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Sozialversicherungspflicht für mitarbeitende ... - Marie-Luise Dött

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`<br />

<strong>Marie</strong>-<strong>Luise</strong> <strong>Dött</strong><br />

Mitglied des Deutschen Bundestages<br />

Deutscher Bundestag<br />

Platz der Republik 1<br />

Unter den Linden 71, Zimmer 216<br />

11011 Berlin<br />

Tel: (030) 227 – 73700<br />

Fax: (030) 227 – 76888<br />

Email: marie-luise.doett@bundestag.de<br />

Web: http://www.marie-luise-doett.de<br />

Stand: 02.12.2004<br />

Mitarbeiter: Dimos Gatidis<br />

__<br />

<strong>Sozialversicherungspflicht</strong> <strong>für</strong> <strong>mitarbeitende</strong> Familienangehörige<br />

__<br />

In mittelständischen Unternehmen - im Handwerk, in der Gastronomie, in Arztpraxen und<br />

Apotheken - in vielen Dienstleistungsunternehmen arbeiten Familienangehörige, vor allem<br />

(Ehe-) Partner zusammen. Allein im Handwerk sind es etwa 600.000 Frauen.<br />

Zählt man die <strong>mitarbeitende</strong>n Familienangehörigen – Söhne, Töchter, Schwiegersöhne und<br />

sonstige Verwandten, auch nichteheliche Lebensgefährten – dazu, kommt man leicht auf eine<br />

Million Menschen.<br />

Eine Million Menschen, die nach Auffassung der Sozialgesetzgebung keine Angestellten sind,<br />

sondern Mitunternehmer, die seit Jahren Sozialabgaben zahlen, obwohl sie es nicht müßten.<br />

Inhalt:<br />

- Neuregelung<br />

- Meldewesen<br />

- Unternehmensinsolvenz<br />

- Bürokratie<br />

- Mitunternehmerinitiative, Mitunternehmerrisiko, verdeckte Mitunternehmerschaft<br />

- Befreiung von der <strong>Sozialversicherungspflicht</strong><br />

- Arbeitnehmereigenschaft<br />

- Unterscheidungskriterien<br />

- Fazit<br />

- Anhang: Stellungnahme der BfA vom 05.11.04<br />

..2


- 2 -<br />

Die Neuregelung in der Sozialversicherung <strong>für</strong> Familienangehörige ist bereits am 24.12.2003<br />

mit dem so genannten „IV. Gesetz <strong>für</strong> moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ („Hartz<br />

IV“) von Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden, tritt aber erst zum 1. Januar 2005<br />

in Kraft 1 . Sie gilt auch nur bei einer neu aufgenommenen Mitarbeit von Familienangehörigen<br />

nach dem 1. Januar 2005.<br />

Einige Tausend Familienangehörige, denen in den letzten Jahren die Leistung verweigert<br />

worden war, gehen nach wie vor leer aus.<br />

Mitarbeitende Familienangehörige bezahlen als angestellte Arbeitnehmer des<br />

Familienbetriebes also regelmäßig Sozialversicherungsbeiträge und glauben, damit sozial<br />

abgesichert zu sein. Einem Betroffenen kann es passieren, dass er ein Leben lang Beiträge zur<br />

Arbeitslosen- und Rentenversicherung entrichtet, aber im Leistungsfall leer ausgeht.<br />

Umstellung des Meldewesens<br />

Zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses zeigt der Arbeitgeber an, ob es sich bei dem<br />

Mitarbeiter um einen Familienangehörigen handelt (Ehegatte, Lebenspartner, Verwandter<br />

oder Verschwägerter in gerader Linie bis zum zweiten Grad) oder ob er als<br />

geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH 2 tätig ist.<br />

Aufgrund dieser Meldung folgt automatisch eine Prüfung des versicherungsrechtlichen Status<br />

des Familienmitglieds durch die Bundesversicherungsanstalt <strong>für</strong> Angestellte.<br />

Entgegen der jetzigen Praxis ist die Arbeitsverwaltung dann an die Entscheidung der BfA als<br />

so genannte Clearingstelle gebunden 3 .<br />

Damit wird regelmäßig verhindert, dass <strong>mitarbeitende</strong> Familienangehörige, denen der<br />

