Klicken Sie hier für das Interview mit Prof. Scholz - Hay Group
Klicken Sie hier für das Interview mit Prof. Scholz - Hay Group
Klicken Sie hier für das Interview mit Prof. Scholz - Hay Group
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Ist die Zukunft von HR rosig?<br />
Ein <strong>Interview</strong> <strong>mit</strong> Univ.-<strong>Prof</strong>. Dr. Christian <strong>Scholz</strong><br />
<strong>Interview</strong> | Zukunft HR | Oktober 2012<br />
Die <strong>Interview</strong>reihe zum Thema „Ist die Zukunft von HR rosig“ <strong>mit</strong> Wissenschaftlern,<br />
HR-lern und Linienmanagern setzt <strong>Hay</strong> <strong>Group</strong> jetzt <strong>mit</strong> Univ.-<strong>Prof</strong>. Dr. Christian <strong>Scholz</strong> fort.<br />
In diesem <strong>Interview</strong> geht es um die Sicht eines Wissenschaftlers.<br />
Zu <strong>Prof</strong>. Dr. Christian <strong>Scholz</strong>: Nach Studium und Assistententätigkeit an der Universität<br />
Regensburg sowie Forschungsaufenthalten an der Harvard Business School, ist er seit 1986<br />
Inhaber des Lehrstuhls <strong>für</strong> Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Organisation, Personalund<br />
Informationsmanagement an der Universität des Saarlandes. Er ist Gründungsdirektor<br />
des Saarbrücker MBA-Programms und des Instituts <strong>für</strong> Managementkompetenz.<br />
<strong>Hay</strong> <strong>Group</strong>: Herr <strong>Prof</strong>essor <strong>Scholz</strong>, in den letzten Monaten haben wir einige <strong>Interview</strong>s zum Thema<br />
„Ist die Zukunft von HR rosig“ geführt, <strong>mit</strong> Wissenschaftlern, HR-lern, Vorstandsvorsitzenden. Das<br />
Bild, <strong>das</strong> wir erhalten haben, ist vielfältig. Die Organisation, die Rolle, die Kompetenz von HR wird von<br />
einigen sehr kritisch hinterfragt. Herr Sattelberger, bis vor kurzem Personalvorstand der Deutschen<br />
Telekom, geht in einem <strong>Interview</strong> jüngst sogar so weit, die HR-Funktion in der gesellschaftlichen<br />
Bedeutungslosigkeit versinken zu sehen. Wie sehen <strong>Sie</strong> die Entwicklung des HR-Bereiches in den<br />
letzten Jahren?<br />
„Es ist eine Tatsache,<br />
<strong>das</strong>s in vielen Unternehmen<br />
die HR-<br />
Abteilungen schon<br />
bedeutungslos sind“<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Scholz</strong>: Zunächst einmal finde ich es wunderbar, <strong>das</strong>s wir über die Sache diskutieren, weil<br />
Diskussion Dinge bewegt und ohne Diskussion sich gar nichts bewegen würde. Ich teile sehr viele<br />
Kritikpunkte zur Rolle der Personalabteilungen. Dass die HR-Abteilungen in vielen Unternehmen<br />
schon bedeutungslos sind oder noch bedeutungsloser werden, ist ein Tatbestand, den man deskriptiv<br />
so sehen kann, nach dem Motto „Es passiert!“. Die nächsten Fragen, die sich anschließen, sind: „Warum<br />
passiert <strong>das</strong>?“ und „Soll <strong>das</strong> so passieren?“. Viele Personalabteilungen haben ihren Stellenwert verloren,<br />
weil viele Personaltätigkeiten auf Linienführungskräfte und externe Berater verlagert wurden.<br />
Es ist aber nicht nur die Arbeit verlagert worden, sondern auch die Entscheidung über derartige<br />
Aufträge. Wir haben zunehmend Situationen, in denen <strong>das</strong> operative Management un<strong>mit</strong>telbar<br />
Aufträge an Externe vergibt und zudem eigene, kleine Personalabteilungen aufbaut. Auf diese Weise<br />
gibt es dann zwar durchaus eine Personalabteilung, aber Aktivitäten finden an allen möglichen Ecken<br />
im Unternehmen statt. Dadurch fällt erstens die Qualitätskontrolle weg und zweitens wird eine strategische<br />
Ausrichtung praktisch unmöglich.<br />
Ist <strong>das</strong> Bild von HR zu negativ?<br />
<strong>Hay</strong> <strong>Group</strong>: Interessanterweise haben in den <strong>Interview</strong>s, die wir bisher geführt haben, nicht nur die<br />
Personaler ein teilweise positives Bild gezeichnet, sondern auch die Linienmanager. Die Befragten<br />
bescheinigten eine stärkere Orientierung an den Notwendigkeiten des Geschäftes. Ist <strong>das</strong> Bild, <strong>das</strong><br />
Herr Sattelberger beschrieben hat, insgesamt etwas zu negativ?<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Scholz</strong>: Ich glaube nicht, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Bild zu negativ ist. Wir tun uns keinen Gefallen, wenn<br />
wir die gegenwärtige Situation schön reden. Dass es gewisse operative Aufgaben gibt, die von<br />
Personalabteilungen gut wahrgenommen werden, steht außer Frage. Die Diskussion, die wir führen,<br />
müssen wir an dem Anspruch messen, den wir an die Personalabteilung stellen.<br />
So ist die Personalstrategie, <strong>mit</strong> allem was dazu gehört, Aufgabe der Personalabteilung. Es gibt aber<br />
große DAX-Konzerne, die diskutieren, ob die Konzeption und Umsetzung einer Personalstrategie<br />
