Der „Hafen auf dem Trockenen“ GN-Serie: Dryport Emmen
Der „Hafen auf dem Trockenen“ GN-Serie: Dryport Emmen
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17.04.2012<br />
<strong>Der</strong> <strong>„Hafen</strong> <strong>auf</strong> <strong>dem</strong><br />
<strong>Trockenen“</strong><br />
<strong>GN</strong>-<strong>Serie</strong>: <strong>Dryport</strong> <strong>Emmen</strong>-<br />
Coevorden will Ladung aus Rotterdam abfertigen<br />
<strong>Der</strong> Ausbau des Rotterdamer Hafens wird in den kommenden Jahren voraussichtlich zu einem<br />
deutlichen Anstieg der Güterströme aus den Niederlanden nach Europa und in die<br />
Niederlande zurück führen. Auf der „anderen Seite“ der Grenze wird daher fleißig an<br />
<strong>„Hafen</strong>hinterlandkonzepten“ gestrickt, um einerseits Aufgaben des Rotterdamer Hafens<br />
übernehmen zu können und andererseits attraktiv für die Ansiedlung von Industrie und<br />
Gewerbe zu werden. Ein Beispiel dafür ist der „<strong>Dryport</strong>“ (Trockenhafen) der Gemeinden<br />
<strong>Emmen</strong> und Coevorden und der Provinz Drenthe.<br />
Von Irene Schmidt - <strong>Emmen</strong>/Coevorden. Die Region <strong>Emmen</strong>-Coevorden in der<br />
niederländischen Grenzprovinz Drenthe sieht sich als größten Industriestandort der nördlichen<br />
Niederlande mit einer bereits heute gut ausgebauten Infrastruktur. Dazu zählen der Europark<br />
Coevorden-Emlichheim mit seinen Anschlüssen an Binnenschiffahrtswege,<br />
Schienenverbindungen nach Rotterdam und Deutschland (über die Bentheimer Eisenbahn)<br />
und guten Verknüpfungen zu den Fernstraßen Europastraße 233 und Autobahn 31 <strong>auf</strong><br />
deutscher Seite. Während rund um die Häfen und Industriegebiete in Rotterdam und<br />
Amsterdam Staus zunehmen und Ausbaukapazitäten für Straßen und Industrieflächen kaum<br />
noch vorhanden sind, gibt es im gut erschlossenen Osten der Niederlande beides.<br />
Mit <strong>dem</strong> Hafenausbau in Rotterdam werde eine „enorme Zunahme des Containerstroms<br />
erwartet, prognostizierte jüngst <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> „<strong>Dryport</strong>-Kongress“ (die <strong>GN</strong> berichteten) der<br />
Verkehrsexperte und Abgeordnete der Provinz Drenthe, Henk Brink. Die vom „Port of<br />
Rotterdam“ genutzte Haupttransportroute, die Eisenbahnlinie „Betuwelijn“, werde diese<br />
Zuwächse nicht alleine verkraften können. Die Betuweroute führt vom Rotterdamer Hafen bis<br />
nach Zewenaar an der deutsch-niederländischen Grenze nahe Kleve und Emmerich. „Da wird<br />
auch viel durch das nördliche Land gehen“, so Brink.<br />
Die Voraussetzungen sind gut: Über das Euroterminal im Europark fahren bereits heute Züge<br />
der Bentheimer Eisenbahn in direkter Linie zum Rotterdamer Hafen und überführen Fracht<br />
aus <strong>dem</strong> Hafen über BE-Gleise durch die Grafschaft Bentheim ins Schienennetz der<br />
Deutschen Bahn. Im Hinblick <strong>auf</strong> die bereits existierende Infrastruktur sei es es sinnvoll die<br />
Region um <strong>Emmen</strong> und Coevorden als „logistischen Hub“ (Knotenpunkt) für den<br />
Güterverkehr von den Seehäfen in Richtung Nord- und Osteuropa weiter zu entwickeln, heißt<br />
es <strong>auf</strong> der Internetseite des „<strong>Dryport</strong>“ und weiter: „Wir verbinden den Westen der<br />
Niederlande mit Nord- und Osteuropa“.
