empirische Sozialforschung - MZES
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Arbeitspapiere - Mannheimer Zentrum für Europäische <strong>Sozialforschung</strong> 3<br />
Entsprechend ratlos wirkt auch ihre Beschreibung des methodischen Vorgehens bei der Analyse von<br />
Deutungsmustern. So habe sich bei einer "überschaubaren Zahl von Fällen" die "Sequenzanalyse als<br />
das geeignete und bislang kaum umstrittene Verfahren herauskristallisiert" (1997: 68). Dies ist aber<br />
wohl eher auf den allgemeinen Erfolg sequenzanalytischer Verfahren in der Nachfolge Oevermanns,<br />
Schützes und anderer zurückzuführen (bzw. auf das Abebben der entsprechenden methodenkritischen<br />
Diskurse innerhalb der qualitativen <strong>Sozialforschung</strong>); jedenfalls können Lüders und Meuser keinen<br />
spezifischen positiven Grund für die Vorteile sequenzanalytischer Interpretationsverfahren bei der<br />
Rekonstruktion sozialer Deutungsmustern nennen. Noch deutlicher wird die Ratlosigkeit bei der "Analyse<br />
großer Textmengen" (1997: 71ff.). Zwar beklagen die Autoren wohl zurecht, daß oft genug nicht<br />
deutlich gemacht werde, wie Deutungsmuster rekonstruiert werden, und verweisen auf das Problem<br />
der Materialauswahl. Auch hier bleibt die Argumentation jedoch auf einer allgemeinen Ebene: Die angesprochenen<br />
Probleme und angemahnten Defizite sind jedenfalls kein Spezifikum deutungsmusteranalytischer<br />
Verfahren. Zudem bezieht sich die Darstellung offenbar auf diachrone (historische) Analysen<br />
und solche medial vermittelter Diskurse. Daß höhere Fallzahlen, die eine kontrastierende Analyse<br />
fruchtbar erscheinen lassen, auch zur Rekonstruktion lebensweltlicher (und daher "unveröffentlichter")<br />
Deutungsmuster genutzt werden (können), scheint den Autoren offenbar nicht erwähnenswert zu sein.<br />
Noch bezeichnender ist aber, daß Lüders und Meuser die Diskussion des methodischen Vorgehens<br />
bei der Analyse sozialer Deutungsmuster vollständig auf Aspekte der Dateninterpretation beschränken.<br />
Die Frage nach den angemessenen Instrumenten der Datenerhebung, also nach den geeigneten<br />
Verfahren zur Erfassung von Datenmaterial, auf dessen Grundlage soziale Deutungsmuster rekonstruiert<br />
werden können, wird dagegen nicht einmal erwähnt! Daß es kein spezifisches Verfahren der<br />
Deutungsmusteranalyse gibt, gilt aber nicht nur für die Interpretation, sondern auch für die Erhebung<br />
von Daten, die für die Rekonstruktion von sozialen Deutungsmustern geeignet sind. Grundsätzlich<br />
scheinen hier alle Verfahren der qualitativen Datenerhebung anwendbar. Zumindest basieren Deutungsmusteranalysen<br />
auf Material, das durch die unterschiedlichsten Erhebungstechniken gewonnen wurde,<br />
wie z.B. durch offene Leitfadeninterviews (Brenke/Peter 1985, Neumann 1994), Experteninterviews<br />
(Meuser 1992), Dokumentenanalyse (Schetsche 1992) und Gruppendiskussionen (Bohnsack 1992).<br />
Zwei Verfahren sind hier jedoch hervorzuheben, weil sie für die Analyse sozialer Deutungsmuster besonders<br />
geeignet erscheinen:<br />
So ist eine gewisse Wesensverwandtschaft zwischen der objektiven Hermeneutik und dem Deutungsmusterkonzept<br />
nicht zu verkennen - und dies nicht nur, weil sie in Ulrich Oevermann einen gemeinsamen<br />
"Vater" haben (Oevermann 1973; Oevermann et al. 1979). Denn die objektive Hermeneutik<br />
scheint als Instrument zur Analyse latenter Sinngehalte für die Deutungsmusteranalyse geradezu<br />
prädestiniert zu sein. Als problematisch erweist sich jedoch, daß zumindest innerhalb der objektiven<br />
Hermeneutik aufgrund der Hypostasierung des Strukturbegriffs kein theoretisches oder methodisches<br />
Mittel zur sozialen Lokalisierung von Deutungsmustern zur Verfügung steht. Darüber hinaus reichen<br />
sequentielle Einzelfallanalysen für eine Rekonstruktion sozial geteilter Deutungsmuster nicht aus;<br />
fallspezifische Idiosynkrasien können nie vollständig kontrolliert werden. Vor allem dürfte aber die<br />
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