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Inhalt Vorwort - Arbeitsgemeinschaft Anwaltsnotariat

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<strong>Inhalt</strong><br />

Themen<br />

Unabhängigkeit und Unparteilichkeit im<br />

Spannungsfeld des § 17 BurkG ................................. 2<br />

Das englische Notariat ................................................ 11<br />

Informationen der<br />

<strong>Arbeitsgemeinschaft</strong><br />

<strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> ..................... 18<br />

<strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> im Internet .............................. 18<br />

Herbsttagung 2000 ...................................................... 19<br />

Herbstveranstaltung 2001 ........................................... 20<br />

Deutsche Anwaltakademie ........................................ 20<br />

Notarielles Berufsrecht<br />

Dienstordnung für Notarinnen und Notare (DONot) 21<br />

Rechtsprechung<br />

BverfG, Erster Senat, 2. Kammer,<br />

Beschl. v. 9.8.2000 ¼ 1 BvR 647/98 ....................... 22<br />

BVerfG, Erster Senat, 2. Kammer,<br />

Beschl. v. 15.8.2000 ¼ 1 BvR 1523/99 .................. 24<br />

BGH, Beschl. v. 31.7. 2000 ¼ NotZ 13/00 ............. 24<br />

BGH, Beschl. v. 22.3.1999 ¼ NotZ 2/99 ................ 25<br />

Hans. OLG Bremen,<br />

Beschl. v. 17.8.2000 ¼ 2 Not 3/2000 ..................... 25<br />

OLG Frankfurt,<br />

Beschl. v. 7.12.1999 ¼ 20 W 471/99 ...................... 25<br />

BGH, Urt. v. 15.4.1999 ¼ IX ZR 328/97 ................. 25<br />

OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.5.1999 ¼ 9 U 257/98 27<br />

KG, Beschl. v. 23.5.2000 ¼ 1 W 247/99 ................ 27<br />

OLG Düsseldorf,<br />

Beschl. v. 19.10.2000 ¼ 10 W 90/00 ...................... 27<br />

Zum Schluss<br />

Der verwirrte Notar ....................................................... 28<br />

<strong>Vorwort</strong><br />

Vor Ihnen liegt das Mitteilungsblatt der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong><br />

<strong>Anwaltsnotariat</strong>. Wie vieles andere<br />

auch, symbolisiert das Erscheinen einen Neuanfang<br />

in der Vertretung der Anwaltsnotare im deutschen<br />

Anwaltverein. Es wird in loser Folge erscheinen und<br />

Vorträge, Aufsätze, Rechtsprechung und Kommentare,<br />

Buchbesprechungen und Berichte rund um das<br />

Thema <strong>Anwaltsnotariat</strong> in Deutschland mit durchaus<br />

relevanten Bezügen zu Europa enthalten. Dabei wird<br />

neben der reinen Information zu ausgewählten Sachthemen<br />

die Reflexion über standespolitische Entwicklungen<br />

und Fragen ebensoseinen Raum einnehmen,<br />

wie die Auseinandersetzung mit den berufspraktischen<br />

Fragen der täglichen Arbeit.<br />

Das Mitteilungsblatt lebt sowohl von der Mitarbeit<br />

aller Kolleginnen und Kollegen als auch von der<br />

Resonanz, die der <strong>Inhalt</strong> des Blattes von Ihnen erfährt.<br />

Anregungen, eigene Beiträge und selbstverständlich<br />

Kritik sind nicht nur erwünscht, sondern<br />

auch gefordert. Das <strong>Anwaltsnotariat</strong>, vertreten durch<br />

die <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> soll weiter eine gewichtige<br />

Stimme nicht nur in der Auseinandersetzung mit dem<br />

Gesetzgeber und der Dienstaufsicht, sondern auch<br />

im Wettbewerb mit den anderen Notariatsformen in<br />

Deutschland erhalten. Hier ist das Mitteilungsblatt ein<br />

geeignetes und hervorragendes Forum, das durch<br />

die Darstellung der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> im Internet<br />

(www.anwalts-notariat.de) eine stets aktuelle Ergänzung<br />

erfährt. Abgerundet wird das Bild durch die<br />

Informations- und Fortbildungsveranstaltungen, die<br />

die <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> auf ihren Frühjahrs- und<br />

Herbsttagungen sowie bei den Anwaltstagen durchführt.<br />

Das Mitteilungsblatt wird auch diese Veranstaltungen<br />

begleiten und dokumentieren.<br />

Die <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> hat schon ein erhebliches<br />

Gewicht, das sich nicht nur darin dokumentiert,<br />

dass sie bei allen das Notariat tangierenden Gesetzes-<br />

und Verordnungsvorhaben von den federführenden<br />

Ministern beteiligt wird. Diese Position zu halten<br />

und auszubauen wird auch in Zukunft die Aufgabe<br />

der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> sein.<br />

In diesem Sinne mit vielen Grüßen<br />

des GF-Ausschusses<br />

Günter Schmaler


2 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />

Themen<br />

Unabhängigkeit<br />

und Unparteilichkeit im<br />

Spannungsfeld des §17 BurkG<br />

Rechtsanwalt und Notar Rembert Brieske, Bremen<br />

¼Teil1¼<br />

Vorbemerkung 1<br />

Der Gang der nachfolgenden Erörterung wird<br />

nach einer Einleitung zunächst über einige Ausführungen<br />

zum Normzweck der Beurkundungsvorschriften<br />

führen.<br />

Dies ist heute nicht nur eine Frage der Gesetzesauslegung.<br />

Es geht vielmehr um den Sinn von Vorschriften,<br />

die die Beurkundung vorschreiben, auf<br />

dem Hintergrund der Frage, ob man den mit dem<br />

Zwang zur Beurkundung verfolgten Zweck durch<br />

Notariat erfüllen und erreichen kann oder ob man<br />

sich dazu auch anderer Instrumente bedienen kann.<br />

Es geht nicht nur darum, weshalb der Gesetzgeber<br />

vorgeschrieben hat, ein Geschäft müsse beurkundet<br />

werden. Es geht darum, ob dieser Zweck durch notarielle<br />

Praxis tatsächlich erreicht wird oder gleichwohl<br />

verfehlt wird. Wird dieser Zweck in der Praxis verfehlt,<br />

stellt sich die Sinnfrage des Notariats.<br />

Der Normzweck wird uns weiter begleiten, wenn<br />

wir uns die Normen ansehen, die die Aufgaben des<br />

Notars und das von ihm einzuhaltende Verfahren beschreiben.<br />

Diese die Aufgaben des Notars beschreibenden<br />

Normen dienen auch dazu, ein Verfahren zu<br />

sichern, um den mit den Normen verfolgten Zweck zu<br />

erreichen.<br />

§ 17 Abs. 2a BurkG ist das insbesondere für das<br />

Verfahren einschlägige Aushängeschild. Es verlangt<br />

vom Notar, durch ein geeignetes Verfahren sicherzustellen,<br />

dass er die Pflichten aus den Abs. 1 und 2<br />

erfüllen kann.<br />

Diese Pflichten aus § 17 Abs. 1 und 2 BUrkG sind<br />

noch im einzelnen zu beschreiben. Es sind jedenfalls<br />

nicht nur Prüfungs- und Belehrungspflichten2 .<br />

§ 17 Abs. 1 S. 1 BUrkG beschreibt als Pflichten<br />

des Notars.<br />

Der Notar soll den Willen der Beteiligten erforschen,<br />

den Sachverhalt klären, die Beteiligten über<br />

die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und<br />

ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift<br />

wiedergeben.<br />

Diese einzelnen Pflichten werden wir nacheinander<br />

behandeln.<br />

Wir werden uns dann den Normen zuwenden, die<br />

die Grenzen notarieller Tätigkeit beschreiben. Dabei<br />

werden wir zum einen ein Wechselverhältnis zu den<br />

Verfahrensnormen entdecken; zum anderen aber<br />

auch zum Normzweck der Beurkundungsnormen.<br />

Wir werden uns mit der Frage befassen müssen,<br />

was sich der Gesetzgeber dabei gedacht hat, als er<br />

eine weitere Bezugnahme auf andere notarielle Niederschriften<br />

zuließ und dann die Vorlesungspflicht<br />

einschränkte 3 .<br />

In einem weiteren Schritt werden wir uns dann<br />

noch den Folgen zuwenden, die die Beteiligten treffen<br />

können, wenn diese Regeln des Beurkundungsverfahrens<br />

nicht eingehalten werden.<br />

Zu den nachfolgenden Erörterungen ist anzumerken,<br />

dass das Horrorszenario der Haftung möglichst<br />

nicht bemüht werden soll. Es sollen die Aufgaben des<br />

Notars geschildert werden, damit wir uns über diese<br />

abwägend streiten können. Die Sanktion der Haftung<br />

oder des Disziplinarrechts soll eben nicht bemüht<br />

werden. Es kann aber nicht verschwiegen werden,<br />

dass manche Erkenntnis, die in diesen Beitrag eingeflossen<br />

ist, aus dem Miterleben solcher Vorgänge<br />

stammt. Vielleicht kann man sich über die Frage, wie<br />

der Notar beurkunden soll, unterhalten in der Erwartung,<br />

der Notar/die Notarin werde dies tun; und nicht<br />

immer in der Vorfreude, was geschieht, wenn es nicht<br />

gemacht wird.<br />

Die im Titel verwendeten Begriffe ¹Unabhängigkeitª<br />

und ¹Unparteilichkeitª sind mehrschichtig. Sie werden<br />

herkömmlich verwendet, um zu beschreiben, dass<br />

der Notar von den Urkundsparteien unabhängig und<br />

ihnen gegenüber unparteilich sein soll. Manchmal<br />

fragt man sich, ob es auch um Unabhängigkeit von<br />

zu viel Reglementierung gehen muss. Wir werden<br />

dies später vertiefen müssen.<br />

Einleitung<br />

Wir beginnen damit, die Stellung und Rolle des<br />

Notars gegenüber den Rechtsuchenden zu bestimmen<br />

4 .<br />

1 Die nachfolgenden Ausführungen knüpfen an zwei Referate an, die auf<br />

dem 48. Deutschen Anwaltstag in Berlin zu den Leitthemen ¹Benachteiligung<br />

der Mütterª und ¹Berufsrechtª gehalten worden sind, AnwBl 1995,<br />

481. Sie greifen aber weitere Entwicklungen aus der Gesetzgebung und<br />

der Rechtsprechung zu den haftungsrechtlichen und berufsrechtlichen<br />

Fragen auf.<br />

2 So aber Frenz-Winkler Neues Berufs- und Verfahrensrecht für Notare S. 99.<br />

3 Zuletzt indem er § 14 BUrkG änderte.<br />

4 Um Missverständnisse zu vermeiden, sei sogleich betont, dass es nicht<br />

um die Frage geht, wie ein Notar möglichst einseitig Verträge zugunsten<br />

von Schwächeren gestalten kann. Es geht vielmehr um die Frage, wie<br />

Benachteiligungen vermieden werden können oder ¼ nach Maßgabe des<br />

Gesetzes ¼ vermieden werden müssen.


MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 3<br />

Wir sind uns einig, dass der Notar nach der Vorstellung<br />

des Gesetzgebers nicht mehr die bloße Urkundsperson<br />

ist, die durch ihre Unterschrift bestätigt, dass<br />

Jan Müller und Frieda Meier vor ihm etwas erklärt<br />

und/oder unterschrieben haben. Wir können uns diesen<br />

¼ längst überholten ¼ Notar am besten mit Perükke<br />

und Zopf vorstellen. Der alte Zopf, wonach der Notar<br />

nur ein bestimmtes ¼ möglichst unverständliches<br />

und geheimnisvolles ¼ Verfahren einzuhalten hat, ist<br />

längst abgeschnitten. Wir werden nachher sehen,<br />

dass die so entstandene und kultivierte Rechtssprache<br />

den Anforderungen des Gesetzes nicht entspricht.<br />

Auch entspricht es nicht dem vom Gesetz vorgegebenen<br />

Bild, wenn der Schreiberling des Notars die<br />

Rechtsuchenden vor und von dem Notar weghält. In<br />

manchen Richtlinien5 finden wir den Satz: In jedem<br />

Fall muss es den Beteiligten möglich bleiben, sich persönlichandenNotarzuwenden.<br />

Der Notar ist auch nicht auf die Rolle desjenigen reduziert,<br />

der die Identität der Unterzeichner bestätigt.<br />

Der Notar ist nicht der bloße Unterschriftsbestätiger<br />

aus anderen Rechtsordnungen. Gleichwohl kann nicht<br />

übersehen werden, dass etwa bei der Übertragung<br />

von Geschäftsanteilen zwischen Konzernunternehmen<br />

oder Konzerntöchtern oder Unternehmen mit einer<br />

gesellschaftsrechtlich versierten Rechtsabteilung oder<br />

zwischen Unternehmen, die auf beiden Seiten von<br />

gesellschaftsrechtlich spezialisierten Rechtsanwälten<br />

vertreten werden, eine über die dokumentierende<br />

Tätigkeit hinausgehende Tätigkeit des Notars nicht<br />

unbedingt erforderlich ist.<br />

Aus der Geschichte des <strong>Anwaltsnotariat</strong>s ist zu erinnern,<br />

dass gerade der rechtsgelehrte Advokat ¼<br />

und nur dieser ¼ Notar wurde. Dadurch wurde ein<br />

gewisser Standard notarieller Tätigkeit erreicht (Notariat<br />

als Rechtsbetreuung). Diesem Ziel6 , die Qualität<br />

notarieller Tätigkeit zu erhöhen, ist besonders förderlich,<br />

wenn der Anwaltsnotar aus seiner forensischen<br />

Erfahrung erlebend weiß, was mit den Urkunden und<br />

deren Auslegung passiert; man muss wissen, was die<br />

Rechtsprechung an Ideen entwickelt, aus denen sich<br />

immer wieder ergibt, dass notarielle Routinen verändert<br />

werden müssen. Wir werden später an Einzelfällen<br />

darstellen, wie sich aus der Rechtsprechung zu<br />

den §§ 134, 138, 242 BGB Anforderungen an notarielle<br />

Tätigkeit ergibt, die der forensisch tätige Rechtsanwalt<br />

aus seiner täglichen Praxis sofort für das<br />

Notariat mitnehmen soll.<br />

Die Stellung des Notars von heute wird schlicht<br />

von gesetzlichen Bestimmungen beschrieben. Es<br />

empfiehlt sich, diese einfach durchzulesen, um anhand<br />

ihrer Schlichtheit zu erkennen, welche sehr<br />

schlicht formulierten Anforderungen zu beachten<br />

sind. Man muss nur bereit sein, der schlichten Anforderung<br />

des Gesetzes den Vorrang zu geben gegen-<br />

über vermeintlichen Bedürfnissen der Praxis und<br />

Routine, denen allerdings die gesetzliche Legitimation<br />

ermangelt. Wer erklärt, angesichts der Gebührensätze<br />

der KostO und der betriebswirtschaftlichen Bedürfnisse<br />

der Praxis könne er nicht die Zeit erübrigen,<br />

den Anforderungen des Gesetzes zu genügen, verkennt<br />

den Vorrang des Gesetzes. Ebenso wenig geht<br />

es an, das Gesetz restriktiv auszulegen, um die Anforderungen<br />

aus derartigen Gründen ¹hinunterzuinterpretierenª.<br />

Das zu behandelnde Thema betrifft beide Notariatsverfassungen<br />

in gleicher Weise im Rahmen der<br />

gesetzlichen Vorgaben. Anwaltstätigkeit in der einen<br />

Angelegenheit und Notariat in der anderen Angelegenheit<br />

sind vereinbar; das Neutralitätsgebot stellt<br />

sich in jedem Einzelfall in beiden Notariatsverfassungen.<br />

Dies sei an einem Beispiel verdeutlicht:<br />

Der Notar beurkundet einen Erbvertrag in der<br />

Unternehmerfamilie, der aus bestimmten Gründen<br />

keinen freien Rücktritt ermöglicht. Nach Jahr und Tag<br />

erscheint bei ihm der Unternehmer, der nunmehr anfragt,<br />

wie der Erbvertrag angefochten werden kann.<br />

Die Anfechtung des von diesem Notar beurkundeten<br />

Erbvertrages durch einen Vertragsbeteiligten greift<br />

den Bestand des Erbvertrages an. Der Notar handelt<br />

parteiisch, wenn er zugunsten einer Vertragspartei<br />

und zu Lasten der anderen den Vertrag angreift oder<br />

fremden Angriff unterstützt.<br />

Wie schwer manchmal Unparteilichkeit fallen kann,<br />

sieht man daran, dass Autoren von Vertragsmustern,<br />

die beim BGH keine Gnade fanden, aus beiden Notariatsverfassungen<br />

stammten.<br />

Die nachfolgenden Überlegungen befassen sich<br />

überwiegend mit Vereinbarungen auf der Grundlage,<br />

dass deutsches Recht gilt, sei es kraft Gesetzes oder<br />

kraft Rechtswahl. Nur in Teilbereichen sind ausländische<br />

Rechtsordnungen erwähnt.<br />

Warum ist notarielle Form vorgeschrieben?<br />

Unsere Überlegungen beginnen mit der Frage,<br />

weshalb das Gesetz für verschiedene Vorgänge teils<br />

die Beurkundung vorschreibt teils die Form der Beurkundung<br />

neben anderen Formen alternativ vorsieht.<br />

Bereits hier sei angemerkt: wir werden sehen,<br />

dass diesen Anforderungen des materiellen Rechts<br />

jeweils exakt Pflichten des Notars entsprechen. Es<br />

lohnt sich deshalb bereits jetzt darauf zu achten, welche<br />

Aufgabe des Notars mit den nachfolgenden<br />

Funktionen korreliert.<br />

5 Von den Notarkammern gem. § 67 Abs. 2 BNotO beschlossene Richtlinien<br />

etwa Celle, Hamm, Thüringen, Bayern und andere.<br />

6 Zu dem Ziel, juristische und technische Kompetenz zu fördern vgl. Ziffer<br />

1.2.5. des Europäischen Kodex des notariellen Standesrechts DNotZ<br />

1995, 329 ff.


4 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />

1. Schutz und Warnfunktion: Eine Gruppe von<br />

Normen verlangt die Urkundsform, um die Beteiligten<br />

zu schützen. Schutzzweck verbunden mit Warnungsfunktion<br />

(vor Übereilung) und Beratung durch den<br />

betreuenden Notar stehen im Vordergrund bei:<br />

9 § 311 BGB Verträgen über gegenwärtiges Vermögen<br />

9 § 313 BGB Grundstücksverträgen<br />

9 § 1410 BGB Eheverträgen ¼ hier verstärkt durch die<br />

Pflicht zur Anwesenheit beider Vertragsparteien ¼<br />

9 seien es Güterrechtsvereinbarungen<br />

9 oder Regelungen betreffend den Zugewinnausgleich<br />

9 § 1587o BGB vertraglichem Ausschluss des Versorgungsausgleichs<br />

¼ hier verstärkt durch die Möglichkeit<br />

diesen Ausschluss dadurch auszuhebeln, dass<br />

binnen Jahresfrist ein Ehegatte beantragt, die Ehe<br />

zu scheiden<br />

9 § 1934d BGB Verträge über den vorzeitigen<br />

Erbausgleich des nichtehelichen Kindes<br />

9 § 2348 BGB Erbverzichtserklärungen, bei denen<br />

auch die Annahme zu notarieller Urkunde erklärt<br />

werden muss.<br />

Dass die Schutzfunktion unvollständig ausgestaltet<br />

ist7 , zeigen folgende Beispiele:<br />

9 Vertragsabschluß mit einem oder mehreren vollmachtlosen<br />

Vertreter, so dass der eigentliche Vertragspartner<br />

gar nicht belehrt wird, sondern nur<br />

der Vertreter<br />

9 insbesondere unterlaufen wird der Schutzzweck,<br />

wenn der Verkäufer für den Käufer als vollmachtloser<br />

Vertreter erscheint; (Die Frage, ob es den<br />

Dienstpflichten des Notars entspricht, wenn der<br />

Notar diesen Weg ohne besonderen Grund beschreitet,<br />

ist auf dem Hintergrund des § 17 Abs. 2a<br />

BurkG besonders kritisch zu betrachten 8 .)<br />

9 formlos wirksam ist die Genehmigung, die der bei<br />

der Beurkundung Abwesende erteilt; soweit seine<br />

Unterschrift beglaubigt wird, dient dies nur dem<br />

Identitätsnachweis gegenüber einer Behörde oder<br />

dem Grundbuchamt oder Handelsregister, nicht<br />

aber der Wirksamkeit der Erklärung<br />

9 Heilung durch Auflassung und Eintragung mindern<br />

natürlich auch den Zweck der Norm und nehmen<br />

ihr ¼ wenn auch aus gutem Grund ¼ einen Teil<br />

ihrer Effektivität;<br />

9 durch den allerdings nur in seltenen Fällen zugelassenen<br />

Einwand des Rechtsmissbrauchs gegenüber<br />

demjenigen, der sich auf den Formmangel beruft9 ;<br />

9 ¼ eingeschränkt ¼ durch die die Form der notariellen<br />

Beurkundung ersetzende Form der gerichtlichen<br />

Protokollierung; ohne dass sichergestellt ist,<br />

dass im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens eine<br />

Partei nicht übervorteilt wird; allerdings fordert<br />

jedes gerichtliche Verfahren gleichsam jede Partei<br />

auf, sich anwaltlichen Rates zu bedienen.<br />

Wenn es darum geht, die Aufgaben des Notars zu<br />

beurteilen, ist nicht von dem eingeschränkt erreichbaren<br />

Schutzzweck der Normen auszugehen sondern<br />

von der Aufgabenstellung, die sich ergäbe, wenn es<br />

diese Einschränkungen nicht gäbe. Niemand wird<br />

generell die Belehrungspflichten des Notars reduzieren<br />

wollen, indem er nachweist, dass in einzelnen<br />

gesetzestechnisch ermöglichten Fällen die Vertragsbeteiligten<br />

selbst gar nicht belehrt werden. Gerade<br />

§ 17 Abs. 2a BurkG fordert hier neues Nachdenken.<br />

2. Klarstellung und Sicherheit des Rechtsverkehrs:<br />

In anderen Fällen dient die Formvorschrift<br />

dazu sicherzustellen, dass der Wille des Erklärenden<br />

klargestellt wird; dass dazu der Erklärende über die<br />

rechtliche Tragweite beraten wird; dass die Echtheit<br />

der Urkunde über das Erklärte gesichert wird; dass<br />

Beweis erbracht werden kann, wer zu welcher Zeit<br />

welche Erklärung abgegeben hat. Solche Fälle sind:<br />

9 § 2231 Nr. 1 BGB Errichtung eines Testaments, das<br />

auch ohne notarielle Begleitung errichtet werden<br />

kann;<br />

9 § 2276 BGB Abschluss eines Erbvertrages, an dem<br />

alle Beteiligten unmittelbar ¼ äußerstenfalls vertreten<br />

durch eine andere Person ¼ mitwirken müssen;<br />

9 § 2282 BGB Anfechtung des Erbvertrages;<br />

9 § 2296 BGB Rücktritt vom Erbvertrag;<br />

9 § 2371 BGB Erbschaftsverkauf;<br />

9 § 2 Abs. 2 GmbHG Gründung einer GmbH;<br />

9 § 15 Abs. 3, 4 Abtretung von GmbH-Anteilen.<br />

3. Beweisfunktion: Beweiskraft der notariellen<br />

Urkunde spielt in folgenden Normen eine Rolle, z. B.:<br />

9 § 415 ZPO 10<br />

9 § 1377 BGB i. V. m. § 1035 BGB Verzeichnis des<br />

Anfangsvermögens 11<br />

9 § 1418 BGB i. V. m. § 1412 BGB Begründung und<br />

Nachweis von Vorbehaltsgut<br />

9 § 2002 BGB Aufnahme eines Nachlassinventars 12<br />

9 § 2314 Abs.1BGB Aufnahme des Nachlassbestandes<br />

7 BGH NJW 1994, 1344 ff. (Timesharing-Entscheidung).<br />

8 BayObLG JurBüro 1994, 234: die Rechtswirksamkeit des Verfahrens<br />

stünde der Feststellung nicht entgegen, das Verfahren sei dienstordnungswidrig;<br />

