Traden und Investieren - 10 Handelssysteme auf den DAX-Index
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N I L S G A J O W I Y<br />
TRADEN UND INVESTIEREN<br />
MEINE KLEINE GELDSCHULE FÜR DEN SYSTEMATISCHEN PRIVATEN<br />
VERMÖGENSAUFBAU<br />
Nils Gajowiy<br />
05.09.2012
S e i t e | 2<br />
30.03.2011<br />
INHALT<br />
Einleitung ....................................................................................................................................................... 6<br />
Über dieses Buch ............................................................................................................................................ 6<br />
Vorab: Fünf Fragen – Fin<strong>den</strong> Sie Ihre Antworten! ...................................................................................... 7<br />
1. Warum das alles? Setzen Sie sich ein Ziel!....................................................................................... 7<br />
2. Denken Sie wie ein Unternehmer? ................................................................................................... 9<br />
3. <strong>Investieren</strong> Sie ausreichend viel Zeit? .............................................................................................. 9<br />
4. <strong>Investieren</strong> Sie in Ihre technische <strong>und</strong> soziale Infrastruktur? ...................................................... <strong>10</strong><br />
5. Haben Sie ausreichend Geld? .......................................................................................................... 11<br />
Teil 1: Märkte, Gegner, Waffen ................................................................................................................... 13<br />
Rohstoffe ................................................................................................................................................... 13<br />
Währungen ............................................................................................................................................... 13<br />
Anleihen .................................................................................................................................................... 13<br />
Aktien ........................................................................................................................................................ 14<br />
Indizes ....................................................................................................................................................... 14<br />
Unterschiedliche Handelsinstrumente ....................................................................................................... 15<br />
Der physische Basiswert .......................................................................................................................... 15<br />
Futures ...................................................................................................................................................... 16<br />
Optionen ................................................................................................................................................... 16<br />
Kursdifferenzkontrakte (CFDs)............................................................................................................... 16<br />
Fonds......................................................................................................................................................... 17<br />
Zertifikate, Optionsscheine ...................................................................................................................... 17<br />
Marktteilnehmer .......................................................................................................................................... 18<br />
Investoren ................................................................................................................................................. 18<br />
Hedger ...................................................................................................................................................... 18<br />
Arbitrageure ............................................................................................................................................. 18<br />
Spekulanten .............................................................................................................................................. 19<br />
Broker ........................................................................................................................................................... 19<br />
Einlagensicherung <strong>und</strong> finanzielle Stabilität ............................................................................. 19<br />
Angebotene Märkte ............................................................................................................................. 19<br />
Software ................................................................................................................................................. 19<br />
Service .....................................................................................................................................................20<br />
Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung...........................................................................................................................20<br />
Gebühren ...............................................................................................................................................20<br />
Datenkosten ..........................................................................................................................................20<br />
Datenqualität ........................................................................................................................................20
S e i t e | 3<br />
Charting-Tools ..........................................................................................................................................20<br />
Das Equipment .............................................................................................................................................20<br />
Datenleitung ............................................................................................................................................. 21<br />
Computer .................................................................................................................................................. 21<br />
Telefon ...................................................................................................................................................... 21<br />
Backoffice .................................................................................................................................................. 21<br />
Übung 1: Orientierung ................................................................................................................................. 21<br />
Teil 2: Kapital, Geld, Risiko - <strong>und</strong> Vermögen ............................................................................................. 23<br />
Ab wann kann man vom Trading leben? ................................................................................................ 23<br />
Wie kommt man an <strong>den</strong> Märkten zu Wohlstand? .................................................................................. 23<br />
Wieviel werde ich als Lernender verlieren? ............................................................................................ 23<br />
Muss ich Vollzeit-Trader wer<strong>den</strong>? .......................................................................................................... 23<br />
Teil 3: Die Prinzipien erfolgreicher Geldanlage ......................................................................................... 25<br />
Verantwortung übernehmen ................................................................................................................... 25<br />
Risiken managen ...................................................................................................................................... 25<br />
Preis <strong>und</strong> Wert unterschei<strong>den</strong> ................................................................................................................. 25<br />
Unsicherheit akzeptieren ......................................................................................................................... 25<br />
Die "drei Ms des Trading-Erfolgs" meistern........................................................................................... 26<br />
Teil 4: Risiko- <strong>und</strong> Moneymanagement ..................................................................................................... 27<br />
Verschie<strong>den</strong>e Arten von Risiko ............................................................................................................... 27<br />
Risikomanagement .................................................................................................................................. 28<br />
Money-Management ................................................................................................................................ 28<br />
Wer braucht das? ..................................................................................................................................... 29<br />
Teil 5: Risiko- <strong>und</strong> Money-Management für Investoren ........................................................................... 30<br />
Erste Frage: Mit wie viel Geld spekulieren? ................................................................................ 31<br />
Übung ........................................................................................................................................................ 32<br />
Risiko streuen – Pro <strong>und</strong> Kontra ............................................................................................................. 32<br />
Richtig diversifizieren .............................................................................................................................. 33<br />
Das Konzept des verfügbaren Risikos ..................................................................................................... 34<br />
Portfolio-Aufbau mit dem Konzept des verfügbaren Risikos ................................................................ 35<br />
