Private UV Vortrag Nürnberg - Kanzlei Johannsen
Private UV Vortrag Nürnberg - Kanzlei Johannsen
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Gerhard Gröning Fachanwalt für Versicherungsrecht<br />
gerhardgroening@kanzlei-johannsen.de<br />
www.kanzlei-johannsen.de
BGH, Beschluss v. 04.05.09, IV ZR 62/07<br />
Sachverhalt<br />
Die Kl. beantragte über ihren Makler eine Unfallversicherung für ihre<br />
Mutter, die Kl. wusste um Vorerkrankungen der Mutter. Der<br />
VersMakler hatte – ohne dass die Kl. dass wusste ( anderes wurde<br />
nicht bewiesen ) - bei dem VR nachgefragt, ob die Unfallvers. ohne<br />
Gesundheitsprüfung abgeschlossen werde.<br />
Kurz danach erlitt die VP einen Unfall. In der Schadenanzeige gab<br />
die Kl. wahrheitswidrig an, die VP sei vollkommen gesund gewesen.<br />
LG und OLG lehnten die Klage auf Leistung wegen Arglist deshalb ab.<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 2
BGH, der Beschluss v. 04.05.09 führte zur Aufhebung<br />
• Gründe<br />
– Eine arglistige Auskunftsverletzung über Vorerkrankungen<br />
nach Eintritt des VersFalles ist nicht nachgewiesen, wenn<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
• der VersMakler bei Vertragsschluss sich<br />
erkundigt , ob der Vertrag ohne Gesundheitsprüfung<br />
abgeschlossen wird, ohne dass der VN<br />
diese Anfrage initiiert hat,<br />
• der VN eine vom Makler falsch ausgefüllte<br />
Schadenanzeige unterschrieben hat und nicht<br />
feststeht, dass der VN die Anzeige vor<br />
Unterzeichnung genau durchgelesen hat<br />
Seite 3
Der Unfall<br />
• Begriff<br />
• Erweiterung durch Unfallfiktion<br />
• Die Leistungsarten<br />
• Die Fristen<br />
• Einschränkungen der Leistungspflicht<br />
• Risikoausschlüsse<br />
• Obliegenheiten<br />
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Versicherungsrecht<br />
4<br />
Seite 4
• Nachweis einer Borreliose-Erkrankung nach Zeckenstich<br />
• Infektionsklausel zu AUB 2000 Ziffer 5.2.4<br />
• 1. Werden beim Versicherten positive Borrelien-Antikörpertiter festgestellt, so kann aus<br />
medizinischer Sicht daraus noch nicht auf eine chronische, klinisch manifestierte Borrelieninfektion<br />
geschlossen werden, denn derartige Antikörpertiter kommen bei etwa 10 bis 20% (in einzelnen<br />
Regionen über 20%) der allgemeinen Bevölkerung ohne klinische Symptomatik vor.<br />
• 2. Zeigt eine Liquoruntersuchung eine normale Zellzahl und keine Antikörperproduktion im<br />
Liquorraum auf, so sind damit keine Diagnosekriterien der Leitlinien für Diagnostik und Therapie in<br />
der Neurologie festgestellt, nach denen das Vorliegen einer Borreliose mit neurologischen<br />
Symptomen wahrscheinlich oder gesichert ist. Voraussetzung einer solchen Feststellung ist ein<br />
Nachweis von entzündlichen Veränderungen im Nervenwasser (Liquor) und von dort vorhandenen<br />
Borrelien-Antikörpern. Haben diverse durchgeführte Antibiotikatherapien zu keiner dauerhaften<br />
Besserung der Symptome geführt, so spricht dies zusätzlich gegen einen kausalen<br />
Zusammenhang der Beschwerden des Versicherten (Leistungsknick, Abgeschlagenheit,<br />
Schmerzsyndrom in verschiedenen Muskeln) mit einer Borrelieninfektion.<br />
• OLG Koblenz, Beschluss vom 10. 6. 2011 - 10 U 228/11 [Zur medizinischen Feststellung einer<br />
Borreliose durch Zecken siehe auch Suermann „Die Versicherung von Infektionen in der privaten<br />
Unfallversicherung am Beispiel Borreliose durch Zecken – Anmerkungen aus medizinischer Sicht”,<br />
r+s 2011, RUNDS Jahr 2011 Seite 50–RUNDS Jahr 2011 Seite 56.]<br />
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Versicherungsrecht<br />
Seite 5
• Geltendmachung der Invalidität in der Unfallanzeige<br />
• AUB 94 § AUB § 7 AUB § 7 Absatz I<br />
• 1. Werden in der fristgerechten Unfallanzeige Verletzungsfolgen genannt sind, die<br />
notwendig zu einer Invalidität führen, so enthält die Unfallanzeige gleichzeitig eine<br />
Geltendmachung der Invalidität.<br />
• 2. Werden in der Unfallanzeige als Unfallfolge „Ganzkörperverbrennungen 3. Grades”<br />
genannt, bei denen aufgrund des genannten Grades für den Versicherer erkennbar<br />
ist, dass ein großer Teil der Körperoberfläche betroffen ist und erfahrungsgemäß bei<br />
diesem Schadenbild Dauerschäden unausweichlich sind, so ist mit der Unfallanzeige<br />
gleichzeitig der Eintritt einer Invalidität geltend gemacht.<br />
• 3. Der Versicherer hat seine Hinweispflicht auf die Anspruchsvoraussetzungen erst<br />
dann erfüllt, wenn der Hinweis den VN erreicht hat.<br />
• 4. Zur Bemessung der Invalidität bei schweren Verbrennungen (hier Invaliditätsgrad<br />
von 80% bei Verbrennungen 3. Grades an beiden Armen bis zum Ärmelrand des T-<br />
Shirts sowie Beinen, bei denen wegen des protektiven Effekts der Schuhe lediglich<br />
die Füße ausgenommen waren).<br />
• OLG Stuttgart, Urteil vom 14. 5. 2009 - 7 U 174/08<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 6
• LG Göttingen: Unfall – Illiosakralgelenkr + s 2012, 408<br />
• Unfall – Illiosakralgelenk<br />
• AUB 88 § AUB § 1 AUB § 1 Absatz III, AUB § 1 Absatz IV<br />
• 1. Eine unfallbedingte Verletzung des Illiosakralgelenks – ein Pseudogelenk, das aus<br />
einer bindegewebigen Verbindung von Kreuz- und Darmbein besteht und nur eine<br />
geringe Beweglichkeit aufweist – in Form einer Verrenkung ist nur mit einer anderen<br />
knöchernen Verletzung wie einer Beckenring- oder einer Symphysenruptur möglich.<br />
• 2. Eine Blockade des Illiosakralgelenks – Verschieben der Oberflächen beider<br />
Knochen gegeneinander – ist konservativ gut zu behandeln, ohne das Spätfolgen<br />
zurückbleiben, so dass diese keinen Invaliditätsgrad begründet.<br />
• LG Göttingen, Urteil vom 3. 3. 2011 - 8 O 144/07<br />
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Versicherungsrecht<br />
Seite 7
• OLG Jena: Ausschluss Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen – ADHSr + s 2012, 351<br />
• Ausschluss Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen – ADHS<br />
• Kinder-Invaliditätszusatzvers. Ziffer 6.2; BGB § BGB § 307<br />
• 1. Der Ausschluss von Neurosen, Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen sowie Psychosen und<br />
Oligophrenie in der Kinder-Invaliditätsvers. ist wirksam.<br />
• 2. Der Wiedereinschluss derartiger Beeinträchtigungen in den VersSchutz, wenn diese auf eine<br />
Erkrankung mit hirnorganischen Schäden zurückzuführen sind, ist wirksam. Der Begriff<br />
„Erkrankung mit hirnorganischen Schaden genügt dem Transparenzgebot, denn der VN kann<br />
erkennen, dass der Leistungsanspruch als Ausgangserkrankung eine Erkrankung des Gehirns<br />
voraussetzt, z.B. einen Schlaganfall, ein Hirntumor oder Aneurysma.<br />
• 3. Liegen die Ursachen der bei einem Kind aufgetretenen ADHS in multiplen psychosozialen<br />
Belastungsfaktoren, einer chronischen Überforderung oder massiven erzieherischen Defiziten,<br />
dann ist die Beeinträchtigung durch ADHS mangels einer hirnorganischen Erkrankung vom<br />
VersSchutz ausgeschlossen. Ein den VersSchutz begründender hirnorganischer Schaden läge<br />
z.B. vor, wenn eine Stoffwechselstörung mit fehlerhafter Signalverarbeitung die ADHS verursacht<br />
hätte.<br />
• OLG Jena, Urteil vom 18. 10. 2011 - 4 U 501/10<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 8
• OLG Koblenz: Mitwirkung einer Herzschädigung am Tod durch Stromschlag r + s 2012, 302<br />
• Mitwirkung einer Herzschädigung am Tod durch Stromschlag<br />
• AUB 88 §§ 1, 7 Nr. VI, § 8; ZPO § ZPO § 286<br />
• 1. a) * Zum Nachweis der Unfallursächlichkeit für Tod mehrere Tage nach erlittenem Stromschlag.<br />
*<br />
• b) Hatte der VN mehreren Zeugen gegenüber von einem erlittenen Stromunfall erzählt, ein Zeuge<br />
am Unfalltag den VN benommen vor dem Schaltschrank sitzend mit doppelt verschränkten Armen,<br />
die er immer wieder auf- und zugemacht habe, vorgefunden sowie am Schaltschrank<br />
verschiedene verschmorte Kabel und eine zu Bruch gegangene Sicherung gesehen und hätte die<br />
vorhandene Koronararteriensklerose nach dem Urteil des medizinische Sachverständige ohne den<br />
Stromschlag zu diesem Zeitpunkt nicht zum Tode geführt, so ist von einer Mitursächlichkeit des<br />
Stromschlages für den 11 Tage später eingetretenen Tod eines herzkranken VN auszugehen.<br />
• 2. * Auch wenn davon auszugehen ist, dass der Stromschlag ohne eine vorbestehende<br />
Herzschädigung nicht zum Tod geführt hätte, würde eine Leistungskürzung wegen der<br />
Herzschädigung nach § 8 AUB 88 voraussetzen, dass ein geschätzter quantitativer<br />
Mitverursachungsanteil derselben festgestellt werden könnte. Ist dies nicht möglich, besteht<br />
Anspruch auf die volle Todesfallleistung. *<br />
• OLG Koblenz, Urteil vom 18. 6. 2010 - 10 U 1014/09<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 9
• OLG Hamm: Schuldhafte Obliegenheitsverletzung bei Rat des Rechtsanwalts;<br />
Maßstab der Gliedertaxe r + s 2012, 253<br />
• Schuldhafte Obliegenheitsverletzung bei Rat des Rechtsanwalts; Maßstab der<br />
Gliedertaxe<br />
• AUB 98 Ziffer 2.1.2.2, 7.3<br />
• 1. Weigert sich der VN auf Rat des von ihm eingeschalteten Rechtsanwalts, sich von<br />
den vom Versicherer benannten Ärzten untersuchen zu lassen, so hat der VN seine<br />
Obliegenheit nach Ziffer 7.3 AUB 98 nicht schuldhaft verletzt, weil er der Auskunft<br />
seinen Rechtsberaters vertrauen darf – wenn er die fehlerhafte rechtliche Beurteilung<br />
seines Rechtsberaters nicht erkennt – und sich das Verhalten des Rechtsberaters<br />
nicht zurechnen lassen muss.<br />
• 2. Maßstab für die Invaliditätsbemessung ist die normale körperliche oder geistige<br />
Leistungsfähigkeit eines durchschnittlichen VN. Ob sich eine Einschränkung der<br />
körperlichen Leistungsfähigkeit auf den ausgeübten Beruf des VN auswirkt, ist in der<br />
Unfallvers. – anders als in der Berufsunfähigkeitsvers. – kein Beurteilungskriterium.<br />
• OLG Hamm, Urteil vom 11. 12. 2009 - 20 U 67/09<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 10
LG Bayreuth, 34 O 815/07 v. 08.04.08<br />
Sachverhalt:<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Der Kl. begehrte Feststellung, dass die beklagte <strong>UV</strong><br />
verpflichtet sei, ihm alle künftigen Schäden aus einem Vorfall<br />
vom 07.09.2004 zu ersetzen.<br />
Der Kl. legte als Baggerfahrer Granitleistensteine mit einem<br />
Gewicht bis zu 150 kg in eine Baggerschaufel und zog sich<br />
dabei einen Spontanpneumothorax . Dieser war durch<br />
