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Skateboard-Szene Freiheit auf vier kleinen Rädern > 6 - Mobile ...

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Kultur- und Freizeitmagazin | mit Veranstaltungen | Freitag, 7. August 2009<br />

bazkulturmagazin.<br />

4 > Deutsch<br />

«Unter Bauern» am<br />

Filmfestival Locarno<br />

12 > Jiddisch<br />

«Wilner Getto» von<br />

Abraham Sutzkever<br />

14 > Trendig<br />

Crafting – der Drang<br />

zum Selbermachen<br />

<strong>Skateboard</strong>-<strong>Szene</strong><br />

<strong>Freiheit</strong> <strong>auf</strong> <strong>vier</strong><br />

<strong>kleinen</strong> <strong>Rädern</strong> > 6


kultur.skaten.<br />

Ein Leben <strong>auf</strong> der hohen Kante<br />

Skater und BMX-Fahrer suchen die Grenzen und finden zu sich selbst<br />

ALEXANDER MARZAHN<br />

»» Die Rampe. Das Wagnis. Der<br />

Sprung. Die Landung. Die Erlösung.<br />

Viel Risiko für zwei Sekunden<br />

<strong>Freiheit</strong>. Dabei suchen Skater<br />

und BMX-Fahrer vor allem<br />

eins: den Frieden mit sich und der<br />

Welt. Auf Spurensuche in Basel.<br />

Die <strong>Szene</strong> steht kopf. Das Ding<br />

heisst Double Front Flip. Anthony<br />

Napolitan (22) ist der Verrückte, der<br />

den doppelten Vorwärtssalto als Erster<br />

<strong>auf</strong> dem BMX-Bike gezeigt hat.<br />

120 000-mal wurde das Youtube-Video<br />

drei Tage nach der grossen Tat<br />

schon besucht. «That’s sick!» (das ist<br />

krank), hat ein User kommentiert.<br />

Tatsächlich: Vor wenigen Jahren erst<br />

schaffte einer die einfache Rolle vorwärts.<br />

Nun also an den X-Games in<br />

L. A. das Double, die Sensation.<br />

Es ist nur das jüngste Kapitel einer<br />

Entwicklung, die den Trendsport<br />

seit drei Jahrzehnten mit immer<br />

neuer Energie versorgt. Alles begann,<br />

als der Pionier Tony Alva 1976<br />

zum ersten Mal mit dem Brett unter<br />

den Füs sen die Schwerkraft überlistete<br />

und so eine halbe Drehung in<br />

der Luft vollbrachte. Bis dahin war<br />

das Rollbrett in etwa so sexy wie<br />

Rollschuhe zum Anschnallen: praktisch<br />

zwar und auch ganz lustig, aber<br />

nicht wirklich cool. Dass man mit<br />

den Dingern nicht nur rollen kann,<br />

musste erst einer beweisen.<br />

Videokunst. Skaten war von diesem<br />

Moment weg mehr als ein Sport.<br />

Skaten wurde zur Droge, die ihre<br />

Wirkung mit jeder Überwindung des<br />

inneren Schweinehunds neu entfaltete.<br />

Doch erst seit knapp zehn Jahren<br />

ist die technische Revolution<br />

Dauerzustand. «Als wir angefangen<br />

haben, war es schon sensationell,<br />

wenn jemand ein Treppengeländer<br />

herunterfuhr», erinnert sich Andreas<br />

Brunner (29), Basler Skater der<br />

ersten Generation, ein brauner Lockenkopf,<br />

dem der Wunsch nach Unabhängigkeit<br />

ins Gesicht geschrieben<br />

steht. «Heute ist das Niveau<br />

überall enorm hoch.»<br />

Sein Bruder hatte ihn zum Skaten<br />

gebracht. Man traf sich bei der<br />

Posthalle am Bahnhof SBB, dann<br />

beim Theater. Klar, dass es zu Konflikten<br />

kam. Erst kamen die Verbote,<br />

dann kam der Split. Man wich aus,<br />

Neuland gab es genug. Anhand von<br />

Magazinen und VHS-Kassetten aus<br />

den USA lernte man die Tricks der<br />

verrückten Amis. «Die Verbreitung<br />

der Videos hat die Entwicklung extrem<br />

forciert», sagt Brunner. Heute<br />

geht mit Youtube jeder neue Trick in<br />

Windeseile um die Welt. Wer sein<br />

erstes Gerät k<strong>auf</strong>t, der weiss, wie<br />

hoch die Messlatte liegt.<br />

Höher, schneller, weiter – kaum<br />

eine <strong>Szene</strong> reizt die Grenzen mehr<br />

aus als die Skater und BMX-Fahrer.<br />

So unterschiedlich die Typen sind,<br />

die jeden Tag <strong>auf</strong> den «Spots» (Anlagen)<br />

der Stadt an ihrer Technik feilen:<br />

Der Traum von einem Vertrag<br />

mit einem Sponsor, der mindestens<br />

die Ausrüstung stellt, verbindet sie<br />

alle. Der Grund auch, weshalb Fotografie<br />

und Video als Begleitmedien<br />

eine derart wichtige Rolle spielen.<br />

Labels. Wer richtig gut ist, schafft es<br />

vielleicht in eines der Teams, die<br />

ähnlich dem Radsport von internationalen<br />

Labels finanziert und an die<br />

Wettkämpfe (Contests) geschickt<br />

werden. Das Prinzip ist einfach: Risiko<br />

sells. Zur Vermarktung der Produkte<br />

braucht es möglichst spektakuläre<br />

Bilder oder Rekorde wie jener<br />

von Napolitan. Prämiert wird nicht<br />

nur ein Platz <strong>auf</strong> dem Podest. Sondern<br />

auch die Präsenz in Fanzines<br />

und Videomagazinen. Das treibt die<br />

Fahrer ans Limit und darüber hinaus.<br />

Und lässt die Marken mit dem Sport<br />

wachsen: Als Brunner 1992 begann,<br />

war Etnies noch ein unbekanntes<br />

Label und DC Shoes noch gar nicht<br />

gegründet – beide sind heute international<br />

erfolgreiche Brands.<br />

Nicht alle begrüssen diese Entwicklung,<br />

die mehr als alles andere<br />

das Image des Skate-Sports prägt.<br />

«Was heute gezeigt wird, das sind eigentlich<br />

Stunts», gibt Brunner zu bedenken.<br />

Da werden Rampen präpariert<br />

und <strong>auf</strong> Übungsanlagen mit<br />

Schaumstoff-Landezone Sprünge<br />

geübt. Mit der Eroberung des öffentlichen<br />

Raums hat das nichts zu tun.<br />

«Sobald man den Sport für den<br />

Kampfrichter ausübt, geht etwas<br />

verloren», ist Brunner überzeugt.<br />

Style. Denn ein Trick muss nicht<br />

nur technisch perfekt ausgeführt<br />

werden, sondern auch leichtfüssig,<br />

souverän, mit «Style», wie Skater sagen.<br />

Es gibt Skater, die haben noch<br />

nie einen Titel gewonnen, und doch<br />

