Fragen zum ethnisch-kulturellen Hintergrund beim ...
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FRAGEN ZUM ETHNISCH-KULTURELLEN HINTERGRUND WÄHREND<br />
BEWERBUNGSGESPRÄCH/ASSESSMENT<br />
Tarek Naguib<br />
• Dürfen während des Bewerbungsgesprächs oder eines Assessment-Verfahrens<br />
<strong>Fragen</strong> <strong>zum</strong> <strong>ethnisch</strong>en, nationalen, regionalen oder religiösen <strong>Hintergrund</strong><br />
gestellt werden oder <strong>Fragen</strong>, welche direkt oder indirekt Rückschlüsse<br />
auf den <strong>ethnisch</strong>-<strong>kulturellen</strong> <strong>Hintergrund</strong> geben? Was geschieht, wenn die <strong>Fragen</strong><br />
bereits beantwortet wurden und eine Bewerberin auf Grund der Antwort<br />
nicht eingestellt wurde?<br />
Der nationale, kulturelle, <strong>ethnisch</strong>e und religiöse <strong>Hintergrund</strong> eines Menschen kann für die<br />
künftigen Arbeitgeber/innen aus unterschiedlichen Gründen von Interesse sein. Einige sehen<br />
darin eine Bereicherung für das Team. Andere befürchten, dass eine Person mit „fremdem“<br />
<strong>Hintergrund</strong> Spannungen verursachen könnte. Zudem kann es sein, dass Menschen<br />
mit einer bestimmten Herkunft aus fremdendfeindlichen oder rassistischen Gründen prinzipiell<br />
abgelehnt werden.<br />
Während eines Bewerbungsgespräches oder eines Assessmentverfahrens werden verschiedene<br />
Kandidatinnen und Kandidaten geprüft, ob sie für eine Stelle geeignet sind. Es<br />
kann die Frage auftauchen, von wo die bewerbende Person stammt oder welcher Religion<br />
sie zugehört. Auch ist es möglich, dass der/die Arbeitgeber/in indirekt mittels <strong>Fragen</strong> oder<br />
Bemerkungen versucht, über den <strong>Hintergrund</strong> des/der Bewerbers/in Auskunft zu erhalten<br />
wie z.B: „Was ist das für ein Name?“, „Sie haben ein interessantes Aussehen“.<br />
Für die stellensuchende Person ist es wichtig abzuschätzen, ob die eigene Herkunft ein Vorteil<br />
oder ein Nachteil sein kann. Rechtlich sind <strong>Fragen</strong> <strong>zum</strong> <strong>ethnisch</strong>-<strong>kulturellen</strong> <strong>Hintergrund</strong><br />
während eines Bewerbungsgesprächs oder Assessments folgendermassen zu beurteilen:<br />
I. Rechtslage<br />
Art. 328b es Schweizerischen Obligationenrechts (OR) besagt Folgendes:<br />
Der Arbeitgeber darf Daten über den Arbeitnehmer nur bearbeiten, soweit sie dessen Eignung<br />
für das Arbeitsverhältnis betreffen oder zur Durchführung des Arbeitsvertrages erforderlich<br />
sind.<br />
Es steht dem Arbeitgebenden zwar grundsätzlich offen, sich über die bewerbende Person<br />
ein Bild zu machen und zu diesem Zweck Angaben zur Person sowie Unterlagen über Fähigkeiten<br />
und Leistungen zu sammeln. Es dürfen aber grundsätzlich nur <strong>Fragen</strong> über Eigenschaften<br />
der sich bewerbenden Person gestellt werden, die zur Eignung der sich bewerbenden<br />
Person für die Arbeitsstelle und zur Durchführung des Arbeitsvertrags notwendig sind<br />
wie z.B. Angaben über den schulischen und beruflichen Werdegang sowie über Auslandaufenthalte<br />
und Sprachkenntnisse; dies aber auch nur so weit, wie sie für die konkrete Arbeits-<br />
Handbuch für die Beratung von Betroffenen von rassistischer Diskriminierung. (Humanrights.ch, EKR, GRA)
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stelle von Bedeutung sind. <strong>Fragen</strong> über die Eigenschaften der Person, die darüber hinausgehen,<br />
widersprechen in aller Regel dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz und sind unzulässig.<br />
Sprachkenntnisse für die Arbeit eines/r Raumpflegers/in sind in der Regel nicht von Bedeutung.<br />
<strong>Fragen</strong> <strong>zum</strong> Freizeitverhalten oder <strong>zum</strong> Umgang mit persönlichen Problemen sind<br />
in der Regel ebenfalls unzulässig. Auch Informationen <strong>zum</strong> <strong>ethnisch</strong>en, nationalen, regionalen<br />
und religiösen <strong>Hintergrund</strong> sind praktisch nur sehr selten von Bedeutung für die Fähigkeit,<br />
eine Arbeit erfolgreich zu bewältigen und den Arbeitsvertrag korrekt zu erfüllen.<br />
Es gibt wenige Ausnahmesituationen, in denen eine Frage <strong>zum</strong> <strong>ethnisch</strong>-<strong>kulturellen</strong> <strong>Hintergrund</strong><br />
gerechtfertigt sein kann. Beispielsweise ist es zulässig, eine/n Bewerber/in für eine<br />
Stelle als Pfarrer/in über dessen/deren Religionszugehörigkeit zu befragen. Hingegen wäre<br />
dies unzulässig gegenüber einem/er Bewerber/in für eine Stelle als Raumpfleger/in in einem<br />
