
Dies gilt umso mehr, wenn es sich um Entwürfe handelt,<br />
die von Rechtsanwälten gefertigt worden sind.<br />
Man erzählt sich, dass bestimmte Rechtsanwälte sich<br />
weigern, mit einem Entwurf zu einem Notar zu gehen,<br />
der dann auch noch Fragen stelle37 . Wir wollen diese<br />
Position an folgendem Beispiel auf die Probe stellen:<br />
Zu einem Notar kommen, begleitet von je einem<br />
Rechtsanwalt, die Eheleute, um einen Scheidungsfolgenvertrag<br />
abzuschließen. Der Notar gewinnt die<br />
Überzeugung, dass ein Ehepartner auf enorme<br />
Ansprüche aus Versorgungsausgleich verzichtet, und<br />
zwar aus einem berufsständischen Versorgungswerk<br />
einerseits und einer betrieblichen Altersversorgung<br />
andererseits. Für den Notar ist nicht ersichtlich, dass<br />
es für den Unterhaltsverzicht 38 , den Verzicht auf Zugewinnausgleich<br />
und den Ausschluss des Versorgungsausgleich<br />
irgendwelche Gegenleistung gibt. Auf<br />
die wegen § 39 Abs. 3 KostO gebotene Frage nach<br />
dem Vermögen der Ehegatten erklären beide, nur einer<br />
habe Vermögen, und das in Höhe von 1 Mio DM.<br />
Zunächst neigt der Notar zu der Annahme, jeder<br />
der Beteiligten sei durch seinen Rechtsanwalt hinreichend<br />
geschützt und belehrt worden, alles sei zwischen<br />
Rechtsanwälten ausgehandelt. Der Notar hält<br />
die Beteiligten für nicht belehrungsbedürftig. Damit<br />
unterliegt er einem gefährlichen Gedankenfehler. Der<br />
Aspekt der Belehrungsbedürftigkeit betrifft nur die<br />
dritte Pflicht aus § 17 BUrkG; die Belehrungsbedürftigkeit<br />
hat nichts zu tun mit<br />
9 Erforschung des wahren Willens<br />
9 Klärung des Sachverhalts<br />
9 Klare Niederschrift dessen, was die Beteiligten wollen.<br />
Deshalb hilft es nicht weiter, wenn die Beteiligten<br />
nicht der Belehrung über die rechtliche Tragweite bedürfen.<br />
Die anderen Pflichten des Notars bleiben davon<br />
unberührt.<br />
Wird der Notar der oben beschriebenen Auffassung<br />
auch dann noch sein, wenn die Ansprüche der<br />
Ehefrau gegen ihren Rechtsanwalt nach § 51b BRAO<br />
verjährt sind, bevor sie merkt, was diese Regelung für<br />
ihr Alter bedeutet; dann steht der RA nicht mehr als<br />
anderweitige Ersatzmöglichkeit 39 zur Verfügung ¼ sozusagen<br />
entfällt der Schutzschild für den Notar.<br />
32 Vgl. aber dazu die Formulierung bei Erman-Schmidt Rdnr. 2 zu § 17<br />
BurkG ¹Der Notar ... hat sich einen Überblick darüber zu verschaffen,<br />
was die Parteien wirtschaftlich wollenª.<br />
33 Vgl. die gegensätzlichen Entscheidungen von OLG Celle ZfS 1985, 19<br />
einerseits und BGH NJW-RR 1992, 92 andererseits zur Abgrenzung von<br />
Wahrnehmung rechtlicher und wirtschaftlicher Interessen bei § 1 ARB1975.<br />
34 Vgl. zu den Folgen unterbliebener notarieller Belehrung über steuerrechtliche<br />
Folgen Wagner DStR 1995, 807; Erman-Schmidt Rdnr. 7 zu<br />
§ 17 BurkG hält diese Abgrenzung für wenig überzeugend.<br />
35 Zu dieser Frage hat der BGH mit Urteil vom 13.6.1995 (IX ZR 203/94)<br />
entschieden, dass der Notar angesichts eines ihm bekannten Erwerbs<br />
durch die Verkäufer vor weniger als 2 Jahren diese nicht nach der Höhe<br />
des früheren Kaufpreises fragen müsse; wenn er dann nicht erkenne,<br />
dass der jetzige Kaufpreis höher sei, habe er keinen Anlass einen danach<br />
zu fragen und so erst den Sachverhalt zu ermitteln, aufgrund dessen<br />
ein Hinweis auf die Spekulationssteuer geboten wäre. In dieser Entscheidung<br />
taucht der bereits beim RG erwähnte Hinweis auf, es handele<br />
sich bei der Steuer um eine gesetzliche Folge und auf solche sei nicht<br />
hinzuweisen.<br />
36 Vgl. dazu Haug, Die Amtshaftung des Notars Rdnr. 446 ff. zur Frage der<br />
Belehrungsbedürftigkeit.<br />
37 Die Gerüchte gehen soweit, dass gesagt wird, der verstehe nichts von<br />
der Sache und bringe durch seine Fragen nur Verwirrung.<br />
38 Es sei kein Fall, in dem der Verzicht sittenwidrig wäre.<br />
39 Zur Auswirkung der Verjährung des anderweitigen Ersatzanspruchs auf<br />
die subsidiäre Haftung vgl. BGH BB 1992, 950; jedenfalls, wenn der Anspruchsteller<br />
schuldlos den anderweitigen Anspruch verjähren lies.
MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 11<br />
Wir lesen ihn in der Weise, dass wir feststellen, was<br />
mit ¹rechtlicher Tragweite des Geschäftsª gemeint ist.<br />
Die in § 17 Abs. 1 S. 1 BUrkG normierte Pflicht, über<br />
die rechtliche Tragweite zu belehren, orientiert sich<br />
zunächst an dem, was die Beteiligten mit dem beurkundeten<br />
Geschäft wollen. Der Notar hat sich stets zu<br />
fragen, was die Konsequenz dessen ist, was beurkundet<br />
wird; er hat sich sodann zu fragen, ob dies den<br />
Beteiligten klar ist. Dazu zwei Beispiele, bei denen der<br />
erfahrene Notar unterschiedlich reagieren wird:<br />
1. Ein Ehepaar will Gütertrennung vereinbaren. Das<br />
wirkt sich im Erbrecht aus. Von Erbrecht haben die<br />
Ehegatten keine Kenntnis, denn dort wollten sie nichts<br />
ändern.<br />
2. Ein Einzelkaufmann gründet für seine weitere<br />
kaufmännische Zukunft ¼ um seine persönliche Haftung<br />
zu begrenzen ¼ zwei GmbHs, bei denen er jeweils<br />
wesentlicher Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer<br />
sein wird. Über seine Treuepflicht als Geschäftsführer<br />
bei GmbH Nr.1, die ihm eine Konkurrenztätigkeit<br />
verbietet, ist ihm nichts bewusst; schließlich betrachtet<br />
er alles weiterhin als sein Unternehmen, in dem er sich<br />
nicht Konkurrenz machen kann. Von einem faktischen<br />
qualifizierten Konzern hat er noch nichts gehört.<br />
Im ersten Fall liegt für alle auf der Hand, dass über<br />
die erbrechtlichen Folgen zu belehren ist. Was unterscheidet<br />
aber ¼ abgesehen davon, dass es nicht um<br />
Erbrecht sondern um Gesellschaftsrecht geht ¼ den<br />
zweiten vom ersten Fall? Dass die Sache mit dem<br />
Konkurrenzverbot zunächst aus steuerlichen Gründen<br />
virulent wurde? Tatsächlich war es doch ein auf<br />
der Hand liegendes Problem aus dem Recht der Geschäftsführer.<br />
Dass damit steuerliche Folgen verbunden<br />
sind, befreit den Notar nicht von der Aufgabe,<br />
über die zivilrechtlichen Folgen zu belehren.<br />
Das weitere Problem des faktischen qualifizierten<br />
Konzerns lag seit Jahren auf dem Tisch; wenn der<br />
Beteiligte eine Haftungsbegrenzung wollte, dann waren<br />
ihm die Grenzen aufzuzeigen, die das gewählte<br />
Modell bewirkte.<br />
¹Fortsetzung folgt im 2. Teil: ¹Der Notar soll die Erklärungen der<br />
Beteiligten klar und unzweideutig in die Urkunde aufnehmenª,<br />
¹Unerfahrenheit und Ungewandheitª, ¹Grenzen notarieller Tätigkeitª.<br />
Das englische Notariat<br />
Rechtsanwalt und Notar Volker G. Heinz, Berlin,<br />
Barrister at Law, London<br />
I. Einleitung<br />
Wer den Versuch unternimmt, anhand der in<br />
Deutschland veröffentlichten Literatur sich ein Bild<br />
über das heutige englische 1 Notariat zu bilden, wird<br />
wenig erhellt. Da es an einer Gesamtdarstellung<br />
fehlt 2 , lassen sich die vereinzelten Hinweise systematisch<br />
nur schwer bzw. gar nicht einordnen. Bedrükkender<br />
ist, dass diese Hinweise, insbesondere wenn<br />
es sich um solche allgemeiner Natur handelt, den Betrachtungsgegenstand<br />
oft unzureichend, in vielen Fällen<br />
leider schlicht falsch wiedergeben. Dies hat nicht<br />
allein mit den Schwierigkeiten zu tun, die eine fremde<br />
Sprache und ein fremdes Recht zweifellos darstellen;<br />
insbesondere in den berufspolitischen Publikationen<br />
spiegelt sich auch der internationale Wettbewerb der<br />
Rechtssysteme einerseits und der Rechtsberufe mit<br />
Auslandsberührung andererseits wieder.<br />
Die nachfolgenden Ausführungen können die vermisste<br />
Gesamtdarstellung des englischen Notariats<br />
nicht ersetzen. Sie stellen jedoch einen ersten Versuch<br />
dar, innerhalb der räumlichen Grenzen eines<br />
Aufsatzes aus aktueller Sicht einen ersten Überblick<br />
über Geschichte, Natur und Aktivitäten des englischen<br />
Notariats vorzustellen. Ein kurzer Blick in die<br />
englische notarrechtliche Literatur (II.) sowie ein kurzer<br />
Ausflug in die Geschichte des englischen Notariats<br />
(III.) sind zum besseren Verständnis unerlässlich,<br />
bevor ich mich dem Hauptteil (IV.) zuwende.<br />
II. Literatur<br />
Die notariatsrechtliche Literatur in England und<br />
Wales (die Notariate in Schottland, Nordirland, den<br />
Kanalinseln sowie der Isle of Man unterliegen eigenständigen<br />
Regeln) wird seit dem Jahre 1839, dem Erscheinen<br />
der ersten Auflage, dominiert von ¹Brooke's<br />
Notaryª 3 , der seit 1992 in seiner elften Auflage vorliegt,<br />
ergänzt im Jahre 1994 durch einen ersten<br />
Nachtrag; letzterer befasst sich schwerpunktmäßig<br />
mit neueingeführten Regelungen des notariellen Disziplinarrechts.<br />
Angesichts einer Fülle untergesetzlicher<br />
Regelungen, die für den Notarberuf in den<br />
achtziger und neunziger Jahren des vergangenen<br />
Jahrhunderts auch nach 1994 ergangen sind, sehen<br />
die englischen Notare ungeduldig einer zwölften Auflage<br />
entgegen, vor allem mit Rücksicht auf die im<br />
Jahre 1998 ergangenen Neuregelungen betreffend<br />
den Zugang zum Notariat, aber auch mit Rücksicht<br />
auf den ¹Access to Justice Act 1999ª, der das jahrhundertealte<br />
örtliche Monopol der Londoner Scrivener<br />
Notaries für notarielle Tätigkeiten in der Londoner<br />
1 Die Ausführungen zum englischen Notariat gelten gleichermaßen für das<br />
Königreich England und das Fürstentum Wales.<br />
2 Die Ausführungen von A. Mann ¹Die Urkunde ausländischer, insbesondere<br />
englischer Notare und der deutsche Rechtsverkehrª in NJW 1995,<br />
1177 ff. sowie von I. Stauch in ¹Die Geltung ausländischer notarieller<br />
Urkunden in der Bundesrepublik Deutschlandª, 1983, S. 127 ff. sind entweder<br />
zu sektoral, oder teilweise veraltet, oder beides.<br />
3 Richard Brooke war Barrister, kein Notary Public.
12 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />
City und in einem Gebiet von drei Meilen um die City<br />
gebrochen hat 4 .<br />
Einen beachtlichen Teil der entstandenen Lücke<br />
füllt nunmehr das 1999 erschienene Werk ¹The<br />
General Notaryª 5 von A.G. Dunford, der als Sekretär<br />
der Notaries Society (wohl am ehesten der Bundesnotarkammer<br />
vergleichbar6 und zugleich als praktizierender<br />
englischer Notar die berufsrechtlichen<br />
und praktischen Aspekte der englischen Notarstätigkeit<br />
gleichermaßen kompetent in seinem Werk darzustellen<br />
weiß.<br />
Zum tieferen Verständnis der Geschichte des englischen<br />
Notariats sind zwei Monographien unentbehrlich:<br />
zum einen ¹Notaries public in England in the 13<br />
th and 14 th centuriesª von C.R. Cheney, 1972, zum<br />
anderen ¹Notaries Public in England since the Reformationª<br />
von C.W. Brooks, R.H. Helmholz und P.G.<br />
Stein, 1991. Wichtige Hinweise enthält auch der Aufsatz<br />
von H.C. Gutteridge, ¹The Origin and historical<br />
development of the profession of notaries public in<br />
Englandª, Cambridge Legal Essays, 1926. Zu erwähnen<br />
ist schließlich noch ein älteres Werk: Joshua<br />
Montefiore, ¹Commercial and Notarial Precedentsª,<br />
1813, welches einen interessanten Einblick in notarielle<br />
Formulare des frühen 19. Jahrhunderts gewährt.<br />
III. Geschichte<br />
1. Die in ¹Brooke's Notaryª dargestellte Geschichte<br />
des englischen Notariat7 lässt keinen Zweifel daran,<br />
dass auch das englische Notariat eine Tochter des in<br />
Bologna wiederbelebten römischen Notariats und damit<br />
dessen Enkeltochter ist. Die ersten in England im<br />
11. und 12. Jahrhundert auftretenden Notare sind<br />
vom Kaiser oder Papst bestellte Italiener, die sich erkennbar<br />
auf Rechtsgebieten betätigten, die das Common<br />
Law und seine Gerichte, jedenfalls bis dahin,<br />
nicht erobert hatte, also im wesentlichen auf den<br />
Gebieten des von der Kirche beherrschten Familienund<br />
Erbrechts sowie ¼ bei den päpstlichen Notaren ¼<br />
des Kirchenrechts selbst. Die beiden ersten in England<br />
tätigen Notare bekannter Identität sind wohl ein<br />
gewisser Swardius (tätig zu Zeiten des Königs<br />
Eduard des Bekenners) und später ein Master Philip<br />
(1199). Diese frühen ¹importiertenª Notare muss man<br />
sich in erster Linie als Urkundsbeamte (Registrare)<br />
der kirchlichen Gerichte vorstellen, die mit administrativen<br />
prozessleitenden Funktionen, mit der Protokollierung<br />
und amtlichen Abfassung der Verhandlungen<br />
und Entscheidungen der Gerichte, der Erteilung<br />
von Abschriften, später auch mit der Vorbereitung<br />
von Rechtsmittelschriften befasst waren. Der Übergang<br />
vom Gerichtsbeamten zum Inhaber eines freiberuflichen<br />
Notaramtes vollzog sich über viele Jahrhunderte<br />
in eher mäanderhafter Weise. Einige der<br />
später freiberuflichen Notare ließen sich (zusätzlich)<br />
zu Urkundsbeamten an den kirchlichen Gerichten bestellen,<br />
während andere das Notaramt teils vollberuflich,<br />
teils neben dem Anwaltsberuf ausübten.<br />
Die rein kirchlichen Funktionen der Notare betreffen,<br />
übrigens auch heute noch, im wesentlichen die<br />
Überwachung und Protokollierung kirchenorganisationsrechtlicher<br />
Vorgänge, zum Beispiel die Wahl<br />
eines Bischofs.<br />
2. Die Entwicklung eines eigenständigen englischen<br />
Notariats begann im Jahre 1279 mit einem Erlass des<br />
Papstes Nikolaus III., welcher John Pichem, dem Erzbischof<br />
von Canterbury, das Recht verlieh, jährlich drei<br />
päpstliche Notare zu ernennen. Dieser Erzbischof importierte<br />
zugleich aus Bologna einen Notar namens<br />
John (Giovanni) of Bononia (Bologna) mit dem Ziele,<br />
die zu ernennenden englischen Notare im Sinne der<br />
Bologneser Schule auszubilden. Der Schwerpunkt ihrer<br />
Tätigkeit lag weiterhin im Kirchenrecht im engeren<br />
Sinne und den kirchenrechtlich und kirchengerichtlich<br />
dominierten Gebieten des Privatrechts. Die englischen<br />
Notare erlangten jedoch auch Bedeutung im Zusammenhang<br />
mit der Beurkundung staatsrechtlicher Akte<br />
wie zum Beispiel der Absetzung eines Königs. Das<br />
schrittweise Vordringen in den Bereich des Privatrechts<br />
hat wohl im 14. Jahrhundert verstärkt eingesetzt<br />
und betraf vornehmlich notarielle Aktivitäten in den Bereichen<br />
des Familien- und des Nachlassrechtes 8 .Mit<br />
dieser Entwicklung einher ging die schrittweise Trennung<br />
des bislang einheitlichen Notaramtes in das Amt<br />
des weltlichen und das Amt des kirchlichen Notars.<br />
3. Ein dritter Abschnitt in der Geschichte des englischen<br />
Notariats umfasst den Zeitraum von 1533 bis<br />
1801. Als Folge der englischen Reformation unter<br />
Heinrich VIII. nahm nunmehr die englische Krone<br />
exklusiv für sich in Anspruch, Notare zu ernennen,<br />
delegierte diese Befugnis jedoch zugleich wieder auf<br />
den nunmehr der englischen Krone und der neugeschaffenen<br />
anglikanischen Staatskirche verpflichteten<br />
Erzbischof von Canterbury, der in diesem Geschäft<br />
nicht unerfahren war. Diese Delegation erfolgte im<br />
4 Die parlamentarische Geschichte dieses Monopolverlustes zeigt, wie<br />
schmerzlich und mühsam die Veränderung alter Traditionen sein kann.<br />
Darüber erschien soeben eine Veröffentlichung des Solicitor Notary Mark<br />
Kober-Smith mit dem Titel ¹Legal Lobbyingª, Cavendish Publishing Ltd,<br />
London und Sydney.<br />
5 ¹The General Notaryª ist der Nachfolger des Taschenbuches ¹The Provincial<br />