Einreißen von Gewebe und Weichteilstrukturen, dem<br />
Pleuragewebe verursacht.<br />
Seite 11
LG Bayreuth, Urteil v. 08.04.08 Entscheidungsgründe<br />
Leitsätze<br />
1. Das Anheben eines Gegenstandes, der keine Eigendynamik<br />
entwickelt, ist kein bedingungsgemäßer Unfall.<br />
2. Beim Pleuragewebe handelt es sich nicht um Gewebe, das im<br />
Zusammenhang mit den Gliedmaßen oder der Wirbelsäule steht,<br />
und es stellt auch keine Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln dar,<br />
sodass eine entsprechende Verletzung auch nicht unter die<br />
Unfallfiktion nach § 1 IV AUB 88 fällt.<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 12
OLG <strong>Nürnberg</strong> Urteil vom 19.05.2011<br />
8 U 1906/10<br />
VP verstarb beim Tauchen<br />
VR lehnt ab<br />
Es spreche alles dafür, dass VP das Bewusstsein verloren habe<br />
Es stehe somit eine innere Ursache am Beginn der Kausalkette<br />
Damit kein Unfall i. S. der AUB<br />
LG weist die Ansprüche der Erben zurück, ein Tod durch Ertrinken sei nicht mit<br />
erforderlicher Sicherheit bewiesen<br />
OLG hebt Urteil in diesem Punkt auf<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 13
OLG <strong>Nürnberg</strong> Urteil vom 19.05.2011<br />
8 U 1906/10 (juris)<br />
BGH vom 22.06.1977, IV ZR 128/75:<br />
Tod durch Ertrinken ist immer ein Unfall im Sinne der AUB<br />
Es dringt Wasser in den Kehlkopf ein<br />
(= plötzliche äußere Einwirkung)<br />
Welches zum Eintritt des Todes führt<br />
(= Gesundheitsschädigung)<br />
Mehr muss der Ansprucherhebende zum Nachweis eines Unfalls nicht beweisen<br />
Tod durch Ertrinken und auch ein Unfall im Sinne der AUB sind durch<br />
Sachverständigengutachten bewiesen, auf die Ursache kommt es nicht an<br />
Frage nach der Ursache stellt sich erst bei der Prüfung, ob ein Ausschlussgrund<br />
vorliegt. Dieser wäre vom Versicherer zu beweisen<br />
Gleichlautend urteilte das<br />
OLG Stuttgart am 27.07.2006 (7 U 208/05)<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 14
OLG <strong>Nürnberg</strong> Urteil vom 19.05.2011<br />
8 U 1906/10 (juris)<br />
„Die Erkenntnis, dass nahezu jeder Tod im Wasser mit einer Ertrinkungsphase<br />
einhergeht, verbietet es jedoch, Wasseraspiration mit Ertrinken und Unfall<br />
gleichzusetzen, weil eine Wasseraspiration auch stattfinden kann, wenn der Tod<br />
durch körperinnere Vorgänge verursacht wurde. Vielmehr kann ein Unfall durch<br />
Ertrinken nur angenommen werden, wenn die zum Ertrinken führende Kausalkette<br />
bereits vorher mit einem Geschehen außerhalb des Körpers begonnen hat“<br />
(Grimm, Unfallversicherung, AUB 99 Nr. 1 Rn 33, zitiert nach beck-online).<br />
OLG bezeichnet dies als „atypischen“ Ertrinkungstod und<br />
lässt die Revision zu<br />
„Der Bundesgerichtshof hat sich bislang nicht dazu geäußert, ob die in seinem<br />
Urteil vom 22.06.1977 (IV ZR 128/75) zur Eintrittspflicht des Unfallversicherers bei<br />
Tod durch Ertrinken aufgestellten Grundsätze nur im Fall eines typischen<br />
Ertrinkens oder auch eines atypischen Ertrinkens gelten.“<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 15
BGH Beschluss vom 18.01.2012<br />
(IV ZR 116/11)<br />
Die dargestellten Grundsätze sind unabhängig davon anzuwenden, welche konkrete<br />
Ursache zu dem Unfall geführt hat.<br />
Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob es sich - wie vom<br />
Berufungsgericht in Erwägung gezogen - um einen Fall typischen oder atypischen<br />
Ertrinkens handelt.<br />
Der Anspruchsteller hat darzulegen und zu beweisen, dass ein Unfall durch Ertrinken,<br />
d.h. durch das Eindringen von Wasser in den Kehlkopf, vorliegt.<br />
Welche Ursache hierfür maßgeblich war, ist erst für die Beurteilung des Eingreifens<br />
eines vom Versicherer zu beweisenden Ausschlusstatbestandes von Bedeutung.<br />
Leitsätze:<br />
1. Der Tod durch Ertrinken ist immer ein Unfalltod i.S.d. AUB<br />
2. Anspruchsteller hat nur Unfall, d.h. Eindringen von Wasser in de<br />
Kehlkopf zu beweisen<br />
3. Wenn nach GA Herzstörung als wahrscheinliches Ereignis und<br />
Ertrinken ohne auslösende innere Ursache nicht beweisbar ist, ist<br />
Ausschlusstatbestand nachgewiesen.<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 16
BGH, Urteil vom 06.07.2011<br />
(VersR. 2011, 1135)<br />
Vorinstanz: OLG Celle<br />
(8 U 131/08, ZfS 2009, 216)<br />
VN wird als Skifahrer von einem anderen Skifahrer überholt aber nicht<br />
berührt,<br />
erschrickt und stürzt dadurch<br />
„Ein bloßes Erschrecken und ein unmittelbar darauf beruhender Sturz nur<br />
infolge einer ungeschickten Eigenbewegung stellt mangels irregulärem<br />
Zustandes der Außenwelt keinen Unfall dar.“<br />
BGH:<br />
„Für die Frage, ob die Einwirkung „von außen“ erfolgt ist, ist allein das Ereignis in den Blick zu<br />
nehmen, das die Gesundheitsschädigung unmittelbar herbeiführt.“<br />
Hier: Gesundheitsschädigung durch Sturz<br />
(Aufprall des Körpers auf Skipiste),<br />
also äußere Einwirkung<br />
Auf Ursache des Ereignisses kommt es nicht an<br />
(Ursache ist erst bei Prüfung von Ausschlusstatbeständen von Bedeutung)<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 17
• Unfall – Auffangen eines Kartons, Bandscheibenschaden ohne<br />
Wirbelkörperverletzung<br />
• AUB 2000 Ziffer 1.3<br />
• 1. Will der VN einen von einem Handwagen rutschenden Karton auffangen und<br />
verhebt er sich dabei, so ist eine dabei erlittene Rückenverletzung nicht unfallbedingt,<br />
denn der Gesundheitsschaden ist durch eine Eigenbewegung und nicht äußere<br />
Einwirkung entstanden.<br />
• 2. Nur ein gravierendes, mit erheblicher äußerer Gewalteinwirkung auf die<br />
Wirbelsäule verbundenes Trauma ist geeignet, einen Bandscheibenvorfall im Bereich<br />
der Lendenwirbelsäule zu verursachen, wenn an den Bandscheiben nicht zuvor<br />
bereits ganz erhebliche degenerative oder sonstige Vorschäden vorlagen. Ein solches<br />
Trauma geht in der Regel mit knöchernen Begleitverletzungen der Wirbelkörper oder<br />
zumindest Verletzungen der die Wirbelkörper umgebenden Strukturen, etwa der<br />
anliegenden Weichteile oder des Bänderapparats, einher.<br />
• OLG Düsseldorf, Urteil vom 14. 6. 2011 - I-4 U 149/10<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 18
OLG Düsseldorf Urteil vom 14.06.2011<br />
(I-4 U 149/10; www.nrwe.de)<br />
Willensgesteuerte Bewegungen sind nur dann ein Unfall, wenn sie die Verletzung<br />
zusammen mit äußerer Einwirkung hervorrufen<br />
Nicht ausreichend: Ausschließlich gewollte oder unwillkürliche (ungeschickte)<br />
Eigenbewegung, die die Gesundheitsschädigung bewirkt<br />
Aus <strong>Vortrag</strong> des Klägers ergab sich nicht, ob die Gesundheitsschädigung<br />
durch den Aufprall auf den Boden,<br />
durch Eigenbewegung bei Versuch, Herunterrutschen des Kartons<br />
zu verhindern<br />
durch bloßes Verheben<br />
entstanden ist<br />
Unfall nicht bewiesen<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 19
OLG Karlsruhe Urteil vom 10.11.2011<br />
(9 U 140/10; ZfS 2012, 157)<br />
VN sitzt an einem Tisch, greift ruckartig nach einem Gegenstand, der sich in einer am<br />
Boden stehenden Kiste befindet<br />
Verliert das Gleichgewicht, kann Sturz durch festhalten am Tischbein und abstützen<br />
auf dem Boden verhindern<br />
Diagnose: Zweiseitige Milzruptur<br />
(die zum Tod führte)<br />
Kommt es … schon bei einer Eigenbewegung des Versicherten selbst zu einer<br />
Gesundheitsschädigung, liegt ein Unfallereignis nur vor, wenn die intendierte<br />
Eigenbewegung infolge des Mitwirkens äußerer Umstände außer Kontrolle gerät und<br />
dadurch zu der Gesundheitsschädigung führt<br />
Nach Sachverständigengutachten nicht klärbar, ob Gesundheitsschädigung<br />
(schon) beim ruckartigen Greifen nach dem Gegenstand oder<br />
(erst) beim Festhalten und Abstützen auf dem Boden<br />
eingetreten ist<br />
Unfall damit nicht bewiesen<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 20
LG Ingolstadt Urteil vom 05.07.2012<br />
(21 O 644/11)<br />
VN begibt sich in ärztliche Behandlung<br />
Diagnose:<br />
Deckplattenimpression LWK 4<br />
Verdacht auf Osteoporose<br />
Hergangsschilderungen<br />
Gegenüber behandelnden Ärzten:<br />
„Beim Beladen eines Hängers mit einem ca. 150 kg schweren<br />
Baumstamm verspürte ich plötzlich eine Art Knacken im LWS-<br />
Bereich“ und „Verhebetrauma“<br />
Unfallbericht:<br />
„Beim Beladen eines Autoanhängers … rollte der Hänger weg und<br />
ich versuchte den rollenden Stamm zu halten … . Wegen der<br />
Treppe konnte ich nicht nach hinten ausweichen.“<br />
Klageschrift und Anhörung im Termin weitere Abwandlungen<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 21
LG Ingolstadt Urteil vom 05.07.2012<br />
(21 O 644/11)<br />
LG: „Die Angaben des Versicherten zum behaupteten Unfallereignis ohne weitere<br />
Beweismittel können nur dann zum Nachweis des Unfalls ausreichen, wenn sie<br />
hinreichend plausibel sind und bei mehreren Darstellungen konstant bleiben.<br />
Daran fehlt es hier.“<br />
Schilderung im Rahmen der Anhörung weicht in nicht nachvollziehbarer Weise von<br />
der Schilderung in der Schadenanzeige ab<br />
Schilderung in der Schadenanzeige deckt sich wiederum nicht mit Angaben<br />
gegenüber behandelnden Ärzten<br />
Nicht fernliegend – insbesondere bei bewiesener Osteopenie – Wirbelkörperbruch<br />
beim planmäßigen hantieren mit schwerem Baumstamm<br />
Diese nicht auszuschließende Ursache des Wirbelbruchs stellt keinen Unfall dar<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 22
LG Ingolstadt Urteil vom 05.07.2012<br />
(21 O 644/11)<br />
OLG München (25 U 3099/11)<br />
Beschluss vom 14.12.2011:<br />
Beweiswürdigung der Landgerichts ist nicht zu beanstanden<br />
Kläger konnte mangels anderer Beweise Ereignis nur im Rahmen<br />
einer Parteianhörung beweisen<br />
Dabei kommt es in besonderem Maße auf seine Glaubwürdigkeit an<br />
Begründung des LG, warum es Kläger keinen Glauben schenkte, war eingehend und<br />
nachvollziehbar<br />
LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass nicht nur die als Unfall einzustufenden<br />
Ereignisse sondern auch das zunächst geschilderte Geschehen den Wirbelbruch<br />
verursachen konnte<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 23
LG Augsburg Urteil vom 17.01.2012<br />
(43 O2856/10)<br />
VN (Fußballspieler)<br />
schlägt einen Ball weg<br />
Gegenspieler blockt den Ball ab<br />
Kurz danach, beim Aufsetzen des Fußes auf den Boden, knickt VN um<br />
