Thilo Kabus - Campo de Criptana
Thilo Kabus - Campo de Criptana
Thilo Kabus - Campo de Criptana
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Die Zusammenarbeit zwischen<br />
„Linken“ und „Rechten“ im äußeren<br />
Bereich <strong>de</strong>s politischen Spektrums hat seit<br />
einigen Jahren eine neue Dimension<br />
erhalten. Immer offener agieren viele<br />
Gruppen und Einzelpersonen für ihr<br />
diffuses Weltbild – <strong>de</strong>r Antisemitismus und<br />
Antiamerikanismus machen es möglich!<br />
Nationaler<br />
Anarchismus?<br />
Anarchismus<br />
von Rechts!<br />
Von Ralf Fischer<br />
Linke Theorien wer<strong>de</strong>n seit ihrer<br />
Entstehung unterschiedlich interpretiert, so<br />
natürlich auch die uneinheitliche Strömung<br />
<strong>de</strong>s Anarchismus. Die Befreiung <strong>de</strong>r<br />
Gesellschaft vom Staat und <strong>de</strong>r Nation war<br />
das hauptsächliche Ziel <strong>de</strong>r ersten<br />
Anarchistinnen, erstaunlicherweise und<br />
konträr zum Ursprung, macht nun seit<br />
einigen Jahren die Chiffre Nationaler<br />
Anarchismus o<strong>de</strong>r wahlweise auch<br />
Anarchonationalismus innerhalb <strong>de</strong>r<br />
extremen Rechten, aber auch <strong>de</strong>r Linken,<br />
immer öfter die Run<strong>de</strong>.<br />
Es gab schon immer viele unterschiedliche<br />
Denk- und Handlungsweisen,<br />
die man <strong>de</strong>m Anarchismus zuschrieb o<strong>de</strong>r<br />
die sich selbst als anarchistisch <strong>de</strong>finiert<br />
haben. All diese verschie<strong>de</strong>nartigen<br />
Ten<strong>de</strong>nzen haben sich über die letzten<br />
Jahrzehnte sehr wi<strong>de</strong>rsprüchlich entwickelt<br />
und lassen sich nur noch grob einer<br />
generellen Theorie o<strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ologie<br />
zuordnen. Anarchosyndikalisten, Anarchokommunisten,<br />
Anarchofeministinnen und<br />
Anarchokapitalisten sind nur einige <strong>de</strong>r<br />
differieren<strong>de</strong>n I<strong>de</strong>ntitäten o<strong>de</strong>r<br />
Glaubensbekenntnissen die sich aus<br />
anarchistischen Theoremen heraus<br />
kristallisiert haben. Die meisten dieser<br />
Strömungen sind we<strong>de</strong>r innerhalb <strong>de</strong>r<br />
anarchistischen Szene, noch außerhalb<br />
dieser abgeschlossenen Spähren, politisch<br />
überhaupt relevant.<br />
Der neue i<strong>de</strong>ologische Deckmantel <strong>de</strong>s<br />
‘Anarchonationalismus’ hat bisher schon<br />
ein Ziel erreicht, die Zusammenführung<br />
von extremen Rechten und antiautoritären<br />
Linken. Gemeinsam frönen sie in ihren<br />
Zusammenhängen und Veröffentlichungen<br />
ihrem Geschichtsrevisionismus, <strong>de</strong>m<br />
Traum eines <strong>de</strong>utsch-nationalen<br />
Bündnisses von links bis rechts und<br />
speziell <strong>de</strong>r Holocaustleugnung.<br />
Nicht links, nicht rechts:<br />
NATIONAL!<br />
Nach <strong>de</strong>m Motto „Die Grenzen<br />
verlaufen nicht zwischen Links und<br />
Rechts, son<strong>de</strong>rn zwischen <strong>de</strong>n Nationen“<br />
haben sich Protagonisten zweier eigentlich<br />
konträrer Seiten, <strong>de</strong>r extreme Rechte und<br />
<strong>de</strong>r national-völkischen Linke, in <strong>de</strong>n<br />
letzten Jahren politisch und organisatorisch<br />
zusammengefun<strong>de</strong>n. Das ist nicht neu,<br />
schon im Jahr 1932 streikten bei <strong>de</strong>n<br />
Berliner Verkehrsbetriebe die KPD sowie<br />
die NSDAP gemeinsam. Die Dialogbereitschaft<br />
für ein auf nationaler<br />
