Erfahrungsbericht "Ross und Reiter nennen" - ver.di Gute Arbeit
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<strong>Ross</strong> <strong>und</strong> <strong>Reiter</strong> nennen<br />
Überlastungsschutz bei einer Sparkasse – ein <strong>Erfahrungsbericht</strong><br />
Psychische Belastungen durch <strong>di</strong>e <strong>Arbeit</strong>stätigkeit sind nach wie vor etwas, mit<br />
dessen Erfassung sich Betriebe <strong>und</strong> Dienststellen sehr schwer tun. Noch schwerer<br />
tut man sich damit, dagegen etwas zu unternehmen. Wie ein Überlastungsschutz<br />
errungen werden kann, zeigt das Beispiel einer Sparkasse mit 700 Mitarbeiterinnen<br />
<strong>und</strong> Mitarbeitern.<br />
Interessen<strong>ver</strong>tretung in belastender Situation<br />
Gebrodelt hat es schon länger, einen genauen Anfang könnte man gar nicht<br />
festmachen. Fusionen in der Vergangenheit ... Zusammenprallen <strong>ver</strong>schiedener<br />
Unternehmenskulturen ... immer wieder Umstrukturierungen in den <strong>Arbeit</strong>sabläufen<br />
... zunehmende <strong>Arbeit</strong>s<strong>ver</strong><strong>di</strong>chtung. All <strong>di</strong>es in Kombination mit der Unfähigkeit der<br />
Führung im Marktfolgebereich (hier in der Kre<strong>di</strong>tbearbeitung), mit den auch an sie<br />
gestiegenen Anforderungen durch <strong>di</strong>e Veränderungen <strong>und</strong> <strong>di</strong>e geänderten Vorgaben<br />
adäquat umzugehen.<br />
Nicht nur gebrodelt: Sondern bekannt. Jedenfalls dem Personalrat, dem Kolleginnen<br />
<strong>und</strong> Kollegen immer wieder von den Problemen <strong>und</strong> Überlastungen erzählten. Der<br />
PR, sowieso längst eigenaktiv dafür, <strong>di</strong>e Beschäftigten vor Überlastung zu schützen,<br />
mahnte auch immer <strong>und</strong> immer wieder beim Vorstand der Sparkasse an. Keineswegs<br />
halbherzig, dennoch wenig erfolgreich: Ohne dass sich Beschäftigte bereit erklären,<br />
konkrete Missstände zu benennen <strong>und</strong> persönlich zu bezeugen, kann eine<br />
Interessen<strong>ver</strong>tretung schwer konkrete Maßnahmen erstreiten. Oft scheitert <strong>di</strong>es<br />
bereits daran, dass <strong>di</strong>e <strong>Arbeit</strong>geberseite nicht glaubt, dass <strong>di</strong>e Missstände (so)<br />
vorhanden sind.<br />
Selbst<strong>ver</strong>ständlich hat der Personalrat dennoch nicht <strong>di</strong>e Hände in den Schoß gelegt.<br />
So wurde u. a. ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) eingeführt <strong>und</strong><br />
<strong>di</strong>e Vorgehensweise in einer Dienst<strong>ver</strong>einbarung <strong>ver</strong>ankert. Eine Lösung für <strong>di</strong>e<br />
Probleme im Marktfolgebereich Kre<strong>di</strong>t, <strong>di</strong>e nur im Vertrauen geäußert worden waren,<br />
stellt das aller<strong>di</strong>ngs nicht dar.<br />
So soll es generell nicht sein: „Das BEM funktioniert sehr gut bei uns. Wir als<br />
Interessen<strong>ver</strong>tretung wollen das aber nicht mehr so. Erst gehen <strong>di</strong>e Menschen durch<br />
<strong>di</strong>e Überlastung in <strong>di</strong>e Knie <strong>und</strong> dann kommen sie wieder (mehr oder weniger) fit in<br />
<strong>di</strong>e <strong>Arbeit</strong> zurück. Das ändert nichts an den Ursachen. Wir als Personalrat kriegen da<br />
