Die Bekenntnisse des heiligen Augustinus - marixverlag.de
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<strong>Die</strong> <strong>Bekenntnisse</strong><br />
<strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>heiligen</strong> <strong>Augustinus</strong><br />
In <strong>de</strong>r Übersetzung von<br />
Otto F. Lachmann<br />
Mit einer Einführung<br />
von Bruno Kern
Inhalt<br />
Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
Ein Dokument <strong>de</strong>r Weltliteratur von<br />
bleiben<strong>de</strong>r Aktualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />
Erstes Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />
Zweites Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />
Drittes Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59<br />
Viertes Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79<br />
Fünftes Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105<br />
Sechstes Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129<br />
Siebentes Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157<br />
Achtes Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187<br />
Neuntes Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215<br />
Zehntes Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245<br />
Elftes Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303<br />
Zwölftes Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337<br />
Dreizehntes Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373
<strong>Augustinus</strong> – eine prägen<strong>de</strong> Gestalt 7<br />
Ein Dokument<br />
<strong>de</strong>r Weltliteratur von<br />
bleiben<strong>de</strong>r Aktualität<br />
1. <strong>Augustinus</strong> – eine prägen<strong>de</strong> Gestalt<br />
<strong><strong>de</strong>s</strong> abendländischen Christentums<br />
Wer jemals eine Barockkirche betreten hat, kennt wahrscheinlich<br />
die überwältigen<strong>de</strong> Darstellung <strong><strong>de</strong>s</strong> Bischofs mit<br />
<strong>de</strong>m flammen<strong>de</strong>n Herzen. <strong>Die</strong> Kunst <strong><strong>de</strong>s</strong> Barock hat die<br />
herausragen<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>s</strong> antiken afrikanischen Bischofs<br />
für die Christentumsgeschichte wohl recht gut zum<br />
Ausdruck gebracht. Wilhelm Geerlings hat in Anspielung auf<br />
ein Diktum über Platon gemeint, man könne mit Recht die<br />
gesamte Geschichte <strong>de</strong>r abendländischen christlichen Theologie<br />
als eine Reihe von Fußnoten zu <strong>Augustinus</strong> verstehen. 1<br />
Selbst wenn man so weit nicht gehen mag, muss man doch<br />
zugestehen, dass die Wirkungsgeschichte Augustins – auch<br />
im Verhängnisvollen – kaum zu überschätzen ist. Sein Profil<br />
und seine Konturen gewann das junge Christentum erst in<br />
Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>n philosophischen Welt<strong>de</strong>utungen<br />
<strong>de</strong>r Antike – und hier spielt Augustin eine Schlüsselrolle.<br />
<strong>Augustinus</strong> war es vor allem, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n christlichen Glauben<br />
mit Hilfe <strong>de</strong>r neuplatonischen Philosophie interpretierte. <strong>Die</strong><br />
1 W. Geerlings, <strong>Augustinus</strong>. Lehrer <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>, in: <strong>de</strong>rs. (Hg.), Theologen<br />
<strong>de</strong>r christlichen Antike, Darmstadt 2002, 148.
8 Einleitung<br />
Überwindung materialistisch-naiver bzw. anthropomorpher<br />
Gottesvorstellungen, <strong>de</strong>r Aufstieg zu Gott als Weg <strong><strong>de</strong>s</strong> Geistes<br />
von Außen nach Innen, die Deutung <strong>de</strong>r Schöpfung mit Hilfe<br />
<strong>de</strong>r platonischen I<strong>de</strong>enlehre – diese Grundmotive wer<strong>de</strong>n gera<strong>de</strong><br />
in <strong>de</strong>n „<strong>Bekenntnisse</strong>n“ (vgl. insbeson<strong>de</strong>re das Buch 10)<br />
<strong>de</strong>utlich. Der biblische Text selber bietet Anknüpfungspunkte<br />
für diese neuplatonische Deutung <strong><strong>de</strong>s</strong> Christentums, so etwa<br />
die Re<strong>de</strong> vom „Logos“ im Johannesevangelium. Allerdings<br />
sperrt sich <strong>de</strong>r biblische Glaube an entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Stellen gegen<br />
neuplatonische Begrifflichkeit. Das ist etwa für die I<strong>de</strong>e<br />