überhaupt in die Kompetenz der Personalabteilung gehört.<br />
Wenn man die Personalabteilung positiv bewertet, dann kann es daran liegen, <strong>das</strong>s man sie eher als<br />
operativen Abwickler sieht, der nicht besonders stört, der aber auch leider Nichts bewegt. Das heißt<br />
©2012 <strong>Hay</strong> <strong>Group</strong>. All rights reserved
<strong>Interview</strong> | Zukunft HR | Oktober 2012<br />
Skeptiker – dazu gehört Herr Sattelberger, diesmal sogar in Übereinstimmung <strong>mit</strong> mir – messen die<br />
Personalabteilungen an dem, was sie eigentlich tun müssten.<br />
Aus meiner Sicht müssen Unternehmen eine Situation schaffen, bei der über die Personalarbeit wirklich<br />
ein Wettbewerbsvorteil generiert wird. Ich kenne nicht viele Personalabteilungen in Deutschland,<br />
die <strong>mit</strong> Fug und Recht sagen können, „durch unsere Personalarbeit haben wir einen nachweisbaren<br />
Wettbewerbsvorteil geschaffen“.<br />
Wenn Führungskräfte in der Linie von der Personalabteilung nicht mehr verlangen als ganz normale,<br />
simple Transaktionen, wenn sie also eigentlich nicht viel von der Personalabteilung erwarten, können<br />
sie natürlich <strong>mit</strong> deren Arbeit sehr zufrieden sein. Resultat sind Personaler, die <strong>mit</strong> sich und der Welt<br />
voll zufrieden sind und Führungskräfte, die nicht mehr von der Personalabteilung erwarten.<br />
<strong>Hay</strong> <strong>Group</strong>: Bedeuten Ihre Ausführungen, <strong>das</strong>s die Personaler sich stärker auf die Rolle des<br />
Dienstleisters zurückgezogen und den Fokus auf <strong>das</strong> Gesamtunternehmen verloren haben, statt<br />
die Personalarbeit gemäß der Unternehmensstrategie auszurichten, um eine entsprechende<br />
Personalstrategie auszubauen?<br />
HR als Dienstleister<br />
„Permanent nur<br />
nachfrageorientierte<br />
Personalarbeit<br />
greift zu kurz“<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Scholz</strong>: Ja, <strong>das</strong> trifft es. Die Personalabteilung ist zu stark in Richtung Dienstleister gegangen.<br />
Nur haben Dienstleister und Richtungsgeber zwei unterschiedliche Aufgaben, die sich wechselseitig<br />
ausschließen. Ich kann nicht gleichzeitig ein Dienstleister und derjenige sein, der eine strategische<br />
Richtung festlegt. Wenn ich mich als Personaler nur auf die Dienstleistung konzentriere, bedeutet es,<br />
ich arbeite <strong>das</strong> ab, was die Linie fordert, nach dem Motto „Der Kunde ist König“. Wenn also die Linie<br />
sagt, wir brauchen jetzt einen Weiterbildungskurs „Über glühende Kohlen gehen“ – dann werden sie<br />
diesen Kurs in der Funktion eines Dienstleisters auch anbieten. Und selbstredend besorgen sie auch<br />
noch die glühendsten Kohlen, weil sie ja ein besonders guter Dienstleister sind. Diese permanente,<br />
nachfrageorientierte Personalarbeit führt dazu, <strong>das</strong>s viele Kurse in Unternehmen stattfinden, die völliger<br />
Unsinn sind, nur weil irgendein Linienvorgesetzter in irgendeiner pseudowissenschaftlichen oder<br />
„praxisbezogenen“ Zeitschrift irgendetwas Marktschreierisches liest und es praktizieren will.<br />
Nachfrageorientierte Personalarbeit bedeutet Dienstleistung. Ich behaupte nicht, <strong>das</strong>s wir <strong>das</strong><br />
überhaupt nicht brauchen. Aber ausschließlich nachfrageorientiert zu handeln, bringt uns alle in die<br />
falsche Richtung.<br />
Was wir auch brauchen ist die angebotsorientierte Personalarbeit, bei der Personaler nachdenken<br />
müssen: Was ist gut <strong>für</strong> den Erfolg des Unternehmens? Was muss erreicht und durchgeführt<br />
werden? Diese Fragestellungen müssen offensiv durchgesetzt werden, bis hin zum Punkt, sich<br />
Richtlinienkompetenzen und Governancefunktion zu erarbeiten. Das betrifft viele Themen und fängt<br />
schon <strong>mit</strong> der strategischen Personalbedarfsplanung an: Welche Mitarbeiter brauche ich eigentlich in<br />
zehn Jahren? Das ist eine Frage, die sich kaum ein Linienmanager stellt, weil <strong>das</strong> nicht sein fachlicher<br />
Fokus ist. Aber als HR-ler muss ich darüber nachdenken, welchen Personalbedarf man in zehn Jahren<br />
haben wird, und zwar qualitativer und quantitativer Natur. Solche Fragestellungen münden auch in<br />
un<strong>mit</strong>telbare Aktionen und zwar nicht im Sinne von „könnte man mal machen“, sondern „muss man<br />
jetzt machen“, um die Geschäftsziele zu erfüllen. Deswegen greift die reine Dienstleistungsrolle viel<br />
zu kurz. Die HR-Funktion hat viele Facetten, wozu auch die strategische Rolle gehört.<br />
<strong>Hay</strong> <strong>Group</strong>: <strong>Sie</strong> haben am Anfang sehr radikal formuliert, <strong>das</strong>s sich die Dienstleisterrolle und die<br />
strategische Rolle ausschließen. Wenn ich <strong>Sie</strong> richtig verstanden habe, sind <strong>das</strong> aber nur zwei verschiedene<br />