Notaryª des englischen Notars G.E. Delafield, dessen 3. und letzte<br />
Ausgabe 1991 von A.G. Dunford bearbeitet worden ist und dessen weitere<br />
Publikation mit der Abschaffung der District Notaries ebenfalls endete.<br />
6 Allerdings ist die Mitgliedschaft in der Notaries Society freiwillig.<br />
7 S. 1 - 19.<br />
8 Dies erklärt sich auch aus dem Umstand, dass es ein Vertrags-Recht<br />
(contract) sowie ein Recht der unerlaubten Handlung (tort) zu dieser Zeit<br />
noch nicht gab; diese Rechtsgebiete bildeten sich im wesentlichen im<br />
18. Jahrhundert mit der weiteren Ausformung des Common Law heraus.
MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 13<br />
Jahre 1533 über den ¹Ecclesiastical Licences Actª.<br />
Bis zur ersten gesetzlichen Regelung des Notarberufes<br />
im Jahre 1801 durch den ¹Public Notaries Actª<br />
weitete sich das Notaramt allmählich auf neue Gebiete<br />
aus, insbesondere auf einige Spezialgebiete des<br />
Handelsrechts (Schifffahrtsrecht, Wechselrecht), auf<br />
den internationalen Rechtsverkehr und vor allem auf<br />
das Gebiet des Grundstücksverkehrsrechts (Kaufverträge,<br />
Hypothekenbestellungen), auf dem die englischen<br />
Notare, jedenfalls in London, wo traditionell<br />
der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Aktivitäten Englands<br />
liegt, schrittweise eine Vormachtstellung erlangten.<br />
Die Londoner Notare hatten sich in der ¹Scriveners<br />
Companyª zusammengeschlossen, einer Gilde,<br />
die drei unterschiedliche Berufe umfasste, nämlich<br />
die Scrivener selbst (ursprünglich lediglich gelehrte<br />
Schreiber), Attornies-at-Law (Vorläufer der heutigen<br />
Solicitor) und eben Notare. Die grundstücksrechtliche<br />
Vormachtstellung der in dieser Company zusammengeschlossenen<br />
Londoner Notare wurde allerdings<br />
anlässlich einer gerichtlichen Auseinandersetzung<br />
zwischen der Scriveners Company und Vertretern<br />
weiterer Rechtsberufe im Jahre 1760 gebrochen 9 .Es<br />
verwundert nicht, dass aufgrund ihrer größeren Mandantennähe<br />
und Zahl sowie wegen des für Notare<br />
geltenden Verbotes, streitige Verfahren zu führen, die<br />
Attornies, Solicitors und Proctors einerseits (1875 anlässlich<br />
der Zusammenlegung der Common Law und<br />
Equity Gerichte im High Court zum einheitlichen Beruf<br />
des Solicitors zusammengeschlossen) und die Barrister<br />
und Serjeants-at-Law andererseits die englischen<br />
Notare letztlich erfolgreich aus dem Grundstücksverkehrsrecht<br />
verdrängten, zumal das nationale<br />
englische Recht bis heute, von einer einzigen später<br />
zu erwähnenden Ausnahme abgesehen, keine notariellen<br />
Beurkundungspflichten kennt 10 .<br />
Das Fehlen umfassender gesetzlicher Regelungen<br />
zur Notariatsverfassung und zur Amtsausübung hat<br />
es den englischen Notaren immer wieder ermöglicht,<br />
beim Verlust bestimmter Tätigkeiten in neue (Rechts-)<br />
Gebiete vorzudringen. Der Verlust der Vormachtstellung<br />
im Grundstücksverkehrsrecht wurde teilweise<br />
durch Tätigkeiten als Grundstücksmakler (ähnlich<br />
den französischen Notaren), teilweise durch Eintritt in<br />
den Markt der Geldverleiher kompensiert, auch wenn<br />
diese beruflichen ¹Ausflügeª nach dem Erstarken der<br />
entsprechenden Spezialberufe (Real Estate Agent;<br />
Banker) nicht von großer Dauer waren. Tendenziell<br />
wurden die englischen Notare aus dem heimatlichen<br />
Rechtsmarkt verdrängt; sie wandten sich daher<br />
folgerichtig zunehmend dem grenzüberschreitenden<br />
Rechtsverkehr zu mit der Folge, dass man einige, insbesondere<br />
Londoner Notare schon fast als ¹ausländische<br />
Notare in Englandª bezeichnen könnte: diese<br />
Notare kennen sich sowohl im englischen, als auch<br />
im Recht führender ausländischer Rechtsordnungen<br />
aus und erstellen neben englisch-rechtlichen Urkunden<br />
auch Urkunden im ausländischen Recht unter<br />
Berücksichtigung ausländischer Formvorschriften.<br />
IV. Das heutige Notariat in England und Wales<br />
Das moderne englische Notariat wurde begründet<br />
durch den ¹Public Notaries Act 1801ª, gefolgt von<br />
den Public Notaries Acts 1833 und 1843 11 , dem<br />
¹Courts and Legal Services Act 1990ª und schließlich<br />
dem ¹Access to Justice Act 1999ª. Im Verlaufe dieser<br />
200 Jahre hat sich das englische Notariat in seiner<br />
heutigen Form herausgebildet. Es ist durch folgende<br />
Charakteristika gekennzeichnet:<br />
Tätigkeitsgebiete englischer Notare<br />
1. Mit Ausnahme des Erfordernisses, einen förmlichen<br />
Wechselprotest bezüglich eines Auslandswechsels<br />
durch einen Notar vornehmen zu lassen 12 ,<br />
kennt das englische Recht keine obligatorische Einschaltung<br />
eines Notars.<br />
2. Der besondere Charm des englischen Notariats<br />
liegt darin, dass in Ermangelung eines gesicherten<br />
heimatrechtlichen Beurkundungsmarktes ¼ das Common<br />
Law bedient sich bei förmlichen Verträgen bevorzugt<br />
der Rechtsfigur des Deed, also einer Rechtsurkunde<br />
unter Verwendung von Siegeln und Unterschriftszeugen<br />
¼ die große Mehrzahl der notariellen<br />
Tätigkeiten den internationalen Rechtsverkehr betrifft.<br />
Dies betrifft aus geschichtlichen Gründen in erheblichem<br />
Umfange Länder des britischen Commonwealth,<br />
aber seit dem Beitritt Großbritanniens zur Europäischen<br />
Gemeinschaft auch verstärkt Länder der<br />
EU. Die Besonderheit, die das englische Notariat insoweit<br />
aufweist, besteht darin, dass die englische notarielle<br />
Urkunde nicht nur nach englischem Recht<br />
wirksam sein muss, sondern zugleich auch auf die<br />
materiellen und formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen<br />
des Empfängerstaates zu achten hat 13 . Ein juristisches<br />
Dokument, welches den Anforderungen zweier<br />
9 Harrison v. Smith, 1760, siehe E. Freshfield (Hrg.), The Records of the<br />
Society of Gentlemen Practisers (1897).<br />
10 Dies gilt gleichermaßen für die skandinavischen Länder (ist es nur<br />
Zufall, dass das insbesondere von Napoleon wiederbelebte und neu<br />
ausgestaltete lateinische Notariat in Europa in ausgereifter Form heute<br />
gerade dort nicht anzutreffen ist, wohin auch seine Truppen nicht<br />
gelangten?).<br />
11 Das ausgehende 18. und angehende 19. Jahrhundert hat auch auf dem<br />
europäischen Kontinent wichtige notarrechtliche Kodifikationen erlebt.<br />
Mit dem Untergang des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation<br />
war für kaiserlich ernannte Notare kein Raum mehr. Der Vertrag von<br />
Luneville vom 9.2.1801 besiegelte diesen Untergang förmlich und ist<br />
zugleich Geburtsstunde des europäischen Nationalstaates moderner<br />
Prägung.<br />
12 § 51 Abs. 7 Bill of Exchange Act 1882.<br />
13 Dunford 45 ff.
14 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />
Jurisdiktionen gleichermaßen Genüge tun muss, erfordert<br />
von dem dazu berufenen Juristen sowohl erweiterte<br />
Sprachkenntnisse als auch die Kenntnis<br />
fremder Rechtsordnungen, wobei sowohl sprachlich<br />
als auch rechtlich der Schwerpunkt auf den Bereichen<br />
des Gesellschaftsrechts, des Urheberrechts,<br />
des Grundstücksrechts und des Vollmachtsrechts<br />
liegt. Aus diesem Grunde sind auf diesen Gebieten<br />
insbesondere die Londoner Scrivener Notaries, aber<br />
auch zunehmend die General Notaries in mehreren<br />
Sprachen und Rechtsordnungen im gebotenen Umfange<br />
¹zu Hauseª. Auslandsrechtliche Publikationen<br />
gehören ebenso zur Standardausrüstung des englischen<br />
Notariats wie eine beeindruckende Reihe<br />
allgemeiner und rechtsspezifischer zwei- und mehrsprachiger<br />
Wörterbücher. Der englische Notar hat<br />
sich darüber hinaus eingehend mit den jeweils erforderlichen<br />
Legalisationsvoraussetzungen zu befassen.<br />
Er prüft deren Voraussetzungen und organisiert deren<br />
Erlangung.<br />
3. Im englischen Rechtsmarkt sind die Notare<br />
außerhalb der bereits erwähnten Wechselproteste<br />
noch auf dem Gebiet der Schiffsproteste 14 tätig. Ein<br />
Schiffsprotest ist eine notarielle Urkunde, über die<br />
der Kapitän und andere Besatzungsmitglieder unter<br />
Verwendung der Eintragungen im Logbuch Ereignisse<br />
zu Protokoll geben, die zu Schäden an Schiff und<br />
Ladung geführt haben bzw. wo solche Schäden<br />
befürchtet werden, und zwar unter gleichzeitigem<br />
Hinweis auf fehlendes eigenes Verschulden. Sowohl<br />
Wechsel- als auch Schiffsproteste gehen über reine<br />
Beglaubigungsfunktionen hinaus: Hier errichten englische<br />
Notare klassische notarielle Urkunden nach<br />
kontinentaleuropäischem und damit letztlich nach<br />
römischem Vorbild.<br />
Darüber hinaus überwachen englische Notare<br />
die (lotteriemäßig ausgestaltete) Ziehung einer zur<br />
Auszahlung vorgesehenen Teilmenge von Schuldverschreibungen<br />
sowie die gleichfalls anonymisierte<br />
Zuteilung von Aktien bei überzeichneten Emissionen;<br />
auch überwachen sie die geordnete Zerstörung von<br />
nicht mehr für den Markt bestimmten Wertapieren 15 .<br />
In all diesen Fällen errichtet der Notar entsprechende<br />
Urkunden, in denen er die Ordnungsmäßigkeit der<br />
entsprechenden Vorgänge exakt beschreibt und bescheinigt.<br />
Weiterhin sind die Notare ¼ in Konkurrenz mit<br />
anderen Rechtsberufen ¼ auf den Gebieten der<br />
Grundstückskäufe, der Bestellung von Grundstücksbelastungen,<br />
dem Erbrecht 16 , der Abfassung von<br />
Charter-Verträgen für die Seeschiffahrt 17 sowie der<br />
Registrierung, Veräußerung und Belastung von Schiffen<br />
18 tätig.<br />
Der englische Notar ist zugleich Commissioner of<br />
Oaths und auch insoweit zur Abnahme von Eiden<br />
und zur Entgegennahme von Versicherungen an Eides<br />
Statt befugt19 . Schließlich ist der englische Notar<br />
befasst mit:<br />
a) der Aufnahme fremdrechtlicher und/oder fremdsprachiger<br />
Rechtsdokumente20 in Form einer öffentlichen<br />
Urkunde,<br />
b) der Beglaubigung von Abschriften und Kopien21 ,<br />
c) der Beglaubigung von Unterschriften 22 von Parteien<br />
und Zeugen, vornehmlich auf Vollmachten des<br />
internationalen Rechtsverkehrs, häufig unter gleichzeitiger<br />
Bescheinigung der Existenz, Rechtsfähigkeit<br />
und ordnungsgemäßen Vertretung von Gesellschaften<br />
und anderen Vollmachtgebern und unter Bestätigung<br />
der Rechtswirksamkeit der Erklärungen nach englischem<br />
Recht,<br />
d) der Bescheinigung über notarielle Wahrnehmungen,<br />
auch über die Beobachtung von Unterschriftsleistungen<br />
hinaus, insbesondere über die Feststellung<br />
von rechtsrelevanten Tatsachen und Rechtsverhältnissen<br />
wie Erbenstellung, Volljährigkeit, Heiratsfähigkeit23 ,<br />
Gesellschafterbeschlüssen24 u. a.,<br />
e) der Beglaubigung von Übersetzungen 25 .<br />
Notariatsverfassung<br />
4. Mit der Abschaffung der örtlich begrenzt tätigen<br />
sogenannten District Notaries im Jahre 199026 gibt es<br />
in England neben den Ecclessiastical Notaries, also<br />
kirchlichen Notaren, die exklusiv im kirchlichen Bereich<br />
tätig sind, nur noch den General Notary (derzeit rund<br />
950). Die General Notaries sind ganz überwiegend zugleich<br />
Solicitor, selten auch Barrister, außerhalb Londons<br />
praktisch nie Nur-Notar. Der gegenwärtig allein in<br />
London praktizierende sogenannte Scrivener Notary<br />
(derzeit rund 25) hat neben dem General Notary keinerlei<br />
besondere notariellen Befugnisse; er ist ein General<br />
Notary mit in der Regel erweiterter fremdrechtlicher und<br />
fremdsprachlicher Ausbildung, der der zusätzlichen ge-<br />
14 Brookes Notary 164 ff.<br />
15 AaO 168 ff.<br />
16 Brookes Notary 24 f.<br />
17 AaO 25.<br />
18 Dunford 89 ff.<br />
19 AaO 147,168.<br />
20 Brookes Notary 397 ff.<br />
21 Dunford 203.<br />
22 AaO 167.<br />
23 AaO 192 f.<br />
24 AaO 174 ff.<br />
25 AaO 204; allerdings sind die englischen Notare insoweit weder gesondert<br />
vereidigt, noch versichern sie die Richtigkeit der beglaubigten Übersetzung<br />
an Eides statt.<br />
26 District Notary konnte man damals nur werden, wenn man in seinem örtlichen<br />
beruflichen Wirkungskreis als ¹eminent lawyerª galt, was in der<br />
Regel durch Empfehlungsschreiben von rund 20 führenden Geschäftsleuten<br />
zu belegen war!
MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 15<br />
sonderten, jedoch dem Faculty Office untergeordneten<br />
Disziplinargewalt der Scriveners Company untersteht27 .<br />
Er ist in der Regel Nur-Notar, ganz ausnahmsweise zugleich<br />
Barrister oder Solicitor, gelegentlich zugleich<br />
ausländischer Anwalt.<br />
5. Der englische Notar beglaubigt und beurkundet<br />
kraft staatlicher Autorität. Seine Ernennungsurkunde<br />
erhält der Notar durch das Faculty Office vom Erzbischof<br />
von Canterbury, der aufgrund staatlicher<br />
Delegation für die Ernennung der Notare, und zwar<br />
sowohl der kirchlichen als auch der weltlichen, seit<br />
1533 zuständig ist. Der englische Notar übt somit ein<br />
öffentliches Amt aus28 .<br />
6. An der Spitze des Faculty Office steht dessen<br />
Master, meist, aber nicht notwendigerweise ein Richter<br />
Ihrer Majestät, der aufgrund staatlicher Ermächtigung<br />
über die spärlichen gesetzlichen notariatsrechtlichen<br />
Regelungen hinaus untergesetzliche Regelungen erlässt<br />
(¹Rules and Regulationsª) 29 und über diese den<br />
gesamten Notarberuf reguliert, angefangen von der<br />
Ausbildung über die Ernennung und die Disziplinargewalt<br />
bis hin zur Amtsenthebung. Die Verwaltungsspitze<br />
bildet der Registrar des Faculty Office. In Fragen<br />
der Notariatszulassung steht ihm ein achtköpfiges Gremium<br />
beratend zur Seite, das sogenannte Qualifications<br />
Board, das mit erfahrenen Notaren besetzt ist.<br />
Gegen Entscheidungen des Master können Rechtsmittel<br />
bei der Chancery Division des High Court of<br />
Justice eingelegt werden.<br />
7. Das englische Notariat unternimmt seit etwa<br />
20 Jahren verstärkte Anstrengungen, sich dem lateinischen<br />
Notariat weitestgehend (wieder) anzunähern.<br />
Praktisch alle relevanten Rules and Regulations des<br />
Masters des Faculty Office stammen aus den achtziger<br />
und neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts<br />
und haben klare kontinentaleuropäische<br />
Vorbilder30 . Sie befassen sich im wesentlichen mit<br />
den Zulassungsvoraussetzungen, den Disziplinarregeln,<br />
der laufenden Überwachung der Jungnotare<br />
während der ersten zwei Jahre nach der Ernennung,<br />
Fragen der Versicherung und des Entschädigungsfonds,<br />
der Führung von Register und Urkundensammlung,<br />
der ordnungsgemäßen Berufsausübung,<br />
der eingeschränkten Werbemöglichkeiten der Notare<br />
und der Führung notarieller Konten und Anderkonten.<br />
Englische notarielle Urkunden<br />
8. Im Gegensatz zu Urkunden des kontinentaleuropäischen<br />
Notars genießt die Urkunde des englischen<br />
Notars in England selbst nicht den gleichen privilegierten<br />
Beweiswert31 . Englische notarielle Urkunden ¼<br />
wohl aber nach der überwiegenden Rechtsprechung<br />
kontinentaleuropäische ¼ sind nach englischem Recht<br />
keine öffentlichen Urkunden (¹Public Documentsª),<br />
auch wenn sie den Public Documents inzwischen<br />
wesensmäßig stark angenähert worden sind 32 .Demgegenüber<br />
werden englische notarielle Urkunden<br />
außerhalb Englands praktisch weltweit als öffentliche<br />
Urkunden anerkannt. Seit mehreren Jahren bemühen<br />
sich die englischen Notare um eine entsprechende<br />
Gesetzgebung, die ihre Urkunden binnenrechtlich den<br />
kontinentaleuropäischen insoweit gleichstellen soll.<br />
9. Englische Notare sind auch nicht befugt, bestimmte<br />
sich aus ihren Urkunden ergebende Ansprüche<br />
für vollstreckbar zu erklären und im Bedarfsfalle<br />
eine Vollstreckungsklausel zu erteilen. Diese Rechtsfigur<br />
ist dem Common Law fremd. Andererseits können<br />
notarielle Urkunden EU-europäischer Notare inzwischen<br />
in England nach dem Europäischen Gerichtsstands-<br />
und Vollstreckungsübereinkommen (EuG-VÜ)<br />
auch in England vollstreckt werden mit der kuriosen<br />
Folge, dass englische Mandanten von ihren eigenen<br />
Notaren keine vollstreckbare notarielle Urkunde erlangen<br />
können, sich vielmehr zu diesem Zwecke ins EUeuropäische<br />
Ausland begeben müssen. Auch hier bemühen<br />
sich die englischen Notare bereits seit Jahren<br />
um entsprechende gesetzliche Änderungen. Es bleibt<br />
jedoch festzuhalten, dass trotz fehlenden privilegierten<br />
Beweiswertes der englischen notariellen Urkunde und<br />
trotz fehlender Befugnis zur Beurkundung von Vollstreckungsklauseln<br />
der englische Notar Inhaber eines<br />
staatlichen Amtes unter staatlicher Aufsicht ist.<br />
10. Wie seine kontinentaleuropäischen Kollegen, so<br />
führt auch der englische Notar eine aussagekräftige<br />
Urkundenrolle; daneben hat sich auch eine Urkundensammlung<br />
vergleichbarer Qualität durchgesetzt33 .<br />
11. Wie bereits zu oben 2. und 3. dargestellt, kennt<br />
der englische Notar die klassische kontinentaleuropäische<br />
Notariatsurkunde mit all ihren Erfordernissen<br />
(sogenannter ¹public [oder authentic] actª [oder instrument])<br />
sowohl im Rechtsverkehr mit dem Ausland, als<br />
auch binnenrechtlich vor allem auf dem Gebiet der<br />
Schiffsproteste. Daneben gibt es eine Fülle sogenann-<br />
27 Dunford 14 f.<br />
28 Der Amtseid des Englischen Notars lautet wie folgt: ¹I do solemnly, sincerely,<br />
and truly declare and affirm that I will faithfully exercise the office<br />
of a notary public. I will faithfully make contracts or instruments for or<br />
between any party or parties requiring the same, and I will not add or<br />
diminish anything without the knowledge and consent of such party or<br />
parties that may alter the substance of the fact. I will not make or attest<br />
any act, contract, or instrument, in which I shall know there is violence<br />
or fraud; and in all things I will act uprightly and justly in the business of<br />
a notary public, according to the best of my skill and ability.ª<br />
29 Brookes Notary 519 ff.; dto. 1. Nachtrag 15 ff., Dunford 229 ff.<br />
30 AaO 519 ff.; dto. Nachtrag 15 ff.; Dunford 229 ff.<br />
31 Dunford 44.<br />
32 Brookes Notary 60 ff.; Dunford 44; die Woolf-Reform 1999 des Zivilprozessrechts<br />
hat praktisch dazu geführt, dass nun auch englische notarielle<br />
Urkunden unmittelbaren Beweiswert haben, sofern sie von der<br />
Gegenseite nicht angegriffen werden: dann wird weiterhin der Notar als<br />
Zeuge zu vernehmen sein.<br />
33 Dunford 29 ff.
16 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />
ter notarieller Bescheinigungen (sogenannte ¹private<br />
actsª) über Tatsachen und Rechtverhältnisse, insbesondere<br />
Unterschriftsbeglaubigungen, Identitätsfeststellungen,<br />
Vertretungsverhältnisse etc. In all dem ist der<br />
englische Notar ein echter ¹Amtsbruderª seines kontinentaleuropäischen<br />
Kollegen, vielleicht mit Ausnahme<br />
der Tatsache, dass der Notar die (zunehmend für geboten<br />
erachtete) Belehrung der Beteiligten nicht in die<br />
eigentliche Urkunde aufnehmen muss. Stattdessen vermerkt<br />
der englische Notar entsprechende Belehrungen<br />
häufig in der Urkundenrolle 34 ; und lässt sich diese mitunter<br />
von den Beteiligten gegenzeichnen 35 !<br />
Ausbildung und Zugang<br />
12. Vor dem Hintergrund seiner internationalen<br />
Ausrichtung verwundert es daher nicht, dass die gängige<br />
Prüfung in englischer notarieller Praxis von den<br />
Examinanden die Kenntnis der Legalisationsvoraussetzungen<br />
für rund 200 (!) Länder dieser Erde verlangt,<br />
darüber hinaus für eben diese Länder deren<br />
Formerfordernisse (bis hin zu den einzelnen Staaten<br />
Australiens, der USA und Kanadas!) und für eine<br />
Reihe ¹gängigerª Jurisdiktionen auch die wichtigsten<br />
materiellen Grundsätze in den vorgenannten Rechtsgebieten36<br />
. In guter englischer Tradition werden Prüfungen<br />
grundsätzlich ¼ außer Papier und Stift ¼ ohne<br />
jegliche Hilfsmittel und unter der Aufsicht eines ¹Invigilatorª<br />
abgehalten. Der Examinand muss in der Lage<br />
sein, die wichtigsten notariellen Urkunden aus dem<br />
Gedächtnis zu entwerfen und niederzuschreiben. Zusätzliche<br />
Prüfungsvoraussetzungen bei den Scrivener<br />
Notaries sind Sprachkenntnisse in zwei selbst gewählten<br />
Sprachen sowie Rechtskenntnisse in einer<br />
weiteren Jurisdiktion.<br />
13. Die Internationalität und Weltoffenheit des englischen<br />
Notariats haben dazu geführt, dass durch<br />
Änderungen in den Jahren 1994 und 199937 nunmehr<br />
EU-europäische Juristen, die in ihren Heimatländern<br />
zugelassene Notare sind oder dort die Ernennungsvoraussetzungen<br />
erfüllen, auch in England<br />
unter Verzicht auf das Staatsangehörigkeitserfordernis<br />
unter freier Ortswahl zu englischen Notaren ernannt<br />
werden können, sofern sie die erforderlichen<br />
Sprach- und Rechtskenntnisse nachweisen38 . Dieser<br />
Nachweis erfolgt im Wege eines Eignungstestes, dessen<br />
Umfang vom sogenannten Qualifications Board<br />
des Faculty Office entschieden wird. Soweit mir bekannt39<br />
, haben von der Antragsmöglichkeit dieser Bestimmung<br />
bisher nur zwei schottische Solicitor und<br />
ein deutscher Anwaltsnotar Gebrauch gemacht, ohne<br />
dass es bisher zu einer Ernennung gekommen ist.<br />
14. Die Ausbildung der englischen Notare hat inzwischen<br />
ein hohes akademisches Niveau erreicht. Im<br />
einzelnen handelt es sich um folgende Fachgebiete: 40<br />
a) Öffentliches und Verfassungsrecht, b) Sachenrecht,<br />
c) Vertragsrecht, d) Recht der Europäischen<br />
Union, e) Römisches Recht sowie Grundsätze des<br />
Bürgerlichen Rechts der Jurisdiktionen, die römisches<br />
Recht rezipiert haben, f) Billigkeitsrecht und<br />
Trusts, g) Internationales Privatrecht, h) Grundstücksverkehrsrecht,<br />
i) Wirtschaftsrecht, i) Nachlassrecht, k)<br />
Recht der notariellen Praxis einschließlich Schifffahrts-<br />
und Wechselrecht.<br />
Wer als englischer Barrister oder Solicitor sich um<br />
ein Notaramt bemüht, muss in der Regel in mindestens<br />
drei dieser Fächer erneut Prüfungen ablegen,<br />
in jedem Falle im Recht der notariellen Praxis meist<br />
auch im IPR sowie im EU-Recht. Dies bedeutet: Der<br />
englische Notar, in der Regel ein solicitor-notary (Anwaltsnotar),<br />
ist nach den jüngeren Ausbildungs- und<br />
Zulassungsregeln auf der Höhe des in England verlangten<br />
notariellen Rechts.<br />
Berufsausübung<br />
15. Innerhalb der berufsrechtlichen Regelungen<br />
für den englischen Notar sind folgende Punkte hervorzuheben:<br />
a) Der Notar ist grundsätzlich verpflichtet, Aufträge<br />
anzunehmen und durchzuführen 41 .<br />
b) Der Notar hat dafür zu sorgen, dass er für das<br />
Rechtspublikum erreichbar ist;<br />
gegebenenfalls hat er selbst für eine geeignete<br />
Vertretung durch einen Notarkollegen zu sorgen42 .<br />
c) Der Notar haftet für fehlerhafte Amtsausübung<br />
nach den Allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechts<br />
und der unerlaubten Handlung43 .<br />
Der englische Notar hat notarielle Tätigkeiten dann<br />
abzulehnen, wenn Interessenkonflikte erkennbar sind44 .<br />
e) Sofern erforderlich, hat der Notar die Dienste<br />
von Übersetzern und Dolmetschern in Anspruch zu<br />
nehmen, im erforderlichen Umfange auch Rechtsgelehrte<br />
fremder Jurisdiktionen 45 .<br />
f) Der Notar ist verpflichtet, Honorare in angemessener<br />
Höhe zu verlangen. Grundsätzlich rechnet der<br />
34 Dunford 21 f.<br />
35 AaO 31.<br />
36 Brookes Notary 595 ff.<br />
37 Access to Justice Act 1999.<br />
38 Notaries (Qualifications) Rules 1998, Ziffer 9 ¹European Economic Area<br />
Notariesª.<br />
39 Stand Juli 2000.<br />
40 Dunford 14 f.<br />
41 Dunford 21.<br />
42 AaO 20 f.<br />
43 AaO 24 f.<br />
44 AaO 21.<br />
45 AaO 22, 34 ff.
MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 17<br />
englische Notar nach Stunden ab, wobei der derzeit<br />
von der Notaries Society empfohlene mittlere Stundensatz<br />
bei 135£ 46 liegt. Dem englischen Notar ist es<br />
untersagt, seine Gebühren mit anderen zu teilen, mit<br />
Ausnahme mit einem anderen Notar oder mit einem<br />
Solicitor, mit dem er in seiner Eigenschaft als Solicitor<br />
in Partnerschaft verbunden ist 47 .<br />
g) Soweit der Notar mit Solicitor-Kollegen zur beruflichen<br />
Zusammenarbeit verbunden ist, hat er dafür<br />
zu sorgen, dass seine Unabhängigkeit als Notar nicht<br />
eingeschränkt ist 48 .<br />
h) Der Notar ist verpflichtet, notarielle Eigen- und<br />
Anderkonten zu trennen und über alle Geldbewegungen<br />
sorgfältig Buch zu führen 49 .<br />
i) Dem englischen Notar ist es untersagt, für seine<br />
Tätigkeit anders zu werben als durch sachliche Darstellung<br />
seiner notariellen Tätigkeiten.<br />
j) Der Notar hat eine berufliche Haftpflichtversicherung<br />
zu unterhalten und Beiträge zu einem Entschädigungsfond<br />
der Notaries Society zu leisten. Bei fehlender<br />
Zahlung bzw. fehlendem Nachweis kann das<br />
Faculty Office ihm das jährlich erneuerungsbedürftige<br />
Praktizierungszertifikat versagen 50 .<br />
k) Sofern der Notar andere Berufe ausübt ¼ dies<br />
können durchaus auch nicht-juristische Berufe sein,<br />
was aber praktisch kaum vorkommen dürfte ¼, dürfen<br />
deren Regelungen, die grundsätzlich einzuhalten<br />
sind, nicht mit den notariellen Berufsregeln in Konflikt<br />
stehen 51 .<br />
l) Neben Urkundenrolle und Urkundensammlung<br />
verfügt der englische Notar über ein eigenes Siegel.<br />
Die Regeln betreffend den Einsatz von Urkundspapier,<br />
Tinte, das Binden und Siegeln von Urkunden entsprechen<br />
weitgehend den Vorstellungen des lateinischen<br />
Notariats 52 .<br />
m) Urkundenrolle, Urkundensammlung, Siegel und<br />
notarielle Nebenakten sind unter Verschluss zu halten;<br />
sie unterliegen der alleinigen Verantwortung und<br />
Kontrolle des Notars 53 .<br />
n) Aus seiner Stellung als Inhaber eines öffentlichen<br />
Amtes ergibt sich ein Spannungsfeld zwischen<br />
öffentlichen Pflichten einerseits und der Verpflichtung<br />
zur Geheimhaltung und Vertraulichkeit gegenüber<br />
den Klienten andererseits. Auch wenn das geschriebene<br />
Recht den Notaren nicht den gleichen Vertraulichkeitsschutz<br />
gewährt wie den englischen Solicitors<br />
und Barristers, so wird der Notar die entsprechenden<br />
Grundsätze entsprechend beherzigen, sofern er nicht<br />
aufgrund gerichtlichen Urteils oder aufgrund gesetzlichen<br />
Regelungen zur Informationserteilung verpflichtet<br />
ist 54 .<br />
16. Wie bereits von Mann und Stauch 55 überzeugend<br />
dargestellt und von der überwiegenden Rechtsprechung<br />
und Literatur anerkannt, ist die Urkunde<br />
eines englischen Notars der seines deutschen Kollegen<br />
jedenfalls bei Beurkundungen und Beglaubigungen<br />
bezüglich in Deutschland registrierter Gesellschaften<br />
sowie bei schuldrechtlichen Kaufverträgen<br />
über deutsche Grundstücke gleichwertig, da der englische<br />
Notar nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben<br />
einem deutschen Notar gleichsteht. Eine fehlende<br />
Belehrung nach deutschem notariellen Vorbild<br />
lässt diese Einschätzung unverändert bestehen 56 .<br />
Gelegentlich wird auch vertreten, dass Verschmelzungs-<br />
und Spaltungsbeschlüsse (nicht dagegen Verschmelzungsverträge<br />
bzw. Spaltungs- und Übertragungsverträge)<br />
nur vor einem deutschen Notar beurkundet<br />
werden können; dem ist A. Reuter mit überzeugenden<br />
Argumenten entgegengetreten 57 .<br />
Für die derzeit von der Rechtsprechung noch<br />
vertretene Auffassung, die Auflassung deutscher<br />
Grundstücke (und wohl auch die Bestellung von<br />
Grunddienstbarkeiten) sei nur vor deutschen Notaren<br />
möglich, gibt es keine sachlich rechtfertigenden<br />
Gründe 58 . Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis<br />
diese Auffassung angesichts der Schwäche ihrer Argumente<br />
und unter dem Druck Europas 59 zu revidieren<br />
sein wird.<br />
V. Perspektiven<br />
Das englische Notariat ist trotz derzeit geringer<br />
Unterstützung durch den englischen Gesetzgeber auf<br />
dem besten Wege, als Mitglied der Familie der lateinischen<br />
Notariate sich stärker auf seine gemeinsamen<br />
Wurzeln zu besinnen und seinen Binnenmarkt schrittweise<br />
zurückzuerobern. Dies wird auch dadurch<br />
unterstrichen, dass die Scriveners Company als<br />
¹Flagschiffª des englischen Notariats vor wenigen<br />
Jahren in die ¹Internationale Union des Lateinischen<br />
Notariatsª aufgenommen worden ist. Das englische<br />
Notariat hat seinen Überlebenswillen und seine An-<br />
46 zuzüglich Mehrwertsteuer (VAT) von derzeit 17,5 %.<br />
47 Dunford 22 f.<br />
48 AaO 24.<br />
49 AaO 24.<br />
50 AaO 24 f.<br />
51 AaO 25.<br />
52 Dunford 27 f.<br />
53 AaO 28.<br />
54 AaO 21 f.<br />
55 Siehe A. Mann ¹Die Urkunde ausländischer, insbesondere englischer<br />
Notare und der deutsche Rechtsverkehrª in NJW 1955, 1177 ff. sowie<br />
I. Stauch in ¹Die Geltung ausländischer notarieller Urkunden in der Bundesrepublik<br />
Deutschlandª, 1983, S. 127 ff.<br />
56 Vgl. statt vieler: Münchener Kommentar, Art. 11, EGBGB, Rdnr. 47 ff.<br />
57 BB 1998, 116 ff.<br />
58 Vgl. statt vieler: Münchener Kommentar, Art. 11, EGBGB, Rdnr. 47 ff.,<br />
Rdnr. 45.<br />
59 die EU-Kommission prüft derzeit intensiv, ob das weitverbreitete nationalstaatliche<br />
Staatsangehörigkeitserfordernis aufrechterhalten werden<br />
kann.
