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Foto: Michael Breuer<br />
42 Spektrum RevieRpRaxis<br />
Mit Wissen zuM Jag<strong><strong>de</strong>r</strong>folg<br />
lo 11/2011<br />
Bevor <strong><strong>de</strong>r</strong> Jäger einen<br />
Hochsitz bezieht, sollte<br />
er <strong>de</strong>n <strong>Wind</strong> entsprechend<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Revierörtlichkeit<br />
prüfen.<br />
<strong>Der</strong> <strong>Wind</strong>, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Wind</strong> …<br />
… das verräterische Kind! Schon vor Beginn <strong>de</strong>s<br />
Ansitzes o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Pirsch entschei<strong>de</strong>t <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Wind</strong> über<br />
<strong>de</strong>n Jag<strong><strong>de</strong>r</strong>folg. Die beste Ausrüstung nützt nichts,<br />
wenn kein Wild in Anblick kommt – weil <strong><strong>de</strong>r</strong> Jäger<br />
<strong>de</strong>m <strong>Wind</strong> nicht ausreichend Beachtung schenkt.
lo 11/2011<br />
Autor: Hans H. Selzer<br />
es ist eine Binsenweisheit, dass<br />
das Wild – und natürlich auch unsere<br />
Jagdgebrauchshun<strong>de</strong> – eine<br />
erheblich feinere Nase haben als wir<br />
Menschen. Untersuchungen haben gezeigt,<br />
dass beispielsweise Rehe selbst<br />
auf mehr als 300 Meter Entfernung einen<br />
Menschen noch win<strong>de</strong>n können.<br />
Damit ist klar, dass ein Jäger, <strong><strong>de</strong>r</strong> „im<br />
Luv“ eines Rehs sitzt (also auf <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>m<br />
<strong>Wind</strong> zugewandten Seite), dieses Reh<br />
nicht zu sehen bekommen wird.<br />
Oft hört man von Jägern, sie wünschen<br />
sich einen windstillen Tag für ihren Ansitz.<br />
Doch diese <strong>Wind</strong>stille gibt es nicht!<br />
Jagdkamera<strong>de</strong>n, die auf <strong>de</strong>m Hochsitz<br />
rauchen, können das bestätigen. Stellen<br />
wir uns einen leichten <strong>Wind</strong>hauch vor,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger als 20 Zentimeter pro Sekun<strong>de</strong><br />
zurücklegt. Diese Luftbewegung<br />
spüren wir nicht mehr an unseren Nackenhaaren.<br />
Auch <strong><strong>de</strong>r</strong> nasse „Finger im<br />
<strong>Wind</strong>“ zeigt ihn nicht mehr an. Trotz<strong>de</strong>m<br />
hat die Luft bereits nach zehn Minuten<br />
eine Entfernung von 120 Metern<br />
überwun<strong>de</strong>n und damit auch unsere<br />
Wittrung dorthin getragen.<br />
Doch was ist eigentlich <strong>Wind</strong>, wie entsteht<br />
er? Hier müssen wir zunächst<br />
die Physik bemühen: Den Naturgesetzen<br />
folgend, strebt alles nach Ausgleich.<br />
Eine heiße Tasse Kaffee kühlt,<br />
wenn man sie stehen lässt, in Kürze<br />
auf Umgebungstemperatur ab. Umgekehrt<br />
schmilzt <strong><strong>de</strong>r</strong> Eiswürfel im Whisky<br />
zu Wasser. Dieses hat bald die gleiche<br />
Temperatur wie unser Drink, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
dadurch aber etwas kühler wird. Ähnliches<br />
geschieht beim atmosphärischen<br />
<strong>Wind</strong> mit <strong>de</strong>m Luftdruck.<br />
HocH- unD tiefDruck<br />
Aus <strong>de</strong>n Wettervorhersagen kennen wir<br />
Hoch- und Tiefdruckgebiete, also Zonen<br />
mit hohem Luftdruck und solche mit geringem<br />
Luftdruck. <strong>Der</strong> höchste Druck<br />
eines Hochs und <strong><strong>de</strong>r</strong> niedrigste Druck<br />