Diagnose: chronische Außenbandinstabilität<br />
Behandlungsbeginn: 4 Wochen nach dem Unfall<br />
MRT: Außenbandriss<br />
VR bestreitet<br />
Unfall i. S. Ziffer 1.3 AUB, da es an äußerer Einwirkung fehlt<br />
erhöhte Kraftanstrengung<br />
Kausalität (nach eingeholtem Zusammenhangsgutachten)<br />
LG bestätigt diese Einschätzung<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 24
LG Augsburg Urteil vom 17.01.2012<br />
(43 O2856/10)<br />
Nach Sachvortrag des Klägers trat die Gesundheitsschädigung bei (normalem)<br />
Aufsetzen des Fußes auf den Boden ein<br />
Bodenunebenheit oder sonstiges unvorhergesehenes Ereignis wurde nicht behauptet<br />
Eine über einen normalen Bewegungsablauf hinausgehende erhöhte<br />
Kraftanstrengung wurde in der mündlichen Verhandlung ebenfalls nicht geschildert<br />
Da weder äußere Einwirkung noch erhöhte Kraftanstrengung musste Kausalität nicht<br />
geprüft werden.<br />
Berufung (OLG München, 14 U 3623/11) durch Beschluss vom 26.03.2012<br />
zurückgewiesen<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 25
OLG München Urteil vom 10.01.2012<br />
(25 U 3980/11, VersR. 2012, 715)<br />
VN macht als Fußballtorwart einen Abschlag<br />
Erleidet dabei einen Muskelriss<br />
Gesundheitsschädigung durch Kollision des Fußes mit der Außenwelt<br />
(dem Fußball )<br />
stellt eine äußere Einwirkung i. S. der AUB dar<br />
Dass der Abschlag gewollt war, ändert an der „Einwirkung von außen“ nichts<br />
Das Merkmal „Unfreiwilligkeit“ bezieht sich auf die Gesundheitsschädigung, nicht die<br />
Einwirkung von außen<br />
Kausalität durch Sachverständigengutachten bestätigt<br />
Unfall i. S. der AUB<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 26
OLG München Urteil vom 01.03.2012<br />
(14 U 2523/11)<br />
VP<br />
- 15 Jahre alt<br />
- litt an schwerer Entwicklungsstörung<br />
- war allergisch gegen unterschiedliche<br />
Substanzen, u. a. Haselnüsse<br />
verzehrt (vermutlich nusshaltige) Schokolade<br />
verstirbt an einer allergischen Reaktion<br />
„Die versehentliche bzw. unbewusste Aufnahme von Allergenen in einem<br />
Lebensmittel durch eine auf verschiedene Stoffe bekannterweise allergische Person<br />
und die dadurch ausgelöste allergische Reaktion des Körpers - hier Tod eines auf<br />
Nüsse allergischen Kindes nach dem Verzehr von Schokolade - stellt einen Unfall im<br />
Sinn der privaten Unfallversicherung dar.“<br />
Erfordernis der äußeren Einwirkung dient der Abgrenzung zu nur inneren<br />
Körpervorgängen<br />
Maßgebliches Ereignis für die erste Gesundheitsschädigung: Auftreffen<br />
(nusshaltiger) Schokolade auf die Mundschleimhaut (= äußere Einwirkung)<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 27
OLG München Urteil vom 01.03.2012<br />
(14 U 2523/11)<br />
Weitere Wirkungskette aufgrund der Lebensmittelallergie ist ebenso wenig<br />
entscheidend wie die körperintern wirkende toxische Reaktion eines Giftstoffes<br />
Nahrungsaufnahme ist ein Unfall, wenn es z. B. zu Verbrennungen oder Verätzungen<br />
im Mund-/ Rachenraum kommt<br />
(LG Flensburg vom 08.04.2005, 4 O 452/04;<br />
Leverenz in Bruck/Möller, 9. Auflage §178 VVG, Rn. 72)<br />
Gelangt Nahrung bestimmungsgemäß in den Magen und löst dort eine Reaktion aus,<br />
die eine Gesundheitsschädigung zur Folge hat, wird kein Unfallereignis angenommen<br />
(LG Flensburg a.a.O;<br />
Leverenz in Bruck/Möller, 9. Auflage §178 VVG, Rn. 74)<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 28
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Unfallbegriff<br />
Kausalität<br />
Seite 29
OLG Celle Urteil vom 16.06.2011<br />
(8 U 116/09)<br />
VN stürzt zu Hause eine Treppe hinunter, Einzelheiten sind nicht bekannt<br />
Diagnosen:<br />
- Kopfplatzwunde im Bereich der Stirn<br />
- Gehirnblutung<br />
VR bestreitet (unter anderem)<br />
Kausalität zwischen<br />
Sturz und Gehirnblutung<br />
Sachverständigengutachten<br />
Für eine traumatische Entstehung der Blutung spricht die Stirnplatzwunde<br />
Gegen die traumatische Entstehung der Blutung sprechen<br />
Das neuroradiologische Gutachten: Danach spontane Blutung auf dem<br />
Boden ausgeprägter Mikroangiopathie,<br />
Traumafolgen waren bildgebend nicht nachweisbar<br />
Weiterer Risikofaktor: Alkoholabusus<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 30
LG Mannheim Urteil vom 20.06.2011<br />
(5 O 137/09)<br />
VN trägt mehrere Säcke und Kisten,<br />
beim Anheben einer 15 – 20 kg schweren Kiste plötzlich Schmerz im Oberarm<br />
Diagnose: Riss der Bizepssehne<br />
VR bestreitet Unfall und Kausalität<br />
Sachverständigengutachten<br />
Traumatischer Riss der Bizepssehne erfordert massive Gewalteinwirkung<br />
Anheben eines Gewichts von max. 20 kg lässt keinen Riss der Bizepssehne<br />
erwarten<br />
Vorschaden der Rotatorenmanschette führte zu ständiger Mehrbelastung der<br />
Bizepssehne, dem diese nicht mehr gewachsen war<br />
LG weist Klage ab<br />
Bei einer Gelegenheitsursache fehlt es an der Kausalität<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 31
LG Arnsberg Urteil vom 19.07.2011<br />
3 S 172/10<br />
VN rutscht aus, verhindert Sturz durch festhalten an einem Geländer<br />
Diagnose: Bandscheibenvorfall<br />
VR<br />
- bestreitet Kausalität und<br />
- überwiegende Verursachung<br />
(Ausschluss Ziffer 5.2.1 AUB)<br />
Sachverständigengutachten<br />
Durch den Unfall eingetretene Zerrung der Lendenwirbelsäule war nicht geeignet,<br />
eine Bandscheibe zu schädigen<br />
Radiologisch bewiesen:<br />
In drei Segmenten der Wirbelsäule Bandscheibenvorfälle sowie Verschleiß- und<br />
Aufbrauchserscheinungen der Lendenwirbelsäule. Unfall daher nur<br />
„Gelegenheitsursache“<br />
Es fehlt daher (schon) an der Kausalität zwischen Unfall und Gesundheitsschädigung<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 32
LG Potsdam Urteil vom 21.09.2011<br />
(6 O 258/10, r+s 2012, 95)<br />
VN verspürt beim Wasserball spielen (Zweikampf mit 2 Gegnern) Schmerz in der<br />
Schulter<br />
Diagnose: Rotatorenmanschettenruptur<br />
(Ruptur der Supraspinatussehne)<br />
VR bestreitet Unfall und Kausalität<br />
LG<br />
erhebt Beweis zum Vorliegen eines Unfalls durch Anhörung Zeugen<br />
geht von einem Unfall aus<br />
fordert auf der Grundlage des Hergangs, der sich aus der Beweisaufnahme<br />
ergibt, ein Gutachten zur Kausalität an<br />
Sachverständiger verneint Kausalität<br />
LG weist Klage ab.<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 33
LG München Beschluss vom 25.11.2011<br />
(12 O 6096/11)<br />
Hinweisbeschluss:<br />
Die Beklagte hat den Unfallhergang … bestritten. Es ist Sache der Klägerin, den<br />
Unfallhergang zu schildern und zu beweisen.<br />
Da für das Sachverständigengutachten relevant sein wird, ob die festgestellten<br />
Verletzungen mit dem Unfall zusammen passen, ist es Sache der Klägerin, die<br />
erforderlichen Anknüpfungstatsachen darzulegen und zu beweisen.<br />
Klägerin möge Unfall in allen Einzelheiten schildern<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 34
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Unfallbegriff<br />
Freiwilligkeit<br />
Seite 35
Fehlende Unfreiwilligkeit<br />
Muss der Versicherer beweisen<br />
(Beweismaßstab: § 286 ZPO)<br />
Indizienbeweis<br />
Dabei ausreichend: Gesamtschau aller Fakten spricht für Unfreiwilligkeit, auch wenn<br />
die einzelnen Fakten für sich betrachtet die Unfreiwilligkeit (noch) nicht beweisen<br />
BGH, Urteil v. 15.06.1994, IV ZR 126/93, VersR. 1994, 1054)<br />
„Das Gericht kann im Wege freier Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) Erfahrungssätze<br />
und Hilfstatsachen verwerten und so zu der Überzeugung gelangen, die Vermutung<br />
der Unfreiwilligkeit sei widerlegt, wobei die einzelnen Umstände des Geschehens in<br />
ihrer Gesamtheit und in ihrem Zusammenwirken zu würdigen sind.“<br />
BGH, Urteil v. 14.12.1993, VI ZR 221/92, NJW-RR 1994, 567<br />
„Da eine absolute Gewissheit nicht zu erreichen und jede Möglichkeit des Gegenteils<br />
nicht auszuschließen ist, genügt für die Annahme, die Vermutung der Unfreiwilligkeit<br />
des Unfallereignisses sei widerlegt, ein für das praktische Leben brauchbarer Grad<br />
von Gewissheit bzw. ein für einen vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar<br />
überschauenden Menschen so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, dass er Zweifeln<br />
Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.“<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 36
OLG München Urteil vom 14.01.2011<br />
(25 U 2751/10, VersR. 2011, 1305 ff.)<br />
OLG Stuttgart urteilte am 13.01.2011 zu dem selben Ereignis (VersR. 2011, 1309 ff.)<br />
im Ergebnis und Argumentation ähnlich<br />
VN<br />
übernachtet in seinem Wohnmobil auf einem abgelegenen Parkplatz<br />
will um 06:30 Uhr Kanthölzer mit einer Kettensäge zerkleinern und in<br />
einem Metallfass verbrennen<br />
hört plötzlich Motoren- und Bassgeräusche<br />
sieht ein Auto rückwärts mit erheblicher Geschwindigkeit auf ihn<br />
zufahren<br />
erschrickt, gerät ins stolpern, stürzt<br />
im Fallen gerät er an den Gashebel der Kettensäge, so dass diese mit<br />
Vollgas läuft<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 37
OLG Schleswig Urteil vom 23.06.2011<br />
(16 U 134/10, SchlHA 2012, 95<br />
VP geht mit einem Stapel Holz auf den Armen auf eine laufende Tischkreissäge zu<br />
Stolpert und stürzt in das laufende Sägeblatt<br />
Amputation des rechten Daumens<br />
keine Begleitverletzungen, Daumen muss sich in „Exekutionsstellung“ befunden<br />
haben<br />
Sachverständiger kann nicht ausschließen, dass Schilderung stimmt<br />
Daumen war nach Rückkehr aus Krankenhaus nicht mehr auffindbar<br />
Ehefrau hatte ca. 3 Wochen vor dem Unfall 2 Unfallversicherungen abgeschlossen<br />
Beitragsaufkommen (ca. 150 € monatlich) passt nicht zu den finanziellen<br />
Verhältnissen<br />
Dreiköpfiger Familie stehen monatlich<br />
800 – 1.100 € zum Lebensunterhalt zur Verfügung<br />
Verbindlichkeiten von 31.500 € ohne entgegenstehendes Vermögen<br />
(Insolvenzantrag mangels Masse abgelehnt)<br />
Zweimalige Haftanordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ca. 6<br />
Monate vor Antragstellung<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 38
OLG Schleswig Urteil vom 23.06.2011<br />
(16 U 134/10, SchlHA 2012, 95<br />
VP und Zeugen berichten ausführlich zu den Begleitumständen (teilweise<br />
widersprüchlich) aber nur rudimentär zum Kerngeschehen<br />