einer Schöpfung aus <strong>de</strong>m Nichts <strong>de</strong>r Fall, aber auch für <strong>de</strong>n<br />
Gedanken <strong>de</strong>r Auferstehung <strong><strong>de</strong>s</strong> Fleisches o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Menschwerdung<br />
<strong><strong>de</strong>s</strong> göttlichen Logos. Gera<strong>de</strong> die Notwendigkeit<br />
aber, die Übereinstimmung mit <strong>de</strong>n biblischen Grundüberzeugungen<br />
herzustellen, ließ das Denken Augustins so schöpferisch<br />
und auch philosophisch so fruchtbar wer<strong>de</strong>n. So sind<br />
zumin<strong><strong>de</strong>s</strong>t zwei große Abschnitte aus <strong>de</strong>n „<strong>Bekenntnisse</strong>n“<br />
zu bleiben<strong>de</strong>n Bezugstexten auch <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Philosophie<br />
gewor<strong>de</strong>n: die Analyse <strong><strong>de</strong>s</strong> Gedächtnisses („memoria“) und<br />
die Herausarbeitung seiner transzen<strong>de</strong>ntalen Dimension<br />
im Buch 10 sowie die Betrachtungen über die Zeit im elften<br />
Buch <strong>de</strong>r „Confessiones“. Auch eine von <strong>de</strong>n Ergebnissen <strong>de</strong>r<br />
neurologischen Forschung geprägte mo<strong>de</strong>rne „Philosophy<br />
of mind“ und eine von <strong>de</strong>n Einsichten <strong>de</strong>r Relativitäts- und<br />
Quantentheorie ausgehen<strong>de</strong> Zeitphilosophie kommen heute<br />
an Augustins Reflexionen nicht vorbei.<br />
Großen Raum in <strong>de</strong>n „<strong>Bekenntnisse</strong>n“ nimmt die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
mit <strong>de</strong>m Manichäismus ein. <strong>Die</strong>ser vom Perser<br />
Mani ausgehen<strong>de</strong>n Lehre fühlte sich Augustin selbst lange zugehörig.<br />
<strong>Die</strong> Wi<strong>de</strong>rspüche <strong>de</strong>r menschlichen Existenz <strong>de</strong>utet<br />
<strong>de</strong>r Manichäusmus mit Hilfe eines dualistischen Grundmythos<br />
von zwei gleichberechtigten, miteinan<strong>de</strong>r im Wettstreit<br />
liegen<strong>de</strong>n Prinzipien – <strong>de</strong>m guten und <strong>de</strong>m bösen Prinzip. Alles<br />
Materielle, Fleischliche, wird <strong>de</strong>m bösen Prinzip zugeordnet,<br />
von <strong>de</strong>m sich die Lichtseele befreien müsse. <strong>Augustinus</strong>
<strong>Augustinus</strong> – eine prägen<strong>de</strong> Gestalt 9<br />
spricht in Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>m Manichäismus – und<br />
damit mit seiner eigenen Biographie – <strong>de</strong>m Bösen je<strong>de</strong> eigenständige<br />
Seinsqualität ab. <strong>Die</strong> Substanzlosigkeit <strong><strong>de</strong>s</strong> Bösen, das<br />
nur in <strong>de</strong>r Form <strong>de</strong>r Negation <strong><strong>de</strong>s</strong> Guten, als Abwesenheit <strong><strong>de</strong>s</strong><br />
Guten existiert, ist ein Grundgedanke, <strong>de</strong>r zur entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
geistesgeschichtlichen Mitgift <strong><strong>de</strong>s</strong> Christentums gehört.<br />
Bei Augustin fin<strong>de</strong>t er sich allererst in dieser Klarheit, und er<br />
wird im Hochmittelalter wirkmächtig von <strong>de</strong>r Scholastik, vor<br />
allem von Thomas von Aquin, weitergeführt.<br />
Allerdings setzt sich Augustin bis heute <strong>de</strong>m Verdacht aus,<br />
in seinen leibfeindlichen Ten<strong>de</strong>nzen <strong>de</strong>m Manichäismus auch<br />
nach seiner Bekehrung immer noch stark verhaftet gewesen<br />
zu sein. Friedrich Nietzsche nennt ihn <strong><strong>de</strong>s</strong>halb gar ein „Untier<br />
<strong>de</strong>r Moral“.<br />
Zu Augustins Erbe gehört auch eine durch und durch pessimistische<br />
Sicht <strong><strong>de</strong>s</strong> Menschen, <strong><strong>de</strong>s</strong>sen an sich freier Wille<br />
von Grund auf korrumpiert ist durch die Sün<strong>de</strong> Adams. Sie<br />
wird durch das fleischliche Begehren weitergegeben. <strong>Die</strong><br />
„Erbsün<strong>de</strong>nlehre“ gehört wohl zu <strong>de</strong>n verhängnisvollsten<br />
Traditionen, <strong>de</strong>ren Ausgangspunkt Augustin ist. <strong>Die</strong> Kehrseite<br />
<strong>de</strong>r Korrumpiertheit <strong>de</strong>r menschlichen Natur ist <strong>de</strong>r<br />
Primat <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> Gottes – eine theologische Position, die<br />
