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Seite 1<br />
Kanzleizeitung vom 2.04.2013<br />
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Steuerrecht - Barmittel<br />
Kontrolle der mitgeführten Barmittel beim Grenzübertritt.<br />
Die Mitnahme von Bargeld über die<br />
Grenze ist nicht verboten. Inzwischen<br />
dürfte aber allgemein bekannt<br />
sein, dass den Zollbehörden Barmittel<br />
im Wert von mehr als 10.000 Euro<br />
beim Grenzübergang grundsätzlich<br />
bekannt gemacht werden müssen.<br />
Trotzdem werden bei Grenzkontrollen<br />
immer wieder unzulässig hohe<br />
Bargeldbeträge entdeckt.<br />
Deklarationspflicht<br />
Beispiel: Die Eheleute Meier möchten<br />
sich ein neues Auto kaufen. Zu<br />
diesem Zweck fahren sie nach Luxemburg,<br />
wo sie über ein Konto mit<br />
den benötigten Barmitteln verfügen.<br />
Von ihrem Konto heben sie insgesamt<br />
40.000 Euro ab und verstauen<br />
von diesem Geld 20.000 Euro unter<br />
dem Rücksitz ihres Pkw. Da das<br />
Konto den Finanzbehörden bisher<br />
nicht bekannt ist befürchten sie<br />
Schwierigkeiten. An der Grenze werden<br />
sie angehalten. Sie<br />
verschweigen den Zöllnern<br />
auch auf Nachfrage<br />
die versteckten<br />
20.000 Euro, die aber<br />
vom Zoll entdeckt werden.<br />
Eine zwingende Deklarationspflicht<br />
ohne<br />
Nachfrage der Zollbehörden<br />
besteht nur,<br />
wenn es mit den Barmitteln<br />
in ein Drittland<br />
oder von dort wieder<br />
zurück in die EU geht.<br />
Dann sind mitgeführte<br />
Barmittel eigenständig,<br />
auch ohne Kontrolle<br />
grundsätzlich zu melden.<br />
Erfolgt beim<br />
Grenzübergang dagegen eine Kontrolle<br />
der Zollstelle, wie im Beispielfall,<br />
müssen die mitgeführten Mittel<br />
unbedingt sofort erklärt werden.<br />
Bei Barmitteln im Wert von mehr<br />
als 10.000 Euro verlangen die EU-<br />
Zöllner neben dem genauen Bestand<br />
mündlich Auskunft zur Herkunft und<br />
Verwendungszweck der mitgeführten<br />
Mittel sowie die kompletten<br />
Personalien und Angaben zu geplanten<br />
Reisewegen und Verkehrsmitteln.<br />
Diese Meldepflicht gilt neben<br />
mitgeführten Euros auch für alle anderen<br />
Währungen (US-Dollar, englisches<br />
Pfund) und Wertpapiere, wie<br />
zum Beispiel Schecks. Außerdem<br />
muss auch die Herkunft der Geldmittel<br />
erläutert werden.<br />
Bußgeldverfahren<br />
Die schriftliche Deklaration erfolgt<br />
bei der Zollstelle des EU-Mitgliedsstaates,<br />
aus der die Ausreise oder<br />
die Rückreise in die EU erfolgt. Werden<br />
mitgeführte Mittel anlässlich der<br />
Kontrolle verschwiegen und nicht<br />
deklarierte Barbestände festgestellt,<br />
wird stets ein Bußgeldverfahren mit<br />
empfindlichen Geldbußen eingeleitet.<br />
Die Geldbuße beträgt in der Regel<br />
25 Prozent des mitgeführten<br />
Barbetrages, kann aber bei Vorliegen<br />
mildernder Umstände verringert<br />
oder aber auch erhöht werden.<br />
Beispiel: Die Eheleute Meier zeigen<br />
jeweils 10.000 Euro vor. Die<br />
Zollbeamten bleiben misstrauisch,<br />
durchsuchen das Auto und finden<br />
prompt die weiteren 20.000 Euro<br />
sowie einen im Kofferraum versteckten<br />
Bankbeleg über Kontoguthaben<br />
von 200.000 Euro. Die Eheleute<br />
Meier bleiben dabei, die Mittel<br />
nicht bei der Bank in Luxemburg<br />
abgehoben zu haben. Das Kontoguthaben<br />
stamme aus angespartem Vermögen.<br />
Milderungsgründe können darin liegen,<br />
dass die Aufklärung über die<br />
Herkunft des nicht erklärten Betrages<br />
unverzüglich, (noch) anlässlich<br />
der Kontrolle erfolgt und die mitgeführten<br />
Barmittel vorgezeigt werden<br />
bevor sie in einem Versteck aufgefunden<br />
werden. Das haben die Eheleute<br />
Meier verpasst. Können sie<br />
aber die legale Herkunft der mitgeführten<br />
Barmittel im dann laufenden<br />
Bußgeldverfahren beweisen, kann<br />
das nach der Rechtsprechung noch<br />
bußgeldmindernd berücksichtigt<br />
werden. Ob es dann bei den 25 Prozent<br />
verbleibt, hängt von den übrigen<br />
Umständen ab.<br />
Steuer<br />
Die Zollbehörden können nicht nur<br />
die Barmittel, sondern auch die gefundenen<br />
