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Was soll ich tun? (Welches Gesetz gilt?) - Vorträge von Reinhart ...

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seines guten Willens mit mir und allen Menschen bewahrt m<strong>ich</strong> vor Allmachtsphantasien und<br />

Überhebl<strong>ich</strong>keit, vor der Selbstüberschätzung, den Menschen an die Stelle Gottes zu setzen.<br />

Vielmehr verdanke <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> als Geschöpf Gott, bin Kind meines himml<strong>ich</strong>en Vaters und wie<br />

andere Mensch getragen und umhüllt <strong>von</strong> der Liebe Gottes. Von Gott empfangen alle<br />

Menschengeschöpfe gle<strong>ich</strong>e Liebe und gle<strong>ich</strong>e Rechte. Gottes Liebe aber kommt all meinem<br />

Denken und Tun zuvor: Er hat m<strong>ich</strong> zuerst geliebt, er schenkt mir seine Liebe, die allererst mein<br />

Leben ermögl<strong>ich</strong>t. Denn Gott ist die Fülle des Lebens selbst. Indem <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> unter Gottes Liebe<br />

gestellt sehe, indem <strong>ich</strong> nun meinerseits mit meiner Liebe Gottes antworte, respektiere <strong>ich</strong> Gott als<br />

Grenze und Grund meines Lebens: Ich lebe n<strong>ich</strong>t mehr „mir selber“ (Römer 14, 7). Dann und<br />

darauf hin aber kann <strong>ich</strong> auch meinen Mitmenschen lieben und achten, weil er doch genau so <strong>von</strong><br />

Gott geliebter Mensch ist wie <strong>ich</strong> selber. Gottes Liebe deckt meine Verfehlungen zu, und deswegen<br />

kann auch <strong>ich</strong> zuerst den Balken in meinem eigenen Auge sehen statt des Splitters im Auge des<br />

Nächsten. Gott weist m<strong>ich</strong> als Geschöpf in meine Grenzen und lehrt m<strong>ich</strong> Demut und<br />

Bescheidenheit. Gerade so aber ermögl<strong>ich</strong>t mir Gott Freiheit: näml<strong>ich</strong> für den anderen Menschen da<br />

zu sein, den Nächsten zu lieben wie m<strong>ich</strong> selbst, ihm zu helfen, ihn zu schützen, damit auch mir<br />

geholfen und <strong>ich</strong> geschützt werde. Ein solches Gebot der Nächstenliebe führt m<strong>ich</strong> zur konkreten<br />

Verantwor<strong>tun</strong>g – für m<strong>ich</strong> und den Nächsten.<br />

In dieser Form, als „Gottesgesetz“, als allgemeines moralisches Gebot, das in der Liebe Gottes<br />

gründet, wird das Gebot, das m<strong>ich</strong> bestimmt, universal und allgemein gültig. Es ist die Bedingung<br />

der menschl<strong>ich</strong>en Freiheit. Nur das Recht, das im Indikativ der Gottesliebe gründet und zum<br />

Imperativ der Nächstenliebe führt, schenkt Freiheit: Freiheit für m<strong>ich</strong> in der Welt vor Gott. Die<br />

Philosophie kann nur als „Postulat der praktischen Vernunft“ das nennen, was für uns der Glaube<br />

befestigt. Der Glaube aber an Gott, den Schöpfer und Erlöser, setzt den Menschen erst in seinen<br />

Stand als gle<strong>ich</strong>es und freies Geschöpf ein, und diese Gle<strong>ich</strong>heit in der Liebe Gottes setzt die Kraft<br />

der Nächstenliebe frei. So gründen tatsächl<strong>ich</strong> die Menschenrechte, das Recht auf Freiheit des<br />

Gewissens, des Denkens und der Rede und der Unantastbarkeit des Lebens des Individuums, im<br />

christl<strong>ich</strong>en Doppelgebot der Liebe: „Du <strong>soll</strong>st den Herrn, deinen Gott, lieben <strong>von</strong> ganzem Herzen,<br />

<strong>von</strong> ganzer Seele, <strong>von</strong> allen Kräften und <strong>von</strong> ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie d<strong>ich</strong> selbst.“<br />

(Lukas 10, 27) Dieses Doppelgebot kann eine Sittl<strong>ich</strong>keit begründen, die dem Menschen insgesamt<br />

dient. Zwar entstammt das Doppelgebot dem christl<strong>ich</strong>-jüdischen Kulturraum, aber es ist nun n<strong>ich</strong>t<br />

mehr partikulares Gebot einer religiösen Gemeinschaft, sondern universelles <strong>Gesetz</strong> der Sittl<strong>ich</strong>keit,<br />

der Moral, die Allgemein- und Eigennutz verbindet. Menschenrechte, Freiheit und Verantwor<strong>tun</strong>g<br />

gehören darum heute zu Recht n<strong>ich</strong>t einem einzigen Kulturkreis an , sondern erheben Anspruch auf

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