eines Tiefs liegen dabei im Zentrum <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
jeweiligen Zone. <strong>Der</strong> Druckausgleich<br />
geschieht, in<strong>de</strong>m Luft aus einem Hoch<br />
spiralförmig rechtsdrehend aus dieser<br />
Zone herausfließt, während sie, ebenfalls<br />
spiralförmig, linksrum in ein Tief<br />
hineinfließt, dieses also auffüllt. Ist dieser<br />
Prozess abgeschlossen, hat sich das<br />
Hoch bzw. Tief aufgelöst.<br />
In Waldschneisen entstehen durch <strong>de</strong>n Düseneffekt verstärkte <strong>Wind</strong>e, die nach Öffnung<br />
<strong>de</strong>s „Kanals“ in mehrere Richtungen auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>streben.<br />
<strong>Der</strong> Motor <strong>de</strong>s gesamten Wettergeschehens<br />
ist die Sonne. Sie erwärmt die Luft<br />
und bringt Wasser zum Verdunsten. Soviel<br />
zum atmosphärischen <strong>Wind</strong>. Natürlich<br />
gibt es auch immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> Bereiche<br />
mit geringen Luftdruckunterschie<strong>de</strong>n.<br />
Diese erkennt man auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Wetterkarte,<br />
wenn die Isobaren (das sind Linien<br />
gleichen Luftdrucks) weit auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
liegen. Hier fin<strong>de</strong>t also kaum eine Luftbewegung<br />
statt. Also doch <strong>Wind</strong>stille?<br />
Keineswegs! Die Temperatur macht‘s!<br />
Je<strong><strong>de</strong>r</strong> von uns kennt an einem heißen<br />
Sommertag die angenehme Kühle <strong>de</strong>s<br />
Wal<strong>de</strong>s. Die Freiflächen erwärmen sich<br />
durch die direkte Sonneneinstrahlung<br />
wesentlich schneller als <strong><strong>de</strong>r</strong> Baumbestand.<br />
Die warme Luft über Wiesen und<br />
Fel<strong><strong>de</strong>r</strong>n steigt auf und hinterlässt am<br />
Berghänge erwärmen sich schneller als<br />
das Tal. Die erwärmte Luft steigt auf und<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> dadurch entstehen<strong>de</strong> Unterdruck saugt<br />
Luft aus <strong>de</strong>m Tal bergauf.<br />
Grafik: Regina Full/ H. Selzer<br />
43<br />
Bo<strong>de</strong>n eine Zone <strong>de</strong>s Unterdrucks, wir<br />
haben also ein „Mini-Tief“. Im Rahmen<br />
<strong>de</strong>s erwähnten Druckausgleichs wird<br />
nun Luft aus allen Seiten in dieses Tief<br />
gesaugt – wir haben einen lokalen thermischen<br />
<strong>Wind</strong>.<br />
Nach Sonnenuntergang kühlen die Freiflächen<br />
jedoch schnell aus, während <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Wald die Tageswärme noch speichert.<br />
Die Richtung <strong>de</strong>s thermischen <strong>Wind</strong>es<br />
dreht sich also komplett um. Daraus erklärt<br />
sich auch das Phänomen, dass <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Wind</strong> auf <strong>de</strong>m Hochsitz plötzlich aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gegenrichtung weht. Bekannt ist diese<br />
Erscheinung allen Bergjägern, Bergsteigern<br />
und Gebirgsbewohnern unter <strong>de</strong>n<br />
Namen Bergwind und Talwind.<br />
Daneben gibt es auch noch Mischformen.<br />
Beispielsweise wenn ein<br />
Die Abstrahlung <strong><strong>de</strong>r</strong> von <strong>de</strong>n Berghängen<br />
ausgehen<strong>de</strong>n Wärme bewirkt <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
schnelle Abkühlung. Die abgekühlte Luft<br />
darüber sinkt nach unten.<br />
Grafik: Regina Full/ H. Selzer<br />
Grafik: Regina Full/ H. Selzer<br />
f
