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Jubiläumsgottesdienst, 10 Jahre Notfallseelsorge Friesland-Süd

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JubilÄumsgottesdienst, <strong>10</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Notfallseelsorge</strong> <strong>Friesland</strong>-SÅd<br />

So., 21. Aug. 2011, <strong>10</strong> Uhr, Markthamm Zetel, „Gemeinsam – in<br />

jedem Fall!“<br />

Predigt (Pastor Michael Trippner)<br />

Liebe Gemeinde,<br />

der Einsatz ist zu Ende.<br />

Die gleiÖenden Scheinwerfer sind abgebaut, das Sirenengeheul<br />

verstummt, das gespenstische Blau der Einsatzlichter<br />

verschwunden, das Material ist verstaut. FÅr die einen geht es<br />

zurÅck nach Hause, fÅr die anderen wartet eine Nacht mit<br />

weiteren EinsÄtzen.<br />

Der Unfall im Dangaster Hafen, wie eben geschildert, den haben<br />

die RettungskrÄfte und ich uns in der Vorbereitung dieses<br />

Gottesdienstes ausgedacht. Er hat nie so stattgefunden.<br />

Doch die Gedanken zu den EinsÄtzen, sie sprechen von den<br />

langjÄhrigen Erfahrungen aus tragischen UnglÅcken, die die<br />

RettungskrÄfte hier in <strong>Friesland</strong> gemacht haben und denen sie<br />

immer wieder ausgesetzt sind.<br />

Da ist zuallererst fÅr die AngehÜrigen mit einem Mal alles anders<br />

und nichts mehr wie es war.<br />

Da bricht der Boden unter den FÅÖen weg und tut sich ein<br />

schwarzes Loch auf, in dem die AngehÜrigen zu versinken<br />

drohen.<br />

Als Åber die Leitstelle gerufener <strong>Notfallseelsorge</strong>r kann man da<br />

nichts erklÄren. Da kann man nur da sein. Das Schreien<br />

aushalten und zulassen. Vielleicht eine Hand halten. Zeigen: Du<br />

bist nicht allein. Halt sein, wo alles andere, was sonst Halt<br />

gegeben hat, in dem Moment weggebrochen ist.<br />

Und man muss es als Seelsorger aushalten, gefragt zu werden:<br />

Wo war Gott, als das Auto in das Hafenbecken rutschte? Wo?!<br />

Ich weiÖ darauf keine Antwort und jede mÜgliche Antwort wÅrde<br />

nicht reichen,<br />

aber ich kann immer noch vorsichtig, ganz vorsichtig von dem<br />

sprechen, was mich hÄlt, woran ich glaube: dass Gott bei denen<br />

sein will, die Leid tragen. Die nicht wissen wohin. Die mit ihrer<br />

Klage an Gott bei ihm zumindest einen Ort suchen, bei dem ihre<br />

Trauer nicht im Nichts verhallt.<br />

In einem solchen Moment kann sich ein neuer Raum, auch bei<br />

schwerstem Leid, mit einer neuen Hoffnung erÜffnen. Da kann<br />

eine Kerze, ein Gebet etwas von dem vermitteln, was Åber den<br />

Tod hinausgeht und uns Halt und neue Kraft gibt.<br />

1


Kraft geben bei einem solchen Einsatz aber auch die<br />

RettungskrÄfte.<br />

Denn sie sind meistens schon vor mir oder den anderen<br />

<strong>Notfallseelsorge</strong>rn da gewesen und haben uns so oftmals<br />

furchtbare Anblicke oder Bilder, die sich in den KÜpfen und in der<br />

Seele festsetzen, erspart.<br />

Da ist der Leichnam dessen, der sich das Leben genommen hat,<br />

zugedeckt, der tÜdlich VerunglÅckte aus dem Unfallfahrzeug<br />

geborgen, der Schwerverletzte von NotÄrztin und SanitÄtern gut<br />

versorgt.<br />

Die RettungskrÄfte mÅssen dorthin, wo es sprichwÜrtlich<br />

„brennt“. Wo alle anderen weglaufen, da mÅssen die<br />

RettungskrÄfte rein.<br />

Das erfordert Mut, KÜnnen und ein hohes MaÖ an Belastbarkeit<br />

und seelischer Ausgeglichenheit.<br />

Ich bin heilfroh, meistens nicht als Erster am Einsatzort sein zu<br />

mÅssen.<br />

Ja, Kraft, geben dann die RettungskrÄfte, die bereits vor Ort sind.<br />

Da tut es gut, sich mit den Polizisten vor dem áberbringen einer<br />

Todesnachricht auf einem Parkplatz zu treffen und<br />

gemeinschaftlich zu besprechen, wer welche Aufgabe<br />

Åbernimmt. Denn natÅrlich fÄllt allen dieser Einsatz schwer. Den<br />

Polizisten genauso wie mir.<br />

Kraft geben NotÄrzte und SanitÄter, die <strong>Notfallseelsorge</strong>r vor der<br />

