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Mysterium - Mysterien - Mysterienkulte - Internetloge.de

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internetloge.<strong>de</strong><br />

<strong>Mysterium</strong> - <strong>Mysterien</strong> - <strong>Mysterien</strong>kulte<br />

Der Begriff »<strong>Mysterium</strong>« umschreibt ein Geheimnis o<strong>de</strong>r ein unergründbares<br />

Geschehen, in <strong>de</strong>r Religionsgeschichte das <strong>de</strong>m Menschen gegenübertreten<strong>de</strong>,<br />

von ihm als heilig erfahrene, nicht eigentlich erklärbare »ganz An<strong>de</strong>re«.<br />

»<strong>Mysterien</strong>« waren in <strong>de</strong>r Antike geheime religiöse Feiern. Sie waren <strong>de</strong>m<br />

Wer<strong>de</strong>n und Vergehen in <strong>de</strong>r Natur, symbolisiert in einer Gottheit, gewidmet<br />

und versprachen <strong>de</strong>n Mysten 1 Erkenntnis bzw. Erlösung.<br />

»<strong>Mysterien</strong>kulte« verbreiteten sich seit <strong>de</strong>m 7. Jahrhun<strong>de</strong>rt v. Chr. in<br />

Griechenland, in hellenistischer Zeit stark unter orientalischem und<br />

ägyptischem Einfluss.<br />

Der Freimaurer Carl Schnei<strong>de</strong>r erkennt: 2<br />

Verbin<strong>de</strong>t sich Religion mit Metaphysik 3 , so entsteht die Gnosis 4 ;<br />

verbin<strong>de</strong>t sich Religion mit magischer Technik, entstehen alle möglichen<br />

Formen religiösen Zaubers; verbin<strong>de</strong>n sich alle drei, so entsteht das, was<br />

wir im strengen Sinne <strong>Mysterien</strong> nennen.<br />

Wir haben es also mit einer so ganzheitlichen Erscheinung zu tun, wie sie<br />

in <strong>de</strong>r so zersplitterten Welt, in <strong>de</strong>r Denken, Fühlen und Han<strong>de</strong>ln immer<br />

wie<strong>de</strong>r miteinan<strong>de</strong>r streiten, selten ist. Schon <strong>de</strong>shalb gehören die<br />

<strong>Mysterien</strong> zu <strong>de</strong>m Großartigsten, was die menschliche Geistesgeschichte<br />

überhaupt aufzuweisen hat.<br />

Das Wort selbst ist nicht ein<strong>de</strong>utig. Der griechische Wortstamm kann<br />

entwe<strong>de</strong>r be<strong>de</strong>uten »die Augen schließen« o<strong>de</strong>r »<strong>de</strong>n Mund schließen«.<br />

Die Sache selbst hat <strong>de</strong>n doppelten Sinn in sich aufgenommen. Der Myste<br />

schließt die Augen, d. h. <strong>de</strong>r Lichtglanz, <strong>de</strong>r ihm entgegenstrahlt, ist so<br />

herrlich und blen<strong>de</strong>t so sehr, daß man die Augen einen Augenblick<br />

1 Eingeweihten<br />

2 Carl Schnei<strong>de</strong>r, Die antiken <strong>Mysterien</strong> in ihrer Einheit und Vielfalt - Wesen und Wirkung <strong>de</strong>r Einweihung, 1979<br />

3 Metaphysik, griechisch, »das, was hinter <strong>de</strong>r Natur steht«, ursprünglich die Schriften <strong>de</strong>s Aristoteles über die<br />

ersten Prinzipien und Ursachen <strong>de</strong>s Seins, die von Andronikos von Rhodos (1.Jahrhun<strong>de</strong>rtv.Chr.) <strong>de</strong>n Büchern<br />

über die Natur nachgeordnet wur<strong>de</strong>n; seit <strong>de</strong>m Neuplatonismus allgemein die Lehre vom Sein beziehungsweise<br />

Seien<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>ssen Wesen.<br />

4 Gnosis, griechisch »Erkenntnis«, in <strong>de</strong>r griechischen Tradition Bezeichnung für die Erkenntnis überhaupt.<br />

Heute allgemeiner Begriff <strong>de</strong>r Religionsphänomenologie das systematisch gefaßte, nur wenigen Auserwählten<br />

zugängliche (göttliche) Geheimwissen in esoterischen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften.<br />

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schließen muß. Aber die Herrlichkeit <strong>de</strong>r <strong>Mysterien</strong> verträgt keine<br />

Profanierung. Schon ein Wort darüber kann die ganze Fülle zerstören,<br />

<strong>de</strong>nn es besteht immer die Gefahr, daß das Wort das Ganze zersetzt. Um<br />

das zu verstehen, <strong>de</strong>nke man an <strong>de</strong>n berühmten Schiller'schen Vers:<br />

»Spricht die Seele, so spricht, ach, schon die Seele nicht mehr«. Denn die<br />

<strong>Mysterien</strong> führen in <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r »unaussprechlichen Worte, von<br />

<strong>de</strong>nen kein Mensch sagen kann«.<br />

Ihrem ganzheitlichen Charakter entsprechend vereinen alle <strong>Mysterien</strong><br />

klare <strong>de</strong>nkerische Formulierungen mit erlebnismäßig gefühlten, meist<br />

polaren Spannungen und daraus entspringen<strong>de</strong>n Willensimpulsen aller<br />

Art. Die <strong>de</strong>nkerische Grundlage ist in allen Fällen die Überzeugung<br />

davon, daß mitten in dieser kosmischen Welt eine transzen<strong>de</strong>nte<br />

Wirklichkeit erscheint und sich auch zu erkennen und zu erleben gibt.<br />

Abstrakt heißt das: die Welt kann das Transzen<strong>de</strong>nte nur durch Zeichen<br />

erfassen, <strong>de</strong>nn sie ist in ihrer logischen Raum-Zeitlichkeit gar nicht fähig,<br />

das Überräumliche und Überzeitliche zu fassen. Diese Zeichen selbst<br />

können aber wie<strong>de</strong>r nicht rational auflösbar sein, weil sie eben sonst auch<br />

nur ein Stück Empirie blieben. Das heißt also, <strong>de</strong>r Myste sieht im Zeichen<br />

das, was hinter <strong>de</strong>m Zeichen liegt, während - um das gleich von<br />

vornherein zu sagen - <strong>de</strong>r Ungeweihte nur das Zeichen sieht und es oft<br />

genug sogar als unsinnig, wi<strong>de</strong>rspruchsvoll und töricht sehen muß.<br />

Sophokles 5 hat es am einfachsten formuliert: »Zum Weisen spricht <strong>de</strong>r<br />

Gott im dunklen Wort.«<br />

Der Freimaurer Franz Carl Endres 6 erkennt einen »reinen Weg <strong>de</strong>r Geistigen«<br />

und arbeitet heraus:<br />

Der Weg zu <strong>de</strong>n <strong>Mysterien</strong>, zum reinen Gebrauch <strong>de</strong>r Symbole, zur<br />

klaren intuitiven Erkenntnis von <strong>de</strong>n Geheimnissen um Leben und Tod,<br />

von <strong>de</strong>r Gottheit als <strong>de</strong>m absoluten einen, das abgeson<strong>de</strong>rt von allen polar<br />

angeordneten Vielheiten, einer stofflichen Welt, in sich beruht, ohne<br />

5 Sophokles, griechischer Tragiker, * Athen 497/496 v. Chr., † ebenda 406/405 v. Chr.<br />

6 Franz Carl Endres, * 17.12.1878 in Bayern - † 10.3.1954 in Freidorf (Schweiz), verfolgt zuerst eine militärische<br />

Berufslaufbahn, arbeitet von 1906 bis 1909 als Dozent für Kriegsgeschichte an <strong>de</strong>r Kriegsaka<strong>de</strong>mie in München.<br />

Danach lehrt er als Professor an <strong>de</strong>r Generalstabsschule in Konstantinopel (heute Istanbul). Nach einer<br />

Malariaerkrankung 1919 kehrt Endres nach Deutschland zurück. 1920 wird er in München in die Loge „Zum<br />

aufgehen<strong>de</strong>n Licht an <strong>de</strong>r Isar“ aufgenommen. 1926 wan<strong>de</strong>rt Endres in die Schweiz nach Küsnacht aus. Dort lebt<br />

er als freier Autor und schreibt vor allem soziologisch, philosophische Bücher und Werke mit pazifistischer<br />

Ten<strong>de</strong>nz. Er hält Vorträge im Radio sowie an <strong>de</strong>r Universität und schreibt Kolumnen für schweizerische<br />

Tageszeitungen. Endres wird später Mitglied in <strong>de</strong>n Logen „Labor“ (Wien), „Fiat Lux“ (Luzern) und „Lalan<strong>de</strong>“<br />

(Paris). Seine bekanntesten freimaurerischen Werke sind „Das Geheimnis <strong>de</strong>s Freimaurers“ und „Die Symbolik<br />

<strong>de</strong>s Freimaurers“.<br />

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durch die Bestimmung einer Relation zu einem an<strong>de</strong>rn Wesen rational<br />

erklärt wer<strong>de</strong>n zu können.<br />

Diese <strong>Mysterien</strong> <strong>de</strong>r alten Welt, in ihren kultischen Riten verschie<strong>de</strong>n, in<br />

ihrem Wesen stets das Gleiche, sind die Träger und Erhalter <strong>de</strong>s<br />

Gotterlebens von Anfang her, und sie führen die mehr o<strong>de</strong>r weniger<br />

dumpfe magische Verbun<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>r Urzeit in die bewußte Klarheit<br />

<strong>de</strong>nken<strong>de</strong>n Menschentums, ohne <strong>de</strong>m entseelen<strong>de</strong>n Irrtum eines<br />

Geheimnis erklären wollen<strong>de</strong>n Rationalismus anheimzufallen. (...)<br />

Es ist hier und immer <strong>de</strong>r Mensch, <strong>de</strong>r sich Gott nach seinem Bil<strong>de</strong> formt.<br />

Er kann wohl befohlene Formen angstvoll und gehorsam annehmen, aber<br />

er kann sie nicht im höchsten Sinne <strong>de</strong>s Wortes erleben! Er kann nur das<br />

erleben, <strong>de</strong>ssen er fähig ist. Und darin liegt das Geheimnis <strong>de</strong>r<br />

menschlichen Beziehung zum Göttlichen.<br />

Ägyptische <strong>Mysterien</strong> 7<br />

Es mag in einer Zeit <strong>de</strong>r Technik und <strong>de</strong>s schärfsten praktischen Materialismus<br />

fast unangebracht erscheinen, über antike <strong>Mysterien</strong> zu schreiben. Für nur allzu<br />

viele Menschen ist Leben und Tod kein <strong>Mysterium</strong> mehr. Das Leben ist ihnen<br />

ein Automatismus, <strong>de</strong>r im Dienste einer nach allen Richtungen und mit allen<br />

Mitteln, auch solchen unsittlichster Art, sich geltend machen<strong>de</strong>r Ichsucht<br />

abläuft, und wenn die »Sache« zu En<strong>de</strong> ist, tritt eben <strong>de</strong>r Tod ein. Man kann<br />

solches Leben tatsächlich nicht an<strong>de</strong>rs als eine Sache bezeichnen. Aber es gibt<br />

doch an<strong>de</strong>rerseits Millionen von Menschen, die von <strong>de</strong>r Seelenlosigkeit solcher<br />

Auffassung und solchen Lebens abrücken, die von <strong>de</strong>r zweckerfüllten Härte und<br />

Gleichförmigkeit <strong>de</strong>s Alltags, von <strong>de</strong>r Verflachung <strong>de</strong>r Genüsse und von <strong>de</strong>r<br />

ganzen kulturellen Primitivität einer nur <strong>de</strong>m Zivilisatorischen hingegebenen<br />

Welt so genug haben, daß sie ihre Sehnsucht in die Ferne sen<strong>de</strong>n und ihre<br />

Blicke nach neuen Ufern richten.<br />

Es ist die Sehnsucht nach <strong>de</strong>m <strong>Mysterium</strong>, die oft seltsame Blüten treibt.<br />

Auch die antike Welt kannte <strong>de</strong>n Materialismus und kannte die Neigungen, das<br />

Leben in einer seelenlosen Arbeits- und Genußmechanik ablaufen zu lassen. Sie<br />

kannte auch die Priesterreligionen, die im Dienst <strong>de</strong>s Machtgedankens stan<strong>de</strong>n<br />

und durch dogmatische Fixierung ihren Mangel an individuellen religiösen<br />

7 Die folgen<strong>de</strong>n Ausführungen beruhen auf Textabschnitten aus <strong>de</strong>m Buch<br />

Franz Carl Endres, Alte Geheimnisse um Leben und Tod, 1938<br />

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Erlebensmöglichkeiten ersetzten 8 . Die gewaltige Reaktion <strong>de</strong>r besten Geister<br />

<strong>de</strong>r Antike gegen diesen religiösen Verfall fand sich zusammen in <strong>de</strong>n<br />

<strong>Mysterien</strong>bün<strong>de</strong>n, die urälteste Weisheit sorglich hüteten und <strong>de</strong>n reinen<br />

Gottesbegriff zum tiefsten Inhalt ihrer Rituale und Lehren machten. Ihre<br />

Gedanken haben das junge Christentum befruchtet und sind durch die<br />

Jahrtausen<strong>de</strong> bis auf <strong>de</strong>n heutigen Tag lebendig geblieben. Das meiste von <strong>de</strong>m,<br />

was sich heute als sehr originell gibt in allen möglichen Formen und Sekten,<br />