Kontounterlagen an das<br />
zuständige Finanzamt weiterleiten.<br />
Stellt sich dann heraus, dass die Barmittel<br />
und das Kontoguthaben aus<br />
nicht versteuertem Vermögen stammen,<br />
wird neben dem Bußgeldverfahren<br />
ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren<br />
wegen Steuerhinterziehung<br />
eingeleitet.<br />
In diesem Fall kann eine sofortige<br />
Selbstanzeige nach der Beschlagnahme<br />
noch zulässig sein und somit die<br />
Bestrafung wegen Steuerhinterziehung<br />
verhindern.<br />
Die Sperrwirkung<br />
für eine Selbstanzeige<br />
gilt nur soweit, wie die<br />
Entdeckung tatsächlich<br />
oder teilweise reicht. Alles,<br />
was mit den entdeckten<br />
Vorgängen in<br />
keinem Zusammenhang<br />
steht, kann noch strafbefreiend<br />
angezeigt<br />
werden. Zur Abklärung<br />
der rechtlichen Möglichkeiten<br />
einer Selbstanzeige<br />
sollte unbedingt<br />
ein versierter Rechtsanwalt<br />
oder Steuerberater<br />
eingeschaltet werden.<br />
Eine weitere Folge des Aufgreifens<br />
durch die Zollbehörde ist, dass die<br />
eingesammelten Daten per EDV unter<br />
den einzelnen EU-Staaten austauschbar<br />
sind. Der deutsche wie<br />
auch der ausländische Zoll können<br />
also verdächtige Reisende nach<br />
Deutschland melden und umgekehrt.<br />
Die Informationen wandern dann an<br />
Zoll-, Polizei-, Justiz- und sonstige<br />
Verwaltungsämter. Diese personenbezogenen<br />
Daten dürfen auch an Finanzbehörden<br />
gehen, soweit sie für<br />
die Steuerfestsetzung oder ein Hinterziehungsverfahren<br />
relevant erscheinen.<br />
Autor: RA Dr. Heinrich Schaefer-Drinhausen,<br />
Köln<br />
Familienrecht -<br />
Sorgerecht<br />
Eigentum durch<br />
Videoüberwachung schützen.<br />
Der Schutz vor Einbruch und unerwünschtem<br />
Zutritt lassen oftmals<br />
den Wunsch nach Videoüberwachung<br />
des Grundstücks entstehen.<br />
Auf der anderen Seite fühlen sich<br />
Nachbarn durch Videoüberwachung<br />
provoziert und bespitzelt. Damit<br />
stellt sich die Rechtsfrage: Ist die<br />
Videoüberwachung des eigenen<br />
Grundbesitzes uneingeschränkt zulässig?<br />
Die Antwort ist ein klares<br />
Nein.<br />
mehr auf Seite 2<br />
Wirtschaftsrecht -<br />
Ersatzteile<br />
Verfügbarkeit von Ersatzteilen<br />
Wie lange muss der Produzent Ersatzteile<br />
bereitstellen oder lagern,<br />
nachdem er die Herstellung der entsprechenden<br />
Maschine oder Anlage<br />
eingestellt hat? Gesetzlich ist diese<br />
Frage nicht geregelt. Man sucht vergeblich:<br />
Weder in einem Gesetz, noch<br />
in einer Verordnung oder EU-Richtlinie<br />
finden sich konkrete Normen,<br />
die eine Antwort liefern. Zehn Jahre<br />
sei der Produzent verpflichtet, Ersatzteile<br />
zu liefern - diese Auffassung<br />
wird oft vertreten. Wenn diese<br />
Ansicht auch in der Praxis Rückhalt<br />
findet (denn viele ...<br />
mehr auf Seite 3<br />
Arbeitsrecht -<br />
Betriebsbedingte<br />
Kündigung<br />
Rechtsmissbrauch bei der<br />
Unternehmerentscheidung zur<br />
betriebsbedingten Kündigung.<br />
Das Bundesarbeitsgericht überprüft<br />
die unternehmerische Entscheidung<br />
bei betriebsbedingten Kündigungen<br />
regelmäßig nur auf Willkür.<br />
Schließlich hat auch ein Unternehmer<br />
ein verfassungsrechtlich geschütztes<br />
Recht an seinem Gewerbebetrieb<br />
und kann diesen deshalb<br />
grundsätzlich so organisieren, wie er<br />
es für richtig hält. Vielfach bietet sich<br />
aber Anlass überprüfen zu lassen,<br />
ob dringende, betriebliche ...<br />
mehr auf Seite 4
Seite 2<br />
Kanzleizeitung vom 2.04.2013<br />
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Immobilienrecht -<br />
Videoüberwachung<br />
Darf Eigentum durch<br />
Videoüberwachung geschützt werden?<br />
Der Schutz vor Einbruch und unerwünschtem<br />
Zutritt lassen oftmals<br />
den Wunsch nach Videoüberwachung<br />
des Grundstücks entstehen.<br />
Auf der anderen Seite fühlen sich<br />
Nachbarn durch Videoüberwachung<br />
provoziert und bespitzelt. Damit<br />
stellt sich die Rechtsfrage: Ist die<br />
Videoüberwachung des eigenen<br />
Grundbesitzes uneingeschränkt zulässig?<br />