Arbeitnehmerstatus bescheinigt worden ist, im Fall der Arbeitslosigkeit oder Insolvenz keine<br />

Leistung vom Arbeitsamt erhalten.<br />

Und dies, obwohl Beiträge zur Sozialversicherung <strong>für</strong> das Familienmitglied entrichtet<br />

wurden.<br />

1 Ein häufig angegebener Grund <strong>für</strong> die Verzögerung sind Maßnahmen bei der Umstellung des<br />

Meldewesens.<br />

2 ca. 630.000 in Deutschland.<br />

..3


- 3 -<br />

Unternehmensinsolvenz<br />

Bekannt ist, dass wer selbstständig ist, den Anspruch auf Sozialleistungen verliert.<br />

Der Selbstständige muss aber auch keine Beiträge in die Sozialversicherungssysteme leisten,<br />

sondern kann und soll selbst vorsorgen.<br />

Genau an diesem Punkt setzt die Arbeitsverwaltung im Fall einer Insolvenz des<br />

Unternehmens an:<br />

Für den <strong>mitarbeitende</strong>n Familienangehörigen wird häufig die Eigenschaft des<br />

Mitunternehmers konstruiert.<br />

Mitunternehmer 4 ist nur, wer auf Grund eines zivilrechtlichen Gesellschaftsverhältnisses oder<br />

eines wirtschaftlich damit vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnisses<br />

Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt.<br />

Als Angestellte zahlen die <strong>mitarbeitende</strong>n Familienangehörigen in die Sozialversicherungen<br />

ein. Für die Arbeitsverwaltung besteht keine Leistungsverpflichtung. Diese besteht nur<br />

gegenüber abhängig Beschäftigten. Das regelmäßige Zahlen von Beiträgen zur<br />

Sozialversicherung begründet also keinen Anspruch auf Sozialleistungen.<br />

Bürokratie<br />

Dass Beiträge überhaupt zu Unrecht kassiert werden, hat mit der Unüberschaubarkeit der<br />

deutschen Sozialversicherung zu tun. An der Frage, ob jemand Angestellter ist oder nicht,<br />

sind drei Apparate beteiligt. Sie alle legen die Sozialgesetze unterschiedlich aus.<br />

Angemeldet werden Angestellte bei den Krankenkassen.<br />

Sie haben das geringste Interesse am tatsächlichen Status des Angemeldeten und sind quasi<br />

die Einzugsstelle <strong>für</strong> die Beiträge zur Arbeitslosen-, Pflege- und Rentenversicherung.<br />

3 Paragraf 7a, Absatz 1, Satz 2 SGB IV in Verbindung mit Paragraf 336 SGB III<br />

..4


- 4 -<br />

Wer ihnen als Angestellter gemeldet wird, den lassen sie in aller Regel und ohne Prüfung als<br />

solchen gelten – auch wenn er nicht ins System hineingehört und damit keinen Anspruch auf<br />

Sozialversicherungsleistungen hat.<br />

Solche Fehlanmeldungen stören die Sachbearbeiter nicht, solange das neue Mitglied der<br />

Sozialgemeinschaft seine Beiträge regelmäßig zahlt.<br />

Erst wenn der Versicherte Leistungen einfordert – meistens Arbeitslosengeld, aber auch Rente<br />

– wird wirklich geprüft, ob er tatsächlich einen Anspruch auf die Gelder hat; allerdings nicht<br />

mehr von der Krankenkasse, sondern vom Arbeitsamt oder Rententräger.<br />

Gipfel der Ungerechtigkeit ist, dass die an der Problematik beteiligten Stellen gern zu dem<br />

Schluss kommen:<br />

Der Beitragszahler war noch nie oder schon lange nicht mehr ordentlicher Angestellter.<br />

Deshalb hat er keinen Anspruch auf Versicherungsleistung.<br />

- Mehrarbeit, auch an Sonn- und Feiertagen,<br />

- eine herausgehobene Position im Unternehmen<br />

(beispielsweise wenn die Ehefrau die Buchhaltung erledigt),<br />

- selbstständige Entscheidungen oder<br />

- eigenes unternehmerisches Risiko<br />

sind Indizien, um das Familienmitglied auch noch nachträglich als nicht<br />

sozialversicherungspflichtigen Selbstständigen einzustufen.<br />

Mitunternehmerinitiative bedeutet v.a. Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen, wie<br />

sie z. B. Gesellschaftern oder diesen vergleichbaren Personen als Geschäftsführern,<br />