Erlösungslehren und religiösen Erneuerungen, ist altes <strong>Mysterien</strong>gut,<br />

neuplatonische Philosophie und Gnosis. Da aber die Menschen von heute sehr<br />

wenig von diesen Dingen wissen, so wirken die mo<strong>de</strong>rnen »Propheten«<br />

origineller als sie sind. Die mit Propaganda oft recht unangenehmer Art<br />

verkün<strong>de</strong>te »geistige Schau« o<strong>de</strong>r gar <strong>de</strong>r »göttliche Auftrag« beruhen zumeist<br />

auf einer mehr o<strong>de</strong>r weniger großen Kenntnis <strong>de</strong>r spätantiken Spekulationen.<br />

Im ganzen Altertum haben wir nirgends eine so tiefe, so rein geistige<br />

Auffassung <strong>de</strong>s Gotteswesens wie in <strong>de</strong>n <strong>Mysterien</strong>. Nirgends fin<strong>de</strong>n wir eine<br />

solche innere Sicherheit betreffend die Realität <strong>de</strong>s Transzen<strong>de</strong>nten wie dort,<br />

nirgends eine solche Pflege <strong>de</strong>s Seelischen im Menschen, eine solche Schule<br />

<strong>de</strong>r innerlichen Erhebung im Symbolerlebnis wie dort.<br />

Alle <strong>Mysterien</strong> gehen auf das <strong>de</strong>m Menschen von Anfang an innewohnen<strong>de</strong><br />

Gefühl zurück, daß die Welt, das Ganze, das All in seiner objektiven Realität<br />

<strong>de</strong>m menschlichen Intellekt nicht faßbar, nicht erkennbar ist, daß ein <strong>de</strong>m<br />

Wesen nach Unerkennbares waltet, das schlechthin Göttliche, das nur im<br />

Symbol erlebbar ist. Nicht <strong>de</strong>n Okkultismus pflegten diese <strong>Mysterien</strong>. Sie<br />

wollten nicht, wie die Magie, übersinnliche Kräfte in die Ebene <strong>de</strong>s Sinnlichen<br />

herabziehen durch Zwang zur Materialisation, son<strong>de</strong>rn im Gegenteil: die<br />

<strong>Mysterien</strong> zeigten <strong>de</strong>m Menschen die unverrückbare Grenze seines Intellektes<br />

und damit seiner Erkenntnis und gaben ihm für das Nichterkennenkönnen die<br />

ganze unaussprechliche Seligkeit <strong>de</strong>s Erlebenkönnens. Hier liegt das gewaltige<br />

Geheimnis <strong>de</strong>r <strong>Mysterien</strong>wirkung.<br />

Und dieser Gedanke ist nicht tot, wenn ihn auch falsch gerichtete Aufklärung<br />

für tot erklärt hat. Immer <strong>de</strong>utlicher wird es auch <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Wissenschaft,<br />

daß Benennen und systematisch Einordnen kein Erkennen ist, daß Verwendung<br />

<strong>de</strong>r Naturkräfte keine Erklärung ihres Wesens ist, daß bei je<strong>de</strong>m Versuch, wo<br />

auch immer, ein unerkennbarer, unauflösbarer Rest bleibt, ein unbedingtes<br />

Geheimnis. Die Zeit <strong>de</strong>s souveränen Materialismus in <strong>de</strong>r Wissenschaft geht zu<br />

En<strong>de</strong>. Apodiktisch ausgesprochene »Wahrheiten« haben sich in großer Zahl als<br />

Irrtum erwiesen. Alles ist nur Hypothese, also eine Annahme, alles ist nur<br />

Gebrauchswahrheit, nicht die Wahrheit selbst. Das atomistische, mechanistische<br />

8 Das typische Beispiel hierfür ist <strong>de</strong>r Kampf <strong>de</strong>r Amonpriester gegen <strong>de</strong>n großen religiösen Reformer, <strong>de</strong>n<br />

Pharao Amenhot(e)p IV., <strong>de</strong>r sich Echnaton nannte (1375-1358 v.Chr.).<br />

4


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Gebäu<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Wissenschaft wankt an allen En<strong>de</strong>n und Ecken, und die<br />

be<strong>de</strong>utendsten Vertreter <strong>de</strong>r Wissenschaft sind heute <strong>de</strong>m Transzen<strong>de</strong>nten<br />

gegenüber wesentlich beschei<strong>de</strong>ner gewor<strong>de</strong>n, als die Generation um das En<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>s vorigen Jahrhun<strong>de</strong>rts es noch war.<br />

Die wegeskamotierte 9 menschliche Seele lebt wie<strong>de</strong>r auf, und im Wirrwarr <strong>de</strong>r<br />

Erscheinungen dämmert <strong>de</strong>n Menschen wie<strong>de</strong>r die alte Weisheit von einem über<br />

<strong>de</strong>r Vielheit stehen<strong>de</strong>n Einen, von einem über <strong>de</strong>r Bewegung seien<strong>de</strong>n Ruhigen,<br />

von einem über Zeit und Raum <strong>de</strong>s Wer<strong>de</strong>ns wesen<strong>de</strong>n Sein.<br />

Vielleicht wird eine kommen<strong>de</strong> Zeit diese Weisheit »ent<strong>de</strong>cken« und mit<br />

üblichem Tam-Tam als neueste Errungenschaft verkün<strong>de</strong>n. Wer aber die alten<br />

<strong>Mysterien</strong> kennt, wird dann wissen, daß auch dieses Neue vor vielen<br />

Jahrtausen<strong>de</strong>n schon gepflegt und erkannt war, daß es lange Zeit bevor<br />

menschliche Geschichtsschreibung begann, sich schon als kulturschaffen<strong>de</strong>r<br />

Mittelpunkt erwiesen hat.<br />

Religiöse Unduldsamkeit, wie sie ihre Blüten in <strong>de</strong>r Inquisition, in <strong>de</strong>n<br />

Ketzerverbrennungen und in <strong>de</strong>r geistigen Verfolgung aller nicht dogmatischen<br />

Ansichten im Christentum getrieben hat, und sich bis heute, wenn auch in<br />

machtloseren Formen erhalten hat, kannte die Antike nicht. Die letzte Nachricht<br />

solchen Gehabens ist <strong>de</strong>r Kampf <strong>de</strong>r Amonspriester 10 von Theben um ihre<br />

Macht im 14. Jahrhun<strong>de</strong>rt v. Chr.<br />

Es konnten daher die <strong>Mysterien</strong> neben <strong>de</strong>r Volksreligion friedlich sich<br />

entwickeln, ja viele Priester, die im Dienste <strong>de</strong>r Volks- und Massenreligionen<br />

stan<strong>de</strong>n, waren außer<strong>de</strong>m <strong>Mysterien</strong>priester. Ein Zeichen, wie diese gebil<strong>de</strong>ten<br />

Menschen feinstes Verständnis für die Verschie<strong>de</strong>nartigkeit <strong>de</strong>s religiösen<br />

Bedürfnisses <strong>de</strong>r Einzelnen hatten. Aus diesem Verständnis ist zum Teil die<br />

Kulturhöhe <strong>de</strong>r Antike herzuleiten.<br />

Um das Wesen <strong>de</strong>r ägyptischen <strong>Mysterien</strong> zu erfassen, sind einige einleiten<strong>de</strong><br />

Gedanken notwendig.<br />

Unser Intellekt ist an Raum und Zeit gebun<strong>de</strong>n, das heißt: er kann nicht ohne<br />

diese Hilfsvorstellungen arbeiten, und daher ist er davon überzeugt, daß es<br />

Raum und Zeit als Wirklichkeiten gibt und daß alles, was da nicht einzuordnen<br />

ist, fragwürdig ist. Das ist sein Kardinalirrtum. Der Intellekt baut also ein<br />

Weltbild auf, in <strong>de</strong>m Raum und Zeit als objektive Wirklichkeiten auftreten.<br />

Dieses Weltbild ist praktisch sehr brauchbar; <strong>de</strong>nn Raum und Zeit sind ja stets<br />

für uns da, weil unser Intellekt stets da ist. Sie wi<strong>de</strong>rsprechen <strong>de</strong>r scheinbaren<br />

9 eskamotieren: weginterpretieren, verschwin<strong>de</strong>n lassen<br />

10 Amon: Wind- und Fruchtbarkeitsgott <strong>de</strong>r Ägyptischen Mythologie<br />

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Wirklichkeit nicht, weil diese scheinbare Wirklichkeit ja zum Teile ein Produkt<br />

<strong>de</strong>s Intellekts selbst ist.<br />

Das Urmysterium aber steht über <strong>de</strong>m Intellekt; es ist ohne Intellekt erschaut,<br />

und es wird <strong>de</strong>mnach zum Unverständlichen für <strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r ihm nur mit <strong>de</strong>n<br />

Mitteln <strong>de</strong>s Intellektes naht. Es kennt keine Logik, die ja nur ein Spiel <strong>de</strong>s<br />

Intellektes ist. Es kennt keine Zeit und keinen Raum, mithin kennt es das, was<br />

über diesen Bei<strong>de</strong>n liegt: das Seien<strong>de</strong>.<br />

Wir alle kennen mit <strong>de</strong>m Intellekt allein niemals ein Seien<strong>de</strong>s. Die Gegenwart<br />

ist kein Zustand, sie ist nur <strong>de</strong>r blitzschnelle Übergang von<br />

Zukünftiggewesenem in Vergangenes. Wir kennen nur ein Wer<strong>de</strong>n. Das Objekt<br />

<strong>de</strong>s Urmysteriums ist aber das Seien<strong>de</strong>, das nicht Gewor<strong>de</strong>ne und nicht<br />

Wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn das Seien<strong>de</strong> und darum Ewige. Es ist nicht so leicht, diesen<br />

ersten Schritt aus unserer Intellektwelt hinaus zu machen, und zumal schwer,<br />

ihn mit Worten zu erklären, <strong>de</strong>nn diese Worte selbst sind ja nur Konventionen<br />

unseres Intellektes. Wir haben daher in allen <strong>Mysterien</strong> <strong>de</strong>n Ersatz <strong>de</strong>s<br />

unzulänglichen Wortes durch ein Symbol, ein Zeichen, eine Hieroglyphe. Alle<br />

Menschen, die über das <strong>Mysterium</strong> sprachen, Zoroaster, Buddha, Jesus,<br />

sprachen nicht mit <strong>de</strong>n Worten <strong>de</strong>s Intellektes, son<strong>de</strong>rn mit <strong>de</strong>m Symbol <strong>de</strong>s<br />

Gleichnisses. Das ist es, was <strong>de</strong>r Evangelist meint, wenn er sagt, daß Jesus<br />

»an<strong>de</strong>rs« sprach als die Schriftgelehrten.<br />

Es gibt also, recht plump ausgedrückt, neben <strong>de</strong>m Scheinbaren, <strong>de</strong>m vom<br />

Intellekt Erfaßbaren, <strong>de</strong>m in Zeit und Raum höchst subjektiv Eingefügten, das<br />

Souveräne, das Königliche, das Zeitlose, das Seien<strong>de</strong>. Und die Tätigkeit, die<br />

sich mit diesem Seien<strong>de</strong>n beschäftigt, ist die Geheimlehre aller <strong>Mysterien</strong>.<br />

Die <strong>Mysterien</strong> sagen: Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s irdischen Weges steht das verschleierte<br />

Bild, o<strong>de</strong>r altägyptisch ausgedrückt, steht die verschleierte Isis. Hier an <strong>de</strong>r<br />

Grenze <strong>de</strong>s sinnlich Erfaßbaren, <strong>de</strong>s intellektuell Kontrollierbaren,<br />

an <strong>de</strong>r Schwelle <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s,<br />

en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Weg <strong>de</strong>s nur Materiellen und aller Wissenschaft. Jenseits <strong>de</strong>r<br />

Schwelle wan<strong>de</strong>lt sich wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Leben in seien<strong>de</strong>s Leben. Die<br />

Wandlungsmöglichkeit liegt im Menschen selbst. Darum sagt das ägyptische<br />

Totenbuch:<br />

»O blin<strong>de</strong> Seele, bewaffne dich mit <strong>de</strong>r Fackel <strong>de</strong>r <strong>Mysterien</strong>, und du<br />

wirst in <strong>de</strong>r irdischen Nacht <strong>de</strong>inen leuchten<strong>de</strong>n Doppelkörper, <strong>de</strong>ine<br />

himmlische Seele ent<strong>de</strong>cken. Folge diesem göttlichen Führer.«<br />

Nun einen kleinen Schritt weiter. Wenn ein Ding <strong>de</strong>r Erscheinungswelt unseren<br />

Sinnen nicht mehr faßbar ist, sagen wir: »Es ist vergangen, <strong>de</strong>r Mensch ist tot,<br />

<strong>de</strong>r Klang eines Musikinstrumentes ist verklungen.« Das sind rein<br />

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mechanistische Auffassungen. Sobald etwas außer Raum und Zeit steht, kann es<br />

nicht verschwin<strong>de</strong>n und kann nicht vergehen. Es kann die Form, in <strong>de</strong>r es <strong>de</strong>n<br />

Menschen erscheint, wechseln und Formen annehmen, die diesen Menschen<br />

nicht mehr sinnlich wahrnehmbar sind. Das ist alles. Daher kennt das<br />

<strong>Mysterium</strong> <strong>de</strong>n Tod nicht als ein Vergehen <strong>de</strong>s Seien<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn nur als eine<br />

Wandlung im Wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n.<br />

Dazu kommt, daß <strong>de</strong>r Mensch ein gutes Gefühl für periodische Wie<strong>de</strong>rkehr<br />

bestimmter Vorgänge hat, also ein Gefühl für <strong>de</strong>n Rhythmus. Sein eigener<br />

Herzschlag ist <strong>de</strong>r erste Rhythmus, <strong>de</strong>n er empfin<strong>de</strong>t. Stellen wir uns vor, daß<br />

ein Mensch, das, was wir als ein Jahr empfin<strong>de</strong>n, als <strong>de</strong>n Bruchteil einer<br />