gilt ihr Stil als das Mass aller Dinge.<br />

Auch das Gemeinschaftserlebnis findet<br />

man nicht in der Event-Halle,<br />

auch wenn der Umgang kollegial ist.<br />

Die Tugenden sind Toleranz und<br />

Respekt, es geht um Selbstverwirklichung<br />

und Authentizität, sogenannte<br />

«Poser» sind verpönt. Auch weniger<br />

Begabten wird applaudiert,<br />

wenn sie ihre persönliche Grenze<br />

überschreiten und ein neuer Trick<br />

gelingt. «Skaten ist nicht so abgefahren<br />

und chaotisch, wie es oft dargestellt<br />

wird», sagt Brunner.<br />

«Wichtig ist das gemeinsame Erleben»,<br />

bestätigt Lukas Schmied<br />

(31), der im Pumpwerk hinter der<br />

Theke steht, der einzigen Indoor-<br />

Trendsporthalle der Region. «Es geht<br />

aber auch darum, sich vor den anderen<br />

und vor sich selbst zu beweisen.<br />

Auch Anfängern<br />

wird applaudiert,<br />

wenn sie an ihre<br />

Grenzen gehen.<br />

Bei jedem Trick gilt es, das Risiko abzuwägen<br />

und die Angst zu überwinden.»<br />

Manchmal dauert es ein Jahr,<br />

bis ein Trick erstmals klappt. «Ein<br />

unvergleichliches Gefühl.» Und eine<br />

Erfahrung, die Anfänger wie Profis<br />

verbindet: «Egal, wie gut du bist, es<br />

geht immer darum, den nächsten<br />

Trick zu schaffen.»<br />

Spots. Dass der Trendsport die Jugend<br />

buchstäblich bei der Stange<br />

hält, hat auch die Stadt vor knapp<br />

zehn Jahren gemerkt. Und <strong>auf</strong> Plätzen<br />

und unter Brücken Spots gebaut<br />

mit Obstacles (Hindernissen) wie<br />

Mini Ramps oder Curbs, an denen<br />

man mit dem Board entlangschleifen<br />

kann.<br />

Hier treffen sich vor allem jüngere<br />

Fahrer; hier wird das Pflichtprogramm<br />

einstudiert. Für die alten Hasen<br />

ist das bereits zu viel der Normierung,<br />

auch wenn sie das Engagement<br />

der Stadt begrüssen. «Ob du <strong>auf</strong> dem<br />

Wettstein- oder dem Horburgplatz<br />

skatest – die Schwellen sind alle<br />

gleich hoch, die Winkel gleich gross»,<br />

sagt Brunner. Früher, da zogen sie in<br />

fremde Städte, suchten Bordsteine,<br />

Mauern und Treppen, fanden die<br />

<strong>Freiheit</strong> und Gleichgesinnte, ein Leben<br />

für den Augenblick. Brunner:<br />

«Du ziehst los und nimmst, was dir<br />

unter die Räder kommt.»<br />

Auffällig viele seiner Weggefährten<br />

sind in kreativen Berufen tätig,<br />

es gibt Schreiner, Designer, einen<br />

Coiffeur, DJs und Ökonomen, er<br />

selbst ist Fotograf (vgl. Bilder). Es<br />

sind Individualisten, durchaus gesellig,<br />

aber ohne Lust, jede Woche zur<br />

selben Zeit am selben Ort zum Mannschaftstraining<br />

anzutraben. Der<br />

Nonkonformismus ist die Religion<br />

der <strong>Skateboard</strong>er, kein Wunder, hat<br />

es viel Platz in ihrer Kirche. «Chillen<br />

und Skaten, das gehört irgendwie<br />

zusammen», sagt Schmied und holt<br />

einen Energy Drink aus dem Kühlschrank<br />

.<br />

Denkmal. Seit drei Jahren treffen<br />

sich die Veteranen der Basler <strong>Szene</strong><br />

<strong>auf</strong> dem nt/Areal. Dort steht ihr Heiligtum,<br />

die Blackcross Bowl, eine<br />

grosse, blaue Betonwanne, die ihren<br />

Namen dem schwarzen Kreuz verdankt,<br />

das <strong>auf</strong> dem Rand zwei Meter<br />

in die Höhe ragt. Vielleicht ein Gag,<br />

vielleicht ein Denkmal des Erbauers<br />

für seine Ahnen oder für sich selbst,<br />

so genau weiss das niemand.<br />

Gebaut wurde die Bowl von den<br />

Skatern selbst unter der Anleitung<br />

des Schweden Pontus Alv, Einzelgänger<br />

wie viele in dieser <strong>Szene</strong>. Sie<br />

ist den leeren Swimmingpools nachempfunden,<br />

in denen die Pioniere in<br />

den Siebzigerjahren, die legendären<br />

Z-Boys in Los Angeles, das Skaten revolutionierten:<br />

langhaarige Surfer<br />

wie Tony Alva, die Jimi Hendrix hörten,<br />

Bier aus Büchsen tranken und<br />

sich bei ruhiger See zu Tode langweilten.<br />

Einer von ihnen erinnerte sich<br />

daran, dass man die Räder von Rollschuhen<br />

auch an ein Brett schrauben<br />

kann (eine kurze Blüte hatte das<br />

Rollbrett in den Sechzigerjahren erlebt;<br />

Rollschuhe wurden schon in<br />

den Dreissigerjahren entwickelt).<br />

Die aggressiven Bilder aus den Pools<br />

privater Villen brachte den Hormonhaushalt<br />

einer unterbeschäftigten<br />

Jugend gehörig aus den Fugen.<br />

Breitensport. 1973 kamen Polyurethan-Rollen<br />

<strong>auf</strong> den Markt, die<br />

den Breitensport möglich machten –<br />

vorher wurde jeder Kieselstein zum<br />

Verhängnis. Die BMX-Hausse kam<br />

zehn Jahre später, eingeschleppt von<br />

einem Ausserirdischen namens E.T.<br />

Noch einmal zehn Jahre ging es bis<br />

zum Siegeszug der Inlineskates, und<br />

jeder <strong>Skateboard</strong>er dankt dem Himmel,<br />

dass das Strohfeuer wieder erloschen<br />

ist: Nichts nervt mehr als<br />

eine Inline-Familie, die <strong>auf</strong> eine Miniramp<br />

stolpert, während man gerade<br />

zum Kickflip ansetzt.<br />

Unter dem schwarzen Kreuz sind<br />

die Spezialisten unter sich. Die •


BaZ | 7. August 2009 | Seite 7<br />

Street Art. Andreas Brunner<br />

beim «Slide» (Rutschen<br />

entlang einer Kante) <strong>auf</strong> der<br />

Anlage <strong>auf</strong> dem Messeplatz.<br />

Foto Daniel Desborough<br />

In Balance. Auf dem<br />

Theodorkirchsplatz baute<br />

die Stadt die erste gelungene<br />

Anlage. Foto Andreas Brunner<br />

Am Limit. Manche Skater<br />

toben sich lieber in freier<br />

Wildbahn aus. Foto Andreas Brunner<br />

Nur fliegen ist schöner. Die Blackcross-Bowl <strong>auf</strong> dem nt/Areal. Foto Andreas Brunner