m. w. N.<br />

9 Es fällt aber schwer einen Fall zu konstruieren, in dem der Schutzbedürftige<br />

sich nicht auf die Formvorschrift berufen kann.<br />

10 Vgl. dazu BGH NJW 1994, 2768 (Timesharing-Entscheidung).<br />

11 Mit der Folge, dass ggf. das Endvermögen als Zugewinn vermutet wird,<br />

wenn das Anfangsvermögen nicht anderweitig bewiesen werden kann.<br />

12 Mit gewissem haftungsrechtlichen Schutz.


MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 5<br />

Auf dem Hintergrund dieser und anderer Normen<br />

und dem jeweiligen Normzweck sind die nachstehend<br />

beschriebenen Aufgaben des Notars zu sehen.<br />

Wir werden die Aspekte der Warnung vor übereiltem<br />

Vertragsabschluß, der Unkenntnis der rechtlichen<br />

Tragweite, der genauen Wiedergabe des Willens, der<br />

klaren Formulierung und der Sicherung von Beweismitteln<br />

in den Normen wiederfinden, die beschreiben,<br />

wie der Notar sein Amt auszuüben hat.<br />

Aufgabe des Notars ist es, die vorstehend beschriebenen<br />

Normziele zu verwirklichen, nämlich<br />

9 formelle Sicherheit und formeller Bestand der Urkunde<br />

9 materiellen Bestand der Urkunde.<br />

Gesetzliche Vorgaben für die Stellung des Notars<br />

gegenüber den Rechtsuchenden<br />

Wenn nachstehend aus dem schlichten Gesetzeswortlaut<br />

abgeleitet wird, was Aufgabe des Notars<br />

gegenüber den Rechtsuchenden ist, und der Leser<br />

oder die Leserin den Eindruck gewinnt, diese Aufgaben<br />

könne nur perfekt erfüllen, wer jenseits juristischer<br />

Fähigkeiten göttliche Gaben sein eigen nennt 13 ,<br />

darf dies nicht abschrecken. Die Aufgaben zu beschreiben,<br />

ist das eine. Es geht vielmehr darum, die<br />

gesetzlichen Vorgaben zu beschreiben, die zu erreichen<br />

voraussetzt, dass die Beteiligten mitwirken, und<br />

zwar ebenso perfekt oder unvollständig.<br />

Anzumerken ist allerdings, dass nicht jedes ¹Versagenª<br />

oder ¹Zurückbleiben hinter dem Optimumª zu<br />

einer Amtspflichtverletzung im Sinne des Disziplinarrechts<br />

führen darf.<br />

Aus den einschlägigen Normen der BNotO und<br />

des BurkG sei zunächst zitiert:<br />

§ 14 Abs. 1 S. 1 BNotO:<br />

Der Notar hat sein Amt getreu seinem Eide zu verwalten.<br />

Über den Eid steht in § 13 Abs. 1 BNotO:<br />

... die verfassungsmäßige Ordnung zu wahren und<br />

die Pflichten eines Notares gewissenhaft und unparteiisch<br />

zu erfüllen ...<br />

Hier finden wir erstmals den Begriff der Unparteilichkeit,<br />

den wir an verschiedenen Stellen wiederfinden<br />

werden. Er wird sogleich in § 14 Abs. 1 S. 2<br />

BNotO wiederholt:<br />

Er ist nicht Vertreter einer Partei sondern unabhängiger<br />

und unparteiischer Betreuer der Beteiligten.<br />

Neben dem Begriff der Unparteilichkeit wird dort<br />

der Begriff des Betreuers erwähnt. Damit ist die betreuende<br />

Aufgabe des Notars gemeint. Bereits aus<br />

der betreuenden Tätigkeit kann sich ergeben, dass<br />

der Notar die Beteiligten belehren muss. Diese ¹Belehrungspflicht<br />

aus Betreuungª 14 steht neben der<br />

¹Belehrungspflicht aus Urkundstätigkeitª, wie wir sie<br />

nachstehend in § 17 Abs. 1 S. 1 BUrkG finden 15 .<br />

Es sei auch nicht verkannt, wie schwer es ist, notarielle<br />

Pflichten zu erfüllen, wenn etwa die öffentliche<br />

Hand verlangt, dass Verträge nach den von ihr vorgegebenen<br />

Mustern beurkundet werden und nicht um<br />

ein Satzzeichen abgewichen werden darf. Wenn man<br />

Vertragsmuster liest, in denen verlangt wird, dass fast<br />

schon vor der Beurkundung der Kaufpreis gezahlt<br />

wird, dann weiß der Notar, dass er selbst solche Entwürfe<br />

nicht fertigen dürfte; er würde den Käufern eine<br />

ungesicherte Vorleistung abverlangen; er würde<br />

gegen seine Pflicht zur Neutralität verstoßen und<br />

stattdessen einseitig Interessen der Verkäuferseite<br />

wahrnehmen. Bei rigider Betrachtung erkennt der<br />

Notar sofort, dass er derartige Verträge nicht beurkunden<br />

dürfte. Warum tut er es doch? Weil er befürchtet,<br />

sonst dieses Notariat zu verlieren. Oder weil<br />

er meint, sonst ginge die Behörde zu einem anderen<br />

Notar ¼ und der sei gefällig. Nur weil sich Notare finden,<br />

die ihre Unabhängigkeit aufgeben, gelingen den<br />

Behörden diese Beurkundungsvorgänge. Wehrten<br />

sich alle Notare, wäre das nicht möglich.<br />

Es sei nicht verkannt, dass die Banken verlangen,<br />

dass die Grundschulden mit ihren sprachlichen Monstern<br />

von Formularen bestellt werden. Hier ist es nur<br />

mit Schwierigkeiten möglich, den Bürgern zu verdeutlichen,<br />

was in den Urkundsentwürfen steht. Möglich<br />

ist es. Soweit es um die eigentliche Grundschuldbestellung<br />

geht, besteht auch kein Problem festzustellen,<br />

ob dieser Text dem Willen der Erschienenen<br />

entspricht. Bei der Zweckerklärung und bei einer<br />

Schuldübernahme durch Dritte, die nicht Darlehensschuldner<br />

sind, bedarf es allerdings einer genaueren<br />

Klärung, ob dies dem Willen der Dritten entspricht.<br />

Zugestanden: es ist lästig ¼ aber möglich.<br />

Es sei nicht verkannt, dass es bei der Beurkundung<br />

von Verträgen mit Bauträgern, insbesondere<br />

beim Erwerb von Eigentumswohnungen, nicht möglich<br />

ist, alles mit allen Erwerbern jeweils auszuhandeln.<br />

Jedenfalls die Baubeschreibung muss standardisiert<br />

werden ¼ sonst fällt das Bauwerk zusammen.<br />

Beim Entwurf der Baubeschreibung hat der Notar<br />

aber schon Pflichten gegenüber den späteren Erwerbern<br />

zu beachten. Ein Problem entsteht, wenn die in<br />

einer Bezugsurkunde enthaltene Baubeschreibung so<br />

ausfällt, dass der Erwerber wegen Undurchsichtigkeit,<br />

Widersprüchlichkeit oder Lückenhaftigkeit benachteiligt<br />

wird. Der Notar hat diese Vertragsmuster so zu<br />

13 Vgl. auch die Anmerkungen bei Keim, Das Beurkundungsverfahren,<br />

S. 5 ff. Rdnr. 34, S. 128 Rdnr. 34.<br />

14 BGH DNotZ 1987, 157; 1989, 45.<br />

15 Zu dieser Terminologie der Belehrungspflichten vgl. Haug, die Amtshaftung<br />

des Notars Rdnr. 407 ff.


6 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />

entwerfen, dass auch die berechtigten Belange der<br />

Erwerber berücksichtigt sind. Kann er dies nicht, ist<br />

er erkennbar nicht vom Bauträger unabhängig.<br />

An dieser Stelle müssen wir uns einen Augenblick<br />

im Zusammenhang mit der Frage der Unparteilichkeit<br />

der Pflicht zur Verschwiegenheit zuwenden. Stets<br />

wird die Frage aufgeworfen, was der Notar von seinem<br />

Wissen preisgeben darf, wenn er die Beteiligten<br />

betreut. Immer wieder wird ¼ gerade in Haftungsprozessen<br />

¼ ein Widerstreit zwischen Verschwiegenheitspflicht<br />

und Betreuungspflicht behauptet. Mir schwebt<br />

folgende Auflösung des Problems vor:<br />

1. Der Notar hält es pflichtgemäß im Ansatz für geboten,<br />

einen Vertragsbeteiligten über etwas zu informieren,<br />

was er nur sagen darf, wenn er von der<br />

anderen Beteiligten von der Verschwiegenheit entbunden<br />

wird.<br />

2. Warum fragt er dann nicht die Beteiligten, die<br />

ihn von der Verschwiegenheit entbinden müssten?<br />

3. Entbindet ihn die Partei nicht von der Verschwiegenheit,<br />

dann weiß er, dass diese Partei der anderen<br />

Partei gegenüber einen Wissensvorsprung haben will,<br />

den er ¼ der Notar ¼ für ausgleichbedürftig hält.<br />

4. Dann kann er seine Aufgaben nicht erfüllen,<br />

weist die Beteiligten darauf hin und muss die weitere<br />

Tätigkeit ablehnen.<br />

Zu diesen Erwägungen zunächst folgende Anmerkungen:<br />

1. Dass der Notar die ihm von allen Beteiligten vermittelten<br />

Kenntnisse verwenden muss, zeigen schon<br />

§ 4 BurkG und § 14 BNotO, wonach der Notar seine<br />

Mitwirkung bei Handlungen verweigern soll, mit denen<br />

erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke<br />

verfolgt werden. Maßstab für das, was für ihn erkennbar<br />

ist, ist natürlich alles, was er weiß, woher auch<br />

immer.<br />

2. Warum sollte der Notar fragen? Bei genauerer<br />

Betrachtung ist auch diese Pflicht des Notars, sich<br />

von der Schweigepflicht entbinden zu lassen, im<br />

Gesetz angelegt und zwar in § 3 Abs. 2 S. 1 BUrkG.<br />

Den dort vorgesehenen Hinweis auf anderweitige<br />

Tätigkeit für einen Beteiligten in anderer Sache, der<br />

sogar in der Urkunde zu vermerken ist, kann der<br />

Notar nur geben, wenn er insoweit von der Schweigepflicht<br />

entbunden wird.<br />

Nun wird eingewendet: dann gehen die beiden<br />

zum nächsten Notar, der nichts weiß. Dieser Einwand<br />

beeindruckt auf den ersten Blick; bei genauerem Hinsehen<br />

ist er nicht beachtlich. Der Einwand wäre beachtlich,<br />

wenn es um die Frage ginge, ob es möglich<br />

ist zu garantieren, dass durch notarielle Tätigkeit jede<br />

Schädigung eines Beteiligten durch einen anderen<br />

Beteiligten ausgeschlossen werden könnte. Das kann<br />

nicht garantiert werden. Dass der ahnungslose Notar<br />

jederzeit seine Tätigkeit ausüben kann, ändert nichts<br />

daran, dass der wissende Notar nicht überall mitwirken<br />

darf. Der wissende Notar darf nicht entgegen §§ 4<br />

BurkG, § 14 BNotO mit der Begründung mitwirken, es<br />

fände sich sonst für die Beteiligten immer ein ahnungsloser<br />

Notar. Maßstab für die gegenüber den Beteiligten<br />

zu erfüllenden Pflichten sind immer sämtliche<br />

Kenntnisse des Notars.<br />

Weiterhin wird eingewendet: der Notar könne unter<br />

Umständen durch zu viel Fragen einen Vertrag zum<br />

Scheitern bringen und damit beeinträchtige der Notar<br />

den Grundsatz der Vertragsautonomie. Ich muss gestehen,<br />

dass mich dieser Einwand in der Tat beeindruckt;<br />

allerdings aus anderen Gründen als die Einwendenden<br />

annehmen: Gerade dieses Beispiel zeigt,<br />

dass bei genauerer Betrachtung des Sachverhalts<br />

die Parteien den Vertrag nicht abgeschlossen hätten;<br />

entweder halten die Vertragsbeteiligten die Fragen<br />

aus: dann wollen sie den Vertrag mit allen Folgen<br />

abschließen; oder die Vertragsparteien halten die<br />

Fragen nicht aus: dann ersparen die Fragen des<br />

Notars spätere Anfechtungsprozesse16 . Unter dem<br />

Aspekt, materiell sichere Verträge zu gestalten und zu<br />

beurkunden, scheint mir diese Position sinnvoller als<br />

jene der drei Affen, die nichts hören, nichts sehen<br />

und nichts sagen wollen.<br />

Im übrigen kann die andere Partei die Ablehnung<br />

durch den Notar zum Anlass nehmen, ihre Pläne zu<br />

überprüfen.<br />

Die Pflichten bei Beurkundung werden in § 17<br />

Abs. 1 S. 1 BurkG näher beschrieben:<br />

Der Notar soll:<br />

9 den Willen der Beteiligten erforschen<br />

9 den Sachverhalt klären<br />

9 die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des<br />

Geschäfts belehren<br />

9 ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift<br />

wiedergeben.<br />

Wie vorstehend beschrieben, sind diese Aufgaben<br />

auf dem Hintergrund aller Kenntnisse des Notars zu<br />

erfüllen.<br />

§ 17 Abs. 2 a BurkG verpflichtet den Notar, durch<br />

ein geeignetes Verfahren sicherzustellen, dass er die<br />

Pflichten aus Abs. 1 und 2 erfüllen kann.<br />

In § 17 Abs. 1 S. 1 BurkG wird die Tätigkeit des<br />

Notars in vier Gruppierungen beschrieben; man<br />

könnte versucht sein, diese als Schritte zu bezeichnen;<br />

damit wäre aber der Eindruck vermittelt, es han-<br />

16 Es ist schon erstaunlich, wie viel Aufklärung die Juristen den Ärzten zumuten,<br />

und wie früh sie bei eigener Betroffenheit damit aufhören wollen<br />

(auch wenn der Ansatz für die Aufklärungspflicht unterschiedlich ist).


MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 7<br />

dele sich um vier nacheinander zu ergreifende<br />

Schritte; aus dem nachfolgenden Schritt ergeben<br />

sich immer wieder Aufgaben für einen der vorausliegenden<br />

Schritte17 .<br />

9 Der Notar soll den Willen der Beteiligten erforschen.<br />

Entgegen einer weitverbreiteten Übung<br />

richtet sich diese Norm nicht an den Bürovorsteher<br />

oder sonstige Mitarbeiter des Notars sondern an<br />

den Notar selber18 . Sodann hat eben der Notar<br />

und nicht ein Dritter zu klären: Was wollen die Beteiligten<br />

wirklich? Weder darf sich der Notar mit<br />

der Angabe zufrieden geben, die der Makler ihm<br />

macht; noch darf er hinnehmen, dass nur ein Beteiligter<br />

redet und die anderen schweigen. Der<br />

lateinische Spruch ¹qui tacet consentire videturª ist<br />

neudeutsch formuliert kontraproduktiv.<br />

Strittig erscheint die Frage, wer die Beteiligten im<br />

Sinne des § 17 Abs. 1 BurkG sind. Bisher wurde<br />

gern die Auffassung vertreten, es seien die formell<br />

Beteiligten, insbesondere also die Vertreter und nicht<br />

die Vertretenen19 . Zu § 17 Abs. 2a BurkG wird folgerichtig<br />

die Meinung vertreten, es handele sich um<br />

eine leerlaufende Vorschrift20 .<br />

Schaut man in die Gesetzesmaterialien, so liest<br />

man21 :<br />

In der notariellen Praxis sind verstärkt Beurkundungen<br />

unter Beteiligung vollmachtloser Vertreter festzustellen.<br />

Dem Vertretenen wird in diesen Fällen lediglich<br />

eine vorbereitete Genehmigungserklärung übersandt,<br />

unter die dieser seine Unterschrift setzen und notariell<br />

beglaubigen lassen soll. Eine Belehrung durch den die<br />

Unterschrift beglaubigenden Notar ist nach dem Gesetz<br />

nicht vorgesehen. Durch eine solche planmäßige,<br />

missbräuchliche Gestaltung des Urkundsverfahrens<br />

wird die in § 17 Abs. 1 und 2 geforderte ausreichende<br />

Belehrung der materiell Beteiligten eindeutig unterlaufen.<br />

Dem ist entgegenzuwirken, indem die Verantwortung<br />

der Notare für die Gestaltung des Beurkundungsverfahrens<br />

hervorgehoben wird und sie angehalten<br />

werden, die Beurkundung in einer Weise durchzuführen,<br />

die die notwendige Belehrung der formell und<br />

materiell Beteiligten sicherstellt.<br />

In der Gegenäußerung der Bundesregierung22 wird<br />

dem ausdrücklich zugestimmt. Ebenso im Abschlußbericht<br />

des Rechtsausschusses des Bundestages23 Daraus ergibt sich zwanglos, dass der Gesetzgeber<br />