Diese Indizien sprechen nach Einschätzung des OLG weder für sich noch in der<br />
Gesamtschau in ausreichendem Maße für eine Selbstverstümmelung<br />
Isolierte Amputation ist ungewöhnlich, aber nicht sicher auszuschließen<br />
Verschwinden des Daumens ist in ländlicher Gegend nicht ungewöhnlich<br />
Finanzielle Situation war durch Kindergeldnachzahlung von 4.500 € zeitnah zur<br />
Antragstellung verbessert<br />
VP hatte ca. 6 Monate vor Antragstellung einen Unfall, dadurch Bedarf an<br />
Absicherung erkannt<br />
Rudimentäre Angaben zum Kerngeschehen erklärbar, weil sich das Ereignis schnell<br />
abgespielt hat<br />
(beantragte erneute Anhörung der Zeugen durch OLG nicht durchgeführt)<br />
Amputationsverletzung ist für sich schon unwahrscheinlich, zeitliche Enge zu<br />
Abschluss von Unfallversicherungen macht sie nicht wesentlich unwahrscheinlicher<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 39
OLG Schleswig Urteil vom 23.06.2011<br />
(16 U 134/10, SchlHA 2012, 95<br />
BGH (IV ZR 142/11, VersR. 2012, 469)<br />
hat das Urteil wegen Ablauf der Frist des § 12 Abs. 3 VVG a.F.<br />
aufgehoben<br />
(VN klagte innerhalb der Frist auf Leistung an sich, obwohl Ansprüche<br />
abgetreten waren)<br />
Hat sich daher zur Frage der Freiwilligkeit und ob Zeugen auf Antrag<br />
erneut hätten gehört werden müssen, nicht geäußert<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 40
OLG Hamm Urteil vom 02.12.2011<br />
(I-20 U 83/11, www.nrwe.de)<br />
VP stürzt von einer Leiter auf eine darunter stehende kleinere Leiter und von dort in<br />
eine laufende Tischkreissäge<br />
Verletzungen:<br />
Unterschenkelamputation links<br />
Teilamputation Zeige- und Mittelfinger rechts, Ring- und Kleinfinger<br />
links<br />
(Amputationen jeweils exakt quer zur Längsachse, glatte Schnitte,<br />
keine Begleitverletzungen)<br />
zunächst ausführliche Hergangsschilderung<br />
dann Behauptung, Schilderung sei „zusammengereimt“, keine wirkliche Erinnerung<br />
nach 1. Gutachten im Auftrag des Versicherers, doch wieder Erinnerung an<br />
Einzelheiten, die in wesentlichen Details von 1. Schilderung abweichen<br />
im Prozess „mögliche Alternativen angeboten<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 41
OLG Hamm Urteil vom 02.12.2011<br />
(I-20 U 83/11, www.nrwe.de)<br />
Sachverständigengutachten:<br />
Sturz und unkontrolliertes Greifen sind dynamische Geschehen<br />
dabei sind schräg verlaufende Amputationslinien und unsaubere<br />
Abtrennungen mit ausgefransten Wundrändern und<br />
Begleitverletzungen zu erwarten<br />
OLG Hamm<br />
bereits die mit einem dynamischen Hergang praktisch<br />
unvereinbaren Amputationsverhältnisse sprechen mit hoher<br />
Wahrscheinlichkeit für freiwillige Gesundheitsschädigung<br />
weitere Indizien<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 42
OLG Hamm Urteil vom 02.12.2011<br />
(I-20 U 83/11, www.nrwe.de)<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
wechselnde, mehrfach angepasste<br />
Hergangsschilderung<br />
auffällige Erhöhung des Versicherungsschutzes<br />
im Jahr vor dem Ereignis<br />
Missverhältnis zwischen Einkommen und<br />
Beitragsaufkommen<br />
amputierte Körperteile entsorgt<br />
Sägeblatt am Unfalltag ausgetauscht, Säge<br />
gereinigt<br />
Seite 43
• Vorgetäuschte Unfälle – Rückforderungsanspruch des Versicherers, sekundäre<br />
Darlegungslast des VN<br />
• BGB § BGB § 812<br />
• 1. *Verlangt ein Unfallversicherer an den VN erbrachte Entschädigungsleistungen<br />
zurück, muss der VN auf Grund der ihn insoweit treffenden sekundären<br />
Darlegungslast Umstände darlegen, aus denen er das Behaltendürfen ableitet. Nur<br />
das Vorliegen dieser Rechtsgründe muss der Versicherer widerlegen.*<br />
• 2. *Das Gericht kann die Überzeugung vom Vorliegen nur vorgetäuschter bzw.<br />
absichtlich herbeigeführter VersFälle (hier: Unfallvers.) auch darauf stützen, dass eine<br />
ungewöhnliche Vielzahl vermeintlicher Unfälle als Bagatellereignisse ohne objektiven<br />
medizinischen Verletzungsnachweis vorliegen* (hier: VN wurde wegen Vers.Betruges<br />
in über 20 Fällen strafrechtrechtlich verurteilt)<br />
• OLG Hamm, Urteil vom 13. 5. 2011 - I-20 U 149/10<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 44
LG Trier Urteil vom 15.08.2011<br />
(6 O 268/08)<br />
VN<br />
hackt im Keller Holz<br />
rutscht während des Schlags auf bereits zerkleinertem Holz aus<br />
versucht, sich auf dem Hackklotz abzustützen<br />
schlägt sich dabei auf den Daumen<br />
Daumenendgliedamputation, keine Begleitverletzungen, Amputation im rechten Winkel<br />
zur Längsachse des Daumens<br />
Sachverständigengutachten<br />
VN schildert in Rekonstruktion, er habe das Beil aus einer Höhe von einigen<br />
Handbreit auf das Holz fallen lassen<br />
Amputation erfordert aber einen kräftigen Schlag und das feste Aufliegen des<br />
Daumens auf stabiler Unterlage<br />
Isolierte Verletzung und weit abgespreizter Daumen (Exekutionsstellung)<br />
passen nicht zu reflexartigem Abstützen<br />
Geschilderter Hergang und Verletzung passen nicht zusammen<br />
Weitere Indizien für eine freiwillige Gesundheitsschädigung:<br />
Amputierter Daumen war nicht auffindbar (keine Erklärung dafür von VN)<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 45
LG Trier Urteil vom 15.08.2011<br />
(6 O 268/08)<br />
Beil entsorgt<br />
- Beginn <strong>UV</strong> 01.03.2007 (250.000 € Inv.)<br />
- Erhöhung auf 500.000 € Inv. zum 01.04.<br />
- „Unfall“: 01.05.2007<br />
Monatsbeitrag ca. 70 € passt nicht zu den finanziellen Verhältnissen<br />
(Eine <strong>UV</strong> mit 149 € Jahresbeitrag für VN und Ehefrau wurde 8 Monate vor dem<br />
„Unfall“ für 1 Jahr beitragsfrei gestellt.)<br />
LG sieht die Unfreiwilligkeit für widerlegt an<br />
OLG Koblenz (10 U 1074/11) weißt Antrag auf Prozesskostenhilfe zur Durchführung der<br />
Berufung zurück<br />
LG hat nach Würdigung der Beweisaufnahme mit zutreffender Begründung Klage<br />
abgewiesen<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 46
LG Dortmund Urteil vom 15.09.2011<br />
(2 O 139/11, www.nrwe.de)<br />
VP hat wegen psychischer Probleme einen Termin zur stationären Behandlung<br />
Begibt sich 3 Tage vorher in die Klinik<br />
äußert dort Suizidgedanken und Sorge, jemandem etwas anzutun<br />
Wird in einer offenen Abteilung untergebracht<br />
Verlässt nach 4 Tagen das Gelände der Klinik<br />
Tritt, nachdem er Blickkontakt mit der Fahrerin aufgenommen hat, vor eine<br />
Straßenbahn (40 km/h)<br />
Wird erfasst und mitgeschleift<br />
Überlebt, bestreitet Freiwilligkeit der Gesundheitsschädigung<br />
Er habe sich zur Vermeidung eines Suizids in die Klinik begeben<br />
An das konkrete Ereignis hat er keine Erinnerung, wenn er sich aber über Suizid<br />
Gedanken gemacht hat, dann nie unter Beeinträchtigung oder Gefährdung Dritter<br />
Daher gehe er davon aus, nicht freiwillig vor die Straßenbahn getreten zu sein<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 47
LG Dortmund Urteil vom 15.09.2011<br />
(2 O 139/11, www.nrwe.de)<br />
LG: Die Unfreiwilligkeitsvermutung ist<br />
durch den Geschehensablauf<br />
den bei der Tatortaufnahme gefundenen Abschiedsbrief<br />
die geäußerten Suizidgedanken<br />
in ausreichendem Maße widerlegt<br />
Freiwilligkeit wird nicht durch Selbsteinweisung zum Selbstschutz ausgeschlossen<br />
Möglicher Behandlungsfehler<br />
Fehlende Schuld- oder Zurechnungsfähigkeit<br />
dass (wenn überhaupt) der Tod und nicht das Weiterleben mit Körperschädigung<br />
gewollt war<br />
ändern an Freiwilligkeit der Gesundheitsschädigung nichts<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 48
LG München Urteil vom 10.08.2011<br />
(10 O 6117/10)<br />
VP wird tot in seiner Werkstatt aufgefunden<br />
Todesursache: Kohlenmonoxydvergiftung<br />
Hatte vor der Auspuffanlage eine Decke ausgebreitet und<br />
Einen Abschiedsbrief an seine Freundin geschrieben<br />
Kläger behauptet, VP<br />
habe Suizid nur vortäuschen wollen, dabei Wirkung der Abgase unterschätzt<br />
habe SMS an Freundin geschrieben, damit diese ihn rechtzeitig findet (hat<br />
er schon einmal nach Trennung so gemacht)<br />
habe Ort und Art so gewählt, dass er gerettet werden konnte<br />
LG weist die Klage ab<br />
Abschiedsbrief und die weiteren Umstände weisen die Freiwilligkeit in ausreichendem<br />
Maße nach<br />
Nur vorgetäuschter Suizid weder nach Inhalt der SMS an Freundin noch nach<br />
sonstigen Umständen ausreichend wahrscheinlich<br />
OLG weist Berufung zurück<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 49
Sachverhalt :<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Beschluss des AG Nordenham<br />
3 C 247/12 vom 16.11.2012<br />
• VN verstirbt infolge einer Kohlenmonoxydvergiftung in einer Garage<br />
– VN war alkoholisiert ( mind. 1,6 %o )<br />
– Tor und Tür hätten mühelos geöffnet werden können<br />
– Fernsehbericht über Tod durch Gaseinwirkung mit Holzkohlengrill in<br />
geschlossenen Räumen<br />
– Äußerung, dass dieses eine Möglichkeit der Selbsttötung sei.<br />
– Stress in der Partnerschaft<br />
Also Ablehnung, weil entweder durch Alkohol begünstigt oder freiwillige Tat<br />
Seite 50
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Invalidität<br />
-<br />
Definition<br />
(§ 180 VVG)<br />
Seite 51
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Invalidität<br />
Beweislast/-maßstab<br />
VN ist beweispflichtig für<br />
invaliditätsbegründende Gesundheitsschädigung<br />
deren Ausprägung und<br />
deren Dauerhaftigkeit ( Erstschaden )<br />
Beweismaßstab § 286 ZPO<br />
(Nur) für Kausalität zwischen Unfall und Invalidität und deren Höhe gelten<br />
Beweiserleichterung des § 287 ZPO<br />
Seite 52
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Invalidität<br />
Fristenregelung<br />
Seite 53
Fristen<br />
Die Invalidität muss<br />
innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten sein<br />
(=Anspruchsvoraussetzung)<br />
innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall durch einen Arzt schriftlich<br />
festgestellt werden<br />
(=Anspruchsvoraussetzung)<br />
innerhalb von15 Monaten nach dem Unfall geltend gemacht werden<br />
(=Ausschlussfrist)<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 54
Inhalt der ärztlichen Invaliditätsfeststellung<br />
BGH, Urteil vom 07.03.2007<br />
(VersR. 2007, 1114)<br />
die Invaliditätsbescheinigung soll den Versicherer in die Lage versetzen, auf<br />