Prokuristen oder anderen leitenden Angestellten obliegen.<br />

Die Möglichkeit, Gesellschaftsrechte auszuüben, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und<br />

Widerspruchsrechten angenähert sind, die einem Kommanditisten nach dem<br />

4 im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG<br />

..5


- 5 -<br />

Handelsgesetzbuch (HGB) zustehen oder die den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten<br />

nach § 716 Abs. 1 BGB entsprechen, reicht aus. 5<br />

Unterschreibt die Ehefrau einen Kreditvertrag („eigenes unternehmerisches Risiko“),<br />

sagt die Bundesanstalt <strong>für</strong> Arbeit:<br />

Das hätte ein normaler Angestellter <strong>für</strong> einen Chef nie getan.<br />

Wird sie arbeitslos, bekommt sie kein Geld.<br />

Mehr als vier Jahresbeiträge <strong>für</strong> die Arbeitslosenkasse sind es selten, der Rest fällt in der<br />

Regel wegen Verjährung der Staatskasse zu. Bei einem Beitragssatz von 6,5 Prozent des<br />

Bruttolohns können dies zehntausende Euro sein.<br />

Mitunternehmerrisiko bedeutet eine am Erfolg oder Mißerfolg eines gewerblichen<br />

Unternehmens ausgerichtete Teilhabe auf Grund eines Gesellschaftsverhältnisses oder einer<br />

wirtschaftlich vergleichbaren Konstellation. Regelmäßig wird dieses Risiko durch Beteiligung<br />

am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich<br />

des Geschäftswertes ermittelt. 6<br />

Begriffliche Voraussetzung eines zivilrechtlichen Gesellschaftsverhältnisses ist, dass sich<br />

mindestens zwei Personen durch Vertrag gegenseitig verpflichten, die Erreichung eines<br />

gemeinsamen Zwecks durch bestimmte vermögenswerte Leistungen zu fördern. Der BFH<br />

nimmt zudem eine verdeckte Mitunternehmerschaft nur bei einem Gemeinschaftsverhältnis<br />

einander gleichgeordneter Personen an.<br />

Wer dagegen, ohne Gesellschafter zu sein, einer Personengesellschaft als Angestellter,<br />

Darlehensgläubiger, Vermieter oder Verpächter seine Dienste, Kapital oder Wirtschaftsgüter<br />

zur Verfügung stellt und da<strong>für</strong> Vergütungen erhält, die dem Wert seiner Leistungen<br />

entsprechen, ist nicht Mitunternehmer. Das gilt auch, wenn er in der Gesellschaft<br />

unternehmerische Entscheidungen zu treffen oder an ihnen mitzuwirken hat. 7<br />

5 „Mitarbeitende Familienangehörige: Sinnvolle Nutzung der Kombination von Einkünften aus<br />

nichtselbstständiger Arbeit und Sozialversicherungsfreiheit“ von Dr. Roland Tomik, Stephen Nickel<br />

und Kathi-Gesa Klafke in DStR, Ausgabe 43/2004, S. 1809ff.<br />

6 ebd.<br />

..6


- 6 -<br />

Die Rentenversicherungsanstalten sind vermeintlich großzügiger als die Bundesanstalt <strong>für</strong><br />

Arbeit. Aber selbst wenn sie alles eingezahlte Geld zurückerstatten oder die Pflichtbeiträge in<br />

freiwillige Rentenbeiträge umwandeln, ist <strong>für</strong> die Betroffenen der entgangene Vorteil im<br />

Vergleich zur privaten Altersvorsorge 8 , die sie mit dem Geld hätten betreiben können,<br />

unerhört schmerzlich. 9<br />

Einen Ausweg aus dieser Situation bietet ggf.:<br />

Das Verfahren einer Beitragsrückerstattung<br />

Um es einzuleiten, muss sich der bisher Versicherte - wenn auch irrtümlich und ohne<br />