Sekun<strong>de</strong> empfin<strong>de</strong>, so erlebt dieser Mensch <strong>de</strong>n Kreislauf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> um die<br />

Sonne wie einen Herzschlag. Auch die längsten Perio<strong>de</strong>n sind also nur<br />

Rhythmen. Tag und Nacht sind <strong>de</strong>r erste erkennbare astrale Rhythmus; ihm<br />

folgen die Mondphasen, dann <strong>de</strong>r Weg <strong>de</strong>r Sonne durch <strong>de</strong>n Tierkreis usw.<br />

Das <strong>Mysterium</strong> sieht im Menschenleben nur einen Bruchteil <strong>de</strong>s großen<br />

Rhythmus; spätere esoterische Auslegungen verknüpfen diesen Rhythmusteil<br />

mit <strong>de</strong>m intellektuell nicht erkennbaren Ganzen, und so entstehen die <strong>Mysterien</strong><br />

<strong>de</strong>r Seelenwan<strong>de</strong>rung und <strong>de</strong>r Reinkarnationen ohne weiteres. Die ägyptischen<br />

<strong>Mysterien</strong> symbolisieren <strong>de</strong>n kosmischen Rhythmus <strong>de</strong>s Menschen durch die<br />

vierfache Wan<strong>de</strong>rung, die <strong>de</strong>r Einzuweihen<strong>de</strong> vorzunehmen hat. (Überwindung<br />

<strong>de</strong>r vier Elemente = <strong>de</strong>s Materiellen.) Die geschlossene Form <strong>de</strong>r ägyptischen<br />

<strong>Mysterien</strong>, über die wir Genaueres wissen, entstand wohl erst nach <strong>de</strong>m Jahre<br />

1700 v. Chr. zur Zeit <strong>de</strong>s Hyksoseinfalles 11 . Hier war Gefahr gegeben, daß die<br />

I<strong>de</strong>e zugrun<strong>de</strong> ginge, da die Hyksos ihre eigene Religion mitbrachten. Die<br />

politischen Umwälzungen waren groß. Die nationale Existenz Ägyptens war<br />

gefähr<strong>de</strong>t, und mit ihr selbstverständlich auch die Grundlage <strong>de</strong>r <strong>Mysterien</strong>. Die<br />

Priester beugten sich scheinbar vor <strong>de</strong>n Eindringlingen und ihren rohen<br />

Kultformen. Um so notwendiger war die Reinerhaltung <strong>de</strong>r alten I<strong>de</strong>e in<br />

<strong>Mysterien</strong>-Zirkeln. Die Priester warfen mit erstaunlichem Geschick die Sage <strong>de</strong>r<br />

Isis und <strong>de</strong>s Osiris in das Volk, das in <strong>de</strong>m zerstückelten und auf die<br />

Auferstehung warten<strong>de</strong>n Gotte sofort das nationale Symbol <strong>de</strong>r<br />

Wie<strong>de</strong>rbefreiung aufnahm; gleichzeitig wur<strong>de</strong> so die Sehnsucht nach <strong>de</strong>r alten<br />

Religion wach gehalten.<br />

11 Hyksos, semitisches Volk, stammten aus <strong>de</strong>m vor<strong>de</strong>ren Asien; vermutlich waren es zum großen Teil Amurriter<br />

aus Kanaan und <strong>de</strong>n syrischen Küstengebieten. Der Einfall <strong>de</strong>r asiatischen Hyksos um 1700 v. Chr. vernichtete<br />

die Blüte <strong>de</strong>s "mittleren Reiches", das seit 2100 v.Chr. zu rechnen ist. Um 1600 begann <strong>de</strong>r ägyptische<br />

Befreiungskampf unter <strong>de</strong>m Pharao Kemose, und unter <strong>de</strong>ssen Bru<strong>de</strong>r und Nachfolger Amosis I. war das<br />

geeinigte Aegypten wie<strong>de</strong>r frei. Von da ab konnten die <strong>Mysterien</strong> ihre Eigenschaft als religiöse Geheimzirkel<br />

aufgeben und erfreuten sich öffentlicher Achtung und Pflege. 1555 v.Chr. beginnt dann mit <strong>de</strong>r 18. Dynastie das<br />

sogenannte "Neue Reich".<br />

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internetloge.<strong>de</strong><br />

Als Ägypten um 1550 v.Chr. wie<strong>de</strong>r vollkommen frei war, baute sich eine neue,<br />

glanzvolle Kultur auf <strong>de</strong>n <strong>Mysterien</strong>, <strong>de</strong>n Trägern <strong>de</strong>r alten, herrlichen Tradition<br />

<strong>de</strong>s »mittleren Reiches« auf. Und was 150 Jahre getreu als Geheimlehre<br />

fortgeführt wor<strong>de</strong>n war, durfte nun in Glanz und Ehre wie<strong>de</strong>r auferstehen.<br />

Die Einweihung in die ägyptischen <strong>Mysterien</strong> ging von folgen<strong>de</strong>m Gedanken<br />

aus: Um die Beherrschung zu erlangen, bedarf <strong>de</strong>r Mensch einer vollkommenen<br />

Umschmelzung seines ganzen physischen, psychischen und intellektuellen<br />

Wesens. Diese Umschmelzung erfor<strong>de</strong>rt also Umorientierung seines Willens,<br />

seiner Intuition und seines Intellektes. Gelingt die Umorientierung, dann<br />

vermag <strong>de</strong>r Mensch Dinge zu erreichen, die an<strong>de</strong>ren Menschen unmöglich sind.<br />

In <strong>de</strong>r Seele schlummern Kräfte. Wer<strong>de</strong>n sie geweckt, so hat <strong>de</strong>r Mensch<br />

Beziehungen zu kosmischen Kräften, die ihm bisher verschlossen waren. Der<br />

Mensch kann zum Schauen <strong>de</strong>s Übersinnlichen, was keineswegs ein<br />

Übernatürliches ist, gelangen. Und wenn ihm das gelingt, dann ist er Meister,<br />

Prophet o<strong>de</strong>r Theurg, was alles dasselbe ist, und kann an<strong>de</strong>re einweihen.<br />

Der Aufzunehmen<strong>de</strong> kam vor <strong>de</strong>n obersten Osirispriester im Tempel <strong>de</strong>s Osiris<br />

in Theben. Er wußte vielleicht aus <strong>de</strong>m Totenbuch jenen merkwürdigen Satz,<br />

<strong>de</strong>r da lautet: »Hastatef trug <strong>de</strong>n Stein in <strong>de</strong>n königlichen Tempel... O großes<br />

Geheimnis!«<br />

Die weiteren, sehr umfangreichen Zeremonien fan<strong>de</strong>n im Innern von Pyrami<strong>de</strong>n<br />

statt, die nicht, wie die Wissenschaft es vermutete und heute noch vermutet,<br />

primär Begräbnisstätten <strong>de</strong>r Pharaonen sind. Es liegen ähnliche Verhältnisse<br />

vor, wie bei <strong>de</strong>n großen Domen am Rhein, in <strong>de</strong>nen auch die <strong>de</strong>utschen Kaiser<br />

<strong>de</strong>s Mittelalters bestattet liegen, die aber <strong>de</strong>shalb primär nicht als<br />

Begräbnisstätten gebaut wor<strong>de</strong>n waren. In Ägypten wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Pharao, <strong>de</strong>r sich<br />

beson<strong>de</strong>rs um das religiöse Leben verdient gemacht hatte, in einer<br />

<strong>Mysterien</strong>pyrami<strong>de</strong> (die er auch als Stiftung für <strong>de</strong>n <strong>Mysterien</strong>kult zu seinen<br />

Lebzeiten schon hatte bauen lassen können) beigesetzt. 12<br />

Über die einzelnen Zeremonien sind nur Bruchstücke uns erhalten. Wir können<br />

mit Sicherheit nur feststellen, daß <strong>de</strong>r Einzuweihen<strong>de</strong> sehr schwere Prüfungen<br />

seines Mutes, seiner Zähigkeit, seines Willens zu Einweihung, seiner<br />

Willensbeherrschung (auch in sexueller Hinsicht) und seiner innerlichen<br />

Reinheit ablegen mußte. Prüfungen, bei <strong>de</strong>nen viele versagten, manche sogar<br />

<strong>de</strong>n Tod fan<strong>de</strong>n. Wahrscheinlich waren diese Prüfungen gedanklich verknüpft<br />

12 Die Pyrami<strong>de</strong>n sind auch nicht, wie das eine materialistische, <strong>de</strong>utungsarme und allem religiösen<br />

Verständnis abhol<strong>de</strong> Wissenschaft <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts wahrhaben wollte, einfach hingestellte Mausoleen,<br />

son<strong>de</strong>rn sie sind gewaltige steinerne Aufzeichnungen astronomischen, mathematischen und esoterischen<br />

Wissens. Wenn neuere Versuche vielleicht da und dort auch zu viel in die Pyrami<strong>de</strong>n hinein<strong>de</strong>uten, so haben sie<br />

je<strong>de</strong>nfalls das Verdienst, Wege zum geistigen Verständnis <strong>de</strong>r altägyptischen Kultur gewiesen zu haben an Stelle<br />

ö<strong>de</strong>r Trockenheit und falscher Anwendung materialistischen Denkens auf die Antike, wie sie bislang herrschte.<br />

8


internetloge.<strong>de</strong><br />

mit <strong>de</strong>r alten Vorstellung von <strong>de</strong>n vier Elementen, aus <strong>de</strong>nen alles Irdische<br />

besteht: Feuer, Wasser, Luft und Er<strong>de</strong>. Der Einzuweihen<strong>de</strong> muß das Irdisch-<br />

Materielle überwin<strong>de</strong>n, um in das Reich <strong>de</strong>s Geistes einzutreten. Dies vollzog<br />

sich symbolisch durch Wan<strong>de</strong>rungen in unterirdischen Räumen, in <strong>de</strong>nen die<br />

Elemente wi<strong>de</strong>rstrebend sich ihm entgegenstellten.<br />

Er mußte ferner, wie Jesus im Gespräche mit Niko<strong>de</strong>mus, älteste<br />

<strong>Mysterien</strong>weisheit aussprechend, sagte: »Von neuem geboren wer<strong>de</strong>n«. Also<br />

mußte er symbolisch vorher sterben. Das ist allen <strong>Mysterien</strong> eigen, dieses<br />

Vorschreiten bis an die Schwelle <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s, ihr symbolisches Überschreiten<br />

und die Auferstehung als ein neuer Mensch (ein Osiris) im Geiste. Es ist die<br />

große Frage nach <strong>de</strong>m Geheimnis von Leben und Tod, die hier gelöst wird: <strong>de</strong>r<br />

Tod ist nur eine Station <strong>de</strong>s Lebens. 13<br />

Ein tausendjähriges vollkommenes Frie<strong>de</strong>nsreich (von 3300 — 2400 v. Chr.)<br />

<strong>de</strong>s alten Ägyptens ließ diesen Gedanken in einem Maße reifen, das wir<br />

Menschen <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts, gedanklich konzentriert auf Macht, Geld und<br />

Krieg, nicht im entferntesten mehr erreichen.<br />

Die Isis <strong>de</strong>r <strong>Mysterien</strong> ist nicht die Isis <strong>de</strong>r Volksreligion, wenngleich diese die<br />

Wesenseigenheiten jener in gröberer Auffassung enthält. Die <strong>Mysterien</strong>-Isis,<br />

auch mit Osiris und <strong>de</strong>m Gottessohn Horus auftretend, also die uralte<br />

Trinitätsi<strong>de</strong>e, die viele Tausen<strong>de</strong> von Jahren vor <strong>de</strong>mi Christentum schon<br />

waltete, verkörpernd ist das Prinzip <strong>de</strong>s Lebens, Osiris das <strong>de</strong>s Schöpfens, Isis<br />

das <strong>de</strong>s geistigen Verwirklichens und Horus das <strong>de</strong>s Erlösens.<br />

Um als ein Osiris zu Isis, <strong>de</strong>m Leben also im Geistigen, zu kommen, muß <strong>de</strong>r<br />

Mensch sterben. Aber das Sterben im Sinne <strong>de</strong>s Biologischen hilft ihm nichts.<br />

Er muß schon vorher symbolisch gestorben und als Neugeborener wie<strong>de</strong>r<br />

auferstan<strong>de</strong>n sein.<br />

Daher wird <strong>de</strong>r Einzuweihen<strong>de</strong>, von Osiris-Priestern begleitet, in die<br />

unterirdische Krypta <strong>de</strong>s Tempels geführt und dort in einen Steinsarg gelegt.<br />

Die Hierophant spricht einige Worte über <strong>de</strong>n Tod als Menschenschicksal und<br />

über die Tatsache, daß <strong>de</strong>r Eingeweihte lebend die Schwelle <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s<br />

überschreiten müsse, um noch lebend das Licht <strong>de</strong>s Osiris zu sehen.<br />

Dann ließ man <strong>de</strong>n Einzuweihen<strong>de</strong>n in tiefster Finsternis allein in seinem Sarge<br />

liegen. Da nun mag er wohl in jenen Zustand verfallen sein, <strong>de</strong>n man<br />

»Tempelschlaf« nennt, ein Zustand hypnotischer Art mit höchster, in <strong>de</strong>r<br />

Traumsphäre verlaufen<strong>de</strong>r Erlebensfähigkeit. Er sieht symbolische Bil<strong>de</strong>r und<br />

13 Dementsprechend ist <strong>de</strong>r Titel <strong>de</strong>s Ägyptischen Totenbuches pir-m-us = Austritt aus <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>.<br />

9


internetloge.<strong>de</strong><br />

Vorgänge. Unter an<strong>de</strong>rem auch die weiße Mitternachtssonne 14 (die aus <strong>de</strong>r<br />

nördlichen Atlantik herstammen muß) und die sich öffnen<strong>de</strong> Blume <strong>de</strong>s<br />