kultur.skaten.<br />

Lufthoheit. Junger BMX-Fahrer vor dem Pumpwerk der IWB. Foto Dominik Plüss<br />

• Anlage, die viele der älteren Generation<br />

zurück <strong>auf</strong>s Board gebracht<br />

hat, gilt als Killing Zone. Hier wurden<br />

keine Fertigbetonelemente gek<strong>auf</strong>t,<br />

sondern der weiche Beton so<br />

lang eigenhändig glatt gestrichen,<br />

bis die Rundung hielt. Der Beton ist<br />

uneben, die Transition, die Rundung<br />

zwischen Vertikale und Boden, ist<br />

steil. Wer hier fällt, fällt hart.<br />

Komfort. So grob der Untergrund –<br />

so darf ein bisschen Komfort für die<br />

Cracks schon sein. Es gibt Flutlicht,<br />

eine Bar und eine fest installierte<br />

Musikanlage. Man hört Iron Maiden<br />

und AC/DC. Die Jüngeren kreuzen<br />

nur selten hier <strong>auf</strong>. Weil das Bowl so<br />

schwierig zu fahren ist. Und weil die<br />

Platzhirsche den Tarif durchgegeben<br />

haben, nachdem die Teenies dauernd<br />

ihren Abfall liegen liessen. Auch<br />

Skater lieben es ordentlich, jedenfalls<br />

im eigenen Re<strong>vier</strong>.<br />

Dass der Nachwuchs vorwiegend<br />

aus der Hip-Hop-Ecke kommt,<br />

stimmt in Basel ebenso wenig wie<br />

das Gerücht, Skaten sei etwas für<br />

Wohlstandskids. Zwar kostet ein<br />

Brett schnell 300 Franken, und das<br />

Holz hält oft nur wenige Wochen.<br />

Doch man kommt auch an günstigeres<br />

Material, wenns sein muss Ausschussware.<br />

Viel wichtiger als das<br />

Geld ist die Geduld: «Skaten lernt<br />

man nicht von einem Tag <strong>auf</strong> den anderen»,<br />

sagt Michele Salvatore, Leiter<br />

der <strong>Mobile</strong>n Jugendarbeit Basel.<br />

«Da muss man richtig hart und diszipliniert<br />

arbeiten.» Ein Jahr etwa<br />

dauert es, bis man allein die Basics<br />

dr<strong>auf</strong>hat. Viele springen vorher ab,<br />

buchstäblich.<br />

Endo. Wie gross die Skater-Gemeinde<br />

in Basel ist, kann niemand abschätzen;<br />

zu heterogen ist die <strong>Szene</strong>,<br />

viele kommen auch aus Deutschland<br />

und Frankreich nach Basel. Dass<br />

heute <strong>vier</strong> Shops mit Skater-Ausrüstung<br />

überleben können, spricht aber<br />

für sich, auch wenn die Zeiten vorbei<br />

sind, in denen man Skater an den<br />

Klamotten identifizieren konnte.<br />

Der Weg zum Ruhm aber ist eine<br />

Via Dolorosa. Stürze, Prellungen<br />

und Schürfwunden gehören dazu.<br />

Zeige deine Wunden, und du erntest<br />

Respekt: Die Stürze haben Namen,<br />

heissen Mr. Wilson, Shoot-out oder<br />

Endo. Oft geht es glimpflich aus –<br />

wer Skaten lernt, lernt auch den<br />

Fall. Zum Glück. Denn Helme, bei<br />

den BMX-Fahrern verbreitet, sind<br />

<strong>auf</strong> dem <strong>Skateboard</strong> verpönt. Der<br />

Schmerz gehört mit zum Kick, es<br />

grüssen Fernsehformate wie<br />

«Jackass», ohne Unvernunft kein<br />

Preis.<br />

Gleichwohl ist das Skaten an einem<br />

Punkt angelangt, an dem der<br />

Körper nicht mehr mitkommt. «Eine<br />

Treppe mit 20 Stufen zu überspringen,<br />

geht vielleicht gerade noch. Bei<br />

21 Stufen wird es kritisch. Bei 22<br />

brechen die Knochen», sagt Brunner,<br />

der selbst einen Bänderriss und viele<br />

Verstauchungen hinter sich hat.<br />

Schon bei einfachen Tricks ist die Belastung<br />

enorm; häufig landet man<br />

statt <strong>auf</strong> dem federnden Ahornholz<br />

<strong>auf</strong> der harten Kante. Der Verschleiss<br />

an Knorpelmasse ist erheblich, nicht<br />

wenige der Pioniere humpeln heute<br />

invalid durch die Welt.<br />

Kontrolle. Besonders dem Einsatz<br />

der <strong>Mobile</strong>n Jugendarbeit Basel ist<br />

es zu verdanken, dass der Kanton die<br />

Bedürfnisse der Skater erkannt hat.<br />

Der Wunsch nach einer Kanalisierung<br />

der Energien spielte sicher auch<br />

hinein, und nicht alle Spots stehen<br />

hoch in der Skater-Gunst. Die zwei<br />

BMX-Fahrer, die <strong>auf</strong> der <strong>kleinen</strong> Anlage<br />

unter der Dreirosenbrücke einsam<br />

ihre Runden drehen, haben jedenfalls<br />

schon lange keine Skater<br />

mehr gesichtet. «Hier sind wir unter<br />

uns», sagt der 14-jährige Gregory.<br />

Auch in der Breite ist es wie ausgestorben.<br />

Hier liess die Stadt vor<br />

sechs Jahren erste Elemente <strong>auf</strong>stellen,<br />

nachdem es zu Konflikten mit<br />

Anwohnern gekommen war. Was gut<br />

gemeint war, ist heute ein Mahnmal<br />

für städtische Fehlplanung: Die Objekte<br />

hatten falsche Masse, Hunde<br />

und Laubbäume taten das Ihrige,<br />

den Platz unattraktiv zu machen.<br />

Friede. Als man am Theodorskirchplatz<br />

wenig später eine zweite Anlage<br />

baute, war man so klug, die Skater<br />

bei der Planung zu invol<strong>vier</strong>en. Das<br />

Resultat war perfekt. «Da merkten<br />

wir auch, dass die <strong>Szene</strong> grösser ist<br />

als angenommen», sagt Michele Salvatore,<br />

Leiter der <strong>Mobile</strong>n Jugendarbeit<br />

Basel. Wenig später wurde der<br />

Messeplatz ausgerüstet.<br />

Die Skater gelten als umgänglich,<br />

Konflikte gibt es selten, die<br />

Hausordnung, sie steht gut lesbar an<br />

jedem der Spots, wird befolgt. «Es<br />

sind Hänger, die nehmen es gemütlich»,<br />

sagt Salvatore. Auch die Basler<br />

Polizei hat selten Ärger. Das grösste<br />

Problem ist der Lärm.<br />

Idyll. Im abgelegenen Pumpwerk<br />

kennt man dieses Problem nicht.<br />

1998 hat die Christoph Merian Stiftung<br />