Bestandteile, einmal Dienstleister zu sein und gleichzeitig aber auch eine strategische<br />
Aufgabe zu haben.<br />
HR als strategischer Richtungsgeber<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Scholz</strong>: Es sind zwei Dinge, die durchaus zu trennen sind: Wo bin ich als HR-ler ein Dienstleister<br />
und wo ein strategischer Richtungsgeber? Das meine ich <strong>mit</strong> meiner permanenten Forderung nach<br />
einer „Strategie der Personalabteilung“. <strong>Sie</strong> muss wie ein Unternehmen ihre Geschäftsfelder definieren<br />
(z. B. Personalentwicklung, Personalbeschaffung) und inhaltlich konkretisieren. Gleichzeitig erfolgt in<br />
Absprache <strong>mit</strong> der Linie und im Zusammenhang <strong>mit</strong> der Unternehmensstrategie die Definition der<br />
Felder, in denen HR Gestalter ist: Nicht im Sinne von „kann“ sondern im Sinne von „muss“. Das sind die<br />
Felder, bei denen man entweder einen strategischen Vorteil <strong>für</strong> <strong>das</strong> Unternehmen gewinnen kann<br />
oder die im Sinne von Critical Points wichtig <strong>für</strong> die Realisierung der Unternehmensstrategie sind.<br />
Hier ist die Personalabteilung diejenige, die der Linie klare Anweisungen gibt, was geschehen soll.<br />
Auf diesen Feldern ist HR definitiv kein Dienstleister.<br />
©2012 <strong>Hay</strong> <strong>Group</strong>. All rights reserved
<strong>Interview</strong> | Zukunft HR | Oktober 2012<br />
<strong>Hay</strong> <strong>Group</strong>: Wenn wir über diese beiden Grundfunktionen reden, dann kommen uns sofort Dave<br />
Ulrich und sein Modell <strong>mit</strong> Business-Partner und Dienstleistungs- und Kompetenzcenter in den Sinn.<br />
Wenn <strong>Sie</strong> sich heute die Implementierungen anschauen, stellt sich die Frage woran es liegt, <strong>das</strong>s die<br />
Governance-Rolle teilweise nicht übernommen wird.<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Scholz</strong>: Ich fand <strong>das</strong>, was Dave Ulrich sich überlegt hat, wirklich eine gute Idee. Auch die Idee<br />
des Business-Partners, wie er es sich ursprünglich vorgestellt hat, war eine wirklich geniale Variante. In<br />
seinem Modell war <strong>das</strong> Wort „Business“ enthalten im Sinne von „hat etwas <strong>mit</strong> dem Geschäft zu tun“<br />
und <strong>das</strong> Wort „Partner“, <strong>das</strong> beim Modell „Ehepartner“ bedeutet, <strong>das</strong>s „beide etwas zu sagen haben“.<br />
Warum hat es zumindest in Deutschland nicht funktioniert?<br />
„Business-Partner:<br />
Gestern Raider,<br />
heute Twix, sonst<br />
ändert sich nix“<br />
In Deutschland ist es sehr schnell zum reinen Konzept der Strategie- und Organisationsberater degeneriert,<br />
viel mehr als in anderen Ländern. Wir haben bei uns die eher frustrierten Personalreferenten<br />
gehabt, die sich nicht wertgeschätzt fühlten und daher auch nicht glücklich waren. Sehr viele<br />
Unternehmensberater haben die Einführung des Business-Partner-Konzeptes gar nicht nach Dave<br />
Ulrich gemacht, sondern haben im Wesentlichen die Rolle des Personalreferenten einfach umdefiniert.<br />
Also wurde aus dem Personalreferenten der Business-Partner. Umfangreiche Programme<br />
wurden gestartet. Aber ihr Kern bestand aus neuen Visitenkarten, neuen Türschildchen und neuen<br />
Textbausteinen – wie bei dem bekannten Werbespruch „Gestern Raider und heute Twix, sonst<br />
ändert sich nix“. Die ganzen Ressourcen, die dort hinein gesteckt wurden, waren eigentlich nur ein<br />
Umlabelling und haben dann dazu geführt, <strong>das</strong>s viele Personaler sich wieder toll oder noch toller<br />
gefühlt haben. Das war – aber nur kurzfristig – bei manchen eine Kompensation von durchaus<br />
latenten Minderwertigkeitskomplexen, hat dann aber zu noch mehr Problemen geführt, weil sich<br />
substanziell doch nichts geändert hat.<br />
Die Linie hat teilweise erwartet „Jetzt kommt wirklich ein Business-Partner daher“, aber es war der<br />
alte Personaler. Als Folge hat man dann angefangen, aus dem Business-Partner noch einen Junior-<br />
Business-Partner und einen Senior-Business-Partner und einen Senior-Executive-Business-Partner zu<br />
bauen – ein eher peinlicher Vorgang.<br />
Die Krönung ist, <strong>das</strong>s gewisse Strategie- und Organisationsberater, die die Business-Partner-Modelle<br />
derartig falsch eingeführt haben, nun den umbenannten und frustrierten Personalreferenten<br />
Coaching anbieten, um <strong>mit</strong> ihrer Rolle richtig umzugehen.<br />
Um die Frage ganz klar zu beantworten, was Dave Ulrich sich damals vorgestellt hat, ist in den<br />
meisten Unternehmen überhaupt nicht verstanden und dementsprechend falsch umgesetzt worden.<br />
Deswegen bin ich der Meinung, wir sollten <strong>das</strong> Wort Business-Partner gar nicht mehr verwenden, weil<br />
