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Skateboard-Szene Freiheit auf vier kleinen Rädern > 6 - Mobile ...

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kultur.skaten.<br />

Lufthoheit. Junger BMX-Fahrer vor dem Pumpwerk der IWB. Foto Dominik Plüss<br />

• Anlage, die viele der älteren Generation<br />

zurück <strong>auf</strong>s Board gebracht<br />

hat, gilt als Killing Zone. Hier wurden<br />

keine Fertigbetonelemente gek<strong>auf</strong>t,<br />

sondern der weiche Beton so<br />

lang eigenhändig glatt gestrichen,<br />

bis die Rundung hielt. Der Beton ist<br />

uneben, die Transition, die Rundung<br />

zwischen Vertikale und Boden, ist<br />

steil. Wer hier fällt, fällt hart.<br />

Komfort. So grob der Untergrund –<br />

so darf ein bisschen Komfort für die<br />

Cracks schon sein. Es gibt Flutlicht,<br />

eine Bar und eine fest installierte<br />

Musikanlage. Man hört Iron Maiden<br />

und AC/DC. Die Jüngeren kreuzen<br />

nur selten hier <strong>auf</strong>. Weil das Bowl so<br />

schwierig zu fahren ist. Und weil die<br />

Platzhirsche den Tarif durchgegeben<br />

haben, nachdem die Teenies dauernd<br />

ihren Abfall liegen liessen. Auch<br />

Skater lieben es ordentlich, jedenfalls<br />

im eigenen Re<strong>vier</strong>.<br />

Dass der Nachwuchs vorwiegend<br />

aus der Hip-Hop-Ecke kommt,<br />

stimmt in Basel ebenso wenig wie<br />

das Gerücht, Skaten sei etwas für<br />

Wohlstandskids. Zwar kostet ein<br />

Brett schnell 300 Franken, und das<br />

Holz hält oft nur wenige Wochen.<br />

Doch man kommt auch an günstigeres<br />

Material, wenns sein muss Ausschussware.<br />

Viel wichtiger als das<br />

Geld ist die Geduld: «Skaten lernt<br />

man nicht von einem Tag <strong>auf</strong> den anderen»,<br />

sagt Michele Salvatore, Leiter<br />

der <strong>Mobile</strong>n Jugendarbeit Basel.<br />

«Da muss man richtig hart und diszipliniert<br />

arbeiten.» Ein Jahr etwa<br />

dauert es, bis man allein die Basics<br />

dr<strong>auf</strong>hat. Viele springen vorher ab,<br />

buchstäblich.<br />

Endo. Wie gross die Skater-Gemeinde<br />

in Basel ist, kann niemand abschätzen;<br />

zu heterogen ist die <strong>Szene</strong>,<br />

viele kommen auch aus Deutschland<br />

und Frankreich nach Basel. Dass<br />

heute <strong>vier</strong> Shops mit Skater-Ausrüstung<br />

überleben können, spricht aber<br />

für sich, auch wenn die Zeiten vorbei<br />

sind, in denen man Skater an den<br />

Klamotten identifizieren konnte.<br />

Der Weg zum Ruhm aber ist eine<br />

Via Dolorosa. Stürze, Prellungen<br />

und Schürfwunden gehören dazu.<br />

Zeige deine Wunden, und du erntest<br />

Respekt: Die Stürze haben Namen,<br />

heissen Mr. Wilson, Shoot-out oder<br />

Endo. Oft geht es glimpflich aus –<br />

wer Skaten lernt, lernt auch den<br />

Fall. Zum Glück. Denn Helme, bei<br />

den BMX-Fahrern verbreitet, sind<br />

<strong>auf</strong> dem <strong>Skateboard</strong> verpönt. Der<br />

Schmerz gehört mit zum Kick, es<br />

grüssen Fernsehformate wie<br />

«Jackass», ohne Unvernunft kein<br />

Preis.<br />

Gleichwohl ist das Skaten an einem<br />

Punkt angelangt, an dem der<br />

Körper nicht mehr mitkommt. «Eine<br />

Treppe mit 20 Stufen zu überspringen,<br />

geht vielleicht gerade noch. Bei<br />

21 Stufen wird es kritisch. Bei 22<br />

brechen die Knochen», sagt Brunner,<br />

der selbst einen Bänderriss und viele<br />

Verstauchungen hinter sich hat.<br />

Schon bei einfachen Tricks ist die Belastung<br />

enorm; häufig landet man<br />

statt <strong>auf</strong> dem federnden Ahornholz<br />

<strong>auf</strong> der harten Kante. Der Verschleiss<br />

an Knorpelmasse ist erheblich, nicht<br />

wenige der Pioniere humpeln heute<br />

invalid durch die Welt.<br />

Kontrolle. Besonders dem Einsatz<br />

der <strong>Mobile</strong>n Jugendarbeit Basel ist<br />

es zu verdanken, dass der Kanton die<br />

Bedürfnisse der Skater erkannt hat.<br />

Der Wunsch nach einer Kanalisierung<br />

der Energien spielte sicher auch<br />

hinein, und nicht alle Spots stehen<br />

hoch in der Skater-Gunst. Die zwei<br />

BMX-Fahrer, die <strong>auf</strong> der <strong>kleinen</strong> Anlage<br />

unter der Dreirosenbrücke einsam<br />

ihre Runden drehen, haben jedenfalls<br />

schon lange keine Skater<br />