auch mehr mit. Wir sehen z. B. an den Fehltagen <strong>und</strong> wissen aus Gesprächen, dass<br />
viele bereits der jungen Kollegen <strong>und</strong> Kolleginnen <strong>di</strong>e Überlastung auszugleichen<br />
<strong>ver</strong>suchen durch häufige Kurz-<strong>Arbeit</strong>sunfähigkeiten – ohne dass sich soviel<br />
ansammelt, dass daraus BEM-Fälle werden. Die zunehmende Zahl der älteren<br />
Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen sehen <strong>di</strong>e Lösung in der Altersteilzeit. Die kann jedoch kein<br />
Allheilmittel sein, zumal viele der Betroffenen dafür wiederum zu jung sind. Und so<br />
viele Tätigkeiten, bei denen der Zeitdruck nicht so hoch ist, gibt es bei uns nicht.<br />
Ersatzarbeitsplätze sind also auch keine Lösung,“ so <strong>di</strong>e Personalratsvorsitzende der<br />
Sparkasse.<br />
Gebrodelt hat es also schon länger, das Fass zum Überlaufen brachte dann <strong>di</strong>e<br />
Installation (Migration) einer b<strong>und</strong>esweit neuen Sparkassen-Software als zusätzliche<br />
Aufgabe zur normalen <strong>Arbeit</strong> hinzu. Von allein ändern aber selbst übergelaufene
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Fässer nichts – dafür braucht es konkrete Maßnahmen. Ebenso, wie es nicht einen<br />
Anfang <strong>und</strong> eine Ursache gab, waren es deshalb auch unterschiedliche Aktivitäten,<br />
<strong>di</strong>e zu Lösungen führten.<br />
Zusammenhalt, Mut <strong>und</strong> Unbeirrbarkeit<br />
Mit der Einführung der neuen Software, immerhin einer technischen Umstellung <strong>di</strong>e<br />
nahezu alle <strong>Arbeit</strong>sschritte betrifft, eskalierte <strong>di</strong>e Situation in der Kre<strong>di</strong>tabteilung<br />
Privatk<strong>und</strong>en. War <strong>di</strong>e <strong>Arbeit</strong> schon vorher kaum in der normalen <strong>Arbeit</strong>szeit zu<br />
bewältigen, so ging jetzt nur noch permanentes Löcherstopfen. Immer <strong>ver</strong>b<strong>und</strong>en mit<br />
der Gefahr, dass den Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen im Marktbereich besonders bei der<br />
Beratung von K<strong>und</strong>en nicht ausreichend schnell oder schlimmstenfalls sogar nicht<br />
korrekte Daten vorliegen könnten. Die Unzufriedenheit mit dem gängelnden<br />
Führungsstil eines Vorgesetzten erreichte den Siedepunkt, als er jeglichen<br />
Gesprächen zur <strong>Arbeit</strong>ssituation auswich <strong>und</strong> buchstäblich – urlaubshalber – das<br />
Weite suchte.<br />
So kaltstellen lassen wollten sich <strong>di</strong>e Beschäftigten keineswegs <strong>und</strong> <strong>ver</strong>suchten, bei<br />
der nächsthöheren Führungskraft einen Gesprächstermin zu erhalten. Einen solchen<br />
erhielten sich aber erst nach dessen ebenfalls bald anstehendem Urlaub. Und das<br />
war ihnen angesichts der zugespitzten Problemlage deutlich zu spät. Eine Kollegin<br />
wandte sich daraufhin an den Personalrat.<br />
Der PR war entschlossen, mit den Kollegen <strong>und</strong> Kolleginnen eine echte <strong>und</strong> bald<br />
einsetzende Lösung gegen <strong>di</strong>e Überlastung durchzusetzen <strong>und</strong> dafür weiter nach<br />
oben zu gehen. Derart offiziell wäre <strong>di</strong>es jedoch nur möglich, wenn Menschen bereit<br />
sein würden, mit ihrem Namen zu den Schilderungen der <strong>Arbeit</strong>ssituation zu stehen<br />