Anspruch - zunächst von der Sozialversicherung befreien lassen.<br />

Im Kern geht es immer darum nachzuweisen, dass der Mitarbeiter einer Firma<br />

- unternehmerisch handelt, dass er<br />

- hohe persönliche Risiken eingeht und<br />

- entsprechende Freiheiten genießt, wie sie keinem normalen Angestellten gewährt<br />

würden.<br />

Wurde der Arbeitnehmerstatus des Ehegatten vom Arbeitsamt abgelehnt, ist es 10 möglich, die<br />

gezahlten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung im Rahmen der Verjährungsfrist von vier<br />

Jahren, mit einer Verzinsung von vier Prozent zurückzufordern. 11<br />

7 ebd.<br />

8 „Einziger Nachteil der privaten Vorsorge: Bei einer Insolvenz ist die private Altersvorsorge <strong>für</strong><br />

immer weg. Die Lebensversicherung muss aufgelöst und der Rückkaufswert zur Schuldentilgung<br />

verwendet werden. Die Rente aus öffentlichen Kassen hingegen ist sicher vor der eigenen<br />

Verbraucherinsolvenz. […] Mit dem zunehmenden Einfluß der EU-Normen wird in Deutschland<br />

derzeit das Monopol der Lebensversicherungen geknackt. Dadurch ergeben sich interessante<br />

Möglichkeiten der privaten Vorsorge wie beispielsweise das sogenannte Lebensarbeitszeitmodell.“<br />

vgl. http://www.ra-franzke.de/artikel/580.html<br />

9 „Da die angestellten Angehörigen auch nach einem Ausstieg aus der Sozialversicherung weiterhin<br />

steuerrechtlich als nicht selbstständig anerkannt sind, steht ihnen auch der Weg der betrieblichen<br />

Altersvorsorge offen.“ Ass. jur. Kathi-Gesa Klafke, http://www.financialnetworx.de/BaV/bav.html<br />

10 gemäß § 27 SGB IV<br />

11 „Die BfA als Rentenversicherungsträger ist <strong>für</strong> die Erstattung zu Unrecht gezahlter<br />

Rentenversicherungsbeiträge grundsätzlich nur dann zuständig, wenn der Erstattungszeitraum über<br />

..7


- 7 -<br />

„Ein Zinsanspruch besteht ausweislich des SGB nur <strong>für</strong> den auf den Eingang des<br />

vollständigen Erstattungsantrages folgenden Monat bis zum Monat vor der Erstattung.“ 12<br />

Die Rückerstattung kann auch von den übrigen Sozialversicherungsträgern verlangt werden,<br />

falls keine Leistungen in Anspruch genommen wurden.<br />

Die Versicherungsfreiheit beginnt nicht unbedingt - wie vielfach irrtümlich angenommen<br />

wird - wenn jemand mehr als 50 Prozent Anteile an der Firma hat. Eine Befreiung ist auch<br />

schon bei 5 oder 10 Prozent möglich; sogar bei Prokuristen, die in der Regel nicht<br />

weisungsgebunden sind und unternehmerisch selbstständig handeln.<br />

Klärung der Arbeitnehmereigenschaft<br />

Beispiel:<br />

Eine Klägerin unternahm gerichtliche Schritte gegen die nachträgliche Einordnung als<br />

Unternehmerin in einem Ehegattenarbeitsverhältnis.<br />

Die Klage ging in die höchste Instanz des Bundessozialgerichtes. Im Urteilsspruch 13 wurde<br />

die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin u. a. wegen ihres Interesses am wirtschaftlichen<br />

Erfolg des gemeinsamen Unternehmens, der Beteiligung am Stammkapital und der Art der<br />

Lohnzahlung abgelehnt. Es hätte somit generell keine Beitragspflicht in der gesetzlichen<br />

Sozialversicherung bestanden.<br />

Nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichtes setzt eine sozialversicherungspflichtige<br />

Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist.<br />

Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig ist, hängt davon ab, welche Merkmale<br />

überwiegen.<br />

vier Kalenderjahre hinausgeht, d.h. der Erstattungsanspruch ganz oder teilweise verjährt ist.“<br />

vgl. Stellungnahme der BfA vom 18.06.2004<br />

12 Ass. jur. Kathi-Gesa Klafke<br />

13 vom 17. Mai 2001 (Az: B12KR34/00R)<br />

..8


- 8 -<br />

Maßgebend ist immer das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Deshalb ist es ratsam, dass die<br />