erreichen wollte, dass gegenüber den eigentlichen<br />

Vertragsparteien die Pflichten aus § 17 Abs. 1<br />

und 2 BurkG erfüllt werden, also gegenüber den Vertretenen24<br />

und den Vertretern.<br />

In den Entwürfen der Richtlinien der Notarkammern<br />

finden sich entsprechende Regelungen wieder, denen<br />

zufolge gerade die eigentlichen Vertragsparteien geschützt<br />

werden sollten.<br />

Dann aber ergibt sich aus § 17 Abs. 2a BurkG,<br />

dass sich § 17 Abs. 1 und 2 BurkG nicht (mehr?) als<br />

Schutznormen nur für die formell Beteiligten sondern<br />

auch als solche für die materiell Beteiligten darstellt.<br />

Soweit der Notar Aufgaben auf Dritte delegiert, hat<br />

er durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass<br />

er selbst beurteilen kann, ob tatsächlich der wahre<br />

Wille der Beteiligten erforscht worden ist.<br />

Besondere Gefahrenquellen bestehen, wenn<br />

9 der Notar nicht den Akteninhalt vollständig zur<br />

Kenntnis nimmt und sich stattdessen mit der Zusammenfassung<br />

in Gestalt des durch den Bürovorstehers<br />

gefertigten Vertragsentwurfs zufrieden gibt;<br />

9 der Notar nicht sich vergewissert, dass die Beteiligten<br />

ihm alles mitgeteilt haben, was sie vereinbart<br />

haben.<br />

Diese Gefahren verwirklichen sich,<br />

9 wenn nur Vertreter auftreten<br />

9 wenn unkritisch fremde Entwürfe verwendet werden.<br />

Im Bauträgergeschäft werden so Nebenabreden<br />

getroffen, von denen den Beteiligten empfohlen wird,<br />

sie nicht beurkunden zu lassen, weil das Kosten spare.<br />

In einem Fall hatten die Beteiligten Nebenabreden<br />

über 110.000 DM bei einem beurkundeten Preis von<br />

300.000 DM getroffen; der Schutz der MABV ging verloren;<br />

der Bauträger behauptete später, die Abreden<br />

seien später getroffen worden (sein Angebot stammte<br />

vom Tag nach der Beurkundung).<br />

Besondere Gefahren bestehen aber auch bei der<br />

Bezugnahme auf Urkunden nach § 13a BurkG und<br />

§ 14 BurkG.<br />

Die Überschriften der genannten Normen lauten:<br />

Eingeschränkte Beifügungs- und Vorlesungspflicht<br />

Eingeschränkte Vorlesungspflicht<br />

Die Überschrift lautet nicht:<br />

Einschränkung der Pflichten aus § 17 BurkG<br />

Der Notar hat sich zu vergewissern, dass der Wille<br />

der Beteiligten dem entspricht, was in den in §§ 1a<br />

und 14 genannten Unterlagen steht. Also hat er zu fragen,<br />

ob die in Bezug genommene Baubeschreibung<br />

tatsächlich wiedergebe, wie der Bau aussehen soll.<br />

17 Vgl. auch Keim, Das notarielle Beurkundungsverfahren S. 41 Rdnr. 51.<br />

18 Vgl. dazu OLG Düsseldorf NJW 1995, 1761 insoweit bestätigt von BGH<br />

IX ZR 14/95 vom 16.11.1995.<br />

19 Vgl. Frenz-Winkler Rdnr. 301, S. 99; Keidel-Winkler Rdnr. 11 zu § 17<br />

BUrkG; Huhn-Schuchmann Rdnr. 52 zu § 17 BUrkG, die allerdings auf<br />

die haftungsrechtlichen Ansprüche der materiell Beteiligten verweisen.<br />

20 Frenz-Winkler Rdnr. 303, S. 100.<br />

21 BT-Drucksache 13/4184 v. 21.3.1996 Nr.16 ¼ abgedruckt bei Frenz<br />

S. 231.<br />

22 AaO S. 234 ff., 236.<br />

23 AaO S. 237 ff., 276.<br />

24 Vgl. Brambring DNotI-Rep. 1998, 185.


8 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />

Der Notar hat den Vertragsbeteiligten Gelegenheit<br />

und Zeit zu geben, festzustellen, ob der Text ihren<br />

Vorstellungen entspricht. Er hat dafür Sorge zu tragen,<br />

dass der Text verständlich ist.<br />

Gerade § 17 Abs. 2 S. 1 BurkG besagt:<br />

Bestehen Zweifel, ob das Geschäft dem ... wahren<br />

Willen der Beteiligten entspricht, sosollen die Bedenken<br />

mit den Beteiligten erörtert werden.<br />

Den wahren Willen soll also der Notar erforschen.<br />

Was der Notar später als Erklärung der Beteiligten<br />

niederschreibt, soll deren wahrem Willen entsprechen.<br />

Um diesen zu erfahren, muss der Notar fragen.<br />

§ 17 Abs. 1 S. 2 BurkG verlangt,<br />

Dabei soll er darauf achten, dass Irrtümer und<br />

Zweifel vermieden werden ...<br />

Damit wird dreierlei angestrebt:<br />

9 es wird noch einmal betont, dass der Notar bis<br />

zum wahren Willen der Beteiligten vordringt;<br />

9 eine zutreffende Wiedergabe dessen, was als wahrer<br />

Wille der Beteiligten erforscht wurde, damit der<br />

Empfänger der zu beurkundenden Erklärung deren<br />

<strong>Inhalt</strong> zutreffend versteht;<br />

9 ein hohes Maß an materieller Bestandssicherung<br />

notarieller Verträge; wird der wahre Wille der Beteiligten<br />

erforscht und werden dabei Irrtümer oder<br />

Zweifel ausgeräumt, dann verringert sich die Gefahr,<br />

dass die Erklärungen wegen Irrtums angefochten<br />

werden können.<br />

Gleichzeitig verbietet diese Norm etwas in den Vertragsentwurf<br />

aufzunehmen, was nicht dem wahren<br />

Willen entspricht:<br />

9 Ein klassisches Beispiel sind überraschende Klauseln.<br />

Wann immer der BGH in notariell beurkundeten<br />

Verträgen überraschende Klauseln entdeckt,<br />

beruht dies darauf, dass Notare nicht nach dem<br />

wahren Willen der Beteiligten gefragt haben. Gegen<br />

§ 138 BGB verstoßende Klauseln können ebenfalls<br />

nur in den Vertrag aufgenommen werden, wenn<br />

der Notar nicht den wahren Willen der Beteiligten<br />

erforscht. Täte er dies nämlich doch, dann würde<br />

er ¼ im Regelfall ¼ merken, dass z. B. die Unerfahrenheit<br />

ausgenutzt wurde oder ein Beteiligter die<br />

Tragweite des Geschäfts nicht überblickte; dann<br />

hätte er die Beurkundung abgelehnt.<br />

Würde jeder Notar immer der Pflicht genüge, den<br />

Willen der Beteiligten zu erforschen, so würde jeder<br />

Beteiligte die Vertragsklauseln kennen, ihnen zustimmen<br />

oder sie ablehnen oder sie abändern und nicht<br />

mehr überrascht werden. Allerdings fänden sich dann<br />

in vielen Verträgen zahlreiche Klauseln nicht mehr.<br />

Auf dem Hintergrund aktueller Rechtsprechung<br />

des BVerfG und des BGH taucht in den Fällen, in denen<br />

ein Dritter einer Bank eine Sicherheit für fremde<br />

Schulden stellt, natürlich die Frage auf, weshalb dies<br />

geschieht. Soll dies etwa unter Eheleuten nur verhindern,<br />

dass Vermögen verschoben wird 25 ? Oder: ist<br />

der Beteiligte überhaupt auf Dauer leistungsfähig 26 ?<br />

Die in den Entscheidungen des BGH und des BVerfG<br />

zu den Bürgschaftsfällen herausgestellten Gesichtspunkte<br />

zwingen den Notar zu sachgerechten Fragen,<br />

damit bezogen auf diese Aspekte der wahre Wille der<br />

Beteiligten erforscht wird und in der Urkunde seinen<br />

Niederschlag findet. Wir werden in anderem Zusammenhang<br />

auf weitere aus den genannten Entscheidungen<br />

abzuleitenden Konsequenzen zu sprechen<br />

kommen (Rechtliche Tragweite erkennen; Unerfahrenheit<br />

ausgleichen etc.). Loritz 27 meint, es widerspreche<br />

der Aufgabe des Notars, die inhaltliche Ausgewogenheit<br />

der Verträge zu überprüfen und anzutasten. Dieser<br />

Satz ändert aber nichts daran, dass der Notar zunächst<br />

feststellen muss, ob das geschriebene Wort<br />

dem wahren Willen der Beteiligten entspricht. Wir<br />

werden nachstehend unter dem Aspekt des Schutzes<br />

Unerfahrener uns näher der Frage zuwenden müssen,<br />

ob und inwieweit dieser nicht nur von Loritz vertretene<br />

Satz zutreffend ist. An dieser Stelle kommen<br />

wir jedenfalls nicht an der Fragepflicht vorbei.<br />

9 Der Notar soll den Sachverhalt klären: Zunächst<br />

nimmt der Notar entgegen, was ihm die Beteiligten<br />

schildern; dies sind die ersten Informationen. Nun<br />

heißt es nicht, der Notar nehme die Angaben der<br />

Beteiligten zum Sachverhalt entgegen. Vielmehr ist<br />

von einem Tun des Notars die Rede: er klärt den<br />

Sachverhalt. Er fragt nach, er informiert sich. Aber<br />

in welche Richtung?<br />

9 was wollen die Beteiligten tatsächlich erreichen?<br />

9 was muss er wissen, um die von den Beteiligten<br />

abzugebenden Erklärungen klar und unzweideutig<br />

wiedergeben zu können?<br />

9 was für ein Sachverhalt ist regelungsbedürftig?<br />

9 was wird bereits durch das Gesetz geregelt?<br />

9 was regelt das Gesetz nicht und ist deshalb regelungsbedürftig?<br />

9 wo kann Streit zwischen den Parteien des Vertrages<br />

entstehen, der durch eine Regelung im Vertrag<br />

vermieden werden kann?<br />

9 wo wirken sich im Rechtsverhältnis der Parteien zueinander<br />

oder zu Dritten die im Vertrag getroffenen<br />

Vereinbarungen aus?<br />

9 was muss geregelt werden, damit der Vertrag problemlos<br />

durchgeführt werden kann?<br />

25 BGH NJW 1995, 592.<br />

26 BVerfG NJW 1994, 36; BGH NJW 1994, 1341.<br />

27 DNotZ 1994, 543, 546.


MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 9<br />

An einem beliebig gewählten Beispiel sei dies verdeutlicht:<br />

Ein Ehepaar erscheint beim Notar. An dem<br />

Grundstück (Wert 600.000 DM) der Ehefrau soll eine<br />

Grundschuld über 550.000 DM nebst 18% Zinsen mit<br />

dinglicher und persönlicher Unterwerfung unter die<br />

Zwangsvollstreckung bestellt werden. Welche Fragen<br />

muss der Notar stellen, um den Sachverhalt zu klären?<br />

Wir wollen zunächst nicht verhehlen, dass einige<br />

Notare 28 meinen, ihre Tätigkeit beschränke sich auf<br />

die Beurkundung des Minimums, das erforderlich ist,<br />

damit die Grundschuld nebst Unterwerfungsklausel<br />

im Grundbuch eingetragen wird und damit die persönliche<br />

Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung<br />

wirksam werde; mit Zweckerklärung etc. hätten sie<br />

nichts zu tun. Wir wollen einstweilen unterstellen,<br />

diese Position sei zutreffend und es bedürfe keiner<br />

Fragen zum Willen der Beteiligten und zum Sachverhalt.<br />

Dann aber muss der Notar den Beteiligten die<br />

rechtliche Tragweite des Geschäfts verdeutlichen:<br />

Wann immer die Bank es will, muss die Ehefrau den<br />

Grundschuldbetrag nebst Zinsen an die Bank zahlen,<br />

gleichgültig, was auf das Darlehen zurückgezahlt worden<br />

ist; dies muss den Beteiligten so deutlich geschildert<br />

werden, dass sie es verstehen; zwar werden<br />

sie nicht die Grundzüge des Abstraktionsprinzips intellektuell<br />

verstehen aber schmerzhaft empfinden,<br />

was das bedeutet. Spätestens hier merkt der Notar,<br />

dass die Beteiligten derartige Erklärungen gar nicht<br />

abgeben wollten ¼ es ist kaum vorstellbar, dass die<br />

Beteiligten nicht ¹aufschreienª, nachdem der Notar<br />

ihnen dies erklärt hat 29 ; spätestens hier findet er also<br />

auch von seinem Ausgangspunkt die Brücke zu § 17<br />

BurkG, nämlich Willenserforschung und Sachverhaltsklärung.<br />

Beginnen wir mit der Frage, ob die Bestellung der<br />

Grundschuld zu § 1365 BGB führt, ob also dadurch<br />

das wesentliche Vermögen der Ehefrau erfasst wird.<br />

Die Ehefrau bejaht dies. Daraufhin wird der Ehemann<br />

befragt, ob er der Bestellung der Grundschuld zustimmt.<br />

Er tut dies mit dem Hinweis, der Kredit<br />

komme auch ihm zugute. Nun kommen wir zwanglos<br />

zu der Frage, wer denn den Kredit aufnehme, wozu<br />

er verwendet werde und wer ihn im Innen ¼ aber<br />

auch im Außenverhältnis tilgen muss oder werde. So<br />

erfährt der Notar, dass ein Kredit über 200.000 DM<br />

dazu diene, damit die Ehefrau sich eine Eigentumswohnung<br />

erwerbe, während 350.000 DM in den<br />

Betrieb des Ehemannes gehen sollten; in diesem Verhältnis<br />

solle der Kredit zurückgezahlt werden; dazu<br />

gebe es einen Tilgungsplan für die nächsten 5 Jahre;<br />

was bis dahin nicht zurückgezahlt worden sei, sei<br />

dann jedenfalls wegen des Betriebsmittelkredites auf<br />

einmal fällig. Wir wollen nun nicht im einzelnen erör-<br />

tern, was der Regelung bedarf. Wir wollen nur vier<br />

Punkte ansprechen?<br />

1. Wie ist der Rückzahlungsanspruch der Ehefrau<br />

gegen den Ehemann gesichert?<br />

2. Was soll im Falle der Trennung der Eheleute<br />

gelten 30 ? Was stellen sich die Eheleute dazu vor?<br />

3. Wie wirkt sich diese Grundschuldbestellung im<br />

Güterrecht der Eheleute aus?<br />

4. Wie wird gesichert, dass der zugrundeliegende<br />

Kredit planmäßig abgetragen und nicht erneut aufgebaut<br />

wird 31 ?<br />

Es wird an diesem simplen Beispiel deutlich, welche<br />

Fragen geboten sind. Es sind Fragen, die erst mit<br />

der Beurkundung dieses Vorgangs eine Rolle spielen.<br />

Es sind Fragen, an die erkennbar die Beteiligten<br />

regelmäßig nicht denken oder bei denen sie falsche<br />

Vorstellungen haben. Die Fragen werden nicht einfacher,<br />

wenn die Eheleute gemeinsam an einem gemeinsamen<br />

Grundstück eine Grundschuld bestellen.<br />

9 wer zahlt während bestehender Ehe?<br />

9 wer zahlt während des Getrenntlebens?<br />

9 wer zahlt nach der Scheidung?<br />

9 wie werden diese Zahlungen in anderen Rechtsverhältnissen<br />

berücksichtigt? Was ist der Rechtsgrund<br />

dafür, dass der oder die Alleinverdienende<br />

allein zahlt und damit der oder die andere begünstigt<br />

wird (ebenfalls gegliedert nach den drei Zeiträumen)?<br />

Alle von dem zu beurkundenden Rechtsverhältnis<br />

tangierten oder dadurch erst begründeten Rechtsverhältnisse<br />

sind zu beachten; jedes Mal fragt sich,<br />

ob die Beteiligten diese Konsequenzen wollen oder<br />

bedacht haben.<br />

Gerade auf dem Hintergrund des § 17a BurkG hat<br />

der Notar rechtzeitig die Vertragsbeteiligten zu befragen,<br />

was sie wollen. Diese Frage ist nicht an die Vertreter<br />

zu richten. Wenn diese Frage nur an die Vertreter<br />

gerichtet wird, muss sie lauten, was die von ihnen<br />

Vertretenen wollen und dass wie die Vertreter erfahren<br />

haben, dass dies der Wille der Vertretenen ist.<br />

28 Aus beiden Notariatsverfassungen.<br />

29 Wir vernachlässigen hier jenen raren Beteiligten, der in Kenntnis der<br />

rechtlichen Tragweite tatsächlich eine solche Erklärung abgeben will,<br />

wie sie in den Vordrucken für Grundschuldbestellungen vorgegeben<br />

sind.<br />

30 Bekanntlich ist die Scheidung kein Grund, um in jedem Fall verlangen<br />

zu können, dass der andere Ehegatte nunmehr den Sicherungsgeber<br />

im Außenverhältnis von der Haftung befreien muss, OLG Köln NJW-RR<br />

1994, 52; BGH NJW 1989, 1920 geht von einem unter dem Vorbehalt<br />

der Nachwirkung von Ehe sowie Treu und Glauben stehenden Befreiungsanspruch<br />

aus; zur Auswirkung dieser Grundsätze im einzelnen vgl.<br />

OLG Hamm FamRZ 1992, 437 m. w. N.<br />

31 Anschaulich das ehetypische und familientypische Chaos, das im Sachverhalt<br />

von OLG Hamm FamRZ 1992, 437 geschildert wird.


10 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />

9 Der Notar soll die Beteiligten über die rechtliche<br />

Tragweite des Geschäfts belehren: Wir<br />

haben vorstehend schon gesehen, wie sich diese<br />

Aufgabe mit den anderen Aufgaben überschneiden.<br />

Gleichwohl soll diese Aufgabe noch einmal<br />

besonders behandelt werden.<br />

Diesen Satz liest jeder Notar zunächst nur, um e<br />

contrario zu schließen, dass über die wirtschaftlichen<br />

Folgen nicht zu belehren sei32 . Ist schon die Abgrenzung<br />

zwischen rechtlichen Folgen und wirtschaftlichen<br />

Folgen nicht immer leicht33 , so wird diese Krücke immer<br />

schwächer je mehr der Notar nach dem Willen<br />

der Beteiligten gefragt, den Sachverhalt geklärt und<br />

dabei erfahren hat, was die Beteiligten wirtschaftlich<br />

wollen; wenn er dann die ungeeignete rechtliche Konstruktion<br />

wählt, bewegt er sich in dem Bereich, in dem<br />

er seine Pflichten zu erfüllen hat.<br />

Sodann liest er ihn in der sicheren Überzeugung,<br />

dass über die steuerrechtlichen Folgen nicht zu<br />

belehren sei 34 . Zunächst ist dieser Lesart entgegenzuhalten:<br />

Beruht die üblicherweise negative und<br />

kostenträchtige steuerliche Folge darauf, dass der<br />

Notar nicht den Willen der Beteiligten erforscht und<br />

den Sachverhalt erfragt hat, so hat der Notar seine<br />

Urkundstätigkeit unvollständig erbracht, ohne dass es<br />

des Rekurses darauf bedarf, dass er über die rechtliche<br />

Tragweite nicht belehrt hat 35 .<br />

Schließlich wird immer wieder von dem nicht belehrungsbedürftigen<br />

Beteiligten geschrieben36 ; es sei<br />

noch einmal betont, dass es hier nicht in erster Linie<br />

um Haftungsfragen geht, sondern um die im Gesetz<br />

angelegte Rolle des Notars: im Gesetz heißt es nicht<br />

¹Der Notar hat die Beteiligten über die rechtliche<br />

Tragweite zu belehren, wenn sie der Belehrung bedürfenª.<br />

Dass im Haftungsprozess der Beteiligte vortragen<br />

muss, er habe keine Kenntnis gehabt, beruht<br />

auf Grundsätzen des Schadensersatzrechts, hat aber<br />

nichts damit zu tun, was der Notar grundsätzlich zu<br />

tun hat. Er darf von der Belehrung nur absehen,<br />

wenn er sich vergewissert hat, dass die Beteiligten<br />

bereits die gebotene Kenntnis haben.<br />

Sobald Beteiligte mit Vertragsentwürfen kommen,<br />

vergessen manche Notare ihre Belehrungspflicht in<br />

der Annahme, sie würden die Beteiligten brüskieren.<br />

Dies gilt umso mehr, wenn es sich um Entwürfe handelt,<br />

die von Rechtsanwälten gefertigt worden sind.<br />

Man erzählt sich, dass bestimmte Rechtsanwälte sich<br />

weigern, mit einem Entwurf zu einem Notar zu gehen,<br />

der dann auch noch Fragen stelle37 . Wir wollen diese<br />

Position an folgendem Beispiel auf die Probe stellen:<br />

Zu einem Notar kommen, begleitet von je einem<br />

Rechtsanwalt, die Eheleute, um einen Scheidungsfolgenvertrag<br />

abzuschließen. Der Notar gewinnt die<br />

Überzeugung, dass ein Ehepartner auf enorme<br />

Ansprüche aus Versorgungsausgleich verzichtet, und<br />

zwar aus einem berufsständischen Versorgungswerk<br />

einerseits und einer betrieblichen Altersversorgung<br />

andererseits. Für den Notar ist nicht ersichtlich, dass<br />

es für den Unterhaltsverzicht 38 , den Verzicht auf Zugewinnausgleich<br />

und den Ausschluss des Versorgungsausgleich<br />

irgendwelche Gegenleistung gibt. Auf<br />

die wegen § 39 Abs. 3 KostO gebotene Frage nach<br />

dem Vermögen der Ehegatten erklären beide, nur einer<br />

habe Vermögen, und das in Höhe von 1 Mio DM.<br />

Zunächst neigt der Notar zu der Annahme, jeder<br />

der Beteiligten sei durch seinen Rechtsanwalt hinreichend<br />

geschützt und belehrt worden, alles sei zwischen<br />

Rechtsanwälten ausgehandelt. Der Notar hält<br />

die Beteiligten für nicht belehrungsbedürftig. Damit<br />

unterliegt er einem gefährlichen Gedankenfehler. Der<br />

Aspekt der Belehrungsbedürftigkeit betrifft nur die<br />

dritte Pflicht aus § 17 BUrkG; die Belehrungsbedürftigkeit<br />

hat nichts zu tun mit<br />

9 Erforschung des wahren Willens<br />

9 Klärung des Sachverhalts<br />

9 Klare Niederschrift dessen, was die Beteiligten wollen.<br />

Deshalb hilft es nicht weiter, wenn die Beteiligten<br />

nicht der Belehrung über die rechtliche Tragweite bedürfen.<br />

Die anderen Pflichten des Notars bleiben davon<br />

unberührt.<br />

Wird der Notar der oben beschriebenen Auffassung<br />

auch dann noch sein, wenn die Ansprüche der<br />

Ehefrau gegen ihren Rechtsanwalt nach § 51b BRAO<br />

verjährt sind, bevor sie merkt, was diese Regelung für<br />

ihr Alter bedeutet; dann steht der RA nicht mehr als<br />

anderweitige Ersatzmöglichkeit 39 zur Verfügung ¼ sozusagen<br />

entfällt der Schutzschild für den Notar.<br />

32 Vgl. aber dazu die Formulierung bei Erman-Schmidt Rdnr. 2 zu § 17<br />

BurkG ¹Der Notar ... hat sich einen Überblick darüber zu verschaffen,<br />

was die Parteien wirtschaftlich wollenª.<br />

33 Vgl. die gegensätzlichen Entscheidungen von OLG Celle ZfS 1985, 19<br />

einerseits und BGH NJW-RR 1992, 92 andererseits zur Abgrenzung von<br />

Wahrnehmung rechtlicher und wirtschaftlicher Interessen bei § 1 ARB1975.<br />

34 Vgl. zu den Folgen unterbliebener notarieller Belehrung über steuerrechtliche<br />

Folgen Wagner DStR 1995, 807; Erman-Schmidt Rdnr. 7 zu<br />

§ 17 BurkG hält diese Abgrenzung für wenig überzeugend.<br />

35 Zu dieser Frage hat der BGH mit Urteil vom 13.6.1995 (IX ZR 203/94)<br />

entschieden, dass der Notar angesichts eines ihm bekannten Erwerbs<br />

durch die Verkäufer vor weniger als 2 Jahren diese nicht nach der Höhe<br />

des früheren Kaufpreises fragen müsse; wenn er dann nicht erkenne,<br />

dass der jetzige Kaufpreis höher sei, habe er keinen Anlass einen danach<br />

zu fragen und so erst den Sachverhalt zu ermitteln, aufgrund dessen<br />

ein Hinweis auf die Spekulationssteuer geboten wäre. In dieser Entscheidung<br />

taucht der bereits beim RG erwähnte Hinweis auf, es handele<br />

sich bei der Steuer um eine gesetzliche Folge und auf solche sei nicht<br />

hinzuweisen.<br />

36 Vgl. dazu Haug, Die Amtshaftung des Notars Rdnr. 446 ff. zur Frage der<br />

Belehrungsbedürftigkeit.<br />

37 Die Gerüchte gehen soweit, dass gesagt wird, der verstehe nichts von<br />

der Sache und bringe durch seine Fragen nur Verwirrung.<br />

38 Es sei kein Fall, in dem der Verzicht sittenwidrig wäre.<br />

39 Zur Auswirkung der Verjährung des anderweitigen Ersatzanspruchs auf<br />

die subsidiäre Haftung vgl. BGH BB 1992, 950; jedenfalls, wenn der Anspruchsteller<br />

schuldlos den anderweitigen Anspruch verjähren lies.


MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 11<br />

Wir lesen ihn in der Weise, dass wir feststellen, was<br />

mit ¹rechtlicher Tragweite des Geschäftsª gemeint ist.<br />

Die in § 17 Abs. 1 S. 1 BUrkG normierte Pflicht, über<br />

die rechtliche Tragweite zu belehren, orientiert sich<br />

zunächst an dem, was die Beteiligten mit dem beurkundeten<br />

Geschäft wollen. Der Notar hat sich stets zu<br />

fragen, was die Konsequenz dessen ist, was beurkundet<br />

wird; er hat sich sodann zu fragen, ob dies den<br />

Beteiligten klar ist. Dazu zwei Beispiele, bei denen der<br />

erfahrene Notar unterschiedlich reagieren wird:<br />

1. Ein Ehepaar will Gütertrennung vereinbaren. Das<br />

wirkt sich im Erbrecht aus. Von Erbrecht haben die<br />

Ehegatten keine Kenntnis, denn dort wollten sie nichts<br />

ändern.<br />

2. Ein Einzelkaufmann gründet für seine weitere<br />

kaufmännische Zukunft ¼ um seine persönliche Haftung<br />

zu begrenzen ¼ zwei GmbHs, bei denen er jeweils<br />

wesentlicher Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer<br />

sein wird. Über seine Treuepflicht als Geschäftsführer<br />

bei GmbH Nr.1, die ihm eine Konkurrenztätigkeit<br />

verbietet, ist ihm nichts bewusst; schließlich betrachtet<br />

er alles weiterhin als sein Unternehmen, in dem er sich<br />

nicht Konkurrenz machen kann. Von einem faktischen<br />

qualifizierten Konzern hat er noch nichts gehört.<br />

Im ersten Fall liegt für alle auf der Hand, dass über<br />

die erbrechtlichen Folgen zu belehren ist. Was unterscheidet<br />

aber ¼ abgesehen davon, dass es nicht um<br />

Erbrecht sondern um Gesellschaftsrecht geht ¼ den<br />

zweiten vom ersten Fall? Dass die Sache mit dem<br />

Konkurrenzverbot zunächst aus steuerlichen Gründen<br />

virulent wurde? Tatsächlich war es doch ein auf<br />

der Hand liegendes Problem aus dem Recht der Geschäftsführer.<br />

Dass damit steuerliche Folgen verbunden<br />

sind, befreit den Notar nicht von der Aufgabe,<br />

über die zivilrechtlichen Folgen zu belehren.<br />

Das weitere Problem des faktischen qualifizierten<br />

Konzerns lag seit Jahren auf dem Tisch; wenn der<br />

Beteiligte eine Haftungsbegrenzung wollte, dann waren<br />

ihm die Grenzen aufzuzeigen, die das gewählte<br />

Modell bewirkte.<br />

¹Fortsetzung folgt im 2. Teil: ¹Der Notar soll die Erklärungen der<br />

Beteiligten klar und unzweideutig in die Urkunde aufnehmenª,<br />

¹Unerfahrenheit und Ungewandheitª, ¹Grenzen notarieller Tätigkeitª.<br />

Das englische Notariat<br />

Rechtsanwalt und Notar Volker G. Heinz, Berlin,<br />

Barrister at Law, London<br />

I. Einleitung<br />

Wer den Versuch unternimmt, anhand der in<br />

Deutschland veröffentlichten Literatur sich ein Bild<br />

über das heutige englische 1 Notariat zu bilden, wird<br />

wenig erhellt. Da es an einer Gesamtdarstellung<br />

fehlt 2 , lassen sich die vereinzelten Hinweise systematisch<br />

nur schwer bzw. gar nicht einordnen. Bedrükkender<br />

ist, dass diese Hinweise, insbesondere wenn<br />

es sich um solche allgemeiner Natur handelt, den Betrachtungsgegenstand<br />

oft unzureichend, in vielen Fällen<br />

leider schlicht falsch wiedergeben. Dies hat nicht<br />

allein mit den Schwierigkeiten zu tun, die eine fremde<br />

Sprache und ein fremdes Recht zweifellos darstellen;<br />

insbesondere in den berufspolitischen Publikationen<br />

spiegelt sich auch der internationale Wettbewerb der<br />

Rechtssysteme einerseits und der Rechtsberufe mit<br />

Auslandsberührung andererseits wieder.<br />

Die nachfolgenden Ausführungen können die vermisste<br />

Gesamtdarstellung des englischen Notariats<br />

nicht ersetzen. Sie stellen jedoch einen ersten Versuch<br />

dar, innerhalb der räumlichen Grenzen eines<br />

Aufsatzes aus aktueller Sicht einen ersten Überblick<br />

über Geschichte, Natur und Aktivitäten des englischen<br />

Notariats vorzustellen. Ein kurzer Blick in die<br />

englische notarrechtliche Literatur (II.) sowie ein kurzer<br />

Ausflug in die Geschichte des englischen Notariats<br />

(III.) sind zum besseren Verständnis unerlässlich,<br />

bevor ich mich dem Hauptteil (IV.) zuwende.<br />

II. Literatur<br />

Die notariatsrechtliche Literatur in England und<br />

Wales (die Notariate in Schottland, Nordirland, den<br />

Kanalinseln sowie der Isle of Man unterliegen eigenständigen<br />

Regeln) wird seit dem Jahre 1839, dem Erscheinen<br />

der ersten Auflage, dominiert von ¹Brooke's<br />

Notaryª 3 , der seit 1992 in seiner elften Auflage vorliegt,<br />

ergänzt im Jahre 1994 durch einen ersten<br />

Nachtrag; letzterer befasst sich schwerpunktmäßig<br />

mit neueingeführten Regelungen des notariellen Disziplinarrechts.<br />

Angesichts einer Fülle untergesetzlicher<br />

Regelungen, die für den Notarberuf in den<br />

achtziger und neunziger Jahren des vergangenen<br />

Jahrhunderts auch nach 1994 ergangen sind, sehen<br />

die englischen Notare ungeduldig einer zwölften Auflage<br />

entgegen, vor allem mit Rücksicht auf die im<br />

Jahre 1998 ergangenen Neuregelungen betreffend<br />

den Zugang zum Notariat, aber auch mit Rücksicht<br />

auf den ¹Access to Justice Act 1999ª, der das jahrhundertealte<br />

örtliche Monopol der Londoner Scrivener<br />

Notaries für notarielle Tätigkeiten in der Londoner<br />

1 Die Ausführungen zum englischen Notariat gelten gleichermaßen für das<br />

Königreich England und das Fürstentum Wales.<br />

2 Die Ausführungen von A. Mann ¹Die Urkunde ausländischer, insbesondere<br />

englischer Notare und der deutsche Rechtsverkehrª in NJW 1995,<br />

1177 ff. sowie von I. Stauch in ¹Die Geltung ausländischer notarieller<br />

Urkunden in der Bundesrepublik Deutschlandª, 1983, S. 127 ff. sind entweder<br />