Geheimnisses. Die Visionen vergehen, und <strong>de</strong>r Erwachen<strong>de</strong> wird das Gefühl<br />

grauenhafter Grabeseinsamkeit gehabt haben.<br />

Der Hierophant 15 und die Priester führen ihn nach oben. Der Einzuweihen<strong>de</strong><br />

muß seine traumhaften Visionen <strong>de</strong>m Priester berichten. Es hat also sicher eine<br />

Traumanalyse, wie wir heute sagen, stattgefun<strong>de</strong>n. Die materialistische Zeit<br />

versteht das nicht, sie lächelt über die angebliche Unwirklichkeit <strong>de</strong>s<br />

Traumerlebens, <strong>de</strong>r Vision. Aber ist Kunst ohne Vision, ohne eine Art von<br />

Träumen, möglich? Goethe sagte, er habe sein Bestes in einem Zustand <strong>de</strong>r<br />

Dumpfheit geschrieben. 16<br />

Das Leben <strong>de</strong>s Nichteingeweihten wur<strong>de</strong> als eines im Dunkel sich abspielen<strong>de</strong>s<br />

angesehen. Die Einweihung erst bringt das Licht. Im Dunkel <strong>de</strong>s Alltags kommt<br />

<strong>de</strong>r Mensch aus <strong>de</strong>m Zwang <strong>de</strong>r Elemente (<strong>de</strong>s Materiellen) nicht heraus. Nur<br />

die Einweihung kann ihn befreien. Sie führt ihn zum Göttlichen, zur Mutter <strong>de</strong>s<br />

Lebens, zu Isis.<br />

Die Gesamteinweihung erstreckte sich, in einzelne Stufen geglie<strong>de</strong>rt, über<br />

mehrere Jahre, zwischen <strong>de</strong>nen Zeiten ernster geistiger Arbeit in verschie<strong>de</strong>nen<br />

Disziplinen lagen. Die Einweihungen wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Tempeln und in gewissen<br />

Stufen auch in <strong>de</strong>n Pyrami<strong>de</strong>n vorgenommen. Eine große seelische Schulung<br />

war das absolute Schweigen, <strong>de</strong>m die Einzuweihen<strong>de</strong>n wochen- und<br />

monatelang sich hingeben mußten. Die Pythagoräer haben in ihren<br />

Einweihungen dies, wie manches an<strong>de</strong>re, wohl von <strong>de</strong>n Ägyptern gelernt.<br />

Die ganze, tiefe, seelische Ergreifung <strong>de</strong>s ägyptischen Menschen, <strong>de</strong>ssen<br />

Gottesfurcht schon Herodot rühmend schil<strong>de</strong>rt, übertrug sich von <strong>de</strong>n <strong>Mysterien</strong><br />

in die Kunst. Keine Kunst <strong>de</strong>r Welt ist so kultisch »gela<strong>de</strong>n« wie die<br />

altägyptische. Die klassische Kunst Griechenlands selbst wird fast seelisch<br />

belanglos, wenn sie mit altägyptischer verglichen wird. Sie ist schön,<br />

menschlich schön, aber sie ist nicht mehr so gottnahe, nicht mehr so »durch <strong>de</strong>n<br />

Tod gesehen«, so Produkt <strong>de</strong>r Einweihung wie die ägyptische. Diese Ägypter<br />

kennen keinen »l'art pour Part«-Standpunkt 17 . Sie suchten, wie<br />

14 Meiner persönlichen Überzeugung nach hängen die ägyptischen <strong>Mysterien</strong> noch in vieler Hinsicht zusammen<br />

mit altatlantischer Kultur. Im alten ägyptischen Reich führte noch eine Straße von Theben nach <strong>de</strong>n zum engeren<br />

atlantischen Kulturkreis gehören<strong>de</strong>n Säulen <strong>de</strong>s Herkules. Diese Straße erwähnt Herodot. Das alte atlantische<br />

Sonnenmysterium scheint nach Osten (Aegypten) ebenso ausgestrahlt zu haben wie nach Mittelamerika und die<br />

Nordteile von Südamerika und hier wie dort auch architektonisch, künstlerisch und wissenschaftlich Gleiches<br />

geschaffen zu haben (Pyrami<strong>de</strong>n, Obeliske, Sonnenkult, astronomische Kenntnisse und Kalen<strong>de</strong>rredaktionen).<br />

15 Hierophant (griechisch), <strong>de</strong>r "Enthüller <strong>de</strong>r heiligen Geheimnisse", <strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r Spitze <strong>de</strong>r Priester im Tempel<br />

stand.<br />

16 Siehe auch Goethe zu Eckermann am 14. März 1830.<br />

17 L'art pour Part, »die Kunst für die Kunst«, Überbewertung <strong>de</strong>r Form vor <strong>de</strong>m Inhalt.<br />

10


internetloge.<strong>de</strong><br />

Mereschkowskij 18 einmal treffend gesagt hat, »nicht die Schönheit, son<strong>de</strong>rn<br />

etwas Größeres, und fin<strong>de</strong>n unterwegs die Schönheit.« 19 Doch muß man sich<br />

lange und eingehend mit ägyptischer Kunst beschäftigen, muß die ägyptische<br />

Symbolik kennen (die sehr viele Kunsthistoriker und Archäologen lei<strong>de</strong>r nicht<br />

kennen), muß die Beziehungen wissen, die zwischen ihr und <strong>de</strong>n religiösen<br />

Vorstellungen bestan<strong>de</strong>n, um zu jenem unbeschreiblichen — mir oft ganz<br />

unheimlichen — Erleben <strong>de</strong>ssen zu kommen, was ägyptische Kunst im Dienste<br />

<strong>de</strong>s <strong>Mysterium</strong>s und geleitet von einem wun<strong>de</strong>rbaren Schauen <strong>de</strong>s<br />

Nichtsichtbaren <strong>de</strong>r Menschheit geschenkt hat.<br />

Die eleusinischen <strong>Mysterien</strong><br />

Ein zauberhaftes Bild, diese Bucht von Salamis, an <strong>de</strong>ren Nor<strong>de</strong>n<strong>de</strong> die<br />

berühmteste Stätte antiker <strong>Mysterien</strong> in Europa liegt: Eleusis, heute ein<br />

trümmerbesätes Feld, einst <strong>de</strong>r kultische Mittelpunkt einer gebil<strong>de</strong>ten Welt.<br />

Der antike Grieche stand inmitten <strong>de</strong>r Stille und <strong>de</strong>r unsagbaren Schönheit <strong>de</strong>r<br />

Landschaft, er schaute mit <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>s Künstlers und hörte mit <strong>de</strong>n Ohren<br />

<strong>de</strong>s Religiösen. Und was er erschaute, war Harmonie, und was er hörte, war eine<br />

Stimme in seinem Inneren, die ihn hieß, dieser Harmonie nachzueifern, ein<br />

Abbild von ihr in seiner eigenen Seele zu errichten, auf daß er selbst mit sich<br />

und <strong>de</strong>r Umwelt zum Frie<strong>de</strong>n komme und die erregen<strong>de</strong> Antithese: Ich und<br />

Welt, Außen und Innen, Erscheinung und Wesen, endlich in göttlicher Synthese<br />

sich löse.<br />

Darum strebte <strong>de</strong>r antike Mensch nach Eleusis.<br />

Eleusis war nicht eine griechische Lokalangelegenheit. Die Gebil<strong>de</strong>ten <strong>de</strong>r<br />

ganzen antiken Welt kamen, auf Reisen, die oft Monate dauerten und<br />

mannigfache Gefahren zeitigten, hierher, um sich einweihen zu lassen.<br />

Römische Kaiser baten um die Einweihung und asiatische Großfürsten. Ja selbst<br />

<strong>de</strong>r Apostel Paulus suchte sehr wahrscheinlich um die Einweihung nach und<br />

erhielt sie. Einem Kaiser Nero 20 wur<strong>de</strong> sie verweigert. Es gab kein Ansehen <strong>de</strong>r<br />

Person! Und lange Zeit, mehrere Jahrhun<strong>de</strong>rte noch im christlichen Zeitalter,<br />

stand Eleusis in Blüte, bis ungebil<strong>de</strong>ter und falsch verstehen<strong>de</strong>r mönchischer<br />

Fanatismus die heilige Stätte zerstörte.<br />

18 Dmitri Sergejewitsch Mereschkowski, 1865 - 1941, russischer Schriftsteller.<br />

19 D. Mereschkowskij : "Die Geheimnisse <strong>de</strong>s Ostens" (Berlin 1924), S. 34.<br />

20 Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus (37 n. Chr.- 68 n. Chr.) war von 54 bis 68 Kaiser <strong>de</strong>s Römischen<br />

Reiches. Er sah sich selbst als Künstler und war <strong>de</strong>r letzte Vertreter <strong>de</strong>r julisch-claudischen Dynastie.<br />

11


internetloge.<strong>de</strong><br />

Auch in Eleusis han<strong>de</strong>lt es sich nur um die Gottheit als rein geistiges Wesen.<br />

Was da als Demeter und Persephone, als Hermes Chtonios 21 und als Pluto<br />

auftrat innerhalb <strong>de</strong>s Ritus <strong>de</strong>r <strong>Mysterien</strong>, waren nicht Götter im Sinne eines<br />

heidnischen Polytheismus, son<strong>de</strong>rn Symbole und symbolisierte göttliche<br />

Wirkungen. Das muß bei <strong>de</strong>r Betrachtung <strong>de</strong>r Vorgänge festgehalten wer<strong>de</strong>n.<br />

Eleusis hat die gleichen Quellen <strong>de</strong>r Esoterik wie Ägypten. Es sind nur die<br />

Symbole an<strong>de</strong>rs benannt, die Handlung <strong>de</strong>r Einweihung hat eine verän<strong>de</strong>rte<br />

Regie. Aber das Wesen <strong>de</strong>r <strong>Mysterien</strong> von Eleusis ist dasselbe. Es han<strong>de</strong>lt sich<br />

auch hier um das Erleben <strong>de</strong>s Göttlichen, um das große Geheimnis <strong>de</strong>s<br />

unerkennbaren Gottes, <strong>de</strong>r war, bevor die Götter waren, um die uralte Lehre von<br />

<strong>de</strong>r Einheit alles Seien<strong>de</strong>n, die nur <strong>de</strong>m Blicke <strong>de</strong>s Nichteingeweihten sich in<br />

<strong>de</strong>r Form einer scheinbaren Realität vielfacher Erscheinungen darstellt. Die<br />

Urwahrheit schlummert in <strong>de</strong>r Erinnerung <strong>de</strong>r Jahrtausen<strong>de</strong>, sie singt vom<br />

gol<strong>de</strong>nen Zeitalter, von <strong>de</strong>m paradiesischen Eins-Sein mit Gott, sie erinnert sich<br />

<strong>de</strong>r Geschlechtsgemeinschaft im gleichen Individuum und erzeugt die ewige<br />

Sehnsucht <strong>de</strong>r Menschheit nach <strong>de</strong>m verloren gegangenen Erleben <strong>de</strong>s<br />

Göttlichen.<br />

Damals, als Eleusis seine be<strong>de</strong>utsamen Anfänge hatte, gab es noch keine<br />

griechische Philosophie. Die Philosophie ist die intellektuelle<br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzung <strong>de</strong>s mit <strong>de</strong>r Welt in Wi<strong>de</strong>rspruch geratenen Menschen.<br />

Niemand hat besser als <strong>de</strong>r Philosoph Schelling diesen Wi<strong>de</strong>rspruch<br />

gekennzeichnet, wenn er sagt: »Mit <strong>de</strong>r Trennung von Ich und Welt beginnt<br />

Reflexion; von nun an trennt <strong>de</strong>r Mensch, was die Natur auf immer vereint<br />

hatte, trennt <strong>de</strong>n Gegenstand von <strong>de</strong>r Anschauung, <strong>de</strong>n Begriff vom Bil<strong>de</strong>,<br />

endlich, in<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>nkend sein eigenes Objekt wird, sich selbst von sich<br />

selbst.«<br />

Diese Geburt <strong>de</strong>s Pessimismus hat die Antike durch ihre <strong>Mysterien</strong> vermie<strong>de</strong>n.<br />

In <strong>de</strong>n eleusinischen <strong>Mysterien</strong> vollzieht sich symbolisch die paradiesische<br />

Vereinigung mit <strong>de</strong>m Göttlichen. Hier in Eleusis war das Gegengewicht gegen<br />

eine schon langsam sich entseelen<strong>de</strong> Welt, gegen <strong>de</strong>n keimen<strong>de</strong>n<br />

Materialismus, später gegen die unfehlbar zum Pessimismus führen<strong>de</strong><br />

Philosophie mit konstruierten Begriffen. Das <strong>Mysterium</strong> zeigte <strong>de</strong>n Menschen<br />

<strong>de</strong>n Weg zur Heimat, <strong>de</strong>n Weg zur inneren Harmonie, <strong>de</strong>n Weg zu einem neuen<br />

gol<strong>de</strong>nen Zeitalter im Innern <strong>de</strong>s eigenen Ichs. Es war Esoterik also in <strong>de</strong>s<br />

Wortes reinster Be<strong>de</strong>utung.<br />

Dem Zeremonial in Eleusis lag <strong>de</strong>r wun<strong>de</strong>rvolle Mythos von Demeter, <strong>de</strong>r<br />

Mutter <strong>de</strong>r Menschenseele, die ihre Tochter Persephone, also die menschliche<br />

Seele, an Pluto, <strong>de</strong>n Gott <strong>de</strong>r Unterwelt, verliert, zugrun<strong>de</strong>. Persephone<br />

