1 Die Keilschrift der Hethiter - G. Heinrichs´ Homepage
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<strong>Die</strong> <strong>Keilschrift</strong> <strong>der</strong> <strong>Hethiter</strong> 5<br />
Abb. 1: Luwische Hieroglyphen<br />
Abb. 2: Hethitische <strong>Keilschrift</strong><br />
1 <strong>Die</strong> <strong>Keilschrift</strong> <strong>der</strong> <strong>Hethiter</strong><br />
<strong>Die</strong> <strong>Hethiter</strong> benutzten zwei verschiedene Schriften: Hieroglyphen (Abb. 1) und <strong>Keilschrift</strong><br />
(Abb. 2). Hieroglyphen finden sich auf steinernen GedenksÄulen o<strong>der</strong> Siegeln; sie wurden eher<br />
zu reprÄsentativen AnlÄssen eingesetzt und sind in Luwisch, einer dem Hethitischen eng<br />
verwandten Sprache abgefasst. <strong>Die</strong> <strong>Keilschrift</strong> wurde auf Tontafeln benutzt; in dieser Schrift<br />
haben uns die <strong>Hethiter</strong> Briefe, VertrÄge, Epen, geschichtliche Reflexionen, o<strong>der</strong> auch ganz<br />
profane Bestandslisten nicht nur in hethitischer Sprache, son<strong>der</strong>n auch in Hurritisch und<br />
Akkadisch, hinterlassen.<br />
<strong>Die</strong> von den <strong>Hethiter</strong>n benutzte <strong>Keilschrift</strong><br />
stammt aus Mesopotamien. Hier wurde sie im<br />
3. Jahrtausend vor Christus von den Sumerern<br />
entwickelt. UrsprÅnglich handelte es sich<br />
um eine Bil<strong>der</strong>schrift. Abb. 3 zeigt, wie sich<br />
die Gestalt des Bildes im Laufe <strong>der</strong> Zeit ver-<br />
Än<strong>der</strong>te, indem bewusst nur noch ganz bestimmte<br />
Grundzeichen verwandt wurden.<br />
Abb. 3: Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Keilschrift</strong>zeichen<br />
Zum Schreiben wurde ein Griffel mit dreieckigem Querschnitt benutzt. Je nachdem wie man<br />
den Keil auf die TonoberflÄche drÅckt, erhÄlt man einen Keil ([) o<strong>der</strong> einen Winkelhaken (Ä)<br />
(Abb. 4). <strong>Die</strong> Schriftrichtung ist von links nach rechts.
6 <strong>Die</strong> <strong>Keilschrift</strong> <strong>der</strong> <strong>Hethiter</strong><br />
Abb. 4: Keil (links) und Winkelhaken<br />
(rechts)<br />
Einige dieser Zeichen behielten bei dieser Entwicklung ihre Bedeutung bei; diese Zeichen nennt<br />
man Logogramme.<br />
An<strong>der</strong>e Zeichen standen am Ende dieser Entwicklung nur noch fÅr einen bestimmten Lautwert,<br />
und zwar in <strong>der</strong> Regel fÅr den Lautwert desjenigen Wortes, den das entsprechende Bild ursprÅnglich<br />
dargestellt hatte. Es hatte also eine zweifache Abstraktion stattgefunden: Eine auf<br />
<strong>der</strong> bildlichen Ebene und eine auf <strong>der</strong> Bedeutungsebene. Aus <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong>schrift war - zumindest<br />
teilweise - eine symbolhafte Lautschrift geworden. Derartige Schriftzeichen, die fÅr einen<br />
bestimmten Lautwert stehen, nennt man Phonogramme.<br />
<strong>Die</strong> von den Sumerern benutzten Phonogramme stehen<br />
allerdings nicht fÅr einzelne Buchstaben, son<strong>der</strong>n fÅr<br />
ganze Silben. Ein einfaches Beispiel aus <strong>der</strong> deutschen<br />
Sprache soll dies verdeutlichen: Das Bild von einem<br />
Ski steht nun fÅr die Silbe schie, das Bild eines BÄren<br />
fÅr die Silbe bÄr bzw. ber und das wan<strong>der</strong>nde StrichmÄnnchen<br />
fÅr die Silbe geh bzw. ge (fÅr ÇgehenÉ). <strong>Die</strong><br />
erste Zeichenkombination in Abb. 5 gibt damit das<br />
Wort ÇSchieberÉ, die zweite das Wort ÇBergeÉ wie<strong>der</strong>.<br />
Wie man sieht, wurden hier hinsichtlich Aussprache<br />
und Rechtschreibung einige Kompromisse eingegangen.<br />
Abb. 5: Gebrauch von Silben<br />
Derartige Ungenauigkeiten werden uns auch bei <strong>der</strong> hethitischen <strong>Keilschrift</strong> begegnen. Der<br />
Grund dafÅr ist folgen<strong>der</strong>: In <strong>der</strong> 2. HÄlfte des 3. Jahrtausends vor Christus Åbernahmen die<br />
Akka<strong>der</strong> die Herrschaft in Mesopotamien; dabei adaptierten sie die Kultur, insbson<strong>der</strong>e auch<br />
die Schrift <strong>der</strong> Sumerer und entwickelten sie weiter. Das Reich <strong>der</strong> Akka<strong>der</strong> weitete sich aus<br />
und damit verbreitete sich auch die akkadische Sprache mitsamt ihrer Schrift; sie erhielt eine<br />
Bedeutung ganz Ähnlich wie sie viele Jahrhun<strong>der</strong>te spÄter die lateinische Sprache und Schrift<br />
erlangen sollte. Auf diese Weise gelangte die akkadische Schrift auch zu den <strong>Hethiter</strong>n, vermutlich<br />
noch nicht einmal direkt, son<strong>der</strong>n Åber die hurritisch sprechenden Bewohner des Mitanni-<br />
Reiches, welche zwischen den Akkadischen und dem Hethitischen Herrschaftsbereich siedelten.