Augustin in seiner Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>n Pelagianern<br />
eloquent vertritt und die gera<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>r Reformation wie<strong>de</strong>r<br />
in <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund rückt. Auch die extreme Form dieser<br />
Gna<strong>de</strong>nlehre, die Lehre von Gottes souveräner Gna<strong>de</strong>nwahl<br />
(Prä<strong><strong>de</strong>s</strong>tination), wie sie Calvin vertrat, ist bei Augustin<br />
grundgelegt.<br />
<strong>Die</strong> Wirkungsgeschichte <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Augustinus</strong> bleibt ebenso<br />
beeindruckend wie ambivalent. So kann man nicht verschweigen,<br />
dass er sich als Bischof in seiner Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
mit <strong>de</strong>n „häretischen“ Donatisten schließlich zu einer<br />
theologischen Rechtfertigung <strong>de</strong>r gewaltsamen „Bekehrung“<br />
versteigt. Seine Argumentation wirkt lange nach: Unter an<strong>de</strong>rem<br />
greift die „Conquista“ Lateinamerikas auf Augustins
10 Einleitung<br />
verhängnissvollen Missbrauch <strong><strong>de</strong>s</strong> neutestamentlichen Wortes<br />
„cogite intrare“ („Zwingt sie, einzutreten“) zurück.<br />
Ein oftmals vernachlässigter Aspekt von Augustins Beitrag<br />
zur Christentumsgeschichte ist seine Bereicherung <strong>de</strong>r<br />
monastischen Lebensform. Aus <strong>de</strong>r nach seiner Bekehrung<br />
gewählten, ganz <strong>de</strong>r Wahrheits- und Gottsuche gewidmeten<br />
gemeinschaftlichen Lebensform in Cassiciacum (vgl. das 9.<br />
Buch <strong>de</strong>r „<strong>Bekenntnisse</strong>“) geht schließlich jene „Augustinerregel“<br />
hervor, die – neben Benedikt von Nursia – das abendländische<br />
Mönchtum entschei<strong>de</strong>nd prägen wird. Jenseits von<br />
<strong>de</strong>taillierten Vorschriften und Reglementierungen für das<br />
Alltagsleben ist diese Mönchsregel vor allem ein äußerst inspirieren<strong>de</strong>r<br />
spiritueller Text. Auch Martin Luther lebte nach<br />
dieser Regel. Über die Gemeinschaften, die Augustins Namen<br />
tragen (Augustiner Chorherren bzw. Augustiner Eremiten),<br />
hinaus ist die Augustinerregel für eine wesentlich breitere<br />
Tradition monastischen Lebens zur spirituellen Grundlage<br />
gewor<strong>de</strong>n – so etwa für <strong>de</strong>n Dominikaneror<strong>de</strong>n.<br />
2. Augustins „<strong>Bekenntnisse</strong>“ – einzigartig<br />
in <strong>de</strong>r Weltliteratur<br />
Es ist kaum möglich, die wohl bekannteste Schrift <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Augustinus</strong><br />
ein<strong>de</strong>utig einer literarishen Gattung zuzuordnen.<br />
Während die „<strong>Bekenntnisse</strong>“ selbst spätere Werke – etwa<br />
eines Jean Jacques Rousseau – inspiriert haben, lassen sich<br />
für sie selbst kaum Vorbil<strong>de</strong>r aus früherer Zeit fin<strong>de</strong>n. Der<br />
größte Teil <strong>de</strong>r Schrift, die Bücher 1 – 9, geht von <strong>de</strong>r Reflexion<br />
<strong><strong>de</strong>s</strong> eigenen Lebensweges aus, ist aber doch weit davon<br />
entfernt, eine Autobiographie im uns geläufigen Sinne zu<br />
sein. Wer vor allem daran interessiert ist, möglichst viel von<br />
Augustins äußerem Lebensweg zu erfahren, wird zwangsläufig<br />
enttäuscht. Natürlich spiegeln sich in diesen ersten
Augustins „<strong>Bekenntnisse</strong>“ 11<br />
neun Büchern die wichtigsten Lebensstationen <strong><strong>de</strong>s</strong> Augustin<br />
bis zu seiner Taufe: Kindheit im nordafrikanischen Thagaste<br />
als Sohn eines städtischen Beamten und Grundbesitzers,<br />
Schulbildung und Karriere als Rhetor mit <strong>de</strong>n wichtigen<br />
Stationen Karthago, Rom und schließlich Mailand, endgültige<br />
Hinwendung zum Christentum unter <strong>de</strong>m Einfluss <strong><strong>de</strong>s</strong><br />
Mailän<strong>de</strong>r Bischofs Ambrosius und das gemeinschaftliche<br />
Leben im Kreis enger Freun<strong>de</strong> nach <strong>de</strong>r Taufe. Doch nicht<br />
eine möglichst <strong>de</strong>tailgenaue und erschöpfen<strong>de</strong> Autobiographie<br />
ist das Interesse Augustins. Für mitteilenswert hält er lediglich<br />
die Wen<strong>de</strong>punkte und subjektiven Ereignisse, die ihm<br />
