Sascha Dörfler: Männerheilkunde - Heilsam für den ganzen Mann
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„Das Patriarchat“, fast 40 Jahre seines Lebens gebraucht hat. Wir ahnen, wie weitläufig und tiefgründig<br />
dieses Thema ist. Es ist unmöglich, hier auf die abendländische Geschichte der Männer und ihrer<br />
vermeintlichen Machtansprüche erschöpfend einzugehen. Dennoch halte ich es im Sinne eines tieferen<br />
Verständnisses männlicher Pathologien und möglicher männlicher Pathogene <strong>für</strong> unverzichtbar, sich mit<br />
der Geschichte des <strong>Mann</strong>es und <strong>den</strong> Machtstrukturen männlich dominierter Gesellschaftsformen zu<br />
befassen. 22<br />
Ich konzentriere mich bewusst auf das Abendland. Auch wenn die CM und ihr kultureller Hintergrund<br />
genügend Stoff <strong>für</strong> eine eigene Männerforschung bereit hält, so muss ich aus Platzgrün<strong>den</strong> auf ein<br />
chinesisches Sittengemälde und seine gesundheitlichen Folgen verzichten 23 und mich auf die westliche<br />
Kultur beschränken. Ein weiterer Grund <strong>für</strong> meinen Fokus auf die westliche Soziologie ist die westliche<br />
Herkunft meiner Patientinnen und Patienten. Auch wenn ich mit der Chinesischen Medizin arbeite, die<br />
Menschen, die ich behandele, leben hier im Westen und sind von der abendländischen Kultur geprägt.<br />
Das Patriarchat<br />
Das Wort Patriarchat wird häufig mit dem Begriff Männerherrschaft übersetzt. Das ist dem Wortsinn nach<br />
nicht richtig, <strong>den</strong>n der griechische Wortstamm pathr / lat.: pater bedeutet Vater. Deshalb bedeutet<br />
Patriarchat vielmehr Vaterherrschaft (arcein/archein=herrschen). Die Bedeutungsverschiebung von „Vater“<br />
zu „<strong>Mann</strong>“ folgt einer besonderen und eigenmächtigen Dynamik, der wir im Patriarchat häufiger begegnen<br />
wer<strong>den</strong>.<br />
Ich selber habe beide Begriffe auf Seite 5 nebeneinander eingesetzt, ohne dass es vermutlich jemandem<br />
aufgefallen wäre. Gleichwohl macht es hier durchaus Sinn, in der Übersetzung des Fremdwortes der<br />
eigentlichen Wortbedeutung auf <strong>den</strong> Grund zu gehen, <strong>den</strong>n aus dem Wort „Vaterherrschaft“ erschließt<br />
sich bereits ein zentraler Aspekt des Patriarchats.<br />
Entschei<strong>den</strong>d am Patriarchat ist das gesellschaftliche und juristische System der Vaterherrschaft über Frau<br />
und Kind. Daraus leitete sich tatsächlich der Anspruch des <strong>Mann</strong>es auf die Herrschaft an sich ab. 24 Kaum<br />
zu glauben, aber wahr!<br />
Die Männer wollten also partout an die Macht, hatten aber natürlicherweise kein Recht dazu. Also musste<br />
die entsprechende rechtliche Grundlage da<strong>für</strong> geschaffen wer<strong>den</strong>. Für diese sehr willkürliche Legitimation<br />
wurde im alten Griechenland bzw. im alten Rom das so genannte Vaterrecht installiert, welches auch als<br />
Urakt der Rechtsschöpfung im Abendland gilt. 25<br />
Macht - um je<strong>den</strong> Preis?<br />
Hintergrund dieser eigenmächtigen Politik waren ganz banale, biologische Tatsachen: Frauen generieren<br />