Die Antwort ist ein klares<br />
Nein.<br />
Grundrechte<br />
Es ist grundsätzlich Inhalt des Eigentumsrechts,<br />
auf dem eigenen<br />
Grundbesitz zu tun und zu lassen,<br />
was gesetzlich erlaubt ist und keine<br />
Rechte Dritter verletzt. Der Schutz<br />
des Eigentums erlaubt es, das eigene<br />
Grundstück zu überwachen und gegen<br />
Einbruch zu sichern. Dazu gehört<br />
die Installation einer Videoüberwachung,<br />
soweit sie ausschließlich<br />
das eigene Grundstück erfasst. Bei<br />
der Installation einer Überwachungskamera<br />
sind allerdings die<br />
Rechte der Nachbarn und unbeteiligter<br />
Dritter zu beachten, die nicht<br />
kontrolliert, gefilmt und überwacht<br />
werden dürfen.<br />
Mit dem Recht am Eigentum, wozu<br />
auch das Recht auf Schutz des Eigentums<br />
zählt, kollidiert das Persönlichkeitsrecht<br />
anderer Personen, das<br />
ebenso wie das Recht am Eigentum<br />
verfassungsmäßigen Schutz genießt.<br />
Zwischen den Rechtsgütern mit Verfassungsrang<br />
ist eine Güterabwägung<br />
vorzunehmen. Wie geschieht<br />
diese Abwägung? Niemand muss<br />
hinnehmen, dass er mit einer Videokamera<br />
beobachtet und aufgezeichnet<br />
wird. Die Ausnahme ist ein öffentliches<br />
Sicherheitsinteresse und<br />
eine klare gesetzliche Regelung, wie<br />
zum Beispiel im Bundesdatenschutzgesetz<br />
§ 6 b, unter die auch<br />
die hausinterne Videoüberwachung<br />
öffentlich zugänglicher Räume fällt.<br />
Deshalb darf der Grundstückseigentümer<br />
seine Videoüberwachung nicht<br />
auf angrenzende Nachbargrundstücke,<br />
auf gemeinsame Grundstückszugänge<br />
und auf angrenzende Verkehrs-<br />
wege, Bürgersteig und Straße, ausweiten<br />
- auch nicht zum Teil. Dann<br />
besteht nämlich die begründete Gefahr,<br />
dass unbeteiligte Personen außerhalb<br />
des eigenen Grundstücks<br />
beobachtet und gefilmt werden, was<br />
ohne deren Einverständnis nicht erlaubt<br />
ist.<br />
Nachbarn<br />
Aber auch die Ausrichtung der Überwachungskamera<br />
auf das eigene<br />
Grundstück kann das Persönlichkeitsrecht<br />
Dritter verletzen. Das<br />
kann dann der Fall sein, wenn zu<br />
befürchten ist, dass die Kamera beweglich<br />
angebracht ist und auch auf<br />
das Nachbargrundstück oder angrenzende<br />
Bereiche gerichtet werden<br />
kann. Dann sind die Nachbarn oder<br />
Dritte nicht sicher vor einer Beobachtung<br />
(Ausspionieren) und vor<br />
einer Fertigung von Filmaufnahmen<br />
(Datenspeicherung). Solche Rechtsverletzungen<br />
(Eingriff in das Persönlichkeitsrecht)<br />
sind den Umständen<br />
nach insbesondere zu befürchten,<br />
wenn bereits ein Nachbarstreit entflammt<br />
ist und eine weitere Eskalation<br />
des Streits droht.<br />
Aber es reichen auch andere Umstände,<br />
die objektiv den Verdacht<br />
erregen, die Nachbarn könnten mittels<br />
der Videoüberwachung ausspioniert<br />
werden. Solche Umstände<br />
können zum Beispiel die Benutzung<br />
eines gemeinsamen Zugangs, die<br />
mögliche Kontrolle von Mietern<br />
oder die Anbringung einer Kamera<br />
in einer Wohnungseigentumsanlage<br />
sein. Gerade im Bereich des Wohnungseigentums<br />
ergeben sich weitere<br />
Einschränkungen der Videoüberwachung.<br />
Das kann zur Folge haben, dass das<br />
Anbringen einer Überwachungskamera<br />
eingegrenzt oder sogar ganz<br />
verboten ist. Die übrigen Wohnungseigentümer<br />
müssen es nicht hinnehmen,<br />
dass eine Videoüberwachung<br />
durch einen Eigentümer im Gemeinschaftseigentum<br />
stattfindet. Der<br />
Einbau einer Videoanlage im gemeinschaftlichen<br />
Türöffnungs- und Klingelsystem<br />
ist nur eingeschränkt zulässig.<br />
Autor: RA Heinz Günther Meiwes,<br />
Gelsenkirchen<br />
Familienrecht - Sorgerecht<br />
Sorgerecht für Väter nichtehelicher Kinder.<br />
Das Bundesverfassungsgericht<br />
(BVerfG) hat die Rechte von Vätern<br />
nichtehelicher Kinder gestärkt. Bis<br />
2011 war es so, dass die Väter nichtehelicher<br />
Kinder zwar Unterhalt für<br />
Ihre Kinder zahlen mussten, aber die<br />
gemeinsame elterliche Sorge nur erhielten,<br />
wenn die Mutter hiermit einverstanden<br />