<strong>und</strong> gegebenenfalls ihre eigenen Erfahrungen vorzutragen.<br />
Eine Kollegin fasste den Mut dazu: „Es reicht, so kann es nicht weitergehen. Ihr könnt<br />
meinen Namen nennen!“ Auch wenn das ganze <strong>Arbeit</strong>steam sich einig war <strong>und</strong><br />
zusammen stand, war das doch ein weitergehender Schritt. Der das dann Folgende<br />
ermöglichte.<br />
„Ein Selbstläufer war das dann immer noch nicht. Jahrelang bek<strong>und</strong>ete der<br />
Vorstandsvorsitzende ‚meine Tür steht jedem offen’, nun war das erst einmal anders.<br />
Wir als Personalrat haben das dann eingefordert, sonst wären all <strong>di</strong>e schönen Worte<br />
nur Schall <strong>und</strong> Rauch,“ schildert <strong>di</strong>e PR-Vorsitzende <strong>di</strong>e Hartnäckigkeit der<br />
Interessen<strong>ver</strong>tretung.<br />
Bei allem Zusammenhalt im Team <strong>und</strong> auch mit der Unterstützung des Personalrates<br />
an ihrer Seite war es der mutigen Mitarbeiterin aus der Kre<strong>di</strong>tabteilung vor dem<br />
schließlich anberaumten Gespräch doch ziemlich mulmig: „So gegen den Chef, das<br />
kriegst du doch jeden Tag zurück.“ „Wir sorgen dafür, dass das nicht passiert,“ stand<br />
der PR an ihrer Seite.<br />
Hinterher war <strong>di</strong>e Erleichterung groß, ein „super Gespräch“ wäre es gewesen. Noch<br />
größer waren <strong>di</strong>e Möglichkeiten, nun endlich etwas konkret gegen <strong>di</strong>e Probleme zu<br />
unternehmen.
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In großer R<strong>und</strong>e (<strong>di</strong>e gesamte Abteilung, der Vorgesetzte, Personalrat,<br />
Personal<strong>di</strong>rektion sowie Vorstand) wurde zunächst <strong>di</strong>e Gesamtsituation aus Sicht<br />
aller besprochen. Und ein Lösungspaket angestoßen:<br />
In extern moderierten Workshops für <strong>di</strong>e Abteilung konnten sich Beschäftigte <strong>und</strong><br />
Vorgesetzter ihren Problemen untereinander stellen. Die Führungskraft wurde durch<br />
ein Coaching unterstützt. „Still ruht der See: All das läuft weiterhin. Wir lassen dem<br />
Zeit, haben aber ein Auge darauf,“ ist <strong>di</strong>e derzeitige Herangehensweise des<br />
Personalrates.<br />
Gegen <strong>di</strong>e <strong>Arbeit</strong>süberlastung wurden für <strong>di</strong>e Zeit der Programm-Umstellung<br />
Aushilfen eingestellt <strong>und</strong> <strong>di</strong>e Gleitzeitregelung (unterhalb der 10-St<strong>und</strong>en-Grenze)<br />
ausgeweitet: „Dies war der Wunsch der Beschäftigten selbst: Sie wollten ein<br />
freiwilliges begrenztes Mehr statt <strong>Arbeit</strong>en ohne Ende, um aus dem Druck<br />
rauszukommen. Aller<strong>di</strong>ngs selbstgewählt, gezwungen werden kann niemand. Die<br />
Kollegen <strong>und</strong> Kolleginnen selbst entscheiden, ob sie überhaupt Mehrarbeit leisten<br />
<strong>und</strong> falls ja, wann. Viele der Frauen mit Familie, <strong>di</strong>e Teilzeit arbeiten, wollen<br />
beispielsweise gerne am Samstag kommen: Da ist der Mann daheim bei den<br />
Kindern. Wochentags länger zu bleiben, finden sie belastend. Wir als<br />
Interessen<strong>ver</strong>tretung überwachen das alles, damit <strong>di</strong>e Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen auch<br />
wirklich sou<strong>ver</strong>än mit ihrer <strong>Arbeit</strong>s- <strong>und</strong> damit auch Freizeit umgehen können. Der<br />