21 Griechisch, Hermes Chtonios, Führer <strong>de</strong>r Toten<br />

12


internetloge.<strong>de</strong><br />

symbolisiert die menschliche Seele, die sich im Materiellen, ausgedrückt durch<br />

das Erotische, verliert. Schon in <strong>de</strong>n alten homerischen Hymnen ist <strong>de</strong>r<br />

Untergrund <strong>de</strong>s Mythos <strong>de</strong>utlich zu erkennen. Persephone spielt mit <strong>de</strong>n<br />

Töchtern <strong>de</strong>s Okeanos auf »weichschwellen<strong>de</strong>r Aue«. Da erwacht in ihr die<br />

irdische Liebe, und sie folgt <strong>de</strong>n Lockungen Plutos, <strong>de</strong>r sie in die Unterwelt<br />

entführt. Es ist <strong>de</strong>r Sturz <strong>de</strong>s Menschen aus <strong>de</strong>m lichten Tage in die dunkle,<br />

gottferne Welt <strong>de</strong>s Materiellen, <strong>de</strong>r Verlust <strong>de</strong>s Paradieses. Aber nicht für<br />

immer kann die menschliche Seele an das Materielle gebun<strong>de</strong>n bleiben.<br />

Persephone kommt wie<strong>de</strong>r an das Licht, von <strong>de</strong>r Liebe ihrer Mutter befreit.<br />

Dieser Mythos, von Ägypten nach Griechenland gekommen, wird dort im<br />

einzelnen weiter entwickelt. Er erfährt auch in Griechenland seine<br />

popularisieren<strong>de</strong> Wandlung in das Grob-Allegorische. Er wird <strong>de</strong>m Bedürfnis<br />

<strong>de</strong>r Masse angepaßt. Persephone wird Allegorie <strong>de</strong>s Weizenkorns, das in <strong>de</strong>n<br />

dunklen Schoß <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> gelegt wird, um hier auf <strong>de</strong>n Ruf <strong>de</strong>s Sonnengottes zu<br />

warten und im Frühling aufzugehen. 22 Aber diese Allegorie ist das Spätere. Es<br />

ist meines Erachtens ein Irrtum, zu glauben, daß <strong>de</strong>rartige rationalisieren<strong>de</strong><br />

Allegorien das Ursprüngliche waren. Das alte <strong>Mysterium</strong> war <strong>de</strong>r Masse nicht<br />

mehr erlebbar, wollte »verstan<strong>de</strong>n« wer<strong>de</strong>n, und darum wur<strong>de</strong> eine<br />

naheliegen<strong>de</strong> Allegorie ihm angepaßt.<br />

In <strong>de</strong>n griechischen <strong>Mysterien</strong> von Eleusis ist <strong>de</strong>m alten <strong>Mysterium</strong> von <strong>de</strong>r<br />

Menschenseele ein wun<strong>de</strong>rbares Ritual gegeben wor<strong>de</strong>n.<br />

Diejenigen, die sich einweihen lassen wollten, erhielten die erste »niedrige<br />

Weihe« in <strong>de</strong>r Nähe von Athen, an einem Platz, <strong>de</strong>n man mo<strong>de</strong>rn etwa eine<br />

Filiale von Eleusis nennen könnte. Von diesem Augenblicke an waren sie<br />

Mysten. Also Diener <strong>de</strong>s Geheimnisses. Dann erfolgten, aber nicht je<strong>de</strong>s Jahr,<br />

son<strong>de</strong>rn in größeren Zeitabstän<strong>de</strong>n, die großen <strong>Mysterien</strong> in Eleusis, die<br />

Einweihungen <strong>de</strong>r Mysten in höhere Gra<strong>de</strong>. Diese höheren Weihen machten<br />

nicht alle Mysten durch. Auch hier wur<strong>de</strong> eine scharfe Auswahl, ähnlich wie in<br />

Ägypten, getroffen, wenngleich die Prüfungen selbst nicht mehr<br />

lebensgefährlich, aber immerhin noch nervenanspannend waren.<br />

Die großen eleusinischen <strong>Mysterien</strong>, im September gefeiert, dauerten neun<br />

Tage. Ein gewaltiger Zug von oft mehr als dreißigtausend Menschen kam von<br />

Athen auf <strong>de</strong>r heiligen Straße nach Eleusis gezogen. Die Statue <strong>de</strong>s<br />

myrtenbekränzten Dionysos wur<strong>de</strong> im Zuge mitgeführt. In Eleusis<br />

angekommen, wur<strong>de</strong>n Feste gefeiert und die letzten Vorbereitungen für die<br />

höhere Einweihung <strong>de</strong>r Mysten getroffen. Am achten Tage wur<strong>de</strong>n die Mysten<br />

22 Das gleiche Schicksal hatte auch Osiris, <strong>de</strong>ssen Tod und Auferstehung mit <strong>de</strong>r ägyptischen Saat und Ernte und<br />

Nilwasserüberschwemmung in Verbindung gebracht wur<strong>de</strong>.<br />

13


internetloge.<strong>de</strong><br />

aus einer dunklen Höhle, 23 die heute noch zu sehen ist, wo sie wahrscheinlich<br />

stiller Meditation sich hingeben mußten, durch das heilige Tor in <strong>de</strong>n Teil <strong>de</strong>s<br />

riesigen Tempels geführt, <strong>de</strong>r Nichteingeweihten nicht zugänglich war.<br />

Ein Herold hielt scharfe Probe ab, ob auch alle Eintreten<strong>de</strong>n Mysten waren.<br />

Sein lauter Ruf: »Eskato bebeloi!« wies alle hinaus, die nicht dazu gehörten.<br />

Wer sich einschmuggelte, riskierte die To<strong>de</strong>sstrafe: <strong>de</strong>r Staat schützte die<br />

eleusinischen <strong>Mysterien</strong> und ihre Geheimhaltung von Unberufenen und erhielt<br />

sich damit ein Kulturzentrum von segensreicher Wirkung.<br />

Der Weg <strong>de</strong>r Mysten war <strong>de</strong>rselbe wie bei <strong>de</strong>n höheren Einweihungen in<br />

Ägypten. Er führte an die Schwelle <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s. Die Mysten machten <strong>de</strong>n Weg<br />

<strong>de</strong>r Persephone. Man führte sie in Tempelräume, die unter <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> lagen. Sie<br />

tasteten hilflos umher, wur<strong>de</strong>n durch Geräusche und Stimmen, auch durch<br />

gräßliche, plötzlich aus <strong>de</strong>m Dunkel hervorleuchten<strong>de</strong> Erscheinungen<br />

erschreckt. Endlich gelangten die Mysten in eine Krypta und trafen hier bei<br />

mäßiger Beleuchtung auf einen in phrygischer Mütze 24 amtieren<strong>de</strong>n Priester,<br />

<strong>de</strong>r wahrscheinlich eine okkulte Beschwörung o<strong>de</strong>r hypnotische Einwirkung<br />

vornahm. Es traten allerlei Erscheinungen auf, die geeignet waren, <strong>de</strong>n Mysten<br />

von seinem rechten Wege abzuziehen. Neue Schreckgestalten entwickelten sich<br />

aus <strong>de</strong>m Rauche <strong>de</strong>s kupfernen Kessels, in <strong>de</strong>m magisches Räucherwerk<br />

brannte. Hier sollen viele <strong>de</strong>r Mysten die Prüfung aus Furcht aufgegeben haben.<br />

Die Mutigsten aber schritten auch durch diese Proben hindurch und gelangten<br />

nun in <strong>de</strong>n Saal <strong>de</strong>s Lebensbaumes, vermutlich einer Akazie. 25 Der Baum<br />

erfüllte mit seinem sich ausbreiten<strong>de</strong>n Laube die ganze Decke <strong>de</strong>s Raumes. In<br />

seinen Zweigen schaukelten metallene Nachbildungen von Ungeheuern und<br />

Dämonen. Unter <strong>de</strong>m Baume aber saß die Gestalt <strong>de</strong>s Pluto, <strong>de</strong>s Herrschers <strong>de</strong>r<br />

Unterwelt. Dieser Pluto-Adonai ist das Vorbild <strong>de</strong>s späteren christlichen<br />

Teufels. Pluto trägt einen Purpurmantel und kann nicht lächeln. Neben ihm sitzt<br />

23 Uralt ist die Vorstellung, daß Licht aus <strong>de</strong>r Dunkelheit komme (aus einer Höhle). Christus als das Licht <strong>de</strong>r<br />

Welt wur<strong>de</strong> auf sehr alten Bil<strong>de</strong>rn als in <strong>de</strong>r Höhle geboren dargestellt. - Hermes wird (als Apollowesen) von<br />

Zeus mit <strong>de</strong>r Mondgöttin Artemis in einer Höhle gezeugt und dort zum Licht geboren. - Dionysos wuchs in einer<br />

Grotte auf. - Im Indischen entsteht Agni in <strong>de</strong>r Höhle (Erinnerung an die Höhle <strong>de</strong>s Feuer erzeugen<strong>de</strong>n<br />

Reibholzes); auch <strong>de</strong>r indische Sonnengott wird aus <strong>de</strong>r "Nacht" geboren. - Höhlentempel sind Symbole für diese<br />

Ansichten. - <strong>Mysterien</strong>tempel haben ihre Einweihungsräume unterirdisch o<strong>de</strong>r im Pyrami<strong>de</strong>ndunkel. - Mithra, <strong>de</strong>r<br />

Lichtgott, wird aus <strong>de</strong>m Dunkel <strong>de</strong>s Felsens geboren.<br />

24 Phrygische Mütze, ursprünglich ein gegerbter Stier-Ho<strong>de</strong>nsack samt <strong>de</strong>r umliegen<strong>de</strong>n Fellpartie. Nach <strong>de</strong>r<br />

mythischen Vorstellung <strong>de</strong>r Griechen sollte ein solches Kleidungsstück die beson<strong>de</strong>ren Fähigkeiten <strong>de</strong>s Tieres<br />

auf seinen Träger übertragen.<br />

25 Die Akazie, <strong>de</strong>r Baum, <strong>de</strong>r die alte Hieroglyphe darstellt, ist in fast allen <strong>Mysterien</strong> als Lebensbaum<br />

verwen<strong>de</strong>t. Heute ist er noch <strong>de</strong>r heilige Lebensbaum <strong>de</strong>r Drusen, die ihren Toten, wie die alten Ägypter es mit<br />

<strong>de</strong>n gestorbenen Eingeweihten taten, einen Akazienzweig ins Grab mitgeben. Bei <strong>de</strong>n Ägyptern war die Akazie<br />

ein Symbol <strong>de</strong>s zum Leben auferstehen<strong>de</strong>n Osiris. Brugsch ("Reiseberichte") erzählt von einer Tempelwand in<br />

Karnak, wo eine Akazie abgebil<strong>de</strong>t ist, die aus einer von Priestern getragenen Cysta mystica sproßt. Auf <strong>de</strong>r<br />

Cysta steht: "Es kommt zum Vorschein Osiris!"<br />

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internetloge.<strong>de</strong><br />

Persephone, einst die menschliche Seele, jetzt aber Königin <strong>de</strong>r<br />

Elementargeister, <strong>de</strong>r Dämonen <strong>de</strong>s Zwischenreiches also. Mitleidsvoll<br />

empfängt sie die Mysten, die vor ihr nie<strong>de</strong>rknien. Tiefe Hoffnungslosigkeit<br />

herrscht im ganzen Kreise. Das erlösen<strong>de</strong> Licht ist verloren gegangen.<br />

Da flammen Fackeln auf. Stimmen ertönen, die jubilieren, Demeter ruft von <strong>de</strong>r<br />

sonnigen Er<strong>de</strong> her ihre Tochter. Persephone will <strong>de</strong>m Rufe folgen, aber Pluto<br />

hält sie fest, und sie sinkt wie tot nie<strong>de</strong>r. Die Fackeln verlöschen. Tiefe<br />

Dunkelheit hüllt alle ein. Und in dieser Dunkelheit und Verlassenheit ruft eine<br />

Stimme die großen Worte aller <strong>Mysterien</strong>: »Sterben ist wie<strong>de</strong>rgeboren wer<strong>de</strong>n.«<br />

Man verbin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n Mysten die Augen, bin<strong>de</strong>t ihnen einen Schurz von Wildle<strong>de</strong>r<br />

vor, und so kommen sie vor einen ehrwürdigen Greis, <strong>de</strong>r sie zum<br />

Stillschweigen verpflichtet, ihnen die eleusinischen Erkennungszeichen mitteilt<br />

und ihnen die geheimnisvollen Worte: »Konx Om Pax« zuflüstert. 26 Dann<br />

steigen sie als Epopten zum Licht <strong>de</strong>s Tages empor!<br />

Diese geheimnisvollen drei Worte sind vielfach ge<strong>de</strong>utet wor<strong>de</strong>n. Vielleicht<br />

heißen sie etwa: »Möge <strong>de</strong>in höchster Wunsch erfüllt wer<strong>de</strong>n, daß nämlich<br />

<strong>de</strong>ine Seele zur Weltseele zurückfin<strong>de</strong>t!«<br />

Man argumentiert, daß Konx das Sanskritwort Kansha ist, was Gegenstand<br />

höchsten Wunsches be<strong>de</strong>utet. Om ist die Seele <strong>de</strong>s Brahma, und Pax ist aus<br />

pasha gebil<strong>de</strong>t, was so viel heißt als Reihe o<strong>de</strong>r Wechsel. Man kann natürlich,<br />

wenn überhaupt diese drei Worte wirklich gesagt wur<strong>de</strong>n, was ich bezweifle,<br />

auch so übersetzen: »Dein höchster Wunsch ist erfüllt, du kehrst im Wechsel<br />

