Fluchtweg mit Textilgewand
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© Feuertrutz GmbH, Verlag für Brandschutzpublikationen, Köln 2010. Jede Vervielfältigung und Verbreitung ohne Zustimmung des Verlags ist unzulässi.<br />
Gebäudetechnischer Brandschutz<br />
<strong>Fluchtweg</strong> <strong>mit</strong><br />
<strong>Textilgewand</strong><br />
Feuerschutzabschluss: In der Allgemeinen Klinik in Bad Segeberg führt der <strong>Fluchtweg</strong> von der Treppe über den<br />
Eingangsbereich ins Freie. Hierzu musste der Empfangsschalter als Brandlast im <strong>Fluchtweg</strong> <strong>mit</strong> einem textilen Feuerschutzabschluss<br />
gesichert werden. Der Beitrag berichtet über die Einsatzmöglichkeiten vor Ort. Olaf Grunenberg<br />
Foto: Segeberger Kliniken, Quentin<br />
Abb. 1: Außenansicht der Allgemeinen Klinik in Bad Segeberg<br />
Bei medizinischen Einrichtungen ist das<br />
Risiko einer schnellen Ausweitung von<br />
Feuer und Rauch auf andere Gebäudeteile<br />
überdurchschnittlich hoch. Grund hierfür<br />
ist z.B. das Vorkommen von leicht entzündlichen<br />
Stoffen, wie Verbandsmaterial, Bett-<br />
Abb. 2: Empfangsschalter der Eingangshalle<br />
wäsche, Matratzen oder Sauerstoffflaschen.<br />
Eine zusätzliche Gefahrenquelle stellen<br />
technische Geräte dar. Die effektive Aufrechterhaltung<br />
von Brand- und Rauchabschnitten<br />
ist ebenso maßgeblich wie die<br />
Absicherung der <strong>Fluchtweg</strong>e. Beim Umbau<br />
Quelle: Stöbich Brandschutz<br />
der Allgemeinen Klinik in Bad Segeberg<br />
bestand die Aufgabe darin, einen <strong>Fluchtweg</strong><br />
durch die Eingangshalle ins Freie<br />
sicherzustellen. Der <strong>Fluchtweg</strong> verläuft<br />
durch das Foyer, vorbei an der Rezeption<br />
(siehe Abb. 2 und 3). Der Empfangsschalter<br />
der Rezeption stellt hierbei eine Brandlast<br />
im Fluchtkorridor dar und sollte ursprünglich<br />
nach Feuerwiderstandsklasse F 30<br />
gekapselt werden. Ein Ortstermin ergab,<br />
dass dieses Ziel aus Platzgründen und<br />
aufgrund der geforderten Nutzbarkeit der<br />
Rezeption <strong>mit</strong> konventionellen Lösungen<br />
nicht zu realisieren war.<br />
Planer, Architekt und die baugenehmigende<br />
Behörde einigten sich daher auf einen<br />
textilen Feuerschutzabschluss. Das raumbildende<br />
System selbst erzielt durch sein<br />
Gewebe Ecotex 1100 A2 die Klassifikation<br />
E 90 (EW 30) und erfüllt in Verbindung <strong>mit</strong><br />
einer brandlastfreien Zone im Eingangsbereich<br />
den ursprünglich geforderten brandschutztechnischen<br />
Anspruch. Insbesondere<br />
bei offenen Architekturen muss deren<br />
ursprünglicher Charakter auch bei notwendigen<br />
Brandschutzmaßnahmen gewahrt<br />
bleiben. Wie bei vielen textilen Brand- und<br />
Rauchschutzsystemen lässt sich auch das in<br />
der Klinik umgesetzte System an die baulichen<br />
Bedürfnisse anpassen. Trotz einer<br />
möglichen Abrolllänge bis 6 m kann das<br />
von Stöbich zum Patent angemeldete System<br />
aufgrund seiner geringen Gehäusehöhe<br />
fast unsichtbar in abgehängte Decken integriert<br />
werden. Der Feuerschutzabschluss ist<br />
im Ruhezustand nicht zu sehen und fährt<br />
erst im Alarmfall automatisch herunter.<br />
Bislang waren massive und brandschutztechnisch<br />
gesicherte Stützen für übereck<br />
verlaufende Feuerschutzabschlüsse vorgeschrieben.<br />
Allerdings passen besonders bei<br />
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Gebäudetechnischer brandschutz<br />
frei gestalteten Architekturen Betonsäulen<br />
oder Stahlstützen nicht ins Bild. So auch im<br />
Fall der Allgemeinen Klinik in Bad Segeberg,<br />
die <strong>mit</strong> ihrem bewusst offen angelegten<br />
Foyer eine für Patienten und Besucher angenehme<br />
Atmosphäre ausstrahlen soll. Für den<br />
automatischen und raumbildenden textilen<br />
Feuerschutzabschluss sind keine Eckstützen<br />
und daran montierte Führungsschienen<br />
nötig. Durch die Gewebefalttechnik kann<br />
das System in Winkeln von 30° bis 150°<br />
raumbildend übereck verbaut werden. Das<br />
Öffnen und Schließen des textilen Vorhangs<br />
wird <strong>mit</strong>tels einer Falttechnik umgesetzt,<br />
bei der das verwendete Gewebe im Gehäuse<br />
gefaltet aufbewahrt wird. Dadurch konnte<br />
der textile Eckbereich um den Empfangsschalter<br />
im Eingangsbereich ohne zusätzliche<br />