Gottes Führung ver<strong>de</strong>utlichen. Scheinbar Belangloses – wie<br />
etwa <strong>de</strong>r berühmte Birnendiebstahl in <strong>de</strong>r Jugend – nimmt<br />
<strong><strong>de</strong>s</strong>halb breiten Raum ein und wird sehr gründlich reflektiert,<br />
während an<strong>de</strong>res völlig ohne Erwähnung bleibt.<br />
<strong>Die</strong> Frage <strong>de</strong>r literarischen Einheit <strong><strong>de</strong>s</strong> Buches wird wohl<br />
umstritten bleiben. Man verbaut sich jedoch <strong>de</strong>n Zugang zu<br />
Augustins „<strong>Bekenntnisse</strong>n“, wenn man diese ersten neun<br />
„autobiographischen“ Bücher aus <strong>de</strong>r Gesamtschrift herauslöst<br />
(wie es manche „Volksausgaben“ unternommen haben)<br />
und sie von <strong>de</strong>n philosophisch-theologischen Büchern 10<br />
– 13 abspaltet. Erst die Betrachtung <strong>de</strong>r „Confessiones“ als<br />
literarische Einheit macht Augustins Absicht <strong>de</strong>utlich: <strong>Die</strong><br />
Reflexion seines eigenen Lebensweges ist für ihn be<strong>de</strong>utsam<br />
als Beispiel eines von Gott geretteten Lebens überhaupt. Das<br />
eigene Leben ist für Augustin <strong>de</strong>r vertrauteste Fall menschlicher<br />
Existenz überhaupt, die er in heilsgeschichtlicher Perspektive<br />
reflektiert. Deshalb spannt er <strong>de</strong>n Bogen ausgehend<br />
von <strong>de</strong>r eigenen Lebenserfahrung bis hin zur Auslegung <strong>de</strong>r<br />
biblischen Schöpfungsgeschichte am En<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> Buches.<br />
Bereits <strong>de</strong>r Titel <strong>de</strong>r Schrift bedarf <strong>de</strong>r Deutung. „<strong>Bekenntnisse</strong>“,<br />
„Confessiones“, darf keineswegs in einem oberflächlich-voyeuristischen<br />
Sinne, etwa gar als „Enthüllung“,<br />
verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Augustin wählt für seine Schrift die Form<br />
<strong><strong>de</strong>s</strong> Zwiegesprächs mit bzw. eines Dankeshymnus an Gott,
12 Einleitung<br />
und die Be<strong>de</strong>utungsfülle <strong><strong>de</strong>s</strong> Titels selbst wird an mehreren<br />
Stellen <strong><strong>de</strong>s</strong> Buches klar erkennbar: Es geht zunächst um ein<br />
reumütiges Bekenntnis <strong>de</strong>r eigenen Verirrungen und Schuldverstrickungen,<br />
um die vielen Umwege auf seiner Wahrheitssuche.<br />
Doch <strong>de</strong>r Titel <strong>de</strong>r Schrift meint unverkennbar auch<br />
<strong>de</strong>n bekennen<strong>de</strong>n Lobpreis und gläubige Anerkennung <strong>de</strong>r<br />
Führung Gottes, die Augustin in seinem eigenen Leben und<br />
in <strong>de</strong>r menschlichen Existenz überhaupt erkennt, und nicht<br />
zuletzt darf man <strong>de</strong>n Ausdruck „<strong>Bekenntnisse</strong>“ durchaus<br />
im Sinne einer werben<strong>de</strong>n Darstellung <strong><strong>de</strong>s</strong> Christentums für<br />
eine gebil<strong>de</strong>te Leserschicht verstehen.<br />
Der Facettenreichtum dieser wohl bekanntesten Schrift<br />
<strong><strong>de</strong>s</strong> Augustin ist unverkennbar. Es ist ein psychologisches,<br />
theologisches, philosophishes und exegetisches Buch gleichermaßen.<br />
Als Meister psychologischen Einfühlungsvermögens<br />
erweist sich Augustin vor allem im Nach<strong>de</strong>nken über<br />
die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n existentiellen Erfahrungen von Schuld<br />
und Tod. Der bereits erwähnte Birnendiebstahl ist Anlass für<br />
eine tiefgründige Motivanalyse und ein sorgfältiges Ausloten<br />
<strong>de</strong>r Dimension von Schuld. Zwei Ereignisse sind es, die Augustin<br />
über <strong>de</strong>n Tod nach<strong>de</strong>nken lassen: <strong>de</strong>r Tod eines engen<br />
Freun<strong><strong>de</strong>s</strong> und <strong>de</strong>r Tod <strong>de</strong>r Mutter Monica in Ostia. <strong>Die</strong> bei<strong>de</strong>n<br />
Textabschnitte von existentieller Unmittelbarkeit erreichen<br />
auch heutige Leser mühelos, und ohne Zweifel reihen sie sich<br />
ein in die großen literarischen Zeugnisse <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
mit <strong>de</strong>m Tod in <strong>de</strong>r Menschheitsgeschichte, die mit <strong>de</strong>m<br />
Gilgamesch-Epos ihren Anfang nahmen.<br />
<strong>Die</strong> neuplatonische Philosophie lieferte Augustin zunächst<br />