zusammen mit der Basler Freizeitaktion<br />

und dem Sportamt den<br />

«Der Weg zum<br />

Ruhm ist hart: Zeige<br />

deine Wunden, und<br />

du erntest Respekt.»<br />

Verein Trendsport Basel lanciert, das<br />

Pumpwerk ist bereits dessen dritte<br />

Adresse, und niemand stört das Idyll.<br />

Auf dem Vorplatz mächtige Rampen,<br />

im Gebäude eine Miniramp und ein<br />

sogenannter «Street»-Parcours mit<br />

allerlei Rampen und Hindernissen.<br />

In der Halle herrscht konzentrierter<br />

Lärm; rund ein Dutzend Jugendliche<br />

sind heute hier, auch eine<br />

Gruppe Mädchen, die hier ein Camp<br />

(Kurs) absol<strong>vier</strong>t. Es donnert und<br />

hallt, wenn die <strong>kleinen</strong> Räder über<br />

die Bretter brausen oder nach Sprüngen<br />

<strong>auf</strong> dem harten Holz <strong>auf</strong>schlagen.<br />

Inlineskater, BMX-Fahrer und<br />

<strong>Skateboard</strong>er sind heute gemeinsam<br />

<strong>auf</strong> der Piste, nach den Schulferien,<br />

wenn der Andrang grösser ist, übt<br />

man wieder getrennt.<br />

Biotop. Die ältesten Besucher sind<br />

fast 40 Jahre alt, die jüngsten sechs<br />

oder sieben. Sie werden von den Eltern<br />

gebracht oder von Geschwistern<br />

begleitet. Es ist ein geschütztes Biotop,<br />

und wer sich beweisen will, geht<br />

<strong>auf</strong> die Strasse oder ins Jugi Gundeli.<br />

Doch viele kommen zurück. 8000<br />

Eintritte verbuchte man im letzten<br />

Jahr, 2004 waren es noch 6000.<br />

Auch im Pumpwerk ist der Verbandskasten<br />

griffbereit. «Meistens<br />

sind es nur Schürfungen», sagt Karin<br />

Bleile (34), die das Projekt gemeinsam<br />

mit Michel Carmana (35) <strong>auf</strong>gebaut<br />

hat. Drei, <strong>vier</strong> Knochenbrüche<br />

gibt es aber pro Jahr. Eine Helmpflicht?<br />

Undenkbar.<br />

Bleile ist dreifache Weltmeisterin<br />

im Flatland, einer Unterdisziplin im<br />

BMX-Fahren. Die WM, damals in<br />

Köln, ist seit drei Jahren sistiert; es<br />

fehlt an Sponsoren. «Es gab damals<br />

keine Qualifikation, mitmachen<br />

konnte jede», gibt sich Bleile bescheiden.<br />

Insgesamt seien Frauen <strong>auf</strong> dem<br />

Vormarsch. Und doch ist der Extremsport<br />

immer noch eine Männerdomäne,<br />

nicht nur bei den Profis.<br />

Risiko sells. An den grossen Contests<br />

in den USA wie den X-Games<br />

erhalten die Sieger heute schon mal<br />

100 000 Dollar, die Bilder gehen um<br />

die Welt.<br />

Als Bleile ihre Titel holte, war ihr<br />

Preis einmal ein Paar neue Griffe,<br />

das andere Mal ein Lenker, der bereits<br />

veraltet war. Die Entwicklung<br />

im Trendsport schreitet nicht überall<br />

gleich schnell voran.<br />

> European <strong>Skateboard</strong> Championships<br />

, Kunsteisbahn Margarethen,<br />

bis So, 9.8., tägl. 10 bis 19 Uhr.<br />

www.skateboardeurope.com


glossar<br />

BaZ | 7. August 2009 | Seite 9<br />

Trickreiche Namen<br />

> Flips und Spins. Drehungen<br />

des <strong>Skateboard</strong>s mit<br />

den Füs sen. Variationen des<br />

Ollies (siehe unten). Bekanntester<br />

Basissprung ist der<br />

Kickflip: Das Board wird mit<br />

den Fussspitzen 360° um<br />

die Längsachse gedreht. Sobald<br />

es sich einmal gedreht<br />

hat und man wieder landet,<br />

ist der Kickflip vollendet. Der<br />

Trick heisst Double Kickflip,<br />

wenn sich das Board ein<br />

zweites Mal dreht, ohne<br />

dass es mit dem Fuss noch<br />

einmal angeschoben wurde.<br />

Bei drei Drehungen spricht<br />

man von Triple Kickflip etc.<br />

Die grösste Rotation, die bis<br />

jetzt von <strong>Skateboard</strong>ern erreicht<br />

wurde, umfasst 900°.<br />

> Halfpipe. Steht für «halbes<br />

Rohr». Gemeint ist eine<br />

u-förmige <strong>Skateboard</strong>-Anlage.<br />

Das Halfpipe-Fahren gilt<br />

als Königsdisziplin des<br />

<strong>Skateboard</strong>ings, da es verhältnismässig<br />

wenige Skater<br />

beherrschen. Eine weit verbreitete<br />

Variante der Halfpipe<br />

ist die Miniramp. Miniramps<br />

verzichten <strong>auf</strong> das Vertical<br />

oder Vert, den senkrechten<br />

Bereich der Halfpipe. Mit<br />

einer Höhe von ein bis zwei<br />

Metern sind sie deutlich<br />

kleiner als richtige Halfpipes,<br />

die bei durchschnittlich drei<br />

Metern beginnen.<br />

> Ollie. Kurzform für Ollie<br />

Pop. Gemeint ist das Hochspringen<br />

mit dem Board unter<br />

Anwendung einer speziellen<br />

Fusstechnik. Der Trick<br />

wurde erstmals 1979 von<br />

Alan «Ollie» Gelfand in der<br />

Halfpipe gemacht.<br />

> Manual. Das Fahren oder<br />

Balancieren <strong>auf</strong> nur einer<br />

Achse, während die andere<br />

in der Luft ist. Der Manual<br />

ist einer der wichtigsten und<br />

grundsätzlichsten Tricks.<br />

Beliebt ist es, nach der<br />

Ausführung eines Tricks in<br />

einem Manual zu landen.<br />

> Slides und Grinds. Es ist<br />

von Bedeutung, mit welchem<br />

Teil des <strong>Skateboard</strong>s<br />

ein Hindernis angesprungen<br />

wird: Rutscht der Skater mit<br />

dem Deck über die Kante<br />

eines Gegenstands, so bezeichnet<br />

man dies als einen<br />

Slide. Rutscht der Skater<br />

hingegen mit einer oder<br />

zwei Achsen <strong>auf</strong> der Kante,<br />

so spricht man von einem<br />

Grind. tah/mgl<br />

Werbe<strong>auf</strong>tritt. Die Aufmerksamkeit, die sich <strong>auf</strong> Skater richtet, kommt den Sponsoren zugute. Foto Tino Briner<br />