ihrer Grundlage den Versicherungsfall zu prüfen und<br />
eine Ausgrenzung von schwer abklärbaren Spätschäden ermöglichen<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 55
Inhalt der ärztlichen Invaliditätsfeststellung<br />
Aus der Invaliditätsfeststellung müssen sich die ärztlicherseits für die<br />
Invalidität angenommene Ursache und die Art ihrer Auswirkung ergeben<br />
Erforderlich ist die Angabe eines konkreten, die Arbeits- (Leistungs-)<br />
fähigkeit beeinflussenden Dauerschadens<br />
Die ärztliche Invaliditätsfeststellung entfaltet eine Wirkung nur für<br />
Gesundheitsschäden im jeweils ausdrücklich angesprochenen Bereich<br />
(OLG Hamm, Beschluss vom 06.09.2006; VersR. 2007, 1216)<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 56
OLG Koblenz Hinweisbeschluss vom 20.05.2010<br />
(10 U 1389/09, r+s 2011, 348)<br />
Unfallmeldung mehr als 1 Jahr nach dem Unfall, noch innerhalb der 15-Monatsfrist<br />
Versicherer fordert zur Aufklärung des Sachverhalts einen Arztbericht an, erhält ihn<br />
nach Fristablauf<br />
Ärztliche Invaliditätsfeststellung erfolgt 4 Tage nach Fristablauf<br />
Versicherer lehnt ab<br />
Eine Überschreitung der Frist um 4 Tage lässt die Folgen einer nicht fristgerechten<br />
ärztlichen Invaliditätsfeststellung nicht entfallen<br />
Bei der fristgerechten ärztlichen Invaliditätsfeststellung handelt es sich um eine<br />
Anspruchsvoraussetzung, die bei jeglicher Fristüberschreitung nicht gegeben ist<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 57
OLG Koblenz Hinweisbeschluss vom 20.05.2010<br />
(10 U 1389/09, r+s 2011, 348)<br />
Umstand, dass 4 Tage bezüglich der ärztlichen Feststellungen keine Auswirkungen<br />
haben, ist unerheblich<br />
Kein treuwidriges Verhalten, wenn Versicherer kurz vor Fristablauf einen Bericht<br />
anfordert und dies dem VN mitteilt<br />
Verpflichtung den VN, der selbst mehr als 1 Jahr mit der Meldung des Unfalls wartet,<br />
auf die Frist hinzuweisen, bestand nicht<br />
(das ist nach neuem VVG anders)<br />
VN unter Berufung auf BGH IV ZR 273/03:<br />
Treuwidrigkeit kann anzunehmen sein, wenn der Versicherer nach Geltendmachung<br />
von Invalidität von sich aus noch innerhalb der Frist zur ärztlichen Feststellung ein<br />
ärztliches Gutachten einholt, ohne den Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen,<br />
dass er unbeschadet dessen selbst für eine fristgerechte Feststellung der Invalidität<br />
zu sorgen habe<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 58
LG München I Urteil vom 07.07.2011<br />
(I 12 O 2478/11)<br />
Motorradunfall am 12.04.2007<br />
Schädelhirntrauma, Felsenbeinfraktur, weitere knöcherne Verletzungen<br />
Unfallmeldung am 20.04.2010<br />
es seien verschiedene Symptome verblieben<br />
VN kündigt an, sich in ärztliche Behandlung zu begeben<br />
Ablehnung durch VR, Invalidität nicht<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
fristgerecht eingetreten<br />
fristgerecht ärztlich festgestellt<br />
fristgerecht geltend gemacht<br />
Seite 59
LG München I Urteil vom 07.07.2011<br />
(I 12 O 2478/11)<br />
VN behauptet, VR könne sich auf die Fristen nicht berufen<br />
Unfall der Krankenversicherung des selben Konzerns gemeldet,<br />
dann wusste auch Unfallversicherer von dem Unfall und hätte auf<br />
Frist hinweisen müssen<br />
Organische Persönlichkeitsveränderung hätte ihn an Einhaltung der<br />
Fristen gehindert<br />
Fristenreglung in AUB 88 sei intransparent, in § 7 lasse sich eine<br />
Regelung, die sein Tätigwerden erfordere, nicht erwarten<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 60
LG München I Urteil vom 07.07.2011<br />
(I 12 O 2478/11)<br />
LG folgt dem nicht:<br />
Transparenz durch Urteil des BGH vom 23.02.2005 (zu AUB 94)<br />
festgestellt<br />
Organische Persönlichkeitsstörung kann allenfalls verspätete<br />
Geltendmachung entschuldigen,<br />
nicht die fehlende ärztliche Feststellung und den fristgerechten<br />
Eintritt der Invalidität.<br />
Meldung an die Krankenversicherung führt nicht automatisch zu<br />
Kenntnis des Unfallversicherers<br />
Die Klage war daher abzuweisen<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 61
LG Meiningen Urteil vom 25.05.2011<br />
(3 O 1051/10)<br />
Verkehrsunfall am 02.09.2007<br />
SHT I°, HWS-Schleudertrauma<br />
Im März 2008 wird Hirninfarkt diagnostiziert, Zusammenhang mit Unfall möglich<br />
Unfallanzeige beim VR: März 2009<br />
Hinweis auf Invalidität erstmals im<br />
Oktober 2009<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 62
LG Meiningen Urteil vom 25.05.2011<br />
(3 O 1051/10)<br />
VN behauptet<br />
Police vorübergehend verlegt, konnte daher seine Ansprüche nicht<br />
geltend machen<br />
Habe Vertreter über Unfall unterrichtet und auch über ständige<br />
Behandlungsbedürftigkeit mehrfach informiert, er hätte über die Frist<br />
belehren müssen<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 63
LG Meiningen Urteil vom 25.05.2011<br />
(3 O 1051/10)<br />
LG<br />
Geltendmachung bedarf einer schriftlichen Willenserklärung, mittels<br />
derer die Invalidität unter Berufung auf die konkret eingetretene und<br />
festgestellte dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder<br />
geistigen Leistungsfähigkeit geltend gemacht wird, die dem<br />
Versicherer zugehen muss<br />
Verlegte Police entschuldigt (ebenso wie Unkenntnis oder Vergessen)<br />
die verspätete Geltendmachung nicht<br />
Beweisaufnahme ergab lediglich, dass VN sich mit Vertreter einmal<br />
über den Unfall unterhalten hat<br />
Konkrete Ansprüche wurden nicht gestellt (war wegen verlegter Police<br />
auch gar nicht möglich)<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 64
LG Meiningen Urteil vom 25.05.2011<br />
(3 O 1051/10)<br />
Anspruch scheitert schon an verspäteter Geltendmachung<br />
Zudem fehlte es in vorgelegten Arztberichten an einer Aussage zur<br />
Dauerhaftigkeit der genannten Beeinträchtigungen<br />
Damit auch keine fristgerechte ärztliche Invaliditätsfeststellung<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 65
LG Mönchengladbach Urteil vom 25.08.2011<br />
(1 O 195/10)<br />
VN meldet Unfall<br />
Versicherer<br />
Zahlt Unfallkrankenhaustage- und Genesungsgeld<br />
Holt zur Prüfung der Übergangsleistung ein Gutachten ein<br />
Lehnt weitere Ansprüche wegen fehlender Kausalität ab<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 66
LG Mönchengladbach Urteil vom 25.08.2011<br />
(1 O 195/10)<br />
VN stellt nach Fristablauf Invaliditätsansprüche<br />
Versicherer könne sich auf Fristablauf nicht berufen<br />
Vorausgegangener Schriftwechsel reiche aus<br />
Dauernde Beeinträchtigungen seien im Gutachten zur Übergangsleistung<br />
beschrieben<br />
Versicherer habe ihm anheim gestellt ärztliche Invaliditätsfeststellung<br />
nachzureichen, könne sich dann nicht mehr auf fehlende fristgerechte<br />
Geltendmachung berufen<br />
LG urteilt:<br />
Invalidität bedarf gesonderter Geltendmachung, an einer solchen<br />
fehlt es<br />
Gutachten zur Übergangsleistung verneint ausdrücklich unfallbedingte<br />
Beeinträchtigungen<br />
Angebot einer freiwilligen Prüfung hindert Versicherer nicht, sich später auf<br />
Folgen der Fristversäumnis zu berufen<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 67
LG Traunstein Urteil vom 22.11.2011<br />
(1 O 880/11)<br />
Sturz mit dem Fahrrad<br />
Jochbeinfraktur, nach 2 Wochen werden Bandscheibenprotrusionen C 4/5 und C5/6<br />
diagnostiziert<br />
Versicherer weist mehrfach auf die 15-Monatsfrist hin<br />
Innerhalb der Frist: Attest, wonach der Bandscheibenvorfall „u. U. unfallabhängig ist“<br />
Versicherer lehnt wegen Ablauf der 15-Monatsfrist ab<br />
Kläger macht geltend:<br />
Attest sei ausreichend<br />
Fristenregelung in AUB 2000 sei intransparent und deshalb<br />
unwirksam, weil unter der Überschrift „Der Leistungsfall“ versteckt<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 68
LG Traunstein Urteil vom 22.11.2011<br />
(1 O 880/11)<br />
LG<br />
Attest ist schon nicht ausreichend, weil es nur die Möglichkeit der<br />
Kausalität zum Unfall bestätigt<br />
Bestätigt Wirksamkeit der Fristenregelung unter Bezugnahme auf<br />
Knappmann in „Prölls/Martin, VVG, 28. Auflage, RN 7 zu Ziffer 2<br />
AUB“<br />
Knappmann äußert ebenfalls Zweifel an der Transparenz<br />
Da VN jedoch durch die Hinweispflicht des § 186 VVG gegen daraus entstehende<br />
Nachteile geschützt ist, ist die Fristenregelung im Ergebnis wirksam<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 69
LG Traunstein Urteil vom 22.11.2011<br />
(1 O 880/11)<br />
Transparenz der Fristenregelung in den AUB 2000 wurde angenommen durch<br />
OLG Düsseldorf<br />
(VersR 2006, 1487; VersR 2010, 805)<br />
OLG Karlsruhe<br />
(VersR 2005, 1384; VersR 2009, 538)<br />
OLG Celle<br />
(8 U 193/08)<br />
OLG Köln<br />
(37 O 171/08)<br />
BGH, Urteil vom 20.06.2012<br />
(IV ZR 39/11)<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 70
BGH, Urteil v. 20.06.2012 ( IV ZR 39/11 )<br />
Die Fristenregelung in AUB 2002 Nr. 2.1.1.1 genügt auch unter<br />
Berücksichtigung des vorangestellten Inhaltsverzeichnisses den<br />
Anforderungen des Transparenzgebots.<br />
( Im Fall ging es um nicht rechtzeitige ärztl. Feststellungen wegen<br />
psychischer Beeinträchtigung )<br />
BGH:<br />
– Kein Anspruch, da Fristen nicht eingehalten<br />
– Keine Treuwidrigkeit des „Berufens“ auf Fristablauf<br />
– Auf Ausschluss „Psychoklausel kommt es nicht mehr an<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 71
• Der Blick auf die Anspruchsvoraussetzungen wird dem durchschnittlichen<br />
VN durch die den einzelnen Klauseln vorangestellte Inhaltsübersicht nicht<br />
verstellt<br />
• Vielmehr kann er es sich in keinem Fall ersparen, die diesbezüglichen<br />
Regelungen über den Versicherungsumfang zu lesen, wenn er einen<br />
Anspruch auf Invaliditätsentschädigung geltend machen will. Dies gilt nicht<br />
nur dann, wenn ein Dauerschaden schon unmittelbar nach dem Unfall<br />
feststeht, sondern auch dann, wenn sich eine dauernde Beeinträchtigung<br />
infolge des Unfalles erst später abzeichnet und der VN sich deshalb<br />
zunächst nur anhand der ihn nach dem Unfall treffenden Obliegenheiten<br />
informiert. Hierdurch wird er nicht davon abgehalten, sich nach<br />
eingetretener Invalidität (ggf. erneut) rechtzeitig über die<br />
Anspruchsvoraussetzungen zu informieren…<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 72
Wenn man die bisherige Rechtsprechung des BGH zur<br />