Grundlage stehen<strong>de</strong>s rot-braunes Bündnis<br />
bestand also schon öfter auf einer <strong>de</strong>r<br />
bei<strong>de</strong>n Seiten. Hauptanknüpfungspunkt auf<br />
bei<strong>de</strong>n Seiten ist dabei in <strong>de</strong>r Regel die<br />
so genannte nationale Frage. Deshalb<br />
galten gera<strong>de</strong> Anarchisten diesen Avancen<br />
gegenüber immer als immun.<br />
1983 bot <strong>de</strong>r damals führen<strong>de</strong> Neonazi<br />
Michael Kühnen auf einer Pressekonferenz<br />
in Berlin <strong>de</strong>n anarchistischen Autonomen<br />
einen ‘Waffenstillstand’ an. Gemeinsam<br />
sollte <strong>de</strong>r ‘Hauptfeind’ angegriffen<br />
wer<strong>de</strong>n, welcher von Kühnen in <strong>de</strong>r<br />
proamerikanischen Bonner Bun<strong>de</strong>sregierung<br />
i<strong>de</strong>ntifiziert wur<strong>de</strong>, und auf<br />
Grundlage <strong>de</strong>s Antiimperialismus eine<br />
gemeinsame Front aufgebaut wer<strong>de</strong>n.<br />
Dieses Angebot wur<strong>de</strong> damals dankend<br />
abgelehnt.<br />
Erst zehn Jahre später konnte eine<br />
Nachfolgeorganisation <strong>de</strong>r Anfang <strong>de</strong>r<br />
90er Jahre verbotenen Nationalistischen<br />
Front (NF) aus Halle/Saale die ersten<br />
praktischen Erfolge vermel<strong>de</strong>n. Der in<br />
Halle angesie<strong>de</strong>lte Stützpunkt berichtet<br />
1993, nicht ohne Stolz, dass sich „3<br />
ehemalige Linksautonome“(1) ihnen<br />
angeschlossen haben. Anlaß für diese<br />
Wortmeldung war die in Teilen <strong>de</strong>r<br />
extremen Rechten geführte Diskussion um<br />
<strong>de</strong>n Tod <strong>de</strong>s RAF-Mitglie<strong>de</strong>s Wolfgang<br />
Grams. Eine positive Bezugnahme in <strong>de</strong>r<br />
Neonaziszene auf Grams war dabei nicht<br />
unüblich. Die Kameradschaft Osthavel<br />
schrieb dazu folgen<strong>de</strong>s: „Vergeßt nicht,<br />
Wolfgang Grams starb für eine Sache, an<br />
die er fest geglaubt hat. Auch wir sind<br />
bereit, unser Leben für die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s<br />
Nationalsozialismus zu opfern und für<br />
Deutschland zu sterben. (...) Das Grams<br />
auf <strong>de</strong>r falschen Seite stand, wür<strong>de</strong>n wir<br />
eher als Zufall bezeichnen (...) Weiter<br />
müssen wir feststellen, daß wir uns<br />
genetisch und biologisch in keinster Weise<br />
von <strong>de</strong>n Linken unterschei<strong>de</strong>n - wohl aber<br />
können wir Unterschie<strong>de</strong> zwischen uns<br />
und <strong>de</strong>n HERREN DIESES Systems<br />
ausmachen. Das be<strong>de</strong>utet für uns zweifelsfrei:<br />
Der Feind ist nicht im eigenen Volk<br />
zu suchen. (...) Wir sind bereit mit <strong>de</strong>m<br />
‘Teufel’ ein Bündnis einzugehen, wenn es<br />
<strong>de</strong>r nationalen Bündnisbewegung unseres<br />
Volkes nützt.“(2)<br />
Attribute wie ‘revolutionär’, ‘antikapitalistisch’<br />
o<strong>de</strong>r ‘antiimperialistisch’<br />
wur<strong>de</strong>n und wer<strong>de</strong>n auch von militanten<br />
Neonazikreisen als positiv angesehen und<br />
nach außen propagiert. Die sich u.a. aus<br />
dieser Positionierung ergeben<strong>de</strong> Solidarität<br />
mit national-revolutionären Bewegungen,<br />
wie <strong>de</strong>r PKK, die IRA, <strong>de</strong>r ETA o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />
palästinen-sischen Terrororganisationen,<br />
diente dabei immer als Folie für <strong>de</strong>n<br />
eigenen Haß auf <strong>de</strong>n Staat Israel o<strong>de</strong>r<br />
wahlweise die jüdische Weltverschwörung,<br />