war.<br />
Gemeinsame Sorge<br />
Nur knapp die Hälfte der Eltern einigten<br />
sich auf eine entsprechende,<br />
gemeinsame, elterliche Sorge. Die<br />
Mutter verweigerte häufig das gemeinsame<br />
Sorgerecht, um allein über<br />
die Angelegenheiten des Kindes entscheiden<br />
zu können - aber häufig<br />
nicht aus Gründen, die sich am Kindeswohl<br />
orientieren. Mit der Entscheidung<br />
des BVerfG vom 21. Juli<br />
2011 wurde nunmehr festgestellt,<br />
dass es dem Vater möglich sein muss,<br />
eine willkürliche Weigerung der<br />
Mutter gegen das gemeinsame Sorgerecht<br />
gerichtlich überprüfen zu lassen.<br />
Der Gesetzgeber ist verpflichtet hier<br />
eine entsprechende gesetzliche Regelung<br />
zu schaffen. Bis diese Regelung<br />
vorliegt ist das Familiengericht<br />
berechtigt das Sorgerecht oder einen<br />
Teil der elterlichen Sorge auf Antrag<br />
beiden Elternteilen gemeinsam zu<br />
übertragen, zumindest wenn zu erwarten<br />
ist, dass dies dem Kindeswohl<br />
entspricht. Der Maßstab über<br />
die Entscheidung zum Sorgerecht ist<br />
ausschließlich das Kindeswohl.<br />
Voraussetzung hierfür ist die Bereitschaft<br />
beider Elternteile die Verantwortung<br />
für das Kind zu tragen. Dies<br />
erfordert den Aufbau einer persönlichen<br />
Beziehung zum Kind durch jeden<br />
Elternteil und es bedarf eines<br />
Mindestmaßes an Übereinstimmung<br />
und Kommunikation zwischen den<br />
Eltern. Hier wird vorläufig auf die<br />
Regelung des § 1671 Bürgerliches<br />
Gesetzbuch (BGB) abgestellt. §<br />
1671 BGB geht davon aus, dass es<br />
dem Kindeswohl am Besten dient,<br />
wenn die Eltern das Sorgerecht gemeinsam<br />
innehaben. Nur in Ausnahmefällen<br />
ist die alleinige Sorge gerechtfertigt.<br />
Wichtige Entscheidungen<br />
Auch bei einer gemeinsamen elterlichen<br />
Sorge ist der Elternteil, bei dem<br />
sich das Kind aufhält in allen Angelegenheiten<br />
des täglichen Lebens<br />
ohnehin allein entscheidungsbefugt.<br />
Ein Einvernehmen müssen die Eltern<br />
beim gemeinsamen Sorgerecht<br />
nur in Angelegenheiten von erheblicher<br />
Bedeutung herbeiführen. Das<br />
sind Angelegenheiten, deren Entscheidungen<br />
nur schwer oder gar<br />
nicht abzuändernde Auswirkungen<br />
auf die Entwicklung des Kindes haben.<br />
Dazu gehören zum Beispiel die<br />
Wahl der Schule, ein Schulwechsel,<br />
der Wechsel in ein Heim oder ein<br />
Internat, die Berufswahl, medizinische<br />
Eingriffe und so weiter.<br />
Das BVerfG hat den Weg für das<br />
Sorgerecht von Vätern nichtehelicher<br />
Kinder vorgegeben.Väter können<br />
nun einen Antrag auf Übertragung<br />
der gemeinsamen elterlichen Sorge<br />
stellen, wenn sie an den wichtigen<br />
Entscheidungen im Leben ihrer<br />
(nichtehelichen) Kinder beteiligt sein<br />
wollen. Dies entspricht der europäischen<br />
Wirklichkeit.<br />
Autorin: RAin Erika von Heimburg,<br />
München
Seite 3<br />
Kanzleizeitung vom 2.04.2013<br />
Aber wie lange muss der Produzent<br />
Ersatzteile bereitstellen oder lagern,<br />
nachdem er die Herstellung der entsprechenden<br />
Maschine oder Anlage<br />
eingestellt hat? Gesetzlich ist diese<br />
Frage nicht geregelt. Man sucht vergeblich:<br />
Weder in einem Gesetz,<br />
noch in einer Verordnung oder EU-<br />
Richtlinie finden sich konkrete Normen,<br />
die eine Antwort liefern.<br />
Mängelgewährleistung<br />
Zehn Jahre sei der Produzent verpflichtet,<br />
Ersatzteile zu liefern - diese<br />
Auffassung wird oft vertreten.<br />
Wenn diese Ansicht auch in der Praxis<br />
Rückhalt findet (denn viele Hersteller<br />
halten sich tatsächlich daran),<br />
so besteht gesetzlich lediglich die<br />
Verpflichtung, innerhalb der Mängelgewährleistungsfristen<br />
nacherfüllen<br />
zu können - was in der Regel<br />
heißt, Ersatzteile zu liefern. Aber<br />
Mängelgewährleistungsfristen - gesetzliche<br />
oder vertragliche - sind oft<br />
sehr kurz. Über die Regeln der Mängelgewährleistung<br />
hinaus aber geben<br />
die Gesetze nichts her.<br />
Doch Juristen können aus der über<br />
allen zivilrechtlichen Paragrafen stehenden<br />
