Das Ufer des Thunersees lebt - auch im Winter
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WINTER AM SEE<br />
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<strong>Das</strong> <strong>Ufer</strong> <strong>des</strong> <strong>Thunersees</strong> <strong>lebt</strong> – <strong>auch</strong> <strong>im</strong> <strong>Winter</strong><br />
Tot und starr scheinen die <strong>Ufer</strong> <strong>des</strong> <strong>Thunersees</strong> <strong>im</strong> tiefen <strong>Winter</strong>. Doch eine Wanderung mit Experte Martin Gerber zeigt: Von Möwen<br />
über Ringelnattern, Libellen und Eisvögel bis zu Rehen bereiten sich <strong>im</strong> Gwatt bei Thun verschiedenste Tiere auf den Frühling vor.<br />
Ringelnattern warten auf Frösche<br />
Links und rechts mit unsern Feldstechern herumspähend, sind<br />
wir mittlerweile an den mit Schneehäubchen verzierten Spielgeräten<br />
<strong>des</strong> Bonstettenparks vorbei und über den kleinen Zierkanal<br />
in ein Wäldchen vorgedrungen. Ein älterer Mann steht auf dem<br />
<strong>Ufer</strong>weg und blickt gebannt zum Wasser hinunter. Vor ihm steht<br />
ein aufgeplustertes Vögelchen auf einem Kiesel. «Ein Rotbrüstchen»,<br />
murmelt Martin. Der Spaziergänger nickt andächtig.<br />
Vogelfans unter sich. Schweigend beobachten wir das kleine Tier,<br />
marschieren dann weiter durch rascheln<strong>des</strong> Laub. «Hier ist das<br />
Reich der Ringelnattern, die hier in Mauselöchern und Asthaufen<br />
den <strong>Winter</strong> verschlafen und <strong>im</strong> Frühling auf die ersten Frösche<br />
warten», weiss der Experte. Gerhard Bieri, ein lokaler Kenner der<br />
Fauna, habe <strong>im</strong> <strong>Winter</strong> schon beobachtet, wie sich ein halbes<br />
Dutzend der ungiftigen Schlangen an der Sonne wärmte.<br />
Entfernung rattert ein Dumper vorbei, beladen mit moorigschwarzer<br />
Erde. «Wir baggern hier den Bach aus, sonst verlandet<br />
er total. Ein Lebensraum für verschiedenste Tiere ginge verloren.»<br />
Martin Gerber ist Projektleiter der vom Kanton geleiteten<br />
«Aufwertung» <strong>des</strong> Gwattlischenmooses. Eigens für diese Arbeiten<br />
wurden die Fische, vor allem Hechte, mit einem Elektrofanggerät<br />
betäubt und vorübergehend in ein Bassin umquar tiert. Die rund<br />
380 000 Franken kostende Aufwertung, finanziert durch Kanton,<br />
Bund, Energie Thun AG und Lotteriefonds, ist umfassend: In <strong>Ufer</strong>nähe<br />
befreit ein schw<strong>im</strong>mender Saugbagger einen grossen Teich,<br />
der mit dem See verbunden ist, von jahrelang angesammeltem<br />
Schlamm. So soll der Lebensraum von Wasservögeln, Libellen<br />
und Amphibien erhalten bleiben. Über eine Pipeline wird der<br />
Schlick in ein temporäres Auffangbecken, eigens an der Hauptstrasse<br />
nach Spiez eingerichtet, geleitet.<br />
Aufwertung durch Ausbaggern und Aussaugen<br />
Als wir wieder ins offene Gelände treten, sind wir, nun bei etwas<br />
aufklarendem H<strong>im</strong>mel, <strong>im</strong> Naturschutzgebiet Gwattlischenmoos<br />
angekommen: Schilf soweit das Auge reicht, auf der, neben der<br />