Frage der <strong>Sozialversicherungspflicht</strong> von Ehegattenarbeitsverhältnissen im Unternehmen<br />

unmittelbar bei Aufnahme der Tätigkeit geklärt wird.<br />

Merkmale, die <strong>für</strong> eine abhängige Beschäftigung sprechen können, sind unter anderem 14<br />

- die Eingliederung in den Betrieb,<br />

- die Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers,<br />

- die Beschäftigung an Stelle einer fremden Arbeitskraft,<br />

- die Vereinbarung und regelmäßige Zahlung eines angemessenen Arbeitsentgelts,<br />

- die regelmäßige Entrichtung der Lohnsteuer vom Arbeitsentgelt und<br />

- die Buchung des Arbeitsentgelts als Betriebsausgabe.<br />

In diesem Zusammenhang besteht seit 1998 die Möglichkeit, beim zuständigen Arbeitsamt<br />

anzufragen, ob es der Beurteilung der Beitragspflicht seitens der Krankenkasse oder des<br />

Rentenversicherungsträgers ebenfalls zustimmt.<br />

Erklärt auch das Arbeitsamt, dass eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit vorliegt, so ist<br />

es 15 fünf Jahre an diese Erklärung gebunden.<br />

Für diesen Zeitraum ist ein Leistungsanspruch gegenüber der Arbeitslosenversicherung<br />

gewährleistet, sofern sich keine <strong>für</strong> die Beurteilung relevanten Änderungen ergeben. 16<br />

Diese verbindliche Erklärung des Arbeitsamtes über die Beitragspflicht kann beliebig oft<br />

erneuert werden. Dies ist ein Weg nachträglichen Leistungsausschlüssen bzw.<br />

Beitragsnachforderungen vorzubeugen.<br />

14 aus der Antwort auf die „Frage an die Bundesregierung“ – 3. Mai 2004<br />

15 gemäß § 336 SGB III<br />

16 Wenn sich in dieser Zeit Kriterien ändern, wird z.B. ein Betriebskredit mit unterschrieben, und/oder<br />

erhöht, oder werden Betriebsräume vermietet etc., muss der Arbeitgeber sofort eine neue<br />

versicherungsrechtliche Beurteilung bei der BfA veranlassen.<br />

..9


- 9 -<br />

Unterscheidungskriterien zur <strong>Sozialversicherungspflicht</strong> <strong>mitarbeitende</strong>r<br />

Familienangehöriger 17<br />

Unternehmer<br />

- Mitunternehmer entfalten unternehmerische Initiative und tragen unternehmerisches<br />

Risiko<br />

- Beteiligung am Unternehmenserfolg<br />

- Betriebsaufspaltung<br />

- bei Gütergemeinschaft wird der Betrieb zum Gesamtgut gerechnet<br />

- Haftung <strong>für</strong> Kredite und Bürgschaften<br />

- billig vermietete Grundstücke oder Anlagen<br />

- Gesellschaftsanteile<br />

- Über ihren typischen Rahmen der Lebensgemeinschaft hinaus bauen die Ehepartner<br />

gemeinschaftliches Vermögen auf<br />

- die Ehepartner üben eine berufliche Tätigkeit gemeinsam aus<br />

- zwischen dem <strong>mitarbeitende</strong>n Familienangehörigen und dem Unternehmer ist eine<br />

GbR entstanden<br />

- der Mitarbeiter geht hohe persönliche Risiken ein und genießt Freiheiten, wie sie<br />

keinen normalen Angestellten gewährt würden<br />

- der Arbeiter ist Prokurist und handelt nicht weisungsgebunden<br />

- der Angehörige darf das Firmenfahrzeug benutzen<br />

- der Angehörige kann Entscheidungen im Unternehmen erheblich beeinflussen<br />

- der Angehörige verfügt allein über das wesentliche Know-how und<br />

Branchenkenntnisse, so dass der Gesellschafter kaum mehr in der Lage ist das<br />

