Qualitätssicherung in der Pharmakovigilanz - Medizin Akademie
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die Unternehmen <strong>der</strong> pharmazeutischen Industrie mit<br />
ihren Erzeugnissen nicht helfend-heilend o<strong>der</strong> l<strong>in</strong><strong>der</strong>nd<br />
abzudecken vorgeben. An<strong>der</strong>erseits herrscht Ernüchterung,<br />
wenn vorgeblich sorgfältig erprobte und ständig<br />
überwachte Medikamente plötzlich als nicht verkehrsfähige<br />
Gefahrenquelle gelten. Sie<br />
h<strong>in</strong>terlassen nicht vertretbare Schadwirkungen<br />
bei ungesichertem Nutzen<br />
– bis h<strong>in</strong> zum Vertrauensverlust –, im<br />
Extremfall sogar <strong>in</strong> epidemischem<br />
Ausmaß.<br />
Dr. Ulrich Moebius Zulassungsbehörden fallen, um Akti-<br />
Saal<br />
vitäten darzustellen, durch e<strong>in</strong>e gewis-<br />
Deutschland se Dienstbeflissenheit auf. Die Erfolgsbilanz<br />
<strong>der</strong> FDA, <strong>der</strong> Aufsichtsbehörde<br />
<strong>in</strong> den USA, verweist auf 92 Neuerungen<br />
<strong>der</strong> pharmazeutischen Industrie im Zeitraum 1996–97.<br />
Die Zahl bereitet Sorge.<br />
Fachleute rechnen mit etwa drei bis maximal fünf Wirkstoffen<br />
mit neuartigen, nutzbr<strong>in</strong>genden Eigenschaften<br />
pro Jahr. Der Rest besteht aus mehr o<strong>der</strong> m<strong>in</strong><strong>der</strong> überflüssigen<br />
Molekülvarianten, die den Marktdurchblick erschweren,<br />
die Arzneimittelsicherheit gefährden, die Kosten explodieren<br />
lassen und meist nur die Funktion haben, die<br />
Bilanzen <strong>der</strong> Anbieter zu schönen.<br />
Mit den Folgen des Behördenschlamps beschäftigen sich<br />
Presseorgane, Rechtsanwälte und Gerichte auf beiden Seiten<br />
des Atlantiks. Verbraucherschützer <strong>in</strong> Europa und <strong>in</strong><br />
den USA könnten sich die Hand reichen, wenn – wie geschehen<br />
– öffentliche Medien adm<strong>in</strong>istrativ-organisatorisch<br />
bed<strong>in</strong>gte Serienunfälle wie nach HIV- und Hepatitis-<br />
C-belasteten Blutprodukten beklagen. Das deutsche Paul-<br />
Ehrlich-Institut, das Schweizer Rote Kreuz und die Division<br />
für Bluterzeugnisse <strong>der</strong> US Food and Drug Adm<strong>in</strong>istration<br />
stempelten über Jahre virusverseuchte Blutplasma<strong>der</strong>ivate<br />
als unbedenklich ab. E<strong>in</strong> zusätzliches Kontrollorgan im<br />
S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er „counterveil<strong>in</strong>g balance“ analog zur Luftfahrtaufsicht,<br />
e<strong>in</strong>e Arzneimittelsicherheitsbehörde neben <strong>der</strong><br />
vorhandenen Zulassungsbehörde für die Aufklärung von<br />
Serienzwischenfällen mit Medikamenten steht ganz oben<br />
auf <strong>der</strong> Wunschliste von Pharmakoepidemiologen, nicht<br />
zuletzt, um <strong>der</strong> Pharma<strong>in</strong>dustrie ungerechtfertigte Kritik<br />
an eigentlich bewährten Präparaten zu ersparen.<br />
Das Fazit e<strong>in</strong>es Editorials im „New England Journal“ lautet:<br />
Wir brauchen unabhängige Crashspezialisten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
neuzuschaffenden Drug Safety Board und Sicherheitsprofile<br />
auf <strong>der</strong> Basis harter Vergleichsdaten für e<strong>in</strong>zelne Pharmaka<br />
aus identischen Anwendungsbereichen. In den USA<br />
ist es längst möglich und gehört zur selbstverständlichen<br />
Information <strong>der</strong> Airl<strong>in</strong>es, ihren Kunden Pünktlichkeitsstatistiken<br />
vorzuhalten o<strong>der</strong> sagen zu<br />
können, wie häufig Gepäckstücke<br />
fehlgeleitet werden.<br />