es verbrannt ist und wir da<strong>mit</strong> inzwischen ganz falsche Dinge assoziieren.<br />
HPI und ISO – der neue Weg <strong>für</strong> HR?<br />
<strong>Hay</strong> <strong>Group</strong>: Einige Vertreter des Bereiches HR sehen den zukünftigen Weg ihrer Abteilung stärker auf<br />
den Kapitalmarkt orientiert. Ein wichtiger Wertbeitrag soll in der Normierung von HR-Arbeit liegen,<br />
in der Lieferung von Zahlen und Fakten <strong>für</strong> Investoren. HPI war da der erste – deutsche – Schritt, nun<br />
treiben die Amerikaner neue ISO-Normen. Wie sehen <strong>Sie</strong> diesen Weg?<br />
„Eine weltweite<br />
Normierung der<br />
Personalarbeit halte<br />
ich <strong>für</strong> bedenklich“<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Scholz</strong>: HPI war ein Marketingkonzept, <strong>das</strong> ausschließlich beraterinduziert war. Hinter HPI<br />
steckte vor allem ein Beratungsunternehmen, <strong>das</strong> <strong>mit</strong> schicken Zahlen garniert eine ganz simple<br />
Botschaft verkündete, die alle gerne hören wollten: Wir haben zufriedene Mitarbeiter und gleichzeitig<br />
auch viel Personalentwicklung. Ergo fördert diese Personalentwicklung die Zufriedenheit und ergo<br />
auch den Geschäftserfolg. Also bedeutet viel Personalarbeit automatisch viel Unternehmenserfolg.<br />
Die Lebenswirklichkeit hat aber leider eine andere Realität parat: Unternehmen, denen es vielleicht<br />
sogar trotz ihrer Personalarbeit gut geht, haben ausreichend Geld und können sich Vieles leisten –<br />
auch Personalentwicklung und glückliche Mitarbeiter. Das HPI-Geschäftsmodell war, eine große<br />
Institution aufzubauen, bei der es HPI-Berater, HPI-Auditoren, HPI-Auditorenschulungen und vieles<br />
andere geben sollte. Darüber sollte dann eine Dachorganisation stehen, die definiert, wer <strong>mit</strong> welchem<br />
Gewinnanteil bei HPI <strong>mit</strong>machen darf. Auch wenn viele Medien unkritisch gejubelt haben und<br />
sich einige Partner von damals zu einem peinlichen Relaunch-Versuch im letzten August einfangen<br />
haben lassen: Das halte ich <strong>für</strong> einen in allen Punkten problematischen Vorgang, der als solcher in<br />
den Papierkorb gehört.<br />
Ein zweiter Teil Ihrer Frage ist, inwieweit wir eine gewisse Normierung kriegen? Das ist ein Punkt, der<br />
durchaus interessant ist, wobei wir <strong>hier</strong> auch aufpassen müssen, wovon wir sprechen. Die Diskussion<br />
läuft in die Richtung, <strong>das</strong>s ganze Prozesse normiert und <strong>mit</strong> normierten Kennzahlen belegt werden,<br />
die im Regelfall dem US-amerikanischen System entsprechen. Das halte ich <strong>für</strong> hoch bedenklich und<br />
gefährlich. Mein Institut ist in einem solchen Arbeitskreis vertreten, andere leider nicht: Wenn wir<br />
©2012 <strong>Hay</strong> <strong>Group</strong>. All rights reserved
<strong>Interview</strong> | Zukunft HR | Oktober 2012<br />
jetzt Standards amerikanischer Abläufe in HR übernehmen, verlieren wir viel unserer Authentizität<br />
und auch viel von unserem Wettbewerbsvorteil durch Anderssein. Denn viele Dinge kann man gar<br />
nicht 1:1 auf alle Länder übertragen: Ist zum Beispiel in diesem neuen System duale Ausbildung<br />
nicht enthalten, gibt es keine duale Ausbildung, weil sie nicht im System vorgesehen ist. Vor diesem<br />
Hintergrund ist <strong>das</strong> eine Initiative, die ich <strong>für</strong> hochproblematisch halte, bei der wir uns aber dringend<br />
einbringen müssen, um <strong>mit</strong>zugestalten und unsere Interessen durchzusetzen.<br />
<strong>Hay</strong> <strong>Group</strong>: Bei den Autos tun wir es zumindest nicht und sind erfolgreich.<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Scholz</strong>: Ja, wir folgen Amerika bei den Autos nicht und sind deswegen erfolgreich. So<br />
gesehen haben <strong>Sie</strong> Recht und in der Personalarbeit ist es ähnlich. Ich nenne nur die Stichworte<br />
Betriebsloyalität, Kontinuität, betriebliche Qualifizierung und Langfristigkeit. Wir können nicht einmal<br />
europaweit Personalarbeit generalisieren, erst recht nicht <strong>mit</strong> den USA und deswegen müssen wir auf<br />
jeden Fall Unterschiedlichkeit wahren.<br />
Der zweite Punkt ist die Frage, inwieweit wir uns generell <strong>mit</strong> Kennzahlen beschäftigen, also ob wir<br />
überhaupt messen wollen? Da bin ich, wie <strong>Sie</strong> wissen, absolut da<strong>für</strong>. Die Diskussion um Humankapital<br />
kennen <strong>Sie</strong>. Das ist ein Indikator, <strong>mit</strong> dem sehr viele andere Dinge in Bewegung gesetzt werden<br />
können. Daher ist eine meiner Lieblingsfragen: Wie kann <strong>das</strong> Gehalt eines Personalvorstands an<br />
der Entwicklung des Humankapitals fest gemacht werden? Es gibt Unternehmen, in denen die<br />
Vorstandsvergütung sich schon in die Richtung bewegt, also beispielsweise die Personalentwicklung,<br />