mehr gesichtet. «Hier sind wir unter<br />

uns», sagt der 14-jährige Gregory.<br />

Auch in der Breite ist es wie ausgestorben.<br />

Hier liess die Stadt vor<br />

sechs Jahren erste Elemente <strong>auf</strong>stellen,<br />

nachdem es zu Konflikten mit<br />

Anwohnern gekommen war. Was gut<br />

gemeint war, ist heute ein Mahnmal<br />

für städtische Fehlplanung: Die Objekte<br />

hatten falsche Masse, Hunde<br />

und Laubbäume taten das Ihrige,<br />

den Platz unattraktiv zu machen.<br />

Friede. Als man am Theodorskirchplatz<br />

wenig später eine zweite Anlage<br />

baute, war man so klug, die Skater<br />

bei der Planung zu invol<strong>vier</strong>en. Das<br />

Resultat war perfekt. «Da merkten<br />

wir auch, dass die <strong>Szene</strong> grösser ist<br />

als angenommen», sagt Michele Salvatore,<br />

Leiter der <strong>Mobile</strong>n Jugendarbeit<br />

Basel. Wenig später wurde der<br />

Messeplatz ausgerüstet.<br />

Die Skater gelten als umgänglich,<br />

Konflikte gibt es selten, die<br />

Hausordnung, sie steht gut lesbar an<br />

jedem der Spots, wird befolgt. «Es<br />

sind Hänger, die nehmen es gemütlich»,<br />

sagt Salvatore. Auch die Basler<br />

Polizei hat selten Ärger. Das grösste<br />

Problem ist der Lärm.<br />

Idyll. Im abgelegenen Pumpwerk<br />

kennt man dieses Problem nicht.<br />

1998 hat die Christoph Merian Stiftung<br />

zusammen mit der Basler Freizeitaktion<br />

und dem Sportamt den<br />

«Der Weg zum<br />

Ruhm ist hart: Zeige<br />

deine Wunden, und<br />

du erntest Respekt.»<br />

Verein Trendsport Basel lanciert, das<br />

Pumpwerk ist bereits dessen dritte<br />

Adresse, und niemand stört das Idyll.<br />

Auf dem Vorplatz mächtige Rampen,<br />

im Gebäude eine Miniramp und ein<br />

sogenannter «Street»-Parcours mit<br />

allerlei Rampen und Hindernissen.<br />

In der Halle herrscht konzentrierter<br />

Lärm; rund ein Dutzend Jugendliche<br />

sind heute hier, auch eine<br />

Gruppe Mädchen, die hier ein Camp<br />

(Kurs) absol<strong>vier</strong>t. Es donnert und<br />

hallt, wenn die <strong>kleinen</strong> Räder über<br />

die Bretter brausen oder nach Sprüngen<br />

<strong>auf</strong> dem harten Holz <strong>auf</strong>schlagen.<br />

Inlineskater, BMX-Fahrer und<br />

<strong>Skateboard</strong>er sind heute gemeinsam<br />

<strong>auf</strong> der Piste, nach den Schulferien,<br />

wenn der Andrang grösser ist, übt<br />

man wieder getrennt.<br />

Biotop. Die ältesten Besucher sind<br />

fast 40 Jahre alt, die jüngsten sechs<br />

oder sieben. Sie werden von den Eltern<br />

gebracht oder von Geschwistern<br />

begleitet. Es ist ein geschütztes Biotop,<br />

und wer sich beweisen will, geht<br />

<strong>auf</strong> die Strasse oder ins Jugi Gundeli.<br />

Doch viele kommen zurück. 8000<br />

Eintritte verbuchte man im letzten<br />

Jahr, 2004 waren es noch 6000.<br />

Auch im Pumpwerk ist der Verbandskasten<br />

griffbereit. «Meistens<br />

sind es nur Schürfungen», sagt Karin<br />

Bleile (34), die das Projekt gemeinsam<br />

mit Michel Carmana (35) <strong>auf</strong>gebaut<br />

hat. Drei, <strong>vier</strong> Knochenbrüche<br />

gibt es aber pro Jahr. Eine Helmpflicht?<br />

Undenkbar.<br />

Bleile ist dreifache Weltmeisterin<br />

im Flatland, einer Unterdisziplin im<br />

BMX-Fahren. Die WM, damals in<br />

Köln, ist seit drei Jahren sistiert; es<br />

fehlt an Sponsoren. «Es gab damals<br />

keine Qualifikation, mitmachen<br />

konnte jede», gibt sich Bleile bescheiden.<br />

Insgesamt seien Frauen <strong>auf</strong> dem<br />

Vormarsch. Und doch ist der Extremsport<br />

immer noch eine Männerdomäne,<br />

nicht nur bei den Profis.<br />

Risiko sells. An den grossen Contests<br />

in den USA wie den X-Games<br />

erhalten die Sieger heute schon mal<br />

100 000 Dollar, die Bilder gehen um<br />

die Welt.<br />

Als Bleile ihre Titel holte, war ihr<br />

Preis einmal ein Paar neue Griffe,<br />

das andere Mal ein Lenker, der bereits<br />

veraltet war. Die Entwicklung<br />

im Trendsport schreitet nicht überall<br />

gleich schnell voran.<br />

> European <strong>Skateboard</strong> Championships<br />

, Kunsteisbahn Margarethen,<br />

bis So, 9.8., tägl. 10 bis 19 Uhr.<br />

www.skateboardeurope.com

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