Unternehmen allein zu führen<br />

- der Angehörige bekommt kein regelmäßiges Gehalt, sondern leistet durch seinen<br />

Einsatz nur einen Beitrag zum gemeinsamen Lebensunterhalt<br />

- die Mithilfe im Betrieb ist nur gelegentlich oder unregelmäßig<br />

- das Familienmitglied arbeitet relativ unabhängig vom Betrieb, zum Beispiel zu Hause<br />

- der Angehörige darf mit sich selbst Geschäfte abschließen (Selbstkontrahierung)<br />

- das Beschäftigungsverhältnis ist durch familiäre Rücksichtnahme und durch ein<br />

gleichberechtigtes Nebeneinander gekennzeichnet, als durch den <strong>für</strong> einen<br />

Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis typischen Interessengegensatz<br />

- der Mitarbeiter ist „Kopf und Seele“ des Betriebes<br />

17 vgl. http://www.ra-franzke.de/artikel/580.html<br />

..10


- 10 -<br />

Arbeitnehmer<br />

- Sechsfach-Regelung, d. h. das sechsfache Jahresgehalt ist höher als der Betriebswert<br />

- nicht am Unternehmen beteiligt wegen Zugewinngemeinschaft, Gütertrennung und<br />

Gütergemeinschaft, wenn der Betrieb per Vertrag ausdrücklich Sondergut<br />

- der Angehörige übt die Beschäftigung tatsächlich aus und ist wie eine fremde<br />

Arbeitskraft in den Betrieb eingegliedert. Dies bedeutet auch, dass er zwingend an<br />

Stelle einer fremden Arbeitskraft beschäftigt ist.<br />

- der Angehörige unterliegt dem Weisungsrecht des Arbeitgebers<br />

- der Angehörige erhält ein angemessenes Arbeitsentgelt, das tatsächlich und laufend<br />

bezahlt wird<br />

- vom Arbeitsentgelt wird regelmäßige Lohnsteuer abgeführt<br />

- das Arbeitsentgelt wird als Betriebsausgabe gebucht<br />

- Sachbezüge werden nur anerkannt, wenn sie als Gegenleistung <strong>für</strong> abhängige Arbeit<br />

und nicht wegen der Verpflichtung des Ehegatten zum<br />

Familienunterhalt erbracht wurden<br />

- solange der Geschäftsführer kein Gesellschafter der GmbH ist, besteht in aller Regel<br />

eine Versicherungspflicht<br />

Fazit:<br />

Steuer- und Sozialversicherungsrecht sind grundverschieden. Steuer-, Arbeits- und<br />

Gesellschaftsrecht sehen die Betroffenen angestellten Angehörigen als nicht selbstständig.<br />

Sie erzielen Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit.<br />

Aber <strong>für</strong> die Sozialversicherungsträger gehören diese Betroffenen dennoch eher zur<br />

Unternehmerseite und werden häufig eben nicht als „abhängig beschäftigt“ anerkannt.<br />

Grund <strong>für</strong> diese unterschiedliche Sichtweise verschiedener Rechtsgebiete ist:<br />

Die Finanzverwaltung wurde in der Vergangenheit mehrfach vom Bundesverfassungsgericht<br />

„zurechtgewiesen“ mit Hinweis auf den grundgesetzlichen Schutz von Ehe und Familie 18 .<br />

Die Finanzverwaltung darf somit nur noch Verwandte und Ehegatten daran hindern, durch<br />

Ausnutzung der Verbundenheit und die Wahl unüblicher Vertragsgestaltungen die<br />

Steuereinnahmen des Staates zu mindern.<br />

18 BVerfGE 07.11.1995, 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34; 24.01.1962 1 BvL 32/57 1 BvR 232/60, BVerGE 13,<br />

290 (318)<br />

..11


- 11 -<br />

Beispiel: 19<br />

In Scheidung lebende Ehefrau wird zum Schein im Unternehmen des Noch-Mannes<br />

eingestellt, damit dieser den Trennungsunterhalt als Arbeitslohn steuerlich geltend machen<br />

kann - diese Konstellation wäre auch vom Finanzamt nicht mehr anerkannt. So lange aber ein<br />