zu sektoral, oder teilweise veraltet, oder beides.<br />

3 Richard Brooke war Barrister, kein Notary Public.


12 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />

City und in einem Gebiet von drei Meilen um die City<br />

gebrochen hat 4 .<br />

Einen beachtlichen Teil der entstandenen Lücke<br />

füllt nunmehr das 1999 erschienene Werk ¹The<br />

General Notaryª 5 von A.G. Dunford, der als Sekretär<br />

der Notaries Society (wohl am ehesten der Bundesnotarkammer<br />

vergleichbar6 und zugleich als praktizierender<br />

englischer Notar die berufsrechtlichen<br />

und praktischen Aspekte der englischen Notarstätigkeit<br />

gleichermaßen kompetent in seinem Werk darzustellen<br />

weiß.<br />

Zum tieferen Verständnis der Geschichte des englischen<br />

Notariats sind zwei Monographien unentbehrlich:<br />

zum einen ¹Notaries public in England in the 13<br />

th and 14 th centuriesª von C.R. Cheney, 1972, zum<br />

anderen ¹Notaries Public in England since the Reformationª<br />

von C.W. Brooks, R.H. Helmholz und P.G.<br />

Stein, 1991. Wichtige Hinweise enthält auch der Aufsatz<br />

von H.C. Gutteridge, ¹The Origin and historical<br />

development of the profession of notaries public in<br />

Englandª, Cambridge Legal Essays, 1926. Zu erwähnen<br />

ist schließlich noch ein älteres Werk: Joshua<br />

Montefiore, ¹Commercial and Notarial Precedentsª,<br />

1813, welches einen interessanten Einblick in notarielle<br />

Formulare des frühen 19. Jahrhunderts gewährt.<br />

III. Geschichte<br />

1. Die in ¹Brooke's Notaryª dargestellte Geschichte<br />

des englischen Notariat7 lässt keinen Zweifel daran,<br />

dass auch das englische Notariat eine Tochter des in<br />

Bologna wiederbelebten römischen Notariats und damit<br />

dessen Enkeltochter ist. Die ersten in England im<br />

11. und 12. Jahrhundert auftretenden Notare sind<br />

vom Kaiser oder Papst bestellte Italiener, die sich erkennbar<br />

auf Rechtsgebieten betätigten, die das Common<br />

Law und seine Gerichte, jedenfalls bis dahin,<br />

nicht erobert hatte, also im wesentlichen auf den<br />

Gebieten des von der Kirche beherrschten Familienund<br />

Erbrechts sowie ¼ bei den päpstlichen Notaren ¼<br />

des Kirchenrechts selbst. Die beiden ersten in England<br />

tätigen Notare bekannter Identität sind wohl ein<br />

gewisser Swardius (tätig zu Zeiten des Königs<br />

Eduard des Bekenners) und später ein Master Philip<br />

(1199). Diese frühen ¹importiertenª Notare muss man<br />

sich in erster Linie als Urkundsbeamte (Registrare)<br />

der kirchlichen Gerichte vorstellen, die mit administrativen<br />

prozessleitenden Funktionen, mit der Protokollierung<br />

und amtlichen Abfassung der Verhandlungen<br />

und Entscheidungen der Gerichte, der Erteilung<br />

von Abschriften, später auch mit der Vorbereitung<br />

von Rechtsmittelschriften befasst waren. Der Übergang<br />

vom Gerichtsbeamten zum Inhaber eines freiberuflichen<br />

Notaramtes vollzog sich über viele Jahrhunderte<br />

in eher mäanderhafter Weise. Einige der<br />

später freiberuflichen Notare ließen sich (zusätzlich)<br />

zu Urkundsbeamten an den kirchlichen Gerichten bestellen,<br />

während andere das Notaramt teils vollberuflich,<br />

teils neben dem Anwaltsberuf ausübten.<br />

Die rein kirchlichen Funktionen der Notare betreffen,<br />

übrigens auch heute noch, im wesentlichen die<br />

Überwachung und Protokollierung kirchenorganisationsrechtlicher<br />

Vorgänge, zum Beispiel die Wahl<br />

eines Bischofs.<br />

2. Die Entwicklung eines eigenständigen englischen<br />

Notariats begann im Jahre 1279 mit einem Erlass des<br />

Papstes Nikolaus III., welcher John Pichem, dem Erzbischof<br />

von Canterbury, das Recht verlieh, jährlich drei<br />

päpstliche Notare zu ernennen. Dieser Erzbischof importierte<br />

zugleich aus Bologna einen Notar namens<br />

John (Giovanni) of Bononia (Bologna) mit dem Ziele,<br />

die zu ernennenden englischen Notare im Sinne der<br />

Bologneser Schule auszubilden. Der Schwerpunkt ihrer<br />

Tätigkeit lag weiterhin im Kirchenrecht im engeren<br />

Sinne und den kirchenrechtlich und kirchengerichtlich<br />

dominierten Gebieten des Privatrechts. Die englischen<br />

Notare erlangten jedoch auch Bedeutung im Zusammenhang<br />

mit der Beurkundung staatsrechtlicher Akte<br />

wie zum Beispiel der Absetzung eines Königs. Das<br />

schrittweise Vordringen in den Bereich des Privatrechts<br />

hat wohl im 14. Jahrhundert verstärkt eingesetzt<br />

und betraf vornehmlich notarielle Aktivitäten in den Bereichen<br />

des Familien- und des Nachlassrechtes 8 .Mit<br />

dieser Entwicklung einher ging die schrittweise Trennung<br />

des bislang einheitlichen Notaramtes in das Amt<br />

des weltlichen und das Amt des kirchlichen Notars.<br />

3. Ein dritter Abschnitt in der Geschichte des englischen<br />

Notariats umfasst den Zeitraum von 1533 bis<br />

1801. Als Folge der englischen Reformation unter<br />

Heinrich VIII. nahm nunmehr die englische Krone<br />

exklusiv für sich in Anspruch, Notare zu ernennen,<br />

delegierte diese Befugnis jedoch zugleich wieder auf<br />

den nunmehr der englischen Krone und der neugeschaffenen<br />

anglikanischen Staatskirche verpflichteten<br />

Erzbischof von Canterbury, der in diesem Geschäft<br />

nicht unerfahren war. Diese Delegation erfolgte im<br />

4 Die parlamentarische Geschichte dieses Monopolverlustes zeigt, wie<br />

schmerzlich und mühsam die Veränderung alter Traditionen sein kann.<br />

Darüber erschien soeben eine Veröffentlichung des Solicitor Notary Mark<br />

Kober-Smith mit dem Titel ¹Legal Lobbyingª, Cavendish Publishing Ltd,<br />

London und Sydney.<br />

5 ¹The General Notaryª ist der Nachfolger des Taschenbuches ¹The Provincial<br />

Notaryª des englischen Notars G.E. Delafield, dessen 3. und letzte<br />

Ausgabe 1991 von A.G. Dunford bearbeitet worden ist und dessen weitere<br />

Publikation mit der Abschaffung der District Notaries ebenfalls endete.<br />

6 Allerdings ist die Mitgliedschaft in der Notaries Society freiwillig.<br />

7 S. 1 - 19.<br />

8 Dies erklärt sich auch aus dem Umstand, dass es ein Vertrags-Recht<br />

(contract) sowie ein Recht der unerlaubten Handlung (tort) zu dieser Zeit<br />

noch nicht gab; diese Rechtsgebiete bildeten sich im wesentlichen im<br />

18. Jahrhundert mit der weiteren Ausformung des Common Law heraus.


MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 13<br />

Jahre 1533 über den ¹Ecclesiastical Licences Actª.<br />

Bis zur ersten gesetzlichen Regelung des Notarberufes<br />

im Jahre 1801 durch den ¹Public Notaries Actª<br />

weitete sich das Notaramt allmählich auf neue Gebiete<br />

aus, insbesondere auf einige Spezialgebiete des<br />

Handelsrechts (Schifffahrtsrecht, Wechselrecht), auf<br />

den internationalen Rechtsverkehr und vor allem auf<br />

das Gebiet des Grundstücksverkehrsrechts (Kaufverträge,<br />

Hypothekenbestellungen), auf dem die englischen<br />

Notare, jedenfalls in London, wo traditionell<br />

der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Aktivitäten Englands<br />

liegt, schrittweise eine Vormachtstellung erlangten.<br />

Die Londoner Notare hatten sich in der ¹Scriveners<br />

Companyª zusammengeschlossen, einer Gilde,<br />

die drei unterschiedliche Berufe umfasste, nämlich<br />

die Scrivener selbst (ursprünglich lediglich gelehrte<br />

Schreiber), Attornies-at-Law (Vorläufer der heutigen<br />

Solicitor) und eben Notare. Die grundstücksrechtliche<br />

Vormachtstellung der in dieser Company zusammengeschlossenen<br />

Londoner Notare wurde allerdings<br />

anlässlich einer gerichtlichen Auseinandersetzung<br />

zwischen der Scriveners Company und Vertretern<br />

weiterer Rechtsberufe im Jahre 1760 gebrochen 9 .Es<br />

verwundert nicht, dass aufgrund ihrer größeren Mandantennähe<br />

und Zahl sowie wegen des für Notare<br />

geltenden Verbotes, streitige Verfahren zu führen, die<br />

Attornies, Solicitors und Proctors einerseits (1875 anlässlich<br />

der Zusammenlegung der Common Law und<br />

Equity Gerichte im High Court zum einheitlichen Beruf<br />

des Solicitors zusammengeschlossen) und die Barrister<br />

und Serjeants-at-Law andererseits die englischen<br />

Notare letztlich erfolgreich aus dem Grundstücksverkehrsrecht<br />

verdrängten, zumal das nationale<br />

englische Recht bis heute, von einer einzigen später<br />

zu erwähnenden Ausnahme abgesehen, keine notariellen<br />

Beurkundungspflichten kennt 10 .<br />

Das Fehlen umfassender gesetzlicher Regelungen<br />

zur Notariatsverfassung und zur Amtsausübung hat<br />

es den englischen Notaren immer wieder ermöglicht,<br />

beim Verlust bestimmter Tätigkeiten in neue (Rechts-)<br />

Gebiete vorzudringen. Der Verlust der Vormachtstellung<br />

im Grundstücksverkehrsrecht wurde teilweise<br />

durch Tätigkeiten als Grundstücksmakler (ähnlich<br />

den französischen Notaren), teilweise durch Eintritt in<br />

den Markt der Geldverleiher kompensiert, auch wenn<br />

diese beruflichen ¹Ausflügeª nach dem Erstarken der<br />

entsprechenden Spezialberufe (Real Estate Agent;<br />

Banker) nicht von großer Dauer waren. Tendenziell<br />

wurden die englischen Notare aus dem heimatlichen<br />

Rechtsmarkt verdrängt; sie wandten sich daher<br />

folgerichtig zunehmend dem grenzüberschreitenden<br />

Rechtsverkehr zu mit der Folge, dass man einige, insbesondere<br />

Londoner Notare schon fast als ¹ausländische<br />

Notare in Englandª bezeichnen könnte: diese<br />

Notare kennen sich sowohl im englischen, als auch<br />

im Recht führender ausländischer Rechtsordnungen<br />

aus und erstellen neben englisch-rechtlichen Urkunden<br />

auch Urkunden im ausländischen Recht unter<br />

Berücksichtigung ausländischer Formvorschriften.<br />

IV. Das heutige Notariat in England und Wales<br />

Das moderne englische Notariat wurde begründet<br />

durch den ¹Public Notaries Act 1801ª, gefolgt von<br />

den Public Notaries Acts 1833 und 1843 11 , dem<br />

¹Courts and Legal Services Act 1990ª und schließlich<br />

dem ¹Access to Justice Act 1999ª. Im Verlaufe dieser<br />

200 Jahre hat sich das englische Notariat in seiner<br />

heutigen Form herausgebildet. Es ist durch folgende<br />

Charakteristika gekennzeichnet:<br />

Tätigkeitsgebiete englischer Notare<br />

1. Mit Ausnahme des Erfordernisses, einen förmlichen<br />

Wechselprotest bezüglich eines Auslandswechsels<br />

durch einen Notar vornehmen zu lassen 12 ,<br />

kennt das englische Recht keine obligatorische Einschaltung<br />

eines Notars.<br />

2. Der besondere Charm des englischen Notariats<br />

liegt darin, dass in Ermangelung eines gesicherten<br />

heimatrechtlichen Beurkundungsmarktes ¼ das Common<br />

Law bedient sich bei förmlichen Verträgen bevorzugt<br />

der Rechtsfigur des Deed, also einer Rechtsurkunde<br />

unter Verwendung von Siegeln und Unterschriftszeugen<br />

¼ die große Mehrzahl der notariellen<br />

Tätigkeiten den internationalen Rechtsverkehr betrifft.<br />

Dies betrifft aus geschichtlichen Gründen in erheblichem<br />

Umfange Länder des britischen Commonwealth,<br />

aber seit dem Beitritt Großbritanniens zur Europäischen<br />

Gemeinschaft auch verstärkt Länder der<br />

EU. Die Besonderheit, die das englische Notariat insoweit<br />

aufweist, besteht darin, dass die englische notarielle<br />

Urkunde nicht nur nach englischem Recht<br />

wirksam sein muss, sondern zugleich auch auf die<br />

materiellen und formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen<br />

des Empfängerstaates zu achten hat 13 . Ein juristisches<br />

Dokument, welches den Anforderungen zweier<br />

9 Harrison v. Smith, 1760, siehe E. Freshfield (Hrg.), The Records of the<br />

Society of Gentlemen Practisers (1897).<br />

10 Dies gilt gleichermaßen für die skandinavischen Länder (ist es nur<br />

Zufall, dass das insbesondere von Napoleon wiederbelebte und neu<br />

ausgestaltete lateinische Notariat in Europa in ausgereifter Form heute<br />

gerade dort nicht anzutreffen ist, wohin auch seine Truppen nicht<br />

gelangten?).<br />

11 Das ausgehende 18. und angehende 19. Jahrhundert hat auch auf dem<br />

europäischen Kontinent wichtige notarrechtliche Kodifikationen erlebt.<br />

Mit dem Untergang des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation<br />

war für kaiserlich ernannte Notare kein Raum mehr. Der Vertrag von<br />

Luneville vom 9.2.1801 besiegelte diesen Untergang förmlich und ist<br />

zugleich Geburtsstunde des europäischen Nationalstaates moderner<br />

Prägung.<br />

12 § 51 Abs. 7 Bill of Exchange Act 1882.<br />

13 Dunford 45 ff.


14 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />

Jurisdiktionen gleichermaßen Genüge tun muss, erfordert<br />

von dem dazu berufenen Juristen sowohl erweiterte<br />

Sprachkenntnisse als auch die Kenntnis<br />

fremder Rechtsordnungen, wobei sowohl sprachlich<br />

als auch rechtlich der Schwerpunkt auf den Bereichen<br />

des Gesellschaftsrechts, des Urheberrechts,<br />

des Grundstücksrechts und des Vollmachtsrechts<br />

liegt. Aus diesem Grunde sind auf diesen Gebieten<br />

insbesondere die Londoner Scrivener Notaries, aber<br />

auch zunehmend die General Notaries in mehreren<br />

Sprachen und Rechtsordnungen im gebotenen Umfange<br />

¹zu Hauseª. Auslandsrechtliche Publikationen<br />

gehören ebenso zur Standardausrüstung des englischen<br />

Notariats wie eine beeindruckende Reihe<br />

allgemeiner und rechtsspezifischer zwei- und mehrsprachiger<br />

Wörterbücher. Der englische Notar hat<br />

sich darüber hinaus eingehend mit den jeweils erforderlichen<br />

Legalisationsvoraussetzungen zu befassen.<br />

Er prüft deren Voraussetzungen und organisiert deren<br />

Erlangung.<br />

3. Im englischen Rechtsmarkt sind die Notare<br />

außerhalb der bereits erwähnten Wechselproteste<br />

noch auf dem Gebiet der Schiffsproteste 14 tätig. Ein<br />

Schiffsprotest ist eine notarielle Urkunde, über die<br />

der Kapitän und andere Besatzungsmitglieder unter<br />

Verwendung der Eintragungen im Logbuch Ereignisse<br />

zu Protokoll geben, die zu Schäden an Schiff und<br />

Ladung geführt haben bzw. wo solche Schäden<br />

befürchtet werden, und zwar unter gleichzeitigem<br />

Hinweis auf fehlendes eigenes Verschulden. Sowohl<br />

Wechsel- als auch Schiffsproteste gehen über reine<br />

Beglaubigungsfunktionen hinaus: Hier errichten englische<br />

Notare klassische notarielle Urkunden nach<br />

kontinentaleuropäischem und damit letztlich nach<br />

römischem Vorbild.<br />

Darüber hinaus überwachen englische Notare<br />

die (lotteriemäßig ausgestaltete) Ziehung einer zur<br />

Auszahlung vorgesehenen Teilmenge von Schuldverschreibungen<br />

sowie die gleichfalls anonymisierte<br />

Zuteilung von Aktien bei überzeichneten Emissionen;<br />

auch überwachen sie die geordnete Zerstörung von<br />

nicht mehr für den Markt bestimmten Wertapieren 15 .<br />

In all diesen Fällen errichtet der Notar entsprechende<br />

Urkunden, in denen er die Ordnungsmäßigkeit der<br />

entsprechenden Vorgänge exakt beschreibt und bescheinigt.<br />

Weiterhin sind die Notare ¼ in Konkurrenz mit<br />

anderen Rechtsberufen ¼ auf den Gebieten der<br />

Grundstückskäufe, der Bestellung von Grundstücksbelastungen,<br />

dem Erbrecht 16 , der Abfassung von<br />

Charter-Verträgen für die Seeschiffahrt 17 sowie der<br />

Registrierung, Veräußerung und Belastung von Schiffen<br />

18 tätig.<br />

Der englische Notar ist zugleich Commissioner of<br />

Oaths und auch insoweit zur Abnahme von Eiden<br />

und zur Entgegennahme von Versicherungen an Eides<br />

Statt befugt19 . Schließlich ist der englische Notar<br />

befasst mit:<br />

a) der Aufnahme fremdrechtlicher und/oder fremdsprachiger<br />

Rechtsdokumente20 in Form einer öffentlichen<br />

Urkunde,<br />

b) der Beglaubigung von Abschriften und Kopien21 ,<br />

c) der Beglaubigung von Unterschriften 22 von Parteien<br />

und Zeugen, vornehmlich auf Vollmachten des<br />

internationalen Rechtsverkehrs, häufig unter gleichzeitiger<br />

Bescheinigung der Existenz, Rechtsfähigkeit<br />

und ordnungsgemäßen Vertretung von Gesellschaften<br />

und anderen Vollmachtgebern und unter Bestätigung<br />

der Rechtswirksamkeit der Erklärungen nach englischem<br />

Recht,<br />

d) der Bescheinigung über notarielle Wahrnehmungen,<br />

auch über die Beobachtung von Unterschriftsleistungen<br />

hinaus, insbesondere über die Feststellung<br />

von rechtsrelevanten Tatsachen und Rechtsverhältnissen<br />

wie Erbenstellung, Volljährigkeit, Heiratsfähigkeit23 ,<br />

Gesellschafterbeschlüssen24 u. a.,<br />

e) der Beglaubigung von Übersetzungen 25 .<br />

Notariatsverfassung<br />

4. Mit der Abschaffung der örtlich begrenzt tätigen<br />

sogenannten District Notaries im Jahre 199026 gibt es<br />

in England neben den Ecclessiastical Notaries, also<br />

kirchlichen Notaren, die exklusiv im kirchlichen Bereich<br />

tätig sind, nur noch den General Notary (derzeit rund<br />

950). Die General Notaries sind ganz überwiegend zugleich<br />

Solicitor, selten auch Barrister, außerhalb Londons<br />

praktisch nie Nur-Notar. Der gegenwärtig allein in<br />

London praktizierende sogenannte Scrivener Notary<br />

(derzeit rund 25) hat neben dem General Notary keinerlei<br />

besondere notariellen Befugnisse; er ist ein General<br />

Notary mit in der Regel erweiterter fremdrechtlicher und<br />

fremdsprachlicher Ausbildung, der der zusätzlichen ge-<br />

14 Brookes Notary 164 ff.<br />

15 AaO 168 ff.<br />

16 Brookes Notary 24 f.<br />

17 AaO 25.<br />

18 Dunford 89 ff.<br />

19 AaO 147,168.<br />

20 Brookes Notary 397 ff.<br />

21 Dunford 203.<br />

22 AaO 167.<br />

23 AaO 192 f.<br />

24 AaO 174 ff.<br />

25 AaO 204; allerdings sind die englischen Notare insoweit weder gesondert<br />

vereidigt, noch versichern sie die Richtigkeit der beglaubigten Übersetzung<br />

an Eides statt.<br />

26 District Notary konnte man damals nur werden, wenn man in seinem örtlichen<br />

beruflichen Wirkungskreis als ¹eminent lawyerª galt, was in der<br />

Regel durch Empfehlungsschreiben von rund 20 führenden Geschäftsleuten<br />

zu belegen war!


MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 15<br />

sonderten, jedoch dem Faculty Office untergeordneten<br />

Disziplinargewalt der Scriveners Company untersteht27 .<br />

Er ist in der Regel Nur-Notar, ganz ausnahmsweise zugleich<br />

Barrister oder Solicitor, gelegentlich zugleich<br />

ausländischer Anwalt.<br />

5. Der englische Notar beglaubigt und beurkundet<br />

kraft staatlicher Autorität. Seine Ernennungsurkunde<br />

erhält der Notar durch das Faculty Office vom Erzbischof<br />

von Canterbury, der aufgrund staatlicher<br />

Delegation für die Ernennung der Notare, und zwar<br />

sowohl der kirchlichen als auch der weltlichen, seit<br />

1533 zuständig ist. Der englische Notar übt somit ein<br />

öffentliches Amt aus28 .<br />

6. An der Spitze des Faculty Office steht dessen<br />

Master, meist, aber nicht notwendigerweise ein Richter<br />

Ihrer Majestät, der aufgrund staatlicher Ermächtigung<br />

über die spärlichen gesetzlichen notariatsrechtlichen<br />

Regelungen hinaus untergesetzliche Regelungen erlässt<br />

(¹Rules and Regulationsª) 29 und über diese den<br />

gesamten Notarberuf reguliert, angefangen von der<br />

Ausbildung über die Ernennung und die Disziplinargewalt<br />

bis hin zur Amtsenthebung. Die Verwaltungsspitze<br />

bildet der Registrar des Faculty Office. In Fragen<br />

der Notariatszulassung steht ihm ein achtköpfiges Gremium<br />

beratend zur Seite, das sogenannte Qualifications<br />

Board, das mit erfahrenen Notaren besetzt ist.<br />

Gegen Entscheidungen des Master können Rechtsmittel<br />

bei der Chancery Division des High Court of<br />

Justice eingelegt werden.<br />

7. Das englische Notariat unternimmt seit etwa<br />

20 Jahren verstärkte Anstrengungen, sich dem lateinischen<br />

Notariat weitestgehend (wieder) anzunähern.<br />

Praktisch alle relevanten Rules and Regulations des<br />

Masters des Faculty Office stammen aus den achtziger<br />

und neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts<br />

und haben klare kontinentaleuropäische<br />

Vorbilder30 . Sie befassen sich im wesentlichen mit<br />

den Zulassungsvoraussetzungen, den Disziplinarregeln,<br />

der laufenden Überwachung der Jungnotare<br />

während der ersten zwei Jahre nach der Ernennung,<br />

Fragen der Versicherung und des Entschädigungsfonds,<br />

der Führung von Register und Urkundensammlung,<br />

der ordnungsgemäßen Berufsausübung,<br />

der eingeschränkten Werbemöglichkeiten der Notare<br />

und der Führung notarieller Konten und Anderkonten.<br />

Englische notarielle Urkunden<br />

8. Im Gegensatz zu Urkunden des kontinentaleuropäischen<br />

Notars genießt die Urkunde des englischen<br />

Notars in England selbst nicht den gleichen privilegierten<br />

Beweiswert31 . Englische notarielle Urkunden ¼<br />

wohl aber nach der überwiegenden Rechtsprechung<br />

kontinentaleuropäische ¼ sind nach englischem Recht<br />

keine öffentlichen Urkunden (¹Public Documentsª),<br />

auch wenn sie den Public Documents inzwischen<br />

wesensmäßig stark angenähert worden sind 32 .Demgegenüber<br />

werden englische notarielle Urkunden<br />

außerhalb Englands praktisch weltweit als öffentliche<br />

Urkunden anerkannt. Seit mehreren Jahren bemühen<br />

sich die englischen Notare um eine entsprechende<br />

Gesetzgebung, die ihre Urkunden binnenrechtlich den<br />

kontinentaleuropäischen insoweit gleichstellen soll.<br />

9. Englische Notare sind auch nicht befugt, bestimmte<br />

sich aus ihren Urkunden ergebende Ansprüche<br />

für vollstreckbar zu erklären und im Bedarfsfalle<br />

eine Vollstreckungsklausel zu erteilen. Diese Rechtsfigur<br />

ist dem Common Law fremd. Andererseits können<br />

notarielle Urkunden EU-europäischer Notare inzwischen<br />

in England nach dem Europäischen Gerichtsstands-<br />

und Vollstreckungsübereinkommen (EuG-VÜ)<br />

auch in England vollstreckt werden mit der kuriosen<br />

Folge, dass englische Mandanten von ihren eigenen<br />

Notaren keine vollstreckbare notarielle Urkunde erlangen<br />

können, sich vielmehr zu diesem Zwecke ins EUeuropäische<br />

Ausland begeben müssen. Auch hier bemühen<br />

sich die englischen Notare bereits seit Jahren<br />

um entsprechende gesetzliche Änderungen. Es bleibt<br />

jedoch festzuhalten, dass trotz fehlenden privilegierten<br />

Beweiswertes der englischen notariellen Urkunde und<br />

trotz fehlender Befugnis zur Beurkundung von Vollstreckungsklauseln<br />

der englische Notar Inhaber eines<br />

staatlichen Amtes unter staatlicher Aufsicht ist.<br />

10. Wie seine kontinentaleuropäischen Kollegen, so<br />

führt auch der englische Notar eine aussagekräftige<br />

Urkundenrolle; daneben hat sich auch eine Urkundensammlung<br />

vergleichbarer Qualität durchgesetzt33 .<br />

11. Wie bereits zu oben 2. und 3. dargestellt, kennt<br />

der englische Notar die klassische kontinentaleuropäische<br />

Notariatsurkunde mit all ihren Erfordernissen<br />

(sogenannter ¹public [oder authentic] actª [oder instrument])<br />

sowohl im Rechtsverkehr mit dem Ausland, als<br />

auch binnenrechtlich vor allem auf dem Gebiet der<br />

Schiffsproteste. Daneben gibt es eine Fülle sogenann-<br />

27 Dunford 14 f.<br />

28 Der Amtseid des Englischen Notars lautet wie folgt: ¹I do solemnly, sincerely,<br />

and truly declare and affirm that I will faithfully exercise the office<br />

of a notary public. I will faithfully make contracts or instruments for or<br />

between any party or parties requiring the same, and I will not add or<br />

diminish anything without the knowledge and consent of such party or<br />

parties that may alter the substance of the fact. I will not make or attest<br />

