steueranwaltsmagazin 2 /2010 - Wagner-Joos Rechtsanwälte
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Beiträge Dr. Klaus von Brocke Gewinnkorrekturvorschriften sind im Grundsatz europarechtlich zulässig<br />
Nachteil bei dem begünstigten inländischen Steuerpflichtigen<br />
gegenüber. 2 Diese Gesamtbetrachtung steht aber im<br />
Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH, wonach es zur<br />
Ermittlung einer Beschränkung grundsätzlich allein auf die<br />
Situation des betroffenen Steuerpflichtigen ankommt.<br />
2. Zu den Rechtfertigungsgründen für die Beschränkung<br />
a) Rechtfertigungsgrund<br />
Grundfreiheiten können aufgrund zwingender Gründe des<br />
Allgemeininteresses beschränkt werden, und hierbei spielt<br />
in den dem EuGH vorgelegten Verfahren die Überprüfung<br />
von Steuervorschriften, die der Mißbrauchsbekämpfung<br />
dienen, eine wesentliche Rolle. Aber der EuGH und auch<br />
die nationalen Gerichte in Anwendung der EuGH-Rechtsprechung<br />
erlauben eine Beschränkung der Grundfreiheiten<br />
aus diesem Grunde nur dann, wenn die nationale<br />
Regelung allein bezweckt „rein künstliche, der wirtschaftlichen<br />
Realität bare Gestaltungen, die zu dem Zweck errichtet<br />
wurden, die Steuer zu umgehen, die normalerweise für<br />
Gewinne aus inländischen Tätigkeiten geschuldet wird“ zu<br />
bekämpfen.<br />
Die belgische Vorschrift des Art. 26 CIR erlaubt die Gewinnkorrektur<br />
bei außergewöhnlichen oder unentgeltlichen<br />
Vorteilen und ist damit weiter gefaßt als nach den<br />
eben genannten Kriterien für gemeinschaftsrechtlich konforme<br />
Mißbrauchsvorschriften erlaubt. Allein unter dem<br />
Aspekt der Mißbrauchsbekämpfung wäre folglich eine<br />
Rechtfertigung der Gewinnkorrektur nicht möglich (Rz.<br />
66). Als weiteren Rechtfertigungsgrund für die Beschränkung<br />
der Niederlassungsfreiheit verweist der EuGH daher<br />
auf einen in der Rechtsprechung des EuGH vergleichsweise<br />
neuen Rechtfertigungsgrund, der ausgewogenen Aufteilung<br />
der Besteuerungsbefugnis. Der EuGH stellt dazu fest, daß es<br />
zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen<br />
den Mitgliedstaaten erforderlich sein könne, auf die<br />
wirtschaftliche Tätigkeit der in einem dieser Staaten niedergelassenen<br />
Gesellschaften sowohl in Bezug auf Gewinne<br />
als auch auf Verluste nur dessen Steuerrecht anzuwenden.<br />
Es würde zu einer Beeinträchtigung dieses Ziels kommen,<br />
wenn den gebietsansässigen Gesellschaften erlaubt würde,<br />
ihre Gewinne in Form von außergewöhnlichen oder unentgeltlichen<br />
Vorteilen auf mit ihnen verflochtenen Gesellschaften,<br />
die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen<br />
sind, zu übertragen. Und schließlich heißt es dann, daß<br />
aufgrund einer Gesamtbetrachtung dieser beiden Gesichtspunkte,<br />
der Notwendigkeit der Wahrung einer ausgewogenen<br />
Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den<br />
Mitgliedstaaten und der Notwendigkeit der Verhinderung<br />
einer Steuerumgehung, festzustellen sei, daß eine Regelung<br />
wie die im Ausgangsverfahren streitige berechtigte und mit<br />
dem EGV zu vereinbarende Ziele verfolge (Rz. 69).<br />
b) Verhältnismäßigkeit<br />
Beide Rechtfertigungsgründe spiegeln sich sodann auch im<br />
Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit wider. Die<br />
Anwendung einer die Grundfreiheiten beschränkenden<br />
Norm darf nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist,<br />
um die Erreichung des gemeinschaftsrechtlich anerkannten<br />
Ziele in ihrer Gesamtschau zu erreichen, und das formuliert<br />
der EuGH hier so:<br />
Erste Grundaussage:<br />
Eine nationale Regelung, die eine Prüfung objektiver und<br />
nachprüfbarer Umstände vorsieht, damit festgestellt werden<br />
kann, ob ein geschäftlicher Vorgang eine rein künstliche<br />
Konstruktion zu steuerlichen Zwecken darstellt, geht<br />
nicht über das hinaus, was zur Erreichung der Ziele hinsichtlich<br />
der Notwendigkeit, die Ausgewogenheit der Aufteilung<br />
der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedsstaaten<br />
zu wahren, und die Notwendigkeit, Steuerumgehungen zu<br />
verhindern, erforderlich ist, wenn in jedem Fall einen Gegenbeweismöglichkeit<br />
gegeben wird.<br />
Zweite Grundaussage:<br />
Die Berichtigung darf nicht über das hinausgehen, was<br />
ohne die gegenseitige Verflechtung der Gesellschaften vereinbart<br />
worden wäre. Mit anderen Worten: Es darf nur das<br />
jenseits des freien Wettbewerbs Vereinbarte abgeschöpft<br />
werden. Interessanterweise erwähnt der EuGH bei seinem<br />
„Fremdvergleich“ nicht Art. 9 OECD-MA, d.h. er legt sich<br />
damit auch nicht fest, inwieweit der gemeinschaftsrechtliche<br />
Fremdvergleich dem des OECD-MA entspricht.<br />
Nach Ansicht des EuGH dürfte die belgische Korrekturbestimmung<br />
im wesentlichen diesen Vorgaben entsprechen;<br />
er überläßt es jedoch dem vorlegenden Gericht, dies<br />
im Einzelfall zu überprüfen. Anders sieht das u.E. mit dem<br />
deutschen § 1 AStG aus. Wegen des zu weit gefaßten Tatbestandes,<br />
der für den Steuerpflichtigen nachteiligen Beweislastverteilung,<br />
des Fehlens der Gegenbeweismöglichkeit<br />
und der lediglich am abstrakten Fremdvergleich angelegten<br />
Rechtsfolgen dürfte der § 1 AStG schon bald die deutschen<br />
Gerichte beschäftigen.<br />
2 Siehe auch Naumann/Sydow/Becker/Mitschke, Zur Frage der Europarechtmäßigkeit<br />
des § 1 AStG, IStR 2009, 665, 666f.<br />
50 <strong>steueranwaltsmagazin</strong> 2 /<strong>2010</strong>