01.11.2013 Aufrufe

steueranwaltsmagazin 2 /2010 - Wagner-Joos Rechtsanwälte

steueranwaltsmagazin 2 /2010 - Wagner-Joos Rechtsanwälte

steueranwaltsmagazin 2 /2010 - Wagner-Joos Rechtsanwälte

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Beiträge Dr. Klaus von Brocke Gewinnkorrekturvorschriften sind im Grundsatz europarechtlich zulässig<br />

Nachteil bei dem begünstigten inländischen Steuerpflichtigen<br />

gegenüber. 2 Diese Gesamtbetrachtung steht aber im<br />

Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH, wonach es zur<br />

Ermittlung einer Beschränkung grundsätzlich allein auf die<br />

Situation des betroffenen Steuerpflichtigen ankommt.<br />

2. Zu den Rechtfertigungsgründen für die Beschränkung<br />

a) Rechtfertigungsgrund<br />

Grundfreiheiten können aufgrund zwingender Gründe des<br />

Allgemeininteresses beschränkt werden, und hierbei spielt<br />

in den dem EuGH vorgelegten Verfahren die Überprüfung<br />

von Steuervorschriften, die der Mißbrauchsbekämpfung<br />

dienen, eine wesentliche Rolle. Aber der EuGH und auch<br />

die nationalen Gerichte in Anwendung der EuGH-Rechtsprechung<br />

erlauben eine Beschränkung der Grundfreiheiten<br />

aus diesem Grunde nur dann, wenn die nationale<br />

Regelung allein bezweckt „rein künstliche, der wirtschaftlichen<br />

Realität bare Gestaltungen, die zu dem Zweck errichtet<br />

wurden, die Steuer zu umgehen, die normalerweise für<br />

Gewinne aus inländischen Tätigkeiten geschuldet wird“ zu<br />

bekämpfen.<br />

Die belgische Vorschrift des Art. 26 CIR erlaubt die Gewinnkorrektur<br />

bei außergewöhnlichen oder unentgeltlichen<br />

Vorteilen und ist damit weiter gefaßt als nach den<br />

eben genannten Kriterien für gemeinschaftsrechtlich konforme<br />

Mißbrauchsvorschriften erlaubt. Allein unter dem<br />

Aspekt der Mißbrauchsbekämpfung wäre folglich eine<br />

Rechtfertigung der Gewinnkorrektur nicht möglich (Rz.<br />

66). Als weiteren Rechtfertigungsgrund für die Beschränkung<br />

der Niederlassungsfreiheit verweist der EuGH daher<br />

auf einen in der Rechtsprechung des EuGH vergleichsweise<br />

neuen Rechtfertigungsgrund, der ausgewogenen Aufteilung<br />

der Besteuerungsbefugnis. Der EuGH stellt dazu fest, daß es<br />

zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen<br />

den Mitgliedstaaten erforderlich sein könne, auf die<br />

wirtschaftliche Tätigkeit der in einem dieser Staaten niedergelassenen<br />

Gesellschaften sowohl in Bezug auf Gewinne<br />

als auch auf Verluste nur dessen Steuerrecht anzuwenden.<br />

Es würde zu einer Beeinträchtigung dieses Ziels kommen,<br />

wenn den gebietsansässigen Gesellschaften erlaubt würde,<br />

ihre Gewinne in Form von außergewöhnlichen oder unentgeltlichen<br />

Vorteilen auf mit ihnen verflochtenen Gesellschaften,<br />

die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen<br />

sind, zu übertragen. Und schließlich heißt es dann, daß<br />

aufgrund einer Gesamtbetrachtung dieser beiden Gesichtspunkte,<br />

der Notwendigkeit der Wahrung einer ausgewogenen<br />

Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den<br />

Mitgliedstaaten und der Notwendigkeit der Verhinderung<br />

einer Steuerumgehung, festzustellen sei, daß eine Regelung<br />

wie die im Ausgangsverfahren streitige berechtigte und mit<br />

dem EGV zu vereinbarende Ziele verfolge (Rz. 69).<br />

b) Verhältnismäßigkeit<br />

Beide Rechtfertigungsgründe spiegeln sich sodann auch im<br />

Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit wider. Die<br />

Anwendung einer die Grundfreiheiten beschränkenden<br />

Norm darf nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist,<br />

um die Erreichung des gemeinschaftsrechtlich anerkannten<br />

Ziele in ihrer Gesamtschau zu erreichen, und das formuliert<br />

der EuGH hier so:<br />

Erste Grundaussage:<br />

Eine nationale Regelung, die eine Prüfung objektiver und<br />

nachprüfbarer Umstände vorsieht, damit festgestellt werden<br />

kann, ob ein geschäftlicher Vorgang eine rein künstliche<br />

Konstruktion zu steuerlichen Zwecken darstellt, geht<br />

nicht über das hinaus, was zur Erreichung der Ziele hinsichtlich<br />

der Notwendigkeit, die Ausgewogenheit der Aufteilung<br />

der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedsstaaten<br />

zu wahren, und die Notwendigkeit, Steuerumgehungen zu<br />

verhindern, erforderlich ist, wenn in jedem Fall einen Gegenbeweismöglichkeit<br />

gegeben wird.<br />

Zweite Grundaussage:<br />

Die Berichtigung darf nicht über das hinausgehen, was<br />

ohne die gegenseitige Verflechtung der Gesellschaften vereinbart<br />

worden wäre. Mit anderen Worten: Es darf nur das<br />

jenseits des freien Wettbewerbs Vereinbarte abgeschöpft<br />

werden. Interessanterweise erwähnt der EuGH bei seinem<br />

„Fremdvergleich“ nicht Art. 9 OECD-MA, d.h. er legt sich<br />

damit auch nicht fest, inwieweit der gemeinschaftsrechtliche<br />

Fremdvergleich dem des OECD-MA entspricht.<br />

Nach Ansicht des EuGH dürfte die belgische Korrekturbestimmung<br />

im wesentlichen diesen Vorgaben entsprechen;<br />

er überläßt es jedoch dem vorlegenden Gericht, dies<br />

im Einzelfall zu überprüfen. Anders sieht das u.E. mit dem<br />

deutschen § 1 AStG aus. Wegen des zu weit gefaßten Tatbestandes,<br />

der für den Steuerpflichtigen nachteiligen Beweislastverteilung,<br />

des Fehlens der Gegenbeweismöglichkeit<br />

und der lediglich am abstrakten Fremdvergleich angelegten<br />

Rechtsfolgen dürfte der § 1 AStG schon bald die deutschen<br />

Gerichte beschäftigen.<br />

2 Siehe auch Naumann/Sydow/Becker/Mitschke, Zur Frage der Europarechtmäßigkeit<br />

des § 1 AStG, IStR 2009, 665, 666f.<br />

50 <strong>steueranwaltsmagazin</strong> 2 /<strong>2010</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!