die sich nach Ansicht vieler extremer<br />
Rechter in <strong>de</strong>n USA manifestiert. Gera<strong>de</strong><br />
diese radikalen Phrasen im Zusammenhang<br />
mit <strong>de</strong>n sogenannten nationalen Befreiungsbewegungen<br />
unterschie<strong>de</strong>n sich<br />
kaum von <strong>de</strong>n Parolen, <strong>de</strong>rer die sich<br />
selbst eigentlich als ‘antifaschistisch’<br />
bezeichneten und die gegen die erneute<br />
Gefahr eines <strong>de</strong>utschen Faschismus<br />
ankämpften.<br />
Nicht nur, wie meistens befürchtet und<br />
<strong>de</strong>mentsprechend berichtet, im autoritär -<br />
kommunistischen Flügel <strong>de</strong>r Linken, son<strong>de</strong>rn<br />
auch innerhalb <strong>de</strong>r anarchistischen<br />
und antiautoritären Kreise gibt es Bestrebungen,<br />
ein rot-braunes Bündnis zu<br />
initiieren und auf Dauer zu organisieren. In<br />
diesen Kreisen beson<strong>de</strong>rs aktiv ist dabei<br />
<strong>de</strong>r Berliner Peter Töpfer. Er gilt als einer<br />
<strong>de</strong>r wichtigsten Drahtzieher innerhalb <strong>de</strong>s<br />
sich selbst als ‘Nationale Anarchisten’<br />
bezeichnen<strong>de</strong>n Netzwerk von Aktivisten.<br />
Gemeinsam mit Andreas Röhler gab er im<br />
Verlag <strong>de</strong>r Freun<strong>de</strong> (VdF) das Magazin<br />
‘Sleipnir’ heraus, wur<strong>de</strong> mehrfach wegen<br />
<strong>de</strong>r Verbreitung neonazistischer Propaganda<br />
und <strong>de</strong>m Verdacht auf Volksverhetzung<br />
juristisch belangt.<br />
Außer<strong>de</strong>m betrieb Töpfer die<br />
Homepage <strong>de</strong>r Nationalen Anarchie und<br />
galt als eine <strong>de</strong>r Stützen <strong>de</strong>s Internetprojektes<br />
www.querfront.<strong>de</strong>. Seine<br />
politische Motivation beschrieb Töpfer auf<br />
die von ihm selbst gestellte Frage „Was ist<br />
Revisionismus und warum eignet die<br />
nationale Anarchie sich ihn an?“ recht<br />
<strong>de</strong>utlich: „Revisionismus, wie wir ihn<br />
verstehen, heißt Herstellung dieser<br />
Freiheit, heißt Kampf um totale Gedankenund<br />
Meinungsfreiheit, gleich, ob es<br />
um Schuld, Geschichte ... was auch immer<br />
geht: Freiheit als Selbstzweck, Freiheit um<br />
<strong>de</strong>r Freiheit willen, Freiheit als Genuss. ...<br />
Wenn <strong>de</strong>r Revisionismus verteufelt wird,<br />
liegt es daran, dass er ins Herz <strong>de</strong>r<br />
I<strong>de</strong>ologie <strong>de</strong>r heute Herrschen<strong>de</strong>n stößt,<br />
und Herrschaft heißt immer Freiheitsberaubung.“(3)<br />
Letztendlich streben die Kreise um<br />
Töpfer eine Ordnung an, in <strong>de</strong>r<br />
organisierte Völker ohne Staaten<br />
<strong>Campo</strong> <strong>de</strong> <strong>Criptana</strong> – Nr. 5, 1. Quartal 2004 13
nebeneinan<strong>de</strong>r existieren. Der Staat als<br />
vermitteln<strong>de</strong> Institution soll abgelöst<br />
wer<strong>de</strong>n, weil er eine Gesellschaft<br />
produziert, die nichts mehr mit <strong>de</strong>m<br />
erstrebenswerten I<strong>de</strong>al einer solidarischen,<br />
souveränen Gemeinschaft auf völkischer<br />
Basis zu tun habe. Zu<strong>de</strong>m wird von<br />
<strong>de</strong>n ‘Nationalen Anarchisten’ auf die von<br />
<strong>de</strong>m Nationalrevolutionär Henning<br />
Eichberg formulierte Abkoppelungs-<br />
I<strong>de</strong>ologie rekurriert. So behaupten sie, das<br />
eine Dezentralisierung „Autonomie und<br />
Autarkie gegenüber herrschaftsambitionierten<br />
Frem<strong>de</strong>n und damit (automatisch,<br />
Anmerkung <strong>de</strong>s Autors)<br />