„Treu und Glauben“-Norm<br />
des Bürgerlichen Gesetzbuches (§<br />
242 BGB) oder aus allgemeinen<br />
Grundsätzen der Vertragsauslegung<br />
eine Bevorratungspflicht herleiten.<br />
In der Regel führt eine Interpretation<br />
des Vertragszwecks - sofern die<br />
Parteien in diesem Punkt keine explizite<br />
Regelung getroffen haben -<br />
zu dem Ergebnis, dass den Hersteller<br />
die Verpflichtung trifft, innerhalb<br />
eines gewissen Zeitraums Ersatzteile<br />
vorrätig zu halten und eine Belieferung<br />
zu ermöglichen.<br />
Ganz besonders gilt dies, wenn der<br />
Hersteller bei den Vertragsverhandlungen<br />
die Möglichkeit des Ersatzteilservices<br />
betont hat. Es reicht<br />
sogar aus, wenn er in seiner Werbung<br />
oder den Angebotsbeschreibungen<br />
diesen Eindruck vermittelt<br />
hat. Faustregel: Wenn der Käufer objektiv<br />
darauf vertrauen konnte, mit<br />
Ersatzteilen innerhalb der Lebensbeziehungsweise<br />
Gebrauchszeit der<br />
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Wirtschaftsrecht - Ersatzteile<br />
Im Maschinen- und Anlagenbau ist die<br />
Verfügbarkeit von Ersatzteilen wichtig, manchmal<br />
sogar wirtschaftlich überlebenswichtig.<br />
Maschine versorgt zu werden, besteht<br />
eine entsprechende Pflicht für<br />
den Maschinenhersteller.<br />
Herstellung und Lagerung<br />
Kriterien für eine Pflicht zur Bevorratung<br />
von Ersatzteilen hat auch der<br />
Verband Deutscher Maschinen- und<br />
Anlagenbau (VDMA) aufgestellt.<br />
Der VDMA stellt darauf ab, dass<br />
die Pflicht nur auf die Teile beschränkt<br />
ist, die während der Lebensdauer<br />
des Geräts erfahrungsgemäß<br />
von Abnutzungserscheinungen betroffen<br />
sind. Andere, längerlebige<br />
Maschineneinheiten werden von der<br />
Pflicht nicht erfasst. Es gibt von dieser<br />
Vorgabe jedoch auch Ausnahmen.<br />
So hat der Maschinenhersteller nach<br />
Einstellung der Produktion des<br />
Hauptgeräts keine Verpflichtung,<br />
Ersatzteile bereitzuhalten, die der<br />
Käufer auf dem freien Markt zu vergleichbaren<br />
Preisen und in gleicher<br />
Qualität erwerben kann.<br />
Aber auch andere wirtschaftliche<br />
Aspekte spielen bei der Frage der<br />
Herstellerpflichten eine Rolle. Die<br />
Pflicht zur Belieferung mit Ersatzteilen<br />
darf den Produzenten selbstverständlich<br />
nicht unangemessen<br />
benachteiligen. Die Menge der bereitzuhaltenden<br />
Maschinenteile sollte<br />
nur die Nachfrage decken können,<br />
mit der gerechnet werden muss. Es<br />
ist für den Hersteller nicht zumutbar,<br />
völlig unerwartete Ersatzteilnachfragen<br />
bedienen zu müssen,<br />
wenn er die Ersatzteile wieder neu<br />
herstellen müsste und die laufende<br />
Produktion dadurch in Mitleidenschaft<br />
geraten würde. Dasselbe gilt<br />
für die Lagerung von Ersatzteilen für<br />
Geräte, die der Maschinenhersteller<br />
aus seiner Produktion gestrichen hat.<br />
Aus alldem lässt sich folgern, dass<br />
die Pflicht zur Bereitstellung von<br />
Ersatzteilen immer von den Umständen<br />
des Einzelfalls abhängt. Nur<br />
nach einer Abwägung zwischen den<br />
legitimen Erhaltungsinteressen des<br />
Käufers und den ebenso rechtlich<br />
anerkannten, wirtschaftlichen Interessen<br />
des Maschinenherstellers<br />
kann beurteilt werden, inwieweit eine<br />
Aufbewahrungs- oder Bereitstellungspflicht<br />
besteht.<br />
Mietrecht - Versorgungssperre<br />
In Zeiten der Wirtschaftskrise ist es nicht<br />
ungewöhnlich, dass Mieter oder<br />
Wohnungseigentümer ihren<br />
Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen.<br />
Wenn sie die Wohnung weiter nutzen,<br />
lässt sich eine zwangsweise<br />
Räumung oft nicht oder nur schwer<br />
durchsetzen. Im streitigen Fall verweigerte<br />
der Mieter einer<br />
Gaststätte ab September 2001<br />
die Zahlung der Nebenkostenvorauszahlungen<br />
und ab Januar<br />
2007 auch die Zahlung<br />
der Grundmiete. Im August<br />
2007 kündigte der Vermieter<br />
fristlos wegen Zahlungsverzugs.<br />
Er verlangte die Räumung<br />
und drohte, die Versorgung<br />
des Mieters mit Heizenergie<br />
einzustellen. Der Mieter klagte auf<br />
