30.10.2013 Aufrufe

Wessen Herz schlägt da in meiner Brust - Apsys

Wessen Herz schlägt da in meiner Brust - Apsys

Wessen Herz schlägt da in meiner Brust - Apsys

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

©Guni Leila Baxa <br />

4 <br />

Wahrnehmen, <strong>da</strong>s trennt<br />

Für Descartes, dessen Sichtweise über Jahrhunderte unsere Beziehung zu unserem<br />

Körper geprägt hat, besteht der Körper aus e<strong>in</strong>er Summe von Teilen ohne Inneres.<br />

Die Seele existiert unabhängig vom Körper und ist ganz sich selbst gegenwärtiges<br />

Se<strong>in</strong>. Zwischen Seele und Körper besteht ke<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung.<br />

Wir alle s<strong>in</strong>d geschult, uns selbst und die Welt auf diese Weise wahrzunehmen. E<strong>in</strong>e<br />

Weise die trennt, Grenzen zieht und die Welt <strong>in</strong> vone<strong>in</strong>ander getrennte<br />

E<strong>in</strong>zelgegenstände auflöst. Es ist e<strong>in</strong> von Er<strong>in</strong>nerung und von Denken geleiteter<br />

Blick. Es ist e<strong>in</strong> Wahrnehmen, <strong>da</strong>s schnell benennt, e<strong>in</strong>ordnet, kategorisiert. Das<br />

Gegenüber wird vergegenständlicht, <strong>da</strong>mit empf<strong>in</strong>dungslos und passiv gemacht. Die<br />

D<strong>in</strong>ge werden erfasst im S<strong>in</strong>ne ihrer Dienlichkeit. Wir überspr<strong>in</strong>gen die<br />

Wahrnehmung ihrer s<strong>in</strong>nlichen Präsenz und nehmen bewusst nur mehr deren<br />

Bedeutung wahr.<br />

Das „<strong>Herz</strong>“ <strong>in</strong> der Aufstellung macht <strong>da</strong>rauf aufmerksam, wie e<strong>in</strong>seitig diese Sicht auf<br />

unseren Körper ist. Im Deutschen gibt es die <strong>in</strong>teressante sprachliche<br />

Unterscheidung zwischen Körper und Leib. vii Sie beruht auf der für uns Menschen<br />

fun<strong>da</strong>mentalen Freiheit, uns von uns selbst zu distanzieren. Wir vermögen wie von<br />

außen auf uns zu schauen. Das führt <strong>da</strong>zu, <strong>da</strong>ss unsere Beziehung zu unserem<br />

Körper e<strong>in</strong>e zweifache ist.<br />

Ruth schluchzte, konnte nicht sprechen, hielt mich aber immer noch fest an der<br />

Hand. Nach e<strong>in</strong>er Weile me<strong>in</strong>te sie: „Ja, ja, so ist <strong>da</strong>s auch. Me<strong>in</strong>e Stellvertreter<strong>in</strong><br />

spürt <strong>da</strong>s ganz richtig. Be<strong>in</strong>ahe täglich be<strong>da</strong>nke ich mich bei ihm und verspreche<br />

ihm, auf se<strong>in</strong> <strong>Herz</strong> aufzupassen. Ich b<strong>in</strong> ihm - und <strong>da</strong>bei zeigt sie zum „Spender“ <strong>in</strong><br />

der Aufstellung - ja so unendlich <strong>da</strong>nkbar. Als ob er mir <strong>da</strong>s Leben geschenkt hätte.<br />

Doch irgendwie ist <strong>da</strong>s total verrückt. Ich b<strong>in</strong> eigentlich nicht abergläubisch. Es ist so<br />

k<strong>in</strong>disch. Ich schäme mich vor mir selber <strong>da</strong>für und doch mache ich es.“<br />

In der Moderne haben wir gelernt, den Körper wie von außen zu betrachten, als<br />

Objekt. Er ist gleichsam zu e<strong>in</strong>em Teil der Umwelt geworden. Wir wollen über ihn<br />

verfügen als e<strong>in</strong> Instrument für Arbeit, Lust oder andere Verrichtungen. Mediz<strong>in</strong>ische<br />

Interventionen helfen uns, die Herrschaft über unseren Körper wiederherzustellen.<br />

Wir wollen den Körper schöner und besser haben. Der "Body" soll funktionieren: wir<br />

schütten etwas h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, wir tra<strong>in</strong>ieren ihn, wir stählen ihn, bestrahlen ihn, stylen,<br />

bemalen, kneten, schütteln ihn. Er ist zu etwas geworden, <strong>da</strong>s wir besitzen wie e<strong>in</strong><br />

D<strong>in</strong>g.<br />

E<strong>in</strong>e Frau aus der Gruppe, benannt als „<strong>da</strong>s Leben“ wurde gebeten <strong>in</strong> der<br />

Aufstellung e<strong>in</strong>en für sie stimmigen Platz e<strong>in</strong>zunehmen. Sie stellte sich so, <strong>da</strong>ss sie<br />

e<strong>in</strong>en gewissen Abstand zu allen drei anderen hatte, sie diese sehen konnte und<br />

auch die anderen sie sehen konnten. „Ruth“ sank <strong>in</strong> sich zusammen und g<strong>in</strong>g zu<br />

Boden mit den Worten: „Das Leben gehört nicht zu mir, es gehört zu ihm“ und wies<br />

auf den „Spender“. Das „<strong>Herz</strong>“ zog sich zurück und sagte zu „Ruth“: „Solange du <strong>da</strong>s<br />

nicht klärst, habe ich hier ke<strong>in</strong>en Platz“. Der Spender bat <strong>da</strong>rum, e<strong>in</strong>fach tot se<strong>in</strong> zu<br />

dürfen. Das „Leben“ stand mit offenen Armen <strong>da</strong> und wartete.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!