Foto: Dirk Waltmann<br />
44 Spektrum RevieRpRaxis<br />
Je nach <strong>Wind</strong>einfall kommt es hinter Kanten zu starken Ablenkungen und Verwirbelungen. Westwin<strong>de</strong> sind bei uns vorherrschend.<br />
w Kleiner Tipp: Eine Wettervorhersage<br />
mit <strong>Wind</strong>angaben<br />
im DreiStun<strong>de</strong>nTakt fin<strong>de</strong>n<br />
Sie auf www.jag<strong><strong>de</strong>r</strong>leben.<strong>de</strong><br />
schwacher atmosphärischer <strong>Wind</strong> teilweise<br />
von einem thermischen <strong>Wind</strong><br />
überlagert wird. <strong>Der</strong> atmosphärische<br />
<strong>Wind</strong> wird durch <strong>de</strong>n thermischen ab-<br />
gebremst, verstärkt o<strong><strong>de</strong>r</strong> seitlich beeinflusst.<br />
Oft bemerken wir Jäger dann einen<br />
unangenehmen „küseln<strong>de</strong>n <strong>Wind</strong>“,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> ständig seine Richtung än<strong><strong>de</strong>r</strong>t und<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Ansitz zur Nullnummer wer<strong>de</strong>n<br />
lassen kann.<br />
Dem <strong>Wind</strong> stehen immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> Hin<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse<br />
im Weg und beeinflussen so<br />
<strong>de</strong>ssen Richtung. Das macht es schwierig.<br />
Über freien Flächen wür<strong>de</strong> sich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Wind</strong> geradlinig ausbreiten. Hochseesegler<br />
wissen, dass es auf hoher See so<br />
Wie kann die <strong>Wind</strong>richtung bestimmt wer<strong>de</strong>n?<br />
Foto: Lorenz Erl<br />
Foto: Erich Marek<br />
Foto: Erich Marek<br />
gut wie keine drehen<strong>de</strong>n <strong>Wind</strong>e gibt.<br />
An<strong><strong>de</strong>r</strong>s als auf Binnenseen, wo <strong><strong>de</strong>r</strong> sich<br />
ständig än<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong> <strong>Wind</strong> schon so manchen<br />
Freizeitkapitän zur Verzweiflung<br />
getrieben hat. Hier hilft nur eines: Revierkenntnis<br />
– womit wir wie<strong><strong>de</strong>r</strong> bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Jagd wären.<br />
revierkenntniS<br />
<strong>Der</strong> vorherrschen<strong>de</strong> <strong>Wind</strong> wird durch<br />
Berge, Wald, Schluchten etc. so weit abgelenkt,<br />
dass er in beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Situati-<br />
Feuchter Finger. Seifenblasen. Zigarettenrauch. Feuerzeugflamme. Flaumfe<strong><strong>de</strong>r</strong>. Bovist – ein Pilz.<br />
Foto: Dirk Waltmann<br />
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Sie uns<br />
Ihren<br />
Prüftipp!<br />
ihr pirsch-lesertipp<br />
lo 11/2011<br />
Grafik: Regina Full/ H. Selzer<br />
Foto: Erich Marek
Grafik: Regina Full/ H. Selzer<br />
lo 11/2011<br />
Auch die Ostwindlage ist bei <strong>de</strong>m dargestellten Revierbeispiel nicht unproblematisch. Es kann zu <strong>Wind</strong>ablenkungen bis zu 90° kommen.<br />
onen sogar um bis zu 180 ° drehen kann.<br />
Denken wir nur an das so genannte<br />
Kehrwasser, das sich an scharfen Flussbiegungen<br />
bil<strong>de</strong>t. Ähnliches kann auch<br />
mit <strong><strong>de</strong>r</strong> bewegten Luft, also <strong>de</strong>m <strong>Wind</strong><br />
geschehen. Zusätzlich kann in engen<br />
Schneisen <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Wind</strong> an Stärke erheblich<br />
zunehmen (Düseneffekt). <strong>Der</strong> Jäger<br />