any act, contract, or instrument, in which I shall know there is violence<br />

or fraud; and in all things I will act uprightly and justly in the business of<br />

a notary public, according to the best of my skill and ability.ª<br />

29 Brookes Notary 519 ff.; dto. 1. Nachtrag 15 ff., Dunford 229 ff.<br />

30 AaO 519 ff.; dto. Nachtrag 15 ff.; Dunford 229 ff.<br />

31 Dunford 44.<br />

32 Brookes Notary 60 ff.; Dunford 44; die Woolf-Reform 1999 des Zivilprozessrechts<br />

hat praktisch dazu geführt, dass nun auch englische notarielle<br />

Urkunden unmittelbaren Beweiswert haben, sofern sie von der<br />

Gegenseite nicht angegriffen werden: dann wird weiterhin der Notar als<br />

Zeuge zu vernehmen sein.<br />

33 Dunford 29 ff.


16 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />

ter notarieller Bescheinigungen (sogenannte ¹private<br />

actsª) über Tatsachen und Rechtverhältnisse, insbesondere<br />

Unterschriftsbeglaubigungen, Identitätsfeststellungen,<br />

Vertretungsverhältnisse etc. In all dem ist der<br />

englische Notar ein echter ¹Amtsbruderª seines kontinentaleuropäischen<br />

Kollegen, vielleicht mit Ausnahme<br />

der Tatsache, dass der Notar die (zunehmend für geboten<br />

erachtete) Belehrung der Beteiligten nicht in die<br />

eigentliche Urkunde aufnehmen muss. Stattdessen vermerkt<br />

der englische Notar entsprechende Belehrungen<br />

häufig in der Urkundenrolle 34 ; und lässt sich diese mitunter<br />

von den Beteiligten gegenzeichnen 35 !<br />

Ausbildung und Zugang<br />

12. Vor dem Hintergrund seiner internationalen<br />

Ausrichtung verwundert es daher nicht, dass die gängige<br />

Prüfung in englischer notarieller Praxis von den<br />

Examinanden die Kenntnis der Legalisationsvoraussetzungen<br />

für rund 200 (!) Länder dieser Erde verlangt,<br />

darüber hinaus für eben diese Länder deren<br />

Formerfordernisse (bis hin zu den einzelnen Staaten<br />

Australiens, der USA und Kanadas!) und für eine<br />

Reihe ¹gängigerª Jurisdiktionen auch die wichtigsten<br />

materiellen Grundsätze in den vorgenannten Rechtsgebieten36<br />

. In guter englischer Tradition werden Prüfungen<br />

grundsätzlich ¼ außer Papier und Stift ¼ ohne<br />

jegliche Hilfsmittel und unter der Aufsicht eines ¹Invigilatorª<br />

abgehalten. Der Examinand muss in der Lage<br />

sein, die wichtigsten notariellen Urkunden aus dem<br />

Gedächtnis zu entwerfen und niederzuschreiben. Zusätzliche<br />

Prüfungsvoraussetzungen bei den Scrivener<br />

Notaries sind Sprachkenntnisse in zwei selbst gewählten<br />

Sprachen sowie Rechtskenntnisse in einer<br />

weiteren Jurisdiktion.<br />

13. Die Internationalität und Weltoffenheit des englischen<br />

Notariats haben dazu geführt, dass durch<br />

Änderungen in den Jahren 1994 und 199937 nunmehr<br />

EU-europäische Juristen, die in ihren Heimatländern<br />

zugelassene Notare sind oder dort die Ernennungsvoraussetzungen<br />

erfüllen, auch in England<br />

unter Verzicht auf das Staatsangehörigkeitserfordernis<br />

unter freier Ortswahl zu englischen Notaren ernannt<br />

werden können, sofern sie die erforderlichen<br />

Sprach- und Rechtskenntnisse nachweisen38 . Dieser<br />

Nachweis erfolgt im Wege eines Eignungstestes, dessen<br />

Umfang vom sogenannten Qualifications Board<br />

des Faculty Office entschieden wird. Soweit mir bekannt39<br />

, haben von der Antragsmöglichkeit dieser Bestimmung<br />

bisher nur zwei schottische Solicitor und<br />

ein deutscher Anwaltsnotar Gebrauch gemacht, ohne<br />

dass es bisher zu einer Ernennung gekommen ist.<br />

14. Die Ausbildung der englischen Notare hat inzwischen<br />

ein hohes akademisches Niveau erreicht. Im<br />

einzelnen handelt es sich um folgende Fachgebiete: 40<br />

a) Öffentliches und Verfassungsrecht, b) Sachenrecht,<br />

c) Vertragsrecht, d) Recht der Europäischen<br />

Union, e) Römisches Recht sowie Grundsätze des<br />

Bürgerlichen Rechts der Jurisdiktionen, die römisches<br />

Recht rezipiert haben, f) Billigkeitsrecht und<br />

Trusts, g) Internationales Privatrecht, h) Grundstücksverkehrsrecht,<br />

i) Wirtschaftsrecht, i) Nachlassrecht, k)<br />

Recht der notariellen Praxis einschließlich Schifffahrts-<br />

und Wechselrecht.<br />

Wer als englischer Barrister oder Solicitor sich um<br />

ein Notaramt bemüht, muss in der Regel in mindestens<br />

drei dieser Fächer erneut Prüfungen ablegen,<br />

in jedem Falle im Recht der notariellen Praxis meist<br />

auch im IPR sowie im EU-Recht. Dies bedeutet: Der<br />

englische Notar, in der Regel ein solicitor-notary (Anwaltsnotar),<br />

ist nach den jüngeren Ausbildungs- und<br />

Zulassungsregeln auf der Höhe des in England verlangten<br />

notariellen Rechts.<br />

Berufsausübung<br />

15. Innerhalb der berufsrechtlichen Regelungen<br />

für den englischen Notar sind folgende Punkte hervorzuheben:<br />

a) Der Notar ist grundsätzlich verpflichtet, Aufträge<br />

anzunehmen und durchzuführen 41 .<br />

b) Der Notar hat dafür zu sorgen, dass er für das<br />

Rechtspublikum erreichbar ist;<br />

gegebenenfalls hat er selbst für eine geeignete<br />

Vertretung durch einen Notarkollegen zu sorgen42 .<br />

c) Der Notar haftet für fehlerhafte Amtsausübung<br />

nach den Allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechts<br />

und der unerlaubten Handlung43 .<br />

Der englische Notar hat notarielle Tätigkeiten dann<br />

abzulehnen, wenn Interessenkonflikte erkennbar sind44 .<br />

e) Sofern erforderlich, hat der Notar die Dienste<br />

von Übersetzern und Dolmetschern in Anspruch zu<br />

nehmen, im erforderlichen Umfange auch Rechtsgelehrte<br />

fremder Jurisdiktionen 45 .<br />

f) Der Notar ist verpflichtet, Honorare in angemessener<br />

Höhe zu verlangen. Grundsätzlich rechnet der<br />

34 Dunford 21 f.<br />

35 AaO 31.<br />

36 Brookes Notary 595 ff.<br />

37 Access to Justice Act 1999.<br />

38 Notaries (Qualifications) Rules 1998, Ziffer 9 ¹European Economic Area<br />

Notariesª.<br />

39 Stand Juli 2000.<br />

40 Dunford 14 f.<br />

41 Dunford 21.<br />

42 AaO 20 f.<br />

43 AaO 24 f.<br />

44 AaO 21.<br />

45 AaO 22, 34 ff.


MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 17<br />

englische Notar nach Stunden ab, wobei der derzeit<br />

von der Notaries Society empfohlene mittlere Stundensatz<br />

bei 135£ 46 liegt. Dem englischen Notar ist es<br />

untersagt, seine Gebühren mit anderen zu teilen, mit<br />

Ausnahme mit einem anderen Notar oder mit einem<br />

Solicitor, mit dem er in seiner Eigenschaft als Solicitor<br />

in Partnerschaft verbunden ist 47 .<br />

g) Soweit der Notar mit Solicitor-Kollegen zur beruflichen<br />

Zusammenarbeit verbunden ist, hat er dafür<br />

zu sorgen, dass seine Unabhängigkeit als Notar nicht<br />

eingeschränkt ist 48 .<br />

h) Der Notar ist verpflichtet, notarielle Eigen- und<br />

Anderkonten zu trennen und über alle Geldbewegungen<br />

sorgfältig Buch zu führen 49 .<br />

i) Dem englischen Notar ist es untersagt, für seine<br />

Tätigkeit anders zu werben als durch sachliche Darstellung<br />

seiner notariellen Tätigkeiten.<br />

j) Der Notar hat eine berufliche Haftpflichtversicherung<br />

zu unterhalten und Beiträge zu einem Entschädigungsfond<br />

der Notaries Society zu leisten. Bei fehlender<br />

Zahlung bzw. fehlendem Nachweis kann das<br />

Faculty Office ihm das jährlich erneuerungsbedürftige<br />

Praktizierungszertifikat versagen 50 .<br />

k) Sofern der Notar andere Berufe ausübt ¼ dies<br />

können durchaus auch nicht-juristische Berufe sein,<br />

was aber praktisch kaum vorkommen dürfte ¼, dürfen<br />

deren Regelungen, die grundsätzlich einzuhalten<br />

sind, nicht mit den notariellen Berufsregeln in Konflikt<br />

stehen 51 .<br />

l) Neben Urkundenrolle und Urkundensammlung<br />

verfügt der englische Notar über ein eigenes Siegel.<br />

Die Regeln betreffend den Einsatz von Urkundspapier,<br />

Tinte, das Binden und Siegeln von Urkunden entsprechen<br />

weitgehend den Vorstellungen des lateinischen<br />

Notariats 52 .<br />

m) Urkundenrolle, Urkundensammlung, Siegel und<br />

notarielle Nebenakten sind unter Verschluss zu halten;<br />

sie unterliegen der alleinigen Verantwortung und<br />

Kontrolle des Notars 53 .<br />

n) Aus seiner Stellung als Inhaber eines öffentlichen<br />

Amtes ergibt sich ein Spannungsfeld zwischen<br />

öffentlichen Pflichten einerseits und der Verpflichtung<br />

zur Geheimhaltung und Vertraulichkeit gegenüber<br />

den Klienten andererseits. Auch wenn das geschriebene<br />

Recht den Notaren nicht den gleichen Vertraulichkeitsschutz<br />

gewährt wie den englischen Solicitors<br />

und Barristers, so wird der Notar die entsprechenden<br />

Grundsätze entsprechend beherzigen, sofern er nicht<br />

aufgrund gerichtlichen Urteils oder aufgrund gesetzlichen<br />

Regelungen zur Informationserteilung verpflichtet<br />

ist 54 .<br />

16. Wie bereits von Mann und Stauch 55 überzeugend<br />

dargestellt und von der überwiegenden Rechtsprechung<br />

und Literatur anerkannt, ist die Urkunde<br />

eines englischen Notars der seines deutschen Kollegen<br />

jedenfalls bei Beurkundungen und Beglaubigungen<br />

bezüglich in Deutschland registrierter Gesellschaften<br />

sowie bei schuldrechtlichen Kaufverträgen<br />

über deutsche Grundstücke gleichwertig, da der englische<br />

Notar nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben<br />

einem deutschen Notar gleichsteht. Eine fehlende<br />

Belehrung nach deutschem notariellen Vorbild<br />

lässt diese Einschätzung unverändert bestehen 56 .<br />

Gelegentlich wird auch vertreten, dass Verschmelzungs-<br />

und Spaltungsbeschlüsse (nicht dagegen Verschmelzungsverträge<br />

bzw. Spaltungs- und Übertragungsverträge)<br />

nur vor einem deutschen Notar beurkundet<br />

werden können; dem ist A. Reuter mit überzeugenden<br />

Argumenten entgegengetreten 57 .<br />

Für die derzeit von der Rechtsprechung noch<br />

vertretene Auffassung, die Auflassung deutscher<br />

Grundstücke (und wohl auch die Bestellung von<br />

Grunddienstbarkeiten) sei nur vor deutschen Notaren<br />

möglich, gibt es keine sachlich rechtfertigenden<br />

Gründe 58 . Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis<br />

diese Auffassung angesichts der Schwäche ihrer Argumente<br />

und unter dem Druck Europas 59 zu revidieren<br />

sein wird.<br />

V. Perspektiven<br />

Das englische Notariat ist trotz derzeit geringer<br />

Unterstützung durch den englischen Gesetzgeber auf<br />

dem besten Wege, als Mitglied der Familie der lateinischen<br />

Notariate sich stärker auf seine gemeinsamen<br />

Wurzeln zu besinnen und seinen Binnenmarkt schrittweise<br />

zurückzuerobern. Dies wird auch dadurch<br />

unterstrichen, dass die Scriveners Company als<br />

¹Flagschiffª des englischen Notariats vor wenigen<br />

Jahren in die ¹Internationale Union des Lateinischen<br />

Notariatsª aufgenommen worden ist. Das englische<br />

Notariat hat seinen Überlebenswillen und seine An-<br />

46 zuzüglich Mehrwertsteuer (VAT) von derzeit 17,5 %.<br />

47 Dunford 22 f.<br />

48 AaO 24.<br />

49 AaO 24.<br />

50 AaO 24 f.<br />

51 AaO 25.<br />

52 Dunford 27 f.<br />

53 AaO 28.<br />

54 AaO 21 f.<br />

55 Siehe A. Mann ¹Die Urkunde ausländischer, insbesondere englischer<br />

Notare und der deutsche Rechtsverkehrª in NJW 1955, 1177 ff. sowie<br />

I. Stauch in ¹Die Geltung ausländischer notarieller Urkunden in der Bundesrepublik<br />

Deutschlandª, 1983, S. 127 ff.<br />

56 Vgl. statt vieler: Münchener Kommentar, Art. 11, EGBGB, Rdnr. 47 ff.<br />

57 BB 1998, 116 ff.<br />

58 Vgl. statt vieler: Münchener Kommentar, Art. 11, EGBGB, Rdnr. 47 ff.,<br />

Rdnr. 45.<br />

59 die EU-Kommission prüft derzeit intensiv, ob das weitverbreitete nationalstaatliche<br />

Staatsangehörigkeitserfordernis aufrechterhalten werden<br />

kann.


18 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />

passungsfähigkeit historisch mehrfach überzeugend<br />

unter Beweis gestellt, vor allem Ende des 18. Jahrhunderts<br />

nach dem Verlust der Vormachtstellung auf<br />

dem Markt des Londoner Grundstücksverkehrs, und<br />

zuletzt in den letzten 20 Jahren des vergangenen<br />

Jahrhunderts unter dem Einfluss des verstärkten<br />

europäischen Rechtsverkehrs mit seiner inneren<br />

Reformierung und verstärkten Ausrichtung am kontinentaleuropäischen<br />

Notariat lateinischer Prägung. Ich<br />

habe keinen ernsthaften Zweifel daran, dass das englische<br />

Notariat seinen Platz in der Familie des europäischen<br />

Notariats zurecht innehält, und dass es<br />

unseren englischen Kollegen in nicht allzu ferner Zukunft<br />

gelingen wird, den englischen Gesetzgeber zu<br />

überzeugen, englische notarielle Urkunden als uneingeschränkt<br />

öffentliche Urkunden mit privilegierten<br />

Beweiswert anzuerkennen und den Notaren zu gestatten,<br />

Vollstreckbarkeitserklärungen zu beurkunden<br />

und Vollstreckungsklauseln zu erteilen. Unabhängig<br />

davon wird das englische Notariat sein internationales<br />

Flair behalten und weiterentwickeln.<br />

Informationen der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong><br />

<strong>Arbeitsgemeinschaft</strong><br />

Anwaltnotariat<br />

Die <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> ist im<br />

Jahr 1991 gegründet worden.<br />

Aufgabe der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> ist es, die berufspolitischen<br />

Interessen der Anwaltnotarinnen und<br />

Anwaltsnotare und der an diesem Beruf interessierten<br />

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte wahrzunehmen<br />

sowie über aktuelle Entwicklungen in der notariellen<br />

Berufspraxis zu unterrichten.<br />

Die <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> hat im letzten Jahrzehnt<br />

die Entwicklung des notariellen Berufsrechts und die<br />

der notariellen Praxis durch eine Fülle von Stellungnahmen<br />

und Diskussionsbeiträgen bereichert. Sie<br />

wird dies fortführen.<br />

Die <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> lädt im Halbjahresrhythmus<br />

unter dem Titel ¹Neues im Notariatª zu Fortbildungsveranstaltungen<br />

ein, die sich großen Zuspruchs<br />

erfreuen. Diese Veranstaltungen dienen auch der<br />

Integration der Anwaltsnotarinnen und der Anwaltsnotare.<br />

Die Frühjahresveranstaltung 2001 hat am 16.<br />

und 17. März in Hamburg stattgefunden.<br />

Die <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> wird von einem Geschäftsführenden<br />

Ausschuss geleitet, der gegenwärtig folgende<br />

Mitglieder hat:<br />

RAuN Günter Schmaler, Emden, Vorsitz<br />

RAuN Dr. Ulrich Dithmar, Kassel<br />

RAuN Wolfgang Grebe, Olpe<br />

RAuN Dieter Kronenbitter, Esslingen<br />

RAuN Jan de Vries, Leer<br />

Die Anschrift der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong><br />

lautet:<br />

Deutscher Anwaltverein, Littenstraße 11, 10179 Berlin<br />

Telefon: 030/726152-121, Fax: 030/726152-191.<br />

Zuständiger Geschäftsführer ist:<br />

Dr. Peter Hamacher<br />

Telefon: 030/726152-121.<br />

Das Sekretariat betreut:<br />

Grit Pokrandt<br />

Telefon: 030/726152-131<br />

<strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> im<br />

Internet<br />

www.anwalts-notariat.de<br />

Die <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> im DAV ist<br />

im Internet. In der heutige Zeit eigentlich keine besondere<br />

Nachricht, denn alles und jeder ist heute im<br />

Netz, aber ¼ soweit ersichtlich, ist dies die einzige<br />

Web-Site, die sich ausschließlich mit unserem Berufsstand<br />

beschäftigt. Bei der unübersehbaren Fülle<br />

des Angebots im World-Wide-Web schon bemerkenswert<br />

¼ finde ich. Und wir haben vor, diese Exklusivität<br />

zu nutzen, für uns zu nutzen, denn schließlich ist es<br />

die Aufgabe (eine der Aufgaben) des Geschäftsführenden<br />

Ausschusses, die Mitglieder schnell und aktuell<br />

zu informieren ¼ und dazu ist das Internet wie kein<br />

zweites Medium hervorragend geeignet. Nur, die Tatsache<br />

der Präsenz der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> im Internet<br />

muss den Mitgliedern ja auch bekannt sein, damit<br />

ein Nutzen zum nicht unbeträchtlichen Aufwand gegeben<br />

ist und die Möglichkeiten in Anspruch genommen<br />

werden können. Deshalb wollen wir unseren<br />

Internet-Auftritt hier kurz vorstellen.<br />

Die Seite ist formal dem Erscheinungsbild aller<br />

DAV-Auftritte im Internet angeglichen und hat (siehe<br />

Überschrift) eine eigene vom DAV unabhängige und<br />

registrierte Domain (Adresse). Dahinter steht kein separatistisches<br />

Gedankengut, sondern dient lediglich<br />

der Flexibilität. Selbstverständlich ist auch ein Link<br />

(Verbindung) von den DAV-Seiten zu uns eingerichtet.<br />

<strong>Inhalt</strong>lich bietet die Seite verschiedene Kategorien:<br />

Unsere Satzung, die Mitglieder des Geschäftsführen-


MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 19<br />

den Ausschusses, eine Beitrittserklärung zum Download<br />

(Herunterladen), Veranstaltungen und Termine,<br />

Berichte, das Forum, eine Aktuelle Rubrik, den Pressespiegel,<br />

Gesetzestexte, die Richtlinien der einzelnen<br />

Notarkammern (auch zum Download), ein Mitgliederverzeichnis<br />

der Mitglieder der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong><br />

nach Postleitzahlen sortiert und eine Reihe von Links<br />

zu anderen interessanten Seiten. Demnächst wird eine<br />

weitere Kategorie hinzukommen: Das Mitteilungsblatt.<br />

Auf drei dieser Rubriken möchte ich gesondert<br />

eingehen.<br />

1. Das Forum<br />

Wir haben uns vorgestellt, dass ein Bedürfnis<br />

bestehen könnte, sich in dieser Rubrik fachlich auszutauschen,<br />

z. B. über Entwicklungen in der Dienstaufsicht,<br />

die Auslegung des § 3 oder § 17 BurkG,<br />

berufspolitische Fragen wie die der Werbung durch<br />

Notare, Verbesserungsvorschläge zu der Seite selber,<br />

natürlich auch Kritik und Unmut ¼ eben ein Forum<br />

der Anwaltsnotare. Nur leider ist dieses Angebot bislang<br />

nicht angenommen worden. Damit geht auch ein<br />

Stück Verantwortung auf unsere Mitglieder und natürlich<br />

(Noch-) Nichtmitglieder über, die Seite so lebendig<br />

wie möglich zu gestalten.<br />

2. Aktuelles<br />

Hier stellen wir in loser Folge Aktuelle Ereignisse,<br />

Entscheidungen und Entwicklungen ein, die unseren<br />

Berufsstand betreffen. Nachlesen (und downloaden)<br />

können Sie hier die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts<br />

zur Auswärtsbeurkundung, aber auch<br />

die zur Singularzulassung. Hier informieren wir Sie<br />

über die Entwicklung der Online-Pilotprojekte der<br />

Bundesnotarkammer genauso, wie über neuere europäische<br />

Entwicklungen in Fragen etwa des Staatsangehörigkeitsprivilegs,<br />

der Wettbewerbsdiskussion<br />

oder der Verschwiegenheitsdebatte im Rahmen der<br />

Geldwäscherichtlinie.<br />

Pressespiegel<br />

Der Pressespiegel bringt zeitnah berufspolitische<br />

und die tägliche Arbeit berührende Presseberichte<br />

aus der Tages- und Wochenpresse. Bitte haben Sie<br />

Verständnis dafür, dass wir immer so ein bis zwei<br />

Wochen hinterherhinken, aber wir bemühen uns, Berichte<br />

auszuwählen, die interessant genug sind, über<br />

den Tag hinaus zu wirken.<br />

Schließlich: Eine E-Mail-Adresse haben wir auch:<br />

info@anwalts-notariat.de, über die Sie jederzeit mit<br />

uns stilgerecht über das Medium Internet in Kontakt<br />

treten können.<br />

Und jetzt bleibt mir nur noch, informatives, entspanntes<br />

Surfen auf der Web-Site der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong><br />

zu wünschen.<br />

Rechtsanwalt und Notar Günter Schmaler, Emden<br />

Herbsttagung 2000<br />

Zu ihrer Herbsttagung, traditionell unter dem Titel<br />

¹Neues im Notariatª, hatte die <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong><br />