Wunsch der Beschäftigten muss durch eine klare Regelung unterstützt, deren<br />
Einhaltung kontrolliert werden. Sonst ufert das leicht aus <strong>und</strong> ist dann eben kein<br />
Belastungsschutz.“<br />
Überlastungen, so zeigte sich, kamen nicht allein aus dem Miss<strong>ver</strong>hältnis von<br />
<strong>Arbeit</strong>smenge <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>szeit sowie unpassendem Führungs<strong>ver</strong>halten. Auch <strong>di</strong>e<br />
<strong>Arbeit</strong>sorganisation <strong>und</strong> der Umgang mit Fehlern erwiesen sich als<br />
Belastungsquellen. Die Abteilung entschied sich für eine Aufgaben<strong>ver</strong>teilung nach<br />
in<strong>di</strong>viduellen Stärken. „Die einen können das besser, <strong>di</strong>e anderen jenes. Und was<br />
man gut kann, geht einem leicht von der Hand.“ So ein Modell gegen Überforderung<br />
kann jedoch nur funktionieren, wenn damit keine Herabgruppierung Einzelner<br />
einhergeht – genau so ist es in der Sparkasse festgelegt. Der Kerngedanke besteht<br />
darin, dass das gesamte Team <strong>di</strong>e gleiche <strong>Arbeit</strong> wie zuvor bewältigt, aber weniger<br />
holprig <strong>und</strong> vor allem weniger überfordernd.<br />
„Wir sehen natürlich <strong>di</strong>e Gefahren eines solchen Modells,“ so <strong>di</strong>e<br />
Personalratsvorsitzende: „Dass <strong>di</strong>e <strong>Arbeit</strong>steilung noch größer wird <strong>und</strong> <strong>di</strong>e Vielfalt<br />
der Aufgaben abnimmt. Damit werden <strong>di</strong>e Beschäftigten weniger einsetzbar, was<br />
letztlich ihre Beschäftigungsfähigkeit einschränkt. Einseitige <strong>und</strong> damit wenig<br />
fordernde Tätigkeiten sind außerdem an sich belastend, sie können krank machen.<br />
Die Kollegen <strong>und</strong> Kolleginnen haben sich <strong>di</strong>ese <strong>Arbeit</strong>saufteilung so gewünscht <strong>und</strong><br />
sind zufrieden damit. Momentan geht es allen gut, wir wollen da nicht reingrätschen –<br />
noch läuft <strong>di</strong>e Mehrarbeit wegen Migration der Software. Wir wissen noch nicht, wie<br />
der Prozess der Kre<strong>di</strong>tbearbeitung längerfristig optimiert werden kann - im Sinne der<br />
Beschäftigten! Für uns war wichtig, dass jetzt etwas Konkretes getan wurde <strong>und</strong> dass<br />
wir weitermachen. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel: Ein kontinuierlicher Prozess,<br />
auch für <strong>di</strong>e Interessen<strong>ver</strong>tretung.“
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Deutliche Worte <strong>und</strong> rechtlich f<strong>und</strong>iertes Handeln<br />
Kurz vorher, aller<strong>di</strong>ngs zunächst ohne Zusammenhang zu den Aktivitäten in der<br />
Abteilung Kre<strong>di</strong>t Privatk<strong>und</strong>en, gab es noch an anderer Stelle des Marktfolgebereichs<br />
Kre<strong>di</strong>t ein Aufstehen gegen Überlastung.<br />
Der stell<strong>ver</strong>tretende Leiter des Kre<strong>di</strong>tsekretariats, zugleich in der Projektleitung des<br />
Software-Projekts, sah nicht allein seine Ges<strong>und</strong>heit in Gefahr, sondern auch <strong>di</strong>e der<br />
anderen Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter. Er sah sich darüber hinaus in der<br />