<strong>de</strong>r Geburten zu Brahma (<strong>de</strong>r Weltseele) zurück.« Doch möchte ich persönlich<br />

für diese unverän<strong>de</strong>rte Übernahme indischer Esoterik in die frühe griechische<br />

nicht die Hand ins Feuer legen, son<strong>de</strong>rn berichte hier nur, was einzelne Forscher<br />

als gegeben erachten.<br />

Auch bei <strong>de</strong>r Schil<strong>de</strong>rung dieser eleusinischen Einweihung konnte man nicht<br />

auf vollkommen Gegebenes zurückgreifen. Auch hier gab es nur Trümmer in<br />

Wort und Darstellung, die man mühsam zusammensetzen und sehr stark<br />

ergänzen musste. Die Riten <strong>de</strong>r <strong>Mysterien</strong>bün<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Altertums wur<strong>de</strong>n sehr<br />

streng geheimgehalten. Es ist ganz erstaunlich, daß dieses Geheimnis durch<br />

viele Jahrhun<strong>de</strong>rte gewahrt blieb und eigentlich erst in <strong>de</strong>n letzten Zeiten, kurz<br />

vor <strong>de</strong>r Zerstörung durch die christlichen Beauftragten <strong>de</strong>s Kaisers Theodosius,<br />

etwas gelüftet wur<strong>de</strong>.<br />

26 Ich bezweifle, ob diese Worte wirklich gesagt wur<strong>de</strong>n. Es scheint nur eine Vermutung zu sein. Je<strong>de</strong>nfalls<br />

konnten sie erst in <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>r Pythagoräer in <strong>de</strong>n Ritus von Eleusis aufgenommen wor<strong>de</strong>n sein, nach<strong>de</strong>m<br />

indische I<strong>de</strong>en nach Griechenland gekommen waren.<br />

15


internetloge.<strong>de</strong><br />

Einmal hat ein materialistischer Spötter und seelenloser Mensch, Alkibia<strong>de</strong>s 27 ,<br />

im Altertum Einiges aus <strong>de</strong>n <strong>Mysterien</strong> verraten, in<strong>de</strong>m er sich über sie lustig<br />

machte. Aber er hatte keinen Erfolg mit seiner indiskreten Tat. Er verlor sofort<br />

je<strong>de</strong> gesellschaftliche Stellung, ja je<strong>de</strong> Möglichkeit innerhalb <strong>de</strong>r Gesellschaft<br />

von Athen. Er war als Kulturmensch ausgelöscht.<br />

Interessant ist das heilige Mahl <strong>de</strong>r Mysten, eine symbolische Speisung mit Brot<br />

und Wein. Interessant auch die Cysta mystica, <strong>de</strong>r Korb mit Symbolen, die sich<br />

überall auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>rfin<strong>de</strong>n.<br />

Die Deutung <strong>de</strong>s <strong>Mysterien</strong>inhalts hat sich wohl aus <strong>de</strong>m Gesagten schon<br />

ergeben. Die menschliche Seele ist, wie Persephone im Ha<strong>de</strong>s, so im<br />

menschlichen Körper gebannt. Sie schmachtet in diesem Körper bis zu <strong>de</strong>m<br />

Augenblick, da sie im To<strong>de</strong> Befreiung fin<strong>de</strong>t und zur geistigen Heimat zurück<br />

darf. Das <strong>Mysterium</strong> befreit sie symbolisch und gibt ihr tatsächlich <strong>de</strong>n "Weg!<br />

Das ist <strong>de</strong>r Sinn <strong>de</strong>s Lichtes zu allen Zeiten gewesen. Alles Licht ist in das<br />

Dunkel gebannt. Es kommt aus <strong>de</strong>m Schöße <strong>de</strong>r Mutter (Demeter) und flackert<br />

auf zur Allgottheit (Brahma). 28 Dieser Prozeß ist das irdische Leben, eine<br />

Episo<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Gesamtlebens. Tod gibt es nur für das irdische Leben, also nur für<br />

die Aneinan<strong>de</strong>rkettung von Seele und Körper. Das Leben an sich als Brahma,<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Göttlichen schlechthin zu eigen, kennt we<strong>de</strong>r Zeit noch Raum, we<strong>de</strong>r<br />

Geburt noch Tod.<br />

Man verwechsle nicht Delphi mit Eleusis! Delphi ist etwas ganz an<strong>de</strong>res. Hier<br />

in Eleusis liegt das echte, alte <strong>Mysterium</strong> von <strong>de</strong>r Wan<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Seele zum<br />

Lichte, zum Göttlichen vor. In Delphi ist an<strong>de</strong>res am Werke. Keine Esoterik,<br />

son<strong>de</strong>rn eine Art Okkultismus im Sinne <strong>de</strong>r Prophezeiung. Hier saß die<br />

ekstatische Pythia auf einer Felsspalte, aus <strong>de</strong>r Erdgase strömten, wur<strong>de</strong> durch<br />

diese in einen visionären Zustand versetzt und weissagte. Das war anfangs<br />

ehrlich gemeint und stimmt mit einer ganzen Reihe von sogenannten<br />

chtonischen (Erd-) Orakeln überein. Aber sehr bald mengte sich <strong>de</strong>r<br />

Rationalismus in Delphi ein und verband <strong>de</strong>n profitlüsternen Intellekt mit <strong>de</strong>r<br />

Intuition. Delphi wur<strong>de</strong> damit seiner Be<strong>de</strong>utung verlustig. Denn sehr bald<br />

begnügte man sich nicht mit <strong>de</strong>m Stammeln <strong>de</strong>r Pythia, son<strong>de</strong>rn die Priester<br />

begannen das Gestammelte <strong>de</strong>m Volke zu übersetzen, und damit war <strong>de</strong>r Beginn<br />

<strong>de</strong>s Betruges gegeben. So hatten die Athener Recht, wenn sie im Kriege mit<br />

Philipp von Mazedonien das bittere Wort prägten: »Das Orakel von Delphi<br />

spricht die Sprache Philipps.« Es war gekauft wor<strong>de</strong>n.<br />

27 Alkibia<strong>de</strong>s, um 450 v. Chr. in Athen - 404 v. Chr. in Phrygien), be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r athenischer Staatsmann, Redner<br />

und Feldherr.<br />

28 Das christliche "Licht <strong>de</strong>r Welt" - "ewiges Licht" und auch die jüdisch-christlichen ewigen Lampen stammen<br />

aus <strong>de</strong>n antiken <strong>Mysterien</strong>. - Die Lichter am Weihnachtsbaum (nordatlantischer Lebensbaum, <strong>de</strong>ssen<br />

Zweigspitzen die Sonnenauf- und -Untergänge am Horizont im Laufe <strong>de</strong>s Jahres symbolisieren) gehören <strong>de</strong>r<br />

atlantischen Lichtreligion an, die noch weit älter ist als die uns bekannte Antike.<br />

16


internetloge.<strong>de</strong><br />

Es ist, um <strong>de</strong>m Verständnis antiker <strong>Mysterien</strong> nahezukommen, ungemein<br />

wichtig, dieses Delphi nicht mit hineinzumengen. Da ist keinerlei Esoterik mit<br />

dabei. Es waren wohl einmal <strong>de</strong>lphische <strong>Mysterien</strong> auch vorhan<strong>de</strong>n. Spuren<br />

fin<strong>de</strong>n sich davon, aber <strong>de</strong>r Orakelbetrieb wur<strong>de</strong> sehr bald eine mehr<br />

geschäftliche Angelegenheit, fast ähnlich, nur immerhin wesentlich stilvoller in<br />

<strong>de</strong>r Regie als das Wirken so vieler mo<strong>de</strong>rner Wahrsager und Hellseher. Nie ist<br />

das »Nichterfassenkönnen« <strong>de</strong>ssen, was <strong>Mysterium</strong> heißt, tiefer ausgedrückt<br />

wor<strong>de</strong>n, als in jener gewaltigen Szene in »Faust« II, in <strong>de</strong>r Faust und Mephisto<br />

auf <strong>de</strong>r »finsteren Galerie« über das Reich <strong>de</strong>r Mütter sprechen. Für <strong>de</strong>n »Nur-<br />

Intellekt« Mephisto ist es absolute Einsamkeit, und die Bewegtheit <strong>de</strong>r Uri<strong>de</strong>en<br />

erscheint ihm als eine »Unterhaltung <strong>de</strong>s ewigen Sinnes«, das Ganze rational<br />

ein Nichts, weil es nicht stofflich ist. Faust aber spricht das aus, was <strong>de</strong>s<br />

Eingeweihten aller Zeiten Sehnsucht ist und was allein ihn zum Eingeweihten<br />

machen kann:<br />

»In <strong>de</strong>inem Nichts hoff ich, das All zu fin<strong>de</strong>n.« 29<br />

Darum, weil <strong>de</strong>r Faust Goethes ein Einweihungsmysterium darstellt (namentlich<br />

in seinem so wenig verstan<strong>de</strong>nen, wun<strong>de</strong>rbaren 2. Teil), läßt Goethe auch in <strong>de</strong>r<br />

»Klassischen Walpurgisnacht« <strong>de</strong>n sehnsuchtsvoll das Licht suchen<strong>de</strong>n Faust<br />

auf <strong>de</strong>m altgriechischen Symbol <strong>de</strong>r Sehnsucht, auf <strong>de</strong>m Kentauren Chiron, zu<br />

Manto in die Höhle unter <strong>de</strong>m Olymp tragen. Und Manto sagt bezeichnend<br />

genug:<br />

»Den lieb' ich, <strong>de</strong>r Unmögliches begehrt.<br />

Tritt ein, Verwegener, sollst dich freuen,<br />

Der dunkle Gang führt zu Persephoneien.« 30<br />

Der Myste, <strong>de</strong>r zu Persephone hinabsteigt, wird zu einem Wissen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />

geistigen Welt. Er wird nicht »aufgeklärt« im Sinne einer rationalistischen<br />

Worterklärung <strong>de</strong>ssen, was jenseits aller Wortmöglichkeit liegt.<br />

Hier sehen wir das innerste Wesen <strong>de</strong>r <strong>Mysterien</strong>: Wissen durch Steigerung <strong>de</strong>r<br />

Erlebnismöglichkeit. Wissen bis zu <strong>de</strong>m Gra<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n Goethe am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Faust<br />

in das Wort zusammenfaßt:<br />

»Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis.«<br />

In diesen Worten ist die gewaltigste Umkehrung <strong>de</strong>s rationalistischen<br />

Grundprinzips gegeben. Nicht das rational Reale ist das objektiv Reale, nicht<br />

29 Die Szene "Finstere Galerie" "Faust" II, i zeigt Kenntnisse Goethes vom Ritual <strong>de</strong>r eleusinischen <strong>Mysterien</strong>.<br />

Denn die Stelle, wo Mephisto sagt: "Ein glühen<strong>de</strong>r Dreifuß tut dir endlich kund" bis zu <strong>de</strong>m Satz: "umschwebt<br />

von Bil<strong>de</strong>rn aller Kreatur", bezieht sich auf Vorgänge im Raum <strong>de</strong>s Lebensbaumes und vor Pluto, wie wir sie<br />

kurz in diesem Abschnitt geschil<strong>de</strong>rt haben.<br />

30 Goethe hat in unvergleichlicher Pietät vor <strong>de</strong>m einst Heiligsten darauf verzichtet, die Einweihungsszene "an<br />

<strong>de</strong>r Schwelle <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s" preiszugeben. Er hatte Skizzen dazu gemacht, sie aber wie<strong>de</strong>r gestrichen.<br />

17


internetloge.<strong>de</strong><br />

das Irdische ist das Wesentliche. Alles Irdische hat nur Symbolwert. Es ist nur<br />

ein Gleichnis eines An<strong>de</strong>ren, das unserem Intellektszugriff nicht preisgegeben<br />

ist. Und diese Einsicht ist das, was alle <strong>Mysterien</strong> schon vor Jahrtausen<strong>de</strong>n<br />

sagten, was aber von <strong>de</strong>n Materialisten und ausgesprochenen Rationalisten von<br />

heute noch immer nicht verstan<strong>de</strong>n wird.<br />

Mithramysterien<br />

Die Mithrareligion ist kein einheitliches Gebil<strong>de</strong>. Sie hat — bis in die<br />

philosophischen Weisheiten <strong>de</strong>s persischen Avesta 31 und <strong>de</strong>r indischen Ve<strong>de</strong>n 32<br />

zurückgehend — sehr viel Wandlungen durchgemacht. Sie kam schließlich in<br />

Form von <strong>Mysterien</strong> mit römischen Soldaten nach Mitteleuropa, wobei sie<br />

Griechenland gewissermaßen übersprang. Das geschah, weil die Griechen ihre<br />

eigenen eleusinischen <strong>Mysterien</strong> hatten und an<strong>de</strong>rerseits die verflachen<strong>de</strong> und<br />

<strong>de</strong>m Materialismus hingegebene römische Welt <strong>de</strong>s ersten Jahrhun<strong>de</strong>rts begierig<br />

<strong>Mysterien</strong>kulte aufnahm, als eine Art innerlichen Protestes gegen das Treiben<br />

<strong>de</strong>r Welt.<br />

Der Siegeszug <strong>de</strong>r Mithrareligion in Form <strong>de</strong>s <strong>Mysterium</strong>s war in <strong>de</strong>n ersten<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rten ein so gewaltiger, daß man Renan 33 Recht geben muß, wenn er<br />

schrieb: »Wenn das Christentum in seiner Entwicklung durch irgend eine<br />

tödliche Erkrankung gehemmt wor<strong>de</strong>n wäre, so wür<strong>de</strong> die Welt mithraistisch<br />

gewor<strong>de</strong>n sein.«<br />

Die Mithramysterien waren Weltreligion im 3. Jahrhun<strong>de</strong>rt und sind im 4. auf<br />

politischem Wege <strong>de</strong>m Christentum in Rom erlegen. Konstantin erhielt die<br />

Hilfe <strong>de</strong>r christlichen unteren Volksmassen im Bürgerkrieg, mußte aber dafür<br />