Unterlassung der angedrohten Versorgungssperre.<br />
Verbotene Eigenmacht<br />
Der Bundesgerichtshof wies die Klage<br />
ab (Urteil vom 6. Mai 2009 –<br />
XII ZR 137/07GH). Mit der Kündigung<br />
ende auch die Pflicht des Vermieters<br />
zur Gebrauchsgewährung.<br />
Nur in bestimmten Ausnahmefällen<br />
könne der Vermieter auch nach Vertragsschluss<br />
zur Versorgung verpflichtet<br />
sein. Solche Pflichten könnten<br />
sich ergeben, wenn der Mieter<br />
wegen der Eigenart des Mietverhältnisses<br />
(Wohnraummiete), drohender<br />
Gesundheitsgefahr oder hoher Vermögensschäden<br />
besonders schutzbedürftig<br />
ist.<br />
Hat der Vermieter sich vertraglich<br />
verpflichtet, den Mieter zum Beispiel<br />
mit Heizenergie zu beliefern,<br />
kann er die Versorgung faktisch einstellen.<br />
Die Richter sehen hierin auch<br />
keine Störung des Besitzes an den<br />
Räumen durch eine verbotene Eigenmacht<br />
des Vermieters. Dieser greife<br />
nämlich weder in die tatsächliche<br />
Sachherrschaft des Mieters an den<br />
Räumen ein noch hindere er diesen,<br />
seinen Besitz an der Wohnung zu<br />
nutzen. Seine vertraglich geschuldete<br />
Versorgungsleistung erweitere<br />
vielmehr die Möglichkeiten des Gebrauchs.<br />
Die Lieferung von Energie sei nicht<br />
Teil der tatsächlichen Sachherrschaft<br />
über die gemieteten Räume. Sie könne<br />
auch von einem Dritten (etwa einem<br />
Versorgungsunternehmen) geleistet<br />
werden. Diese Entscheidung führt<br />
im Einzelfall bereits dazu, dass auch<br />
eine Versorgungssperre in Wohnraummietverhältnissen<br />
unter Beachtung<br />
der Verhältnismäßigkeit als berechtigt<br />
angesehen wird.<br />
Tipps für den Verwalter in<br />
der Mietverwaltung<br />
- Titulieren Sie Mietrückstände<br />
und vollstrecken Sie<br />
hieraus.<br />
- Kündigen Sie fristlos und erheben<br />
Sie Räumungsklage.<br />
- Ist das Mietverhältnis –<br />
insbesondere von Geschäftsräumen<br />
– beendet und die Vollstreckung aussichtslos,<br />
führen Sie bei erheblichen<br />
Rückständen die Sperre nach Androhung<br />
durch.<br />
- Bei schutzbedürftigen Belangen des<br />
Mieters (Wohnraum, Gesundheit,<br />
Vermögensschaden) wägen Sie die<br />
Risiken vorher ab und verzichten Sie<br />
gegebenenfalls auf die Sperre.<br />
Wohnungseigentum<br />
Anders zu beurteilen ist der Sachverhalt<br />
beim Wohnungseigentum. Bei<br />
einer Sperre der Versorgungsleistungen<br />
handelt es sich um einen Eingriff<br />
in das Wohnungseigentum. Dieser ist<br />
nur zulässig, wenn der Eigentümer<br />
selber davon betroffen und grundsätzliche<br />
Voraussetzungen erfüllt<br />
sind. Auf keinen Fall sollten Sie eine<br />
Liefersperre veranlassen, wenn der<br />
Wohnungseigentümer die Wohneinheit<br />
an einen Dritten vermietet. Dieser<br />
würde als unbeteiligter Dritter<br />
durch die Versorgungssperre betroffen<br />
und könnte sich mit Erfolg gegen<br />
eine Versorgungssperre wenden.<br />
Tipps für den Verwalter im selbst<br />
genutzten Wohnungseigentum<br />
- Titulieren Sie Hausgeldrückstände<br />
und vollstrecken Sie hieraus.<br />
- Bestehen weiter Rückstände von<br />
mindestens sechs Monaten, lassen<br />
Sie die Gemeinschaft über eine Sperre<br />
beschließen.<br />
- Drohen Sie die Versorgungssperre<br />
gegenüber dem selbst nutzenden Eigentümer<br />
(nicht gegenüber dem Mieter)<br />
an.<br />
Autor: RA Klaus Eichhorn, Essen
Seite 4<br />
Kanzleizeitung vom 2.04.2013<br />
Arbeitsrecht - Betriebsbedingte Kündigung<br />
Rechtsmissbrauch bei der Unternehmerentscheidung zur betriebsbedingten Kündigung.<br />
Das Bundesarbeitsgericht überprüft<br />
die unternehmerische Entscheidung<br />
bei betriebsbedingten Kündigungen<br />
regelmäßig nur auf Willkür.<br />
Schließlich hat auch ein Unternehmer<br />
ein verfassungsrechtlich geschütztes<br />
Recht an seinem Gewerbebetrieb<br />
und kann diesen deshalb<br />
grundsätzlich so organisieren, wie er<br />
es für richtig hält. Vielfach bietet sich<br />
aber Anlass überprüfen zu lassen,<br />
ob dringende, betriebliche Erfordernisse<br />
bei einer Kündigung überhaupt<br />
noch angenommen werden können.<br />