mit ihrer Eizelle und dem empfangenen Samen die Frucht, sie haben also die einzigartige Fähigkeit zur<br />
Konzeption eines Kindes. Damit dieses gelingt, muss der <strong>Mann</strong> seinen Samen dazu geben. Es geht nicht<br />
ohne seinen Samen, aber mehr ist vom <strong>Mann</strong> zwingend biologisch auch nicht gefragt. Die Frucht wächst<br />
im Bauch der Mutter zum Embryo heran, um schliesslich als Baby das Licht der Welt zu erblicken. Weiss<br />
die Mutter immer, dass sie die Mutter des Kindes ist, so ist die Vaterschaft bei einem Kind nie vollständig<br />
geklärt, ausser Vater und Mutter einigen sich friedlich und freiwillig auf die Vaterschaft. Daher sind die<br />
Väter seit Menschenge<strong>den</strong>ken in der Beweislast, was die Vaterschaft bei einem Kind angeht. 26<br />
Das brachte <strong>den</strong> Urvater in Zugzwang, dem er dadurch entging, indem er biologisch unveränderliche<br />
Fakten durch einen selbstherrlich geschaffenen Kodex negierte. Die biologische Tatsache lautete: Man<br />
kann sich nie sicher sein, wer der Vater eines Kindes ist. Mit dem Vaterrecht hingegen konnte der Vater<br />
fortan behaupten: „Ich weiss, wer mein Sohn ist. Ich weiss es, weil ich es hiermit festlege. Die Mutter mag<br />
die Natur auf ihrer Seite haben, ich aber habe die Macht. Diese Macht stelle ich in einem kodifizierten<br />
System dar, dem ich <strong>den</strong> Namen Rechtssprechung gebe.“ 27<br />
Wenn dieser selbstherrliche Akt bereits <strong>den</strong> Anfang abendländischer Rechtsgeschichte begründet, dann<br />
verstehe ich die Diskrepanz zwischen Recht und Gerechtigkeit, oder die Kluft zwischen „Recht haben“ und<br />
„Recht bekommen“ heute sehr viel besser.<br />
22 Wem das nicht reicht, dem sei die geneigte Lektüre der Bücher des kanadischen Ethnologen und Anthropologen Ernest Bornemann<br />
und des französischen Soziologen Pierre Felix Bourdieu als Einstieg in das Thema empfohlen. Z.B.: E. Bornemann: Das Patriarchat,<br />
bzw. P. Bourdieu: Die männliche Herrschaft, beide Bücher sind auch unter Punkt „3 Literatur“ zu fin<strong>den</strong>/S.a.<br />
http://de.wikipedia.org/wiki/Pierre_Bourdieu<br />
23 Interessant wäre eine Untersuchung der gesellschaftlichen Stellung von <strong>Mann</strong> und Frau in die Epochen des Konfuzianismus (Qinund<br />
Han-Dynastie/300 v.Chr.-220 n. Chr.), bzw. des Neokonfuzianismus (Song-Dynastie/960-1279). Dabei wäre die Frage<br />
interessant, welche gesundheitlichen Konsequenzen aus dem strengen Reglement resultierte, das <strong>für</strong> die Frauen weitaus<br />
engmaschiger angelegt war, als <strong>für</strong> die Männer, zumindest was die gesellschaftlichen Freiheiten anging./s.a. Li Gi-Das Buch der<br />
Riten, Sitten und Gebräuche, Übersetzung Richard Wilhelm, Anaconda Verlag, 2007<br />
24 Bornemann, Ernest: Das Lexikon der Liebe, Bd. 2, Seite 179 ff.<br />
25 Bornemann, Ernest: Das Lexikon der Liebe, Bd. 2, Seite 180 ff.<br />
26 Selbst die hochmodernen Gentests lassen noch das Restrisiko von 0,0001% einer ungeklärten Vaterschaft offen. Will sagen, selbst<br />
modernste Technik kann der Natur nichts vormachen.<br />
27 Bornemann, Ernest: Das Lexikon der Liebe, Bd. 2, Seite 180 ff.<br />
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