das gedankliche Rüstzeug für eine methodische Reflexion <strong>de</strong>r<br />
christlichen Glaubensinhalte, also für die Theologie im engeren<br />
Sinne. Bereits in <strong>de</strong>n „Confessiones“ wird aber <strong>de</strong>utlich,<br />
dass Augustin damit <strong>de</strong>n christlichen Glauben nicht an eine<br />
diesem wesensfrem<strong>de</strong> Philosophie preisgibt, son<strong>de</strong>rn dass<br />
er an entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Stellen die Voraussetzungen <strong><strong>de</strong>s</strong> Neu-
Augustins „<strong>Bekenntnisse</strong>“ 13<br />
platonismus durchbricht, um <strong>de</strong>m spezifisch Christlichen<br />
Raum zu geben. Seine Auffassung von <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> Gottes und<br />
<strong>de</strong>r Inkarnation <strong><strong>de</strong>s</strong> göttlichen Logos sind hier die klarsten<br />
Beispiele. Das Christentum passt sich so nicht einfach einer<br />
vorgegebenen Weltsicht an, son<strong>de</strong>rn es wird selbst zum verän<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n<br />
Ferment <strong>de</strong>r Geistesgeschichte.<br />
<strong>Die</strong> bereits erwähnten bei<strong>de</strong>n großen „philosophischen“<br />
Textabschnitte über das Gedächtnis und die Zeit zeigen, dass<br />
<strong>de</strong>r christliche Glaube sich nicht nur in eine vorgegebenen<br />
philosophischen Begrifflichkeit einfügt, son<strong>de</strong>rn die philosophische<br />
Reflexion seinerseits befruchtet und weiterführt. In<br />
seiner Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>n „Aka<strong>de</strong>mikern“ (die eine<br />
skeptische Weltanschauung vertraten) nimmt <strong>Augustinus</strong><br />
auf seine Weise das philosophische Argument <strong><strong>de</strong>s</strong> „Ich <strong>de</strong>nke,<br />
also bin ich“ <strong><strong>de</strong>s</strong> René Descartes vorweg, <strong>de</strong>r mit dieser<br />
Überwindung <strong><strong>de</strong>s</strong> methodischen Zweifels <strong>de</strong>n Anfangspunkt<br />
<strong>de</strong>r neuzeitlichen, vom <strong>de</strong>nken<strong>de</strong>n Subjekt ausgehen<strong>de</strong>n Philosophie<br />
gesetzt hat.<br />
Und schließlich erweist sich Augustin am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r „Confessiones“<br />
als ein Meister <strong>de</strong>r allegorischen Schriftauslegung.<br />
Für einen philosophisch Gebil<strong>de</strong>ten seiner Zeit bot die Bibel<br />
<strong>de</strong>r Christen – gemessen an <strong>de</strong>n hochstehen<strong>de</strong>n Reflexionen<br />
und <strong>de</strong>r kunstvollen literarischen Darstellungsweise <strong>de</strong>r<br />
einflussreichen philosophischen Werke, die zum Bildungsbestand<br />
jener Zeit gehörten – hauptsächlich Sperriges und<br />
Befremdliches. Erst die Predigten <strong><strong>de</strong>s</strong> Mailän<strong>de</strong>r Bischofs<br />
Ambrosius und <strong>de</strong>ren allegorische Auslegung <strong>de</strong>r Schrift<br />
eröffneten <strong>Augustinus</strong> selbst <strong>de</strong>n Zugang zur Bibel, und in<br />
seinem späteren Wirken als Bischof von Hippo, <strong>de</strong>m ja vor<br />
allem das Predigtamt oblag, brachte Augustin die allegorische<br />
Exegese zu neuer Blüte. In <strong>de</strong>n „<strong>Bekenntnisse</strong>n“ widmet<br />
er sich <strong>de</strong>r Auslegung <strong>de</strong>r Schöpfungsgeschichte, die auch in<br />
seinem späteren Wirken ein zentrales Thema bleiben wird.<br />
Um einen Text <strong>de</strong>r Antike heute angemessen lesen zu können,<br />
ist es unabdingbar, sich zu vergegenwärtigen, in welcher
Zweiunddreißigstes Kapitel 411<br />
gesagt: „Ihr seid nicht, die da wissen.“ Dessen ungeachtet<br />
wird mit Recht zu <strong>de</strong>nen gesagt, die in Gottes Geist<br />
sehen: „Ihr seid es nicht, die da sehen.“ Was immer sie<br />
also im Geiste Gottes sehen, dass es gut ist, das sehen sie<br />
nicht selbst, son<strong>de</strong>rn Gott sieht, dass alles gut ist. Etwas<br />
an<strong>de</strong>res ist es, wenn irgendjemand meint, etwas sei böse,<br />
was gut ist, wie die oben Gemeinten; an<strong>de</strong>rs ist es, wenn<br />
ein Mensch das, was gut ist, als gut erkennt – wie vielen<br />
<strong>de</strong>ine Schöpfung wohlgefällt, weil sie gut ist, <strong>de</strong>nen du<br />
aber in ihr nicht gefällst, weshalb sie auch mehr diese<br />