Weissenau bei Interlaken, einzigen natürlich gebliebenen <strong>Ufer</strong>fläche<br />
am Thunersee. Der <strong>Ufer</strong>weg führt hier über einen breiten<br />
Holzsteg zu einer kleinen Plattform mit Infotafeln. In 50 Metern<br />
«Salü Markus, salü Heinz.» Martin Gerber grüsst zwei Vertreter<br />
<strong>des</strong> Spiezer Tiefbauamtes und bespricht mit ihnen gleich einige<br />
Details der laufenden Arbeiten. Wir sind nun auf Spiezer Boden.<br />
Wir verlassen den offiziellen <strong>Ufer</strong>weg, schreiten am Bachufer den<br />
schlammigen Spuren <strong>des</strong> Dumpers entlang, nähern uns auf einem<br />
schmalen Gitterrost dem weit herum sichtbaren, gemauerten<br />
Beobachtungsturm. Der rhythmische Zwitschergesang einer<br />
Der Eisvogel: Sein Name macht dem <strong>Winter</strong> alle Ehre – sein buntes Federkleid jedoch erinnert an die Tropen.<br />
Gegenüber dem Schlösschen Bellerive <strong>im</strong> Gwatt bei Thun stapfen<br />
wir auf knirschendem Schnee durch den winterlich starren Bonstettenpark.<br />
Bleiern grau sch<strong>im</strong>mert der Thunersee zwischen<br />
den Parkbäumen hervor, Möwenschreie vermitteln einen Eindruck<br />
von Weite und Einsamkeit. Ob hier etwas <strong>lebt</strong>, sich etwas regt?<br />
Bei minus drei Grad? Wohl kaum. Doch Martin Gerber aus Hei men -<br />
schwand ist gekommen, um mir das Gegenteil zu beweisen.<br />
Dies gelingt ihm rasch – es beginnt schon bei den Möwen: «Fünf<br />
Möwenarten kurven hier auf dem Wasser und in der Luft herum»,<br />
stellt der Ornithologe und Bergführer am See vorne fest. Ein<br />
gräulicher Eisstreifen haftet an den groben Kieseln <strong>des</strong> flachen<br />
<strong>Ufer</strong>s. Lachmöwen mit weissen, <strong>im</strong> Sommer dunkelbraunen Köpfen,<br />
paddeln zwischen Schwänen, schwarz-weissen Schell-Enten<br />
und z<strong>im</strong>tfarbenen Rost-Gänsen. Nur die Schwäne hätte ich selbst<br />
erkannt. Sturmmöwen mit schwarzen Flügelenden, eigentlich in<br />
Nordeuropa zu Hause, pfeilen tief über die Wasserfläche. Und<br />
diese ganz grossen? «<strong>Das</strong> sind Mittelmeermöwen, sie stammen<br />
aus einer Kolonie am Neuenburgersee», weiss Martin auf Anhieb.<br />
Und die mit dem ganz feinen Schnabel? «Steppenmöwen – etwas<br />
für Spezialisten.» Am häufigsten sind hier die Silbermöwen, ein<br />
vertrauter Anblick.<br />
«In allen Jahreszeiten läuft etwas»<br />
Es gebe «noch viel mehr Möwenarten, viel mehr!», hat Martin gesagt.<br />
Längst hat er aber seinen Feldstecher ins Park-Innere gerichtet.<br />
«Siehst du den Erlenzeisig, der da an einem Föhrenzäpfli<br />
hängt? Der mit dem Gelb auf dem Flügel und dem Häubchen auf<br />
dem Kopf!» <strong>Das</strong> sei ein Weibchen, «und die Männchen sind noch<br />
schöner». Nach all den Hinweisen Martins ist der anfängliche<br />
Eindruck der <strong>Winter</strong>starre wie ausradiert. «<strong>Das</strong> ist ja das Schöne<br />
an der Vogelkunde», schwärmt mein Begleiter, «in allen Jahreszeiten<br />
läuft etwas, <strong>auch</strong> <strong>im</strong> <strong>Winter</strong>.»<br />
Seevögel am vereisten <strong>Ufer</strong> <strong>des</strong> Bonstettenparks.