Das Ziel des <strong>Dryport</strong>s ist somit klar. Die Region <strong>Emmen</strong>-Coevorden will ein fester<br />
Knotenpunkt oder auch Vorportal für die niederländischen Seehäfen werden und ihnen<br />
logistische Dienstleistungen abnehmen. Gleichzeitig kann die Region, wenn dieses Konzept<br />
<strong>auf</strong>geht – und daran wird <strong>auf</strong> verschiedenen Ebenen hart gearbeitet – ein attraktiver Standort<br />
für produzierende Unternehmen werden, die <strong>auf</strong> schnellem Weg mit <strong>dem</strong> Rotterdamer Hafen<br />
verbunden sein wollen, andererseits jedoch einen kostengünstigen Standort suchen.<br />
Dass diese Ziele durchaus realistisch sind, machte kürzlich in <strong>Emmen</strong> auch Eric Laenens,<br />
Direktor und Logistiker von Procter & Gamble (P&G) Belgien, deutlich. P&G vertreibt mehr<br />
als 300 Markenprodukte, von Ariel bis hin zu Pampers und verzeichnet 350000 Ladevorgänge<br />
pro Jahr in Europa. Bereits 2015 will P&G 30 Prozent seiner Ladungen per Schiff und<br />
Schiene transportieren. 2008 lag die Quote bei zehn Prozent. Damit sollen gemessen am Jahr<br />
2008 „100000 Trucks pro Jahr von der Straße geholt werden“, so Laenens. Das heißt, die<br />
Fracht muss in Korridore geleitet und an Terminals (wie im Europark) verladen werden.<br />
Zweck der Maßnahmen ist neben einer Transport- und Kostenoptimierung auch eine konkrete<br />
Verminderung des Kohlendioxidausstoßes (CO2). Für diese Strategie, die laut Laenen<br />
zukunftsweisend ist, benötige es neben einer gut ausgebauten und vernetzten Infrastruktur<br />
auch einer Harmonisierung des europäischen Eisenbahnnetzes.<br />
Dass P&G es ernst meint, beweist das Unternehmen in seiner Niederlassung im Europark in<br />
Coevorden. Dort produziert P&G im ehemaligen Firmengebäude von „Iams“ Tierfutter und<br />
will sich direkt per Schiene an das Euroterminal anschließen lassen.<br />
Die Arbeit am <strong>Dryport</strong>-Konzept läuft ganz konkret. <strong>Der</strong> Blick ist fest <strong>auf</strong> die Zukunft<br />
gerichtet und es bestehen auch klare Ansichten, wo und in welche Strukturen investiert<br />
werden muss. Förderanträge werden vorbereitet oder sind bereits gestellt. – Das sieht <strong>auf</strong><br />
deutscher Seite zumindest regional noch anders aus. So steht bei der „Logistikachse Ems“<br />
(<strong>Serie</strong> Teil 3) die Kooperation der Unternehmen im Mittelpunkt, das „Netzwerken“. „Wir<br />
leben heute“, erklärte der Unternehmer und Vorstandsmitglied der Ems-Achse Wilhelm<br />
Leeling im Gespräch mit den <strong>GN</strong>. Für Infrastrukturfragen seien andere zuständig. <strong>Der</strong>en<br />
Forderungen könne man höchstens unterstützen. Die Logistikachse Ems beschäftige sich eher<br />
mit „berufsspezifischen Dingen, die unter den Nägeln brennen“.<br />
Vom Weitblick und den Visionen der holländischen Nachbarn haben sich zumindest einige<br />
Grafschafter Politiker, Verwaltungsfachleute und Unternehmer „infizieren“ lassen, und die<br />
Niederländer aus der Drenthe sehen sich längst als grenzüberschreitende Teamspieler. So<br />
wurde auch <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Dryport</strong>-Kongress deutlich, dass die Orientierung an den Möglichkeiten,<br />
die die deutsche Grenzregion bietet, sehr ausgeprägt ist. Und das gilt für beide Seiten. So<br />
bemüht sich der Städtekreis Zwolle-Emsland intensiv um den Ausbau der E 233 zur<br />
Autobahn, während mit den Kreisen Emsland und Grafschaft Bad Bentheim sowie den<br />
Städten Meppen, Lingen, Nordhorn und Emlichheim regelmäßig über Aspekte des Transport-<br />
und Logistikbereichs gesprochen wird. Die Bentheimer Eisenbahn ist ohnehin längst zu einem<br />
festen Partner der niederländischen Logistikkette geworden.<br />
Schaden kann das nicht. „Das Geld liegt <strong>auf</strong> der Straße“, meinte ebenfalls im Rahmen des<br />
<strong>Dryport</strong>-Kongresses W. E. Bens, Direktor eines Logistikinstituts in Lelystad (Dutsch Institute<br />
für Advances Logistics). Allein in den Niederlanden, <strong>dem</strong> „Eingangstor nach Europa“<br />
(Gateway to Europe) sind im Bereich der Logistik 750000 Menschen beschäftigt. Es dürften<br />
in Zukunft wohl mehr werden.