als dich genießen wollen –; an<strong>de</strong>rs ist es aber, wenn <strong>de</strong>r<br />
Mensch etwas sieht, dass es gut ist, und Gott in ihm sieht,<br />
dass es gut ist, auf dass er selbst nämlich in <strong>de</strong>m, was<br />
er gemacht hat, geliebt wird, <strong>de</strong>r nur durch <strong>de</strong>n Heiligen<br />
Geist, <strong>de</strong>n er verlieh, geliebt wer<strong>de</strong>n kann, <strong>de</strong>nn die Liebe<br />
Gottes ist ausgegossen in unser Herz durch <strong>de</strong>n Heiligen<br />
Geist, <strong>de</strong>r uns gegeben ist, durch <strong>de</strong>n wir sehen, dass gut<br />
ist, was irgendwie ist; <strong>de</strong>nn von ihm ist alles, <strong>de</strong>r nicht auf<br />
irgen<strong>de</strong>ine Weise ist, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r das Wesen selbst ist.<br />
Zweiunddreißigstes Kapitel<br />
Dank sei dir, Herr. Wir sehen <strong>de</strong>n Himmel und die Er<strong>de</strong>,<br />
entwe<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n sinnlichen oberen o<strong>de</strong>r unteren Teil o<strong>de</strong>r<br />
die geistige sinnliche Schöpfung; und in <strong>de</strong>r wun<strong>de</strong>rbaren<br />
Ordnung dieser Teile, aus <strong>de</strong>nen das ganze Weltgebäu<strong>de</strong><br />
o<strong>de</strong>r überhaupt das Ganze <strong>de</strong>r Schöpfung besteht,<br />
sehen wir das Licht, das du geschaffen, von <strong>de</strong>r Finsternis<br />
geschie<strong>de</strong>n. Wir sehen die Feste <strong><strong>de</strong>s</strong> Himmels, jenen ersten<br />
Körper <strong><strong>de</strong>s</strong> Weltgebäu<strong><strong>de</strong>s</strong>, die zwischen <strong>de</strong>n geistig<br />
höheren und <strong>de</strong>n sinnlich nie<strong>de</strong>ren Gewässern begrün<strong>de</strong>t<br />
ist, o<strong>de</strong>r auch jenen Luftraum, da auch er Himmel<br />
genannt wird, durch <strong>de</strong>n die Vögel fliegen, zwischen <strong>de</strong>n<br />
Wassern, die als Dünste über jenen schweben und die bei
412 Dreizehntes Buch<br />
heiteren Nächten tauen, und <strong>de</strong>n Wassern, die schwerer<br />
auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> dahinfließen. Wir sehen die Schönheit <strong>de</strong>r<br />
in <strong>de</strong>n weiten Räumen <strong><strong>de</strong>s</strong> Meeres versammelten Wasser<br />
und die trockne Er<strong>de</strong>, nackt o<strong>de</strong>r gebil<strong>de</strong>t, damit sie<br />
sichtbar und geordnet wäre, auch <strong>de</strong>n Stoff <strong>de</strong>r Kräuter<br />
und Bäume. Wir sehen die Lichter darüber glänzen, die<br />
Sonne <strong>de</strong>m Tage genügen, <strong>de</strong>n Mond und die Sterne die<br />
Nacht trösten und durch dieses alles die Zeiten bezeichnet<br />
und ausgedrückt. Wir sehen eine überall befruchtete<br />
Natur, fruchtbar an Fischen, Tieren und Vögeln, weil<br />
die dichte Luft, die <strong>de</strong>n Flug <strong>de</strong>r Vögel trägt, durch die<br />
Ausdünstung <strong>de</strong>r Gewässer sich verdichtet. Wir sehen,<br />
wie die Oberfläche <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> mit Tieren geschmückt ist<br />
und wie <strong>de</strong>r Mensch, nach <strong>de</strong>inem Bil<strong>de</strong> und Gleichnisse<br />
geschaffen, allen vernunftlosen Tieren durch <strong>de</strong>in<br />
Ebenbild und Gleichnis, d.h. kraft <strong>de</strong>r Vernunft und <strong><strong>de</strong>s</strong><br />
Verstan<strong><strong>de</strong>s</strong>, vorgesetzt ist. Und wie in seiner Seele etwas<br />
ist, das durch Urteil und Überlegung herrscht, ein an<strong>de</strong>res,<br />
das sich unterwirft, um zu gehorchen, so sehen wir<br />
auch in <strong>de</strong>r sinnlichen Welt das Weib <strong>de</strong>m Manne unterworfen,<br />
das zwar geistlich dieselbe Beschaffenheit <strong>de</strong>r<br />
vernünftigen Erkenntnis besäße, aber durch das leibliche<br />
Geschlecht <strong>de</strong>m männlichen Geschlechte in <strong>de</strong>rselben<br />
Weise unterworfen sein sollte, wie <strong>de</strong>r Trieb zum Han<strong>de</strong>ln<br />
sich unterwirft, um von <strong>de</strong>r Vernunft <strong><strong>de</strong>s</strong> Geistes die<br />
Erkenntnis <strong><strong>de</strong>s</strong> richtigen Han<strong>de</strong>lns zu empfangen. Wir<br />
sehen dieses und sehen, dass je<strong><strong>de</strong>s</strong> Einzelne gut ist und<br />
dass das Ganze sehr gut ist.