18 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />
passungsfähigkeit historisch mehrfach überzeugend<br />
unter Beweis gestellt, vor allem Ende des 18. Jahrhunderts<br />
nach dem Verlust der Vormachtstellung auf<br />
dem Markt des Londoner Grundstücksverkehrs, und<br />
zuletzt in den letzten 20 Jahren des vergangenen<br />
Jahrhunderts unter dem Einfluss des verstärkten<br />
europäischen Rechtsverkehrs mit seiner inneren<br />
Reformierung und verstärkten Ausrichtung am kontinentaleuropäischen<br />
Notariat lateinischer Prägung. Ich<br />
habe keinen ernsthaften Zweifel daran, dass das englische<br />
Notariat seinen Platz in der Familie des europäischen<br />
Notariats zurecht innehält, und dass es<br />
unseren englischen Kollegen in nicht allzu ferner Zukunft<br />
gelingen wird, den englischen Gesetzgeber zu<br />
überzeugen, englische notarielle Urkunden als uneingeschränkt<br />
öffentliche Urkunden mit privilegierten<br />
Beweiswert anzuerkennen und den Notaren zu gestatten,<br />
Vollstreckbarkeitserklärungen zu beurkunden<br />
und Vollstreckungsklauseln zu erteilen. Unabhängig<br />
davon wird das englische Notariat sein internationales<br />
Flair behalten und weiterentwickeln.<br />
Informationen der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong><br />
<strong>Arbeitsgemeinschaft</strong><br />
Anwaltnotariat<br />
Die <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> ist im<br />
Jahr 1991 gegründet worden.<br />
Aufgabe der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> ist es, die berufspolitischen<br />
Interessen der Anwaltnotarinnen und<br />
Anwaltsnotare und der an diesem Beruf interessierten<br />
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte wahrzunehmen<br />
sowie über aktuelle Entwicklungen in der notariellen<br />
Berufspraxis zu unterrichten.<br />
Die <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> hat im letzten Jahrzehnt<br />
die Entwicklung des notariellen Berufsrechts und die<br />
der notariellen Praxis durch eine Fülle von Stellungnahmen<br />
und Diskussionsbeiträgen bereichert. Sie<br />
wird dies fortführen.<br />
Die <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> lädt im Halbjahresrhythmus<br />
unter dem Titel ¹Neues im Notariatª zu Fortbildungsveranstaltungen<br />
ein, die sich großen Zuspruchs<br />
erfreuen. Diese Veranstaltungen dienen auch der<br />
Integration der Anwaltsnotarinnen und der Anwaltsnotare.<br />
Die Frühjahresveranstaltung 2001 hat am 16.<br />
und 17. März in Hamburg stattgefunden.<br />
Die <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> wird von einem Geschäftsführenden<br />
Ausschuss geleitet, der gegenwärtig folgende<br />
Mitglieder hat:<br />
RAuN Günter Schmaler, Emden, Vorsitz<br />
RAuN Dr. Ulrich Dithmar, Kassel<br />
RAuN Wolfgang Grebe, Olpe<br />
RAuN Dieter Kronenbitter, Esslingen<br />
RAuN Jan de Vries, Leer<br />
Die Anschrift der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong><br />
lautet:<br />
Deutscher Anwaltverein, Littenstraße 11, 10179 Berlin<br />
Telefon: 030/726152-121, Fax: 030/726152-191.<br />
Zuständiger Geschäftsführer ist:<br />
Dr. Peter Hamacher<br />
Telefon: 030/726152-121.<br />
Das Sekretariat betreut:<br />
Grit Pokrandt<br />
Telefon: 030/726152-131<br />
<strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> im<br />
Internet<br />
www.anwalts-notariat.de<br />
Die <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> im DAV ist<br />
im Internet. In der heutige Zeit eigentlich keine besondere<br />
Nachricht, denn alles und jeder ist heute im<br />
Netz, aber ¼ soweit ersichtlich, ist dies die einzige<br />
Web-Site, die sich ausschließlich mit unserem Berufsstand<br />
beschäftigt. Bei der unübersehbaren Fülle<br />
des Angebots im World-Wide-Web schon bemerkenswert<br />
¼ finde ich. Und wir haben vor, diese Exklusivität<br />
zu nutzen, für uns zu nutzen, denn schließlich ist es<br />
die Aufgabe (eine der Aufgaben) des Geschäftsführenden<br />
Ausschusses, die Mitglieder schnell und aktuell<br />
zu informieren ¼ und dazu ist das Internet wie kein<br />
zweites Medium hervorragend geeignet. Nur, die Tatsache<br />
der Präsenz der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> im Internet<br />
muss den Mitgliedern ja auch bekannt sein, damit<br />
ein Nutzen zum nicht unbeträchtlichen Aufwand gegeben<br />
ist und die Möglichkeiten in Anspruch genommen<br />
werden können. Deshalb wollen wir unseren<br />
Internet-Auftritt hier kurz vorstellen.<br />
Die Seite ist formal dem Erscheinungsbild aller<br />
DAV-Auftritte im Internet angeglichen und hat (siehe<br />
Überschrift) eine eigene vom DAV unabhängige und<br />
registrierte Domain (Adresse). Dahinter steht kein separatistisches<br />
Gedankengut, sondern dient lediglich<br />
der Flexibilität. Selbstverständlich ist auch ein Link<br />
(Verbindung) von den DAV-Seiten zu uns eingerichtet.<br />
<strong>Inhalt</strong>lich bietet die Seite verschiedene Kategorien:<br />
Unsere Satzung, die Mitglieder des Geschäftsführen-
MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 19<br />
den Ausschusses, eine Beitrittserklärung zum Download<br />
(Herunterladen), Veranstaltungen und Termine,<br />
Berichte, das Forum, eine Aktuelle Rubrik, den Pressespiegel,<br />
Gesetzestexte, die Richtlinien der einzelnen<br />
Notarkammern (auch zum Download), ein Mitgliederverzeichnis<br />
der Mitglieder der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong><br />
nach Postleitzahlen sortiert und eine Reihe von Links<br />
zu anderen interessanten Seiten. Demnächst wird eine<br />
weitere Kategorie hinzukommen: Das Mitteilungsblatt.<br />
Auf drei dieser Rubriken möchte ich gesondert<br />
eingehen.<br />
1. Das Forum<br />
Wir haben uns vorgestellt, dass ein Bedürfnis<br />
bestehen könnte, sich in dieser Rubrik fachlich auszutauschen,<br />
z. B. über Entwicklungen in der Dienstaufsicht,<br />
die Auslegung des § 3 oder § 17 BurkG,<br />
berufspolitische Fragen wie die der Werbung durch<br />
Notare, Verbesserungsvorschläge zu der Seite selber,<br />
natürlich auch Kritik und Unmut ¼ eben ein Forum<br />
der Anwaltsnotare. Nur leider ist dieses Angebot bislang<br />
nicht angenommen worden. Damit geht auch ein<br />
Stück Verantwortung auf unsere Mitglieder und natürlich<br />
(Noch-) Nichtmitglieder über, die Seite so lebendig<br />
wie möglich zu gestalten.<br />
2. Aktuelles<br />
Hier stellen wir in loser Folge Aktuelle Ereignisse,<br />
Entscheidungen und Entwicklungen ein, die unseren<br />
Berufsstand betreffen. Nachlesen (und downloaden)<br />
können Sie hier die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts<br />
zur Auswärtsbeurkundung, aber auch<br />
die zur Singularzulassung. Hier informieren wir Sie<br />
über die Entwicklung der Online-Pilotprojekte der<br />
Bundesnotarkammer genauso, wie über neuere europäische<br />
Entwicklungen in Fragen etwa des Staatsangehörigkeitsprivilegs,<br />
der Wettbewerbsdiskussion<br />
oder der Verschwiegenheitsdebatte im Rahmen der<br />
Geldwäscherichtlinie.<br />
Pressespiegel<br />
Der Pressespiegel bringt zeitnah berufspolitische<br />
und die tägliche Arbeit berührende Presseberichte<br />
aus der Tages- und Wochenpresse. Bitte haben Sie<br />
Verständnis dafür, dass wir immer so ein bis zwei<br />
Wochen hinterherhinken, aber wir bemühen uns, Berichte<br />
auszuwählen, die interessant genug sind, über<br />
den Tag hinaus zu wirken.<br />
Schließlich: Eine E-Mail-Adresse haben wir auch:<br />
info@anwalts-notariat.de, über die Sie jederzeit mit<br />
uns stilgerecht über das Medium Internet in Kontakt<br />
treten können.<br />
Und jetzt bleibt mir nur noch, informatives, entspanntes<br />
Surfen auf der Web-Site der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong><br />
zu wünschen.<br />
Rechtsanwalt und Notar Günter Schmaler, Emden<br />
Herbsttagung 2000<br />
Zu ihrer Herbsttagung, traditionell unter dem Titel<br />
¹Neues im Notariatª, hatte die <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong><br />
<strong>Anwaltsnotariat</strong> am 8. und 9. September 2000 nach<br />
Bremen eingeladen. Viele interessierte Teilnehmer<br />
erfreuten sich eines ebenso weit blickenden wie kontrastreichen<br />
Programms.<br />
Zuerst trat Rechtsanwalt und Notar Volker G.<br />
Heinz, Barrister at Law, London, mit einer umfassenden,<br />
realistischen und zukunftsoffenen Analyse zum<br />
Thema ¹Europa ¼ Chance oder Bedrohung für unser<br />
Notariat?ª hervor. Wen es noch deuchte, die Notare<br />
seien kraft der Ausgestaltung ihres Berufs als öffentliches<br />
Amt berufsrechtlichen Herausforderungen<br />
durch das europäische Recht und durch die allgemeinen<br />
gesellschaftlichen Entwicklungen Europas<br />
entzogen, konnte sehr subtil, gänzlich unspektakulär<br />
und nachhaltig vom Referenten erfahren, dass dem<br />
wohl mittel- bis langfristig nicht so sein werde. Es<br />
gibt schon jetzt einen weithin anerkannten Bedarf<br />
nach Notaren, die Sachverhalte mit internationalen<br />
Bezügen umfassend international bearbeiten können.<br />
Zu dieser übergreifenden Anforderung scheint die<br />
Beschränkung der Notare auf ihre jeweilige (nationale)<br />
Jurisdiktion nicht recht zu passen. Mit den Prinzipien<br />
der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit<br />
hat die Europäische Union Instrumente,<br />
die eigendynamisch danach drängen, nationale Jurisdiktionsbereiche<br />
aufzubrechen. Die Grenzen einer<br />
derartigen Durchbrechung sind ohne weiteres dahin<br />
zu markieren, dass die in langer Kontinuität geschaffenen<br />
bewährten Instrumente und Übungen notarieller<br />
Berufstätigkeit unabdingbar in den europäischen<br />
Standard eingehen, es muss aber anderseits möglich<br />
werden, dass ein europäischer Notar, ist er hochqualifiziert<br />
und beherrscht er die Verhandlungssprache<br />
sowie die Rechtsordnung, auf deren Grundlage die<br />
jeweiligen Rechtsverhältnisse zu gestalten sind, überall<br />
in Europa sollte tätig werden können. Von diesem<br />
Zustand ist das Notariat in Europa derzeit noch weit<br />
entfernt, aber u. a. die fortschreitende Harmonisierung<br />
der Privatrechte wird in dieser Richtung Fortschritte<br />
bringen. Nicht zu vergessen ist, dass die englische<br />
Sprache sich zunehmend als Rechts- und<br />
Wirtschaftssprache des sich immer mehr als einen<br />
Wirtschafts- und Rechtsraum verstehenden Europas<br />
etabliert. Der Referent bewertete die hier nur skizzier-
20 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />
te Perspektive durchaus positiv und in der Tat, es<br />
liegen in ihr großartige Chancen, die zu ergreifen<br />
sind, damit das von gegenwärtiger Gewohnheit erkannte<br />
Bedrohliche zurückweichen kann. Der Referent<br />
führte, dies sei angemerkt, Überlegungen weiter,<br />
die er bereits auf dem Anwaltstag 2000 in Berlin vorgetragen<br />
hatte. Dieser Vortrag ist abgedruckt in<br />
AnwBl 2000, 562 ff.<br />
Den ersten Tag der Veranstaltung beschloss<br />
Rechtsanwalt und Notar Wolfgang Schwackenberg,<br />
Oldenburg, mit einem Vortrag zum Thema ¹Eheverträge<br />
und notarielle Scheidungsfolgenvereinbarungenª.<br />
Dies war keine einführende Kost, welche die grundlegenden<br />
Wege weist und erst einmal Ordnung<br />
schafft, sondern der Referent gab auf hohem Niveau<br />
anhand einer Fülle von Beispielen Hinweise und<br />
Anregungen, die unmittelbar die Kautelarpraxis der<br />
Kolleginnen und Kollegen zu verbessern vorzüglich<br />
geeignet waren.<br />
Der Problemkreis ¹Vorsorgevollmacht und Patientenverfügungª,<br />
der in Vortrag und Diskussion unter<br />
der Moderation von Rechtsanwalt und Notar Paul-<br />
Werner Beckmann, Herford, den Samstagvormittag in<br />
Anspruch nahm, ist ein schwieriges und aktuelles<br />
Feld. Auch der 63. Deutsche Juristentag 2000 in<br />
Leipzig hatte das Thema zum Verhandlungsgegenstand.<br />
Um so bemerkenswerter ist es, dass die<br />
<strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> ihren seit längerem gehegten<br />
Plan ausführte, das Thema aufzugreifen. Dies geschah<br />
in praxisnaher Weise, denn trotz aller schon<br />
bestehenden rechtlichen Regelungen und ethischen<br />
Handlungsanweisungen ist es der Einzelfall, die konkrete<br />
Situation, die ratlos machen und dennoch stets<br />
von den Beteiligten (oft schnelle) Entscheidung verlangen.<br />
Die großen und außerordentlichen Fortschritte<br />
der Medizin haben es mit sich gebracht, dass<br />
der Mensch in einer existentiell kranken und hilfsbedürftigen<br />
Lage mit Behandlungsmöglichkeiten der<br />
Medizin in Verbindung gebracht werden kann, bei der<br />
zweifelhaft und nachdenkenswert sein kann, ob alles,<br />
was die Medizin und die Pharmazie leisten können,<br />
wirklich dem Wohlergehen und dem Wunsch des<br />
jeweiligen Patienten entspricht. Die grundlegenden<br />
Ausgangspunkte sind ganz klar: Grundlage des ärztlichen<br />
Behandlungsauftrags ist der Wille des Patienten.<br />
Aktive und passive/indirekte Sterbehilfe ist unzulässig.<br />
Es war außerordentlich, dass Prof. Dr. Michael<br />
Poll, Lübbecke, den Teilnehmern der Veranstaltung<br />
sehr ernst, souverän und sensibel anhand von praktischen<br />
Beispielen aus dem klinischen Alltag die Gratwanderung,<br />
die jede einzelne zu treffende Entscheidung<br />
bedeutet, aus verschiedenen Blickwinkeln<br />
beleuchtete. Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht,<br />
zur rechten Zeit und mit zutreffendem <strong>Inhalt</strong><br />
getroffen, sind wirksame und wichtige Instrumente,<br />
die dem Patienten, dem Arzt, den Angehörigen und<br />
den sonst zur Versorgung des Patienten berufenen<br />
Personen Hilfe geben, das im Einzelfall Gebotene und<br />
Richtige zu verlassen. Wie die notarielle Praxis mit<br />
der Vorsorgevollmacht und der Patientenverfügung<br />
umzugehen hat, erläuterte Rechtsanwalt und Notar<br />
Rüdiger Tegeler, Lübbecke. Rechtsanwalt Klaus<br />
Schlimm, Köln, der zum Abschluss zu diesem Problemkreis<br />
sprach, hatte den Teilnehmern der Veranstaltung<br />
umfangreiches und sehr instruktives Material<br />
zur Verfügung gestellt. Aus seiner großen Erfahrung<br />
gab er einen zusammenfassenden Überblick<br />
über die rechtlichen Fragestellungen und erläuterte<br />
in vielen Beispielen, wie der Rechtsanwalt im Themenkreis,<br />
aber auch im gesamten Bereich des<br />
Betreuungsrechts zuverlässig und sachkundig berät<br />
und arbeiten sollte. Ein sehr eindrücklicher Vormittag.<br />
Die bremischen Kollegen hatten mit dem Haus<br />
¹Lankenauer Höftª eine reizende Empfehlung für die<br />
traditionelle abendliche ¹Geselligkeit für alleª gegeben.<br />