Übung ........................................................................................................................................................ 36<br />
Vermögens<strong>auf</strong>bau als Prozess ................................................................................................................. 38<br />
Risikomanagement von Gewinnpositionen ............................................................................................ 39<br />
Pyramidisieren: Der schrittweise Aufbau von Positionen .....................................................................40<br />
Grenzen des Pyramidiserens ................................................................................................................... 43<br />
Das Glattstellen von Gewinnpositionen .................................................................................................. 45<br />
Teil 6: Risiko-Management für Trader ....................................................................................................... 47<br />
Das Handelskonto als Teil des Börsenkapitals ....................................................................................... 47
S e i t e | 4<br />
Woher kommt die Angst? ........................................................................................................................ 48<br />
Risikostreuung oder Fokussierung? ........................................................................................................ 48<br />
Besondere Risiken des Daytrading ......................................................................................................... 49<br />
Die Zwei-Prozent-Regel des Risiko-Managements ................................................................................ 50<br />
Das Chance-Risiko-Verhältnis ................................................................................................................ 50<br />
Positionsgrößenbestimmung ................................................................................................................... 51<br />
Money-Management: Die Sechs-Prozent-Regel .................................................................................... 51<br />
Teil 7: Technische Fragen von Risiko- <strong>und</strong> Money-Management ............................................................. 51<br />
Stop-Techniken - Gr<strong>und</strong>sätzliches .......................................................................................................... 51<br />
Der initiale Stop zur Verlustbegrenzung ................................................................................................. 52<br />
Der ATR-Stop ........................................................................................................................................ 52<br />
Der Stop unter der letzten Korrektur ........................................................................................... 52<br />
Der Stop unter der Trendlinie oder einem Gleiten<strong>den</strong> Durchschnitt ................................. 53<br />
Der prozentuale Stop ......................................................................................................................... 53<br />
Der Darvas-Stop ................................................................................................................................... 53<br />
Das Nachziehen von Stops (Stop-Trailing)............................................................................................. 54<br />
Der Break-Even-Stop .......................................................................................................................... 54<br />
Der Gewinnsicherungs-Stop ............................................................................................................ 54<br />
Der Gewinnmitnahme-Stop ............................................................................................................. 54<br />
Die zehn Gebote des Risikomanagements .................................................................................................. 55<br />
Teil 8: Technische Analyse: Die Geometrie der Massenpsychologie ........................................................ 56<br />
F<strong>und</strong>amentale oder technische Analyse?................................................................................................ 56<br />
Axiome der Technischen Analyse ...................................................................................................... 57<br />
Was bewegt die Märkte? .......................................................................................................................... 57<br />
Warum Technische Analyse funktioniert ............................................................................................... 57<br />
Die Axiome der Technischen Analyse ..................................................................................................... 58<br />
Der Nutzen der drei Axiome .................................................................................................................... 59<br />
Kritik der Technischen Analyse ...............................................................................................................60<br />
