Vom Lebensgesetz zweier Staatsgedanken - new Sturmer
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<strong>Vom</strong> <strong>Lebensgesetz</strong> <strong>zweier</strong> <strong>Staatsgedanken</strong><br />
Aber nun kommt das Wesentliche; Die Entscheidung über diese Frage war dem<br />
ichbezüglichen Gefühl des Mannes in dieser Angelegenheit weitestgehend entzogen:<br />
er mußte vor den lebenden Mitgliedern seiner Sippe und vor seinen Ahnen den Schritt<br />
verantworten können. War aber erst einmal eine solche Entscheidung gefallen, dann<br />
ordnete sich alles übrige vom Kinde und der Nachkommenschaft her, nicht aber vom<br />
Manne und seinem Verhältnis zu seiner Frau oder seinen Frauen, wie wir es vielleicht<br />
auf Grund unserer europäischen Vorstellungen erwarten möchten.<br />
Da das Kind nicht in wirtschaftlicher Not verelenden durfte, wenn es später seine<br />
Pflicht in der Ahnenhalle seiner Erzeuger erfüllen sollte, so sorgte man durch eine Art<br />
genossenschaftlichen Zusammenschluß de Familienmitglieder dafür, daß die Not der<br />
einzelnen Familienmitglieder sich auf die Schultern der ganzen Familie verteilen ließ.<br />
Alle Familienmitglieder steuern Beiträge für die gemeinsame Familienkasse bei, den<br />
ein Familienmitglied verwaltet. Das gilt auch für Familienmitglieder, die außerhalb des<br />
heimatlichen Wohnsitzes des Geschlechts tätig sind. Durch solche Familienkassen<br />
wird oft eine sehr feste, wirtschaftliche Grundlage für die Familie geschaffen.<br />
Gewiß, die Überordnung der Nachkommenschaft zum Zwecke der Ahnenverehrung<br />
vor allen ichbezüglichen Erwägungen des menschlichen Einzelschicksals findet sich<br />
als sittliches Gebot auch sonst noch in der Welt und ist durchaus nicht nur auf die<br />
Chinesen des Konfuzius beschränkt. Die Hellenen hatten diese Forderung ursprünglich<br />
auch, desgleichen andere Kulturvölker des klassischen Altertums. Die Vielweiberei<br />
geht vielerorts auf ähnliche Gedanken zurück.<br />
A b e r w a s d i e S i t t e n l e h r e d e s K o n f u z i u s s o e i n z i g a r t i g m a c h t ,<br />
i s t d i e T a t s a c h e , d a ß e r e s v e r s t a n d , e i n e S i t t e n l e h r e z u<br />
v e r l e b e n d i g e n , d i e z w a r d a s K i n d u n d d i e N a c h k o m m e n s c h a f t z u r<br />
A c h s e a l l e r s i t t l i c h e n Ü b e r l e g u n g e n m a c h t , d i e s a b e r e r r e i c h t ,<br />
o h n e d i e H a u s g e m e i n s c h a f t d e r c h i n e s i s c h e n F a m i l i e z u<br />
g e f ä h r d e n o d e r g a r z u s p r e n g e n : D i e F r a u s i n k t n i c h t i n i h r e r<br />
S t e l l u n g i n n e r h a l b d e r H a u s g e m e i n s c h a f t .<br />
Obwohl die Frau so völlig dem Gedanken des Kindes untergeordnet wurde, daß die<br />
Frage der Nebenfrau zur Selbstverständlichkeit werden konnte, sinkt in China die Frau<br />
niemals auf die Stufe eines untergeordneten Geschlechtswesens, wie etwa im Harem<br />
der Orientalen. Die Frau bleibt bei Konfuzius Persönlichkeit, nur ordnet sie diese<br />
Persönlichkeit grundsätzlich dem Gedanken der Nachkommenschaft zum Zwecke der<br />
Ahnenverehrung unter. Dies vollauf verständlich zu machen, würde eine Arbeit für sich<br />
bedeuten. Es sei aber in kurzen Strichen versucht, das Wesentliche hervorzuheben.<br />
Hierbei ist vielleicht der wichtigste Grundgedanke der, daß echte Ahnenverehrung zur<br />
Ehrfurcht vor den Vorfahren und insbesondere vor seinen Eltern führt. Auf der<br />
Grundlage dieser Ehrfurcht ordnete Konfuzius die inneren Beziehungen der<br />
Familienmitglieder zueinander und machte damit die Familie zur festgefügten<br />
Grundzelle des Staates. Es ist irreführend, wenn man heute gerne die Lehren des<br />
Konfuzius anführt, um die Fragen der Nachkommenschaft, der Nebenfrauen usw. als<br />
wesentliches Kennzeichen für die Lebenskraft Chinas zu betonen, wenn man nicht<br />
gleichzeitig die von der Ehrfurcht als sittliche Grundlage aller Beziehungen der<br />
Familienmitglieder zueinander ausgehende Ordnung innerhalb der Familie hervorhebt.<br />
Es ist darüber hinaus zu betonen, daß diese innere Ordnung der chinesischen<br />
Familie mit der gesamten Staatsordnung des Chinesischen Reiches gekoppelt ist.<br />
„Wer in der Familie nicht ein ehrfürchtiger Sohn ist, der kann auch kein treuer Diener<br />
des Staates sein“, sagt ein chinesisches Sprichwort. Meister Yu, ein Landsmann und<br />
Schüler des Konfuzius, sagt:<br />
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