Rechtsanwalt und Notar Günter Schmaler, Emden,<br />
Vorsitzender der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> dankte den<br />
Referenten und Teilnehmern für die vorzügliche Veranstaltung.<br />
Rechtsanwalt Dr. Peter Hamacher, Köln<br />
Herbstveranstaltung 2001<br />
Die Herbstveranstaltung 2001 der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong><br />
findet statt am 19. und 20. Oktober 2001 in<br />
Berlin.<br />
Bitte den Termin vormerken. Das Programm wird<br />
im Juni vorliegen.<br />
Deutsche Anwaltakademie<br />
Seminare im Anwaltnotariat<br />
9 Dienstbarkeiten: Gestaltung zwischen biederem<br />
Nachbarrecht und europarechtlichen Vorgaben<br />
Dr. Jörg Mayer, Notar, Pottenstein<br />
18. Mai 2001 in Bremen<br />
Seminar: R 13138-01
MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 21<br />
9 Vertragsgestaltung im Grundstücksrecht<br />
Notariatsdirektor Hans-Peter Ettl, Notar, Baden-Baden<br />
18. Mai 2001 in Hannover (Seminar R 13139-1)<br />
31. August in Göttingen (Seminar R 13157-01)<br />
9 Der Minderjährige im Notariat<br />
Ralf Freiberg, Rechtsanwalt, Notar, vBp, Fachanwalt<br />
für Steuerrecht, Berlin<br />
19. Mai 2001 in Bremen<br />
Seminar: R 13140-01<br />
9 Abwicklung des Immobiliarvertrages<br />
Notariatsdirektor Hans-Peter Ettl, Notar, Baden-Baden<br />
19. Mai 2001 in Hannover<br />
Seminar: R 13141-01<br />
9 Sicherungsgrundschuld in der notariellen Praxis<br />
Dr. Ulrich Stobbe, Rechtsanwalt und Notar, Hannover<br />
8. Juni 2001 in Bielefeld<br />
Seminar: R 13142-01<br />
9 IPRund Erbrecht ¼ Erbfälle mit Auslandsbezug<br />
Dr. Martin Schlüter, Rechtsanwalt und Notar, Hamm<br />
9. Juni 2001 in Hamm<br />
Seminar: R 13144-01<br />
Anmeldung und Info:<br />
Deutsche Anwaltakademie, Littenstr. 11, 10179 Berlin,<br />
Telefon: 030/726153-0, Fax: 030/726153-111<br />
www.anwaltakademie.de<br />
Notarielles Berufsrecht<br />
Dienstordnung für<br />
Notarinnen und Notare<br />
(DONot)<br />
I.<br />
Die Überschrift zeigt schon, dass es sich um ein<br />
neues Produkt handelt. In der Tat ist federführend<br />
durch das Niedersächsische Justizministerium die<br />
Neubearbeitung der DONot im Jahr 2000 abschlossen<br />
worden. In Niedersachsen tritt die unter den Landesjustizverwaltungen<br />
abgestimmte Neufassung gem. § 34<br />
am 1.6.2001 in Kraft. Die Dienstordnung ist eine bundeseinheitliche<br />
Verwaltungsvorschrift. Es ist daher<br />
damit zu rechnen, dass die anderen Länder mit nur<br />
geringeren zeitlichen Abweichungen die Dienstordnung,<br />
gegebenenfalls vielleicht im einen oder anderen<br />
Fall mit marginalen Abweichungen in Kraft setzen werden.<br />
Die Neuerungen in der bürotechnischen Gestaltung<br />
der Amtsführung sind erst ab 1.1.2002 zu beachten.<br />
Bis dahin, also bis zum 31.12.2001 werden<br />
laufende Bücher und Verzeichnisse nach den alten<br />
Vorschriften geführt. Für alle Massen, die vor dem<br />
1.1.2002 angelegt worden sind, kann das Massenbuch<br />
nach den bis dahin geltenden Vorschriften fortgeführt<br />
werden. Bis zum 31.12.2001 dürfen Verwahrungs-,<br />
Massenbuch und die Übersicht über die Verwahrungsgeschäfte<br />
in DM geführt werden. Die Umstellung auf<br />
Euro erfolgt nach den von den Landesjustizverwaltungen<br />
hierzu erlassenen Bestimmungen. Die Bemerkungen<br />
zur Geltungszeit des neuen Rechts seien mit dem<br />
Hinweis abgeschlossen, dass Anderkonten und Anderdepots<br />
bis zum Vorliegen entsprechender (neuer) Beschlüsse<br />
der Vertreterversammlung der Bundesnotarkammer<br />
nach den Empfehlungen der Spitzenverbände<br />
der Deutschen Kreditwirtschaft und zu den Bedingungen<br />
für Anderkonten und Anderdepots einzurichten<br />
und zu führen sind.<br />
II.<br />
Bei der Durchsicht der neuen DONot wird man<br />
feststellen, dass einige Bestimmungen, die bisher in<br />
derselben enthalten waren, in die novellierte BNotO<br />
oder in das neu geordnete BeurkG eingestellt worden<br />
sind. Die umfassende Neugestaltung dieser Gesetze<br />
im Jahr 1998 war denn auch der entscheidende Anlass<br />
zur Neufassung der DONot. Hinzu traten Handlungsbedarf<br />
aufgrund neuer Rechtssprechung und<br />
Erfahrungen sowie der fortschreitende Einsatz elektronischer<br />
Hilfsmittel in den Notariaten.<br />
Bei der Übernahme der Vorschriften aus der alten<br />
DONot ¼ z. B. Zeitschriftenbezug § 32 BNotO, notarielles<br />
Verwahrungsverfahren §§ 54a bis 54c BeurkG, § 10<br />
BNotO Amtssitz, die weiteren einschlägigen Regeln in<br />
den §§ 25 bis 32 BNotO ¼ ist zur beachten, dass sich<br />
die Regelungsgegenstände durch Aufnahme bzw. Neugestaltung<br />
im förmlichen Gesetz von dienstlichen<br />
Pflichten gegenüber der Notaraufsicht zu Amtspflichten<br />
im Sinne des § 19 BNotO (Folge: Schadensersatzansprüche<br />
der Beteiligten) gewandelt haben.<br />
Die DONoto ist stets mit den in § 67 Abs. 2 BNotO<br />
vorgesehenen Richtlinien der Notarkammern ins<br />
Benehmen zu setzen, wobei diesen nach der allgemein<br />
gültigen Normenhierarchie der Vorrang gebührt.<br />
In der beruflichen Praxis werden die Regelwerke,<br />
obwohl sie getrennte und einander nicht durchdringbare<br />
Kreise ziehen, dennoch als in einem Komplementärverhältnis<br />
stehend zu betrachten und zu behandeln<br />
seien.
22 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />
III.<br />
An der DONot gefällt die bemerkenswerte Verbesserung<br />
der Systematik. Das erleichtert die Handhabung.<br />
Zweck dieser Zeilen ist es nicht, die Verwaltungsvorschrift<br />
im einzelnen vorzustellen. Das ist und<br />
wird anderenorts geschehen. Zum <strong>Inhalt</strong> deshalb nur<br />
einzelne Hinweise.<br />
Die DONot beginnt mit dem Abschnitt ¹Amtsführung<br />
im Allgemeinenª. Dieser handelt von der Unterschrift,<br />
dem Amtssiegel, dem Amts- und Namenschild<br />
in klarer und die Praxis nicht zu sehr formalisierender<br />
Weise, obwohl man sich eine flexiblere Handhabung,<br />
des Amtschildes durchaus vorstellen kann. Wichtig<br />
ist die klare Anordnung und Verpflichtung der bei der<br />
Notarin oder dem Notar beschäftigten Personen auf<br />
verschwiegene und korrekte Tätigkeit (§ 4). § 5 als<br />
letzte Bestimmung dieses allgemeinen Abschnitts<br />
stellt erstmals alle vom Notar oder der Notarin zu führenden<br />
Unterlagen, also Bücher, Verzeichnisse, Akten<br />
und Übersichten transparent zusammen und ordnet<br />
deren Aufbewahrung. Damit ist zugleich der Weg für<br />
die weitere Gliederung der DONot eröffnet.<br />
Trotz der immer intensiver in das Notariat eindringenden<br />
EDV bleibt es bei dem Grundsatz der papiergebundenen<br />
Bücher. Die weitgehende Unterstützung<br />
der Bücherführung durch EDV ist also ebenso zweckmäßig<br />
wie selbstverständlich, bleibt aber dennoch ein<br />
Hilfsmittel. Maßgeblich ist der Ausdruck der Unterlagen<br />
auf Papier.<br />
Im Katalog der Bücher und Verzeichnisse finden<br />
sich als Neuerung ¹Dokumentationen zur Einhaltung<br />
von Mitwirkungsverbotenª (§ 5 Satz 1 Nr. 7). In § 15<br />
DONot heißt es dazu, dass die von § 28 BNotO verlangten<br />
Vorkehrungen dann genügen, wenn sie zumindest<br />
die Identität der Personen, die bevollmächtigt<br />
haben oder für die frühere oder außenstehende<br />
Tätigkeit entfaltet wurde, zweifelsfrei erkennen lassen<br />
und den Gegenstand der Tätigkeit in ausreichender<br />
Weise kennzeichnen. Die Angaben müssen einen<br />
Abgleich mit der Urkundenrolle und den Namensverzeichnissen<br />
ermöglichen. Dieser § 15 ist schon<br />
gespeist durch die Texte der von der Niedersächsischen<br />
Notarkammer beschlossenen Richtlinien. Für<br />
die anderen Bundesländer sind also zur Erkenntnis<br />
des Gesamtbildes die dort beschlossenen Richtlinien<br />
heranzuziehen. Im eigenen Interesse der Notarinnen<br />
und Notare, nicht nur zur Wahrung der Integrität des<br />
Berufs, ist ihnen zu empfehlen, bei der Eintragung in<br />
die Bücher die Personen und vor allem die Gegenstände<br />
sehr präzise zu bezeichnen, denn zu allgemeine<br />
Angaben können im Einzelfall auch den<br />
unnötigen Ausschluss von der notariellen Tätigkeit<br />
bewirken. Da mit der Bezeichnung von Personen und<br />
Tätigkeitsgegenständen in der Sache der § 28 BNotO<br />
wiederholt wird ¼ was soll man sonst angeben als Per-<br />
sonen und Gegenstände der jeweiligen Tätigkeit ¼,<br />
könnte die Vorschrift auch überflüssig sein. Gestritten<br />
wird auch darüber, ob den Landesjustizverwaltungen<br />
zur Frage der Vorkehrungen zur Erfüllung der Mitwirkungsverbote<br />
überhaupt eine Regelungskompetenz<br />
zusteht. Das ist aber angesichts der in § 15 DONot<br />
aufgeführten Minimalia eine eher dogmatische Frage.<br />
Weitergehend oder abgewandelt konkretisierende<br />
Regelungen durch die Richtlinien der Notarkammern<br />
könnten näher an einen von Art. 12 Abs. 1 GG nicht zugelassenen<br />
Eingriff in die Berufsfreiheit heranrücken.<br />
IV.<br />
Die weiteren Regelungen der DONot in den Abschnitten<br />
Bücher und Verzeichnisse, ¹Führung der<br />
Aktenª, ¹Erstellung von Übersichtenª, ¹Ergänzende<br />
Regelungen zur Abwicklung der Urkundsgeschäfte<br />
und der Verwahrungsgeschäfteª, ¹Herstellung der<br />
notariellen Urkundenª erschließen sich am besten<br />
durch punktgenaue Lektüre des Textes und dessen<br />
Umsetzung die notarielle Praxis. Die genannten Abschnitte<br />
enthalten keine grundlegenden Neuerungen<br />
sondern stellen klar und ordnen übersichtlich, sie<br />
enthalten freilich auch manches entbehrliches Detail.<br />
Der Text der DONot ist veröffentlicht in Nds.<br />
Rechtspfleger 2000, Seiten 340 bis 351. Er kann<br />
auch auf den Home-Pages der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong><br />
<strong>Anwaltsnotariat</strong> und der Bundesnotarkammer eingesehen<br />
werden.<br />
Auf der Frühjahrsveranstaltung der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong><br />
<strong>Anwaltsnotariat</strong> am 16. und 17.3.2001 hat Richter<br />
am LG Klaus Lerch eine detaillierte Übersicht zu<br />
der neuen Dienstordnung für Notarinnen und Notare<br />
den Teilnehmern vorgetragen. Darin sind auch die<br />
bisherigen Stellungnahmen verarbeitet und verzeichnet.<br />
Dieser Vortrag wird in Kürze durch die Fachzeitschriften<br />
zugänglich:<br />
Rechtsanwalt Dr. Peter Hamacher, Köln<br />
Rechtsprechung<br />
Art. 12 Abs. 1 GG; BNotO §§ 10, 10 a, 11<br />
Die Vorschriften der BNotO enthalten kein Verbot von Auswärtsbeurkundungen<br />
innerhalb des dem Notar zugewiesenen<br />
Amtsbereichs (LS der Redaktion)<br />
BVerfG, Erster Senat, 2. Kammer, Beschl. v. 9.8.2000 ¼ 1 BvR 647/98<br />
Aus den Gründen: II. ... 2. Die Disziplinarverfügung des Präsidenten<br />
des OLG, die Beschwerdeentscheidung des Niedersächsi-
MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 23<br />
schen Justizministeriums und die Entscheidung des OLG verletzen<br />
den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG.<br />
Auslegung und Anwendung des Gesetzesrechts können vom<br />
BVerfG ¼ abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot ¼ nur<br />
darauf überprüft werden, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die<br />
auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung<br />
des betroffenen Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines<br />
Schutzbereichs, beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den<br />
Fachgerichten vorgenommene Auslegung der Normen die Tragweite<br />
des Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis<br />
zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen<br />
Freiheit führt (vgl. BVerfGE 18, 85 [92 f., 96]; 85, 248<br />
[257 f.]; 87, 287 [323]).<br />
So liegt es hier. Der Disziplinarverfügung des Präsidenten des<br />
OLG, der Beschwerdeentscheidung des Niedersächsischen Justizministeriums<br />
und der Entscheidung des OLG liegen Annahmen zugrunde,<br />
die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von<br />
der Bedeutung der Berufsfreiheit der Notare beruhen; dabei sind<br />
die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Gesetze, auf die Einschränkungen<br />
der Berufsfreiheit der Notare gestützt werden können,<br />
nicht beachtet worden.<br />
a) Die Beurkundung von Rechtsvorgängen ist Teil der Berufsausübung<br />
des Notars. Die Beurkundung von Rechtsvorgängen ist<br />
diesem als unabhängigem Träger eines öffentlichen Amtes als<br />
Hauptaufgabe gem. § 1 BNotO zugewiesen. Die diesbezüglichen<br />
Berufsausübungsregelungen finden sich in den §§ 10, 10 a und<br />
§ 11 BNotO. Sie stützen die angegriffenen Entscheidungen nicht.<br />
Sie enthalten kein Verbot von Auswärtsbeurkundungen innerhalb<br />
des dem Notar zugewiesenen Amtsbereichs.<br />
b) Für das Verbot einer Beurkundung außerhalb der Geschäftsstelle,<br />
aber innerhalb des Amtsbereichs fehlte es zum Zeitpunkt<br />
des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verhaltens an einer<br />
gesetzlichen Grundlage, die den formellen Anforderungen des<br />
Art. 12 Abs. l S. 2 GG genügt. Daran hat sich durch das 3. BNotO-<br />
ÄndG auch nichts geändert.<br />
aa) Das streitgegenständliche Verbot ließ sich nicht aus dem<br />
Regelungszusammenhang der §§ 1, 4, 10 und § 14 Abs. 1 S. 2<br />
BNotO a. F. gewinnen.<br />
Seit den Entscheidungen zu den anwaltlichen Standesrichtlinien<br />
(vgl. BVerfGE 76, 171 [184]; 76, 196 ff.) hat das BVerfG zunehmend<br />
die gesetzgeberische Verantwortung für empfindliche<br />
Einschränkungen der Berufsfreiheit eingefordert. Je stärker in<br />
grundrechtlich geschützte Bereiche eingegriffen wird, desto deutlicher<br />
muss das gesetzgeberische Wollen zum Ausdruck kommen<br />
(vgl. BVerfGE 87, 287 [317]; 98, 49 [60]). Da es dem Gesetzgeber<br />
obliegt, die Gefährdung von Rechtsgütern einzuschätzen, ihre<br />
Schutzwürdigkeit zu bewerten und die Mittel zu ihrem Schutz zu<br />
bestimmen, legt Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG dem Richter besondere Zurückhaltung<br />
auf, wenn dieser vornehmlich aus bloßen gesetzlichen<br />
Zielsetzungen die Wahl des geeigneten und erforderlichen Mittels<br />
abzuleiten sucht (vgl. BVerfGE 98, 49 [60 f.]). Dabei können Veränderungen<br />
der sozialen Verhältnisse, gewandelte gesellschaftspolitische<br />
Anschauungen und neue rechtliche Rahmenbedingungen<br />
einer bisherigen Gesetzesinterpretation die Grundlage<br />
entziehen (vgl. BVerfGE 98, 49 [59 f.]).<br />
Nach diesen Vorgaben konnten die genannten Vorschriften der<br />
Bundesnotarordnung nicht mehr als Grundlage eines Verbots der<br />
Auswärtsbeurkundung innerhalb des Amtsbereichs angesehen<br />