<strong>Anwaltsnotariat</strong> am 8. und 9. September 2000 nach<br />

Bremen eingeladen. Viele interessierte Teilnehmer<br />

erfreuten sich eines ebenso weit blickenden wie kontrastreichen<br />

Programms.<br />

Zuerst trat Rechtsanwalt und Notar Volker G.<br />

Heinz, Barrister at Law, London, mit einer umfassenden,<br />

realistischen und zukunftsoffenen Analyse zum<br />

Thema ¹Europa ¼ Chance oder Bedrohung für unser<br />

Notariat?ª hervor. Wen es noch deuchte, die Notare<br />

seien kraft der Ausgestaltung ihres Berufs als öffentliches<br />

Amt berufsrechtlichen Herausforderungen<br />

durch das europäische Recht und durch die allgemeinen<br />

gesellschaftlichen Entwicklungen Europas<br />

entzogen, konnte sehr subtil, gänzlich unspektakulär<br />

und nachhaltig vom Referenten erfahren, dass dem<br />

wohl mittel- bis langfristig nicht so sein werde. Es<br />

gibt schon jetzt einen weithin anerkannten Bedarf<br />

nach Notaren, die Sachverhalte mit internationalen<br />

Bezügen umfassend international bearbeiten können.<br />

Zu dieser übergreifenden Anforderung scheint die<br />

Beschränkung der Notare auf ihre jeweilige (nationale)<br />

Jurisdiktion nicht recht zu passen. Mit den Prinzipien<br />

der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit<br />

hat die Europäische Union Instrumente,<br />

die eigendynamisch danach drängen, nationale Jurisdiktionsbereiche<br />

aufzubrechen. Die Grenzen einer<br />

derartigen Durchbrechung sind ohne weiteres dahin<br />

zu markieren, dass die in langer Kontinuität geschaffenen<br />

bewährten Instrumente und Übungen notarieller<br />

Berufstätigkeit unabdingbar in den europäischen<br />

Standard eingehen, es muss aber anderseits möglich<br />

werden, dass ein europäischer Notar, ist er hochqualifiziert<br />

und beherrscht er die Verhandlungssprache<br />

sowie die Rechtsordnung, auf deren Grundlage die<br />

jeweiligen Rechtsverhältnisse zu gestalten sind, überall<br />

in Europa sollte tätig werden können. Von diesem<br />

Zustand ist das Notariat in Europa derzeit noch weit<br />

entfernt, aber u. a. die fortschreitende Harmonisierung<br />

der Privatrechte wird in dieser Richtung Fortschritte<br />

bringen. Nicht zu vergessen ist, dass die englische<br />

Sprache sich zunehmend als Rechts- und<br />

Wirtschaftssprache des sich immer mehr als einen<br />

Wirtschafts- und Rechtsraum verstehenden Europas<br />

etabliert. Der Referent bewertete die hier nur skizzier-


20 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />

te Perspektive durchaus positiv und in der Tat, es<br />

liegen in ihr großartige Chancen, die zu ergreifen<br />

sind, damit das von gegenwärtiger Gewohnheit erkannte<br />

Bedrohliche zurückweichen kann. Der Referent<br />

führte, dies sei angemerkt, Überlegungen weiter,<br />

die er bereits auf dem Anwaltstag 2000 in Berlin vorgetragen<br />

hatte. Dieser Vortrag ist abgedruckt in<br />

AnwBl 2000, 562 ff.<br />

Den ersten Tag der Veranstaltung beschloss<br />

Rechtsanwalt und Notar Wolfgang Schwackenberg,<br />

Oldenburg, mit einem Vortrag zum Thema ¹Eheverträge<br />

und notarielle Scheidungsfolgenvereinbarungenª.<br />

Dies war keine einführende Kost, welche die grundlegenden<br />

Wege weist und erst einmal Ordnung<br />

schafft, sondern der Referent gab auf hohem Niveau<br />

anhand einer Fülle von Beispielen Hinweise und<br />

Anregungen, die unmittelbar die Kautelarpraxis der<br />

Kolleginnen und Kollegen zu verbessern vorzüglich<br />

geeignet waren.<br />

Der Problemkreis ¹Vorsorgevollmacht und Patientenverfügungª,<br />

der in Vortrag und Diskussion unter<br />

der Moderation von Rechtsanwalt und Notar Paul-<br />

Werner Beckmann, Herford, den Samstagvormittag in<br />

Anspruch nahm, ist ein schwieriges und aktuelles<br />

Feld. Auch der 63. Deutsche Juristentag 2000 in<br />

Leipzig hatte das Thema zum Verhandlungsgegenstand.<br />

Um so bemerkenswerter ist es, dass die<br />

<strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> ihren seit längerem gehegten<br />

Plan ausführte, das Thema aufzugreifen. Dies geschah<br />

in praxisnaher Weise, denn trotz aller schon<br />

bestehenden rechtlichen Regelungen und ethischen<br />

Handlungsanweisungen ist es der Einzelfall, die konkrete<br />

Situation, die ratlos machen und dennoch stets<br />

von den Beteiligten (oft schnelle) Entscheidung verlangen.<br />

Die großen und außerordentlichen Fortschritte<br />

der Medizin haben es mit sich gebracht, dass<br />

der Mensch in einer existentiell kranken und hilfsbedürftigen<br />

Lage mit Behandlungsmöglichkeiten der<br />

Medizin in Verbindung gebracht werden kann, bei der<br />

zweifelhaft und nachdenkenswert sein kann, ob alles,<br />

was die Medizin und die Pharmazie leisten können,<br />

wirklich dem Wohlergehen und dem Wunsch des<br />

jeweiligen Patienten entspricht. Die grundlegenden<br />

Ausgangspunkte sind ganz klar: Grundlage des ärztlichen<br />

Behandlungsauftrags ist der Wille des Patienten.<br />

Aktive und passive/indirekte Sterbehilfe ist unzulässig.<br />

Es war außerordentlich, dass Prof. Dr. Michael<br />

Poll, Lübbecke, den Teilnehmern der Veranstaltung<br />

sehr ernst, souverän und sensibel anhand von praktischen<br />

Beispielen aus dem klinischen Alltag die Gratwanderung,<br />

die jede einzelne zu treffende Entscheidung<br />

bedeutet, aus verschiedenen Blickwinkeln<br />

beleuchtete. Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht,<br />

zur rechten Zeit und mit zutreffendem <strong>Inhalt</strong><br />

getroffen, sind wirksame und wichtige Instrumente,<br />

die dem Patienten, dem Arzt, den Angehörigen und<br />

den sonst zur Versorgung des Patienten berufenen<br />

Personen Hilfe geben, das im Einzelfall Gebotene und<br />

Richtige zu verlassen. Wie die notarielle Praxis mit<br />

der Vorsorgevollmacht und der Patientenverfügung<br />

umzugehen hat, erläuterte Rechtsanwalt und Notar<br />

Rüdiger Tegeler, Lübbecke. Rechtsanwalt Klaus<br />

Schlimm, Köln, der zum Abschluss zu diesem Problemkreis<br />

sprach, hatte den Teilnehmern der Veranstaltung<br />

umfangreiches und sehr instruktives Material<br />

zur Verfügung gestellt. Aus seiner großen Erfahrung<br />

gab er einen zusammenfassenden Überblick<br />

über die rechtlichen Fragestellungen und erläuterte<br />

in vielen Beispielen, wie der Rechtsanwalt im Themenkreis,<br />

aber auch im gesamten Bereich des<br />

Betreuungsrechts zuverlässig und sachkundig berät<br />

und arbeiten sollte. Ein sehr eindrücklicher Vormittag.<br />

Die bremischen Kollegen hatten mit dem Haus<br />

¹Lankenauer Höftª eine reizende Empfehlung für die<br />

traditionelle abendliche ¹Geselligkeit für alleª gegeben.<br />

Rechtsanwalt und Notar Günter Schmaler, Emden,<br />

Vorsitzender der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> dankte den<br />

Referenten und Teilnehmern für die vorzügliche Veranstaltung.<br />

Rechtsanwalt Dr. Peter Hamacher, Köln<br />

Herbstveranstaltung 2001<br />

Die Herbstveranstaltung 2001 der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong><br />

findet statt am 19. und 20. Oktober 2001 in<br />

Berlin.<br />

Bitte den Termin vormerken. Das Programm wird<br />

im Juni vorliegen.<br />

Deutsche Anwaltakademie<br />

Seminare im Anwaltnotariat<br />

9 Dienstbarkeiten: Gestaltung zwischen biederem<br />

Nachbarrecht und europarechtlichen Vorgaben<br />

Dr. Jörg Mayer, Notar, Pottenstein<br />

18. Mai 2001 in Bremen<br />

Seminar: R 13138-01


MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 21<br />

9 Vertragsgestaltung im Grundstücksrecht<br />

Notariatsdirektor Hans-Peter Ettl, Notar, Baden-Baden<br />

18. Mai 2001 in Hannover (Seminar R 13139-1)<br />

31. August in Göttingen (Seminar R 13157-01)<br />

9 Der Minderjährige im Notariat<br />

Ralf Freiberg, Rechtsanwalt, Notar, vBp, Fachanwalt<br />

für Steuerrecht, Berlin<br />

19. Mai 2001 in Bremen<br />

Seminar: R 13140-01<br />

9 Abwicklung des Immobiliarvertrages<br />

Notariatsdirektor Hans-Peter Ettl, Notar, Baden-Baden<br />

19. Mai 2001 in Hannover<br />

Seminar: R 13141-01<br />

9 Sicherungsgrundschuld in der notariellen Praxis<br />

Dr. Ulrich Stobbe, Rechtsanwalt und Notar, Hannover<br />

8. Juni 2001 in Bielefeld<br />

Seminar: R 13142-01<br />

9 IPRund Erbrecht ¼ Erbfälle mit Auslandsbezug<br />

Dr. Martin Schlüter, Rechtsanwalt und Notar, Hamm<br />

9. Juni 2001 in Hamm<br />

Seminar: R 13144-01<br />

Anmeldung und Info:<br />

Deutsche Anwaltakademie, Littenstr. 11, 10179 Berlin,<br />

Telefon: 030/726153-0, Fax: 030/726153-111<br />

www.anwaltakademie.de<br />

Notarielles Berufsrecht<br />

Dienstordnung für<br />

Notarinnen und Notare<br />

(DONot)<br />

I.<br />

Die Überschrift zeigt schon, dass es sich um ein<br />

neues Produkt handelt. In der Tat ist federführend<br />

durch das Niedersächsische Justizministerium die<br />

Neubearbeitung der DONot im Jahr 2000 abschlossen<br />

worden. In Niedersachsen tritt die unter den Landesjustizverwaltungen<br />

abgestimmte Neufassung gem. § 34<br />

am 1.6.2001 in Kraft. Die Dienstordnung ist eine bundeseinheitliche<br />

Verwaltungsvorschrift. Es ist daher<br />

damit zu rechnen, dass die anderen Länder mit nur<br />

geringeren zeitlichen Abweichungen die Dienstordnung,<br />

gegebenenfalls vielleicht im einen oder anderen<br />

Fall mit marginalen Abweichungen in Kraft setzen werden.<br />

Die Neuerungen in der bürotechnischen Gestaltung<br />

der Amtsführung sind erst ab 1.1.2002 zu beachten.<br />

Bis dahin, also bis zum 31.12.2001 werden<br />

laufende Bücher und Verzeichnisse nach den alten<br />

Vorschriften geführt. Für alle Massen, die vor dem<br />

1.1.2002 angelegt worden sind, kann das Massenbuch<br />

nach den bis dahin geltenden Vorschriften fortgeführt<br />

werden. Bis zum 31.12.2001 dürfen Verwahrungs-,<br />

Massenbuch und die Übersicht über die Verwahrungsgeschäfte<br />

in DM geführt werden. Die Umstellung auf<br />

Euro erfolgt nach den von den Landesjustizverwaltungen<br />

hierzu erlassenen Bestimmungen. Die Bemerkungen<br />

zur Geltungszeit des neuen Rechts seien mit dem<br />

Hinweis abgeschlossen, dass Anderkonten und Anderdepots<br />

bis zum Vorliegen entsprechender (neuer) Beschlüsse<br />

der Vertreterversammlung der Bundesnotarkammer<br />

nach den Empfehlungen der Spitzenverbände<br />

der Deutschen Kreditwirtschaft und zu den Bedingungen<br />

für Anderkonten und Anderdepots einzurichten<br />

und zu führen sind.<br />

II.<br />

Bei der Durchsicht der neuen DONot wird man<br />

feststellen, dass einige Bestimmungen, die bisher in<br />

derselben enthalten waren, in die novellierte BNotO<br />

oder in das neu geordnete BeurkG eingestellt worden<br />

sind. Die umfassende Neugestaltung dieser Gesetze<br />

im Jahr 1998 war denn auch der entscheidende Anlass<br />

zur Neufassung der DONot. Hinzu traten Handlungsbedarf<br />

aufgrund neuer Rechtssprechung und<br />

Erfahrungen sowie der fortschreitende Einsatz elektronischer<br />

Hilfsmittel in den Notariaten.<br />

Bei der Übernahme der Vorschriften aus der alten<br />

DONot ¼ z. B. Zeitschriftenbezug § 32 BNotO, notarielles<br />

Verwahrungsverfahren §§ 54a bis 54c BeurkG, § 10<br />

BNotO Amtssitz, die weiteren einschlägigen Regeln in<br />

den §§ 25 bis 32 BNotO ¼ ist zur beachten, dass sich<br />

die Regelungsgegenstände durch Aufnahme bzw. Neugestaltung<br />

im förmlichen Gesetz von dienstlichen<br />

Pflichten gegenüber der Notaraufsicht zu Amtspflichten<br />

im Sinne des § 19 BNotO (Folge: Schadensersatzansprüche<br />

der Beteiligten) gewandelt haben.<br />

Die DONoto ist stets mit den in § 67 Abs. 2 BNotO<br />

vorgesehenen Richtlinien der Notarkammern ins<br />

Benehmen zu setzen, wobei diesen nach der allgemein<br />

gültigen Normenhierarchie der Vorrang gebührt.<br />

In der beruflichen Praxis werden die Regelwerke,<br />

obwohl sie getrennte und einander nicht durchdringbare<br />

Kreise ziehen, dennoch als in einem Komplementärverhältnis<br />

stehend zu betrachten und zu behandeln<br />

seien.


22 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />

III.<br />

An der DONot gefällt die bemerkenswerte Verbesserung<br />

der Systematik. Das erleichtert die Handhabung.<br />

Zweck dieser Zeilen ist es nicht, die Verwaltungsvorschrift<br />

im einzelnen vorzustellen. Das ist und<br />

wird anderenorts geschehen. Zum <strong>Inhalt</strong> deshalb nur<br />

einzelne Hinweise.<br />

Die DONot beginnt mit dem Abschnitt ¹Amtsführung<br />

im Allgemeinenª. Dieser handelt von der Unterschrift,<br />

dem Amtssiegel, dem Amts- und Namenschild<br />

in klarer und die Praxis nicht zu sehr formalisierender<br />

Weise, obwohl man sich eine flexiblere Handhabung,<br />

des Amtschildes durchaus vorstellen kann. Wichtig<br />

ist die klare Anordnung und Verpflichtung der bei der<br />

Notarin oder dem Notar beschäftigten Personen auf<br />

verschwiegene und korrekte Tätigkeit (§ 4). § 5 als<br />

letzte Bestimmung dieses allgemeinen Abschnitts<br />

stellt erstmals alle vom Notar oder der Notarin zu führenden<br />

Unterlagen, also Bücher, Verzeichnisse, Akten<br />

und Übersichten transparent zusammen und ordnet<br />

deren Aufbewahrung. Damit ist zugleich der Weg für<br />

die weitere Gliederung der DONot eröffnet.<br />

Trotz der immer intensiver in das Notariat eindringenden<br />

EDV bleibt es bei dem Grundsatz der papiergebundenen<br />

Bücher. Die weitgehende Unterstützung<br />

der Bücherführung durch EDV ist also ebenso zweckmäßig<br />

wie selbstverständlich, bleibt aber dennoch ein<br />

Hilfsmittel. Maßgeblich ist der Ausdruck der Unterlagen<br />

auf Papier.<br />

Im Katalog der Bücher und Verzeichnisse finden<br />

sich als Neuerung ¹Dokumentationen zur Einhaltung<br />

von Mitwirkungsverbotenª (§ 5 Satz 1 Nr. 7). In § 15<br />

DONot heißt es dazu, dass die von § 28 BNotO verlangten<br />

Vorkehrungen dann genügen, wenn sie zumindest<br />

die Identität der Personen, die bevollmächtigt<br />

haben oder für die frühere oder außenstehende<br />

Tätigkeit entfaltet wurde, zweifelsfrei erkennen lassen<br />

und den Gegenstand der Tätigkeit in ausreichender<br />

Weise kennzeichnen. Die Angaben müssen einen<br />

Abgleich mit der Urkundenrolle und den Namensverzeichnissen<br />

ermöglichen. Dieser § 15 ist schon<br />

gespeist durch die Texte der von der Niedersächsischen<br />

Notarkammer beschlossenen Richtlinien. Für<br />

die anderen Bundesländer sind also zur Erkenntnis<br />

des Gesamtbildes die dort beschlossenen Richtlinien<br />

heranzuziehen. Im eigenen Interesse der Notarinnen<br />

und Notare, nicht nur zur Wahrung der Integrität des<br />

Berufs, ist ihnen zu empfehlen, bei der Eintragung in<br />

die Bücher die Personen und vor allem die Gegenstände<br />

sehr präzise zu bezeichnen, denn zu allgemeine<br />

Angaben können im Einzelfall auch den<br />

unnötigen Ausschluss von der notariellen Tätigkeit<br />

bewirken. Da mit der Bezeichnung von Personen und<br />

Tätigkeitsgegenständen in der Sache der § 28 BNotO<br />

wiederholt wird ¼ was soll man sonst angeben als Per-<br />

sonen und Gegenstände der jeweiligen Tätigkeit ¼,<br />

könnte die Vorschrift auch überflüssig sein. Gestritten<br />

wird auch darüber, ob den Landesjustizverwaltungen<br />

zur Frage der Vorkehrungen zur Erfüllung der Mitwirkungsverbote<br />

überhaupt eine Regelungskompetenz<br />

zusteht. Das ist aber angesichts der in § 15 DONot<br />

aufgeführten Minimalia eine eher dogmatische Frage.<br />

Weitergehend oder abgewandelt konkretisierende<br />

Regelungen durch die Richtlinien der Notarkammern<br />

könnten näher an einen von Art. 12 Abs. 1 GG nicht zugelassenen<br />

Eingriff in die Berufsfreiheit heranrücken.<br />

IV.<br />

Die weiteren Regelungen der DONot in den Abschnitten<br />

Bücher und Verzeichnisse, ¹Führung der<br />

Aktenª, ¹Erstellung von Übersichtenª, ¹Ergänzende<br />

Regelungen zur Abwicklung der Urkundsgeschäfte<br />

und der Verwahrungsgeschäfteª, ¹Herstellung der<br />

notariellen Urkundenª erschließen sich am besten<br />

durch punktgenaue Lektüre des Textes und dessen<br />

Umsetzung die notarielle Praxis. Die genannten Abschnitte<br />

enthalten keine grundlegenden Neuerungen<br />

sondern stellen klar und ordnen übersichtlich, sie<br />

enthalten freilich auch manches entbehrliches Detail.<br />

Der Text der DONot ist veröffentlicht in Nds.<br />

Rechtspfleger 2000, Seiten 340 bis 351. Er kann<br />

auch auf den Home-Pages der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong><br />

<strong>Anwaltsnotariat</strong> und der Bundesnotarkammer eingesehen<br />

werden.<br />

Auf der Frühjahrsveranstaltung der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong><br />

<strong>Anwaltsnotariat</strong> am 16. und 17.3.2001 hat Richter<br />

am LG Klaus Lerch eine detaillierte Übersicht zu<br />

der neuen Dienstordnung für Notarinnen und Notare<br />

den Teilnehmern vorgetragen. Darin sind auch die<br />

bisherigen Stellungnahmen verarbeitet und verzeichnet.<br />

Dieser Vortrag wird in Kürze durch die Fachzeitschriften<br />

zugänglich:<br />

Rechtsanwalt Dr. Peter Hamacher, Köln<br />

Rechtsprechung<br />

Art. 12 Abs. 1 GG; BNotO §§ 10, 10 a, 11<br />

Die Vorschriften der BNotO enthalten kein Verbot von Auswärtsbeurkundungen<br />

innerhalb des dem Notar zugewiesenen<br />

Amtsbereichs (LS der Redaktion)<br />

BVerfG, Erster Senat, 2. Kammer, Beschl. v. 9.8.2000 ¼ 1 BvR 647/98<br />

Aus den Gründen: II. ... 2. Die Disziplinarverfügung des Präsidenten<br />

des OLG, die Beschwerdeentscheidung des Niedersächsi-


MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 23<br />

schen Justizministeriums und die Entscheidung des OLG verletzen<br />

den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG.<br />

Auslegung und Anwendung des Gesetzesrechts können vom<br />

BVerfG ¼ abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot ¼ nur<br />

darauf überprüft werden, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die<br />

auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung<br />

des betroffenen Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines<br />

Schutzbereichs, beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den<br />

Fachgerichten vorgenommene Auslegung der Normen die Tragweite<br />

des Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis<br />

zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen<br />

Freiheit führt (vgl. BVerfGE 18, 85 [92 f., 96]; 85, 248<br />

[257 f.]; 87, 287 [323]).<br />

So liegt es hier. Der Disziplinarverfügung des Präsidenten des<br />

OLG, der Beschwerdeentscheidung des Niedersächsischen Justizministeriums<br />

und der Entscheidung des OLG liegen Annahmen zugrunde,<br />

die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von<br />

der Bedeutung der Berufsfreiheit der Notare beruhen; dabei sind<br />

die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Gesetze, auf die Einschränkungen<br />

der Berufsfreiheit der Notare gestützt werden können,<br />

nicht beachtet worden.<br />

a) Die Beurkundung von Rechtsvorgängen ist Teil der Berufsausübung<br />

des Notars. Die Beurkundung von Rechtsvorgängen ist<br />

diesem als unabhängigem Träger eines öffentlichen Amtes als<br />

Hauptaufgabe gem. § 1 BNotO zugewiesen. Die diesbezüglichen<br />

Berufsausübungsregelungen finden sich in den §§ 10, 10 a und<br />

§ 11 BNotO. Sie stützen die angegriffenen Entscheidungen nicht.<br />

Sie enthalten kein Verbot von Auswärtsbeurkundungen innerhalb<br />

des dem Notar zugewiesenen Amtsbereichs.<br />

b) Für das Verbot einer Beurkundung außerhalb der Geschäftsstelle,<br />

aber innerhalb des Amtsbereichs fehlte es zum Zeitpunkt<br />

des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verhaltens an einer<br />

gesetzlichen Grundlage, die den formellen Anforderungen des<br />

Art. 12 Abs. l S. 2 GG genügt. Daran hat sich durch das 3. BNotO-<br />

ÄndG auch nichts geändert.<br />

aa) Das streitgegenständliche Verbot ließ sich nicht aus dem<br />

Regelungszusammenhang der §§ 1, 4, 10 und § 14 Abs. 1 S. 2<br />

BNotO a. F. gewinnen.<br />

Seit den Entscheidungen zu den anwaltlichen Standesrichtlinien<br />

(vgl. BVerfGE 76, 171 [184]; 76, 196 ff.) hat das BVerfG zunehmend<br />

die gesetzgeberische Verantwortung für empfindliche<br />

Einschränkungen der Berufsfreiheit eingefordert. Je stärker in<br />

grundrechtlich geschützte Bereiche eingegriffen wird, desto deutlicher<br />

muss das gesetzgeberische Wollen zum Ausdruck kommen<br />

(vgl. BVerfGE 87, 287 [317]; 98, 49 [60]). Da es dem Gesetzgeber<br />

obliegt, die Gefährdung von Rechtsgütern einzuschätzen, ihre<br />

Schutzwürdigkeit zu bewerten und die Mittel zu ihrem Schutz zu<br />

bestimmen, legt Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG dem Richter besondere Zurückhaltung<br />

auf, wenn dieser vornehmlich aus bloßen gesetzlichen<br />

Zielsetzungen die Wahl des geeigneten und erforderlichen Mittels<br />

abzuleiten sucht (vgl. BVerfGE 98, 49 [60 f.]). Dabei können Veränderungen<br />

der sozialen Verhältnisse, gewandelte gesellschaftspolitische<br />

Anschauungen und neue rechtliche Rahmenbedingungen<br />

einer bisherigen Gesetzesinterpretation die Grundlage<br />

entziehen (vgl. BVerfGE 98, 49 [59 f.]).<br />

Nach diesen Vorgaben konnten die genannten Vorschriften der<br />

Bundesnotarordnung nicht mehr als Grundlage eines Verbots der<br />

Auswärtsbeurkundung innerhalb des Amtsbereichs angesehen<br />

werden. In keiner der vom OLG herangezogenen Vorschriften ist<br />

ein so weit reichender Eingriff hinreichend deutlich angelegt. Die<br />

Vorschriften enthielten noch ganz erhebliche Gestaltungsspielräume,<br />

die durch Richterrecht nicht grundrechtsbeschränkend<br />

ausgefüllt werden können.<br />

(1) Auf ein herkömmliches Verständnis durften sich der Präsident<br />

des OLG in der Disziplinarverfügung, das Niedersächsische<br />

Justizministerium in seiner Beschwerdeentscheidung und das OLG<br />

im angegriffenen Beschluss schon deshalb nicht mehr stützen,<br />

weil inzwischen § 10a BNotO durch das Gesetz vom 29.1.1991<br />

(BGBl I S. 150) in die Bundesnotarordnung eingefügt worden war.<br />

Bereits für die davor liegende Zeit war die Beschränkung notarieller<br />

Beurkundungstätigkeit auf den Amtsgerichtsbezirk, von dem die<br />

angegriffenen Entscheidungen stillschweigend ausgehen, einfachrechtlich<br />

zweifelhaft, wie das OLG Frankfurt am Main mit ausführlichen<br />

Nachweisen dargelegt hat (vgl. AnwBl 1994 S. 300 ff.). Das<br />

galt erst recht für die hier streitige noch engere Beschränkung auf<br />

den Amtssitz und die Geschäftsstelle innerhalb des Amtsgerichtsbezirks.<br />

Wegen der zweifelhaften Rechtslage wurde § 10a BNotO<br />

mit der erstmaligen Regelung eines Verbots für Auswärtsbeurkundungen<br />

vom Gesetzgeber eingeführt (vgl. BTDrucks 11/8307, S. 18).<br />

Diese Norm beschränkt die Freiheit der Berufsausübung, indem<br />

sie den Notar hinsichtlich seiner Urkundstätigkeit grundsätzlich auf<br />

den Bezirk des Amtsgerichts, in dem er seinen Amtssitz hat, verweist.<br />

Innerhalb des so definierten Amtsbereichs sieht sie aber<br />

keine weiteren Einschränkungen vor. Solche können auch nicht<br />

aus der Norm abgeleitet werden, weil diese einem vom Gesetzgeber<br />

genau bezeichneten Gemeinwohlzweck dient. Der Gesetzgeber<br />

hielt sie für unentbehrlich, um die einzelnen Notarstellen lebensfähig<br />

und möglichst gleichbleibend leistungsfähig zu erhalten und<br />

das Notariat insgesamt bedarfsgerecht und flächendeckend zu<br />

organisieren (BTDrucks aaO). Diese Gründe vermögen weitere Einschränkungen<br />

innerhalb des dem Notar zugewiesenen Amtsbereich<br />

nicht zu tragen.<br />

Der Umstand, dass der Gesetzgeber im Jahr 1991 in Kenntnis<br />

der bis dahin unzureichenden gesetzlichen Grundlage für Berufsausübungsregelungen<br />