die Bestandsentwicklung oder die Motivation der Mitarbeiter eine Rolle spielen. Da wird praktisch<br />
genau <strong>das</strong> schon gemacht, was wir <strong>mit</strong> der Saarbrücker Formel fordern. Auch wenn man über die<br />
formelmäßige Zusammensetzung des Humankapitalwertes unterschiedlicher Meinung sein kann:<br />
Bei den Komponenten, die in der Saarbrücker Formel stehen, gibt es hingegen breiten Konsens.<br />
<strong>Hay</strong> <strong>Group</strong>: Das geht auch in die Richtung, die <strong>Sie</strong> zusammen <strong>mit</strong> Herrn Sattelberger in Ihrem neuen<br />
Buch „Human Capital Reporting“ beschrieben haben?<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Scholz</strong>: Genau. In dem Buch fordern Herr Sattelberger und ich ganz bewusst keine einheitliche<br />
Personalarbeit. Wir fordern eine einheitliche Personalberichterstattung, da<strong>mit</strong> Daten vergleichbar<br />
und so<strong>mit</strong> auch nutzbar werden. Das alles wirkt wie ein sehr kleines Thema, hat aber eine beachtliche<br />
Hebelwirkung. Wenn die DAX-Unternehmen, aber auch <strong>mit</strong>telständische Unternehmen ihre<br />
Berichterstattung ähnlich gestalten, dann sind Vergleiche untereinander sowie über längere<br />
Zeiträume möglich. Das schafft Transparenz und Wettbewerb. Ein Investor kann sich da<strong>mit</strong> beschäftigen,<br />
ein Betriebsrat ebenso. Und der Aufsichtsrat sollte sich ohnehin da<strong>mit</strong> beschäftigen! Dieser<br />
HCR10 – so nennen wir diesen Vorschlag – ist dabei so ausgelegt, <strong>das</strong>s man auch unterschiedliche<br />
Humankapitalformeln anwenden kann.<br />
Also: Der Hebel <strong>für</strong> vieles ist diese normierte Personalberichterstattung, nicht aber eine normierte<br />
Personalarbeit.<br />
Die Kompetenzen im HR-Bereich<br />
<strong>Hay</strong> <strong>Group</strong>: Um <strong>das</strong> machen zu können, was <strong>Sie</strong> gerade geschildert haben, brauche ich eine gewisse<br />
Kompetenz und Befugnis bei der Personalfunktion. Sind die Personalmanager heute in der Lage,<br />
dieses auszufüllen?<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Scholz</strong>: Wir brauchen Kompetenz im Sinne von Befugnis und Kompetenz im Sinne von<br />
Befähigung. Zumindest beides zusammen ist eher die Ausnahme.<br />
„Vor 10 bis 15 Jahren<br />
hatten wir in vielen<br />
Fällen eine höhere<br />
Kompetenz der<br />
Personalabteilung“<br />
Die Personalfunktion muss sich aber <strong>mit</strong> genau dieser Frage befassen: Wo stehe ich eigentlich im<br />
Sinne von „Was kann ich?“, „Was darf ich?“, „Was möchte ich können?“ und „Was möchte ich wollen dürfen?“.<br />
Wir haben diese Fragen bereits in Unternehmen umgesetzt und gemerkt, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> durchaus ein<br />
schmerzhafter Prozess ist: Wenn ich eine Entscheidung treffe, bin ich auch da<strong>für</strong> verantwortlich und<br />
werde nicht nur an der Durchführung der Maßnahme, sondern am Ergebnis meiner Entscheidung<br />
gemessen. Spätestens dann wollen viele Personalabteilungen lieber keine „echten“ Befugnisse.<br />
Bei den Befähigungen gibt es Personalabteilungen in Deutschland, die teilweise wirklich absolut<br />
top sind. Auf der einen Seite ist es allerdings so, <strong>das</strong>s der Grad der Befähigung aus meiner Sicht<br />
in deutschen Unternehmen abnimmt. Wenn ich vergleiche, was ein deutsches Unternehmen an<br />
HR-Kompetenz im Sinne von Befähigung vor zehn bis fünfzehn Jahren hatte, dann war <strong>das</strong> in vielen<br />
Fällen wesentlich mehr als <strong>das</strong>, was sie heute haben.<br />
Auf der anderen Seite ist es im operativen Bereich beispielsweise durch Richtlinien und Checklisten<br />
professioneller geworden. Verstärkt wird die negative Entwicklung nicht zuletzt auch durch <strong>das</strong><br />
Bildungssystem. So sind Angebote an Universitäten im Bereich HR rückläufig: Es gibt in Deutschland<br />
©2012 <strong>Hay</strong> <strong>Group</strong>. All rights reserved
<strong>Interview</strong> | Zukunft HR | Oktober 2012<br />
kaum noch Lehrstühle, die hauptberufliche <strong>Prof</strong>i-HR-Lehrstühle sind, bei denen ein Betriebswirt<br />
wirklich vernünftig management- und verhaltensorientiert HR lehrt. Oftmals findet man dort<br />
Psychologen, Volkswirte oder Marketingleute.<br />
Das Ganze wird noch schlimmer, wenn man sich die Bologna-Reform anschaut: Erstens ist in<br />
einem normalen Bachelor-Studiengang nicht mehr viel Platz <strong>für</strong> HR. Zweitens ist die Grundstruktur<br />
durch Bologna so, <strong>das</strong>s generell jeder in die HR-Masterstufe hinein kann, unabhängig von seiner<br />
Vorbildung. Das bedeutet, <strong>das</strong>s die HR-Masterstufen im Regelfall nicht auf HR-Vorwissen aufbauen<br />
können. <strong>Sie</strong> können sich vorstellen, welche Konsequenzen <strong>das</strong> hat. Deswegen haben wir immer mehr<br />