werden. In keiner der vom OLG herangezogenen Vorschriften ist<br />
ein so weit reichender Eingriff hinreichend deutlich angelegt. Die<br />
Vorschriften enthielten noch ganz erhebliche Gestaltungsspielräume,<br />
die durch Richterrecht nicht grundrechtsbeschränkend<br />
ausgefüllt werden können.<br />
(1) Auf ein herkömmliches Verständnis durften sich der Präsident<br />
des OLG in der Disziplinarverfügung, das Niedersächsische<br />
Justizministerium in seiner Beschwerdeentscheidung und das OLG<br />
im angegriffenen Beschluss schon deshalb nicht mehr stützen,<br />
weil inzwischen § 10a BNotO durch das Gesetz vom 29.1.1991<br />
(BGBl I S. 150) in die Bundesnotarordnung eingefügt worden war.<br />
Bereits für die davor liegende Zeit war die Beschränkung notarieller<br />
Beurkundungstätigkeit auf den Amtsgerichtsbezirk, von dem die<br />
angegriffenen Entscheidungen stillschweigend ausgehen, einfachrechtlich<br />
zweifelhaft, wie das OLG Frankfurt am Main mit ausführlichen<br />
Nachweisen dargelegt hat (vgl. AnwBl 1994 S. 300 ff.). Das<br />
galt erst recht für die hier streitige noch engere Beschränkung auf<br />
den Amtssitz und die Geschäftsstelle innerhalb des Amtsgerichtsbezirks.<br />
Wegen der zweifelhaften Rechtslage wurde § 10a BNotO<br />
mit der erstmaligen Regelung eines Verbots für Auswärtsbeurkundungen<br />
vom Gesetzgeber eingeführt (vgl. BTDrucks 11/8307, S. 18).<br />
Diese Norm beschränkt die Freiheit der Berufsausübung, indem<br />
sie den Notar hinsichtlich seiner Urkundstätigkeit grundsätzlich auf<br />
den Bezirk des Amtsgerichts, in dem er seinen Amtssitz hat, verweist.<br />
Innerhalb des so definierten Amtsbereichs sieht sie aber<br />
keine weiteren Einschränkungen vor. Solche können auch nicht<br />
aus der Norm abgeleitet werden, weil diese einem vom Gesetzgeber<br />
genau bezeichneten Gemeinwohlzweck dient. Der Gesetzgeber<br />
hielt sie für unentbehrlich, um die einzelnen Notarstellen lebensfähig<br />
und möglichst gleichbleibend leistungsfähig zu erhalten und<br />
das Notariat insgesamt bedarfsgerecht und flächendeckend zu<br />
organisieren (BTDrucks aaO). Diese Gründe vermögen weitere Einschränkungen<br />
innerhalb des dem Notar zugewiesenen Amtsbereich<br />
nicht zu tragen.<br />
Der Umstand, dass der Gesetzgeber im Jahr 1991 in Kenntnis<br />
der bis dahin unzureichenden gesetzlichen Grundlage für Berufsausübungsregelungen<br />
und in Kenntnis der heutigen Kommunikations-<br />
und Verkehrsmittel, die eine Auswärtsbeurkundung erleichtern,<br />
lediglich den Amtsbereich als Grenze eingeführt hat, lässt<br />
sich nur damit erklären, dass eine weitere Beschränkung innerhalb<br />
des Amtsbereichs nicht gewollt war.<br />
(2) Die aus den §§ 1, 4, 10 und § 14 Abs. 1 S. 2 BNotO a. F.<br />
vom OLG abgeleiteten Gemeinwohlbelange erlauben auch deshalb<br />
keinen Schluss auf ein grundsätzliches Verbot der Auswärtsbeurkundung<br />
innerhalb des Amtsbereichs, weil es zu ihrem Schutz<br />
nicht geeignet oder jedenfalls nicht erforderlich ist.<br />
Zur flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen<br />
Notariaten (§ 4 BNotO) ist das schon im Zusammenhang<br />
mit § 10 a BNotO unter (1) ausgeführt.<br />
Gelegentliche Auswärtsbeurkundungen innerhalb des Amtsbereichs<br />
stehen aufgrund des derzeitigen Standes der Verkehrs- und<br />
Kommunikationsmittel auch einer Verfügbarkeit notarieller Leistungen<br />
regelmäßig nicht entgegen. Im Hinblick auf diese tatsächlichen Veränderungen<br />
hat der Gesetzgeber durch das 3. BNotO-ÄndG in § 10<br />
Abs. 2 S. 2 BNotO auch die Pflicht des Notars, seinen Wohnsitz an<br />
seinem Amtssitz zu nehmen, gelockert (vgl. BTDrucks 13/4184, S. 43;<br />
BTDrucks 13/10589, S. 37; BTDrucks 13/11034, S. 38). Die angegriffenen<br />
Entscheidungen legen auch im Hinblick auf die einzelnen Vorkommnisse<br />
konkrete, Beeinträchtigungen der Verfügbarkeit nicht dar.<br />
Ohnedies dürfen bei Anwaltsnotaren insoweit keine zu strengen<br />
Anforderungen gestellt werden, da vornehmlich ihr Hauptberuf als<br />
Rechtsanwalt einer kontinuierlichen Anwesenheit entgegensteht.<br />
Ob die Unabhängigkeit des Notars und seine Verpflichtung zur<br />
Unparteilichkeit durch Beurkundungen außerhalb der Geschäftsstelle<br />
gefährdet werden könnten, ist eine Frage des Einzelfalls. Ein<br />
generelles Verbot als erforderliche Vorkehrung gegen diese Gefahr<br />
könnte allenfalls der Gesetzgeber statuieren, sofern für seine entsprechende<br />
Einschätzung hinlängliche Gründe gegeben sind. Als<br />
zwingende Folge der §§ 1 und 14 BNotO kann das Verbot jedoch<br />
nicht angesehen werden. Das wird zum einen inzwischen durch<br />
§ 28 BNotO bestätigt, der die Wahrung dieser Belange dem Notar<br />
in eigener Verantwortung anvertraut. Zum anderen belegt dies die
24 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />
Gesetzgebungsgeschichte zur Änderung von § 10 Abs. 4 BNotO<br />
im Jahr 1998. Der ursprünglich geplante S. 1: ¹Der Notar soll die<br />
Amtsgeschäfte in der Regel in seiner Geschäftsstelle vornehmenª<br />
wurde nicht Gesetz, weil dem Notar keine übersteigerten Begründungspflichten<br />
auferlegt werden sollten, wenn er Beurkundungen<br />
außerhalb der Geschäftsstelle vornehmen möchte (vgl. BTDrucks<br />
13/10589, S. 7 und S. 37). Ersichtlich ging der Gesetzgeber nicht<br />
davon aus, dass diese Regelung ohnedies galt (vgl. auch Eylmann,<br />
ZNotP 1999, S. 397 [398]).<br />
Sofern im Einzelfall aufgrund einer Auswärtsbeurkundung innerhalb<br />
des Amtsbereichs die Klarheit der Amtsführung leiden und<br />
die Gefahr des Anscheins einer Parteilichkeit des Notars entstehen<br />
könnte, hat der Notar von der Auswärtsbeurkundung Abstand zu<br />
nehmen. Berufswidriges Verhalten kann insoweit geahndet werden.<br />
Dasselbe gilt, soweit er im Einzelfall die Notwendigkeit sieht, auf<br />
die in der Geschäftsstelle befindlichen Hilfsmittel zuzugreifen. Das<br />
ist nicht der Regelfall, worauf der Deutsche Notarverein hingewiesen<br />
hat.<br />
bb) Mit der Bundesnotarkammer ist davon auszugehen, dass<br />
weder § 5 Abs. 2 DONot als Verwaltungsvorschrift noch § 7 Satz 1<br />
RLNot, der auf einer nicht hinreichend bestimmten gesetzlichen<br />
Grundlage beruht, den Anforderungen an den Gesetzesvorbehalt<br />
genügen. Hierauf sind die angegriffenen Entscheidungen zu Recht<br />
nicht gestützt worden.<br />
cc) Schließlich ist das Verbot auch nicht damit zu rechtfertigen,<br />
dass ein unerwünschter Wettbewerb zwischen den Notaren ausgeschlossen<br />
werden soll. Hiermit werden keine verfassungsrechtlich<br />
erheblichen Gemeinwohlbelange benannt.<br />
Innerhalb ihres Amtsbereichs stehen Notare im Hinblick auf<br />
ihre beruflichen Leistungen im Wettbewerb. Dieser erstreckt sich<br />
nicht nur auf die Qualität der Beratung selbst, sondern im Rahmen<br />
der gesetzlichen Vorgaben auch auf die, Art und Weise, der<br />
Dienstleistung. Von Bedeutung sind hier die Lage der Geschäftsstelle,<br />
ihre Ausstattung und ihre Erreichbarkeit, die Öffnungszeiten<br />
des Notariats, Freundlichkeit und Kompetenz Personals sowie eine<br />
effektive Terminplanung und eben auch eine gewisse Flexibilität,<br />
wenn das Zeitbudget der Mandanten knapp ist. In welchem Rahmen<br />
und in welchem Umfang der Notar Auswärtsbeurkundungen<br />
mit seinem Amt vereinbaren kann, ist in erster Linie ihm zu überlassen,<br />
solange er den Anschein von Abhängigkeit oder Parteilichkeit<br />
vermeidet, den Schutzzweck des Beurkundungserfordernisses<br />
nicht gefährdet und jede amtswidrige Werbung unterlässt. Verstöße<br />
können insoweit individuell geahndet werden. Dies ist das mildere<br />
Mittel im Verhältnis zum regelmäßigen Verbot der Auswärtsbeurkundung,<br />
die als solche die ordnungsgemäße Erledigung der<br />
Amtsgeschäfte nicht in Frage stellt.<br />
c) Da die angegriffene Disziplinarverfügung, die Beschwerdeentscheidung<br />
des Niedersächsischen Justizministeriums und der<br />
Beschluss des OLG bereits gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoßen,<br />
bedarf es keiner Entscheidung mehr dazu, ob die angegriffenen<br />
Entscheidungen auch Art. 3 Abs. 1 oder Art. 14 Abs. 1 GG verletzen<br />
und ob das OLG gegen Art. 19 Abs. 4 oder Art. 103 As. 1 GG<br />
verstoßen haben könnte.<br />
Art. 12 Abs. 1 GG; BeurkG § 3 Abs. 1, Ziff. 7 und 8<br />
Gegen die gesetzliche Regelung der Mitwirkungsverbote ist<br />
die Verfassungsbeschwerde unzulässig (LS der Redaktion)<br />
BVerfG, Erster Senat, 2. Kammer, Beschl. v. 15.8.2000 ¼ 1 BvR<br />
1523/99<br />
Aus den Gründen: I. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt<br />
und Notar. Er wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde<br />
unmittelbar gegen die Mitwirkungsverbote des § 3 Abs. 1 Ziff. 7<br />
und Ziff. 8 des Beurkundungsgesetzes (BeurkG) und gegen die<br />
Absicherung der Mitwirkungsverbote durch § 3 Abs. 1 S. 2 BeurkG<br />
sowie gegen die §§ 28, 50 Abs. 1 Nr. 9, § 93 Abs. 4 S. 2 der Bundesnotarordnung<br />
(BNotO). Die genannten Vorschriften stellten ¼<br />
vor allem in Sozietäten ¼ unzumutbar hohe Anforderungen an die<br />
Dokumentation anwaltlicher Kontakte und verletzten ihn deswegen<br />
in seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG).<br />
II. Die Verfassungsbeschwerde erfüllt nicht die Annahmevoraussetzungen<br />
des § 93 a Abs. 2 BVerfGG. Sie hat keine grundsätzliche<br />
verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur<br />
Durchsetzung der vom Beschwerdeführer als verletzt gerügten<br />
Rechte angezeigt. Denn die Verfassungsbeschwerde hat keine<br />
Aussicht auf Erfolg. Sie ist nicht zulässig. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde<br />
steht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen.<br />
Es ist dem Beschwerdeführer zumutbar, eine verbindliche<br />
Auskunft in Gestalt einer Weisung von der Aufsichtsbehörde darüber<br />
einzuholen, welche organisatorischen Maßnahmen zur Einhaltung<br />
der Mitwirkungsverbote bei ihm erforderlich sind. Der innere<br />
dienstliche Bereich unterliegt uneingeschränkt der Aufsicht.<br />
Soweit der Beschwerdeführer sich durch die Maßnahmen für<br />
unzumutbar belastet hält, steht ihm hiergegen der Rechtsweg offen<br />
(§§ 93, 111 BNotO).<br />
BNotO § 8 Abs. 3<br />
1. Bei dem Versagungsgrund des § 8 Abs. 3 S. 2 BNotO handelt<br />
es sich um einen der vollen gerichtlichen Nachprüfung<br />
unterliegenden unbestimmten Rechtsbegriff.<br />
2. Der Eintritt eines Notars in den Aufsichtsrat einer Kreditgenossenschaft,<br />
die sich nach ihrer Satzung auch mit Grundstücksgeschäften<br />
und deren Vermittlung befasst, kann das<br />
Vertrauen in die Unabhängigkeit des Notars gefährden.<br />
BGH, Beschl. v. 31.7. 2000 ¼ NotZ 13/00<br />
Aus den Gründen: II. 2 ... a) Wie der Senat bereits auf der<br />
Grundlage des bisherigen Rechts entschieden hat, muss die Entscheidung<br />
über die Nebentätigkeitsgenehmigung am erkennbaren<br />
Willen des Gesetzgebers ausgerichtet werden, die Unabhängigkeit<br />
und Unparteilichkeit der Notare zu wahren und jeder nur denkbaren<br />
Gefährdung von vornherein entgegenzutreten. Dabei gilt es, im<br />
Interesse einer geordneten vorsorgenden Rechtspflege und damit<br />
im Interesse des Gemeinwohls nicht erst konkreten, sondern bereits<br />
möglichen Gefährdungen des Leitbildes des Notars vorzubeugen<br />
und deshalb schon dem mit einer bestimmten Nebentätigkeit<br />
verbundenen Anschein einer Gefährdung der Unabhängigkeit und<br />
Unparteilichkeit des Notars zu begegnen (vgl. nur Beschl. v.<br />
8.5.1995 aaO S. 221). Durch das Dritte Gesetz zur Änderung der<br />
Bundesnotarordnung hat sich an diesem Verständnis nichts geändert;<br />
es ist im Gegenteil durch die Anfügung des Satzes 2 in § 8<br />
Abs. 3 BNotO ¹festgeschriebenª worden (BT-Drucks. aaO).<br />
Ausgehend hiervon hat der Senat den Eintritt eines Notars in<br />
den Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft, die sich satzungsgemäß<br />
mit Grundstücksgeschäften befasst, als geeignet angesehen, das<br />
Vertrauen der Rechtsuchenden in die Unparteilichkeit und die<br />
Unabhängigkeit des Notars zu beeinträchtigen (Senatsbeschluss v.<br />
13.12.1993 aaO). Er hat hervorgehoben, es bestehe die Gefahr,<br />
dass bei Einbindung in ein Organ, das zum Erfolg der Gesellschaft<br />
beizutragen hat, von dem Notar erwartet werde, dass er konkrete<br />
Kenntnisse über einzelne Grundstücksgeschäfte, die er durch<br />
seine notarielle Tätigkeit erlangt, an seine Gesellschaft weitergibt<br />
und ihr möglicherweise dadurch Wettbewerbsvorteile verschafft,<br />
die den Konkurrenten nicht zugänglich sind. Bei der fragenden<br />
Öffentlichkeit könnten deswegen begründete Zweifel entstehen, ob<br />
die Verfolgung und Wahrung des Gesellschaftszwecks die Unparteilichkeit<br />
und Unabhängigkeit des Amtsträgers nicht nachteilig<br />
beeinflussten. Insoweit sei allein auf den Satzungszweck des Un-
MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 25<br />
ternehmens abzustellen. Solange dieser den Erwerb und die Veräußerung<br />
von Grundstücken einschließe, komme es nicht darauf<br />
an, ob das Unternehmen sich derzeit tatsächlich in dieser Sparte<br />
betätige. Diese Besorgnis sei auch mit der Position eines Aufsichtsrats<br />
verbunden, der Verantwortung für die Gesellschaft und<br />
ihre Ziele bis hin zur eigenen Haftung habe (Senatsbeschluss v.<br />
13.12.1993 aaO S. 339 f.).In gleicher Weise hat der Senat eine<br />
Nebentätigkeit als nebenberufliches Vorstandsmitglied bei einer<br />
gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft sowie gleichzeitig<br />
als Geschäftsführer deren Tochtergesellschaft als mit dem Notaramt<br />
nicht vereinbar erklärt.(Beschl. v. 8.5.1995 aaO). In dieser Entscheidung<br />
hat der Senat den Grundsatz bekräftig, dass bei Gesellschaften,<br />
bei denen Grundstücksgeschäfte für die Erreichung des<br />
Geschäftszwecks typisch sind und nicht nur beiläufige und mittelbare<br />
Bedeutung haben, grundsätzlich ein besonders strenger<br />
Maßstab anzulegen ist, was die Vereinbarkeit einer Nebentätigkeit<br />
für solche Gesellschaften mit dem Notaramt angeht. An dieser<br />
Rechtsprechung hält der Senat fest. ...<br />
BNotO §§ 6, 8; AVNot/NRW § 16 Abs. 1 Buchst. e<br />
1. Im Bereich des Notarzulassungsrechts kann die Landesjustizverwaltung<br />
eine Selbstbindung durch Erlaß einer Richtlinie<br />
nur insoweit eingehen, als ihr die Bundesnotarordnung<br />
Spielraum zur Interpretation eines unbestimmten Rechtsbegriffs<br />
läßt.<br />
2. Eine Richtlinie, wonach ein Rechtsanwalt nur zum Notar bestellt<br />
werden soll, wenn er nicht in einem ständigen Dienstoder<br />