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TIPPS FÜR DEN WINTER<br />
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Gesund durch die kalte Jahreszeit<br />
Wer die <strong>Winter</strong>monate durch oft friert oder gar kränkelt, muss nicht in den Süden fliehen: Die richtige Kleidung, Ernährung und Körperpflege<br />
helfen genauso.<br />
Kleidung<br />
– Sich schön warm anziehen – am besten mit Materialien wie<br />
Kaschmir, Wolle oder modernem High-Tech-Gewebe.<br />
– Mehrere Schichten übereinander zu tragen ist sinnvoll. <strong>Das</strong><br />
Zwiebelprinzip ist eine gute Warmhalte-Methode.<br />
– Ein grosser Teil der Körperwärme geht über den Kopf verloren,<br />
<strong>des</strong>halb <strong>im</strong>mer eine Mütze aufsetzen.<br />
– <strong>Winter</strong>schuhe sollte man nie zu fest zuschnüren, sonst kann<br />
sich kein wärmen<strong>des</strong> Luftpolster bilden.<br />
Getränke<br />
– Auch <strong>im</strong> <strong>Winter</strong> sollte man möglichst viel Flüssigkeit zu sich<br />
nehmen.<br />
– Tee, Wasser und Fruchtsäfte helfen dem Körper von innen, mit<br />
der niedrigen Luftfeuchtigkeit besser klar zu kommen.<br />
– Auf alkoholische Getränke sollte man zum Aufwärmen wenn mög -<br />
lich verzichten. Sie sorgen zwar für eine bessere Durchblutung,<br />
geben aber die Wärme schneller wieder an die Umgebung ab.<br />
Auch <strong>im</strong> <strong>Winter</strong> ein Paradies für Tiere: <strong>Das</strong> Gwattlischenmoos.<br />
Kohlmeise geht allmählich unter <strong>im</strong> Lärm <strong>des</strong> Saugbaggers, dem<br />
wir uns nähern. Auf einer Teichfläche rechts unter uns schw<strong>im</strong>mt<br />
er dröhnend hin und her, saugt mit seinem Rüssel den Rand ab.<br />
Aus der Ferne blinken Niederhorn, Eiger und Leissiggrat durch<br />
den Dunst herüber. Wir steigen die Wendeltreppe <strong>des</strong> Turms<br />
hoch, erreichen eine he<strong>im</strong>elige, kleine Stube mit alten Fotos an<br />
holzgetäfelten Wänden. Vom Beobachtungsbalkon zeigt Martin<br />
über die Schilffläche Richtung Spiez. «Hier leben sogar – gut versteckt<br />
– ein halbes Dutzend Rehe.»<br />
Brutwand für den Eisvogel<br />
Und er weist auf eine mannshohe Wand mitten <strong>im</strong> Schilf; sie gemahnt<br />
an eine Kletterwand. «Eine künstliche Brutwand für den<br />
Eisvogel.» Der faszinierende Vogel mit dem metallisch blauen<br />
Rücken und dem orangen B<strong>auch</strong> sei zwar in Europa nicht mehr<br />
direkt bedroht, finde aber in der freien Natur zu wenig Steilwände,<br />
um zu brüten. Die Wand aus Sand- und Lehmgemisch, abgefüllt<br />
in Steinkörbe, sei ein guter Ersatz. Ob das Angebot funktioniert,<br />
werde sich bald weisen. Die beste Sicht auf die Brutwand gewinnt<br />
man vom «Hide» aus – einer weiteren Einrichtung, die als Teil <strong>des</strong><br />
Aufwertungsprojektes neu erstellt wurde.<br />
Auf dem Beobachtungsturm: Martin Gerber freut sich an der winterlichen Natur.<br />
Sehschlitz auf die Schilffläche<br />
<strong>Das</strong> nagelneue Holzhüttchen, entworfen von Martin Gerber, steht<br />
ganz am südlichen Rand <strong>des</strong> Naturschutzgebietes. Eine Handvoll<br />
Leute findet darin Platz, um durch einen Sehschlitz auf die Schilffläche<br />
hinauszuschauen. Errichtet hat es der Schreiner und Imker<br />
Walter Gasser, der wie Martin Gerber aus He<strong>im</strong>enschwand<br />
östlich von Thun stammt. Vom Hide aus ist zu erkennen, dass die<br />