Geld, Brett und Beziehungen<br />

Sponsoring ist für Jungskater Anerkennung und Verpflichtung zugleich<br />

Michael Heim<br />

»» Fast wären die European <strong>Skateboard</strong><br />

Championships wegen der<br />

Krise ins Wasser gefallen. Beim<br />

Verk<strong>auf</strong> von <strong>Skateboard</strong>s zeigt<br />

sich aber keine Krise, das Sponsoring<br />

im Kleinen läuft weiter.<br />

Die European <strong>Skateboard</strong> Championships<br />

spüren die Wirtschaftskrise.<br />

Die Hauptsponsoren Carhartt<br />

und Etnies haben ihre Beiträge gekürzt,<br />

sagt Veranstalter Oli Bürgin<br />

(vgl. BaZ von gestern). «Es war sehr<br />

knapp dieses Jahr.» Auch Edwin<br />

Faeh von Carhartt Europa bestätigt<br />

den Rückzug. Weil Bürgin das Veranstaltungsbudget<br />

von einer Viertelmillion<br />

Franken aber zu zwei Dritteln<br />

mit Sponsorengeldern decken<br />

muss, hat er heuer – in letzter Minute<br />

– beim Basler Lotteriefonds angeklopft.<br />

Dieser hat ihm nun eine Defizitgarantie<br />

von bis zu 20 000 Franken<br />

versprochen, wie Lotteriefonds-<br />

Verwalterin Doris Schaub bestätigt.<br />

«Lange war nicht klar, ob der Anlass<br />

stattfinden kann», sagt Bürgin. Noch<br />

im vergangenen Jahr kam er ohne<br />

Lotteriefonds-Gelder aus.<br />

Wie jede Sportart, die <strong>auf</strong> grosse<br />

Events setzt, kommt das <strong>Skateboard</strong>en<br />

nicht ohne Sponsoren aus. Dank<br />

eines Lifestyles, der über die Aktivsportler<br />

hinausgeht, ist <strong>Skateboard</strong>en<br />

jedoch attraktiv – spricht<br />

die <strong>Szene</strong> doch Jugendliche an, die<br />

für Skatermode ihr Taschengeld opfern.<br />

Die beiden Titelsponsoren der<br />

Europameisterschaft – Etnies und<br />

Carhartt – stellen insofern einen<br />

Spezialfall dar, als dass sie den Anlass<br />

mitbegründet haben. Beide hatten<br />

damals ihren Europasitz in der<br />

Region Basel, Carharrt noch immer.<br />

Sponsoring gibts auch im Kleinen:<br />

Zwar gibt es in Europa wenig<br />

Profis, die vom Skaten leben können.<br />

Doch auch ambitionierte Amateure<br />

werden unterstützt. Weniger von<br />

den ganz grossen Marken, öfter von<br />

lokalen Sportartikelhändlern, die<br />

sich mit Sponsoring den Zugang zur<br />

<strong>Szene</strong> <strong>auf</strong>rechterhalten. In einem<br />

Sport, der zwar <strong>auf</strong> Einzelwettkämpfen<br />

beruht, aber gleichwohl <strong>auf</strong><br />

Community macht, bilden die Sponsoren<br />

ein verbindendes Element, das<br />

in anderen Disziplinen den Vereinen<br />

zukommt: Sie bilden Teams. Und so<br />

halten nicht nur Marken wie Carrhartt<br />

eigene Fahrer, auch Schweizer<br />

Detailhändler wie Beachmountain<br />

oder Doodah führen Teams.<br />

Verbrauchsmaterial. Die Händler<br />

finanzieren Grundbedürfnisse:<br />

«In der Regel bekommen die Fahrer<br />

sechs <strong>Skateboard</strong>s pro Jahr», erklärt<br />

Daniel Steinhauer, der bei Beachmountain<br />

zwei Basler Fahrer betreut.<br />

Gute Fahrer bekommen zwölf. Dazu<br />

Kleider des Sponsors, die der Fahrer<br />

möglichst oft tragen soll.<br />

Die Sponsoren kennen zudem<br />

Anreize für ihre Fahrer: Wer an einem<br />

Contest in die vorderen Ränge<br />

komme, erhalte zusätzliche Bretter,<br />

sagt Steinhauer. Und Michael Gass<br />

von Doodah erklärt, sein Unternehmen<br />

bezahle den Fahrern Boni, wenn<br />

sie die Doodah-Insignen zeigen und<br />

das Geschäft so zu Gratis<strong>auf</strong>tritten<br />

in Zeitschriften und Videos komme.<br />

Prestigesache. Beim Sponsoring<br />

geht es um mehr als Geld. Oft ist es<br />

für junge Fahrer ein Zeichen von Anerkennung,<br />

unter Vertrag genommen<br />

zu werden. «Das ist eine Prestige-Sache»,<br />

sagt Gabriel Gee-Jay Jenny,<br />

der mit seinen 35 Jahren schon<br />

länger dabei ist. «Man redet darüber,<br />

für wen ein Skater fährt.»<br />

Im Gegenzug erwarten die Sponsoren,<br />

dass die Amateursportler<br />

auch Botschafter der Firma sind.<br />

«Die Fahrer sollen in ihrem Kollegenkreis<br />

Mundpropaganda betreiben»,<br />

sagt Steiner, und Gass erklärt, dass<br />

es für einen Vertragsabschluss nicht<br />

nur <strong>auf</strong> die Fahrkünste ankomme,<br />

sondern auch dar<strong>auf</strong>, dass sich der<br />

Fahrer in der <strong>Szene</strong> auskenne. Einzelgänger<br />

sind nicht gesucht.<br />

Im Gegenzug bekommen die Fahrer<br />

mit dem Sponsor Zugang zu neuen<br />

Kreisen, können Beziehungen<br />

knüpfen. Für einen jungen Fahrer bedeute<br />

das nicht selten einen Motivationsschub,<br />

sagt Gass. «Für einen<br />

16-Jährigen konnten wir ein Shooting<br />

mit einem bekannten Fotografen<br />

vermitteln. Macht der gute Bilder,<br />

kommt der Fahrer in die Heftli und<br />

wird bekannter.» Und so übernimmt<br />

der Sponsor nebst seinem finanziellen<br />

Engagement auch ein wenig die<br />

Aufgabe eines Sportmanagers.