Dreiunddreißigstes Kapitel 413<br />
Dreiunddreißigstes Kapitel<br />
Deine Werke mögen dich preisen, damit wir dich lieben;<br />
und wir wollen dich lieben, auf dass <strong>de</strong>ine Werke<br />
dich preisen, ihren Anfang und ihr En<strong>de</strong>, ihren Aufgang<br />
und ihren Untergang, ihre Zunahme und Abnahme ihre<br />
Schönheit und ihren Mangel in <strong>de</strong>r Zeit haben. Denn<br />
aus Nichts sind sie von dir, aber nicht aus dir gemacht,<br />
nicht aus irgen<strong>de</strong>iner Materie, die nicht <strong>de</strong>in war o<strong>de</strong>r die<br />
schon vorher war, son<strong>de</strong>rn aus einer mitgeschaffenen,<br />
d.h. von dir zugleich geschaffenen Materie, da du ihre<br />
Gestaltlosigkeit ohne irgen<strong>de</strong>inen Zwischenraum <strong>de</strong>r<br />
Zeit gestaltetest. Denn wenn ein Unterschied ist zwischen<br />
<strong>de</strong>r Materie <strong><strong>de</strong>s</strong> Himmels und <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>, zwischen <strong>de</strong>r<br />
Schönheit dieser und <strong>de</strong>r Schönheit jenes, so hast du zwar<br />
<strong>de</strong>n Stoff aus nichts, die Gestalt <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> aber aus einer<br />
gestaltlosen Materie, bei<strong><strong>de</strong>s</strong> jedoch zugleich gemacht, so<br />
dass mit <strong>de</strong>r Schönheit <strong><strong>de</strong>s</strong> Stoffs auch ohne allen Zwischenraum<br />
die Schöpfung <strong>de</strong>r Gestalt zugleich stattfand.<br />
Vierunddreißigstes Kapitel<br />
Wir haben auch untersucht, was du uns vorbil<strong>de</strong>n<br />
wolltest, als du dies in solcher Ordnung wer<strong>de</strong>n und in<br />
solcher Ordnung aufzeichnen ließest, und wir sahen,<br />
dass je<strong><strong>de</strong>s</strong> Einzelne gut war und alles zusammen sehr gut<br />
war, und alles zusammen sehr gut in <strong>de</strong>inem Worte, in<br />
<strong>de</strong>inem Eingeborenen; Himmel und Er<strong>de</strong>, das Haupt und<br />
<strong>de</strong>r Leib <strong>de</strong>r Kirche, in <strong>de</strong>r Vorherbestimmung vor allen<br />
Zeiten, ohne Morgen und Abend. Als du aber begannest,<br />
in <strong>de</strong>r Zeit zu erfüllen, was du vor aller Zeit verordnet<br />
hattest, dass du das Verborgene offenbartest und unser<br />
Untergeordnetes ordnetest; weil unsere Sün<strong>de</strong> auf uns
414 Dreizehntes Buch<br />
lag und wir fern von dir in <strong>de</strong>n finsteren Abgrund geraten<br />
waren; da schwebte <strong>de</strong>in Geist über uns, um uns zur gelegenen<br />
Zeit zu helfen; da rechtfertigtest du die Gottlosen<br />
und schie<strong><strong>de</strong>s</strong>t sie von <strong>de</strong>n Ungerechten; da grün<strong>de</strong>test du<br />
das Ansehen <strong>de</strong>ines Wortes bei <strong>de</strong>n Leitern, die von dir<br />
belehrt wer<strong>de</strong>n, und <strong>de</strong>n Untergebenen, die ihnen folgen<br />
sollten; da versammeltest du die Menge <strong>de</strong>r Ungläubigen<br />
zu einer Verschwörung, damit <strong>de</strong>r Eifer <strong>de</strong>r Gläubigen an<br />
<strong>de</strong>n Tag trete und Werke <strong>de</strong>r Barmherzigkeit hervorbrächte,<br />
in<strong>de</strong>m sie auch <strong>de</strong>n Dürftigen ihr irdisches Vermögen<br />
darreichten, um einen Schatz im Himmel zu erwerben.<br />
Und dann zün<strong>de</strong>test du gewisse Lichter an <strong>de</strong>r Feste <strong><strong>de</strong>s</strong><br />
Himmels an, <strong>de</strong>ine Heiligen, die das Wort <strong><strong>de</strong>s</strong> Lebens haben<br />
und mit geistlichen Gaben begnadigt in erhabenem<br />
Ansehen glänzen; und um die ungläubigen Völker zu<br />
dir zu führen, hast du dann Sakramente und sichtbare<br />
Wun<strong>de</strong>r und verkündigen<strong>de</strong> Stimmen <strong><strong>de</strong>s</strong> Wortes nach<br />
<strong>de</strong>m Firmamente <strong><strong>de</strong>s</strong> Wortes, durch die auch über die<br />
Gläubigen <strong>de</strong>ine Segnungen ausgegossen wur<strong>de</strong>n, aus<br />
einer körperlichen Materie gebil<strong>de</strong>t; und endlich hast du<br />
<strong>de</strong>r Gläubigen lebendige Seele durch die von <strong>de</strong>r Kraft<br />
<strong>de</strong>r Enthaltsamkeit geheiligten Regungen <strong><strong>de</strong>s</strong> Herzens<br />
gebil<strong>de</strong>t; und dann erneuertest du nach <strong>de</strong>inem Bil<strong>de</strong> und<br />
Gleichnisse <strong>de</strong>n Geist, <strong>de</strong>r, nur dir allein ergeben, keines<br />
menschlichen Ansehens zur Nachahmung bedürfte, <strong>de</strong>r<br />
du <strong>de</strong>r bewährten Erkenntnis die Handlungen <strong>de</strong>r Vernunft<br />
unterwarfest, wie das Weib <strong>de</strong>m Manne; und du<br />
wolltest, dass allen <strong>de</strong>inen <strong>Die</strong>nern, die du zur För<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>r Gläubigen in diesem Leben bestellt hast, von allen<br />
diesen <strong>de</strong>inen Kin<strong>de</strong>rn zu ihrem zeitlichen Bedürfnisse<br />
Werke dargereicht wer<strong>de</strong>n, die Früchte für die Ewigkeit.<br />
<strong>Die</strong>ses alles sehen wir, und es ist sehr gut, weil du es in<br />
uns siehst, <strong>de</strong>r du uns <strong>de</strong>n Geist verliehen hast, um es<br />
durch ihn zu sehen, und in ihnen dich zu lieben.