Transparenz berücksichtigt, erscheint diese Entscheidung doch<br />
sehr überraschend.<br />
Weitere Urteilsgründe:<br />
Fallgruppen: - Gutachtenauftrag durch VR nach Fristablauf<br />
Dazu der BGH:<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
- Belastende Untersuchungen<br />
- Gutachtenauftrag bezog sich auf neurologische Fragestellung zur<br />
Funktionsbeeinträchtigung des Beines<br />
- Eigenmächtige Überschreitung des Gutachtenauftrages für VR unschädlich<br />
Seite 73
OLG Köln Urteil vom 11.05.2011<br />
(20 U 221/11)<br />
Unfall am 24.07.2008<br />
Wirbelsäulenprellung mit Lähmungserscheinungen<br />
Versicherer<br />
Weist auf die Fristenregelung hin<br />
Lehnt nach Gutachten am 22.01.2009 Invaliditätsansprüche ab<br />
(kein unfallbedingter Dauerschaden)<br />
Fristgerechte Invaliditätsfeststellung erfolgt nicht<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 74
OLG Köln Urteil vom 11.05.2011<br />
(20 U 221/11)<br />
VN macht geltend<br />
OLG<br />
Versicherer kann sich auf Fristablauf nicht berufen, da er innerhalb der Frist<br />
selbst ein Gutachten eingeholt habe<br />
Fristversäumnis sei unverschuldet, er habe aus finanziellen Gründen die<br />
ärztliche Invaliditätsfeststellung nicht einholen können<br />
Ärzte hätten während der Behandlung Invalidität festgestellt<br />
Ablehnung innerhalb der Frist berechtigt VN nicht zu der Annahme, dass<br />
sich der Versicherer nicht auf die fehlende Anspruchsvoraussetzung berufen<br />
werde<br />
(BGH, NJW 2006, 911, 912)<br />
Einholung eines Gutachtens genügt nicht, spätere Berufung auf Fristablauf<br />
treuwidrig erscheinen zu lassen<br />
Fehlende Anspruchsvoraussetzung kann nicht entschuldigt werden<br />
Feststellungen behandelnder Ärzte reichen nicht aus, wenn sie die Invalidität<br />
nicht – wie Ziffer 2 AUB fordert – schriftlich festgestellt haben<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 75
LG Amberg Urteil vom 25.10.2012<br />
(13 O 390/11)<br />
Sturz am 21.09.2007<br />
Knieprellung, Meniskusschaden<br />
Versicherer<br />
Zahlt Tagegeld für Folgen der Prellung<br />
Weist auf Invaliditätsfristen hin<br />
Lehnt am 24.07.2008 weitere Ansprüche ab (fehlende Kausalität Unfall -><br />
Meniskusschaden)<br />
Holt nach Fristablauf auf Drängen VN weiteres Gutachten ein, bestätigt<br />
seine Ablehnung<br />
Beruft sich erstmals im Prozess auf fehlende ärztliche Invaliditätsfeststellung<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 76
LG Amberg Urteil vom 25.10.2012<br />
(13 O 390/11)<br />
LG<br />
vorgelegte Atteste sprechen nur von der „Möglichkeit“ eines<br />
Dauerschadens, das reicht nicht aus<br />
Versicherer handelt nicht treuwidrig, wenn er sich erstmals im<br />
Prozess auf fehlende Anspruchsvoraussetzung beruft<br />
Ebenfalls keine Treuwidrigkeit, wenn Versicherer nach Fristablauf<br />
Röntgenbilder nachbefundet und auf Bitten des VN<br />
„entgegenkommend“ ein weiteres Gutachten anfordert<br />
„Ein solches Entgegenkommen darf nicht zu weit zu Lasten des<br />
Versicherers interpretiert werden. Die Konsequenz wäre andernfalls<br />
de facto ein vollständiger Verlust von Kulanzprüfungsmöglichkeiten,<br />
der nicht im Interesse der Versicherten liegt.<br />
Es muss dem Versicherer daher unbenommen bleiben, sich nach<br />
Kulanzprüfung auf den Fristablauf zu berufen.“<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 77
LG München Urteil vom 18.04.2010<br />
(I 26 O 20382/08)<br />
Versicherer<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Verkehrsunfall am 15.08.2004<br />
multiple Verletzungen<br />
(Urteil nennt keine Einzelheiten)<br />
fristgerechte Invaliditätsfeststellung für<br />
„re. Handgelenk, li. Schulter, Rippen“<br />
rechnet am 18.04.2012<br />
- 1/5 Armwert li.<br />
- 3/20 Armwert re. ab<br />
erhöht später auf<br />
1/4 Armwert li. und<br />
nochmals später auf<br />
1/5 Handwert re.<br />
Seite 78
LG München Urteil vom 18.04.2010<br />
(I 26 O 20382/08)<br />
VN fordert im Rahme der Klage<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
¼ Armwert re. (Schulterschmerzen)<br />
¼ Handwert re.<br />
½ Armwert li.<br />
4% für die Folgen der Rippenverletzung<br />
(Klageerweiterung in 2009)<br />
Seite 79
LG München Urteil vom 18.04.2010<br />
(I 26 O 20382/08)<br />
LG weist die Klage zu allen Punkten ab<br />
re. Schulter ist in Invaliditätsbescheinigung nicht genannt<br />
Feststellungswirkung der Invaliditätsbescheinigung beschränkt sich immer<br />
auf den vom Arzt benannten Verletzungsbereich<br />
Erhöhung für re. Hand und li. Arm ohne Begründung behauptet<br />
Anspruch war wegen unsubstantiiertem Sachvortrag zurückzuweisen<br />
Ansprüche für Folgen der Rippenverletzung waren verjährt<br />
(§ 12 VVG a. F.)<br />
Verjährung begann (spätestens) Ende 2006 (Abrechnung VR in 04.2006)<br />
Verjährungsfrist: 2 Jahre<br />
In der Zeit Korrespondenz lediglich zu Gliedertaxenbewertungen<br />
keine Verjährungshemmung für die Folgen der Rippenverletzung<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 80
OLG Hamm Urteil vom26.10.2011<br />
(I 20 U 162,10, r+s 2012, 195)<br />
VN macht geltend<br />
Dauerhafte kognitive Störungen und Kopfschmerzen sind in der<br />
Diagnose<br />
„Schädelhirntrauma II°“ erfasst<br />
Arzt habe Invalidität fristgerecht festgestellt, lediglich vergessen, sie<br />
in die Invaliditätsbescheinigung einzutragen<br />
(Vertragsgrundlage hier: AUB 95)<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 81
OLG Hamm Urteil vom26.10.2011<br />
(I 20 U 162,10, r+s 2012, 195)<br />
OLG<br />
„Mit der ärztlichen Feststellung eines Schädelhirntraumas II°sind<br />
nach medizinischer Sicht nicht auch dauernde kognitive Störungen<br />
und Kopfschmerzen erfasst, so dass diese in einer<br />
Invaliditätsfeststellung … extra aufgeführt werden müssen.“<br />
Wegen der Dokumentationsfunktion ist schriftlich (oder elektronisch) fixierte<br />
Feststellung erforderlich<br />
Invaliditätsbescheinigung soll Versicherer Prüfung des jeweiligen Einzelfalls<br />
ermöglichen<br />
Ziel würde verfehlt, wenn später - z. B. durch Vernehmung – geklärt werden<br />
müsste, welche Unfallfolgen aus Sicht des Arztes bestanden<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 82
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Invalidität<br />
Gliedertaxe<br />
Seite 83
BGH Urteil vom 14.12.2011<br />
(IV ZR 34/11, VersR 2012, 351 = r+s 2012, 143 = NJW-RR 2012, 486 )<br />
Schulterluxation mit Schädigung des Plexus brachialis (Nervengeflecht für<br />
Versorgung von Arm und Hand)<br />
Funktionseinschränkungen in mehreren Bereichen von Arm und Hand<br />
Sachverständiger I. Instanz:<br />
Insgesamt 11/20 Arm (38,5%)<br />
Bezogen auf einzelne Funktionseinschränkungen<br />
8/10 Hand<br />
1/10 Arm unterhalb Ellenbogen<br />
4/10 Arm im Schultergelenk<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 84
BGH Urteil vom 14.12.2011<br />
(IV ZR 34/11, VersR 2012, 351 = r+s 2012, 143 = NJW-RR 2012, 486 )<br />
Kläger verlangt Addition dieser Werte (79%),<br />
LG gibt der Klage statt (Unklarheitenregel)<br />
Dieser Sichtweise folgt das OLG nicht<br />
Gliedertaxe stellt allein auf den Sitz der unfallbedingten Verletzung ab<br />
(BGH VersR.1991, 57 und 413; VersR. 2006, 1117)<br />
Gliedertaxe berücksichtigt mit unterschiedlichen Sätzen, dass<br />
Beeinträchtigungen mit zunehmender Rumpfnähe zu wachsenden<br />
Einschränkungen führen<br />
Andere Sichtweise folgt auch nicht aus<br />
§ 7 I (2) d) AUB 88. Hier beschriebene Addition erfolgt nur, wenn mehrere<br />
Gliedmaßen/Sinnesorgane betroffen sind.<br />
Für das maßgebliche köpernahe Glied ermittelter Invaliditätsgrad darf den<br />
für das körperferne Teilglied ermittelten Invaliditätsgrad nicht unterschreiten<br />
(BGH VersR. 2001, 360)<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 85
BGH Urteil vom 14.12.2011<br />
(IV ZR 34/11, VersR 2012, 351 = r+s 2012, 143 = NJW-RR 2012, 486 )<br />
BGH: “Nach der für die Bemessung der Invaliditätsleistung maßgeblichen Gliedertaxe<br />
schließt der Verlust oder die Funktionsunfähigkeit eines funktionell höher bewerteten,<br />
rumpfnäheren Gliedes den Verlust oder die Funktionsunfähigkeit des rumpfferneren<br />
Gliedes ein (hier: Schulter und Hand des rechten Arms). Eine Addition der einzelnen<br />
Invaliditätsgrade findet nicht statt.“<br />
„Führt die Funktionsunfähigkeit des rumpfferneren Körperteils zu einem höheren<br />
Invaliditätsgrad als die Funktionsunfähigkeit des rumpfnäheren Körperteils, so stellt<br />
die Invaliditätsleistung für das rumpffernere Körperteil die Untergrenze der<br />
geschuldeten Versicherungsleistung dar.“<br />
Gliedertaxe stellt für den Verlust und für die Funktionsunfähigkeit der in ihr genannten<br />
Gliedmaßen oder deren Teilbereiche durchgängig allein auf den Sitz der unfallbedingten<br />
Schädigung ab<br />
Gliedertaxe trägt dem Umstand Rechnung, dass Gliedverluste mit zunehmender Rumpfnähe zu<br />
wachsender Einschränkung der generellen Leistungsfähigkeit von Menschen führen<br />
Durchschnittlicher Versicherungsnehmer erkennt, dass der Verlust oder die Funktionsunfähigkeit<br />
des Armes im Schultergelenk (nur) deshalb mit dem höchsten Invaliditätsgrad von 70% bemessen<br />
wird, weil hierin zugleich die Beeinträchtigung der übrigen Teilglieder des Armes enthalten ist.<br />
Daraus resultiert das Ansteigen des Invaliditätsprozentsatzes mit zunehmender Rumpfnähe.<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 86
BGH Urteil vom 14.12.2011<br />
(IV ZR 34/11, VersR 2012, 351 = r+s 2012, 143 = NJW-RR 2012, 486 )<br />
Grundsatz: „Keine Addition“<br />
schon daraus erkennbar, dass der Maximalwert schnell überschritten würde<br />
Bei Addition der Teilglieder würde sich bereits bei Funktionsverlust von Hand,<br />
Daumen und Fingern eine Invalidität von 100% errechnen<br />
Kämen noch Funktionseinschänkungen des Armes hinzu, ergäbe sich eine Invalidität<br />
von über 100 %<br />
Deckelung auf 100% würde jeweils erst durch die Regelung in § 7 I (2) d) AUB 88<br />
erreicht<br />
Addition würde zu unterschiedlichen Bewertungen von Verlust und<br />
Funktionsunfähigkeit (-einschränkung) führen<br />
Verlust und Funktionsunfähigkeit sind aber gleichgestellt<br />
Eine Einschränkung erfährt diese Auslegung der AUB lediglich für den Fall, dass die<br />
Funktionsunfähigkeit des rumpfferneren Körperteils zu einem höheren<br />
Invaliditätsgrad führt, als die Funktionsunfähigkeit des rumpfnäheren Körperteils.<br />