Historische Entwicklung ..........................................................................................................................60<br />
Individualpsychologie <strong>und</strong> Technische Analyse ..................................................................................... 62<br />
Teil 9: Gr<strong>und</strong>wissen der Technischen Analyse........................................................................................... 63<br />
Charting .................................................................................................................................................... 63<br />
Der Linienchart ........................................................................................................................................ 63<br />
Der Balkenchart ....................................................................................................................................... 64<br />
Der Kerzenchart ....................................................................................................................................... 64<br />
Der Point-and-Figure-Chart .................................................................................................................... 65<br />
Der Heikin-Ashi-Chart ............................................................................................................................. 66<br />
Weitere Arten von Charts ........................................................................................................................ 67
S e i t e | 5<br />
Kerzenformationen .................................................................................................................................. 68<br />
1. Ein-Kerzen-Formationen ................................................................................................................ 68<br />
2. Zwei-Kerzen-Formationen .............................................................................................................. 69<br />
3. Drei-Kerzen-Formationen .............................................................................................................. 71<br />
Mittel- <strong>und</strong> langfristige Formationen ..................................................................................................... 72<br />
Trends <strong>und</strong> Trendanalyse ............................................................................................................................ 74<br />
Die Psychologie eines Trends .................................................................................................................. 76<br />
Korrektur oder Umkehr? ......................................................................................................................... 77<br />
Korrekturen oder Umkehren an Fibonacci-Retracements .................................................................... 79<br />
Indikatoren ................................................................................................................................................... 82<br />
Der Gleitende Durchschnitt ..................................................................................................................... 82<br />
Der Commodity Change <strong>Index</strong> (CCI) ...................................................................................................... 83<br />
Die Stochastik ........................................................................................................................................... 84<br />
Das Momentum ........................................................................................................................................ 85<br />
Der Parabolic Stop-and-Reverse (SAR) .................................................................................................. 86<br />
Das Directional Movement System ......................................................................................................... 87<br />
Der Moving Average Convergence Divergence (MACD) ....................................................................... 89<br />
Der Force-<strong>Index</strong> .......................................................................................................................................90<br />
Die Average True Range .......................................................................................................................... 91<br />
Systematische Unterschiede zwischen Indikatoren ............................................................................... 92<br />
Teil <strong>10</strong>: Analysepraxis .................................................................................................................................. 93<br />
Das Konzept von Wert <strong>und</strong> Preis ............................................................................................................ 93<br />
Die Triple-Screen-Methode ..................................................................................................................... 94<br />
Handelsausrichtung: Trend, Bewegung oder Korrektur? ...................................................................... 94<br />