Arbeitsvertrag existiert und eine Vergütung <strong>für</strong> tatsächlich geleistete Arbeit gezahlt wird,<br />

erzielt der angestellte Ehegatte / Angehörige auch Einkommen aus nichtselbstständiger<br />

Tätigkeit.<br />

Den Wunsch <strong>mitarbeitende</strong>r Familienangehöriger eine Möglichkeit zu schaffen, sich selbst,<br />

gleich zu Beginn, <strong>für</strong> das Angestelltenverhältnis oder <strong>für</strong> den Selbstständigenstatus zu<br />

entscheiden, hat die Bundesregierung bislang nicht erfüllt.<br />

In einer von mir gestellten Frage an die Bundesregierung 20 „[…] in welcher Gesamthöhe sind<br />

Sozialversicherungsbeiträge in den vergangenen fünf Jahren einbehalten worden?“ lautete die<br />

Antwort:<br />

„Aussagen zur Höhe der Beiträge, die wegen Verjährung nicht rückerstattet wurden, sind<br />

nicht möglich. Entsprechende Statistiken liegen nicht vor.“<br />

Die „Welt am Sonntag“ 21 hingegen stellt fest:<br />

Im Jahr 2002 „wurden bei den Betriebsprüfungen durch die Rentenversicherungsträger zu<br />

Unrecht entrichtete Gesamtsozialversicherungsbeiträge, d. h. Beiträge zur Renten-, Kranken-,<br />

Pflege- und Arbeitslosenversicherung in Höhe von 45,5 Millionen Euro festgestellt.<br />

Hiervon entfielen auf die Rentenversicherung 23,7 Millionen Euro.“<br />

Voraussichtlich im Februar 2005 wird ein „Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung der<br />

Verwaltungsverfahren im Sozialrecht – Verwaltungsvereinfachungsgesetz“ 22 im Bundesrat<br />

verhandelt werden. Es scheint, als sollten noch weniger Betroffene Rechtssicherheit erhalten.<br />

19 Ass. jur. Kathi-Gesa Klafke, http://www.financialnetworx.de<br />

20 aus der Antwort auf die „Frage an die Bundesregierung“ – 15. Mai 2003<br />

21 Ausgabe vom 27. April 2003<br />

22 BR-Drs. 676/04, insbesondere 6 b<br />

..12


- 12 -<br />

Ich bin der Auffassung, dass die Neuregelung den zahlreichen Betroffenen keine ausreichende<br />

Rechtssicherheit, geschweige denn soziale Gerechtigkeit bieten kann.<br />

Wenn Beiträge abgeführt werden, dann muss auch ohne Einschränkung eine Leistung<br />

erfolgen. Oder aber der Gesetzgeber muss entscheiden, dass Familienangehörige<br />

grundsätzlich nicht sozialversicherungspflichtig sind.<br />

..13


- 13 -<br />

Stellungnahme der BfA Berlin 23 zum Thema<br />

„Prüfung der <strong>Sozialversicherungspflicht</strong>igkeit von <strong>mitarbeitende</strong>n Familienangehörigen“<br />

„[…] zu Ihrer E-Mailanfrage vom 02.11.2004 nehmen wir zunächst zur derzeit noch<br />

geltenden Rechtslage wie folgt Stellung. Hat die Krankenkasse als Einzugsstelle des<br />

Gesamtsozialversicherungsbeitrags (vgl. § 28h Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB<br />

IV) bzw. ein Rentenversicherungsträger (LVA oder BfA) im Rahmen einer Betriebsprüfung<br />

(vgl. § 28p SGB IV) formell durch Bescheid (Verwaltungsakt) die Versicherungspflicht in der<br />

Arbeitslosenversicherung festgestellt, kann der Betroffene (z.B. <strong>mitarbeitende</strong>r Ehegatte oder<br />

Familienangehöriger) bei der Stelle, die den Bescheid erlassen hat, eine Entscheidung der<br />

Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit beantragen, ob diese dem Bescheid zustimmt.<br />

Es reicht nicht aus, wenn der Betroffene bei Beginn der Beschäftigung lediglich zur<br />

Sozialversicherung angemeldet wurde und seitdem laufend Beiträge abgeführt werden. Auch<br />

eine Betriebsprüfung eines Rentenversicherungsträgers, bei der die Beitragszahlung des<br />