Stützen realisiert werden. Bei den Segeberger<br />
Kliniken wurde eine Systemvariante<br />
<strong>mit</strong> zweiseitigem Wandanschluss und einem<br />
Abb. 3: Der textile Feuerschutzabschluss als geschlossenes System<br />
Foto: Stöbich Brandschutz<br />
Abb. 4:<br />
Flucht- und<br />
Rettungsplan<br />
Erdgeschoss<br />
Café/Bauteil 1<br />
Quelle: Planungsgesellschaft Masur & Partner mbH<br />
❯❯<br />
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Gebäudetechnischer Brandschutz<br />
Eckverlauf über 90° verbaut. Aufgrund der<br />
Führungsschienen schließt das System am<br />
Wandkörper dicht und besitzt keine Restöffnungen.<br />
Abb. 5: Die Führungsschiene klappt im Alarmfall auf und verschließt verbliebene Spalten zum<br />
Wandanschluss.<br />
Foto: Stöbich Brandschutz<br />
Fazit<br />
Beim Umbau der Allgemeinen Klinik in<br />
Bad Segeberg ermöglichte ein textiler Feuerschutzabschluss<br />
eine effektive <strong>Fluchtweg</strong>sicherung<br />
durch die Eingangshalle.<br />
Dadurch konnte der Empfangsbereich<br />
brandschutztechnisch abgesichert werden,<br />
ohne in die räumliche Gestaltung eingreifen<br />
zu müssen. <br />
■<br />
Bautafel: AK Segeberger Klinken, Bad Segeberg<br />
Bauherr:<br />
AK Segeberger Klinken GmbH<br />
Architekt:<br />
Planungsgesellschaft Masur & Partner mbH, Hamburg<br />
Brandschutzkonzept:<br />
Dipl.-Ing. Thomas Börner, Kiel<br />
Baugenehmigende Behörde: Landrat des Kreises Segeberg<br />
Planungsbüro:<br />
Planungsgesellschaft MASUR & PARTNER mbH, Hamburg<br />
Baukosten:<br />
23 Mio. Euro<br />
Baugesamtfläche: 20.000 m²<br />
Baurauminhalt: 66.100 m³<br />
Planung: 1996 – 2006<br />
Bauzeit: 2002 – 2009<br />
Schlagworte für das Online-Archiv<br />
unter www.feuertrutz.de<br />
Flucht- und Rettungsweg,<br />
Feuerschutzabschluss<br />
Autor<br />
Olaf Grunenberg<br />
techn. Redakteur bei der<br />
Stöbich Brandschutz GmbH<br />
interview<br />
Gespräch <strong>mit</strong> Dipl.-Ing. Thomas Börner<br />
Dipl.-Ing. Thomas Börner,<br />
Ersteller des Brandschutzkonzeptes<br />
Herr Börner, Sie erstellten für den<br />
Erweiterungsbau der Allgemeinen<br />
Klinik in Bad Segeberg das Brandschutzkonzept.<br />
Welche Besonderheiten<br />
gab es dabei?<br />
Der Hauptfluchtweg führt über die<br />
Empfangshalle, die einerseits in offener<br />
Verbindung zum ersten OG steht und<br />
andererseits durch einen Empfangstresen<br />
<strong>mit</strong> Büroausstattung eine erhebliche<br />
Brandlast aufweist. Vom Kreis gab es den<br />
Vorschlag, über das Untergeschoss ins<br />
Freie zu gelangen. Dieser formal richtige <strong>Fluchtweg</strong> würde aber im Ernstfall<br />
nicht benutzt werden, weil die Menschen bei einer Flucht immer den<br />
ihnen bekannten Weg nehmen. Deshalb musste ein Weg gefunden werden,<br />
die Wünsche des Bauherrn und die Sicherheit gleichermaßen zu berücksichtigen.<br />
Traten Probleme beim Umbau der Klinik auf?<br />
Das Hauptproblem bestand darin, dass der ursprüngliche Ausgang<br />
ins Freie durch die Erweiterung nicht mehr nutzbar war und nun<br />
durch die bereits erwähnte Halle führte. Wie bei allen Gebäuden dieser<br />
Größe, die aus vergangenen Jahrzehnten stammen und in dieser Zeit<br />
ohne große Berücksichtigung des Brandschutzes umgebaut und erweitert<br />
wurden, musste der Bestand im Zuge dieser Erweiterung schutzzielorientiert<br />
angepasst werden, was im Detail immer wieder besondere Lösungen<br />
erforderte.<br />
Gab es Abweichungen oder Zustimmungen im Einzelfall?<br />
Abweichungen gab es nicht, die Zustimmung im Einzelfall musste für die<br />
textilen Abschlüsse erteilt werden.<br />
Wie bewerten Sie den Einsatz textiler Feuerschutzabschlüsse<br />
zur <strong>Fluchtweg</strong>sicherung?<br />
Diese Abschlüsse sehe ich sehr positiv, weil sie große Gestaltungsfreiheit<br />
bieten, ohne die Sicherheit einzuschränken. Aus der Praxis<br />
heraus gesehen würde in den meisten Fällen auch ein Rauch -<br />
schutzvorhang reichen, da die Räumung eines Gebäudes nach relativ<br />
kurzer Zeit beendet ist. Die Bestimmungen erfordern jedoch meistens<br />
auch eine Feuerwiderstandsfähigkeit für die Abschlüsse. Kritisch sehe ich<br />
textile Abschlüsse, wenn sie im Alarmfall den bekannten Weg versperren<br />
und Personen sich einen anderen ausgeschilderten <strong>Fluchtweg</strong> suchen<br />
müssen.<br />
38 FeuerTRUTZ Magazin 2.2010