Der Handel mit Hilfe von Pivot-Punkten ............................................................................................... 96<br />
Synergien nutzen – Analyseinstrumente sinnvoll kombinieren ........................................................... 97<br />
Kein Geheimnis: Meine Indikatoren ....................................................................................................... 99<br />
Literaturhinweise ....................................................................................................................................... <strong>10</strong>2
S e i t e | 6<br />
EINLEITUNG<br />
Sie möchten Ihre Geldgeschäfte selbst in die Hand nehmen? Ob Sie es nun<br />
Trading oder <strong>Investieren</strong> nennen - das ist zunächst völlig egal. Wichtig ist,<br />
dass Sie sich dar<strong>auf</strong> einlassen, dieses Handwerk von der Pike <strong>auf</strong> zu lernen<br />
<strong>und</strong> viele Klischees über Bord zu werfen.<br />
Ein befre<strong>und</strong>eter Investor in Australien erzählt gern die Geschichte eines<br />
Zahnarztbesuches. Während er sich <strong>auf</strong> dem Behandlungsstuhl zurücklehnte,<br />
fragte der Stomatologe nach seinen Aktiengeschäften. Wie hatte er <strong>den</strong> letzten<br />
Kursanstieg in BHP erlebt. "Ein wenig Geld verdient", grummelte der Patient.<br />
Und wie erging's ihm mit WOW? "Ein wenig Geld verdient", murmelte der<br />
Trader. "Wie kommt's, dass Sie Geld verdienen, wenn Sie tra<strong>den</strong> <strong>und</strong> ich<br />
nicht?" - "Wahrscheinlich aus dem gleichen Gr<strong>und</strong>, aus dem ich niemals viel<br />
Geld als Zahnarzt verdienen könnte."<br />
Die Mehrzahl aller Trader <strong>und</strong> Investoren wird immer verlieren - sie liefern<br />
das Geld für die wenigen Gewinner. Wenn Sie zu letzteren gehören wollen,<br />
sollten Sie das Trading ernst nehmen. Erlernen Sie es, wie man ein Handwerk<br />
erlernt oder ein Fachgebiet studiert. Erwerben Sie Erfahrung, wie es ein<br />
Violinist, ein Handwerksmeister oder ein Autofahrer tut. Bleiben Sie im<br />
Training - wie ein B<strong>und</strong>esliga-Fußballer, ein hochqualifizierter Facharzt oder<br />
ein Dolmetscher.<br />
Dieses Buch kann Ihnen dabei helfen, Ihren Weg durch <strong>den</strong> Dschungel der<br />
Finanzmärkte zu fin<strong>den</strong>. Es kann ein Kompass sein - mehr nicht. Sie müssen<br />
selbst <strong>den</strong> Weg gehen, selbst die Hindernisse aus dem Weg räumen <strong>und</strong> selbst<br />
das Ziel bestimmen, das am Ende dieses Weges stehen soll. Der Weg ist lang,<br />
dornenreich, führt über Berge <strong>und</strong> durch tiefe Täler. Immer, wenn man meint,<br />
man sei angekommen, tut sich hinter einer Biegung ein neuer Abschnitt <strong>auf</strong>.<br />
<strong>Tra<strong>den</strong></strong> <strong>und</strong> <strong>Investieren</strong> ist eine lebenslange Reise - kein Losl<strong>auf</strong>en,<br />
Ankommen <strong>und</strong> "Jetzt habe ich's geschafft."<br />
Aber der Weg ist es wert, gegangen zu wer<strong>den</strong>.<br />
ÜBER DIESES BUCH<br />
In dieser Broschüre fasse ich meinen aktuellen Kenntnis- <strong>und</strong><br />
Erfahrungsstand über das Trading zusammen.<br />
Es ist eine systematische Aufarbeitung dessen, was ich in <strong>den</strong> letzten neun<br />
Jahren über die Finanzmärkte gelernt habe. Dazu kommt das Feedback<br />
mehrerer Tausend Seminar- <strong>und</strong> Webinarteilnehmer. Schließlich fließen<br />
Materialien der Mitglieder des Inner Circle, einer Gruppe engagierter Trader,<br />
die im geschützten Bereich meiner Webseite www.gajowiy.com seit Mai 2011<br />
mit mir regelmäßige Marktanalysen, Coachings <strong>und</strong> Live-Tradings teilt. Über<br />
einh<strong>und</strong>ert Trades sind dort dokumentiert, Dutzende von Präsentationen,<br />
Webinar<strong>auf</strong>zeichnungen, Vortrags-Skripten hinterlegt.<br />
Aufgebaut ist das Buch so, wie ich mir einen Abendkurs an der<br />
Volkshochschule vorstellen würde. Leider gibt es solche Veranstaltungen in<br />
Deutschland nicht, also habe ich "Die kleine Geldschule" selbst schreiben<br />
müssen.
S e i t e | 7<br />
Ausdrücklich ausgeklammert wer<strong>den</strong> alle steuerlichen Fragen - <strong>auf</strong> diesem<br />
Gebiet bin ich weder befugt noch kompetent, irgendwelche Aussagen zu<br />
treffen. Darüber hinaus beschränke ich mich ausschließlich <strong>auf</strong> die primären<br />
Finanzmärkte (Börsen, Forex-Märkte), nicht jedoch <strong>auf</strong> exotische<br />
Investitionen wie Schiffs- oder Medienfonds, alternative Anlagen wie<br />
Immobilien oder ökologische Energieerzeugung.<br />
Dort, wo ich selbst kein Experte bin, fin<strong>den</strong> Sie Verweise <strong>auf</strong> kompetente<br />
Kollegen, Literatur, Ressourcen im Internet. Das Literaturverzeichnis bietet<br />
weiterführende Quellen für das Selbststudium.<br />
Weder kann dieses Buch erschöpfend in Breite <strong>und</strong> Tiefe die Finanzmärkte<br />
beleuchten, noch beanspruche ich, dass alles, was ich hier schreibe, <strong>den</strong> Test<br />
der Ewigkeit besteht. Ich habe jetzt fast zehn Jahre lang die Finanzmärkte<br />
studiert <strong>und</strong> lerne je<strong>den</strong> Tag Neues.<br />
Insofern gestatten Sie mir bitte, morgen etwas schlauer zu sein als heute. Ich<br />