und in Kenntnis der heutigen Kommunikations-<br />

und Verkehrsmittel, die eine Auswärtsbeurkundung erleichtern,<br />

lediglich den Amtsbereich als Grenze eingeführt hat, lässt<br />

sich nur damit erklären, dass eine weitere Beschränkung innerhalb<br />

des Amtsbereichs nicht gewollt war.<br />

(2) Die aus den §§ 1, 4, 10 und § 14 Abs. 1 S. 2 BNotO a. F.<br />

vom OLG abgeleiteten Gemeinwohlbelange erlauben auch deshalb<br />

keinen Schluss auf ein grundsätzliches Verbot der Auswärtsbeurkundung<br />

innerhalb des Amtsbereichs, weil es zu ihrem Schutz<br />

nicht geeignet oder jedenfalls nicht erforderlich ist.<br />

Zur flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen<br />

Notariaten (§ 4 BNotO) ist das schon im Zusammenhang<br />

mit § 10 a BNotO unter (1) ausgeführt.<br />

Gelegentliche Auswärtsbeurkundungen innerhalb des Amtsbereichs<br />

stehen aufgrund des derzeitigen Standes der Verkehrs- und<br />

Kommunikationsmittel auch einer Verfügbarkeit notarieller Leistungen<br />

regelmäßig nicht entgegen. Im Hinblick auf diese tatsächlichen Veränderungen<br />

hat der Gesetzgeber durch das 3. BNotO-ÄndG in § 10<br />

Abs. 2 S. 2 BNotO auch die Pflicht des Notars, seinen Wohnsitz an<br />

seinem Amtssitz zu nehmen, gelockert (vgl. BTDrucks 13/4184, S. 43;<br />

BTDrucks 13/10589, S. 37; BTDrucks 13/11034, S. 38). Die angegriffenen<br />

Entscheidungen legen auch im Hinblick auf die einzelnen Vorkommnisse<br />

konkrete, Beeinträchtigungen der Verfügbarkeit nicht dar.<br />

Ohnedies dürfen bei Anwaltsnotaren insoweit keine zu strengen<br />

Anforderungen gestellt werden, da vornehmlich ihr Hauptberuf als<br />

Rechtsanwalt einer kontinuierlichen Anwesenheit entgegensteht.<br />

Ob die Unabhängigkeit des Notars und seine Verpflichtung zur<br />

Unparteilichkeit durch Beurkundungen außerhalb der Geschäftsstelle<br />

gefährdet werden könnten, ist eine Frage des Einzelfalls. Ein<br />

generelles Verbot als erforderliche Vorkehrung gegen diese Gefahr<br />

könnte allenfalls der Gesetzgeber statuieren, sofern für seine entsprechende<br />

Einschätzung hinlängliche Gründe gegeben sind. Als<br />

zwingende Folge der §§ 1 und 14 BNotO kann das Verbot jedoch<br />

nicht angesehen werden. Das wird zum einen inzwischen durch<br />

§ 28 BNotO bestätigt, der die Wahrung dieser Belange dem Notar<br />

in eigener Verantwortung anvertraut. Zum anderen belegt dies die


24 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />

Gesetzgebungsgeschichte zur Änderung von § 10 Abs. 4 BNotO<br />

im Jahr 1998. Der ursprünglich geplante S. 1: ¹Der Notar soll die<br />

Amtsgeschäfte in der Regel in seiner Geschäftsstelle vornehmenª<br />

wurde nicht Gesetz, weil dem Notar keine übersteigerten Begründungspflichten<br />

auferlegt werden sollten, wenn er Beurkundungen<br />

außerhalb der Geschäftsstelle vornehmen möchte (vgl. BTDrucks<br />

13/10589, S. 7 und S. 37). Ersichtlich ging der Gesetzgeber nicht<br />

davon aus, dass diese Regelung ohnedies galt (vgl. auch Eylmann,<br />

ZNotP 1999, S. 397 [398]).<br />

Sofern im Einzelfall aufgrund einer Auswärtsbeurkundung innerhalb<br />

des Amtsbereichs die Klarheit der Amtsführung leiden und<br />

die Gefahr des Anscheins einer Parteilichkeit des Notars entstehen<br />

könnte, hat der Notar von der Auswärtsbeurkundung Abstand zu<br />

nehmen. Berufswidriges Verhalten kann insoweit geahndet werden.<br />

Dasselbe gilt, soweit er im Einzelfall die Notwendigkeit sieht, auf<br />

die in der Geschäftsstelle befindlichen Hilfsmittel zuzugreifen. Das<br />

ist nicht der Regelfall, worauf der Deutsche Notarverein hingewiesen<br />

hat.<br />

bb) Mit der Bundesnotarkammer ist davon auszugehen, dass<br />

weder § 5 Abs. 2 DONot als Verwaltungsvorschrift noch § 7 Satz 1<br />

RLNot, der auf einer nicht hinreichend bestimmten gesetzlichen<br />

Grundlage beruht, den Anforderungen an den Gesetzesvorbehalt<br />

genügen. Hierauf sind die angegriffenen Entscheidungen zu Recht<br />

nicht gestützt worden.<br />

cc) Schließlich ist das Verbot auch nicht damit zu rechtfertigen,<br />

dass ein unerwünschter Wettbewerb zwischen den Notaren ausgeschlossen<br />

werden soll. Hiermit werden keine verfassungsrechtlich<br />

erheblichen Gemeinwohlbelange benannt.<br />

Innerhalb ihres Amtsbereichs stehen Notare im Hinblick auf<br />

ihre beruflichen Leistungen im Wettbewerb. Dieser erstreckt sich<br />

nicht nur auf die Qualität der Beratung selbst, sondern im Rahmen<br />

der gesetzlichen Vorgaben auch auf die, Art und Weise, der<br />

Dienstleistung. Von Bedeutung sind hier die Lage der Geschäftsstelle,<br />

ihre Ausstattung und ihre Erreichbarkeit, die Öffnungszeiten<br />

des Notariats, Freundlichkeit und Kompetenz Personals sowie eine<br />

effektive Terminplanung und eben auch eine gewisse Flexibilität,<br />

wenn das Zeitbudget der Mandanten knapp ist. In welchem Rahmen<br />

und in welchem Umfang der Notar Auswärtsbeurkundungen<br />

mit seinem Amt vereinbaren kann, ist in erster Linie ihm zu überlassen,<br />

solange er den Anschein von Abhängigkeit oder Parteilichkeit<br />

vermeidet, den Schutzzweck des Beurkundungserfordernisses<br />

nicht gefährdet und jede amtswidrige Werbung unterlässt. Verstöße<br />

können insoweit individuell geahndet werden. Dies ist das mildere<br />

Mittel im Verhältnis zum regelmäßigen Verbot der Auswärtsbeurkundung,<br />

die als solche die ordnungsgemäße Erledigung der<br />

Amtsgeschäfte nicht in Frage stellt.<br />

c) Da die angegriffene Disziplinarverfügung, die Beschwerdeentscheidung<br />

des Niedersächsischen Justizministeriums und der<br />

Beschluss des OLG bereits gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoßen,<br />

bedarf es keiner Entscheidung mehr dazu, ob die angegriffenen<br />

Entscheidungen auch Art. 3 Abs. 1 oder Art. 14 Abs. 1 GG verletzen<br />

und ob das OLG gegen Art. 19 Abs. 4 oder Art. 103 As. 1 GG<br />

verstoßen haben könnte.<br />

Art. 12 Abs. 1 GG; BeurkG § 3 Abs. 1, Ziff. 7 und 8<br />

Gegen die gesetzliche Regelung der Mitwirkungsverbote ist<br />

die Verfassungsbeschwerde unzulässig (LS der Redaktion)<br />

BVerfG, Erster Senat, 2. Kammer, Beschl. v. 15.8.2000 ¼ 1 BvR<br />

1523/99<br />

Aus den Gründen: I. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt<br />

und Notar. Er wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde<br />

unmittelbar gegen die Mitwirkungsverbote des § 3 Abs. 1 Ziff. 7<br />

und Ziff. 8 des Beurkundungsgesetzes (BeurkG) und gegen die<br />

Absicherung der Mitwirkungsverbote durch § 3 Abs. 1 S. 2 BeurkG<br />

sowie gegen die §§ 28, 50 Abs. 1 Nr. 9, § 93 Abs. 4 S. 2 der Bundesnotarordnung<br />

(BNotO). Die genannten Vorschriften stellten ¼<br />

vor allem in Sozietäten ¼ unzumutbar hohe Anforderungen an die<br />

Dokumentation anwaltlicher Kontakte und verletzten ihn deswegen<br />

in seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG).<br />

II. Die Verfassungsbeschwerde erfüllt nicht die Annahmevoraussetzungen<br />

des § 93 a Abs. 2 BVerfGG. Sie hat keine grundsätzliche<br />

verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur<br />

Durchsetzung der vom Beschwerdeführer als verletzt gerügten<br />

Rechte angezeigt. Denn die Verfassungsbeschwerde hat keine<br />

Aussicht auf Erfolg. Sie ist nicht zulässig. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde<br />

steht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen.<br />

Es ist dem Beschwerdeführer zumutbar, eine verbindliche<br />

Auskunft in Gestalt einer Weisung von der Aufsichtsbehörde darüber<br />

einzuholen, welche organisatorischen Maßnahmen zur Einhaltung<br />

der Mitwirkungsverbote bei ihm erforderlich sind. Der innere<br />

dienstliche Bereich unterliegt uneingeschränkt der Aufsicht.<br />

Soweit der Beschwerdeführer sich durch die Maßnahmen für<br />

unzumutbar belastet hält, steht ihm hiergegen der Rechtsweg offen<br />

(§§ 93, 111 BNotO).<br />

BNotO § 8 Abs. 3<br />

1. Bei dem Versagungsgrund des § 8 Abs. 3 S. 2 BNotO handelt<br />

es sich um einen der vollen gerichtlichen Nachprüfung<br />

unterliegenden unbestimmten Rechtsbegriff.<br />

2. Der Eintritt eines Notars in den Aufsichtsrat einer Kreditgenossenschaft,<br />

die sich nach ihrer Satzung auch mit Grundstücksgeschäften<br />

und deren Vermittlung befasst, kann das<br />

Vertrauen in die Unabhängigkeit des Notars gefährden.<br />

BGH, Beschl. v. 31.7. 2000 ¼ NotZ 13/00<br />

Aus den Gründen: II. 2 ... a) Wie der Senat bereits auf der<br />

Grundlage des bisherigen Rechts entschieden hat, muss die Entscheidung<br />

über die Nebentätigkeitsgenehmigung am erkennbaren<br />

Willen des Gesetzgebers ausgerichtet werden, die Unabhängigkeit<br />

und Unparteilichkeit der Notare zu wahren und jeder nur denkbaren<br />

Gefährdung von vornherein entgegenzutreten. Dabei gilt es, im<br />

Interesse einer geordneten vorsorgenden Rechtspflege und damit<br />

im Interesse des Gemeinwohls nicht erst konkreten, sondern bereits<br />

möglichen Gefährdungen des Leitbildes des Notars vorzubeugen<br />

und deshalb schon dem mit einer bestimmten Nebentätigkeit<br />

verbundenen Anschein einer Gefährdung der Unabhängigkeit und<br />

Unparteilichkeit des Notars zu begegnen (vgl. nur Beschl. v.<br />

8.5.1995 aaO S. 221). Durch das Dritte Gesetz zur Änderung der<br />

Bundesnotarordnung hat sich an diesem Verständnis nichts geändert;<br />

es ist im Gegenteil durch die Anfügung des Satzes 2 in § 8<br />

Abs. 3 BNotO ¹festgeschriebenª worden (BT-Drucks. aaO).<br />

Ausgehend hiervon hat der Senat den Eintritt eines Notars in<br />

den Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft, die sich satzungsgemäß<br />

mit Grundstücksgeschäften befasst, als geeignet angesehen, das<br />

Vertrauen der Rechtsuchenden in die Unparteilichkeit und die<br />

Unabhängigkeit des Notars zu beeinträchtigen (Senatsbeschluss v.<br />

13.12.1993 aaO). Er hat hervorgehoben, es bestehe die Gefahr,<br />

dass bei Einbindung in ein Organ, das zum Erfolg der Gesellschaft<br />

beizutragen hat, von dem Notar erwartet werde, dass er konkrete<br />

Kenntnisse über einzelne Grundstücksgeschäfte, die er durch<br />

seine notarielle Tätigkeit erlangt, an seine Gesellschaft weitergibt<br />

und ihr möglicherweise dadurch Wettbewerbsvorteile verschafft,<br />

die den Konkurrenten nicht zugänglich sind. Bei der fragenden<br />

Öffentlichkeit könnten deswegen begründete Zweifel entstehen, ob<br />

die Verfolgung und Wahrung des Gesellschaftszwecks die Unparteilichkeit<br />

und Unabhängigkeit des Amtsträgers nicht nachteilig<br />

beeinflussten. Insoweit sei allein auf den Satzungszweck des Un-


MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 25<br />

ternehmens abzustellen. Solange dieser den Erwerb und die Veräußerung<br />

von Grundstücken einschließe, komme es nicht darauf<br />

an, ob das Unternehmen sich derzeit tatsächlich in dieser Sparte<br />

betätige. Diese Besorgnis sei auch mit der Position eines Aufsichtsrats<br />

verbunden, der Verantwortung für die Gesellschaft und<br />

ihre Ziele bis hin zur eigenen Haftung habe (Senatsbeschluss v.<br />

13.12.1993 aaO S. 339 f.).In gleicher Weise hat der Senat eine<br />

Nebentätigkeit als nebenberufliches Vorstandsmitglied bei einer<br />

gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft sowie gleichzeitig<br />

als Geschäftsführer deren Tochtergesellschaft als mit dem Notaramt<br />

nicht vereinbar erklärt.(Beschl. v. 8.5.1995 aaO). In dieser Entscheidung<br />

hat der Senat den Grundsatz bekräftig, dass bei Gesellschaften,<br />

bei denen Grundstücksgeschäfte für die Erreichung des<br />

Geschäftszwecks typisch sind und nicht nur beiläufige und mittelbare<br />

Bedeutung haben, grundsätzlich ein besonders strenger<br />

Maßstab anzulegen ist, was die Vereinbarkeit einer Nebentätigkeit<br />

für solche Gesellschaften mit dem Notaramt angeht. An dieser<br />

Rechtsprechung hält der Senat fest. ...<br />

BNotO §§ 6, 8; AVNot/NRW § 16 Abs. 1 Buchst. e<br />

1. Im Bereich des Notarzulassungsrechts kann die Landesjustizverwaltung<br />

eine Selbstbindung durch Erlaß einer Richtlinie<br />

nur insoweit eingehen, als ihr die Bundesnotarordnung<br />

Spielraum zur Interpretation eines unbestimmten Rechtsbegriffs<br />

läßt.<br />

2. Eine Richtlinie, wonach ein Rechtsanwalt nur zum Notar bestellt<br />

werden soll, wenn er nicht in einem ständigen Dienstoder<br />

ähnlichen Beschäftigungsverhältnis steht (hier: § 16<br />

Abs. 1 Buchst. e AVNot/NRW), bietet keine Grundlage dafür,<br />

einen Bewerber zurückzuweisen, der eine nach dem Notarrecht<br />

genehmigungsfähige Nebenbeschäftigung (hier: unbefristete<br />

Lehrtätigkeit an einer Fachhochschule) ausübt.<br />

3. Zur Frage der Genehmigungsbedürftigkeit einer Lehrtätigkeit<br />

des Notars in einem dauernden Beschäftigungsverhältnis.<br />

4. Eine berufliche Organisation, die Vorbereitungskurse für<br />

das Amt des Notars veranstaltet, ist dafür verantwortlich, daß<br />

zum Nachweis des Erfolgs der Teilnahme nur die Teilnehmer<br />

selbst zugelassen sind und daß ein Erfolgsnachweis durch<br />

¹Gruppenarbeitª nicht möglich ist.<br />

BGH, Beschl. v. 22.3.1999 ¼ NotZ 2/99<br />

BNotO § 6 Abs. 1 S 1; BremAVNot i. d. F. v. 18.9.1991<br />

1. Bei der Entscheidung über die Auswahl unter mehreren geeigneten<br />

Bewerbern für das, Amt des Notars auf der Grundlage<br />

des § 6 Abs. 3 BNotO und der dazu erlassenen allgemeinen<br />

Verwaltungsvorschriften. (in Bremen AVNot v. 18.9.1991)<br />

ist für das prüfungsbezogene Auswahlkriterium die zweite<br />

juristische Staatsprüfung nach ihrem Anforderungsbild in besonderer<br />

Weise geeignet, den praxisbezogenen fachlichen<br />

Eignungsnachweis zu erbringen; dem gegenüber sind die Ergebnisse<br />

der ersten juristischen Staatsprüfung wegen ihres<br />

überwiegend theoretisch-wissenschaftlichen Charakters nicht<br />

einmal den besonderen Tatbestandsgruppen der Vorbereitungsleistungen<br />

zuzuordnen, die neben den Prüfungsleistungen<br />

für die Auswahl entscheidend sind (im Anschluss an BGH<br />

NJW 1994,1874,1876).<br />

2. Daraus ergibt sich für die Ergebnisse der juristischen Abschlussprüfung<br />

im Rahmen der einstufigen Juristenausbildung<br />

auf der Grundlage des § 5 b DRiG i. d. F. des Gesetzes<br />

vom 10.9.1971 (BGBl. I S. 1557), dass bei Beachtung des<br />

Art. 3 Abs. 1 GG die theoretisch-wissenschaftlichen Teile des<br />

Abschlussexamens ebenfalls nicht für die Auswahlentschei-<br />

dung herangezogen werden dürfen. Insoweit ist davon auszugehen,<br />

dass die Prüfungsergebnisse der einstufigen Juristenausbildung<br />

mit gleichem Gewicht auf der theoretisch-wissenschaftlichen<br />

wie auf der praxisbezogenen Ausbildung beruhen,<br />

so dass eine Halbierung des in § 3 Abs. 2 Nr. 1 S. 1<br />

BremAVNot für die Prüfungsergebnisse vorgesehenen Multiplikationsfaktors<br />

erforderlich ist, solange die Landesjustizverwaltung<br />

an dem Punktbewertungssystem der BremAVNot festhält.<br />

Hans. OLG Bremen, Beschl. v. 17.8.2000 ¼ 2 Not 3/2000<br />

BNotO §§ 15 Abs. 1, 20 bis 22 a, 24; BeurKG §§ 53, 54<br />

Hat der Notar in einem Kaufvertrag übernommen, die Auflassung<br />

nach Zahlung des Kaufpreises zu beurkunden und<br />

haben die Vertragsparteien den namentlich benannten Notariatsangestellten<br />

zur Abgabe der erforderlichen Erklärung Vollmacht<br />

erteilt, so besteht beim Streit der Parteien über die<br />

Höhe des Kaufpreises keine Amtspflicht des Notars, die Angestellten<br />

zur Abgabe der Erklärung anzuhalten.<br />

OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.12.1999 ¼ 20 W 471/99<br />

BNotO § 19 Abs. 1 Satz 2; BRAO § 51 b<br />

1. Zum Begriff des ¹Auftraggebersª i. S. d. § 19 Abs. 1 Satz 2<br />

Halbs. 2 BNotO.<br />

2. Auf die sogenannte Sekundärverjährung hat es keinen Einfluß,<br />

wenn der Mandant nach seinen Rechtskenntnissen die<br />

Möglichkeit eines Regreßanspruchs gegen den Rechtsanwalt<br />

und den Zeitpunkt der Verjährung eines solchen Anspruchs<br />

selbst hätte erkennen können.<br />

3. Die Beauftragung eines Rechtsmittelanwalts, dem nicht<br />

auch die Aufgabe übertragen wird, einen etwaigen Regreßanspruch<br />

gegen den erstinstanzlichen Anwalt zu verfolgen,<br />

befreit diesen während des Mandats nicht von der Pflicht, bei<br />

gegebenem Anlaß sein eigenes Verhalten zu überprüfen und<br />

den Mandanten auf die Möglichkeit eines Regreßanspruchs<br />

gegen ihn und dessen Verjährung hinzuweisen.<br />

BGH, Urt. v. 15.4.1999 ¼ IX ZR 328/97<br />

Aus den Gründen: I.2.a. ... aa) Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO<br />

setzt die Haftung des Notars, wenn er seine Amtspflicht nur fahrlässig<br />

verletzt hat ¼ für ein vorsätzliches Verhalten ergeben sich im<br />

vorliegenden Fall aus dem Prozeßstoff keine Anhaltspunkte ¼, voraus,<br />

daß der Geschädigte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen<br />

vermag; diese Einschränkung gilt aber nach dem zweiten<br />

Halbsatz dieser Bestimmung nicht bei Amtsgeschäften der in den<br />

§§ 23, 24 BNotO bezeichneten Art ¹im Verhältnis zwischen dem<br />

Notar und dem Auftraggeberª. Nach herkömmlicher und allgemeiner<br />

Auffassung ist Auftraggeber in diesem Sinne neben demjenigen,<br />

der den Notar um eine Amtstätigkeit ersucht, jeder, dem gegenüber<br />

dieser selbständig und ausdrücklich Amtspflichten<br />

übernimmt. Dies hat der BGH auch dann noch bejaht, wenn ein<br />

Notar sich auf Ersuchen einer Kapitalanlagegesellschaft an potentielle<br />

Anleger ¼ ohne von diesen dazu aufgefordert worden zu<br />

sein ¼ mit einer Erklärung wendet, die ihnen als Grundlage für bedeutsame<br />

Vermögensentscheidungen dienen soll (BGHZ 134, 100,<br />

112 f. m. w. N.). Im vorliegenden Fall hat der Notar unmittelbar der<br />

Kl gegenüber keine Amtspflicht übernommen; er hat zu ihr gerade<br />

keinen Kontakt aufgenommen und ihre nach der Weisung der Bausparkasse<br />

erforderliche Zustimmung zur Löschung der Grundschuld<br />

nicht eingeholt.<br />

In Rechtsprechung und Schrifttum ist zunehmend eine Ausdehnung<br />

des Auftraggeberbegriffs zu beobachten (vgl. BGH, Urt. v.