Freiheit“(4) be<strong>de</strong>utet.<br />
Gegen Migranten kommen, ähnlich wie<br />
bei <strong>de</strong>m Themenfeld Revisionismus, sehr<br />
wirr anmuten<strong>de</strong> Argumentationen von<br />
Töpfer zu Tage: „Ich als Anarchist brauche<br />
überhaupt keine Rechtfertigung. Ich nehme<br />
mir, was ich will, und frage nieman<strong>de</strong>n<br />
danach. Und ich ... entschei<strong>de</strong> ganz einfach<br />
und souverän, u.a. dass ich unter<br />
meinesgleichen leben möchte. ... Ich habe<br />
keinen Bock auf 'Asylanten' aus aller<br />
Herren Län<strong>de</strong>r: So einfach ist das.“(5)<br />
Diese Art <strong>de</strong>r Demagogie, die<br />
es schafft sich undogmatisch zu geben, ist<br />
typisch für Argumentationen von<br />
Seiten <strong>de</strong>rjenigen die einer anarchistisch<br />
geprägten Querfront anhängen. Die<br />
Aneignung und Vermischung von<br />
unterschiedlichen I<strong>de</strong>ologiefragmenten,<br />
o<strong>de</strong>r einfach auch die Verdrehung von<br />
tatsächlichen i<strong>de</strong>ologischen Dogmen sind<br />
die Werkzeuge mit <strong>de</strong>nen sie dabei<br />
agieren. Bündnispartner o<strong>de</strong>r<br />
Anknüpfungspunkte auf <strong>de</strong>r linken Seite<br />
<strong>de</strong>s politischen Spektrums fin<strong>de</strong>n die<br />
Nationalanarchisten trotz <strong>de</strong>r Ein<strong>de</strong>utigkeit<br />
ihrer Außendarstellung nicht selten.<br />
So beziehen sie sich zum Beispiel auf<br />
die Verlautbarungen <strong>de</strong>r Antiimperialistischen<br />
Koordination (AIK) aus Wien,<br />
<strong>de</strong>ren Internetseiten eifrig verlinkt wer<strong>de</strong>n.<br />
Selbstverständlich setzen sich Töpfer &<br />
Co. auch für antisemitisch argumentieren<strong>de</strong>n<br />
Personen wie Norman Finkelstein o<strong>de</strong>r<br />
Jamal Karsli ein. Ebenso bewerben die<br />
Nationalen Anarchisten die Spaßpartei <strong>de</strong>r<br />
Punks: die Anarchistische Pogopartei<br />
Deutschlands (APPD). Aus solchen<br />
Kreisen stoßen die meisten ‘Linken’ zu<br />
<strong>de</strong>n Querfrontkreisen. So wur<strong>de</strong> ein<br />
Beispiel aus Mag<strong>de</strong>burg vor über einem<br />
Jahr bekannt, dass einige über mehrere<br />
Jahre aktive Punks samt ihren privaten<br />
Fotoalben fast aller Antifa Aktionen auf<br />
die an<strong>de</strong>re Seite <strong>de</strong>r Barrika<strong>de</strong> gewechselt<br />
sind. Mitgenommen haben sie nicht nur die<br />
Fotos <strong>de</strong>r aktiven Antifa, son<strong>de</strong>rn auch ihr<br />
Outfit, sowie wahrscheinlich große<br />
Fragmente ihrer I<strong>de</strong>ologie. Die Feindaufklärung<br />
mit Irokesenhaarschnitt, also<br />
Anti-Antifa auf neonazistischen<br />
Demonstrationen im Jahre 2003, war<br />
<strong>de</strong>mentsprechend auch die Aufgabe für<br />
diese ehemaligen ‘Linken’ in <strong>de</strong>r neuen<br />
gewonnen Kampfgemeinschaft.<br />
Querfront aktiv...<br />
Seinen ersten großen öffentlichen Auftritt<br />
bei <strong>de</strong>r extremen Rechten konnte<br />
Töpfer auf <strong>de</strong>m Wahlkampfabschluß <strong>de</strong>r<br />
NPD 1998 in Rostock zelebrieren. Mit<br />
einem schwarz-rote Stern, das Symbol <strong>de</strong>r<br />
anarchistischen Bewegung, am Revers<br />
wollte Töpfer mit mehreren tausend<br />
Neonazis durch die Straße <strong>de</strong>r Hansestadt<br />
<strong>de</strong>monstrieren. Beinahe hätten bei diesem<br />
Auftritt einige forsche Jungnazis die<br />
Karriere <strong>de</strong>s Querfrontaktivisten allzu<br />
schnell been<strong>de</strong>t, als sie ihm wegen<br />