werde das Buch regelmäßig überarbeiten <strong>und</strong> aktualisieren <strong>und</strong> die Leser<br />
dieses Buches wer<strong>den</strong> kostenlos von diesen Updates profitieren.<br />
VORAB: FÜNF FRAGEN – FINDEN SIE IHRE<br />
ANTWORTEN!<br />
Die Beweggründe, aus <strong>den</strong>en Menschen das Trading für sich entdecken, sind<br />
unterschiedlich. Oft beginnt es mit einer diffusen Unzufrie<strong>den</strong>heit. Es fehlt an<br />
Geld. Es nervt der Chef. Der Job ist frustrierend. Bei der Suche nach dem Weg<br />
aus dieser Unzufrie<strong>den</strong>heit stößt der Interessierte dann <strong>auf</strong> die<br />
Versprechungen der Trading-Industrie: Dreistellige Renditen, minimaler<br />
Zeit<strong>auf</strong>wand, maximale Freiheit <strong>und</strong> Spaß ohne Ende. Im Prinzip wird alles<br />
versprochen, was im gegenwärtigen Leben fehlt.<br />
Bei Anfängern lockt fast immer das schnelle, große <strong>und</strong> vor allem leicht<br />
verdiente Geld. Bleibt das dann aus, folgt Frustration. Eine Minderheit von<br />
angehen<strong>den</strong> Tradern schafft es bis zu der Erkenntnis: <strong>Tra<strong>den</strong></strong> ist harte Arbeit.<br />
An dieser Stelle steigen dann viele Trader aus – <strong>den</strong>n gerade Arbeit wollten<br />
sie ja eigentlich vermei<strong>den</strong>: „Wenn’s Arbeit ist, kann ich auch weiter meinen<br />
Job machen – da weiß ich wenigstens, was ich kann <strong>und</strong> was bei rumkommt.“<br />
1. WARUM DAS ALLES? SETZEN SIE SICH EIN<br />
ZIEL!<br />
Es reicht also offensichtlich nicht aus, nur dem Geld hinterherzujagen. Stellen<br />
Sie die Sinn-Frage: Wozu benötige ich das Geld? Was will ich damit<br />
anfangen? Stellen Sie sich vor, Sie wür<strong>den</strong> am Ende eines Trading-Seminars<br />
vom Referenten einen Scheck in die Hand gedrückt bekommen. Fünf<br />
Millionen Euro nur für Sie. Was wür<strong>den</strong> Sie mit dem Geld tun? Schon<br />
kommen Sie Ihrer eigentlichen Motivation näher.<br />
- Sie möchten ausgedehnte Reisen in ferne Länder unternehmen?<br />
- Sie möchten ein schnelles Motorrad k<strong>auf</strong>en?<br />
- Sie möchten ein großes Haus k<strong>auf</strong>en?<br />
- Sie möchten für die Rente etwas <strong>auf</strong> die Seite legen?<br />
- Sie möchten – ja was eigentlich?
S e i t e | 8<br />
Stellen Sie sich <strong>den</strong> Tagesabl<strong>auf</strong> vor, wenn Ihr Kontostand plötzlich achtstellig<br />
wäre. Wür<strong>den</strong> Sie zum Frühstück löffelweise Kaviar verschlingen <strong>und</strong> mit<br />
Champagner nachspülen? Oder wären Sie doch eher der Typ, der weiter Müsli<br />
<strong>und</strong> Joghurt, dazu die Morgenzeitung <strong>und</strong> eine Tasse Kaffee bevorzugt? Und<br />
was, wenn Sie alle materiellen Wünsche erfüllt hätten? Wieviele Autos,<br />
Häuser, Reisen dürfen es sein, bevor Sie erkennen: Man kann nur <strong>auf</strong> einem<br />
Stuhl sitzen. Oder wie es in einem Film-Klassiker heißt: „Hinter wie vielen<br />
Yachten kannst Du eigentlich Wasserski l<strong>auf</strong>en?“ Geld macht nicht glücklich –<br />
auch wenn kein Geld unglücklich machen kann.<br />
Dem Einsteiger mag diese Idee abgehoben vorkommen. „Lass mich erst mal<br />
Kohle verdienen, dann werde ich auch wissen, was ich damit anfange. Eins<br />
nach dem andern.“ Trugschluss.<br />
Eben weil der Weg zur ersten Million (wenn sie durch Trading verdient<br />
wer<strong>den</strong> soll) lang <strong>und</strong> steinig ist, ist eine glasklare Motivation notwendig. Sie<br />
müssen sich am Ziel Ihrer Wünsche sehen können – <strong>und</strong> dieses Bild muss Sie<br />
antreiben.<br />
Michael Schumacher hat mit sechs Jahren angefangen Auto zu fahren. Als<br />
Jugendlicher hat er trainiert, wenn seine Altersgenossen um die Häuser<br />
zogen. Als Erwachsener hat er seinen Wohnwagen direkt neben der<br />
Trainingsstrecke <strong>auf</strong>gestellt, um Zeit zu sparen. Er hat das nicht getan, weil er<br />
es musste, sondern weil er es wollte. Weil ihn innerlich etwas angetrieben hat.<br />
Warren Buffett hat mit sechs Jahren seine ersten Dollars verdient. Mit elf<br />
hatte er das klare Ziel: „Ich bin mit 35 Jahren Millionär.“ Sein ganzes Leben<br />
hat er dieser großen Idee untergeordnet – <strong>und</strong> sein Ziel erreicht. Die<br />
Fokussierung <strong>auf</strong> sein Ziel hat ihn dahin gebracht, wo er heute steht – <strong>auf</strong><br />
Platz 3 der Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt.<br />
Vor dem Erfolg steht die Anstrengung, <strong>und</strong> die ist gerade im Trading<br />
überdurchschnittlich hoch. Sie müssen sich gegen gesellschaftliche<br />
Konditionen <strong>auf</strong>lehnen. Sie müssen wie ein Unternehmer <strong>den</strong>ken <strong>und</strong><br />
handeln. Sie müssen für Ihre Ausbildung bezahlen – mit Ihrem eigenen Geld.<br />
Sie brauchen Zeit <strong>und</strong> Geduld.<br />
Bis zum profitablen Trading vergehen Jahre. Ich persönlich habe nach drei<br />
Jahren mein erstes profitables Jahr abgeschlossen. Andere brauchen nur ein<br />
oder zwei Jahre, die meisten jedoch schaffen es nie.<br />
Wenn eine Lehre als Bäcker, Automechaniker oder Versicherungsk<strong>auf</strong>mann<br />
schon drei Jahre braucht – warum sollte es bei der Ausbildung zum Trader<br />