<strong>Die</strong> <strong>Keilschrift</strong> <strong>der</strong> <strong>Hethiter</strong> 7<br />
Abb. 6: Das akkadische Reiche umfasste Assyrien und Babylonien<br />
Sprachen leben, sie bleiben nicht starr. HÄufig Än<strong>der</strong>t sich die Aussprache, ohne dass die<br />
Schreibweise sich dabei Än<strong>der</strong>t: <strong>Die</strong> Schrift ist trÄger als die Aussprache. Wir kennen das auch<br />
von <strong>der</strong> deutschen Sprache. Das Wort ÇhungrigÉ wird heute zum Beispiel ÇhungrichÉ ausgesprochen.<br />
In an<strong>der</strong>en Sprachen wie dem Englischen und dem FranzÑsischen ist dieser Effekt<br />
noch viel stÄrker zu beobachten; so gibt es im FranzÑsischen zahlreiche Konjugationsendungen,<br />
die zwar noch geschrieben, aber nicht mehr gesprochen werden. Offensichtlich wurden im<br />
Akkadischen bestimmte Silben, die ursprÅnglich unterschiedlich klangen, irgendwann einmal<br />
nicht mehr verschieden ausgesprochen. <strong>Die</strong> Schreiber behielten aber die Åberlieferte Schreibweise<br />
bei. Als die <strong>Hethiter</strong> die akkadischen Schriftzeichen Åbernahmen, fanden sie fÅr manchen<br />
Lautwert unterschiedliche <strong>Keilschrift</strong>zeichen vor. <strong>Die</strong>ses PhÄnomen bezeichnet man als Homophonie.<br />
Homophone <strong>Keilschrift</strong>zeichen werden in <strong>der</strong> Umschreibung mit Akzenten o<strong>der</strong> Indizes<br />
gekennzeichnet, z. B. v (lu), Ä (lu 2 =lÖ), Å (lu 3 =lÜ). <strong>Die</strong> Akzente haben keinerlei Auswirkung<br />
auf die Aussprache; sie sollen nur verdeutlichen, von welchen <strong>Keilschrift</strong>zeichen die<br />
Silben stammen.<br />
<strong>Die</strong> von den Akka<strong>der</strong>n durch <strong>Keilschrift</strong>zeichen dargestellten Lautwerte lassen sich - unter<br />
Benutzung von Buchstaben(!) - als Verbindungen von maximal drei Konsonanten und Vokalen<br />
auffassen, etwa:<br />
- Vokal + Konsonant<br />
- Konsonant + Vokal<br />
- Konsonant + Vokal + Konsonant<br />
FÅr eine Kombination von zwei aufeinan<strong>der</strong> folgenden Konsonanten gibt es keine <strong>Keilschrift</strong>zeichen.<br />
Offensichtlich hatten die Akka<strong>der</strong> und die Sumerer keinen Bedarf dafÅr. Bei an<strong>der</strong>en<br />
Sprachen kann dies aber zu Problemen fÅhren. Das deutsche Wort ÇStrafeÉ kÑnnte zum Beispiel
8 <strong>Die</strong> <strong>Keilschrift</strong> <strong>der</strong> <strong>Hethiter</strong><br />
mit diesem System schon nicht mehr exakt erfasst werden, weil die drei Konsonanten sch 1 , t<br />
und r direkt aufeinan<strong>der</strong> folgen. Allerdings sind verschiedene Workarounds denkbar, die <strong>der</strong><br />
korrekten Aussprache mehr o<strong>der</strong> weniger nahe kommen:<br />
sche-te-ra-fe o<strong>der</strong> schet-te-raf-fe o<strong>der</strong> schi-ter-af-fe o<strong>der</strong> isch-te-ra-fe...<br />
Genau dieselben Probleme kÑnnten auch die <strong>Hethiter</strong> gehabt haben, als sie begannen, ihre<br />
Sprache mit den <strong>Keilschrift</strong>zeichen <strong>der</strong> Akka<strong>der</strong> aufzuschreiben. In <strong>der</strong> Tat finden sich manche<br />
hethitischen WÑrter in leicht unterschiedlichen Schreibweisen - ganz Ähnlich dem obigen<br />
Beispiel. <strong>Die</strong> tatsÄchliche Aussprache hethitischer Worte ist daher auch heute noch in vielen<br />
FÄllen nicht ganz klar und Gegenstand aktueller Forschung.<br />
1<br />
Man beachte, dass hier <strong>der</strong> Zischlaut ÇschÉ als ein einzige Buchstabe gezÄhlt wird.