Willkür<br />
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat<br />
am 26. September 2002 eine Unternehmerentscheidung<br />
als willkürlich<br />
bestätigt. Der Unternehmer wollte<br />
einen Betriebsteil durch eine noch<br />
zu gründende, in sein Unternehmen<br />
voll eingegliederte Organgesellschaft<br />
weiter betreiben lassen, um den Mitarbeitern<br />
den Kündigungsschutz zu<br />
nehmen (Aktenzeichen: 2 AZR 636/<br />
01).<br />
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf<br />
hat in einer Entscheidung vom 11.<br />
Oktober 2001 klargestellt, dass der<br />
Anlass zu einer unternehmerischen<br />
Entscheidung, mit einer geringeren<br />
Zahl von Arbeitnehmern die verbleibende<br />
Arbeit durchzuführen einer<br />
Plausibilitätskontrolle unterliegt.<br />
Der Unternehmer muss dem Gericht<br />
durch Darlegungen eine Überprüfung<br />
ermöglichen, ob sich die behaupteten<br />
Umstände unmittelbar oder mittelbar<br />
auf die Beschäftigungsmöglichkeit<br />
der Gekündigten auswirken.<br />
Es versteht sich nicht von selbst,<br />
dass eine Fremdvergabe von Arbeiten<br />
kostengünstiger ist als die Aufrechterhaltung<br />
eines Beschäftigungsverhältnisses.<br />
Tritt eine Kostenersparnis<br />
gar nicht ein, ist ein dringendes<br />
Erfordernis für den Wegfall des<br />
Arbeitsplatzes nicht anzuerkennen<br />
(Aktenzeichen 13 (14) Sa 997/01).<br />
Eine weitere, deutliche Einschränkung<br />
der vermeintlich freien Unternehmerentscheidung<br />
erfolgte durch<br />
die Entscheidung des BAG vom 16.<br />
Dezember 2004 (Aktenzeichen: 2<br />
AZR 66/04). In einem Druckereibetrieb<br />
waren die Produktionsleiter<br />
durch „Team-Dispatcher“ ersetzt<br />
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worden, die bei einem Fremdunternehmen<br />
angestellt waren. Das BAG<br />
hat hervorgehoben, dass nur die Vergabe<br />
von bisher im Betrieb durchgeführten<br />
Arbeiten an Drittunternehmen<br />
zur selbständigen Durchführung<br />
zum Wegfall der Arbeitsplätze<br />
führen kann. Davon unabhängig ist<br />
die Frage eines bestehenden Gemeinschaftsbetriebes.<br />
Sind jedoch<br />
Mitarbeiter des Fremdunternehmens<br />
in die betriebliche Organisation eingegliedert<br />
und insbesondere dem<br />
Direktionsrecht des früheren Unternehmens<br />
unterstellt, so liegt nur eine<br />
unzulässige Austauschkündigung<br />
vor.<br />
Dringendes betriebliches<br />
Erfordernis<br />
Die Urteile zeigen, dass die viel beschworene<br />
Freiheit der Unternehmerentscheidung<br />
nicht schrankenlos<br />
gilt. Der Gesetzgeber hat den Begriff<br />
der „dringenden betrieblichen<br />
Erfordernisse“ nicht weiter konkretisiert.<br />
So lässt sich dem Begriff der<br />
dringenden betrieblichen Erfordernisse<br />
zunächst nur entnehmen, dass die<br />
betrieblichen Erfordernisse eine gewisse<br />
Belastungsgrenze erreicht haben<br />
müssen, um die Kündigung zu<br />
rechtfertigen. Im Merkmal der Dringlichkeit<br />
hat der das gesamte Kündigungsschutzrecht<br />
beherrschende<br />
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit<br />
eine gesetzliche Grundlage gefunden.<br />
Nach der ständigen Rechtsprechung<br />
des BAG darf der Arbeitgeber erst<br />
dann betriebsbedingte Kündigungen<br />
aussprechen, wenn es ihm nicht<br />
möglich ist, der betrieblichen Lage<br />
durch andere Maßnahmen zu entsprechen.<br />
Eine Unternehmerentscheidung<br />
ist insoweit überprüfbar,<br />
ob sie eine Beendigungskündigung<br />
unvermeidbar macht oder ob das geänderte<br />
unternehmerische Konzept<br />
nicht auch durch andere Maßnahmen<br />
verwirklicht werden kann. Die ordentliche<br />
Kündigung muss wegen der<br />
betrieblichen Lage in dem Sinne unvermeidbar<br />
sein, dass der Arbeitnehmer<br />
auf der Grundlage der getroffenen<br />
Unternehmerentscheidung nicht<br />
mehr vertragsgerecht beschäftigt<br />
werden kann.<br />
Es ist rechtsmissbräuchlich, wenn<br />
der Arbeitgeber ein unternehmerisches<br />
Konzept zur Kostenreduzierung<br />
wählt, das bei allen Arbeitnehmern<br />
der betroffenen Abteilungen<br />
zum Verlust ihres Arbeitsplatzes<br />