kultur.skaten.<br />

Vom Winde verweht<br />

Individueller Stil<br />

Accessoires. Mit Schnauz, dunkler<br />

Brille und Hut zeigt Bichsel als<br />

«Man in Black» Understatement:<br />

«Damit mein Gesicht hinter dem<br />

Brand Shema verschwindet.» Persönliche<br />

Accessoires wie Glücksbringer,<br />

Schmuck und Uhren sind<br />

dagegen durchaus erlaubt, solange<br />

sie beim Skaten nicht stören. Bei<br />

den Haaren gilt: am besten vom<br />

(Fahrt-)Winde verweht.<br />

<strong>Freiheit</strong>. Bei Skatern wird<br />

Individua lität grossgeschrieben:<br />

«Mein Kleidungsstil gibt mir ein<br />

Gefühl von <strong>Freiheit</strong>», meint Demian<br />

Bichsel. «Manchmal l<strong>auf</strong>e ich<br />

­bewusst in ausgefallenen Outfits<br />

durch die Stadt. Es ist interessant<br />

zu sehen, welche Reaktionen man<br />

damit provoziert. Ich würde sagen:<br />

Cool ist, wer sich traut, seinen<br />

­eigenen Stil zu definieren.»<br />

Foto David Haas<br />

Dicke Sohlen<br />

Energielieferant<br />

beFlügelt. Dass Skater<br />

sich mit Bier und Joints fit<br />

halten, ist ein Mythos: «Da<br />

würde keiner mehr seine<br />

Tricks hinkriegen, weil die<br />

Energie fehlt.» Kein Zufall<br />

also, dass der Energydrink-<br />

Riese Red Bull die <strong>Szene</strong><br />

sponsert: Schliesslich ist<br />

Skaten ein anstrengender<br />

und schweisstreibender<br />

Sport – und dabei wünscht<br />

sich wohl manch einer hin<br />

und wieder Flügel.<br />

Schuhwerk. Schön anzusehen<br />

sind die edlen Ledersneakers –<br />

zum Skaten allerdings weniger geeignet.<br />

Die typischen Skaterschuhe<br />

sind knöchelhoch, haben eine weite<br />

Zunge, dicke Schnürsenkel und<br />

breite, oft weissgefärbte Sohlen,<br />

die für Halt sorgen und bei Sprüngen<br />

die Füsse polstern und abfedern.<br />

Die bekanntesten Skatermarken<br />

sind Vans sowie Etnies.<br />

Optimale Kragenweite<br />

Outfit. Noch vor einigen Jahren<br />

konnten Skaterhosen nicht breit<br />

genug sein. Heute trägt man auch<br />

in Basel das Beinkleid wieder eng,<br />

wie zu Beginn der Bewegung. Dafür<br />

bietet das XXL-T-Shirt maximale<br />

Bewegungsfreiheit: Der Kragen<br />

wird komplett weggeschnitten, die<br />

Ärmel hochgerollt. Das Design ist<br />

ein Unikat aus Demian Bichsels<br />

eigener «Shema»-Modelinie.<br />

Kanadischer Ahorn<br />

Herzstück. Das <strong>Skateboard</strong>,<br />

«Brett» oder «Deck» genannt,<br />

ist naturgemäss das Herzstück<br />

jedes Skaters. Auf der Unterseite<br />

sorgen verschiedene<br />

Designs für den Wiedererkennungseffekt.<br />

Das Brett selbst<br />

besteht aus sieben feinen, zusammengeleimten<br />

Holzschichten<br />

und rutschfester Oberfläche<br />

(«Grip»). In der <strong>Szene</strong><br />

schwört man dabei <strong>auf</strong> kanadisches<br />

Ahornholz.


BaZ | 7. August 2009 | Seite 11<br />

«Beim Skaten gibt es kein Zurück»<br />

Demian Bichsel hat vor bald einem Jahrzehnt «Shema <strong>Skateboard</strong>s» mitbegründet<br />