seines Button anzumachen versuchten. Nur<br />
die Schützenhilfe prominenter NPDler<br />
konnte Töpfer vor einer nationalproletarischen<br />
Abreibung schützen. Die<br />
aktivistischen Jungnazis hielten Töpfer<br />
eben für einen politischen Gegner o<strong>de</strong>r<br />
wenigstens einen Wirrkopf, und die gilt es<br />
zu bekämpfen. Innerhalb <strong>de</strong>r nächsten<br />
drei Jahre än<strong>de</strong>rte sich dies komplett. 2001<br />
in Jena riefen NPD, Nationale<br />
Anarchisten und die Interessensgemeinschaft<br />
Deutsch-Arabische<br />
Freundschaft Berlin gemeinsam zu einer<br />
Demonstration unter <strong>de</strong>m Motto<br />
„Solidarität mit Palästina und Irak – für<br />
eine Welt freier Völker“ auf. Unter Parolen<br />
wie „Gegen Faschismus und Intoleranz“<br />
zogen rund 150 Neonazis durch Jena und<br />
verwirrten nicht nur die Anwohnern.<br />
Rechte Rotte mit linken Sprüchen<br />
Auch die thüringische Polizei konnte<br />
aufgrund <strong>de</strong>r gleichen Parolen, aber auch<br />
i<strong>de</strong>ntischer Kleidungsstücke wie z.B.<br />
Palästinen-sertücher, kaum die bei<strong>de</strong>n<br />
Seiten auseinan<strong>de</strong>rhalten. In dieser Zeit<br />
war Peter Töpfer regelmäßig auf<br />
Aufmärschen <strong>de</strong>r Freien Kameradschaften<br />
sowie <strong>de</strong>r NPD zu sehen. Bei solchen<br />
Gelegenheiten trug er und seine<br />
‘Kamera<strong>de</strong>n’ sogar ein Transparent mit <strong>de</strong>r<br />
Auffor<strong>de</strong>rung „die nationale Antifa“ zu<br />
organisieren, mit sich. Ein weiterer<br />
überregional bekannter Nationaler<br />
Anarchist und häufiger Gast von<br />
Demonstrationen <strong>de</strong>r NPD ist <strong>Thilo</strong> <strong>Kabus</strong><br />
aus Hennigsdorf in Bran<strong>de</strong>nburg. <strong>Kabus</strong> ist<br />
seit Jahren <strong>de</strong>r Betreiber <strong>de</strong>s<br />
Internetprojektes<br />
www.anarchonationalismus.<strong>de</strong> und arbeitet<br />
<strong>de</strong>rzeit als Leiter <strong>de</strong>r Presseabteilung <strong>de</strong>r<br />
Fraktion <strong>de</strong>r Deutschen Volksunion<br />
(DVU) im Landtag Bran<strong>de</strong>nburg.<br />
Außer<strong>de</strong>m ist er <strong>de</strong>rzeit, auch für die<br />
DVU, stellvertreten<strong>de</strong>s stimmberechtigtes<br />
Mitglied im Lan<strong>de</strong>sjugendhilfeausschuss<br />
im Landtag.<br />
Anfang <strong>de</strong>r 90er Jahre war <strong>Thilo</strong> <strong>Kabus</strong><br />
Bun<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Jungen National<strong>de</strong>mokraten,<br />
später kandidierte er in Berlin<br />
auch für die Nationalen e.V. und wur<strong>de</strong><br />
Lan<strong>de</strong>svorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Berliner NPD<br />
sowie Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r NPD in<br />
Bran<strong>de</strong>nburg.<br />
Peter Töpfer und <strong>Thilo</strong> <strong>Kabus</strong> sind nur<br />
zwei aus <strong>de</strong>r Riege <strong>de</strong>r ‘Nationalen<br />
Anarchisten’ in <strong>de</strong>r sogenannten<br />
Querfront. Auch nicht wenige 68er sind<br />
einen komischen Weg gegangen um dann<br />
letztendlich im gleichen Lager zu lan<strong>de</strong>n.<br />
Langhans, Mahler, Maschke, Rabehl,<br />
Oberlercher sind dabei immer die am<br />
häufigsten genannten Namen. Auch sie<br />
haben zum Teil inzwischen Aufgaben als<br />
I<strong>de</strong>ologieproduzenten <strong>de</strong>r Neonazis<br />
wahrgenommen. Diese I<strong>de</strong>ologie<br />