Betroffenen nicht beanstandet wurde, ist insoweit nicht ausreichend.<br />

Sofern der Betroffene bisher nur angemeldet wurde, kann nur empfohlen werden, bei der<br />

Einzugsstelle die Feststellung der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung und<br />

gleichzeitig die Zustimmungserklärung durch die zuständige Arbeitsagentur zu beantragen.<br />

Die Zustimmungserklärung kann aber in den Fällen, in denen bereits ein Bescheid der<br />

Einzugsstelle oder des Rentenversicherungsträgers vorliegt, auch isoliert, aber dennoch nur<br />

bei der Einzugsstelle oder dem Rentenversicherungsträger, die bzw. der den Bescheid erlassen<br />

hat, beantragt werden. Ein Antragsrecht des Betroffenen direkt bei einer Arbeitsagentur<br />

besteht nicht. Stimmt die Agentur <strong>für</strong> Arbeit dieser Feststellung zu, ist sie leistungsrechtlich<br />

<strong>für</strong> fünf Jahre an ihre Zustimmung gebunden, d.h. ihr steht z.B. im Fall der Arbeitslosigkeit<br />

des Betroffenen kein neues Prüfrecht zu, sondern ist sie an ihre Leistungszusage gebunden<br />

und hat beim Vorliegen der weiteren Voraussetzungen Arbeitslosengeld zu zahlen. Dies<br />

ergibt sich aus § 336 SGB III i.d.F. bis zum 31.12.2004.<br />

23 Andreas Menthe, BfA Berlin - Grundsatzabteilung<br />

..14


- 14 -<br />

Die Möglichkeit einen solchen Zustimmungsantrag zu stellen, entfällt jedoch zum<br />

01.01.2005. Den Betroffenen (z.B. <strong>mitarbeitende</strong> Ehegatten oder Familienangehörige), die<br />

laufend beschäftigt sind, kann daher nur empfohlen werden, das o.g. Verfahren bei Bedarf<br />

schnellstmöglich einzuleiten.<br />

Durch das Vierte Gesetz <strong>für</strong> moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt - Hartz IV - vom<br />

24.12.2003 (BGBl. I, S. 2954) sowie den Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung der<br />

Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz - BR-Drucks.<br />

676/04 -) sollen ab 01.01.2005 Bestimmungen im SGB III (u.a. § 336) und SGB IV ergänzt<br />

bzw. geändert werden, die in ihrem Zusammenwirken zu einem Wegfall des bisherigen<br />

Zustimmungsverfahrens nach § 336 SGB III führen. Statt dessen wird <strong>für</strong> geschäftsführende<br />

Gesellschafter einer GmbH sowie <strong>für</strong> <strong>mitarbeitende</strong> Ehegatten und Lebenspartner ein<br />

Statusfeststellungsverfahren obligatorisch, an dessen Ergebnis die Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit<br />

(leistungsrechtlich) gebunden ist.<br />

Dieses Verfahren ist jedoch nur bei Neuanmeldungen ab 01.01.2005 durchzuführen, d.h. bei<br />

Beschäftigungsverhältnissen, die nach dem 31.12.2004 beginnen. Durch das o.g.<br />

Verwaltungsvereinfachungsgesetz soll der Personenkreis, bei dem dieses<br />

Statusfeststellungsverfahren durchzuführen ist, neben den geschäftsführenden GmbH-<br />

Gesellschaftern auf <strong>mitarbeitende</strong> Ehegatten und Lebenspartner beschränkt werden, d.h. in<br />

das Verfahren sollen - wie noch in Hartz IV vorgesehen - Verwandte und Verschwägerte in<br />

grader Linie bis zum zweiten Grad nicht mit einbezogen werden.<br />

Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung erstellen bzw. überarbeiten derzeit<br />

„Gemeinsame Grundsätze zur leistungsrechtlichen Bindung der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit an<br />

Bescheide in Statusfeststellungsverfahren (Bindungsregelung Arbeitslosenversicherung)“ und<br />

ein „Gemeinsames Rundschreiben zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von<br />

Angehörigen.“ Diese werden voraussichtlich im Dezember 2004 u.a. auf der Homepage des<br />

Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (www.vdr.de) zum Download bereit<br />

stehen.“

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