steueranwaltsmagazin 2 /2010 - Wagner-Joos Rechtsanwälte
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Beiträge Andreas Jahn, Dorothée Gierlich Umsatzsteuerliche Organschaft und Insolvenz<br />
bb) Zweiter Typus des „schwachen“ vorläufigen Insolvenz-verwalters<br />
ist der des „halbstarken“ vorläufigen<br />
Insolvenzverwalters. Von einem solchen spricht man,<br />
wenn die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters<br />
nicht mit einem allgemeinen Verfügungsverbot zu<br />
Lasten der Gesellschaft verbunden wird, sondern die<br />
Bestellung lediglich unter Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts<br />
nach § 22 Abs. 1 Nr. 3 InsO erfolgt.<br />
Vermögensverfügungen der Insolvenzschuldnerin bedürfen<br />
in diesen Fällen stets der Zustimmung des vorläufigen<br />
Insolvenzverwalters. Daneben obliegen ihm<br />
die vorstehend genannten Pflichten des „schwachen“<br />
vorläufigen Insolvenzverwalters.<br />
Seit dem Urteil des BFH vom 01. 04. 2004 38 ist nunmehr<br />
höchstrichterlich geklärt, daß die Bestellung<br />
eines „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalters<br />
nicht zur Beendigung der umsatzsteuerlichen Organschaft<br />
führt. Dem „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalter<br />
ist eine vom Willen des Organträgers abweichende<br />
Willensbildung in der Organgesellschaft nicht<br />
möglich. Denn Folge der gerichtlichen Anordnung<br />
eines Zustimmungsvorbehalts nach § 21 Abs. 2 Nr. 2,<br />
2. Alt. InsO ist zwar, daß die Verfügungen der Organgesellschaft<br />
ohne Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters<br />
grundsätzlich unwirksam sind; andererseits<br />
kann aber auch der vorläufige Insolvenzverwalter<br />
grundsätzlich nicht allein über das Vermögen der Organgesellschaft<br />
verfügen. Der „halbstarke“ vorläufige<br />
Insolvenzverwalter und die Organgesellschaft haben<br />
infolge der Anordnung des Zustimmungsvorbehalts<br />
eine gleichstarke Stellung. Dieser Zustimmungsvorbehalt<br />
schwächt zwar das Merkmal der organisatorischen<br />
Eingliederung, hindert aber nicht die notwendige Eingliederung<br />
der Organgesellschaft in das Unternehmen<br />
des Organträgers, solange sich die finanzielle und wirtschaftliche<br />
Eingliederung stark genug zeigt. 39 Irrelevant<br />
ist in diesem Zusammenhang, ob der „halbstarke“<br />
vorläufige Insolvenzverwalter die laufenden Geschäfte<br />
tatsächlich trotz Zustimmungsvorbehalt alleine wie<br />
ein „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter führt oder<br />
sich die nicht übertragenen Rechte anmaßt. 40<br />
III. Rechtsfolgen der Beendigung<br />
der Organschaft<br />
Ab dem Zeitpunkt der Beendigung der umsatzsteuerlichen<br />
Organschaft stellen Organträger und Organgesellschaft<br />
zwei selbständige umsatzsteuerliche Rechtssubjekte dar, die<br />
zueinander in Leistungsaustauschbeziehungen treten können.<br />
41<br />
1. Umsatzsteuerrechtliches Schicksal der Umsätze<br />
Hinsichtlich des umsatzsteuerrechtlichen Schicksals der<br />
Umsätze, die vor und nach der Beendigung der Organschaft<br />
ausgeführt wurden, ist zu differenzieren. Umsätze, die von<br />
der Organgesellschaft vor der Beendigung der Organschaft<br />
ausgeführt wurden, sind stets dem Organträger zuzurechnen<br />
und von diesem zu versteuern. Eine Versteuerung<br />
durch den Organträger erfolgt unabhängig davon, ob die<br />
auf die Umsätze entfallende Umsatzsteuerzahllast vor oder<br />
erst nach der Beendigung der Organschaft entsteht, insbesondere<br />
auch dann, wenn die Umsatzsteuer bspw. erst mit<br />
der Vereinnahmung der Entgelte (Ist-Versteuerung) entsteht.<br />
Denn maßgeblich ist in diesem Zusammenhang der<br />
Zeitpunkt der Leistungserbringung durch die Organgesellschaft.<br />
Unerheblich hierbei sind der Zeitpunkt der Rechnungserteilung<br />
sowie der Zeitpunkt der Entstehung der<br />
Steuer. 42 Umsätze, die von der Organgesellschaft nach der<br />
Beendigung der Organschaft ausgeführt werden, sind von<br />
der Organgesellschaft als leistender Unternehmer selbst<br />
zu versteuern. Von einem Organträger versteuerte Anzahlungen<br />
für Leistungen, die erst nach Beendigung der Organschaft<br />
von der Organgesellschaft abschließend erbracht<br />
werden, sind bei der Steuerfestsetzung gegenüber der vormaligen<br />
Organgesellschaft steuermindernd zu berücksichtigen.<br />
43<br />
2. Vorsteuern<br />
Vorsteuern aus Leistungen, die die Organgesellschaft vor<br />
Beendigung der Organschaft bezieht, stehen nur dem Organträger<br />
zu. Dies gilt selbst dann, wenn die Rechnung des<br />
Organträgers erst nach der Beendigung der Organschaft<br />
bei der Organgesellschaft eingeht. Entscheidend ist, daß<br />
das den Vorsteuerabzug auslösende Ereignis – Leistungsbezug<br />
– bereits vor der Beendigung der Organschaft eingetreten<br />
ist. 44 Der Vorsteuerabzug aus Leistungsbezügen der Or-<br />
38 BFH, Urteil vom 01. 04. 2004, V R 24/03, a.a.O.; Beschlüsse vom<br />
15. 11. 2006 V B 115/06, BFH/NV 2007, 787; Beschluß vom 13. 06. 2007,<br />
V B 47/06, BFH/NV 2007, 1936; Beschluß vom 10. 03. 2009, XI B<br />
66/08 (NV), BFH/NV 2009 S. 977; FG Niedersachsen, Urteil vom<br />
02. 03. 2009 – 16 K 226/08, BeckRS 2009 26027491.<br />
39 BFH, Urteil vom 01. 04. 2004, V R 24/03, a.a.O.; Beschluß vom<br />
13. 06. 2007, V B 57/06 (NV), a.a.O.; vom 11. 11. 2008, XI B 65/08<br />
(NV), BFH/NV 2009, 235; vom 10. 03. 2009, XI B 66/08 (NV), BFH/NV<br />
2009 S. 977.<br />
40 Beschluß vom 13. 06. 2007, V B 57/06 (NV), a.a.O.; BFH, Urteil vom<br />
11. 11. 2008, XI B 65/08 (NV), a.a.O.<br />
41 BFH, Urteil vom 11. 01. 1990, V R 156/84, BFH/NV 1990 S. 741.<br />
42 FG Düsseldorf vom 23. 04. 1993, 5 K 531/90 U; OFD Frankfurt<br />
20. 07. 2009, S 7105 A – 21 – St 110, dort Ziffer 3.1, DStR 2009 1911.<br />
43 BFH vom 21.06.2001, V R 68/00, BStBl 2002 II S. 255 (= DStR 2001,<br />
1838).<br />
44 Vgl. hierzu auch: BFH, Urteil vom 13. 05. 2009 – XI R 84/07, DStR<br />
2009, 1553.<br />
64 <strong>steueranwaltsmagazin</strong> 2 /<strong>2010</strong>