<strong>de</strong>m Christentum jene Stellung im Staate geben, aus <strong>de</strong>r seine Alleinherrschaft<br />

erwuchs. Aus <strong>de</strong>m ersten Toleranzedikt <strong>de</strong>s Kaisers zugunsten <strong>de</strong>r Christen 311<br />

entstand nach <strong>de</strong>m Sieg im Bürgerkrieg die Steuerbefreiung <strong>de</strong>r christlichen<br />

Priester 315, das Verbot <strong>de</strong>r meisten heidnischen Kulte 341, die Schließung <strong>de</strong>r<br />

nichtchristlichen Tempel bei To<strong>de</strong>sstrafe 356, und die Zerstörung <strong>de</strong>s großen<br />

Mithraheiligtums in Rom 377. Dann stürzte sich <strong>de</strong>r christliche Pöbel auf alles<br />

kultisch Antike, und die Mithrareligion verschwand mit unendlich vielem<br />

antiker Kultur und toleranter Gesinnung.<br />

31 Teil <strong>de</strong>r religiösen Literatur <strong>de</strong>r Anhänger <strong>de</strong>s persischen Religionsreformers Zarathustra in altiranischer<br />

Sprache geschrieben und unter <strong>de</strong>m Herrschergeschlecht <strong>de</strong>r Sassani<strong>de</strong>n (226-641 n. Chr.) gesammelt.<br />

Zarathustra (griech.: Zaroaster) lebte wahrscheinlich um 500 v. Chr.).<br />

32 Älteste Sprach<strong>de</strong>nkmäler <strong>de</strong>r In<strong>de</strong>r. Ihre Entstehungszeit geht bis in das 2. Jahrtausend vor unsere Zeitrechnung<br />

zurück.<br />

33 "Histoire <strong>de</strong>s origines du christianisme" (1863-1883).<br />

18


internetloge.<strong>de</strong><br />

Die Mithramysterien, so wie sie in das Abendland kamen, entsprachen nicht<br />

mehr <strong>de</strong>r reinen <strong>Mysterien</strong>i<strong>de</strong>e, die sie einst hatten. Sie waren, namentlich als<br />

römische Soldatenreligion, wesentlich vergröbert und popularisiert. Schon das<br />

macht es erklärlich, daß sie in griechischen Kreisen, die noch die echten,<br />

unverfälschten eleusinischen <strong>Mysterien</strong> besaßen, keinen Anklang fan<strong>de</strong>n.<br />

Aber es ist doch auch in ihnen manches von <strong>de</strong>n uralten Geheimnissen um<br />

Leben und Tod noch vorhan<strong>de</strong>n.<br />

Auch die persischen Mithramysterien hatten ursprünglich eine reine<br />

Lichtsymbolik und sind zweifellos auch atlantischen Ursprungs. Sie tauchen in<br />

die fernste dämmern<strong>de</strong> Vergangenheit zurück, und es ist außeror<strong>de</strong>ntlich<br />

schwer, über ihre unverdorbene Anfangsform etwas auszusagen. Es scheint so,<br />

als wenn die Mithramysterien, ähnlich wie die ägyptischen und die<br />

eleusinischen, geschaffen wur<strong>de</strong>n, um ein rein geistiges Gegengewicht gegen<br />

die sehr bald eingetretenen Personifizierungen in <strong>de</strong>r zoroastrischen Religion, 34<br />

mit <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n sich gegnerischen Göttern Ormuzd, <strong>de</strong>n Gott <strong>de</strong>s Lichtes, und<br />

Ahriman, <strong>de</strong>n Gott <strong>de</strong>r Finsternis, zu haben. So war Mithra wahrscheinlich <strong>de</strong>r<br />

Vermittler, das heißt wohl, er wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n <strong>Mysterien</strong> ursprünglich als das<br />

Göttliche im »Ich« <strong>de</strong>s geläuterten Eingeweihten aufgefaßt. Er war weit davon<br />

entfernt, ein personifizierter Gott zu sein. So ähnlich mag man sich das<br />

vorstellen, wie <strong>de</strong>n Osiris, zu <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r ägyptische Eingeweihte nach <strong>de</strong>m To<strong>de</strong><br />

wur<strong>de</strong>.<br />

Doch scheinen die Mithramysterien einer ständigen Umwandlung unterworfen<br />

gewesen zu sein. Sie gehen offenbar in zwei Richtungen in ihrer Entwicklung<br />

auseinan<strong>de</strong>r. Die eine Richtung fin<strong>de</strong>t in <strong>de</strong>m Symbol <strong>de</strong>s Mithra <strong>de</strong>n<br />

Erlösungsgedanken. Ormuzd als gutes Prinzip soll die ganze Welt und die Seele<br />

<strong>de</strong>s Einzuweihen<strong>de</strong>n erfüllen. Ahriman wird zum bösen Dämon, <strong>de</strong>r<br />

überwun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n muß, und Mithra ist das über <strong>de</strong>m Gegensatz stehen<strong>de</strong>, nur<br />

<strong>de</strong>m Eingeweihten bewußte Einssein mit <strong>de</strong>m Göttlichen. Plutarch nennt Mithra<br />

die »Liliensonne«, und von hier stammt die alchemistische Bezeichnung »Lilie«<br />

für das durch Einweihung geläuterte Ich. 35<br />

Die an<strong>de</strong>re Richtung <strong>de</strong>r Mithramysterien scheint allmählich eine mehr<br />

allegorische gewor<strong>de</strong>n zu sein. Von ihr sind noch Hun<strong>de</strong>rte von Erinnerungen<br />

von Indien bis nach England zu fin<strong>de</strong>n.<br />

34 Im jüngeren Avesta.<br />

35 Große folkloristische Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Lilie im Mittelalter stammt daher. - Die "weiße Lilie" ist ein Zustand <strong>de</strong>s<br />

Materials bei alchimistischen Prozessen. Vgl. auch Goethes "Faust", I (Osterspaziergang: "Da ward ein roter Leu,<br />

ein kühner Freier / Im lauen Bad <strong>de</strong>r Lilie vermählt" usw., womit Prozeduren gemeint sind, mit <strong>de</strong>nen die<br />

Alchimisten das Aurum potabile (das Lebenselixier) herstellen wollten.<br />

19


internetloge.<strong>de</strong><br />

Das <strong>Mysterium</strong> gruppierte sich um einen Mythos, wonach Mithra <strong>de</strong>n Urstier,<br />

das Symbol <strong>de</strong>s Chaotisch-Irdischen, tötet. Aber eben im <strong>Mysterien</strong>sinn tötet,<br />

also nicht vernichtet — Chaos kann gar nicht vernichtet wer<strong>de</strong>n —, son<strong>de</strong>rn mit<br />

Geist versieht, also seines chaotischen Charakters schöpferisch entklei<strong>de</strong>t. Geist<br />

und Stoff, im Altpersischen in polarem Gegensatz und ewigem Kampfe, wer<strong>de</strong>n<br />

durch Mithra so miteinan<strong>de</strong>r versöhnt, daß das Geistige <strong>de</strong>n Stoff erfüllt und <strong>de</strong>r<br />

Stoff willig Gefäß <strong>de</strong>s Geistes wird.<br />

Sehr richtig und einfühlend weist Alfred Schütze 36 darauf hin, daß hier<br />

Beziehungen von Mithra zum Symbol <strong>de</strong>s Lebensbaumes laufen. Mithra, selbst<br />

in <strong>de</strong>r Höhle geboren, bringt mit sich selbst das Licht <strong>de</strong>r Welt und das neue<br />

Leben, das <strong>de</strong>n Tod überwin<strong>de</strong>t.<br />

Die symbolische Aus<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Stiertötens ist vielfach versucht wor<strong>de</strong>n. Der<br />

Stier selbst geht wahrscheinlich auf astrale Symbolik zurück, in jene Zeit, als<br />

das Wid<strong>de</strong>rzeitalter das Stierzeitalter ablöste. Diese Symbole fin<strong>de</strong>n sich auch<br />

im Minotaurus Kretas und an<strong>de</strong>rswo wie<strong>de</strong>r. Analog <strong>de</strong>m wird <strong>de</strong>r Wid<strong>de</strong>r (das<br />

Lamm Gottes) geschlachtet, als das "Wid<strong>de</strong>rzeitalter in das <strong>de</strong>r Fische überging.<br />

Im <strong>Mysterium</strong> hat sich das astrale Ursprungssymbol gewan<strong>de</strong>lt und be<strong>de</strong>utet<br />

hier nun das Materielle im Menschen, seine Bindung an das körperliche Gefäß,<br />

in <strong>de</strong>m er lebt. Die Stiertötung ist daher die sittlich-geistige Überwindung <strong>de</strong>r<br />

Erdbindung <strong>de</strong>s Menschen, mit an<strong>de</strong>ren Worten <strong>de</strong>r Inbegriff <strong>de</strong>r Erlösung.<br />

Aber diese Erlösung kommt nicht von außen, son<strong>de</strong>rn aus <strong>de</strong>m Menschen<br />

selbst. Es ist die innerliche Aktivierung <strong>de</strong>s Mithra, <strong>de</strong>r in je<strong>de</strong>m Menschen lebt,<br />

gegen das an<strong>de</strong>re, erdgebun<strong>de</strong>ne Ich. Eine wun<strong>de</strong>rvolle Beziehung tut sich auf<br />

zur <strong>Mysterien</strong>i<strong>de</strong>e im »Faust«, wo Goethe <strong>de</strong>n innerlichen Entwickelungskampf<br />

im Menschen durch <strong>de</strong>ssen bei<strong>de</strong> Naturen (die für <strong>de</strong>n Bühnengebrauch in<br />

Mephisto und Faust getrennt sind) darstellt.<br />

Goethe läßt das <strong>de</strong>n Faust selbst in <strong>de</strong>n Worten zu Wagner an<strong>de</strong>uten:<br />

»Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,<br />

Die eine will sich von <strong>de</strong>r än<strong>de</strong>rn trennen:<br />

Die eine hält in <strong>de</strong>rber Liebeslust,<br />

Sich an die Welt mit klammern<strong>de</strong>n Organen;<br />

Die an<strong>de</strong>re hebt gewaltsam sich vom Dust<br />

Zu <strong>de</strong>n Gefil<strong>de</strong>n hoher Ahnen.«<br />

(»Faust« I, Osterspaziergang.)<br />

Mithra, <strong>de</strong>r Stiertöter, ist das Geistige im Menschen, das <strong>de</strong>n Sieg über die<br />

Leibnatur errungen hat.<br />

36 "Versuch über die Gräbersymbolik <strong>de</strong>r Alten" (Basel 1925), S. 48.<br />

20


internetloge.<strong>de</strong><br />

Den Mithrabil<strong>de</strong>rn sind meist uralte Symboltiere noch beigegeben, so <strong>de</strong>r<br />

Skorpion, die Ameise und die Schlange, sowie <strong>de</strong>r Hund, als das alte Symbol<br />

<strong>de</strong>r Unsterblichkeit. 37<br />

Die Einweihung erfolgte in sieben Gra<strong>de</strong>n, die folgen<strong>de</strong> Namen hatten: corax<br />

(Rabe), cryphius (Verborgener), miles (Kämpfer), leo (Löwe), perses (Perser),<br />

heliodromus (Sonnenläufer), pater (Vater). Diese o<strong>de</strong>r ähnliche<br />

Gra<strong>de</strong>inteilungen bei <strong>de</strong>n antiken <strong>Mysterien</strong> haben einen sehr tiefen Sinn. Sie<br />

zeigen an, daß <strong>de</strong>r Mensch erst langsam und schrittweise zum wahren<br />

Menschen wer<strong>de</strong>n muß, und wenn z. B. in <strong>de</strong>n Mithramysterien die ersten drei<br />

Gra<strong>de</strong> noch nicht an <strong>de</strong>n kultischen Veranstaltungen <strong>de</strong>r oberen vier teilhaben<br />

durften (solche Beschränkungen kannte auch das erste Christentum bei <strong>de</strong>n<br />

noch nicht getauften Katechumenen 38 ), 39 so ist auch das <strong>de</strong>m Ernste, mit <strong>de</strong>m<br />

das Altertum <strong>de</strong>m <strong>Mysterium</strong> entgegentrat, entsprechend und außeror<strong>de</strong>ntlich<br />

weise. Uns Mo<strong>de</strong>rnen fehlt diese Ehrerbietung vor <strong>de</strong>m Heiligen und die<br />

psychologische Einsicht.<br />

Die symbolische Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Raben ist Fähigkeit, <strong>de</strong>n Weg zu fin<strong>de</strong>n. Noahs<br />

Rabe, Odhins Raben, die Apolloheiligkeit <strong>de</strong>s Raben bei <strong>de</strong>n Griechen, <strong>de</strong>r<br />

Rabe als Orakelvogel (Alexan<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>s Großen glückverheißen<strong>de</strong>r Rabe)<br />

gehören in diesen Komplex. Da <strong>de</strong>r Rabe <strong>de</strong>r Antike heilig war, wur<strong>de</strong> er im<br />

Christentum zum dämonischen Hexenvogel.<br />

Der Name <strong>de</strong>s zweiten Gra<strong>de</strong>s stammt daher, daß auch in <strong>de</strong>n Mithramysterien<br />

eine Vorbereitung in Abgeschlossenheit und Stille stattfand, in <strong>de</strong>r<br />

Verborgenheit also. Erinnerungen daran fin<strong>de</strong>n sich noch im Tanzverbot<br />

während <strong>de</strong>r katholischen Fastenzeit und während <strong>de</strong>s protestantischen<br />

Konfirmations- (Einweihungs-) Unterrichtes. Vom esoterischen Standpunkt aus<br />

ist »<strong>de</strong>r Verborgene« <strong>de</strong>r, in <strong>de</strong>ssen Herzen die verborgene Lehre <strong>de</strong>s<br />