führt, obwohl ein allenfalls reduzierter<br />
Bedarf besteht. Die Besonderheit<br />
bei der Entscheidung des BAG<br />
vom 26. September 2002 lag darin,<br />
dass eine eingegliederte Organgesellschaft<br />
gegründet wurde, auf die die<br />
Arbeitsbereiche übertragen wurden.<br />
Das BAG hat aus dem Verhalten der<br />
Prozessbeteiligten geschlossen, dass<br />
die Wahl der Organisationsformen in<br />
erster Linie dazu diente, den Arbeitnehmern<br />
den Kündigungsschutz zu<br />
nehmen und sich von Ihnen „frei“<br />
zu trennen. Die Arbeit sollte von anderen,<br />
schlechter bezahlten Arbeitnehmern<br />
verrichtet werden.<br />
Unternehmerentscheidung<br />
Das BAG hat darauf verwiesen,<br />
dass es nach wie vor grundsätzlich<br />
ein freier Entschluss des Unternehmers<br />
ist, organisatorische Maßnahmen<br />
zu treffen. Grundsätzlich sind<br />
Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit<br />
solcher Unternehmerentscheidungen<br />
inhaltlich nicht zu überprüfen. Es ist<br />
keine Aufgabe des Arbeitsgerichts,<br />
dem Arbeitgeber eine bessere oder<br />
richtigere Unternehmenspolitik vorzuschreiben<br />
und damit in seine Kostenkalkulation<br />
einzugreifen. Die unternehmerische<br />
Freiheit gilt jedoch<br />
nicht schrankenlos.<br />
Die Berufsfreiheit schützt nicht nur<br />
die unternehmerische Freiheit, sondern<br />
gewährt auch einen Mindestbestandsschutz<br />
für den Arbeitnehmer.<br />
Dem Staat obliegt eine daraus<br />
folgende Schutzpflicht. Der verfassungsrechtlich<br />
gebotene Mindestbestandsschutz<br />
für ein Arbeitsverhältnis<br />
strahlt auf die Auslegung und<br />
Anwendung der Vorschriften des<br />
Kündigungsschutzgesetzes aus. Die<br />
Gerichte haben von Verfassungs<br />
wegen zu prüfen, ob von ihrer Anwendung<br />
im Einzelfall das Grundrecht<br />
des Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz<br />
berührt wird. Trifft das zu,<br />
dann haben die Gerichte die Vorschriften<br />
des Kündigungsschutzgesetzes<br />
im Lichte der Grundrechte<br />
auszulegen und anzuwenden.<br />
Besteht etwa die Unternehmerentscheidung<br />
allein in dem Entschluss<br />
einem oder mehreren Arbeitnehmern<br />
zu kündigen, so kann diese Entscheidung<br />
des Arbeitgebers schon nach<br />
Maßgabe der Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes<br />
nicht frei<br />
sein. Außerdem findet eine Miss-<br />
brauchskontrolle statt. Die unternehmerische<br />
Entscheidung ist stets<br />
daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich<br />
unsachlich, unvernünftig<br />
oder willkürlich ist. Diese Missbrauchskontrolle<br />
hat sich unter anderem<br />
daran zu orientieren, dass<br />
durch die Wertung der Willkür und<br />
des Missbrauchs der verfassungsrechtlich<br />
geforderte Bestandsschutz<br />
nicht unangemessen zurückgedrängt<br />
wird.<br />
Missbrauchskontrolle<br />
Das BAG hatte deshalb in der Vergangenheit<br />
schon hervorgehoben,<br />
dass ein Arbeitgeber missbräuchlich<br />
handelt, wenn er versucht Arbeitnehmern<br />
durch die Bildung separater,<br />
betrieblicher Organisationsstrukturen<br />
den allgemeinen Kündigungsschutz<br />
zu entziehen um ihnen „frei“<br />
kündigen zu können. Danach stellte<br />
die Unternehmerentscheidung kein<br />
beachtliches, dringendes, betriebliches<br />
Erfordernis dar.<br />
Ein Arbeitgeber kann die selben Arbeiten<br />
an der selben Betriebsstätte<br />
nicht durch eine voll in das Unternehmen<br />
eingegliederte Organgesellschaft<br />
mit preiswerteren Arbeitskräften<br />
weiter verrichten lassen. Mit<br />
seiner Entscheidung hat das BAG<br />
dafür gesorgt, dass der Kündigungsschutz<br />
vom gesetzlichen und verfassungsrechtlich<br />
vorgegebenen Kurs<br />
nicht zu weit abkommt. Als in diesem<br />
Sinne rechtsmissbräuchlich sind<br />
vor allem auch Umgehungsfälle anzusehen.<br />
Solche kommen auch bei<br />
konzernweiten „Verschiebungen“<br />
von Beschäftigungsmöglichkeiten in<br />
Betracht. Dies hatte das BAG in der<br />
zu beurteilenden Fallgestaltung so<br />
gesehen.<br />
Autor: RA Martin Löbbecke, Gladbeck<br />
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