transportierte <strong>de</strong>r Verlag <strong>de</strong>r Freun<strong>de</strong> von<br />
Röhler und Töpfer schon in <strong>de</strong>n 90er<br />
Jahren über seine Publikationen sowie<br />
vertrieb sie über seinen Versand. Zwar<br />
sind sich z.B. Peter Töpfer und Horst<br />
Mahler i<strong>de</strong>ologisch nicht in allem einig,<br />
aber es reicht für Töpfer aus, um sich für<br />
<strong>de</strong>n gegenwärtig vor Gericht stehen<strong>de</strong>n<br />
Mahler, sowie Reinhold Oberlercher und<br />
Uwe Meenen einzusetzen. Gemeinsam mit<br />
einigen an<strong>de</strong>ren Revisionisten for<strong>de</strong>rt er,<br />
dass Mahler, Oberlercher und Meenen frei<br />
ihre Meinung äußern, also die Shoa<br />
verharmlosen, können. Gemeinsam mit so<br />
bekannten Rechtsaußen wie Jürgen Graf,<br />
Jürgen Schwab und Robert Faurisson steht<br />
Peter Töpfer unter diesem ‘internationalen<br />
Appell’.<br />
Die bei<strong>de</strong>n schon oben erwähnten<br />
Internetprojekte sind <strong>de</strong>rzeit offline. Das<br />
Internetprojekt Querfront richtete sich<br />
gezielt an Nonkonformisten, Anarchisten<br />
und Linksalternative. Auf <strong>de</strong>r Homepage<br />
wur<strong>de</strong>n die Internetuser mit einem<br />
umgedichteten Zitat von Ton-Steine-<br />
Scherben begrüßt: „Die letzte Schlacht<br />
verlieren wir“. Neben <strong>de</strong>r Verspottung<br />
<strong>de</strong>r linken Kultband, <strong>de</strong>ren Songs im<br />
übrigen auch auf Neonaziaufmärschen<br />
gespielt wer<strong>de</strong>n, stand die Selbstdarstellung<br />
<strong>de</strong>s Projekts. In dieser wur<strong>de</strong> dazu<br />
animiert, sich nicht von politischen<br />
Ritualen anö<strong>de</strong>n zu lassen und sich<br />
keinen „Denkverboten, Feindbil<strong>de</strong>rn und<br />
<strong>Campo</strong> <strong>de</strong> <strong>Criptana</strong> – Nr. 5, 1. Quartal 2004 14
Gruppenzwängen“ zu fügen. Neben vielen<br />
Texten, bot diese Seite gleichfalls ein viel<br />
genutztes Forum. Auf <strong>de</strong>r Seite von <strong>Thilo</strong><br />
<strong>Kabus</strong> fan<strong>de</strong>n sich nur wenige Texte sowie<br />
auch sonst nur wenige Angebote.<br />
Trotz<strong>de</strong>m waren bei<strong>de</strong> Projekte als<br />
wichtige informelle Knotenpunkte, wegen<br />
<strong>de</strong>r im Internet üblichen breiteren<br />
Möglichkeit zur Außendarstellung und <strong>de</strong>r<br />
dadurch vermehrten I<strong>de</strong>ologievermittlung,<br />
be<strong>de</strong>utsam.<br />
Bei www.querfront.<strong>de</strong> wird zur Zeit<br />
versucht <strong>de</strong>r Eindruck zu erwecken die<br />
Internetseite sei von Hackern gecrackt<br />
wor<strong>de</strong>n. Doch die Tatsache das sich<br />
abwechselnd die Anti-Antifa sowie eine<br />
linke Gruppierung zur Tat auf <strong>de</strong>r Seite<br />
bekennt, zeigt, dass hier wahrscheinlich<br />
ein Fake vorliegt. Der ‘internationale<br />
Appell’ initiiert von für Horst Mahler ist<br />
aktuell auf <strong>de</strong>r Internetdomän<br />
www.anti<strong>de</strong>utsch.<strong>de</strong> gepostet. Diese<br />
scheint von <strong>de</strong>n ehemaligen Besitzern, <strong>de</strong>n<br />
Anti<strong>de</strong>utschen Kommunisten Berlin<br />
(ADK), nicht mehr bezahlt wor<strong>de</strong>n zu sein.<br />
Die findigen Querfrontaktivisten haben<br />
sich diesen Umstand zu Nutze gemacht<br />
und sich die Domän gesichert.<br />
Antisemitismus und<br />
Antiamerikanismus als<br />
i<strong>de</strong>ologisches Bin<strong>de</strong>glied<br />
Aus <strong>de</strong>r langen Geschichte <strong>de</strong>s<br />
libertären Denkens hat sich zwar eine<br />