Personalabteilungen, bei denen von Anfang an Mitarbeiter <strong>mit</strong> eher rudimentärem Wissen ankommen.<br />
Aber <strong>das</strong>, was eigentlich gebraucht wird, um die HR-Funktion zu einem strategischen Partner<br />
zu machen, also <strong>das</strong> Verstehen von Unternehmensstrategien und anderen betriebswirtschaftlichen<br />
Themenstellungen, ist nicht vorhanden.<br />
Mitarbeiter der HR-Funktion müssen <strong>das</strong> Gesamtsystem Unternehmen in seiner Komplexität vollständig<br />
verstehen. Dazu benötigen sie einen systemtheoretischen Hintergrund, wozu auch gehört, <strong>das</strong>s<br />
sie wissen, was eine Rückkopplung oder eine verzögerte Rückkopplung ist.<br />
HR und die vielen Verbände<br />
<strong>Hay</strong> <strong>Group</strong>: Herr <strong>Prof</strong>. <strong>Scholz</strong>, <strong>Sie</strong> haben über die HR-Ausbildung an den Universitäten gesprochen.<br />
Wenn wir jetzt auf die Seite der HR-Praktiker wechseln, sehen wir, <strong>das</strong>s sich innerhalb der<br />
HR-Community immer mehr Verbände etablieren. Es gibt den Bund der Personalmanager, die<br />
HR-Alliance, es gibt die DGFP, es gibt Personalmessen ohne Ende. Ist <strong>das</strong> Selbstbeschäftigung, ist<br />
<strong>das</strong> sinnvoll?<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Scholz</strong>: Also die Idee, <strong>das</strong>s man verschiedene Verbände hat, muss nicht verkehrt sein. Ich war<br />
ursprünglich dagegen. Ich habe, und <strong>das</strong> ist kein Geheimnis, als ich Vorstand der DGFP war, eher <strong>für</strong><br />
eine Öffnung der DGFP plädiert. Da<strong>mit</strong> habe ich mich bei meinen Kollegen nicht durchgesetzt.<br />
Dass wir jetzt diese Unterschiedlichkeit haben, führt zu zwei interessanten Implikationen: <strong>Sie</strong> können<br />
a) in Konkurrenz zueinander stehen, und b) unterschiedliche Positionen beleuchten. Was diese<br />
Verbände tun müssten, wäre eine Diskussion zu führen über die Idee, was bedeutet überhaupt<br />
professionelle Personalarbeit, bis hin zu der Idee, wie wir eine professionelle Personalabteilung im<br />
Unternehmen implementieren können. Was wir allerdings gegenwärtig sehen ist keine Diskussion auf<br />
dieser Ebene, wir sehen allenfalls ein wechselseitiges Beklatschen auf dem eigenen roten Teppich.<br />
Weiterhin steht hinter Vielem ein ganz klares Geschäftsmodell und da<strong>mit</strong> ein starkes finanzielles<br />
Interesse. Deutlich wird <strong>das</strong> an manchen HR-Kongressen: Es kommen als erstes diejenigen Referenten<br />
an die Reihe, die <strong>für</strong> ihren Auftritt zahlen. Dann werden die Referenten ausgewählt, die bei den<br />
Teilnehmern Glückshormone freisetzen und allenfalls Personengruppen beschimpfen, die nicht im<br />
Raum sind. Kritische Aussagen über die HR-Funktion kommen nicht vor und werden aus dem Saal<br />
verwiesen.<br />
„Viele HR-ler leben<br />
in einem geschlossenen<br />
Kosmos“<br />
Solche kritischen Aussagen kann man im Regelfall auch nicht vernünftig publizieren. Das zeigt, <strong>das</strong>s<br />
die HR-ler in mehrfacher Hinsicht in einem geschlossenen Kosmos leben. <strong>Sie</strong> haben eine bestimmte<br />
Gruppe von Beratern um sich, die in einer bestimmten Form <strong>mit</strong> ihnen interagieren. <strong>Sie</strong> konsumieren<br />
eine bestimmte Art von Medien, sie haben Kongresse und Verbände, die sie weiter bestärken. Das ist<br />
ein selbstreferenzielles System, <strong>das</strong> fast als geschlossenes System operiert.<br />
Es gibt aber auch ganz andere Gruppen von Personalern, die nie auf bestimmten Kongressen auftauchen,<br />
die nie <strong>mit</strong> bestimmten Medien reden und die auch nicht <strong>mit</strong> allen Hochschulen zusammen<br />
arbeiten. Und die Gruppe macht wirklich gute Personalarbeit. Nur ist die Zahl dieser Player etwas<br />
kleiner.<br />
Aber mein optimistischer Punkt als Fan von Charles Darwin ist, <strong>das</strong>s nur derjenige überlebt, der sich<br />
richtig <strong>mit</strong> seiner Welt auseinandersetzt. Da sich die Umwelt seit immerhin zehn, fünfzehn Jahren<br />
drastisch bewegt, wird man es bald merken, <strong>das</strong>s bestimmte Personalabteilungen keinen Fit mehr zu<br />
dieser Umwelt haben, weder zur internen noch zur externen. Dieser Prozess der Selektion ist nachweisbar<br />
im Gange: Wir alle kennen eine ganze Reihe von Personalern, die nicht mehr in ihrem Job<br />
sind, die sich jetzt als freie Berater verdingen. Die Gruppe der ausselektierten Personaler nimmt also<br />
zu.<br />
Andere Unternehmen machen tolle Personalarbeit und haben auch eine tolle Personalabteilung.<br />
Darin setze ich auch die Hoffnung; denn diese Unternehmen haben in diesem Fall einen echten<br />
Wettbewerbsvorteil. <strong>Sie</strong> bekommen die Leute schneller, die besseren Leute, halten die guten Leute im<br />