Verantwortung, auf Risiken für den Echtbetrieb durch <strong>di</strong>e Migration der Software<br />
unter solchen <strong>Arbeit</strong>sbe<strong>di</strong>ngungen hinzuweisen. Er wählte den Weg einer<br />
sogenannten Überlastungsanzeige nach <strong>Arbeit</strong>sschutzgesetz: Sehr detailliert zählte<br />
er nicht nur auf, was überlastend für ihn war, sondern nannte auch <strong>di</strong>e<br />
hauptsächliche Ursache: Zu wenig Personal.<br />
Geradezu wohlwollend wurde <strong>di</strong>e Überlastungsanzeige – <strong>di</strong>e erste in der Sparkasse<br />
überhaupt – von der Personal<strong>di</strong>rektion aufgenommen, gerne wolle man sich zu einem<br />
klärenden Gespräch treffen. Dazu nahm der Verfasser der Überlastungsanzeige den<br />
Personalrat mit: Das war, wie sich zeigen sollte, gut so.<br />
Selbst<strong>ver</strong>ständlich sei man als <strong>Arbeit</strong>geber in der Verantwortung, seine Ges<strong>und</strong>heit<br />
zu schützen. Man bot ihm an, zunächst in Urlaub zu gehen. Bereits <strong>di</strong>es hörte sich<br />
nur oberflächlich hilfreich an – eine Lösung der geschilderten Probleme war es ja<br />
nicht. Danach zogen regelrecht Gewitterwolken am fürsorglichen Schönwetterhimmel<br />
auf: Um ihn zu entlasten, schlug man vor, er solle seine Teilprojektleiterstelle<br />
aufgeben <strong>und</strong> eine der freien Sachbearbeiterstellen in seiner Abteilung einnehmen.<br />
Vier Gehaltsstufen niedriger, ohne stell<strong>ver</strong>tretende Führungsposition.<br />
„Das geht mal gar nicht,“, so <strong>di</strong>e PR-Vorsitzende mit Blick auf das<br />
<strong>Arbeit</strong>sschutzgesetz. Geht es demzufolge doch weniger um ein in<strong>di</strong>viduelles ‚Ich<br />
kann nicht mehr’ als vielmehr darum, Gefährdungen durch <strong>di</strong>e <strong>Arbeit</strong>stätigkeit<br />
aufzuzeigen. Die der <strong>Arbeit</strong>geber <strong>ver</strong>pflichtet ist abzustellen oder möglichst<br />
weitgehend zu minimieren <strong>und</strong> nicht als Schwäche Einzelner umdeuten darf.<br />
Personalrat <strong>und</strong> Mitarbeiter machten klar, dass sie sich unter Lösung etwas gänzlich<br />
Anderes vorstellen. Was hier lief, war nicht allein ein abwertendes Verhalten<br />
gegenüber einem Beschäftigten, sondern völlig gegen <strong>di</strong>e Intention des Gesetzes,<br />
Gefährdungen abzubauen. Und als sei das Verhalten der Personal<strong>di</strong>rektion im<br />
Gespräch nicht bereits unpassend gewesen, war dann auch noch das Protokoll des<br />
‚Klärungs’-Gespräches in wesentlichen Teilen nicht deckungsgleich mit dem<br />
Besprochenen.<br />
Nun, auch <strong>di</strong>ese Aktivität gegen Überlastung lief über mehrere Stufen letztlich bis<br />
hoch zum Vorstand: Mitarbeiter, Personalrat <strong>und</strong> hier zusätzlich der <strong>ver</strong>.<strong>di</strong>-Sekretär<br />
als Rechtsbeistand dabei. Es zeigte sich, dass dem Vorstand ganz andere<br />
Sichtweisen kommuniziert worden waren. Tatsächlich waren nämlich noch nicht<br />
einmal <strong>di</strong>e Stellen des normalen Stellenplans besetzt, weil Altersteilzeitler in <strong>di</strong>e<br />
Ruhephase gegangen waren. Diese Stellen wurden nun ebenso besetzt wie eine<br />
weitere neue Stelle geschaffen. Der Vorstandsvorsitzende war entsetzt, er wolle auf<br />
keinen Fall, dass Mitarbeiter krank zur <strong>Arbeit</strong> kämen, um Personalengpässe<br />
auszugleichen.