Eisvogel-Brutwand an einem Teich steht. «<strong>Das</strong> ist eine Bedingung,<br />
dass sie brüten.» In einiger Entfernung ist der Schilf deutlich<br />
niedriger als sonst, elegante Rohrkolben wachsen daraus<br />
hervor. «Rohrkolben wachsen fast nur dort, wo gemäht wird»,<br />
erläutert mein <strong>Winter</strong>wanderführer. Der Kanton mähe einen<br />
grossen Teil <strong>des</strong> Gwattlischenmooses jährlich einmal, um die<br />
ökologisch wertvollen Pfeifengraswiesen vor dem Überwachsen<br />
durch Schilf zu schützen.<br />
Plötzlich setzt ganz nahe Vogelgesang ein. «Ein erstes feines<br />
Anzeichen, dass der Frühling naht», freut sich Martin. Doch <strong>auch</strong><br />
der <strong>Winter</strong> <strong>lebt</strong>, wie ich heute erfahren habe. Und selbst ein<br />
gewiefter Ornithologe freut sich noch über etwas, das wir alle<br />
kennen: das Lied der häufigsten Drosselart, der Turdus Merula –<br />
der ganz gewöhnlichen Amsel.<br />
Text: Jürg Alder Bilder: Jürg Alder/Martin Gerber<br />
WEITERE INFOS<br />
Martin Gerber, Projektleiter für die Aufwertung <strong>des</strong><br />
Naturschutzgebietes Gwattlischenmoos <strong>im</strong> Grenzgebiet von<br />
Thun und Spiez, ist Exkursionsleiter der Schweizerischen<br />
Vogelwarte Sempach und Vorstandsmitglied der Naturwissenschaftlichen<br />
Gesellschaft Thun. Nähere Auskünfte:<br />
martin@gerbertours.ch/Tel. 033 453 12 71.<br />
Weitere Angaben <strong>im</strong> Internet<br />
– www.ngt.scnatweb.ch<br />
– www.u-t-b.ch , «Projekte», «aktuelle Projekte»<br />
– www.de.wikipedia.org/wiki/Gwatt<br />
Bewegung<br />
– <strong>Winter</strong> und frostige Temperaturen sollten nicht vom Sport abhalten.<br />
Joggen, walken oder einfach den Bus früher verlassen<br />
und eine Haltestelle zu Fuss gehen.<br />
– Aktivitäten an der frischen Luft füllen <strong>auch</strong> <strong>im</strong> <strong>Winter</strong> die Energiereserven.<br />
– Schon durch einfaches Recken und Strecken kann die Durchblutung<br />
angeregt werden.<br />
– Wer draussen fröstelt, kann sich mit einfachem Hüpfen, Wippen<br />
oder Auf- und Abrollen der Füsse helfen.<br />
Gesicht<br />
– Die Haut leidet sehr stark <strong>im</strong> <strong>Winter</strong>. Durch die geringe Luftfeuchtigkeit<br />
fehlt ihr oft der nötige Fettanteil. Vor allem das Gesicht<br />
ist ständig schutzlos der Kälte ausgesetzt. Deshalb sollten<br />
gegen Risse oder Jucken fetthaltige Cremen mit Vitamin E und<br />
Aloe Vera aufgetragen werden.<br />
Hände und Lippen<br />
– In der kalten Jahreszeit sind die Hände und Lippen oft rau. Auch<br />
wenn es gut tut: Spröde Lippen nie mit der Zunge anfeuchten!<br />
So werden sie nur noch trockener. Besser mit einem Lippenbalsam<br />
oder Vaseline eincremen.<br />
– Raue Hände am besten mit pH-neutralen Pflegeprodukten<br />
waschen und regelmässig mit feuchtigkeitsspendender Handcreme<br />
eincremen.<br />
Ernährung<br />
– <strong>Das</strong> Immunsystem kann mit dem Verzehr von viel Gemüse und<br />
Obst gestärkt werden. Durch die darin enthaltenen Vitamine<br />
und Nährstoffe wird die Körperabwehr fit gehalten.<br />
– Speisen wie Suppen und Eintöpfe verbreiten schnell eine innere<br />
Wärme. Andere wärmende Lebensmittel sind Lamm, Fenchel,<br />
Nüsse und Samen, Ziegenkäse und Rotwein.<br />
– Auch Gewürze können wärmen. So sind Z<strong>im</strong>t, Chili oder Ingwer<br />
wahre Heizöfen.<br />
Text: Fabienne Meister Bild: zvg