von einer Kirche geführten Alterspflegeheim. Die gerechtfertigen Ausnahmenkonstellationen<br />
sind äusserst beschränkt, da es sich gemäss Art. 3 Buchstabe c des Datenschutzgesetz<br />
(DSG) um besonders schützenswerte Daten handelt.<br />
Werden ungerechtfertigt <strong>Fragen</strong> <strong>zum</strong> <strong>ethnisch</strong>en, nationalen, regionalen oder religiösen <strong>Hintergrund</strong><br />
oder <strong>Fragen</strong> <strong>zum</strong> Freizeitverhalten - die indirekt Rückschlüsse auf den <strong>ethnisch</strong><strong>kulturellen</strong><br />
<strong>Hintergrund</strong> erlauben - gestellt, kann die bewerbende Person die Antwort verweigern<br />
oder die Frage unrichtig beantworten, ohne dabei mit juristischen Konsequenzen rechnen<br />
zu müssen. Man spricht in diesem Zusammenhang vom Notwehrrecht der Lüge, müsste<br />
die bewerbende Person doch andernfalls befürchten, bei blosser Antwortverweigerung<br />
die Stellung nicht zu erhalten. Der/die Arbeitgebende kann, erfährt er/sie später von der<br />
Lüge, nicht vom Vertrag zurücktreten oder kündigen, da die Lüge gerechtfertigt war. Die<br />
Lüge ist eine Reaktion auf das unbillige Verhalten des/der Arbeitgebers/in.<br />
II. Wie gehe ich vor, wenn mir während des Bewerbungsgesprächs<br />
eine Frage über meinen <strong>ethnisch</strong>en, nationalen, religiösen oder<br />
<strong>kulturellen</strong> <strong>Hintergrund</strong> gestellt wird?<br />
Auf jedes Bewerbungsgespräch muss sich die bewerbende Person gut vorbereiten. Sind<br />
Sie sich bewusst, dass Ihnen möglicherweise <strong>Fragen</strong> zu ihrem <strong>ethnisch</strong>-<strong>kulturellen</strong> <strong>Hintergrund</strong><br />
gestellt werden. Vielfach geschieht dies aus rein positivem Interesse vom/von der Arbeitgeber/in.<br />
Möglicherweise hat er oder sie bereits Erfahrungen im Ausland gemacht.<br />
TIPPS ZUR VORBEREITUNG EINES BEWERBUNGSGESPRÄCHS<br />
• Seien Sie sich bewusst, dass die Frage nach Ihrem <strong>ethnisch</strong>en, nationalen, regionalen<br />
oder religiösen <strong>Hintergrund</strong> kommen kann.<br />
• Überlegen Sie sich, ob Sie bereits sind, die Frage unrichtig zu beantworten. Bereiten<br />
Sie sich mental entsprechend darauf vor.<br />
• Falls Sie nicht dazu bereit sind, die Frage unrichtig zu beantworten, überlegen Sie<br />
sich, wie Sie die Frage am geschicktesten beantworten können. Versuchen Sie die<br />
Vorzüge ihres <strong>ethnisch</strong>-<strong>kulturellen</strong> <strong>Hintergrund</strong>s zu bewerben, indem Sie beispielsweise<br />
sagen: „Durch meinen <strong>kulturellen</strong> <strong>Hintergrund</strong> bin ich besonders geeignet mit<br />
Kundinnen und Kunden unterschiedlichster Bedürfnisse umzugehen.“<br />
Handbuch für die Beratung von Betroffenen von rassistischer Diskriminierung. (Humanrights.ch, EKR, GRA)
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• Falls die Frage auftaucht, wirken Sie gelassen und stellen Sie höflich die Frage, weshalb<br />
dies von Interesse ist. Diplomatischer ist es, die Frage indirekt zu stellen, indem<br />
Sie beispielsweise folgendermassen reagieren: „Ah, Sie interessieren sich speziell<br />
für andere Kulturen! Waren Sie schon mal in meinem Heimatland, in Kenia? Das ist<br />
wunderschön.“ Oder: „Suchen Sie spezifisch eine Person mit Migrationshintergrund<br />
wegen der inter<strong>kulturellen</strong> Erfahrungen?“ Dies ermöglicht Ihnen auch herauszufinden,<br />
weshalb die Person die Frage stellt.<br />
• Falls man Sie auf das Kopftuch anspricht, reagieren Sie unkompliziert und gelassen<br />
wie z.B.: „Ach wissen Sie, mit oder ohne, ich bin dieselbe“.<br />
• Falls man Sie fragt, ob Sie beabsichtigen, das Kopftuch auch während der Arbeit zu<br />
tragen, versuchen Sie mit einer lockeren und sympathischen Reaktion aufzuwarten<br />
wie z.B.: siehe oben.<br />
III. Wie gehe ich vor, wenn mir die Arbeitsstelle verweigert wird, weil<br />
ich auf die Frage zu meinem <strong>Hintergrund</strong> offen geantwortet habe<br />
bzw. wegen meinem <strong>ethnisch</strong>en, nationalen, regionalen oder religiösen<br />
<strong>Hintergrund</strong>?<br />
Wenn Sie auf die Frage zu ihrem <strong>ethnisch</strong>-<strong>kulturellen</strong> <strong>Hintergrund</strong> offen antworten und Ihnen<br />
aus rassendiskriminierenden Gründen die Stelle verweigert wird, stellen sich weitere<br />
rechtliche <strong>Fragen</strong>. Im Dokument Stellenverweigerung werden Ihnen Auskünfte erteilt, welche<br />
Rechte Sie haben und wie Sie vorgehen müssen.<br />
Handbuch für die Beratung von Betroffenen von rassistischer Diskriminierung. (Humanrights.ch, EKR, GRA)