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Fürs Erste ist also eine Lösung umgesetzt: Durch das Mehr <strong>und</strong> <strong>di</strong>e Wiederbesetzung<br />
der Stellen, aber auch dadurch, dass es PR <strong>und</strong> <strong>ver</strong>.<strong>di</strong> gelungen ist, den Verfasser<br />
der Überlastungsanzeige zu schützen.<br />
Die Ereignisse, <strong>di</strong>e letztlich zum Belastungsschutz in zwei Abteilungen der<br />
Kre<strong>di</strong>tbearbeitung geführt haben, zeigten daneben auch, dass eine Fülle von<br />
strukturellen Problemen besteht: Die mangelhafte Kommunikation zwischen<br />
<strong>ver</strong>schiedenen Hierarchieebenen, das Un<strong>ver</strong>mögen der Personal<strong>di</strong>rektion zu<br />
adäquater Herangehensweise bei Überlastungssituationen <strong>und</strong> – auch im zweiten Fall<br />
festzustellen – <strong>di</strong>e Überforderung von Vorgesetzen durch ihre Führungsaufgabe.<br />
Auch dass für <strong>di</strong>e wachsenden Aufgaben zu wenig Beschäftigte vorhanden sind,<br />
sieht eher nach einem Dauerzustand aus, der mit der erfolgreichen Inbetriebnahme<br />
der Software nicht zu Ende sein wird. Das Erreichte hat den Charakter von<br />
Etappensiegen. Momentan sind Aufgaben für <strong>di</strong>e kommenden Monate <strong>ver</strong>teilt,<br />
‚Führung <strong>und</strong> Zusammenarbeit’ ist Thema auch für den Vorstand, über <strong>di</strong>e laufenden<br />
Maßnahmen wird jede Woche ein Report erstellt.<br />
Dranbleiben <strong>und</strong> ‚weiter’ machen<br />
Der Personalrat hat eine <strong>di</strong>fferenzierte Sicht auf das Erreichte: „Es ist sehr wichtig,<br />
dass wir etwas durchgesetzt haben zum Überlastungsschutz in den beiden<br />
Kre<strong>di</strong>tabteilungen. Fast noch wichtiger ist, was sich im Haus getan hat. Die haben<br />
alle hingeschaut, ob da jetzt einer von denen, <strong>di</strong>e namentlich Missstände benannt<br />
haben, ‚gehängt’ wird oder nicht. Die Erfolge haben sich herumgesprochen, da<br />
werden sich <strong>di</strong>e Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen zukünftig mehr trauen. Außerdem ist das<br />
mit der Überlastungsanzeige durch, das wissen jetzt alle, dass <strong>di</strong>ese rechtlich<br />
abgesichert geht.“<br />
Darüber hinaus ist <strong>di</strong>e Anerkennung für <strong>di</strong>e <strong>Arbeit</strong> des PR gewachsen: „Die haben<br />
was aufgedeckt“. Vorstand wie Direktionen sind wachgerüttelt <strong>und</strong> manche<br />
Führungskräfte haben Bedenken, dass sie „auch einen drüberkriegen“ – dabei war<br />
<strong>di</strong>es ja nie das Ziel, Überlastungsschutz muss schließlich für alle gelten, ergo auch<br />
für <strong>di</strong>e Führungskräfte.<br />
Ein Selbstläufer ist der Überlastungsschutz bei allen Erfolgen keinesfalls. Einerseits<br />
