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unimagazin 3/2000_Risiko und Sicherheit. Zwischen Kalkül ... - Planat

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56 VERSICHERUNGEN UND FINANZEN<br />

Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen<br />

mathematischer <strong>Risiko</strong>kontrolle<br />

Im letzten Jahrzehnt haben modernste<br />

mathematische Methoden<br />

vermehrt im Banken- <strong>und</strong> Versicherungsbereich<br />

Einzug gehalten.<br />

In einem Berufsfeld, das<br />

früher hauptsächlich eine Domäne<br />

von Juristen <strong>und</strong> Wirtschaftswissenschaftlern<br />

war, tummeln sich<br />

nun auch Mathematiker, Physiker<br />

<strong>und</strong> andere quantitativ-mathematisch<br />

ausgebildete Spezialisten.<br />

Haupteinsatzgebiet dieser<br />

«Quants» (quantitative analysts)<br />

ist die Messung <strong>und</strong> Kontrolle der<br />

Finanzrisiken, denen sich Banken<br />

<strong>und</strong> andere Finanzinstitute gegenübersehen.<br />

VON RÜDIGER FREY UND<br />

UWE SCHMOCK<br />

Die Schätzung reiner Versicherungsrisiken<br />

hat im Gegensatz<br />

zum Bankenbereich längere<br />

Tradition <strong>und</strong> gilt als Domäne der<br />

Aktuare (Versicherungsmathematiker).<br />

Weil die Bank- <strong>und</strong> Versicherungsbranchezusammenwächst,<br />

wie dies auch institutionell<br />

durch Fusionen zu Allfinanzinstituten<br />

zum Ausdruck kommt,<br />

sind Finanz- <strong>und</strong> Versicherungsrisiken<br />

heute gemeinsam zu betrachten.<br />

Auf Produkteebene äussert<br />

sich dieser Trend zum Beispiel<br />

durch aktienfondsgeb<strong>und</strong>ene Lebensversicherungen,Kreditversicherungen<br />

sowie hochverzinsliche<br />

Anleihen zur Deckung eventueller<br />

Erdbeben- oder sonstiger<br />

Katastrophenschäden (Securitization).<br />

Dr. Rüdiger Frey ist Assistenzprofessor<br />

am Institut für Schweizerisches<br />

Bankwesen, Universität<br />

Zürich.<br />

Dr. Uwe Schmock amtet als<br />

Forschungsdirektor des RiskLabs<br />

am Departement Mathematik der<br />

ETH Zürich.<br />

Zur Bewältigung ihrer Aufgaben<br />

stützen sich die <strong>Risiko</strong>kontrolleure<br />

auf Methoden aus vielen<br />

Bereichen der Mathematik <strong>und</strong><br />

Informatik. Das Arsenal der<br />

finanzmathematischen Waffen<br />

umfasst neben modernsten Techniken<br />

aus der Stochastik (Wahrscheinlichkeitstheorie<br />

<strong>und</strong> Statistik)<br />

zur Analyse von Finanzdaten<br />

auch Techniken aus der Theorie<br />

<strong>und</strong> Numerik partieller Differentialgleichungen,Simulationsverfahren<br />

<strong>und</strong> sogar Methoden aus<br />

der reinen Mathematik. Ausserdem<br />

spielen in der computerisierten<br />

Finanzwelt natürlich auch<br />

Informatikaspekte eine grosse<br />

Rolle.<br />

Erhöhtes <strong>Risiko</strong><br />

Ausgelöst wurde die Entwicklung<br />

hin zum quantitativen <strong>Risiko</strong>management<br />

durch eine Reihe von<br />

Faktoren, die das <strong>Risiko</strong> grosser<br />

Verluste für Banken <strong>und</strong> andere<br />

Akteure an den Finanzmärkten<br />

stark erhöht haben. Mit dem<br />

Wegfall des Bretton-Wood-Systems<br />

fester Wechselkurse anfang<br />

der 70er-Jahre ging eine starke<br />

Zunahme der Kursschwankungen<br />

an den Finanzmärkten einher;<br />

Börsenprofis sprechen in diesem<br />

Zusammenhang von einer stark<br />

gestiegenen Volatilität. Parallel<br />

dazu sind – begünstigt durch den<br />

Abbau von Handelshemmnissen<br />

<strong>und</strong> durch technologische Entwicklungen<br />

– die Umsätze an den<br />

Finanzmärkten stark gewachsen.<br />

Beispielsweise betrug der Tagesumsatz<br />

an der New Yorker<br />

Aktienbörse 1970 r<strong>und</strong> 3,5 Mio.<br />

Aktien, 1990 bereits 40 Mio., <strong>und</strong><br />

auf anderen Märkten verlief der<br />

Umsatzanstieg noch rasanter.<br />

Gleichzeitig haben eine Klasse<br />

neuer Finanzprodukte, die so genannten<br />

Derivate, einen grossen<br />

Aufschwung erlebt. Bei Derivaten<br />

handelt es sich grob gesprochen<br />

um eine Wette auf den Kursverlauf<br />

von Basiswerten wie etwa<br />

Anleihen, Aktien oder Rohstoffen;<br />

die wichtigsten Derivate<br />

sind Terminverträge, Swaps <strong>und</strong><br />

Optionen. Derivate ermöglichen<br />

es den Akteuren an den Finanzmärkten,<br />

sich ohne grossen Aufwand<br />

gegen Schwankungen im<br />

Preis der Basiswertpapiere abzusichern<br />

(<strong>Risiko</strong>transfer); <strong>und</strong><br />

gleichzeitig eignen sie sich natürlich<br />

auch zu Spekulationszwecken.<br />

Die Bewertung derivativer<br />

Finanzinstrumente beruht<br />

auf einer komplexen mathematischen<br />

Theorie, deren Begründer,<br />

die Professoren Robert C. Merton<br />

<strong>und</strong> Myron S.Scholes, 1997<br />

mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaftenausgezeichnet<br />

wurden (der Mitbegründer<br />

Fisher Black war zu diesem<br />

Zeitpunkt bereits verstorben).<br />

Derivate sind ideal geeignet als Instrument<br />

zur Umverteilung von<br />

Finanzrisiken <strong>und</strong> daher ein unverzichtbarer<br />

Bestandteil der modernen<br />

Finanzmärkte. Wie eine<br />

Reihe spektakulärer Verluste A<br />

nfang der 90er-Jahre gezeigt hat,<br />

ist der <strong>Risiko</strong>transfer mit Derivaten<br />

gleichwohl selbst nicht ohne<br />

<strong>Risiko</strong>.<br />

Moderne<br />

<strong>Risiko</strong>managementsysteme<br />

Als Antwort auf das gestiegene<br />

<strong>Risiko</strong>potenzial an den Finanzmärkten<br />

haben Banken <strong>und</strong> auch<br />

Versicherungen unter dem Druck<br />

von Aktionären, Öffentlichkeit,<br />

Politik <strong>und</strong> Aufsichtsorganen mit<br />

der Entwicklung <strong>und</strong> Implementation<br />

moderner, quantitativer<br />

<strong>Risiko</strong>managementsysteme begonnen.<br />

Herzstück eines solchen<br />

Systems ist die Ermittlung der Gewinn-<br />

<strong>und</strong> Verlustverteilung. Hier<br />

versucht man, die Wahrscheinlichkeiten<br />

für das Auftreten von<br />

Gewinnen <strong>und</strong> Verlusten ver-<br />

MAGAZIN UNIZÜRICH 3/00 – BULLETIN ETHZ 279

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