INTERVIEW: TARA HILL<br />

Mit 26 Jahren ist Demian Bichsel<br />

bereits Mitinhaber einer Skater-Firma<br />

und selbstständiger Filmemacher<br />

– nicht ungewöhnlich<br />

für die Skaterszene.<br />

BaZ: Demian Bichsel, Sie wollten,<br />

dass wir uns im Jugi Gundeli treffen.<br />

Warum gerade hier?<br />

DEMIAN BICHSEL: Ichbin<br />

hier <strong>auf</strong>gewachsen.<br />

Auf diesem Platz<br />

habe ich angefangen<br />

zu skaten.<br />

Was hat Sie am Skaten<br />

fasziniert?<br />

Wahrscheinlich der<br />

Demian<br />

Bichsel.<br />

Kick, das Adrenalin.<br />

Ich habe diese Jungs<br />

gesehen und die<br />

Tricks, die sie dr<strong>auf</strong> haben und gedacht:<br />

Das will ich auch können!<br />

Beim Üben merkte ich dann, dass<br />

es viel schwieriger ist als erwartet.<br />

Am Anfang bin ich ständig hingefallen,<br />

und das Brett ist in alle<br />

Richtungen davongeflogen. Das<br />

hat teilweise extrem geschmerzt.<br />

Wieso haben Sie nicht <strong>auf</strong>gegeben?<br />

Weil es ein unglaubliches Gefühl<br />

ist, wenn man zum ersten Mal einen<br />

wirklich schwierigen Trick<br />

schafft. Das kann man gar nicht<br />

beschreiben, da könnte man die<br />

ganze Welt umarmen. Beim Skaten<br />

gibt es kein Zurück, sobald<br />

man sich darin verliebt hat. Ausserdem<br />

glaube ich, dass mir das<br />

Skaten in schwierigen Zeiten sehr<br />

viel geholfen hat.<br />

Können Sie das genauer erklären?<br />

Ich hatte keinen Bock <strong>auf</strong> Schule,<br />

und war allgemein mit meiner Situation<br />

ziemlich unzufrieden. Das<br />

Skaten war das Erste, was ich total<br />

verbissen durchgezogen hatte. Ein<br />

Tag ohne <strong>Skateboard</strong> war für mich<br />

ein verlorener Tag. Ich glaube, in<br />

der <strong>Szene</strong> geht es vielen ähnlich.<br />

Plötzlich entwickeln die Jungen<br />

einen ungeheuren Ehrgeiz, Hartnäckigkeit<br />

und Ausdauer. Das ist<br />

positiv – nicht nur, weil sie dann<br />

keinen Mist machen, sondern<br />

auch, weil sich die Motivation für<br />

anderes einsetzen lässt. In dem<br />

Sinne bin ich ein typischer Skater:<br />

Bei mir hat sich am Ende alles<br />

durch diese Leidenschaft ergeben.<br />

Sie haben vor bald zehn Jahren Ihren<br />

eigenen <strong>Skateboard</strong>-Vertrieb <strong>auf</strong>gebaut.<br />

Wie kam es dazu?<br />

Damals habe ich so viele Bretter<br />

kaputt gemacht, dass ich mir das<br />

Skaten gar nicht mehr hätte leisten<br />

können: Mit 16 kann man ja<br />

nicht jede Woche 120 Franken für<br />

ein Deck ausgeben. Da kam ich <strong>auf</strong><br />

die Idee, die Bretter selber herzustellen.<br />

Natürlich hat das nicht<br />

wirklich funktioniert. Also habe<br />

ich bei Schreinereien angefragt,<br />

ob sie für mich günstig Bretter herstellen<br />

könnten. Diese habe ich<br />

dann abgeholt und <strong>auf</strong> der Strasse<br />

verk<strong>auf</strong>t, hier, <strong>auf</strong> dem Theaterplatz,<br />

überall wo die <strong>Szene</strong> sich<br />

getroffen hat. Zu Beginn haben die<br />

älteren Jungs noch komisch geguckt<br />

und gelacht. Aber weil meine<br />

Bretter so günstig waren, gab es<br />

bald immer mehr Abnehmer.<br />

Haben Sie damals negative Reaktionen<br />

erlebt?<br />

Die gibt es immer. Am Anfang war<br />

sicher Skepsis da. Einerseits war<br />

ich einer der Jüngeren, andererseits<br />

ist es in der <strong>Szene</strong> nach wie<br />

vor ein Tabu, mit dem Skaten Geld<br />

zu verdienen. Mit diesem Denken<br />

hab ich Mühe, denn für viele Fahrer<br />

ist es ja ein Traum, von einer<br />

Firma gesponsert zu werden.<br />

Schlussendlich gibt «Shema» der<br />

<strong>Szene</strong> auch etwas zurück – etwa<br />

durch Events oder das Sponsoring<br />

junger Fahrer. Ich denke, wir haben<br />

uns nur deshalb etabliert, weil<br />

wir so nah an der <strong>Szene</strong> sind.<br />