Unternehmen und gehen auch <strong>mit</strong> den Leuten anders um. Und deswegen bin ich durchaus optimistisch.<br />
©2012 <strong>Hay</strong> <strong>Group</strong>. All rights reserved
<strong>Interview</strong> | Zukunft HR | Oktober 2012<br />
Die Kernthemen der Zukunft<br />
<strong>Hay</strong> <strong>Group</strong>: Herr <strong>Prof</strong>. <strong>Scholz</strong>, was werden die Kernthemen sein, <strong>mit</strong> denen sich HR in den nächsten<br />
fünf bis zehn Jahren beschäftigen muss? Was wird der Wertbeitrag von HR bei den Kernthemen der<br />
nächsten Jahre sein?<br />
„Personal darf sich<br />
nicht nur <strong>mit</strong> den<br />
festangestellten<br />
Mitarbeitern<br />
beschäftigen“<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Scholz</strong>: Es wird darauf ankommen, wie man in einer Umgebung, in der die Mitarbeiter nicht zu<br />
100 Prozent Teil des Unternehmens sind, trotzdem eine vernünftige Bindung herstellen kann. Das<br />
heißt, wir kommen in eine Phase, bei der immer mehr Mitarbeiter als Freelancer, Zeitarbeiter oder<br />
Interimsarbeiter, also über verschiedene Arbeitsmodelle <strong>mit</strong> dem Unternehmen verbunden sind.<br />
Die feste Kernmannschaft wird immer kleiner. Der entscheidende Faktor ist, <strong>das</strong>s Personalarbeit nicht<br />
nur diese wenigen festen Mitarbeiter betrifft, sondern alle, die im weitesten Sinne im und <strong>für</strong> <strong>das</strong><br />
Unternehmen arbeiten. Diese Gruppe gemeinschaftlich zu entwickeln, zu fördern, die richtigen Leute<br />
zu kriegen, also <strong>mit</strong> etwas zu arbeiten, was sich im weitesten Sinne Total Workforce nennt, <strong>das</strong> wird<br />
einer der wichtigen Faktoren sein.<br />
Der zweite Punkt, der eng <strong>mit</strong> dem ersten verbunden ist, ist <strong>das</strong> altbekannte Thema der Unternehmenskultur.<br />
Hier stellen sich die Fragen: Was ist eigentlich <strong>das</strong> normende Wertesystem unseres<br />
Unternehmens, <strong>das</strong> uns a) vorwärts bringt und <strong>das</strong> uns b) von anderen Unternehmen unterscheidet?<br />
Was konkret ist unsere Unternehmenskultur? Das ist etwas anderes als Fragen des Corporate Design<br />
zu beantworten. Es ist die Auseinandersetzung <strong>mit</strong> der Kultur vor dem Hintergrund der schwierigen<br />
Umgebungsfaktoren wie Krisen, wie Arbeitslosigkeit, wie Unsicherheit, wie Angst, <strong>mit</strong> allem, was<br />
dazu gehört, wie pathologische Führungskräfte. Die Prägung und Beeinflussung durch dieses Umfeld<br />
bedeutet auch, <strong>das</strong>s man sich <strong>mit</strong> einer Unternehmenskultur jenseits einer Sozialromantik beschäftigen<br />
muss – <strong>das</strong> ist die Herausforderung. Unternehmenskultur ist nicht per se gut oder schlecht,<br />
sondern es kommt auf die Passung zum Unternehmen an. Ein Gebrauchtwagenhändler ist<br />
auch etwas anderes als BMW und benötigt auch eine andere Unternehmenskultur. Auch diese<br />
Kulturdiskussionen werden einen bestimmenden Einflussfaktor der Personalarbeit darstellen.<br />
Dazu kommt als drittes Thema die Frage: „Wie kann ich Qualifizierung langfristig sicherstellen?“.<br />
Wenn ich mir vorstelle, <strong>das</strong>s unser Bildungssystem zurzeit in einer etwas schwächeren Phase ist,<br />
bedeutet es, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Unternehmen zukünftig viel mehr im Bereich Personalqualifizierung tun muss.<br />
Das wären also meine Themen <strong>für</strong> die Personalarbeit.<br />
Ideen zur HR-Organisation<br />
<strong>Hay</strong> <strong>Group</strong>: Und wie sieht die Organisation der Abteilung HR in Zukunft aus, wenn es nicht <strong>das</strong><br />
Business-Partner-Modell ist, wenn es nicht die bekannten Silos der CoC´s sind?<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Scholz</strong>: Es gibt zwei Modelle, die aus meiner Sicht gut erklären, wo es hingehen könnte:<br />
Das erste ist unser Saarbrücker Kompetenz-4HR-Modell, also <strong>das</strong> Zusammenspiel aus Kompetenz<br />
als Befähigung und Kompetenz als Befugnis. Daraus leiten sich unterschiedliche Rollen ab, die ich<br />
genau kennen und bei denen ich mich klar je nach Thema positionieren muss. Es gibt die Rolle als<br />
Governance-Funktion, <strong>mit</strong> hoher Befugnis und hoher Befähigung, die Rolle des Dienstleisters, <strong>mit</strong><br />
hoher Befähigung aber kleiner Befugnis. Dann gibt’s noch die Variante des Machtpromotors, der über<br />
implizite oder explizite Befugnisse spielt. Und dann gibt es schließlich diejenigen, die weder <strong>das</strong> Eine<br />
noch <strong>das</strong> Andere haben.<br />
Das zweite ist ein Modell, <strong>das</strong> ich schon 1995 vorgestellt habe und <strong>das</strong> langsam relevant wird: Das<br />
Modell der virtuellen Personalabteilung als Verbund aus absoluten Kernkompetenzträgern, also aus<br />