cl<strong>in</strong>icum son<strong>der</strong>ausgabe<br />
Heute existieren Bauartmusterprüfungen,<br />
die für Autos o<strong>der</strong> Flugzeuge<br />
buchstabengetreu e<strong>in</strong>zuhalten<br />
s<strong>in</strong>d. In <strong>der</strong> Luftfahrt<strong>in</strong>dustrie besteht e<strong>in</strong> Board, <strong>der</strong> Bauartvorschriften<br />
erläßt, und e<strong>in</strong> davon unabhängiger Board,<br />
<strong>der</strong> die Ursachen von Katastrophen untersucht. E<strong>in</strong> analoger<br />
Ansatzpunkt für Verbesserungen auf seiten <strong>der</strong> Zulassungsbehörden<br />
wäre e<strong>in</strong>e Trennung <strong>in</strong> zwei unabhängige<br />
Teile. E<strong>in</strong> Teil wäre die Genehmigungsbehörde, welche die<br />
Zulassung erteilt. Die zweite Behörde sollte überwachen,<br />
daß alles <strong>in</strong> Ordnung geht.<br />
Pharmafirmen mit kompetenten Sicherheitsdepartments<br />
haben Risikoklarheit nicht zu fürchten, wenn sie die behaupteten<br />
Produkteigenschaften mit nachvollziehbaren<br />
Wertungen <strong>der</strong> Verträglichkeit untermauern können. Die<br />
Diskussion, wie gefährlich bestimmte, vielgebrauchte Arzneien<br />
für die konsumkräftigste Klientel, nämlich Menschen<br />
im Pensionsalter, s<strong>in</strong>d, schafft Verunsicherung bis<br />
h<strong>in</strong> zur Verweigerung, sprich In-Compliance, und unbegründeten<br />
Verzicht auf Medikamente, <strong>der</strong>en Nutzen für<br />
Körpergrundfunktionen im Senium gesichert ist.<br />
Polypragmasie und <strong>Pharmakovigilanz</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychiatrie<br />
H. Schubert<br />
Mit dem Bekanntwerden möglicher cardialer Nebenwirkungen<br />
von Sert<strong>in</strong>dol wurden im Psychiatrischen Krankenhaus<br />
Hall <strong>in</strong> Tirol systematische Untersuchungen<br />
<strong>der</strong> QTc-Zeit durchgeführt.<br />
Für jede Station wurden automatische<br />
Auswerte<strong>in</strong>heiten an die EKG-Geräte<br />
angeschafft, und bei jedem Patienten<br />
wurden, soweit möglich, zum Beg<strong>in</strong>n<br />
<strong>der</strong> Therapie, am Tag 8 und bei <strong>der</strong><br />
Prim. Univ. Prof. Entlassung e<strong>in</strong>e EKG-Untersuchung<br />
Dr. Harald Schubert durchgeführt.<br />
Psychiatrisches<br />
Krankenhaus des Insgesamt wurden 1.780 EKGs im<br />
Landes Tirol Jahre 1998 mit dieser Fragestellung<br />
Hall <strong>in</strong> Tirol<br />
durchgeführt, bei 300 Patienten konnten<br />
die EKGs am Aufnahmetag, am<br />
Tag 8 und bei <strong>der</strong> Entlassung erhoben<br />
werden. Der ursprünglich festgesetzte Grenzwert von<br />
500msec <strong>der</strong> QTc-Zeit wurde lediglich bei e<strong>in</strong>em Patienten<br />
überschritten (507msec). Dies ist umso bemerkenswerter,<br />
da diese Patienten gleichzeitig bis zu 21 verschiedene<br />
Medikamentendosen pro Tag aus 3–6 verschiedenen Substanzklassen<br />
erhalten haben. Durchschnittlich wurden 4,5<br />
Medikamente nach Substanzklassen geordnet verabreicht.<br />
E<strong>in</strong>e verständliche Reaktion <strong>der</strong> Ärzteschaft war, die S<strong>in</strong>nhaftigkeit<br />
<strong>der</strong> QTc-Zeit-Messung <strong>in</strong> Frage zu stellen. Seit<br />
dem Beg<strong>in</strong>n dieser Untersuchungen liegen die Anfangs-<br />
EKGs von ca. 4.000 Patienten vor, weiters ca. 1.500 EKGs<br />
vom Tag 8 o<strong>der</strong> Abschluß-EKGs. QTc-Zeit-Verlängerungen<br />
wurden nicht beobachtet.<br />
Dem gegenüber stehen Befunde aus <strong>der</strong> Literatur, die von 2%<br />
Todesfällen unter Neuroleptika-Therapie sprechen, die mit<br />
QTc-Zeit-Verlängerungen im Zusammmenhang stehen sollen.