Unterm Birnbaum Theodor Fontane - marixverlag.de
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<strong>Unterm</strong> <strong>Birnbaum</strong><br />
und dann ging Hradscheck abwechselnd in <strong>de</strong>n Hof, um Holz zu<br />
spellen, o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Garten, um eine gute Sorte Tischkartoffeln<br />
aus <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> zu nehmen. Denn er war ein Feinschmecker. Als aber<br />
die Kartoffeln heraus waren, fing er an, <strong>de</strong>n schmalen Streifen<br />
Land, darauf sie gestan<strong>de</strong>n, umzugraben. Überhaupt wur<strong>de</strong> Graben<br />
und Gartenarbeit mehr und mehr seine Lust, und die mit <strong>de</strong>m<br />
Spaten in <strong>de</strong>r Hand verbrachten Stun<strong>de</strong>n waren eigentlich seine<br />
glücklichsten.<br />
Und so beim Graben war er auch heute wie<strong>de</strong>r, als die Jeschke,<br />
wie gewöhnlich, an die die bei<strong>de</strong>n Gärten verbin<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Heckentür<br />
kam und ihm zusah, trotz<strong>de</strong>m es noch früh am Tage war.<br />
»De Tüffeln sinn joa nu rut, Hradscheck.«<br />
»Ja, Mutter Jeschke, seit vorgestern. Und war diesmal ’ne wahre<br />
Freu<strong>de</strong>; mitunter zwanzig an einem Busch und alle groß und gesund.«<br />
»Joa, joa, wenn een’s Glück hebben sall. Na, Se hebben’t, Hradscheck.<br />
Se hebben Glück bi <strong>de</strong> Tüffeln un bi <strong>de</strong> Malvesieren ook. I,<br />
Se möten joa woll ’n Scheffel runnerpflückt hebb’n.«<br />
»O mehr, Mutter Jeschke, viel mehr.«<br />
»Na, bere<strong>de</strong>n Se’t nich, Hradscheck. Nei, nei. Man sall nix bere<strong>de</strong>n.<br />
Ook sien Glück nich.«<br />
Und damit ließ sie <strong>de</strong>n Nachbar stehn und humpelte wie<strong>de</strong>r auf<br />
ihr Haus zu.<br />
Hradscheck aber sah ihr ärgerlich und verlegen nach. Und er<br />
hatte wohl Grund dazu. War doch die Jeschke, so freundlich und<br />
zutulich sie tat, eine schlimme Nachbarschaft und quacksalberte<br />
nicht bloß, son<strong>de</strong>rn machte auch sympathetische Kuren, besprach<br />
Blut und wusste, wer sterben wür<strong>de</strong>. Sie sah dann die Nacht vorher<br />
einen Sarg vor <strong>de</strong>m Sterbehause stehn. Und es hieß auch, »sie<br />
wisse, wie man sich unsichtbar machen könne«, was, als Hradscheck<br />
sie seinerzeit danach gefragt hatte, halb von ihr bestritten<br />
und dann halb auch wie<strong>de</strong>r zugestan<strong>de</strong>n war. »Sie wisse es nicht;<br />
aber das wisse sie, dass frisch ausgelassenes Lammtalg gut sei,<br />
versteht sich, von einem ungeborenen Lamm und als Licht über<br />
einen roten Wollfa<strong>de</strong>n gezogen; am besten aber sei Farnkrautsamen<br />
in die Schuhe o<strong>de</strong>r Stiefel geschüttet.« Und dann hatte sie<br />
herzlich gelacht, worin Hradscheck natürlich einstimmte. Trotz<br />
dieses Lachens aber war ihm je<strong>de</strong>s Wort, als ob es ein Evangelium<br />
wär, in Erinnerung geblieben, vor allem das »ungeborne Lamm«<br />
und <strong>de</strong>r »Farnkrautsamen«. Er glaubte nichts davon und auch wie<strong>de</strong>r<br />
alles, und wenn er, seiner sonstigen Entschlossenheit unerachtet,<br />
schon vorher eine Furcht vor <strong>de</strong>r alten Hexe gehabt hatte, so