lebendige und weit aus differenzierte<br />
Tradition entwickelt, die aber keine<br />
generelle Theorie darstellt. Der<br />
Anarchismus ist heutzutage zu einer aus<br />
unterschiedlichen Fragmenten individuell<br />
gestaltete Mischung aus anarchistischen<br />
und in <strong>de</strong>r Tat auch an<strong>de</strong>ren Theoremen<br />
gewor<strong>de</strong>n. Der so genannte<br />
Anarchonationalismus stellt dabei nur eine<br />
reaktionäre und beson<strong>de</strong>rs völkische<br />
Variante dar. Sie hat zwar mit ‘<strong>de</strong>m<br />
Anarchismus’ nichts zu tun, doch gibt es<br />
diesen ja eigentlich gar nicht. Dieser<br />
Schwierigkeit, <strong>de</strong>n Unterschied ums Ganze<br />
klarzumachen, müssen sich fortschrittliche<br />
Anarchisten stellen. Während bei<br />
autoritären Kommunisten, Nationalbolschewisten<br />
und Neonazis die rotbraune<br />
Schnittmenge meistens aus einem<br />
antiimperialistischen Antikapitalismus<br />
besteht, sind sich ‘rechte’ und ‘linke’<br />
Protagonisten <strong>de</strong>r Querfront, die sich<br />
Anarchisten nennen, einig in <strong>de</strong>r<br />
Ablehnung zentralistischer Macht und <strong>de</strong>m<br />
positiven Bezug auf die Gemeinschaft, also<br />
<strong>de</strong>r völkischen Version <strong>de</strong>r Selbstbestimmung.<br />
Doch etwas haben sie alle<br />
gemeinsam, egal ob sie sich anarchistisch<br />
o<strong>de</strong>r autoritär geben: <strong>de</strong>n Antisemitismus<br />
und <strong>de</strong>n Antiamerikanismus. Der Antisemitismus<br />
kommt dabei sehr unterschiedlich<br />
zu Tage. Mal als Haß auf Israel,<br />
mal als Weltverschwörungstheorie und oft<br />
als Leugnung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsche Taten während<br />
<strong>de</strong>r Shoa. So wird gerne von diesen<br />
Kreisen behauptet das die heutigen<br />
For<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r jüdischen Opferverbän<strong>de</strong><br />
aus Raffgier gestellt wer<strong>de</strong>n, und nicht als<br />
Resultat und kleine Entschädigung <strong>de</strong>s<br />
<strong>de</strong>utschen Vernichtungswahns zu<br />
verstehen sind.<br />
Die notorische Solidarität mit Palästina<br />
und <strong>de</strong>m Irak <strong>de</strong>r Querfrontaktivisten<br />
speist sich genauso aus ihrem<br />
Antisemitismus, in diesem Fall <strong>de</strong>m<br />
konkreten Haß auf Israel, und natürlich<br />
ihrem Antiamerikanismus. Vor einigen<br />
Jahren noch unvorstellbar, aber heutzutage<br />
gibt es kaum noch eine Neonazi<strong>de</strong>monstration,<br />
auf <strong>de</strong>r keine<br />
Palästinensertücher und Palästinafahnen<br />
gezeigt wer<strong>de</strong>n. In einem Flugblatt zu<br />
dieser Thematik, für das Peter Töpfer sich<br />
verantwortlich zeichnete, heißt es<br />
<strong>de</strong>mentsprechend: „Uns eint mit <strong>de</strong>n<br />
palästinensischen Befreiungskämpfern,<br />
dass auch wir von jüdischen Bonzen und<br />
ihren philosemitischen Arschkriechern<br />
unterdrückt wer<strong>de</strong>n.“<br />
Am 22. September 2001, kurz nach <strong>de</strong>n<br />
Anschlägen in New York, <strong>de</strong>monstrierte<br />
auch <strong>Thilo</strong> <strong>Kabus</strong> sehr <strong>de</strong>utlich seine<br />
Haltung zu diesem Thema. Er nahm an<br />
einer von <strong>de</strong>m damaligen NPD-<br />
Kreisvorsitzen<strong>de</strong>r Prignitz-Ruppin Mario<br />
Schulz angemel<strong>de</strong>ten antiamerikanischen<br />
Demonstration teil. Zum krönen<strong>de</strong>n<br />
Abschluß <strong>de</strong>r Demonstration verbrannte<br />
