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Ein Menschenfreund<br />
Diese Behauptung war nicht übertrieben. Allerdings<br />
sollte der von Alfred Nobel gestiftete<br />
Preis die friedliche Nutzung der Wissenschaft<br />
fördern. Forscher, die ihre Entdeckung zum<br />
Massenmord einsetzten, kamen nicht in die<br />
engere Wahl. Bei einem Negativ-Nobelpreis für<br />
den größten Menschheitsvernichter hätte der<br />
raffiniert argumentierende Amokläufer auf der<br />
anderen Seite des Metalltisches allerdings gute<br />
Chancen gehabt. Genug der Reflexionen. Der<br />
Journalist hatte einen Job zu erledigen. Es war<br />
ganz hilfreich, dass der Unmensch die Initiative<br />
an sich gerissen und das Gespräch in Gang<br />
gebracht hatte. Der Interviewer hätte kaum mit<br />
Sätzen wie „Sie haben einen beträchtlichen Teil<br />
der menschlichen Spezies eliminiert. Was sind<br />
Ihre nächsten Pläne?“ beginnen können. Fanatiker<br />
brannten meistens darauf, Enthüllungen<br />
von sich zu geben. Man brauchte nur ihre Gedankengänge<br />
aufzugreifen, und sie zum Reden<br />
zu ermuntern. Das tat der Journalist: „Am besten,<br />
Sie beginnen am Anfang, Professor. Es ist<br />
doch okay, dass mein Tonband mitläuft, oder?“<br />
„Selbstverständlich. Im Übrigen habe ich bereits<br />
begonnen.“<br />
„Sie meinen, Ihre Frage, ob ich hinter dem<br />
Lenkrad auch von Dr. Jekyll zu Mr. Hyde mutiere,<br />
ist bereits ein Hinweis darauf, warum<br />
Sie sich entschlossen haben, statt einem möglichen<br />
Nobelpreis die Gaskammer oder den lebenslangen<br />
Aufenthalt in einer geschlossenen<br />
Anstalt zu wählen? Von einer nicht eben lobenden<br />
Erwähnung in den Annalen der Wissenschaft<br />
und in der Geschichte einmal ganz<br />
abgesehen?“<br />
„Korrekt.“<br />
„Stimmen Sie mir zu, dass etwas weitergehende<br />
Erklärungen angebracht wären?“<br />
„Durchaus. Genau darum habe ich Sie kontaktiert,<br />
einen Journalisten, der in meiner<br />
Richtung publiziert hat.“ Das war etwas krass<br />
ausgedrückt, schließlich hatte der Interviewer<br />
noch niemals vorgeschlagen, die Menschheit<br />
durch Ausrottung zu heilen, aber was sollte es.<br />
Man kam langsam zum Kern der Sache. Die<br />
nächsten Worte bestätigten es.<br />
„Es wird Sie vielleicht erstaunen, aber ich war<br />
immer schon ein Menschenfreund mit extrem<br />
ausgeprägtem Verantwortungsgefühl“,<br />
erklärte der Wissenschaftler. Dabei lächelte<br />
er philantropisch. Seinen Gesprächspartner<br />
überraschte diese Aussage nicht sonderlich.<br />
Viele Monstren in Menschengestalt sahen sich<br />
als Heilsbringer.<br />
Der „Menschenfreund“ führte weiter aus: „Im<br />
Gegensatz zum Großteil meiner Gesinnungsgenossen<br />
in Sachen Menschenliebe empfinde ich<br />
sehr tief für alles Lebendige überhaupt. Und ich<br />
bin ein Gerechtigkeitsfanatiker. Die ideale Voraussetzung<br />
für einen inneren Konflikt, finden<br />
Sie nicht?“<br />
Und für Wahnsinn, dachte der Angesprochene,<br />
während er antwortete: „Scheint mir auch so.“<br />
„Dass wir einander mit Ausdauer, Fantasie und<br />
Begeisterung foltern, verstümmeln und abkehlen,<br />
Drogen konsumieren und uns selbst schädigen,<br />
wo es nur geht, ist schon bedenklich genug,<br />
aber was wir mit ‚Bruder Tier‘, im Grunde mit<br />
der gesamten Natur auf unserem Planeten,