HaustÅr abfangen und Åber die Situation aufklÄren. Was ist<br />

passiert, wer sitzt wo, wer braucht im Haus besondere seelische<br />

UnterstÅtzung?<br />

„Gemeinsam – in jedem Fall“, das gilt aber auch dort, wo es mal<br />

hakt oder EinsÄtze nicht optimal verlaufen sind.<br />

Da brauchte es bei einem Einsatz einfach zu lange, bis endlich<br />

ein <strong>Notfallseelsorge</strong>r eintraf, in anderen FÄllen wÄre es hilfreich<br />

gewesen, wÄre ein <strong>Notfallseelsorge</strong>r Åberhaupt gerufen worden.<br />

Hier kritikfÄhig zu sein, halte ich fÅr ein besonders hohes Gut der<br />

Zusammenarbeit.<br />

Denn dort, wo wir zu unseren Fehlern stehen, nur dort kÜnnen<br />

wir besser werden: Und besser werden heiÖt fÅr mich:<br />

gemeinschaftlich alles MenschenmÜgliche und in Gottes Macht<br />

stehende tun, um Menschenleben zu retten, Menschen in Not<br />

beizustehen und ihrem Leid nicht mit eiskalter Routine, sondern<br />

mit menschlichem Antlitz zu begegnen.<br />

Denn wenn nach einem Einsatz die SchlÄuche eingerollt und die<br />

Jacke in den Spind gehÄngt ist, die Seele lÄsst sich nicht wie<br />

eine abzunehmende Jacke wegsperren.<br />

2


Da werden Fragen mit nach Hause genommen: „Habe ich alles<br />

richtig gemacht?“ „HÄtten wir schneller da sein kÜnnen?“ „War<br />

ich eine Hilfe?“<br />

Jede und jeder hat seine eigenen Techniken und Hilfen, mit<br />

diesen Fragen umzugehen, sie zu beantworten und zu schauen,<br />

was ihm persÜnlich gut tut.<br />

Mir hilft, mich nach einem Einsatz im Gebet an Gott zu wenden.<br />

An einen Gott, dem ich klagen kann,<br />

dem ich danken kann,<br />

der Kraft gibt,<br />

dem ich Menschen ans Herz legen kann, damit Gott fÅr sie da<br />

ist,<br />

dem ich vertrauen kann,<br />

der mir Halt gibt,<br />

und der, auch wenn er oft fern und verborgen ist, immer noch<br />

eine Hoffnung und Liebe bereit hÄlt, die Åber den Tod hinaus<br />

reichen.<br />

Neben dem Glauben an Gott ist unschÄtzbar eine Partnerin,<br />

einen Partner oder die Familie zu Hause, die hier mittrÄgt und<br />

mit auffÄngt. UnschÄtzbar sind verstÄndnisvolle, herzensgute,<br />

mitfÅhlende, anteilnehmende Kameraden, Kollegen,<br />

Mitmenschen, die nicht beim sechsten Bier eine prahlerische<br />

Geschichte hÜren wollen, sondern ernsthaft danach fragen, wie<br />

es einem nach einem solchen Einsatz geht.<br />

Professionell ist, wer hier zu seinen Fehlern, seiner eigenen<br />

Begrenztheit und Verletzbarkeit steht. Und professionell ist, wer<br />

auf die Gaben der anderen vertraut.<br />

Ein solches Vertrauen ist in zehn <strong>Jahre</strong>n <strong>Notfallseelsorge</strong><br />

<strong>Friesland</strong>-SÅd gewachsen. DafÅr danken wir Gott und bitten ihn<br />

um seinen Segen, dass er uns beschÅtze und Kraft fÅr die<br />

Zukunft schenke.<br />

Und der Friede Gottes, der hÜher ist als alle unsere Vernunft,<br />

bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserm<br />

Herrn.<br />

Amen.<br />

3

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