Verdienen Sie gut mit Shema?<br />

Im Gegenteil! In erster Linie investieren<br />

wir die Umsätze: in die Produktion,<br />

in unsere Modelinien und<br />

in die jungen Fahrer. Für mich ist<br />

das kein Geschäft, sondern eine<br />

Herzensangelegenheit. Mein Geld<br />

verdiene ich als Filmemacher.<br />

Sie drehen auch Skaterfilme. Was<br />

reizt Sie daran?<br />

Einerseits die Technik: Seit es Skaterfilme<br />

gibt, ist das Niveau ständig<br />

gestiegen. Dann natürlich das<br />

Reisen: Durch Filme wie «Project<br />

008», an dem ich gemeinsam mit<br />

meinen Kollegen Tullio Bucher<br />

und Fabian Plattner über ein Jahr<br />

lang gearbeitet habe, lernt man in<br />

der ganzen Welt Skater kennen, ist<br />

ständig unterwegs. Dabei wird die<br />

Welt zum Skatepark, die Stadt<br />

zum Spielplatz. Man sieht, wie<br />

man alles neu nutzen kann, immer<br />

mit dem Kick: Schaff ich das?<br />

Die Welt als Skatepark – lässt sich so<br />

auch die Philosophie der Skater<br />

zusammenfassen?<br />

Ich glaube, es geht um ein Gefühl<br />

der <strong>Freiheit</strong>, darum, aus einer Welt<br />

voller Verbote auszubrechen. Dazu<br />

sind vorgefertigte Skateparks nur<br />

bedingt geeignet: Denn, was man<br />

bereits ausprobiert hat, verliert an<br />

Die wichtigsten Skate-Anlagen in Basel<br />

SPOTS. Skaten lässt sich grundsätzlich überall.<br />

An folgenden Orten ist es unter Beachtung der<br />

lokalen Bestimmungen ausdrücklich erlaubt:<br />

1. Dreirosenbrücke-West (Bank)<br />

2. Dreirosenbrücke-Ost (Ledges, Flatrail)<br />

3. nt/Areal (Blackcrossbowl)<br />

4. Pumpwerk (Vert, Miniramp, Street Area)<br />

5. Badischer Bahnhof (Steps, Ledges)<br />

6. Messeplatz (Flatrails, Ledges)<br />

7. Wettsteinplatz (Ledges, Steps)<br />

Allschwil<br />

8. Breite (Concrete Bank)<br />

9. Gellert (Ledge-Gap-Ledge)<br />

10. M-Park (Benches, Rails, Gaps)<br />

11. Kunsteisbahn Margarethen<br />

(European <strong>Skateboard</strong> Championship)<br />

12. Jugendhaus Gundeldingen (Mimiramp,<br />

Small Street Area)<br />

13. Theaterplatz (Ledges, Gaps, Wallride)<br />

www.skaten-basel.ch<br />

«Ein Tag ohne<br />

Skaten war für<br />

mich früher ein<br />

verlorener Tag.»<br />

Binningen<br />

1 2<br />

11<br />

13<br />

12<br />

Reiz. Dass Skater neue Gebäude<br />

lieben, wissen mittlerweile sogar<br />

Architekten – daher bringen sie an<br />

Bänken und Geländern oft Noppen<br />

an. Es ist ein ewiges Katz-und-<br />

Maus-Spiel. Im Zentrum steht sicher<br />

auch, die eigenen Grenzen zu<br />

suchen, Neues auszuprobieren<br />

und immer besser zu werden.<br />

Heisst besser auch grösser? Haben<br />

Sie den Eindruck, die <strong>Szene</strong> expandiert?<br />

Nicht wirklich. Ich glaube, sie ist<br />

stabil. Und ich hoffe, dass Skaten<br />

eine Subkultur bleibt und nicht<br />

dasselbe passiert wie beim Snowboarden.<br />

Hier ging der Spass am<br />

Sport teilweise verloren, oft steht<br />

nur noch die Leistung im Vordergrund.<br />

Für mich wäre das ein Albtraum.<br />

Sobald ein Sport olympisch<br />

wird, ist die Subkultur dahinter<br />

tot. Die Selektion nach Ländern<br />

widerspricht dem freien Geist des<br />

Skatens – abgesehen davon, dass<br />

die besten Fahrer sowieso alle in<br />

den USA zu finden sind! (lacht)<br />

Skaten Sie selber überhaupt noch?<br />

Nein, ich musste <strong>auf</strong>hören. Ich<br />

hatte Probleme mit den Sehnen<br />

und Knien. Es wurde so schlimm,<br />

dass ich nicht einmal mehr ins<br />

Tram einsteigen konnte. Dadurch<br />

bekam ich Angst vor weiteren Verletzungen.<br />

Solche Gedanken hemmen<br />

beim Skaten aber automatisch.<br />

Und die Verletzungsgefahr<br />

steigt dadurch umso mehr.<br />

7<br />

3<br />

6<br />

5<br />

10<br />

9<br />

8<br />

4<br />

Birsfelden<br />

Riehen<br />

Grafik BaZ/rm<br />

Muttenz

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