<strong>Mysterium</strong>s keimt. Die Mysten zweiten Gra<strong>de</strong>s wur<strong>de</strong>n nach Abschluß ihrer<br />

Vorbereitung im Verborgenen in feierlicher Weihehandlung wie<strong>de</strong>r in die<br />

<strong>Mysterium</strong>sgemein<strong>de</strong> zurückgeführt.<br />

Im dritten Gra<strong>de</strong>, <strong>de</strong>m Kämpfer, erhielt <strong>de</strong>r Mithramyste Schwert und Krone.<br />

Nun ist er Streiter für das Licht <strong>de</strong>s Geistes und bedarf nicht an<strong>de</strong>rer Kränze<br />

und Kronen mehr. 40 Der Kranz o<strong>de</strong>r die Krone sind ein <strong>Mysterien</strong>symbol, das in<br />

37 Sowohl als Stern Sirius (Sop<strong>de</strong>t-Sothis; vgl. unsere "Hundstage" im Sommer) als auch in <strong>de</strong>r Form <strong>de</strong>s Anubis<br />

(Schakal), <strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n Wen<strong>de</strong>kreisen <strong>de</strong>r nördlichsten und südlichsten Sonnenauf- und -untergänge das ewige<br />

Pen<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>s Lichtes bewacht und damit seine ewige Wie<strong>de</strong>rkehr. Vgl. auch die heilige atlantische Doppelaxt, die<br />

diese Fixpunkte <strong>de</strong>r Sonnenauf- und -Untergänge graphisch als Ausschnitt aus <strong>de</strong>m Horizontkreis wie<strong>de</strong>rgibt.<br />

38 Katechumene: <strong>de</strong>r (erwachsene) Taufbewerber in <strong>de</strong>r Vorbereitungszeit.<br />

39 Die Kin<strong>de</strong>rtaufe kam im Christentum erst im 5. Jahrhun<strong>de</strong>rt auf.<br />

40 Paulus, <strong>de</strong>r aus Tarsos stammte, wo <strong>de</strong>r Mithrakult blühte, hat <strong>de</strong>n Begriff <strong>de</strong>r Krone, <strong>de</strong>n er vielfach<br />

verwen<strong>de</strong>t, offenbar dorther (1. Kor. 9,24 - 25; Phil. 4, 1; 1.Petr. 5,4; 2.Tim. 4,8; 1.Thess. 2,19; und auch Jak.<br />

1,12 und Offb. 2,10).<br />

21


internetloge.<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>n Symbolgebrauch <strong>de</strong>r Kabbala ebenso übergegangen ist, wie in <strong>de</strong>n <strong>de</strong>s<br />

Christentums. 41 Alfred Schütze weist sehr richtig darauf hin, daß die römischen<br />

Kriegsknechte, die Jesus eine Dornenkrone, d. h. einen Kranz aus Dornen,<br />

aufsetzten, »die Karikatur einer <strong>Mysterien</strong>handlung an Christus, um ihn zu<br />

verspotten und lächerlich zu machen«, vornahmen. 42<br />

Mit <strong>de</strong>m vierten Gra<strong>de</strong>, <strong>de</strong>m »Löwen«, beginnen die oberen, nur einem<br />

ausgewählten Kreise zugänglichen Stufen <strong>de</strong>r Einweihung (vgl. auch hier die<br />

höheren Weihen <strong>de</strong>r katholischen Kirche). Diese Bezeichnung hängt mit <strong>de</strong>m<br />

Löwen als Sonnentier — höchste Sonnenleistung im Tierkreiszeichen <strong>de</strong>s<br />

Löwen — zusammen. Da Sonne höchstes Licht symbolisiert, ist <strong>de</strong>r Myste, <strong>de</strong>r<br />

»Löwe« gewor<strong>de</strong>n ist, schon Lichtträger, und damit selbst erleuchtet.<br />

Der fünfte Grad »Perser« wur<strong>de</strong> vielleicht je nach <strong>de</strong>r Nationalität entsprechend<br />

genannt. Schütze weist hier auf die interessante Stelle im Johannes-Evangelium<br />

1,47—49 hin, 43 die ohne Zweifel die Kenntnis Jesu vom <strong>Mysterien</strong>wesen —<br />

auch vom Feigenbaum-Bodhibaum (Baum <strong>de</strong>r Meditation <strong>de</strong>s Buddhismus) —<br />

beweist.<br />

Die sechste Stufe, »<strong>de</strong>r Sonnenläufer«, <strong>de</strong>utet schon das klar erkannte letzte<br />

Ziel, das Licht an, wie <strong>de</strong>nn das ganze Mithramysterium, ebenso wie alle echten<br />

<strong>Mysterien</strong>, <strong>de</strong>n Weg <strong>de</strong>r Menschenseele aus <strong>de</strong>r dunklen Erdgebun<strong>de</strong>nheit<br />

(Symbol: Höhle — Stall — dunkler Raum — Bin<strong>de</strong> vor <strong>de</strong>n Augen —) in das<br />

Licht darstellen.<br />

Im siebenten Grad, »Vater« (es ist das Vorbild <strong>de</strong>s pater <strong>de</strong>r christlichen<br />

Or<strong>de</strong>nsgeistlichen, die die höheren Weihen haben), wird lediglich die Fürsorgeund<br />

Lehrtätigkeit, die <strong>de</strong>m 7. Gra<strong>de</strong> entsprach, ange<strong>de</strong>utet.<br />

In <strong>de</strong>n Mithramysterien fin<strong>de</strong>n wir auch eine Vermengung mit alter Astrologie,<br />

die zu einer sehr schönen Symbolik Veranlassung gab. Die Einweihung führte<br />

<strong>de</strong>n Mithramysten durch sieben Tore. Je<strong>de</strong>s Tor war aus einem an<strong>de</strong>ren Metall<br />

errichtet, und je<strong>de</strong>s Tor entsprach einer Planetensphäre. Der Aufzunehmen<strong>de</strong><br />

machte auch hier die Reise durch die Elemente, aber nach astrologischer<br />

Metho<strong>de</strong> orientiert. Natürlich ist <strong>de</strong>r Grundgedanke <strong>de</strong>rselbe, wie bei allen<br />

antiken <strong>Mysterien</strong>: eine vollkommene Äen<strong>de</strong>rung im seelischen Zustand durch<br />

die Einweihung, die zuletzt einem Sterben gleicht, das im Mithramysterium in<br />

41 Die zehn Sefirot <strong>de</strong>r Kabbala bil<strong>de</strong>n in ihrer Gesamtheit symbolisch <strong>de</strong>n himmlischen = i<strong>de</strong>alen Menschen,<br />

die vollkommene Übereinstimmung mit <strong>de</strong>m Makrokosmus. Die erste Sefira heißt Kéther = die Krone. Davon<br />

auch die in die jüdische Mystik <strong>de</strong>s Chassidismus übergegangene "Krone <strong>de</strong>s guten Namens". - Die Krone, aus<br />

<strong>de</strong>m Kranz entstan<strong>de</strong>n, seit Alexan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Großen, <strong>de</strong>r sie von <strong>de</strong>n Persern übernahm, als Zeichen <strong>de</strong>r<br />

Herrschaft. In <strong>de</strong>r christlichen Kunst tragen sie Gottvater, Christus und Maria.<br />

42 Alfred Schütze: "Mithras-<strong>Mysterien</strong> und Urchristentum" (Stuttgart 1937), S. 60.<br />

43 Alfred Schütze: "Mithras-<strong>Mysterien</strong> und Urchristentum" (Stuttgart 1937), S. 62/63.<br />

22


internetloge.<strong>de</strong><br />

erzeugter Bewußtlosigkeit symbolisiert wur<strong>de</strong>. Der Einzuweihen<strong>de</strong> hatte bei<br />

je<strong>de</strong>m Tore das Metall <strong>de</strong>s Tores, das er etwa bei sich trug, zurückzulassen,<br />

ferner aber entsprach auch je<strong>de</strong>s Tor einem Glied <strong>de</strong>s menschlichen Körpers.<br />

Wenn also die sieben Tore durchschritten waren, war <strong>de</strong>r Neophyt nackt und<br />

symbolisch dazu körperlos. Er trat im Zustand <strong>de</strong>r Verklärung — »weiß<br />

leuchtend« (man vergleiche hiezu die Verklärungsgeschichte Jesu auf <strong>de</strong>m<br />

Berge) — vor das achte Tor. Beim Durchweg durch die sieben Tore verlor <strong>de</strong>r<br />

Myste auch symbolisch die Eigenschaften, die <strong>de</strong>n sieben Planeten, die die Tore<br />

beherrschten, zukamen, so beim Mond die Ernährungskraft, beim Merkur die<br />

Habsucht, bei <strong>de</strong>r Venus die erotischen Empfindungen, bei <strong>de</strong>r Sonne <strong>de</strong>n nur<br />

Materielles im Auge haben<strong>de</strong>n Intellekt, beim Mars die kriegerischen Gelüste,<br />

beim Jupiter die Ruhmsucht und beim Saturn die Trägheit. Alles Menschliche<br />

also fiel symbolisch von ihm ab. Es erfolgte die »neue Geburt«, die bei allen<br />

<strong>Mysterien</strong> so ungemein wichtig ist. 44<br />

Bei <strong>de</strong>r Symbolik <strong>de</strong>r acht Tore zeigt sich die Wan<strong>de</strong>rung als ein Sühneprozeß.<br />

Es ist die Heimkehr <strong>de</strong>r Seele in die Heimat, das heißt: in das Licht!<br />

Die schönen symbolischen Reste <strong>de</strong>s Mithrakultes, die offenbar aus sehr alter<br />

Zeit stammen, sind im Gebrauch <strong>de</strong>r römischen Kaiserzeit wohl stark<br />

»rationalisiert« wor<strong>de</strong>n. Denn <strong>de</strong>r Mithrakult, einmal von <strong>de</strong>n Kaisern und von<br />

<strong>de</strong>r militärischen Aristokratie <strong>de</strong>s späten Roms angenommen, wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>n<br />

höfischen Bedürfnissen angepaßt. Damals nannte sich <strong>de</strong>r römische Kaiser<br />

schon Gott. Seit Aurelian fin<strong>de</strong>n wir römische Münzen, auf <strong>de</strong>nen das<br />

Kaiserbild mit <strong>de</strong>n Worten »dominus et <strong>de</strong>us natus«, als Herr und Gott geboren,<br />

umschrieben ist. Domitianus ließ sich von seinem Gesin<strong>de</strong> mit »<strong>de</strong>us noster«,<br />

also etwa mit »lieber Gott«, anre<strong>de</strong>n, und später kamen für die Kaiser die<br />

gleichen Bezeichnungen auf, die auch Mithra führte. So: pius, felix, invictus et<br />

aeternus, das heißt fromm, glückhaft, unbesiegt und ewig. Und mählich trat<br />

wohl in <strong>de</strong>r Auffassung vieler eine Personalunion zwischen <strong>de</strong>m Kaiser und<br />

<strong>de</strong>m längst zum Sonnengotte personifizierten Mithra ein. Mithra wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

himmlische Verbün<strong>de</strong>te <strong>de</strong>r siegreichen römischen Heere. Und damit verlor er<br />

die letzten Reste geistiger Göttlichkeit, gera<strong>de</strong> durch diejenigen, die seinem<br />

Kultus dienten. 45<br />

44 Ein in Europa weit verbreitetes Kin<strong>de</strong>rspiel, wobei auf einer in <strong>de</strong>n Sand o<strong>de</strong>r mit Krei<strong>de</strong> auf das Pflaster<br />

gezeichneten achtsprossigen Leiter von Feld zu Feld auf einem Bein gehüpft wird, bis <strong>de</strong>r Sieg im achten Feld<br />

errungen ist, stellt eine Erinnerung an die seinerzeit in Europa herrschen<strong>de</strong>n Mithramysterien dar. Nur ist die<br />

Bezeichnung "Himmel und Hölle", die man hierbei fin<strong>de</strong>t, eine sprachliche Verirrung unter christlichem Einfluß.<br />

Es han<strong>de</strong>lt sich nicht um <strong>de</strong>n Himmel o<strong>de</strong>r die Hölle, son<strong>de</strong>rn um "das Helle" = das Licht <strong>de</strong>s achten Tores.<br />

45 Auch im Mithrakult muß klar unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n zwischen <strong>Mysterien</strong> und Entwicklungen <strong>de</strong>r Volksreligion.<br />

Schon im ausgebauten Religionssystem <strong>de</strong>s Zaroaster verblaßt Mithra zu einem Gott zweiter Ordnung, und im<br />

Babylonischen, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r iranische Ormuzd in Bei sich verwan<strong>de</strong>lt, wird Mithra zu Schamasch (Sonnengott),<br />

und das schon zur Zeit <strong>de</strong>s Assurbanipal.<br />

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internetloge.<strong>de</strong><br />

Bei allen <strong>Mysterien</strong> und Mythen fin<strong>de</strong>n wir, daß am Anfang die seelisch tiefere<br />

und geistig reinere Auffassung <strong>de</strong>s Göttlichen steht, und daß erst mit <strong>de</strong>r Zeit, in<br />

<strong>de</strong>m Maße, in <strong>de</strong>m sich reflektieren<strong>de</strong>r Intellekt <strong>de</strong>s wun<strong>de</strong>rbaren Urgefühls<br />

bemächtigt, aus <strong>de</strong>n Symbolen für das Immaterielle sich Allegorien entwickeln,<br />

und aus diesen Personifizierungen, die dann <strong>de</strong>n Himmel bevölkern. Darum ist<br />

<strong>de</strong>r alte Satz von jenem »Gott, <strong>de</strong>r vor <strong>de</strong>n Göttern war«, keine Phrase, son<strong>de</strong>rn<br />

birgt kulturgeschichtlich bemerkenswerteste Erkenntnis.<br />

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