Fünfunddreißigstes Kapitel 415<br />
Fünfunddreißigstes Kapitel<br />
Mein Herr und Gott, verleihe uns <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n – du gabest<br />
uns ja alles –; <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Ruhe, <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>s</strong><br />
Sabbats, <strong>de</strong>r keinen Abend hat. Alle diese wun<strong>de</strong>rbare<br />
Ordnung <strong>de</strong>r Dinge, die du sehr gut fan<strong><strong>de</strong>s</strong>t, wird, wenn<br />
sie ihre Zeit gedauert, vergehen; sie wer<strong>de</strong>n einen Abend<br />
haben, wie sie einen Morgen hatten.<br />
Sechsunddreißigstes Kapitel<br />
Der siebente Tag aber hat keinen Abend und kein En<strong>de</strong>,<br />
weil du ihn geheiligt hast, damit er immerdar bleibe;<br />
wenn du nach <strong>de</strong>r Erschaffung <strong>de</strong>iner Werke, die du sehr<br />
gut fan<strong><strong>de</strong>s</strong>t, am siebenten Tage, obgleich du, ohne aus <strong>de</strong>r<br />
Ruhe zu kommen, schufest, ruhtest, so verkün<strong>de</strong>t uns<br />
die Stimme <strong>de</strong>ines Wortes, dass auch wir, wenn unsere<br />
Werke vollen<strong>de</strong>t sind, die nur gut sind, weil du sie uns<br />
verliehest, am Sabbat <strong><strong>de</strong>s</strong> ewigen Lebens ruhen sollen in<br />
dir.<br />
Siebenunddreißigstes Kapitel<br />
Dann wirst auch du in uns ruhen, wie du jetzt in uns<br />
wirkest; und so wird jene <strong>de</strong>ine Ruhe in uns sein, wie unsere<br />
Werke hienie<strong>de</strong>n <strong>de</strong>ine Werke in uns sind. Du, Herr,<br />
wirkst immerdar, du ruhest immerdar. Du siehst nicht in<br />
<strong>de</strong>r Zeit, du bewegst dich nicht in <strong>de</strong>r Zeit und du ruhest<br />
nicht in <strong>de</strong>r Zeit; und doch schaffst du das Sehen in <strong>de</strong>r<br />
Zeit, ja die Zeit selbst und die Ruhe von <strong>de</strong>r Zeit.
416 Dreizehntes Buch<br />
Achtunddreißigstes Kapitel<br />
Wir sehen daher alle Dinge, die du gemacht hast, weil<br />
sie sind; aber weil du sie siehest, sind sie. Und weil sie<br />
sind, sehen wir sie äußerlich, und weil sie gut sind, innerlich;<br />
du aber sahest sie dort als bereits gemacht, als sie<br />
noch nicht waren und gemacht wer<strong>de</strong>n sollten. Zu an<strong>de</strong>rer<br />
Zeit waren wir geneigt, das Gute zu tun, nach<strong>de</strong>m es<br />
<strong>de</strong>in Geist in unsern Herzen erzeugt hatte; aber es war<br />
eine Zeit, wo wir dich flohen und nur zum Bösen geneigt<br />
waren. Du aber, einziger und gütiger Gott, hörtest nie<br />
auf, Gutes zu tun. Und wenn einige unserer Werke durch<br />
die Gabe <strong>de</strong>iner Gna<strong>de</strong> gut sind, sie sind doch nicht ewig;<br />
sie lassen uns hoffen, einst in <strong>de</strong>iner unaussprechlichen<br />
Heiligung zu ruhen. Du aber, du Gut, das keines Gutes<br />
bedarf, ruhest immer, weil <strong>de</strong>ine Ruhe du selbst bist.<br />
Welcher Mensch aber wird <strong>de</strong>m Geiste <strong><strong>de</strong>s</strong> Menschen<br />
das Verständnis dieser Wahrheit geben, welcher Engel<br />
sie <strong>de</strong>m Engel offenbaren, welcher Engel <strong>de</strong>m Menschen?<br />
Von dir muss sie erbeten sein, bei dir will gesucht sein, bei<br />
dir muss man anklopfen – so, so wer<strong>de</strong>n wir empfangen,<br />
so wer<strong>de</strong>n wir fin<strong>de</strong>n, so wird uns aufgetan. Amen.