muss also wissen, bei welcher <strong>Wind</strong>lage<br />
seine Wittrung wohin getragen wird.<br />
Und das für je<strong>de</strong>n einzelnen Hochsitz<br />
im Revier!<br />
Klingt kompliziert, ist aber gar nicht<br />
so schwer! Als erstes müssen wir uns<br />
über die vorherrschen<strong>de</strong> Hauptrichtung<br />
<strong>de</strong>s <strong>Wind</strong>es im Klaren sein. Während<br />
<strong>de</strong>s Ansitzes müssen wir uns dann nur<br />
noch eine Notiz in unser „Zugbücherl“<br />
(wohin zieht <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Wind</strong>?) machen. Welche<br />
Auswirkungen hat eine <strong>Wind</strong>lage<br />
auf diesem Sitz? So bekommen wir<br />
im Lauf <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit eine komplette <strong>Wind</strong>sammlung<br />
für unser Revier.<br />
Die ricHtung beStimmen<br />
Aber wie stellen wir am besten fest, woher<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Wind</strong> nun kommt und – noch<br />
wichtiger – wohin er unsere Wittrung<br />
Foto: Hans Selzer<br />
trägt? <strong>Der</strong> Blick zum Himmel, zum Zug<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Wolken, hilft nur bedingt. Höhenwind<br />
und Bo<strong>de</strong>nwind können durchaus<br />
große Unterschie<strong>de</strong> aufweisen. Diese<br />
Unterschie<strong>de</strong> machen sich z.B. die Ballonfahrer<br />
zunutze. Durch Steigen und<br />
Sinken bekommen sie zumin<strong>de</strong>st einen<br />
gewissen Einfluss auf ihre Fahrtrichtung.<br />
Uns Jäger interessiert selbstverständlich<br />
nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Bo<strong>de</strong>nwind.<br />
Die bekannteste Metho<strong>de</strong>, die <strong>Wind</strong>richtung<br />
zu bestimmen, ist das Ablecken<br />
eines Fingers und <strong>de</strong>n dann in die<br />
Höhe zu halten. Das funktioniert aber<br />
nur, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Wind</strong> eine bestimmte<br />
Stärke hat (s.o.). Außer<strong>de</strong>m zeigt uns die<br />
Zur perSon<br />
45<br />
Hans H. Selzer, passionierter Jäger, Jagdaufseher<br />
und Segler. Er hat von 1997 bis 2000 mit seiner<br />
Frau Michaela die Welt umsegelt. Die Erfahrungen,<br />
die er in dieser Zeit mit <strong>Wind</strong> und Wetter gemacht<br />
hat, kommen ihm auch auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Jagd zugute.<br />
kühle Stelle am Finger nur an, woher<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Wind</strong> weht. Oft bekommt <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Wind</strong><br />
aber hinter <strong><strong>de</strong>r</strong> Kanzel eine signifikante<br />
Richtungsän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung. Besser ist da schon<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Trick mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Kontrolle mithilfe von<br />
Seifenblasen. Auch Rauch zeigt uns an,<br />
wohin <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Wind</strong> weht, genau so wie ein<br />
paar Schafwollfasern. Gute Dienste tun<br />
auch Flaumfe<strong><strong>de</strong>r</strong>n, <strong>de</strong>nen man lange<br />
mit <strong>de</strong>m Fernglas zusehen kann, wie<br />
sie fort getragen wer<strong>de</strong>n. Nicht zu vergessen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> „Öko-Trick“: Die alten Jäger<br />
hatten und haben stets einen getrockneten<br />
Bovist dabei. Klopft man darauf,<br />
zeigt die freigesetzte kleine Staubwolke,<br />
wo es lang geht. eu