absoluten Topleuten. Auf HR bezogen bedeutet <strong>das</strong> kompetente Vertreter der Personalabteilung,<br />
externe Berater, Universitätsprofessoren und vor allem auch Personen <strong>mit</strong> Linienverantwortung, die<br />
alle <strong>für</strong> ihre verschiedenen Funktionen klare Kernkompetenzen besitzen. Zusätzlich braucht man aber<br />
eine Koordination und Richtung. Und genau <strong>das</strong> ist die hoheitliche Aufgabe der Personalabteilung im<br />
Unternehmen: <strong>Sie</strong> hat die Aufgabe, diese Gruppe zu bündeln und zwar über Visionen und Strategien.<br />
Anschließend muss sie da<strong>für</strong> sorgen, <strong>das</strong>s alle Kunden einen klaren Ansprechpartner haben, es also<br />
ein „one-face-to-the-customer“ gibt. Mein Modell heißt deshalb auch nicht virtuelle Personalarbeit<br />
sondern virtuelle Personalabteilung.<br />
<strong>Hay</strong> <strong>Group</strong>: Was ist zu tun, um die HR-Arbeit und die HR-Abteilung erfolgreich zu machen?<br />
<strong>Prof</strong>. <strong>Scholz</strong>: Ich möchte mal <strong>mit</strong> einer eher untypischen Antwort reagieren, die vielleicht ein bisschen<br />
anachronistisch wirkt: Wenn es uns gelingt, wieder ein Bild der Personalabteilung zu schaffen im<br />
Sinne „Wir haben eine Personalabteilung!“, dann wären wir ein Stück weiter. Denn was wir gegenwärtig<br />
haben, ist eine Personalarbeit, die auf ganz unterschiedliche Funktionsträger in unterschiedlicher<br />
Art und Weise in irgendeiner Form, manchmal fast zufällig, verteilt wird.<br />
©2012 <strong>Hay</strong> <strong>Group</strong>. All rights reserved
<strong>Interview</strong> | Zukunft HR | Oktober 2012<br />
Früher hatten wir eine Personalabteilung, die als Lösungslieferant, aber auch als Governance-Funktion<br />
bestimmte Dinge gemacht hat und als solche wahrgenommen wurde. Das heißt, ihr wurde die<br />
Problemlösungskompetenz zugesprochen. <strong>Sie</strong> wirkt zum einen nach außen hin, also zu den Kunden,<br />
zu den internen wie den externen, die wissen, <strong>hier</strong> ist eine Personalabteilung, die mir weiterhilft. Zum<br />
anderen wirkt sie auf alle diejenigen, die in dieser neuen, vielleicht „virtuellen“ Personalabteilung sind.<br />
<strong>Sie</strong> haben <strong>das</strong> Gefühl, zu dieser Personalabteilung zu gehören <strong>mit</strong> einer Shared Destiny. Wir arbeiten<br />
gemeinsam <strong>für</strong> ein gemeinschaftliches Ziel und wenn es nicht funktioniert, haben wir alle ein<br />
Problem, oder aber – und davon ist auszugehen – gemeinsam Erfolg.<br />
<strong>Hay</strong> <strong>Group</strong>: <strong>Prof</strong>. <strong>Scholz</strong>, vielen Dank <strong>für</strong> <strong>das</strong> Gespräch.<br />
Das Gespräch führten <strong>für</strong> <strong>Hay</strong> <strong>Group</strong> Dr. Konrad Reiher, SVP & Partner und Uwe Rüger, SVP.<br />
Dieses <strong>Interview</strong> erschein auch im neuen Dossier der “OrganisationsEntwicklung. Zeitschrift <strong>für</strong><br />
Unternehmensentwicklung und Change Management” (19.10.12).<br />
Die Personalfunktion steckt in einer Sinnkrise. <strong>Sie</strong> ist auf der Suche nach einer neuen, strategisch<br />
wirksamen Rolle im Unternehmen. Das neue Dossier “HR – Schlüssel zum Change? – Wie <strong>das</strong><br />
Personalmanagement sich jetzt positionieren sollte“ greift die aktuelle, kritische Debatte zur Rolle der<br />
Personalbereiche in Veränderungsprozessen der Organisation auf und zeigt, wie wichtig es jetzt <strong>für</strong> HR<br />
wird, sich neu im Unternehmen zu positionieren. Die Redaktion der „OrganisationsEntwicklung“ hat <strong>für</strong> <strong>Sie</strong><br />
die interessantesten Beiträge ausgewählt um Ihnen Lösungsansätze <strong>für</strong> die Entfaltung der strategischen<br />
Wirksamkeit der Personaler aufzuzeigen. Neben Praxisbeiträgen, <strong>Interview</strong>s und konzeptuellen Leitartikeln<br />
aus der „OrganisationsEntwicklung“ beinhaltet <strong>das</strong> Dossier eine Reihe neuer Beiträge zur zukünftigen<br />
Position HR.<br />
Für weitere Informationen kontaktieren <strong>Sie</strong> uns bitte:<br />
Uwe Rüger<br />
SVP<br />
t +49(0)69 505055 128<br />
e uwe.rueger@haygroup.com<br />
Über <strong>Hay</strong> <strong>Group</strong><br />
<strong>Hay</strong> <strong>Group</strong> ist eine global operierende<br />
Unternehmensberatung, die ihre Kunden dabei<br />
unterstützt, die Ergebnisse nachhaltig zu verbessern.<br />
Wir entwickeln <strong>mit</strong> unseren Kunden individuelle<br />
und umsetzbare Lösungen in den Feldern<br />
Organisation, Führung, Performance Management,<br />
Mitarbeitermotivation und Vergütung. Als einzige<br />
Unternehmensberatung erarbeiten wir <strong>hier</strong>zu<br />
integrierte Lösungen.<br />
www.haygroup.de<br />
©2012 <strong>Hay</strong> <strong>Group</strong>. All rights reserved