Dann stellt die Invaliditätsleistung für das rumpffernere Körperteil die Untergrenze der<br />
geschuldeten Versicherungsleistung dar.<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 87
BGH Urteil vom 14.12.2011<br />
(IV ZR 34/11, VersR 2012, 351 = r+s 2012, 143 = NJW-RR 2012, 486 )<br />
Ob eine Addition auch bei einem Polytrauma im Bereich einer Gliedmaße zu<br />
unterlassen ist, hat das OLG ausdrücklich nicht entschieden<br />
BGH äußert sich in diesem Verfahren nicht dazu<br />
OLG Hamm entschied in einem weiteren Fall, dass eine Addition auch bei mehreren<br />
Verletzungen zu unterbleiben hat<br />
(Mehrfragmentbruch Oberarmkopf, Mehrfragmentbruch Ellenbogengelenk,<br />
Postoperativ regionales Schmerzsyndrom)<br />
( Urteil vom 12.01.2011, 20 U 122/10)<br />
BGH hat in dem Fall die Nichtzulassungsbeschwerde nicht angenommen (ohne<br />
Begründung)<br />
Addition dürfte daher auch bei Polytrauma nach Auffassung des BGH nicht zutreffend<br />
sein<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 88
LG München Urteil vom 22.06.2011<br />
(10V O 576/10)<br />
Unfallfolgen unter anderem<br />
Sprunggelenksversteifung<br />
Bewegungseinschränkung Kniegelenk<br />
Gliedertaxe:<br />
Verlust oder Funktionsunfähigkeit<br />
…<br />
eines Fußes 40%<br />
(nicht „im Fußgelenk“)<br />
Versicherer zahlt Leistung auf der Basis von 4/10 Beinwert (28%)<br />
VN verlangt 48 %<br />
Funktionsunfähigkeit Bein bis Mitte Unterschenkel (45%) zzgl.<br />
Kniegelenksschädigung<br />
oder<br />
8/10 Bein bis Mitte Oberschenkel<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 89
LG München Urteil vom 22.06.2011<br />
(10V O 576/10)<br />
LG<br />
Nur bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit der Teilglieder steht der<br />
Invaliditätsgrad nach der Gliedertaxe unverrückbar fest<br />
Haben die Teilglieder noch Restfunktionen, ist auf den jeweiligen<br />
Höchstsatz abzustellen, der für den Verlust des gesamten Gliedes<br />
vorgesehen ist.<br />
(Grimm, Unfallversicherung, 4. Auflage 2006, AUB 99)<br />
Ausstrahlungen auf Restglied sind mit Gliedertaxenwerten für Teilglieder<br />
abgegolten<br />
Funktionsunfähigkeit des „Beines bis zur Mitte des Unterschenkels“ also<br />
maximal 45% Invaliditätsgrad<br />
Funktionsunfähigkeit ergibt sich nicht aus der Versteifung des Sprunggelenks<br />
BGH-Rechtsprechung zur unklaren Formulierung „Fuß im Fußgelenk“ ist hier<br />
nicht anwendbar<br />
Aussage des Gutachters: „Zustand ist mit Amputation und guter prothetischer<br />
Versorgung vergleichbar“, bestätigt Restfunktionen<br />
LG bestätigt (nach eingeholtem Sachverständigengutachten)<br />
4/10 Beinwert<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 90
LG Duisburg Urteil vom 13.05.2011<br />
(10 O 61/10)<br />
Sprunggelenksverletzung, Folge<br />
Versteifung oberes Sprunggelenk<br />
Funktionseinschränkung unteres Sprunggelenk<br />
VN verlangt 1/1 Fuß (im Fußgelenk)<br />
Begriff „Fußgelenk“ ist unklar<br />
Nach Unklarheitenregel (§ 305c BGB) genüge<br />
Funktionsunfähigkeit eines Fußgelenks<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 91
LG Duisburg Urteil vom 13.05.2011<br />
(10 O 61/10)<br />
Oberes und unteres Sprunggelenk sind keine anatomische aber funktionale<br />
Einheit für die erforderlichen Heb-, Senk- und Kippbewegungen des Fußes<br />
Maßgeblich ist funktionale Betrachtung<br />
(BGH vom 17.01.2011, IV ZR 32/00; VersR 2001, 360)<br />
Vollständige Funktionsunfähigkeit nur anzunehmen, wenn die Funktionen im<br />
oberen und unteren Sprunggelenk vollständig aufgehoben sind<br />
(so auch OLG Düsseldorf, r+s 2006, 518 f.)<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 92
OLG Jena Beschluss vom 28.02.2012<br />
(4 U 611/11, juris)<br />
„Besondere Bedingungen für die Bemessung des Invaliditätsgrades für Bläser …“<br />
Mindestens 33 1/3% der Invaliditätssumme bei Einschränkung der Spielfähigkeit,<br />
die eine Berufsausübung im bisherigen Maß nicht mehr möglich macht<br />
Nach der Gliedertaxe zu bemessende Schäden werden hiervon nicht berührt<br />
Schulterverletzung mit bleibender Bewegungseinschränkung des Armes<br />
VN verlangt 33 1/3% der Invaliditätssumme wegen eingeschränkter Spielfähigkeit<br />
BB seien entgegen ihres Wortlauts dahin zu verstehen, dass ein Mindestanspruch auf eine<br />
Invaliditätsleistung von 33 1/3 % der Versicherungssumme bei jedwedem die Spielfähigkeit<br />
erheblich beeinträchtigendem Körperschaden bestünde<br />
Nur bei einer Erfassung auch und gerade des schon in der allgemeinen Gliedertaxe<br />
aufgeführten Armschadens könne den Belangen der Berufsmusiker Rechnung getragen<br />
werden<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 93
OLG Jena Beschluss vom 28.02.2012<br />
(4 U 611/11, juris)<br />
Dazu das OLG:<br />
Maßgeblich ist, wie ein durchschnittlicher VN ohne versicherungsrechtliche<br />
Spezialkenntnisse die AVB bei verständiger Würdigung, aufmerksamer<br />
Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sachzusammenhangs<br />
versteht<br />
Die danach regelmäßig zu wählende objektiv-generalisierende Auslegungsmethode<br />
rückt zunächst den Wortlaut der einzelnen Klausel in den Fokus<br />
Wortlaut stellt hier unmissverständlich klar, dass nach der Gliedertaxe zu beurteilende<br />
Schäden von der Sonderregelung nicht erfasst werden<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 94
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Invalidität<br />
Neubemessung<br />
Seite 95
§188 VVG<br />
(1) Sind Leistungen für den Fall der Invalidität vereinbart, ist jede Vertragspartei<br />
berechtigt, den Grad der Invalidität jährlich, längstens bis zu drei Jahren nach Eintritt<br />
des Unfalles, neu bemessen zu lassen. In der Kinderunfallversicherung kann die<br />
Frist, innerhalb derer eine Neubemessung verlangt werden kann, verlängert werden.<br />
(2) Mit der Erklärung des Versicherers über die Leistungspflicht ist der<br />
Versicherungsnehmer über sein Recht zu unterrichten, den Grad der Invalidität neu<br />
bemessen zu lassen. Unterbleibt diese Unterrichtung, kann sich der Versicherer auf<br />
eine Verspätung des Verlangens des Versicherungsnehmers, den Grad der Invalidität<br />
neu zu bemessen, nicht berufen.<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 96
§188 VVG<br />
Reglung entspricht im Wesentlichen den AUB-Regelungen, Ausnahme:<br />
Hinweispflicht<br />
Verlangen auf Neubemessung ist nach VVG nicht fristgebunden<br />
Musterbedingungen des GDV (AUB 2008)<br />
Das Recht auf Neubemessung muss durch den Versicherer zusammen mit seiner<br />
Erklärung über die Leistungspflicht ausgeübt werden.<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 97
BGH Beschluss vom 21.03.2012<br />
(IV ZR 256/10)<br />
Für die Überprüfung der Erstfeststellung der Invalidität gilt nicht die für die<br />
Neubemessung maßgebliche Dreijahresfrist<br />
(BGH vom 22. April 2009 IV ZR 328/07, VersR 2009, 920 Rn. 19<br />
BGH vom 16. Januar 2008 IV ZR 271/06, VersR 2008, 527 Rn. 10 f.)<br />
Maßgeblich ist der Gesundheitszustand zum Zeitpunkt der Erstbemessung<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 98
OLG Hamm Urteil vom 03.12.2010<br />
(20 U 146/07, VersR. 2011, 657)<br />
Versicherer erkennt Invaliditätsgrad von 49% an<br />
VN<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
klagt gegen Richtigkeit der Erstfeststellung<br />
beantragt Neubemessung<br />
LG stellt fest: Die Erstbemessung war richtig<br />
Versicherer lehnt Neubemessung unter Hinweis auf die Rechtskraft des<br />
Urteils ab<br />
VN klagt auf Neubemessung<br />
LG bestätigt Auffassung des Versicherers<br />
Seite 99
OLG Hamm Urteil vom 03.12.2010<br />
(20 U 146/07, VersR. 2011, 657)<br />
OLG weist Berufung zurück<br />
Urteil des LG sei im Ergebnis richtig<br />
VN konnte nicht beweisen, dass zwischen Schluss der mündlichen<br />
Verhandlung und Ablauf der 3- Jahresfrist Verschlechterungen<br />
eingetreten sind<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 100
OLG Hamm Urteil vom 03.12.2010<br />
(20 U 146/07, VersR. 2011, 657)<br />
BGH<br />
hebt diese Entscheidung auf<br />
Maßgeblich ist, ob zwischen Zeitpunkt der Erstbemessung und<br />
Ablauf der<br />
3-Jahresfrist Verschlechterungen eingetreten sind<br />
Verpflichtung, alle bis zur mündlichen Verhandlung über die<br />
Erstbemessung eingetretenen Gesundheitsveränderungen bereits<br />
im Prozess über die Erstbemessung geltend zu machen, besteht<br />
nicht.<br />
Noch nicht in die gerichtliche Invaliditätserstbemessung<br />
eingeflossene Gesundheitsveränderungen sind im Rahmen der<br />
Neubemessung zu berücksichtigen<br />
Weist Verfahren an das OLG Hamm zurück<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 101
OLG Hamm Urteil vom 03.12.2010<br />
(20 U 146/07, VersR. 2011, 657)<br />
Erneutes Sachverständigengutachten:<br />
Zwischen Erstbemessung und Ablauf des 3. Unfalljahres sind<br />
Verschlechterungen eingetreten<br />
Invaliditätsgrad: 60%<br />
OLG spricht VN Entschädigung auf dieser Basis zu<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 102
OLG Braunschweig Hinweisbeschluss vom 16.08.2012<br />
(3 U 63/10, r+s 2011, 348)<br />
Es gilt VVG a. F.<br />
VN beantragt Neubemessung nicht innerhalb eines Monats nach Erhalt der Erklärung<br />
über die Leistungspflicht<br />
Versicherer hat über die Frist nicht belehrt<br />
OLG<br />
Eine generelle Belehrungspflicht bestand vor Inkrafttreten des neuen VVG<br />
nicht<br />
Die Regelung ist AGB-konform<br />
Bei Versäumung der Frist kann im Prozess nur die Prüfung der Richtigkeit<br />
der Erstfeststellung erfolgen<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 103
OLG Braunschweig Hinweisbeschluss vom 16.08.2012<br />
(3 U 63/10, r+s 2011, 348)<br />
VN hat Neubemessung am letzten Tag der 3-Jahresfrist verlangt<br />
Das ist verspätet, da die ärztliche Untersuchung nach gewöhnlichem Verlauf der<br />
Dinge nicht mehr innerhalb der Frist erfolgen konnte<br />
(vgl. dazu BGH r+s 1994, 356)<br />
An einer solchen Verspätung dürfte das Recht auf Neubemessung auch nach neuem<br />
Recht scheitern<br />
Frage: Auch hierzu Belehrungspflicht?<br />
(Bislang nicht entschieden)<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 104
OLG München Beschluss vom 13.05.2011<br />
(25 U 1213/11)<br />
Leistungsanspruch bei Invaliditätsgrad von<br />
1 bis unter 10%: 5 Unfallrenten<br />
10 bis unter 20%: 10 Unfallrenten<br />
Neubemessung zum Ablauf des 3. Unfalljahres,<br />
Sachverständigengutachten:<br />