ähnlichen Beschäftigungsverhältnis steht (hier: § 16<br />
Abs. 1 Buchst. e AVNot/NRW), bietet keine Grundlage dafür,<br />
einen Bewerber zurückzuweisen, der eine nach dem Notarrecht<br />
genehmigungsfähige Nebenbeschäftigung (hier: unbefristete<br />
Lehrtätigkeit an einer Fachhochschule) ausübt.<br />
3. Zur Frage der Genehmigungsbedürftigkeit einer Lehrtätigkeit<br />
des Notars in einem dauernden Beschäftigungsverhältnis.<br />
4. Eine berufliche Organisation, die Vorbereitungskurse für<br />
das Amt des Notars veranstaltet, ist dafür verantwortlich, daß<br />
zum Nachweis des Erfolgs der Teilnahme nur die Teilnehmer<br />
selbst zugelassen sind und daß ein Erfolgsnachweis durch<br />
¹Gruppenarbeitª nicht möglich ist.<br />
BGH, Beschl. v. 22.3.1999 ¼ NotZ 2/99<br />
BNotO § 6 Abs. 1 S 1; BremAVNot i. d. F. v. 18.9.1991<br />
1. Bei der Entscheidung über die Auswahl unter mehreren geeigneten<br />
Bewerbern für das, Amt des Notars auf der Grundlage<br />
des § 6 Abs. 3 BNotO und der dazu erlassenen allgemeinen<br />
Verwaltungsvorschriften. (in Bremen AVNot v. 18.9.1991)<br />
ist für das prüfungsbezogene Auswahlkriterium die zweite<br />
juristische Staatsprüfung nach ihrem Anforderungsbild in besonderer<br />
Weise geeignet, den praxisbezogenen fachlichen<br />
Eignungsnachweis zu erbringen; dem gegenüber sind die Ergebnisse<br />
der ersten juristischen Staatsprüfung wegen ihres<br />
überwiegend theoretisch-wissenschaftlichen Charakters nicht<br />
einmal den besonderen Tatbestandsgruppen der Vorbereitungsleistungen<br />
zuzuordnen, die neben den Prüfungsleistungen<br />
für die Auswahl entscheidend sind (im Anschluss an BGH<br />
NJW 1994,1874,1876).<br />
2. Daraus ergibt sich für die Ergebnisse der juristischen Abschlussprüfung<br />
im Rahmen der einstufigen Juristenausbildung<br />
auf der Grundlage des § 5 b DRiG i. d. F. des Gesetzes<br />
vom 10.9.1971 (BGBl. I S. 1557), dass bei Beachtung des<br />
Art. 3 Abs. 1 GG die theoretisch-wissenschaftlichen Teile des<br />
Abschlussexamens ebenfalls nicht für die Auswahlentschei-<br />
dung herangezogen werden dürfen. Insoweit ist davon auszugehen,<br />
dass die Prüfungsergebnisse der einstufigen Juristenausbildung<br />
mit gleichem Gewicht auf der theoretisch-wissenschaftlichen<br />
wie auf der praxisbezogenen Ausbildung beruhen,<br />
so dass eine Halbierung des in § 3 Abs. 2 Nr. 1 S. 1<br />
BremAVNot für die Prüfungsergebnisse vorgesehenen Multiplikationsfaktors<br />
erforderlich ist, solange die Landesjustizverwaltung<br />
an dem Punktbewertungssystem der BremAVNot festhält.<br />
Hans. OLG Bremen, Beschl. v. 17.8.2000 ¼ 2 Not 3/2000<br />
BNotO §§ 15 Abs. 1, 20 bis 22 a, 24; BeurKG §§ 53, 54<br />
Hat der Notar in einem Kaufvertrag übernommen, die Auflassung<br />
nach Zahlung des Kaufpreises zu beurkunden und<br />
haben die Vertragsparteien den namentlich benannten Notariatsangestellten<br />
zur Abgabe der erforderlichen Erklärung Vollmacht<br />
erteilt, so besteht beim Streit der Parteien über die<br />
Höhe des Kaufpreises keine Amtspflicht des Notars, die Angestellten<br />
zur Abgabe der Erklärung anzuhalten.<br />
OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.12.1999 ¼ 20 W 471/99<br />
BNotO § 19 Abs. 1 Satz 2; BRAO § 51 b<br />
1. Zum Begriff des ¹Auftraggebersª i. S. d. § 19 Abs. 1 Satz 2<br />
Halbs. 2 BNotO.<br />
2. Auf die sogenannte Sekundärverjährung hat es keinen Einfluß,<br />
wenn der Mandant nach seinen Rechtskenntnissen die<br />
Möglichkeit eines Regreßanspruchs gegen den Rechtsanwalt<br />
und den Zeitpunkt der Verjährung eines solchen Anspruchs<br />
selbst hätte erkennen können.<br />
3. Die Beauftragung eines Rechtsmittelanwalts, dem nicht<br />
auch die Aufgabe übertragen wird, einen etwaigen Regreßanspruch<br />
gegen den erstinstanzlichen Anwalt zu verfolgen,<br />
befreit diesen während des Mandats nicht von der Pflicht, bei<br />
gegebenem Anlaß sein eigenes Verhalten zu überprüfen und<br />
den Mandanten auf die Möglichkeit eines Regreßanspruchs<br />
gegen ihn und dessen Verjährung hinzuweisen.<br />
BGH, Urt. v. 15.4.1999 ¼ IX ZR 328/97<br />
Aus den Gründen: I.2.a. ... aa) Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO<br />
setzt die Haftung des Notars, wenn er seine Amtspflicht nur fahrlässig<br />
verletzt hat ¼ für ein vorsätzliches Verhalten ergeben sich im<br />
vorliegenden Fall aus dem Prozeßstoff keine Anhaltspunkte ¼, voraus,<br />
daß der Geschädigte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen<br />
vermag; diese Einschränkung gilt aber nach dem zweiten<br />
Halbsatz dieser Bestimmung nicht bei Amtsgeschäften der in den<br />
§§ 23, 24 BNotO bezeichneten Art ¹im Verhältnis zwischen dem<br />
Notar und dem Auftraggeberª. Nach herkömmlicher und allgemeiner<br />
Auffassung ist Auftraggeber in diesem Sinne neben demjenigen,<br />
der den Notar um eine Amtstätigkeit ersucht, jeder, dem gegenüber<br />
dieser selbständig und ausdrücklich Amtspflichten<br />
übernimmt. Dies hat der BGH auch dann noch bejaht, wenn ein<br />
Notar sich auf Ersuchen einer Kapitalanlagegesellschaft an potentielle<br />
Anleger ¼ ohne von diesen dazu aufgefordert worden zu<br />
sein ¼ mit einer Erklärung wendet, die ihnen als Grundlage für bedeutsame<br />
Vermögensentscheidungen dienen soll (BGHZ 134, 100,<br />
112 f. m. w. N.). Im vorliegenden Fall hat der Notar unmittelbar der<br />
Kl gegenüber keine Amtspflicht übernommen; er hat zu ihr gerade<br />
keinen Kontakt aufgenommen und ihre nach der Weisung der Bausparkasse<br />
erforderliche Zustimmung zur Löschung der Grundschuld<br />
nicht eingeholt.<br />
In Rechtsprechung und Schrifttum ist zunehmend eine Ausdehnung<br />
des Auftraggeberbegriffs zu beobachten (vgl. BGH, Urt. v.
26 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />
11.2.1983 aaO; Reithmann DNotZ 1970, 5, 17; Haug, in: Seybold/<br />
Schippel, BNotO 6. Aufl.; Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO 3. Aufl.<br />
§ 19 Rdnr. 94). Dies hat den Senat zu der Erwägung geführt, ob<br />
nicht eine Primärhaftung des Notars ¼ also eine Haftung ohne die<br />
Möglichkeit, den Geschädigten auf eine anderweitige Ersatzmöglichkeit<br />
zu verweisen ¼ allgemein dort geboten ist, wo ein Rechtsberater,<br />
der ein Geschäft i. S. d. §§ 24, 25 BNotO nicht als Notar<br />
besorgt, einem in den Schutzbereich eines solchen Vertrages einbezogenen<br />
Dritten ebenfalls für einen ihm dabei pflichtwidrig<br />
zugefügten Schaden einzustehen hätte. Die selbständigen Betreuungstätigkeiten<br />
im Sinne der genannten Vorschriften der Bundesnotarordnung<br />
können auch von Privatpersonen auf vertraglicher<br />
Grundlage übernommen werden; insbesondere gehören solche<br />
Tätigkeiten zum Aufgabenkreis der Rechtsanwälte (vgl. § 24 Abs. 2<br />
BNotO). Diese haften, wenn sie ihre Pflichten verletzen, auch Dritten<br />
gegenüber regelmäßig primär. Andererseits besteht in diesem<br />
Bereich kein besonderes Schutzbedürfnis des Notars; denn er<br />
kann die Ausführung solcher Aufträge ablehnen. ...<br />
Die Regelung der Haftung des Notars auf dem Gebiet der selbständigen<br />
Betreuungsgeschäfte in § 21 Abs. 1 Satz 3 RNotO und<br />
sodann in § 19 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BNotO dürfte somit auf folgendem<br />
Grundgedanken beruhen: Der Anwendungsbereich der<br />
Haftungsbeschränkung durch die Subsidiaritätsklausel soll aus<br />
Gründen der Gleichbehandlung von im entscheidungserheblichen<br />
Sachverhalt gleichliegenden Fällen auf solche Tatbestände von<br />
Pflichtverletzungen eingegrenzt werden, die, wenn sie nicht nach<br />
Amtshaftungsgrundsätzen zu beurteilen wären, schon nach allgemeinen<br />
zivilrechtlichen Regeln nicht zu einer Haftung führen<br />
würden. Der Gesetzgeber der Reichsnotarordnung hätte damit ¼<br />
unbewußt, aber der Sache nach ¼ im Bereich der notariellen<br />
Betreuungsgeschäfte eine Forderung erfüllt, die erst später ganz<br />
allgemein im Amtshaftungsrecht erhoben worden ist und auch<br />
heute noch erhoben wird (vgl. RGRKBGB/Kreft 12. Aufl. § 839<br />
Rdnr. 490, MünchKomm-BGB/Papier 3. Aufl. § 839 Rdnr. 299). Der<br />
Einwand der anderweitigen Ersatzmöglichkeit soll nach dieser Meinung<br />
nur dort zulässig sein, wo der Amtsträger Pflichten verletzt,<br />
die nur als öffentlich-rechtliche denkbar sind, die also im Zusammenhang<br />
mit der betreffenden Tätigkeit eine Privatperson nicht<br />
treffen könnten. Die Rechtsprechung hat diesem Anliegen für die<br />
Fälle der Teilnahme eines Amtsträgers am allgemeinen Straßenverkehr<br />
(BGHZ 68, 217, 220 ff.) und der als hoheitliche Aufgabe<br />
ausgestatteten Straßenverkehrssicherungspflicht (BGHZ 75, 134,<br />
136 ff.; 118, 368, 370 ff.; 123, 102, 104 ff.) Rechnung getragen.<br />
Der Senat hat weiter erwogen, ob dieser nach der Entstehungsgeschichte<br />
naheliegende Grundgedanke der Regelung in<br />
§ 19 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BNotO dazu führen könnte, die nach<br />
dem Gesetzeswortlaut durch den Hinweis auf das ¹Verhältnis zwischen<br />
dem Notar und dem Auftraggeberª bewirkte Beschränkung<br />
der im Bereich der Betreuungsgeschäfte grundsätzlich bestehenden<br />
Primärhaftung mit Rücksicht auf die inzwischen eingetretene<br />
Rechtsentwicklung als im wesentlichen überholt anzusehen. Als<br />
die Reichsnotarordnung geschaffen wurde, galt der Grundsatz,<br />
daß ¼ vom ¹echtenª Vertrag zugunsten Dritter abgesehen ¼ nur die<br />
am Vertragsschluß Beteiligten aus der Verletzung von Vertragspflichten<br />
Rechte herleiten können. Das Reichsgericht erkannte<br />
zwar bereits in bestimmten Fällen an, daß neben den Vertragsparteien<br />
auch Dritte durch die Vertragsabreden geschützt sein und<br />
aus der Verletzung solcher Vertragspflichten eigene Ansprüche<br />
herleiten können (vgl. RGZ 87, 64, 65; 87, 289, 292; 91, 21, 24; 102,<br />
231, 232 f.; 127, 218, 219 ff.; 152, 175, 176). Diese Rechtsprechung<br />
nahm in den betreffenden Fällen einen Vertrag zugunsten eines<br />
Dritten an. Erst seit Ende der fünfziger Jahre haben Rechtsprechung<br />
und Rechtswissenschaft das Rechtsinstitut des Vertrages<br />
mit Schutzwirkung zugunsten Dritter entwickelt (BGH, Urt. v.<br />
15.5.1959 ¼ VI ZR 109/58, NJW 1959, 1676 f.; BGHZ 49, 350, 353<br />
f.; Gernhuber, Festschrift Nikisch, 1958, S. 249; Larenz NJW 1960,<br />
77, 78 ff.). Wie weit dabei der jeweils geschützte Personenkreis zu<br />
ziehen ist, richtet sich nach der etwaigen Drittbezogenheit der Leistung<br />
und ist eine Frage der (ergänzenden) Vertragsauslegung<br />
(BGHZ 56, 269, 273; BGH, Urt. v. 26.11.1986 ¼ IVa ZR 86/85, WM<br />
1987, 257, 259 m. w. N.). Der Begriff des ¹anderenª i. S. d. § 19<br />
Abs. 1 Satz 1 BNotO ¼ ebenso wie der des ¹Drittenª i. S. d. § 839<br />
Abs. 1 Satz 1 BGB ¼ richtet sich demgegenüber zwar nach dem<br />
Zweck, dem die jeweilige Amtspflicht dient; es kommt darauf an,<br />
ob diese den Schutz des Dritten bezweckt oder mitbezweckt (BGH,<br />
Urt. v. 28.9.1959 ¼ III ZR 92/58, DNotZ 1960, 157). Das dürfte in<br />
der Sache jedoch keinen wesentlichen Unterschied zur Bestimmung<br />
des Kreises vertraglich geschützter Dritter bedeuten. Auch<br />
nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO kommt es entscheidend darauf an,<br />
ob das Interesse des Dritten nach der besonderen Natur des<br />
Amtsgeschäfts von diesem berührt wird (BGHZ 58, 343, 353; BGH,<br />
Urt. v. 11.2.1983 aaO S. 511). Bei Tätigkeiten i. S. d. §§ 23, 24<br />
BNotO wird der Kreis der geschützten Personen durch den <strong>Inhalt</strong><br />
des ¹Auftragsª konkretisiert und kann dadurch unter Umständen<br />
im Vergleich zu Urkundsgeschäften eingeschränkt sein (KG DNotZ<br />
1978, 182, 183). Es trifft zwar zu, daß sich der Kreis der geschützten<br />
Personen gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO vornehmlich nach<br />
objektiven Kriterien bestimmt. Das ist aber beim Vertrag mit<br />
Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht grundsätzlich anders (vgl.<br />
MünchKomm-BGB/Gottwald aaO § 328 Rdnr. 81). Auf der anderen<br />
Seite gilt die hier erforderliche Voraussetzung, daß die Einbeziehung<br />
Dritter und die damit für den Schuldner verbundene Haftungserweiterung<br />
erkennbar sein muß (BGHZ 133, 168, 173<br />
m. w. N.), wegen der Begrenzung des geschützten Personenkreises<br />
durch den <strong>Inhalt</strong> des ¹Auftragsª auch bei den Betreuungsgeschäften<br />
i. S. d. §§ 24, 25 BNotO. Sollte es gleichwohl Fälle geben, in<br />
denen eine Primärhaftung des Notars weiter ginge als etwa die<br />
Haftung eines Rechtsanwalts bei Übernahme der gleichen Tätigkeit,<br />
so könnte daran gedacht werden, das Privileg der Subsidiärhaftung<br />
im Bereich der Betreuungsgeschäfte auf solche Fallgestaltungen<br />
zu beschränken. ...<br />
III. ... 1. ... a) Mit der Anschlußrevision wird geltend gemacht, ein<br />
Sekundäranspruch sei deswegen nicht entstanden, weil das Mandat<br />
des Bekl mit Abschluß der ersten Instanz des Prozesses gegen<br />
den Notar beendet gewesen sei und danach bis zum Eintritt der<br />
Primärverjährung im Juli/August 1992 noch genügend Zeit bestanden<br />
habe, die Kl auf etwaige Regreßansprüche gegen den Bekl<br />
hinzuweisen; dies zu tun sei Sache der für die Berufungsinstanz<br />
bestellten Prozeßbevollmächtigten gewesen.<br />
Diese Ansicht ist nicht zutreffend. Der Rechtsanwalt, der einen<br />
konkreten Anlaß hat, sein Verhalten auf von ihm begangene Fehler<br />
zu überprüfen, braucht zwar nicht sofort danach den Mandanten<br />
auf die Möglichkeit eines Regreßanspruchs gegen sich selbst und<br />
dessen Verjährung hinzuweisen; es genügt, wenn er dies so rechtzeitig<br />
tut, daß die Verjährung noch unterbrochen werden kann.<br />
Wird jedoch das Mandat ¼ nach Eintritt eines konkreten Überprüfungsanlasses<br />
¼ beendet, so muß der Anwalt den Hinweis im<br />
Rahmen der Abwicklung des Mandats erteilen (BGH, Urt. v.<br />
20.6.1996 ¼ IX ZR 100/95, WM 1996, 2066, 2068 f., zur Steuerberaterhaftung).<br />
...<br />
Diese Pflicht entfiel nicht sogleich deswegen wieder, weil die Kl<br />
nunmehr von den für die Berufungsinstanz beauftragten Rechtsanwälten<br />
vertreten wurde. Eine solche Rechtsfolge tritt nur dann ein,<br />
wenn der Mandant rechtzeitig vor Ablauf der Verjährung gerade<br />
wegen der Frage, ob der Anwalt ihm durch einen Fehler einen<br />
Schaden zugefügt hat, für diesen erkennbar anderweitig anwaltlich<br />
beraten wird (BGH, Urt. v. 14.11.1991 ¼ IX ZR 31/91, WM 1992,<br />
579, 581 f.; v. 29.4.1993 ¼ IX ZR 101/92, WM 1993, 1508, 1510; v.<br />
28.9.1995 ¼ IX ZR 227/94, WM 1996, 33, 34, zur Steuerberaterhaftung).<br />
...
MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 27<br />
BGB §§ 888, 883, 1163, 1171<br />
Ist nach Bestellung einer Sicherungshypothek eine Vormerkung<br />
in das Grundbuch eingetragen worden, so ist die durch<br />
Befriedigung des Hypothekengläubigers eingetretene Umwandlung<br />
der Sicherungshypothek in eine Eigentümergrundschuld<br />
nicht vormerkungswidrig.<br />
In diesem Fall stellt auch die Pfändung der Eigentümergrundschuld<br />
keine vormerkungswidrige Verfügung dar.<br />
OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.5.1999 ¼ 9 U 257/98<br />
GmbHG § 4 ; HGB § 17 Abs. 1<br />
1. Die Firma hat nach der Neuregelung des Firmenbildungsrechts<br />
durch das Handelsrechtsreformgesetz weiterhin Namensfunktion.<br />
2. Die Namensfunktion kommt grundsätzlich nur einer wörtlichen<br />
Bezeichnung zu. Die vom Firmenträger gewählte<br />
Schreibweise oder sonstige graphische Gestaltung der Firma<br />
wird nicht Firmenbestandteil auf deren Eintragung er einen<br />
Anspruch hätte und deren Änderung erneut einzutragen wäre.<br />
3. Bei dem in einer Firmenanmeldung enthaltenen Schriftbild<br />
handelt es sich lediglich um einen Vorschlag zur Fassung der<br />
Eintagung, an den das Registergericht nicht gebunden ist. Es<br />
bleibt ihm überlassen, nach pflichtgemäßem Ermessen die Art<br />
und Weise der Eintragung einschließlich ihres Schriftbildes zu<br />
bestimmen.<br />
KG, Beschl. v. 23.5.2000 ¼ 1 W 247/99<br />
KostO §§ 18, 102, § 103, Abs. 2<br />
Wird durch das AG ein 'Nachtrag' mit einem Änderungsvorbehalt<br />
zu einem Vor- und Nacherbfolge anordnenden Ehegattentestament<br />
eröffnet, wonach dem überlebenden Ehegatten das<br />
Recht eingeräumt wird, die für den Fall seines Todes in diesem<br />
Testament getroffenen Verfügungen zu widerrufen und<br />
über den Nachlass insgesamt anderweitig zu verfügen, so fällt<br />
eine Eröffnungsgebühr nach dem vollen Nachlasswert an.<br />
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.10.2000 ¼ 10 W 90/00<br />
Aus den Gründen: II. 1) Gem. § 102 KostO wird für die Eröffnung<br />
einer Verfügung von Todes wegen die Hälfte der vollen<br />
Gebühr erhoben. § 46 Abs. 4 KostO ist die für diesen Verfahrensakt<br />
einschlägige Wertvorschrift (§ 103 Abs. 1 KostO). Nach dieser<br />
Bestimmung ist dann, wenn ¼ wie hier ¼ über den ganzen Nachlass<br />
verfügt wird, der Gebührenberechnung der Wert des nach<br />
Abzug der Verbindlichkeiten verbleibenden reinen Vermögens zugrunde<br />
zu legen, ohne dass Vermächtnisse, Pflichtteilsrechte und<br />
Auflagen abgezogen werden. Die Kostenschuldnerin stellt weiterhin<br />
nicht in Abrede, dass der in dem angefochtenen Gebührenansatz<br />
ausgewiesene Geschäftswert von 3.592.429 DM dem nach Abzug<br />
der Verbindlichkeiten verbleibenden reinen Vermögen des Erblassers<br />
entspricht.<br />
2. a) Die Vorschrift des § 102 KostO stellt für den Anfall der<br />
halben Gebühr allein auf den zweifelsfrei feststellbaren Verfahrensakt<br />
der Eröffnung einer Verfügung von Todes wägen ab. Kommt ¼<br />
wie hier ¼ zu mehreren Testamentseröffnungen gem. § 2260 Abs. 1<br />
BGB, so entsteht jedes Mal die Gebühr des § 102 KostO neu ¼<br />
auch dann, wenn dasselbe Gericht mit diesen Vorgängen befasst<br />
war. Nur die gleichzeitige Eröffnung mehrerer Verfügungen von<br />
Todes wegen desselben Erblassers bei demselben Gericht ist<br />
gem. § 103 Abs. 2 KostO mit der Gebührenfolge privilegiert, dass<br />
dann nur eine Gebühr nach dem zusammengerechneten Wert zu<br />
erheben ist; soweit mehrfach über den ganzen Nachlass oder über<br />
denselben Bruchteil verfügt ist, kommt der Wert nur einmal in Betracht.<br />
b) Dementsprechend hat die Kostengläubigerin für den Eröffnungsvorgang<br />
des Nachlassgerichts Wuppertal vom 13.9.1991, der<br />
die gemeinschaftlichen Testamente vom 19.1.1983, 29.1.1984 sowie<br />
5.6.1986 zum Gegenstand hatte, nur eine einheitliche Gebühr<br />
in Höhe von 2.755 DM nach dem vollen Nachlasswert erhoben.<br />
Diese Gebühr hat Eingang in den hier nicht angefochtenen früheren<br />
Kostenansatz vom 26.5.1992 gefunden. Die Kostenschuldnerin<br />
wendet sich insbesondere nicht dagegen, dass in diesem Kostenansatz<br />
gem. § 103 Abs. 3 KostO für eine am 30.12.1991 durch das<br />
AG Mühldorf am Inn erfolgte Eröffnung eines die Gesellschaftsanteile<br />
des Erblassers betreffenden Erbvertrages eine weitere<br />
Gebühr von 2.755 DM berechnet worden ist.<br />
3. Diese Gebühr ist noch ein weiteres Mal aufgrund des Umstandes<br />
angefallen, dass es am 20.1.2000 durch das Nachlassgericht<br />
Wuppertal zu der hier in Rede stehenden Eröffnung des<br />
¹Nachtrages zum gemeinschaftlichen Testamentª vom 4.1.1985 gekommen<br />
ist. Dagegen wendet die Kostenschuldnerin ohne Erfolg<br />
ein, es handele sich bei diesem Testament um eine ganz Unwesentliche<br />
Nachtragsänderung.<br />
a) Aus § 103 Abs. 2 KostO ergibt sich eindeutig, dass es nach<br />
dem Gesetz für die Entstehung der Gebühr allein darauf ankommt,<br />
ob ein einheitlicher Eröffnungsvorgang gegeben ist oder eine<br />
Mehrheit solcher Vorgänge. Der <strong>Inhalt</strong> der eröffneten letztwilligen<br />
Verfügung ist nach dieser formalisierten Betrachtungsweise ohne<br />
Bedeutung. Für die Festsetzung des Geschäftswertes des jeweiligen<br />
Eröffnungsaktes ist es irrelevant, welches materielle Gesamtergebnis<br />
sich unter Berücksichtigung aller bereits erfolgten Testamentseröffnungen<br />
ergibt und ob das separat eröffnete weitere<br />
Testament überhaupt noch eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung<br />
hat. Nach der herrschenden, Meinung in Rechtsprechung<br />
und Literatur folgt aus der Ausnahmevorschrift des § 103 Abs. 2<br />
KostO, dass der Gesetzgeber für die Geschäftswertberechnung<br />
Überschneidungen des Regelungsbereichs mehrerer letztwilliger<br />
Verfügungen, ggf. auch die völlige Identität des Regelungsergebnisses,<br />
nicht als Ermäßigungsgrund anerkennen wollte, sofern die<br />
Eröffnung nicht bei dem selbem Gericht gleichzeitig erfolgt (KG<br />
Rpfleger 1979, 277; OLG Frankfurt JurBüro 1986, 426; OLG Stuttgart<br />
Rpfleger 1988, 485; OLG Köln Rpfleger 1992, 394; BayObLG<br />
FamRZ 1997, 644; LG Bayreuth, JurBüro 1986, 261; LG Siegen<br />
Rpfleger 1986, 182; LG Duisburg Rpfleger 1988, 190; Göttlich/<br />
Mümmler, Kommentar zur Kostenordnung, 12. Aufl. Stichwort ¹Eröffnungª<br />
Anm. 1.4; Hartmann, Kostengesetze, 28. Aufl., § 103<br />
KostO, Rdnr. 3).<br />
b) Demgegenüber vertritt ein Teil der Literatur die Auffassung,<br />
im Falle der alleinigen Maßgeblichkeit der Anzahl der Eröffnungsvorgänge<br />
komme es zu einer unbilligen Gebührenhäufung. Deshalb<br />
sei für bestimmte Fallkonstellationen als Geschäftswert zur<br />
Bemessung der Eröffnungsgebühr nur ein Bruchteil des vollen<br />
Nachlasswertes oder lediglich eine Mindestgebühr in Ansatz zu<br />
bringen (Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, Kommentar zur<br />
Kostenordnung, 14. Aufl., § 103, Rdnr. 30 ff.; Rohs/Wedewer/,<br />
Kommentar zur Kostenordnung, 3. Aufl., Stand September 2000,<br />
§ 103, Rdnr. 12). So komme etwa bei mehreren Verfügungen mit<br />
demselben <strong>Inhalt</strong> nur der ersten der volle Wert zu, den übrigen<br />
lediglich ein Bestätigungswert; eine widerrufende Verfügung habe<br />
nur dann den vollen Wert, wenn über den widerrufenen Gegenstand<br />
nicht erneut verfügt werde und eine Verfügung, die eine frühere<br />
Verfügung wiederhole und ergänze, habe nur den Wert der<br />
Ergänzung (Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann aaO, Rdnr. 31,<br />
33, 34).<br />
4) Im Ergebnis kann die Entscheidung der Rechtsfrage dahinstehen,<br />
ob dieser Minderansicht aus Billigkeitserwägungen zu folgen<br />
ist. Denn im Hinblick auf die rechtliche und wirtschaftliche
28 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />
Bedeutung des am 20. Januar eröffneten ¹Nachtrages zum gemeinschaftlichen<br />
Testamentª kommt keine der Fallkonstellationen<br />
in Betracht, für welche nach dieser Ansicht eine Reduzierung des<br />
Geschäftswertes geboten ist.<br />
Zum Schluss<br />
Der verwirrte Notar<br />
Der Anwaltsnotar übt sein Amt in einem kleinen<br />
Dorf in Norddeutschland seit über 40 Jahren aus.<br />
Ihm kommt die Gnade der Übergangsvorschrift aus<br />
der Änderung der Bundesnotarordnung im Jahre<br />
1991 zugute. Er darf daher sein Amt auch über die<br />
Altersgrenze von 70 Jahren hinaus bis zum Jahre<br />
2003 ausüben.<br />
Pflichtbewußt hat er sich mit den Änderungen befaßt,<br />
die jetzt das Beurkundungsgesetz gebracht hat.<br />
Dabei ist er auch auf die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 7<br />
BeurkG gestoßen. Pflichtbewußt hat er sich entschieden,<br />
der Auffassung des Vorsitzenden des zuständigen<br />
Bundestagsausschusses, Rechtsanwalt und Notar Eylmann,<br />
zu folgen. Pflichtbewußt nimmt er daher in Beurkundungen<br />
und Beglaubigungen die Formulierungsempfehlung<br />
aus dem DNotlReport 1998/18 (S. 17) auf<br />
und fragt.<br />
Dabei erlebt er folgendes:<br />
1. Die Ehefrau des Nachbarn des Notars ist verstorben.<br />
Nachbar und Notar sind schon zusammen<br />
zur Schule gegangen. Zugunsten der Ehefrau war ein<br />
Wohnrecht im Grundbuch eingetragen. Das soll nun<br />
gelöscht werden. Pflichtbewußt fragt der Notar seinen<br />
Nachbarn: War ich vorbefaßt?<br />
Der schaut ihn verständnislos an und fragt: Willst<br />
Du von mir wissen, ob Du was mit meiner Frau hattest?<br />
Bist Du denn jetzt schon so tüddelig, daß Du<br />
das nicht mehr selber weißt?<br />
2. Der Lehrer am Gymnasium in der Kreisstadt,<br />
der aufs Land gezogen ist, kommt zum Notar, um<br />
ebenfalls seine Unterschrift beglaubigen zu lassen.<br />
Wiederum stellt der Notar die Frage nach der Vorbefassung.<br />
Antwort des Lehrers:<br />
a. Das müssen Sie ja wohl selbst am besten wissen.<br />
b. Ich bin nicht hier, um Ihre Fragen zu beantworten,<br />
sondern damit ich meine Unterschrift leiste.<br />
c. Wenn Sie nicht selber wissen, was Sie tun,<br />
komme ich nicht mehr wieder.<br />
In der Nähe des Dorfes liegt ein Durchgangslager<br />
für Aussiedler. Des öfteren erscheinen bei dem Notar<br />
junge Leute, die mit dem Fahrzeug eines Verwandten<br />
oder eines Freundes nach Rußland fahren wollen. Sie<br />
benötigen dann eine beglaubigte Unterschrift des<br />
Fahrzeughalters, daß dieser die Einreise gestattet.<br />
Weder Halter noch Fahrer sind der deutschen<br />
Sprache mächtig. An einem Freitag abend um 17 Uhr<br />
erscheinen sie. Die Reise soll am nächsten Morgen<br />
losgehen. Wie soll sich der arme ergraute Notar verständlich<br />
machen? Wie kann er denn überhaupt vorbefaßt<br />
sein?<br />
4. Der Notar X beglaubigt gem. § 40 Abs. 5 BeurkG<br />
eine Unterschrift ohne zugehörigen Text. Jetzt<br />
zeigt sich, daß ihm mit zunehmenden Alter hellseherische<br />
Fähigkeiten erwachsen sind. Er und der Unterschriftsbeteiligte<br />
wissen nämlich schon heute, ob sie<br />
einmal vorbefaßt sein werden.<br />
5. Der Notar X hat als Anwalt einen jungen Mann<br />
vor Schließung der Ehe über die daraus erwachsenden<br />
Rechtsfolgen beraten. Die Folge war, daß diese<br />
Frau ihn nicht mehr heiraten wollte. Der junge Mann<br />
hat sich eine neue gesucht, diese jedoch nicht über<br />
die vorangegangene Beratung aufgeklärt, um sie<br />
nicht zu verschrecken. Sie melden sich nach Eheschließung<br />
zur Beurkundung eines Ehevertrages an.<br />
Die tüchtige Notariatskraft bereitet den <strong>Inhalt</strong> der Urkunde<br />
standardmäßig vor. Auf die Frage an die Beteiligten,<br />
ob der Notar vorbefaßt war, schütteln beide<br />
energisch den Kopf. Der Notar ist zwar alt, hat jedoch<br />
ein gutes Gedächtnis und erinnert sich an die frühere<br />
Beratung. Was tut er nun, wenn die Beteiligten wahrheitswidrig<br />
eine Frage beantworten? Was ist, wenn<br />
der Notar doch nicht mehr so ein gutes Gedächtnis<br />
hat und sich an die frühere Beratung nicht erinnert?<br />
Hat er sich eines fahrlässigen Dienstvergehens schuldig<br />
gemacht? Handelt es sich im ersten Fall um einen<br />
Verstoß, der grob ist und im Wiederholungsfalle zur<br />
Amtsenthebung führt?<br />
Ich meine daher, daß schnellstens eine Korrektur<br />
dieser verfehlten Regelung erfolgen sollte. Das bisherige<br />
Ablehnungsrecht und/oder der Hinweis auf eine<br />
Vorbefassung im Auftrag aller Personen hat bisher<br />
ausgereicht.<br />
Rechtsanwalt und Notar Karl-Wilhelm Höcker,<br />
Osnabrück