kontrolliert der Personalrat <strong>di</strong>e angestoßenen Maßnahmen. Und bleibt auf dem<br />
eigenaktiven Weg für weitere, dauerhafte Lösungen. Andererseits sind <strong>di</strong>e<br />
Beschäftigten „erst zart angesteckt, ‚Land unter’ zu melden“. Auch aus der<br />
Kre<strong>di</strong>tabteilung Firmenk<strong>und</strong>en kommen nun Signale, dass es Engpässe gibt. Der<br />
Überlastungsschutz muss weitere Kreise ziehen: „Wir brauchen da noch interne<br />
Werbung. Wir brauchen Vertrauen <strong>und</strong> neue Routinen <strong>und</strong> ein Erkennen, wie wichtig<br />
der Erhalt der <strong>Arbeit</strong>skraft ist.“<br />
Der nächste Schritt ist <strong>di</strong>e kommende Personal<strong>ver</strong>sammlung. Mit spielerischen<br />
Aktionen sollen <strong>di</strong>e Überlastungen aus nicht erfüllbaren Zielvorgaben zum Thema<br />
gemacht werden. Die Sicht der Beschäftigten soll durch Punktbewertungen zum<br />
Anreizsystem (zusätzliche leistungsorientierte Zahlungen) abgefragt <strong>und</strong> sichtbar<br />
gemacht werden.<br />
Es geht ‚einfach’ weiter. Weil es bei der Verbesserung der <strong>Arbeit</strong>sbe<strong>di</strong>ngungen kein<br />
Ende geben kann. Erfolge sind da immer Zwischenschritte – doch sie sind möglich.
6<br />
Der strategisch agierende Personalrat ist sowohl für kurz- wie langfristige Ziele aktiv<br />
<strong>und</strong> sich bewusst, dass Interessen<strong>ver</strong>tretungsarbeit ein kontinuierlicher Prozess in<br />
Etappen ist.<br />
Solch eine Schrittabfolge zeigte sich in der Lösung der beiden konkreten<br />
Überlastungssituationen: Der erste Schritt bestand darin, <strong>di</strong>e Probleme sichtbar zu<br />
machen <strong>und</strong> aus Sicht der Beschäftigten zu benennen. Zweitens auch bei der<br />
Lösungssuche möglichst alle Betroffenen zu beteiligen. Im nächsten Schritt ging es<br />
darum, <strong>ver</strong>schiedene Handlungsmöglichkeiten aus Sicht der Beschäftigten zu<br />
entwickeln <strong>und</strong> umzusetzen. Sowohl feste Vereinbarungen <strong>und</strong> deren Kontrolle, als<br />
auch das Gespür dafür, den einzelnen Maßnahmen ausreichend Zeit zu lassen, war<br />
dann <strong>di</strong>e Voraussetzung für den letzten, quasi fortlaufenden Schritt: Darauf zu<br />
schauen, ob gegebenenfalls Weiterentwicklungen nötig sind.<br />
Den Überlastungsschutz in der Sparkasse machte das Zusammenwirken mehrerer<br />
Faktoren möglich: Das Agieren des Personalrates, der Zusammenhalt der<br />
Beschäftigten, der Mut Einzelner, <strong>di</strong>e rechtliche Unterstützung durch <strong>di</strong>e<br />
Gewerkschaft <strong>und</strong> letztlich der Wille aller, zu konstruktiven Lösungen bereit zu sein.<br />
Sich geeignete Verbündete zu suchen, war ein wesentlicher Erfolgsfaktor, genauso<br />
wie: Nicht locker zu lassen, sich nicht einschüchtern zu lassen.