26 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />

11.2.1983 aaO; Reithmann DNotZ 1970, 5, 17; Haug, in: Seybold/<br />

Schippel, BNotO 6. Aufl.; Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO 3. Aufl.<br />

§ 19 Rdnr. 94). Dies hat den Senat zu der Erwägung geführt, ob<br />

nicht eine Primärhaftung des Notars ¼ also eine Haftung ohne die<br />

Möglichkeit, den Geschädigten auf eine anderweitige Ersatzmöglichkeit<br />

zu verweisen ¼ allgemein dort geboten ist, wo ein Rechtsberater,<br />

der ein Geschäft i. S. d. §§ 24, 25 BNotO nicht als Notar<br />

besorgt, einem in den Schutzbereich eines solchen Vertrages einbezogenen<br />

Dritten ebenfalls für einen ihm dabei pflichtwidrig<br />

zugefügten Schaden einzustehen hätte. Die selbständigen Betreuungstätigkeiten<br />

im Sinne der genannten Vorschriften der Bundesnotarordnung<br />

können auch von Privatpersonen auf vertraglicher<br />

Grundlage übernommen werden; insbesondere gehören solche<br />

Tätigkeiten zum Aufgabenkreis der Rechtsanwälte (vgl. § 24 Abs. 2<br />

BNotO). Diese haften, wenn sie ihre Pflichten verletzen, auch Dritten<br />

gegenüber regelmäßig primär. Andererseits besteht in diesem<br />

Bereich kein besonderes Schutzbedürfnis des Notars; denn er<br />

kann die Ausführung solcher Aufträge ablehnen. ...<br />

Die Regelung der Haftung des Notars auf dem Gebiet der selbständigen<br />

Betreuungsgeschäfte in § 21 Abs. 1 Satz 3 RNotO und<br />

sodann in § 19 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BNotO dürfte somit auf folgendem<br />

Grundgedanken beruhen: Der Anwendungsbereich der<br />

Haftungsbeschränkung durch die Subsidiaritätsklausel soll aus<br />

Gründen der Gleichbehandlung von im entscheidungserheblichen<br />

Sachverhalt gleichliegenden Fällen auf solche Tatbestände von<br />

Pflichtverletzungen eingegrenzt werden, die, wenn sie nicht nach<br />

Amtshaftungsgrundsätzen zu beurteilen wären, schon nach allgemeinen<br />

zivilrechtlichen Regeln nicht zu einer Haftung führen<br />

würden. Der Gesetzgeber der Reichsnotarordnung hätte damit ¼<br />

unbewußt, aber der Sache nach ¼ im Bereich der notariellen<br />

Betreuungsgeschäfte eine Forderung erfüllt, die erst später ganz<br />

allgemein im Amtshaftungsrecht erhoben worden ist und auch<br />

heute noch erhoben wird (vgl. RGRKBGB/Kreft 12. Aufl. § 839<br />

Rdnr. 490, MünchKomm-BGB/Papier 3. Aufl. § 839 Rdnr. 299). Der<br />

Einwand der anderweitigen Ersatzmöglichkeit soll nach dieser Meinung<br />

nur dort zulässig sein, wo der Amtsträger Pflichten verletzt,<br />

die nur als öffentlich-rechtliche denkbar sind, die also im Zusammenhang<br />

mit der betreffenden Tätigkeit eine Privatperson nicht<br />

treffen könnten. Die Rechtsprechung hat diesem Anliegen für die<br />

Fälle der Teilnahme eines Amtsträgers am allgemeinen Straßenverkehr<br />

(BGHZ 68, 217, 220 ff.) und der als hoheitliche Aufgabe<br />

ausgestatteten Straßenverkehrssicherungspflicht (BGHZ 75, 134,<br />

136 ff.; 118, 368, 370 ff.; 123, 102, 104 ff.) Rechnung getragen.<br />

Der Senat hat weiter erwogen, ob dieser nach der Entstehungsgeschichte<br />

naheliegende Grundgedanke der Regelung in<br />

§ 19 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BNotO dazu führen könnte, die nach<br />

dem Gesetzeswortlaut durch den Hinweis auf das ¹Verhältnis zwischen<br />

dem Notar und dem Auftraggeberª bewirkte Beschränkung<br />

der im Bereich der Betreuungsgeschäfte grundsätzlich bestehenden<br />

Primärhaftung mit Rücksicht auf die inzwischen eingetretene<br />

Rechtsentwicklung als im wesentlichen überholt anzusehen. Als<br />

die Reichsnotarordnung geschaffen wurde, galt der Grundsatz,<br />

daß ¼ vom ¹echtenª Vertrag zugunsten Dritter abgesehen ¼ nur die<br />

am Vertragsschluß Beteiligten aus der Verletzung von Vertragspflichten<br />

Rechte herleiten können. Das Reichsgericht erkannte<br />

zwar bereits in bestimmten Fällen an, daß neben den Vertragsparteien<br />

auch Dritte durch die Vertragsabreden geschützt sein und<br />

aus der Verletzung solcher Vertragspflichten eigene Ansprüche<br />

herleiten können (vgl. RGZ 87, 64, 65; 87, 289, 292; 91, 21, 24; 102,<br />

231, 232 f.; 127, 218, 219 ff.; 152, 175, 176). Diese Rechtsprechung<br />

nahm in den betreffenden Fällen einen Vertrag zugunsten eines<br />

Dritten an. Erst seit Ende der fünfziger Jahre haben Rechtsprechung<br />

und Rechtswissenschaft das Rechtsinstitut des Vertrages<br />

mit Schutzwirkung zugunsten Dritter entwickelt (BGH, Urt. v.<br />

15.5.1959 ¼ VI ZR 109/58, NJW 1959, 1676 f.; BGHZ 49, 350, 353<br />

f.; Gernhuber, Festschrift Nikisch, 1958, S. 249; Larenz NJW 1960,<br />

77, 78 ff.). Wie weit dabei der jeweils geschützte Personenkreis zu<br />

ziehen ist, richtet sich nach der etwaigen Drittbezogenheit der Leistung<br />

und ist eine Frage der (ergänzenden) Vertragsauslegung<br />

(BGHZ 56, 269, 273; BGH, Urt. v. 26.11.1986 ¼ IVa ZR 86/85, WM<br />

1987, 257, 259 m. w. N.). Der Begriff des ¹anderenª i. S. d. § 19<br />

Abs. 1 Satz 1 BNotO ¼ ebenso wie der des ¹Drittenª i. S. d. § 839<br />

Abs. 1 Satz 1 BGB ¼ richtet sich demgegenüber zwar nach dem<br />

Zweck, dem die jeweilige Amtspflicht dient; es kommt darauf an,<br />

ob diese den Schutz des Dritten bezweckt oder mitbezweckt (BGH,<br />

Urt. v. 28.9.1959 ¼ III ZR 92/58, DNotZ 1960, 157). Das dürfte in<br />

der Sache jedoch keinen wesentlichen Unterschied zur Bestimmung<br />

des Kreises vertraglich geschützter Dritter bedeuten. Auch<br />

nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO kommt es entscheidend darauf an,<br />

ob das Interesse des Dritten nach der besonderen Natur des<br />

Amtsgeschäfts von diesem berührt wird (BGHZ 58, 343, 353; BGH,<br />

Urt. v. 11.2.1983 aaO S. 511). Bei Tätigkeiten i. S. d. §§ 23, 24<br />

BNotO wird der Kreis der geschützten Personen durch den <strong>Inhalt</strong><br />

des ¹Auftragsª konkretisiert und kann dadurch unter Umständen<br />

im Vergleich zu Urkundsgeschäften eingeschränkt sein (KG DNotZ<br />

1978, 182, 183). Es trifft zwar zu, daß sich der Kreis der geschützten<br />

Personen gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO vornehmlich nach<br />

objektiven Kriterien bestimmt. Das ist aber beim Vertrag mit<br />

Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht grundsätzlich anders (vgl.<br />

MünchKomm-BGB/Gottwald aaO § 328 Rdnr. 81). Auf der anderen<br />

Seite gilt die hier erforderliche Voraussetzung, daß die Einbeziehung<br />

Dritter und die damit für den Schuldner verbundene Haftungserweiterung<br />

erkennbar sein muß (BGHZ 133, 168, 173<br />

m. w. N.), wegen der Begrenzung des geschützten Personenkreises<br />

durch den <strong>Inhalt</strong> des ¹Auftragsª auch bei den Betreuungsgeschäften<br />

i. S. d. §§ 24, 25 BNotO. Sollte es gleichwohl Fälle geben, in<br />

denen eine Primärhaftung des Notars weiter ginge als etwa die<br />

Haftung eines Rechtsanwalts bei Übernahme der gleichen Tätigkeit,<br />

so könnte daran gedacht werden, das Privileg der Subsidiärhaftung<br />

im Bereich der Betreuungsgeschäfte auf solche Fallgestaltungen<br />

zu beschränken. ...<br />

III. ... 1. ... a) Mit der Anschlußrevision wird geltend gemacht, ein<br />

Sekundäranspruch sei deswegen nicht entstanden, weil das Mandat<br />

des Bekl mit Abschluß der ersten Instanz des Prozesses gegen<br />

den Notar beendet gewesen sei und danach bis zum Eintritt der<br />

Primärverjährung im Juli/August 1992 noch genügend Zeit bestanden<br />

habe, die Kl auf etwaige Regreßansprüche gegen den Bekl<br />

hinzuweisen; dies zu tun sei Sache der für die Berufungsinstanz<br />

bestellten Prozeßbevollmächtigten gewesen.<br />

Diese Ansicht ist nicht zutreffend. Der Rechtsanwalt, der einen<br />

konkreten Anlaß hat, sein Verhalten auf von ihm begangene Fehler<br />

zu überprüfen, braucht zwar nicht sofort danach den Mandanten<br />

auf die Möglichkeit eines Regreßanspruchs gegen sich selbst und<br />

dessen Verjährung hinzuweisen; es genügt, wenn er dies so rechtzeitig<br />

tut, daß die Verjährung noch unterbrochen werden kann.<br />

Wird jedoch das Mandat ¼ nach Eintritt eines konkreten Überprüfungsanlasses<br />

¼ beendet, so muß der Anwalt den Hinweis im<br />

Rahmen der Abwicklung des Mandats erteilen (BGH, Urt. v.<br />

20.6.1996 ¼ IX ZR 100/95, WM 1996, 2066, 2068 f., zur Steuerberaterhaftung).<br />

...<br />

Diese Pflicht entfiel nicht sogleich deswegen wieder, weil die Kl<br />

nunmehr von den für die Berufungsinstanz beauftragten Rechtsanwälten<br />

vertreten wurde. Eine solche Rechtsfolge tritt nur dann ein,<br />

wenn der Mandant rechtzeitig vor Ablauf der Verjährung gerade<br />

wegen der Frage, ob der Anwalt ihm durch einen Fehler einen<br />

Schaden zugefügt hat, für diesen erkennbar anderweitig anwaltlich<br />

beraten wird (BGH, Urt. v. 14.11.1991 ¼ IX ZR 31/91, WM 1992,<br />

579, 581 f.; v. 29.4.1993 ¼ IX ZR 101/92, WM 1993, 1508, 1510; v.<br />

28.9.1995 ¼ IX ZR 227/94, WM 1996, 33, 34, zur Steuerberaterhaftung).<br />

...


MN <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 27<br />

BGB §§ 888, 883, 1163, 1171<br />

Ist nach Bestellung einer Sicherungshypothek eine Vormerkung<br />

in das Grundbuch eingetragen worden, so ist die durch<br />

Befriedigung des Hypothekengläubigers eingetretene Umwandlung<br />

der Sicherungshypothek in eine Eigentümergrundschuld<br />

nicht vormerkungswidrig.<br />

In diesem Fall stellt auch die Pfändung der Eigentümergrundschuld<br />

keine vormerkungswidrige Verfügung dar.<br />

OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.5.1999 ¼ 9 U 257/98<br />

GmbHG § 4 ; HGB § 17 Abs. 1<br />

1. Die Firma hat nach der Neuregelung des Firmenbildungsrechts<br />

durch das Handelsrechtsreformgesetz weiterhin Namensfunktion.<br />

2. Die Namensfunktion kommt grundsätzlich nur einer wörtlichen<br />

Bezeichnung zu. Die vom Firmenträger gewählte<br />

Schreibweise oder sonstige graphische Gestaltung der Firma<br />

wird nicht Firmenbestandteil auf deren Eintragung er einen<br />

Anspruch hätte und deren Änderung erneut einzutragen wäre.<br />

3. Bei dem in einer Firmenanmeldung enthaltenen Schriftbild<br />

handelt es sich lediglich um einen Vorschlag zur Fassung der<br />

Eintagung, an den das Registergericht nicht gebunden ist. Es<br />

bleibt ihm überlassen, nach pflichtgemäßem Ermessen die Art<br />

und Weise der Eintragung einschließlich ihres Schriftbildes zu<br />

bestimmen.<br />

KG, Beschl. v. 23.5.2000 ¼ 1 W 247/99<br />

KostO §§ 18, 102, § 103, Abs. 2<br />

Wird durch das AG ein 'Nachtrag' mit einem Änderungsvorbehalt<br />

zu einem Vor- und Nacherbfolge anordnenden Ehegattentestament<br />

eröffnet, wonach dem überlebenden Ehegatten das<br />

Recht eingeräumt wird, die für den Fall seines Todes in diesem<br />

Testament getroffenen Verfügungen zu widerrufen und<br />

über den Nachlass insgesamt anderweitig zu verfügen, so fällt<br />

eine Eröffnungsgebühr nach dem vollen Nachlasswert an.<br />

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.10.2000 ¼ 10 W 90/00<br />

Aus den Gründen: II. 1) Gem. § 102 KostO wird für die Eröffnung<br />

einer Verfügung von Todes wegen die Hälfte der vollen<br />

Gebühr erhoben. § 46 Abs. 4 KostO ist die für diesen Verfahrensakt<br />

einschlägige Wertvorschrift (§ 103 Abs. 1 KostO). Nach dieser<br />

Bestimmung ist dann, wenn ¼ wie hier ¼ über den ganzen Nachlass<br />

verfügt wird, der Gebührenberechnung der Wert des nach<br />

Abzug der Verbindlichkeiten verbleibenden reinen Vermögens zugrunde<br />

zu legen, ohne dass Vermächtnisse, Pflichtteilsrechte und<br />

Auflagen abgezogen werden. Die Kostenschuldnerin stellt weiterhin<br />

nicht in Abrede, dass der in dem angefochtenen Gebührenansatz<br />

ausgewiesene Geschäftswert von 3.592.429 DM dem nach Abzug<br />

der Verbindlichkeiten verbleibenden reinen Vermögen des Erblassers<br />

entspricht.<br />

2. a) Die Vorschrift des § 102 KostO stellt für den Anfall der<br />

halben Gebühr allein auf den zweifelsfrei feststellbaren Verfahrensakt<br />

der Eröffnung einer Verfügung von Todes wägen ab. Kommt ¼<br />

wie hier ¼ zu mehreren Testamentseröffnungen gem. § 2260 Abs. 1<br />

BGB, so entsteht jedes Mal die Gebühr des § 102 KostO neu ¼<br />

auch dann, wenn dasselbe Gericht mit diesen Vorgängen befasst<br />

war. Nur die gleichzeitige Eröffnung mehrerer Verfügungen von<br />

Todes wegen desselben Erblassers bei demselben Gericht ist<br />

gem. § 103 Abs. 2 KostO mit der Gebührenfolge privilegiert, dass<br />

dann nur eine Gebühr nach dem zusammengerechneten Wert zu<br />

erheben ist; soweit mehrfach über den ganzen Nachlass oder über<br />

denselben Bruchteil verfügt ist, kommt der Wert nur einmal in Betracht.<br />

b) Dementsprechend hat die Kostengläubigerin für den Eröffnungsvorgang<br />

des Nachlassgerichts Wuppertal vom 13.9.1991, der<br />

die gemeinschaftlichen Testamente vom 19.1.1983, 29.1.1984 sowie<br />

5.6.1986 zum Gegenstand hatte, nur eine einheitliche Gebühr<br />

in Höhe von 2.755 DM nach dem vollen Nachlasswert erhoben.<br />

Diese Gebühr hat Eingang in den hier nicht angefochtenen früheren<br />

Kostenansatz vom 26.5.1992 gefunden. Die Kostenschuldnerin<br />

wendet sich insbesondere nicht dagegen, dass in diesem Kostenansatz<br />

gem. § 103 Abs. 3 KostO für eine am 30.12.1991 durch das<br />

AG Mühldorf am Inn erfolgte Eröffnung eines die Gesellschaftsanteile<br />

des Erblassers betreffenden Erbvertrages eine weitere<br />

Gebühr von 2.755 DM berechnet worden ist.<br />

3. Diese Gebühr ist noch ein weiteres Mal aufgrund des Umstandes<br />

angefallen, dass es am 20.1.2000 durch das Nachlassgericht<br />

Wuppertal zu der hier in Rede stehenden Eröffnung des<br />

¹Nachtrages zum gemeinschaftlichen Testamentª vom 4.1.1985 gekommen<br />

ist. Dagegen wendet die Kostenschuldnerin ohne Erfolg<br />

ein, es handele sich bei diesem Testament um eine ganz Unwesentliche<br />

Nachtragsänderung.<br />

a) Aus § 103 Abs. 2 KostO ergibt sich eindeutig, dass es nach<br />

dem Gesetz für die Entstehung der Gebühr allein darauf ankommt,<br />

ob ein einheitlicher Eröffnungsvorgang gegeben ist oder eine<br />

Mehrheit solcher Vorgänge. Der <strong>Inhalt</strong> der eröffneten letztwilligen<br />

Verfügung ist nach dieser formalisierten Betrachtungsweise ohne<br />

Bedeutung. Für die Festsetzung des Geschäftswertes des jeweiligen<br />

Eröffnungsaktes ist es irrelevant, welches materielle Gesamtergebnis<br />

sich unter Berücksichtigung aller bereits erfolgten Testamentseröffnungen<br />

ergibt und ob das separat eröffnete weitere<br />

Testament überhaupt noch eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung<br />

hat. Nach der herrschenden, Meinung in Rechtsprechung<br />

und Literatur folgt aus der Ausnahmevorschrift des § 103 Abs. 2<br />

KostO, dass der Gesetzgeber für die Geschäftswertberechnung<br />

Überschneidungen des Regelungsbereichs mehrerer letztwilliger<br />

Verfügungen, ggf. auch die völlige Identität des Regelungsergebnisses,<br />

nicht als Ermäßigungsgrund anerkennen wollte, sofern die<br />

Eröffnung nicht bei dem selbem Gericht gleichzeitig erfolgt (KG<br />

Rpfleger 1979, 277; OLG Frankfurt JurBüro 1986, 426; OLG Stuttgart<br />

Rpfleger 1988, 485; OLG Köln Rpfleger 1992, 394; BayObLG<br />

FamRZ 1997, 644; LG Bayreuth, JurBüro 1986, 261; LG Siegen<br />

Rpfleger 1986, 182; LG Duisburg Rpfleger 1988, 190; Göttlich/<br />

Mümmler, Kommentar zur Kostenordnung, 12. Aufl. Stichwort ¹Eröffnungª<br />

Anm. 1.4; Hartmann, Kostengesetze, 28. Aufl., § 103<br />

KostO, Rdnr. 3).<br />

b) Demgegenüber vertritt ein Teil der Literatur die Auffassung,<br />

im Falle der alleinigen Maßgeblichkeit der Anzahl der Eröffnungsvorgänge<br />

komme es zu einer unbilligen Gebührenhäufung. Deshalb<br />

sei für bestimmte Fallkonstellationen als Geschäftswert zur<br />

Bemessung der Eröffnungsgebühr nur ein Bruchteil des vollen<br />

Nachlasswertes oder lediglich eine Mindestgebühr in Ansatz zu<br />

bringen (Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, Kommentar zur<br />

Kostenordnung, 14. Aufl., § 103, Rdnr. 30 ff.; Rohs/Wedewer/,<br />

Kommentar zur Kostenordnung, 3. Aufl., Stand September 2000,<br />

§ 103, Rdnr. 12). So komme etwa bei mehreren Verfügungen mit<br />

demselben <strong>Inhalt</strong> nur der ersten der volle Wert zu, den übrigen<br />

lediglich ein Bestätigungswert; eine widerrufende Verfügung habe<br />

nur dann den vollen Wert, wenn über den widerrufenen Gegenstand<br />

nicht erneut verfügt werde und eine Verfügung, die eine frühere<br />

Verfügung wiederhole und ergänze, habe nur den Wert der<br />

Ergänzung (Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann aaO, Rdnr. 31,<br />

33, 34).<br />

4) Im Ergebnis kann die Entscheidung der Rechtsfrage dahinstehen,<br />

ob dieser Minderansicht aus Billigkeitserwägungen zu folgen<br />

ist. Denn im Hinblick auf die rechtliche und wirtschaftliche


28 <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> <strong>Anwaltsnotariat</strong> 1/2001 MN<br />

Bedeutung des am 20. Januar eröffneten ¹Nachtrages zum gemeinschaftlichen<br />

Testamentª kommt keine der Fallkonstellationen<br />

in Betracht, für welche nach dieser Ansicht eine Reduzierung des<br />

Geschäftswertes geboten ist.<br />

Zum Schluss<br />

Der verwirrte Notar<br />

Der Anwaltsnotar übt sein Amt in einem kleinen<br />

Dorf in Norddeutschland seit über 40 Jahren aus.<br />

Ihm kommt die Gnade der Übergangsvorschrift aus<br />

der Änderung der Bundesnotarordnung im Jahre<br />

1991 zugute. Er darf daher sein Amt auch über die<br />

Altersgrenze von 70 Jahren hinaus bis zum Jahre<br />

2003 ausüben.<br />

Pflichtbewußt hat er sich mit den Änderungen befaßt,<br />

die jetzt das Beurkundungsgesetz gebracht hat.<br />

Dabei ist er auch auf die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 7<br />

BeurkG gestoßen. Pflichtbewußt hat er sich entschieden,<br />

der Auffassung des Vorsitzenden des zuständigen<br />

Bundestagsausschusses, Rechtsanwalt und Notar Eylmann,<br />

zu folgen. Pflichtbewußt nimmt er daher in Beurkundungen<br />

und Beglaubigungen die Formulierungsempfehlung<br />

aus dem DNotlReport 1998/18 (S. 17) auf<br />

und fragt.<br />

Dabei erlebt er folgendes:<br />

1. Die Ehefrau des Nachbarn des Notars ist verstorben.<br />

Nachbar und Notar sind schon zusammen<br />

zur Schule gegangen. Zugunsten der Ehefrau war ein<br />

Wohnrecht im Grundbuch eingetragen. Das soll nun<br />

gelöscht werden. Pflichtbewußt fragt der Notar seinen<br />

Nachbarn: War ich vorbefaßt?<br />

Der schaut ihn verständnislos an und fragt: Willst<br />

Du von mir wissen, ob Du was mit meiner Frau hattest?<br />

Bist Du denn jetzt schon so tüddelig, daß Du<br />

das nicht mehr selber weißt?<br />

2. Der Lehrer am Gymnasium in der Kreisstadt,<br />

der aufs Land gezogen ist, kommt zum Notar, um<br />

ebenfalls seine Unterschrift beglaubigen zu lassen.<br />

Wiederum stellt der Notar die Frage nach der Vorbefassung.<br />

Antwort des Lehrers:<br />

a. Das müssen Sie ja wohl selbst am besten wissen.<br />

b. Ich bin nicht hier, um Ihre Fragen zu beantworten,<br />

sondern damit ich meine Unterschrift leiste.<br />

c. Wenn Sie nicht selber wissen, was Sie tun,<br />

komme ich nicht mehr wieder.<br />

In der Nähe des Dorfes liegt ein Durchgangslager<br />

für Aussiedler. Des öfteren erscheinen bei dem Notar<br />

junge Leute, die mit dem Fahrzeug eines Verwandten<br />

oder eines Freundes nach Rußland fahren wollen. Sie<br />

benötigen dann eine beglaubigte Unterschrift des<br />

Fahrzeughalters, daß dieser die Einreise gestattet.<br />

Weder Halter noch Fahrer sind der deutschen<br />

Sprache mächtig. An einem Freitag abend um 17 Uhr<br />

erscheinen sie. Die Reise soll am nächsten Morgen<br />

losgehen. Wie soll sich der arme ergraute Notar verständlich<br />

machen? Wie kann er denn überhaupt vorbefaßt<br />

sein?<br />

4. Der Notar X beglaubigt gem. § 40 Abs. 5 BeurkG<br />

eine Unterschrift ohne zugehörigen Text. Jetzt<br />

zeigt sich, daß ihm mit zunehmenden Alter hellseherische<br />

Fähigkeiten erwachsen sind. Er und der Unterschriftsbeteiligte<br />

wissen nämlich schon heute, ob sie<br />

einmal vorbefaßt sein werden.<br />

5. Der Notar X hat als Anwalt einen jungen Mann<br />

vor Schließung der Ehe über die daraus erwachsenden<br />

Rechtsfolgen beraten. Die Folge war, daß diese<br />

Frau ihn nicht mehr heiraten wollte. Der junge Mann<br />

hat sich eine neue gesucht, diese jedoch nicht über<br />

die vorangegangene Beratung aufgeklärt, um sie<br />

nicht zu verschrecken. Sie melden sich nach Eheschließung<br />

zur Beurkundung eines Ehevertrages an.<br />

Die tüchtige Notariatskraft bereitet den <strong>Inhalt</strong> der Urkunde<br />

standardmäßig vor. Auf die Frage an die Beteiligten,<br />

ob der Notar vorbefaßt war, schütteln beide<br />

energisch den Kopf. Der Notar ist zwar alt, hat jedoch<br />

ein gutes Gedächtnis und erinnert sich an die frühere<br />

Beratung. Was tut er nun, wenn die Beteiligten wahrheitswidrig<br />

eine Frage beantworten? Was ist, wenn<br />

der Notar doch nicht mehr so ein gutes Gedächtnis<br />

hat und sich an die frühere Beratung nicht erinnert?<br />

Hat er sich eines fahrlässigen Dienstvergehens schuldig<br />

gemacht? Handelt es sich im ersten Fall um einen<br />

Verstoß, der grob ist und im Wiederholungsfalle zur<br />

Amtsenthebung führt?<br />

Ich meine daher, daß schnellstens eine Korrektur<br />

dieser verfehlten Regelung erfolgen sollte. Das bisherige<br />

Ablehnungsrecht und/oder der Hinweis auf eine<br />

Vorbefassung im Auftrag aller Personen hat bisher<br />

ausgereicht.<br />

Rechtsanwalt und Notar Karl-Wilhelm Höcker,<br />

Osnabrück

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