4/10 Fußwert (von 50% lt. Gliedertaxe), 50% unfallfremde<br />
Mitwirkung = 10%<br />
Nach den zum Ablauf des 3 Unfalljahres erhobenen Befunden<br />
werden sich die Unfallfolgen weiter verbessern<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 105
OLG München Beschluss vom 13.05.2011<br />
(25 U 1213/11)<br />
VN verlangt Leistung nach einem Invaliditätsgrad von 10%<br />
Maßgeblich sei Zustand am Tag des Ablaufs des 3 Unfalljahres<br />
OLG:<br />
Frage des Umfangs der dauernden Invalidität ist auch zum Ablauf der<br />
3-Jahresfrist eine Prognoseentscheidung<br />
(vgl. BGH VersR. 2005, 927)<br />
Prognose darf sich nur auf Tatsachen gründen, die bis zum Ablauf des<br />
3-Jahreszeitraums erkennbar waren<br />
Tatsachen, die innerhalb dieses Zeitraums nicht erkennbar waren, dürfen nicht<br />
berücksichtigt werden<br />
Hier also: Verbesserung zum Ablauf des 3-Jahreszeitraums als sichere<br />
Prognose,<br />
Invaliditätsgrad damit kleiner 10%<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 106
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Mitwirkung<br />
von<br />
Krankheiten<br />
oder<br />
Gebrechen<br />
Seite 107
Beweislast/-maßstab<br />
Versicherer muss beweisen,<br />
dass Krankheit oder Gebrechen vorliegt<br />
(§ 286 ZPO),<br />
dass der Mitwirkungsanteil mindestens 25% beträgt<br />
(§ 286 ZPO),<br />
(BGH vom 23.11.2011, IV ZR 70/11, VersR. 2012, 469)<br />
sowie die konkrete Höhe des Mitwirkungsanteils<br />
(§ 287 ZPO).<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 108
BGH Urteil vom 23.11.2011<br />
(IV ZR 70/11, VersR 2012, 92; r+s 2012, 89)<br />
Sachverständiger<br />
Herzerkrankung hat am Tod der VP<br />
mitgewirkt<br />
Sieht sich jedoch nicht in der Lage, Kausalitätsanteile quantitativ zu<br />
bemessen<br />
OLG Saarbrücken (Vorinstanz)<br />
Nach Beweisaufnahme steht fest, dass Tod nur durch<br />
Zusammenwirken von Vorerkrankung und unfallbedingter<br />
Gesundheitsschädigung eintreten konnte<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 109
BGH Urteil vom 23.11.2011<br />
(IV ZR 70/11, VersR 2012, 92; r+s 2012, 89)<br />
Es geht um die Höhe der Leistung, also anspruchsausfüllende<br />
Kausalität.<br />
Damit Beweismaßstab § 287 ZPO.<br />
Nach § 287 ZPO kann die Höhe des Mitwirkungsanteils im Rahmen<br />
der freien tatrichterlichen Würdigung geschätzt werden.<br />
OLG geht von einem Mitwirkungsanteil von 50% aus<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 110
BGH Urteil vom 23.11.2011<br />
(IV ZR 70/11, VersR 2012, 92; r+s 2012, 89)<br />
Dazu aber der BGH<br />
Mitwirkung ist eine Leistungseinschränkung, die der Versicherer voll<br />
zu beweisen hat.<br />
Beweismaßstab auch für Mitwirkungsanteil von mindestens 25%:<br />
§286 ZPO<br />
Erst wenn dieser Beweis geführt ist, kann die Höhe des<br />
Mitwirkungsanteils nach § 287 ZPO geschätzt werden.<br />
Versicherer damit voll leistungspflichtig, wenn der Gutachter die Höhe des<br />
Mitwirkungsanteils nicht quantifizieren kann.<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 111
Krankheit<br />
Nach mehrheitlicher Rechtsprechung<br />
zu den AUB:<br />
ein regelwidriger Körperzustand<br />
der ärztlicher Behandlung bedarf<br />
Gebrechen<br />
Nach mehrheitlicher Rechtsprechung<br />
zu den AUB:<br />
dauernder abnormer Gesundheitszustand<br />
der die Ausübung normaler Körperfunktionen jedenfalls teilweise<br />
hindert<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 112
Problem<br />
Nicht alle gesundheitlichen Veränderungen, die<br />
nicht Folge des Unfalls sind und<br />
außerhalb der Altersnorm liegen<br />
werden in der Rechtsprechung als Krankheit oder Gebrechen angesehen<br />
Dann entfällt trotzt bewiesener Mitwirkung das Recht auf Leistungskürzung<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 113
OLG München Urteil vom 01.03.2012<br />
(14 U 2523/11)<br />
Tod durch allergische Reaktion nach Verzehr von Schokolade<br />
OLG<br />
Allergische Reaktion ist eine immunologische Überreaktion<br />
Krankmachende Symptome treten … erst bei Kontakt mit dem Allergen<br />
auf<br />
Wird der allergene Stoff vermieden, kann der Versicherte problemlos<br />
ohne ärztliche Behandlung leben<br />
Daher allergische Reaktionsbereitschaft keine Krankheit<br />
Recht zur Leistungskürzung entfällt<br />
Revision wurde zugelassen und auch eingelegt<br />
Entscheidung des BGH steht noch aus<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 114
OLG München Urteil vom 01.03.2012<br />
(14 U 2523/11)<br />
BGH, Beschluss vom 08.07.2009<br />
(VersR. 2009, 1525)<br />
„Der durchschnittliche Versicherungsnehmer entnimmt schon aus Nr. 3 Satz 1 AUB<br />
2000, dass der Unfallversicherer Versicherungsschutz für Unfälle und deren Folgen<br />
bieten will, nicht jedoch für unfallfremde Ursachen von Gesundheitsschädigungen wie<br />
Krankheiten oder konstitutionell oder schicksalhaft bedingte gesundheitliche<br />
Anomalien.“<br />
OLG München:<br />
„Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erwartet demgemäß nicht, dass der<br />
Versicherer ihm Versicherungsschutz insoweit bietet, als bereits vor dem Unfall<br />
bestehende körperliche Beeinträchtigungen sich auf die Unfallfolgen auswirken.“<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 115
OLG Köln Urteil vom 02.03.2012<br />
(20 U 234/11)<br />
Versicherter<br />
hatte eine implantierte Niere, die die zuvor entfernten beiden<br />
körpereigenen Nieren ersetzte<br />
Stürzte mit dem Bauch auf einen Stein, Niere musste wieder<br />
entfernt werden, er wurde dialysepflichtig<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 116
OLG Köln Urteil vom 02.03.2012<br />
(20 U 234/11)<br />
Versicherer erkennt 50 % Invalidität an (60% abzgl.10% Vorinvalidität)<br />
LG bestätigt die Einschätzung<br />
OLG<br />
Verlust der (einzigen) Niere und daraus folgende Dialysepflichtigkeit<br />
rechtfertigt Annahme einer Invalidität von 100%<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 117
OLG Köln Urteil vom 02.03.2012<br />
(20 U 234/11)<br />
Verlust der körpereigenen Nieren ist ein abnormer<br />
Gesundheitszustand, der die einwandfreie Ausübung der normalen<br />
Körperfunktion (teilweise) nicht mehr zulässt (= Gebrechen)<br />
100% Invalidität resultiert erst aus Zusammenwirken aus Verlust der<br />
transplantierten Niere und vorherigem Verlust beider körpereigenen<br />
Nieren<br />
(= Mitwirkung)<br />
Leitet aus dem erforderlichen Zusammenwirken gleich große<br />
Mitwirkungsanteile beider Ursachen ab<br />
Bestätigt im Ergebnis unfallbedingte Invalidität von 50%<br />
Entscheidung ist nicht rechtskräftig<br />
(Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt)<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 118
LG Dortmund Urteil vom 27.10.2011<br />
(2 O 299/10, ZfS 2012/100)<br />
„Wird gem. § 7.I.3 AUB 95 wegen einer Vorinvalidität ein Abzug von der<br />
Gesamtinvalidität vorgenommen, kommt eine weitere Anspruchskürzung gem.<br />
§ 8 AUB 95 wegen der die Vorinvalidität begründenden Gesundheitsschädigung nicht<br />
in Betracht.“<br />
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann den AUB nicht entnehmen, dass<br />
dieselbe vorbestehende körperliche Beeinträchtigung doppelt leistungsmindernd<br />
berücksichtigt werden soll<br />
Frage wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet<br />
(Quellen: s. Urteil)<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 119
LG Dortmund Urteil vom 27.10.2011<br />
(2 O 299/10, ZfS 2012/100)<br />
Richtig ist, dass die AUB keine ausdrückliche Regelung über die<br />
Reihenfolge der vorzunehmenden Kürzungen enthält. Aus der<br />
Systematik ist dies jedoch ableitbar.<br />
Ein um Verständnis bemühter VN entnimmt den AUB schlicht die<br />
Information, dass es zwei Kürzungstatbestände gibt.<br />
Es spricht nichts dafür, dass die Anwendung des einen<br />
Kürzungstatbestandes den anderen entfallen lässt, wenn die<br />
medizinischen Voraussetzungen für die Anwendung beider<br />
Kürzungstatbestände gegeben sind.<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 120
Die Leistung<br />
• Fälligkeit<br />
– Erklärung über die Leistungspflicht<br />
– Frist / Form<br />
– Rechtsfolgen des Anerkenntnisses<br />
– Zahlungsfrist<br />
– Vorschuss<br />
– Kündigung<br />
• Verjährung<br />
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Versicherungsrecht<br />
Seite 121
Rechtsfolgen?<br />
• Nach der Rechtsprechung und Teilen des Schrifttums handelt es<br />
sich lediglich um eine einseitige Deklaration im Rahmen des<br />
Vertragsverhältnisses und weder um ein abstraktes oder<br />
deklaratorisches Schuldanerkenntnis.<br />
Siehe auch OLG Hamm, Urteil v. 16.06.04, 20 U 15/04<br />
• Nur ausnahmsweise soll ein Schuldbestätigungsvertrag vorliegen,<br />
wenn der VR kein weiteren Einwendungen erheben will und auch<br />
der VN einverstanden ist.<br />
• Hierher gehört auch das Angebot einer vergleichsweisen Zahlung<br />
und dessen Annahme, wie zB in Ziff 9.2 AUB 2008 formuliert.<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 122
Rechtsfolgen?<br />
• Ziff. 9.2 AUB 2008<br />
Erkennen wir ( AUB 88/94: Erkennt der Versicherer ) den Anspruch<br />
an, leisten wir innerhalb von zwei Wochen.<br />
• Ziff. 9.3<br />
Steht die Leistungspflicht zunächst nur dem Grunde nach fest,<br />
zahlen wir – auf Ihren Wunsch – angemessene Vorschüsse.<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 123
Rechtsfolgen?<br />
• Ziff. 9.4 AUB 2008<br />
Sie und wir sind berechtigt, den Grad der Invalidität jährlich,<br />
längstens bis zu drei Jahren nach dem Unfall, erneut ärztlich<br />
bemessen zu lassen….<br />
Dieses Recht muss<br />
– von uns zusammen mit unserer Erklärung über unsere<br />
Leistungspflicht nach Ziff. 9.1<br />
– von Ihnen vor Ablauf der Frist<br />
ausgeübt werden.<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 124
• Welche Bedeutung hat es, wenn der VR sich keine<br />
Neufeststellung vorbehält?<br />
Hierzu hat sich wohl nach einigen ( auch obergerichtlichen ) Urteilen die<br />
Auffassung durchgesetzt, dass<br />
– darin ein Verzicht auf eine Neubemessung liegt<br />
– der VR den Anspruch unstreitig stellt<br />
– eine Rückforderung bei Veränderungen ausgeschlossen ist, auch<br />
wenn diese sich aus einer später vom VN gewünschten neuen<br />
Untersuchung ergeben<br />
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Seite 125
Gerhard Gröning Fachanwalt für<br />
Versicherungsrecht<br />
Das war s!<br />
Vielen Dank fürs Zuhören<br />
Seite 126