Schulz eine Flagge <strong>de</strong>r USA unter <strong>de</strong>m<br />
Gejohle von rund 100 Neonazis.<br />
Anmerkungen:<br />
(1) zitiert nach Antifaschistisches<br />
INFO-Blatt Nr. 30, Funktionärin <strong>de</strong>r NF-<br />
Nachfolgeorganisation auf Kontaktsuche,<br />
Juni/Juli 1995<br />
(2) In Aktion - interner Rundbrief <strong>de</strong>r<br />
Direkten Aktion Mittel<strong>de</strong>utschland,<br />
Juli 1993<br />
(3) zitiert nach Peter Nowak,<br />
Schwarz-rote Fahne, Blick nach Rechts<br />
25/99<br />
(4) Querfrontticker<br />
http://www.copyriot.com/sinistra<br />
(5) zitiert nach Peter Nowak,<br />
Schwarz-rote Fahne, Blick nach Rechts<br />
25/99<br />
Autor: Ralf Fischer / gi@mail.nadir.org<br />
Homepage:<br />
http://www.nadir.org/nadir/initiativ/gi/<br />
Thomas Uwer / Thomas von <strong>de</strong>r Osten<br />
Sacken / Andrea Woeldike (Hrsg.):<br />
Amerika, <strong>de</strong>r ‘War on Terror’ und <strong>de</strong>r<br />
Aufstand <strong>de</strong>r Alten Welt, Freiburg 2003 (ca<br />
ira), 320 Seiten, ISBN 3-924627-81-9, 17,<br />
50 Euro<br />
Aufklärung gegen Ressentiments?<br />
Nach langem Hin und Her, welcher<br />
Verlag das lang angekündigte Buch zum<br />
Thema ‘Amerika’ von Andrea Woeldike<br />
und <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Mitarbeitern <strong>de</strong>r entwicklungspolitischen<br />
Nichtregierungsorganisation<br />
Wadi e.V. Thomas Uwer und<br />
Thomas von <strong>de</strong>r Osten Sacken veröffentlichen<br />
wür<strong>de</strong>, hat sich nun <strong>de</strong>r linkskommunistische<br />
Verlag Ca Ira aus Freiburg<br />
gefun<strong>de</strong>n<br />
Vorangegangen waren lange Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
<strong>de</strong>r Autoren mit <strong>de</strong>m<br />
Konkret-Verlag, <strong>de</strong>r eigentlich vor hatte das<br />
Buch zu veröffentlichen, aber aufgrund<br />
inhaltlicher Differenzen davon dann absah.<br />
Das nun endlich vorliegen<strong>de</strong> Buch ist kein<br />
weiterer Beitrag sich einfach nur am<br />
‘Feindbild Amerika’ abzuarbeiten, son<strong>de</strong>rn<br />
stellt einen Versuch dar, die These, dass es<br />
sich beim aktuellen Antiamerikanismus um<br />
mehr als falsches Bewußtsein han<strong>de</strong>lt, zu<br />
untermauern. Die Autoren sind <strong>de</strong>r<br />
Meinung, dass es sich beim <strong>de</strong>rzeitigen<br />
Antiamerikanismus längst um eine<br />
politische Realität han<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>r mit ein<br />
wenig Aufklärung und <strong>de</strong>r Trennung in<br />
Feindbild und ‘berechtigte Kritik’ nicht<br />
mehr beizukommen sei. O<strong>de</strong>r wie sie es im<br />
Vorwort formulieren: „Der ‘Trick’ mit <strong>de</strong>m<br />
Antiamerikanismus liegt eben darin, daß er<br />
sich vom eigenen Mißerfolg nicht<br />
wi<strong>de</strong>rlegen läßt“.<br />
Der signifikante Erfolg <strong>de</strong>s<br />
Antiamerikanismus und seine<br />
Auswirkungen wer<strong>de</strong>n im Buch sehr<br />
ausführlich behan<strong>de</strong>lt, auch ist die breite<br />
Palette <strong>de</strong>r Autoren sehr erfreulich. Das<br />
Buch bietet auf einen Blick die<br />
Bewertungen von unterschiedlichen<br />
Autoren, die das innerhalb <strong>de</strong>s Nahen Osten<br />
herrschen<strong>de</strong> System antiamerikanischer<br />
Projektionen ebenso zum Gegenstand ihrer<br />
Kritik machen wie die amerikanische<br />
Nahost-Politik <strong>de</strong>r letzten Jahrzehnte.<br />
Gelungen, wie ich fin<strong>de</strong>.<br />
Ralf Fischer<br />
<strong>Campo</strong> <strong>de</strong> <strong>Criptana</strong> – Nr. 5, 1. Quartal 2004 15