Die Illusion der Vierzehn Punkte. Über das nationale ... - CeltoSlavica
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Generation später war <strong>das</strong> nicht mehr genug; nun mußten die Menschen voll<br />
im Geist erwachen, um die zerstörerischen Folgen ihres Seelenschlafs auszugleichen.<br />
Nicht umsonst hatte <strong>der</strong> weitblickende tschechische Historiker Frantisek<br />
Palacky bereits im Jahre 1849 auf die Dringlichkeit <strong>der</strong> Erkenntnisfrage und<br />
<strong>der</strong> Art ihrer Umsetzung in politisch-soziale Gestaltung hingewiesen:<br />
«Was dem XVI. und XVII. Jahrhun<strong>der</strong>t die kirchliche und religiöse Idee<br />
war, <strong>das</strong> ist für unsere Zeit <strong>das</strong> Princip <strong>der</strong> Nationalität. [ ... ]Alle die Län<strong>der</strong><br />
und Personen, beson<strong>der</strong>s in Österreich, die heute noch in <strong>nationale</strong>r<br />
Beziehung indifferent o<strong>der</strong> apathisch sind, werden es nach zehn o<strong>der</strong><br />
nach zwanzig o<strong>der</strong> nach dreißig Jahren nicht mehr sein, und so erlangen<br />
Motive im Staatsleben, die sich auf Nationalitätsverhältnisse gründen<br />
und Vielen jetzt noch unbedeutend zu sein scheinen, eine immer<br />
durchgreifen<strong>der</strong>e Wichtigkeit. Ein je<strong>der</strong> Regierungsmann, <strong>der</strong> die Wahrheit<br />
dieses Satzes sich verhehlen o<strong>der</strong> gar in Abrede stellen möchte, würde<br />
sich einer verhängnisvollen Täuschung hingeben; thöricht wäre auch<br />
jedwedes Eindämmen dieser Strömung <strong>der</strong> Zeit, und alle menschlichen<br />
Erfindungen und Gegenmittel gegen denselben hätten wohl keine an<strong>der</strong>e<br />
Wirkung, als <strong>das</strong> Blasen gegen den Wind, durch <strong>das</strong> seine Richtung we<strong>der</strong><br />
abgewandt noch geän<strong>der</strong>t werden kann.» 4<br />
Beson<strong>der</strong>s anfällig für die geistigen Folgen dieses Versäumnisses war gerade<br />
jenes Volk, <strong>das</strong> alle Voraussetzungen hatte, auf eine Lösung <strong>der</strong> «<strong>nationale</strong>n<br />
Frage» hinzuarbeiten: die Deutschen. Hier hatte <strong>das</strong> Scheitern in <strong>der</strong> gedanklichen<br />
Auseinan<strong>der</strong>setzung mit dem Materialismus deswegen so unheilvolle<br />
Konsequenzen, weil die gesamte kulturelle Entwicklung im mitteleuropäischen<br />
Raum auf <strong>das</strong> Ergreifen <strong>der</strong> geistigen Ich-Kräfte angewiesen war. <strong>Die</strong>ser<br />
Raum war sozusagen die soziale Prüfstätte <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Bewußtseinsentwicklung,<br />
weil hier nichts mehr dem Instinkt überlassen werden durfte,<br />
zugleich aber alle Gedanken mit <strong>der</strong> den Deutschen eigenen Gründlichkeit in<br />
die letzte existentielle Konsequenz getrieben wurden.<br />
In Österreich-Ungarn malten «völkisch» gesinnte Deutsche schon seit<br />
geraumer Zeit <strong>das</strong> Schreckgespenst einer «Slavisierung» <strong>der</strong> Monarchie an<br />
die Wand. All- und großdeutsche Gesinnungsvertreter wie Georg Ritter von<br />
Schönerer, K.H. Wolf und Lanz von Liebenfels fanden mit rassistischem Gedankengut<br />
und <strong>der</strong> Verehrung des wilhelminischen Kaiserreichs vor allen<br />
Dingen unter <strong>der</strong> Studentenschaft regen Zulauf, wie sich während <strong>der</strong> Unruhen<br />
zeigte, die 1897/98 als Reaktion auf die vermeintlich «antideutschen»<br />
Sprachverordnungen <strong>der</strong> Regierung Badeni in Böhmen und Mähren ausbrachen.5<br />
Man konnte sich auf den bekannten Kulturphilosophen Paul de<br />
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