weniger sein? Wir hätten sonst weder Automechaniker, noch Bäcker, noch<br />
Bürok<strong>auf</strong>leute. Wir hätten keine Rechtsanwälte oder Chirurgen, wenn Trading<br />
schnell erlernbar wäre.<br />
Sie wer<strong>den</strong> <strong>auf</strong> dem Weg zum Ziel immer wieder <strong>den</strong> Drang spüren, die Flinte<br />
ins Korn zu werfen. Sie wer<strong>den</strong> Dutzende Möglichkeiten fin<strong>den</strong>, wie Sie Ihr<br />
Geld leichter verdienen können. Fre<strong>und</strong>e wer<strong>den</strong> Ihnen das <strong>Tra<strong>den</strong></strong> ausre<strong>den</strong>.<br />
Die Botschaft ist klar: Der Weg zum erfolgreichen Trader ist ein Marathon,<br />
kein Spaziergang. Nur wer das Ziel kennt, weiß, in welche Richtung er zu<br />
l<strong>auf</strong>en hat.
S e i t e | 9<br />
Setzen Sie sich ein Ziel, das SMART ist. SMART steht für spezifisch,<br />
ausführbar, messbar, realistisch, terminiert. „Ich erreiche 30% jährliche<br />
Rendite“ ist ein positives, realistisches, zeitlich begrenztes, anspruchsvolles<br />
Ziel. „Ich will vom Trading leben“ ist hingegen diffuses Wunsch<strong>den</strong>ken.<br />
W E R N I C H T W E I ß , W O E R H I N W I L L , M U S S S I C H N I C H T<br />
W U N D E R N , W O E R A N K O M M T .<br />
2. DENKEN SIE WIE EIN UNTERNEHMER?<br />
Viele Trader verstehen nicht, dass Trading kein Hobby ist, sondern eine<br />
unternehmerische Tätigkeit. Es steckt eine klare Gewinnerzielungsabsicht<br />
dahinter. Unternehmertum ist aber in Deutschland ein Außenseiter-Job. Wer<br />
eine eigene Firma gründet, um damit Geld zu verdienen, erntet schnell<br />
Kommentare wie „Hast wohl keine Arbeit gef<strong>und</strong>en? Hast Du nicht studiert,<br />
Du könntest doch was Or<strong>den</strong>tliches machen?“ Wer sich in seinem<br />
Unternehmertum nicht <strong>auf</strong> andere, sondern nur <strong>auf</strong> sich selbst verlässt,<br />
übernimmt Verantwortung. Das aber ist etwas, was <strong>den</strong> Deutschen seit<br />
mindestens 40 Jahren konsequent abgewöhnt wird. Um die Ges<strong>und</strong>heit<br />
kümmert sich der Ges<strong>und</strong>heitsminister <strong>und</strong> die Krankenkasse, um die Rente<br />
die Rentenkasse, um <strong>den</strong> Job der Betriebsrat <strong>und</strong> die<br />
Arbeitslosenversicherung. Viele Deutsche lassen sich vom System der sozialen<br />
R<strong>und</strong>umversorgung noch einlullen, genießen die Infantilisierung <strong>und</strong><br />
Entmündigung. Diese unbewusste gesellschaftliche Konditionierung führt<br />
dazu, dass jeder, der anders <strong>den</strong>kt <strong>und</strong> handelt, schnell stigmatisiert wird.<br />
Trading heißt: Ich bin für mich verantwortlich, für je<strong>den</strong> Gewinn, für je<strong>den</strong><br />
Verlust. Ich entscheide, wann ich ein- <strong>und</strong> aussteige, wann ich keinen Trade<br />
mache. Ich weiß, dass ich in mein Trading investieren muss – vor allem<br />
Energie, Zeit, Geld. Ich weiß, dass ich gesellschaftliche Normen verletzen<br />
muss, um zu gewinnen. Ich nehme anderen ihr Geld weg. Wollen Sie das?<br />
Können Sie damit leben?<br />
Schließlich: Trader stehen in einem harten Wettbewerb. 90 Prozent der<br />
Trader zahlen ein – <strong>10</strong> Prozent der Trader leben von <strong>den</strong> Verlusten der<br />
anderen. Können Sie damit leben, <strong>den</strong> Rest ihres Lebens in diesem harten<br />
Konkurrenzkampf zu stehen? Wenn Sie <strong>den</strong> Sprung zur Profitabilität<br />
schaffen, wird es nicht leichter. Wer einmal an der Spitze der B<strong>und</strong>esliga-<br />
Tabelle im Fußball, der Tennis- oder Formel-1-Weltrangliste stand, hat<br />
deshalb noch kein Abonnement <strong>auf</strong> <strong>den</strong> Erfolg. Er muss härter arbeiten als<br />
alle, die ihn jagen.<br />
3. INVESTIEREN SIE AUSREICHEND VIEL ZEIT?<br />
Trading muss kein Vollzeitjob sein. Sicher ist es möglich, <strong>den</strong> ganzen Tag wie<br />
hypnotisiert <strong>auf</strong> einen Bildschirm zu starren. Aber ehrlich: Ist das Ihr Ziel?<br />
Der Traum von der Freiheit – sieht er so aus? Die Kurse bewegen sich keinen<br />
Punkt schneller, weil Sie vor dem Rechner sitzen <strong>und</strong> dem <strong>DAX</strong>® beim<br />
Steigen oder Fallen zuschauen. Der Markt existiert auch ohne Ihr Zutun.<br />
Ihr bisheriges Leben folgt bestimmten Bahnen: Beruf, Familie, Fre<strong>und</strong>e,<br />
Hobbies, soziale Verpflichtungen. Das alles sollten Sie auch in Zukunft<br />
pflegen. Fin<strong>den</strong> Sie in <strong>den</strong> 168 St<strong>und</strong>en, die jeder Mensch pro Woche zur
S e i t e | <strong>10</strong><br />
Verfügung hat, das Zeitfenster, das Sie regelmäßig mit Trading belegen<br />
möchten. Bauen Sie Trading in Ihren Tagesabl<strong>auf</strong> an einer bestimmten Stelle<br />
ein. Es muss zu einer Gewohnheit wer<strong>den</strong> wie das tägliche Zähneputzen.<br />
Der Gr<strong>und</strong> hierfür ist ganz einfach: Trading erfordert permanentes Trainieren<br />
<strong>und</strong> Üben. Wer ein Musikinstrument, eine Sportart oder eine Fremdsprache<br />
erlernt, hat es längst begriffen: Kontinuierliche Beschäftigung mit der Materie<br />
(<strong>und</strong> seien es nur täglich <strong>10</strong> Minuten) führen eher ans Ziel, als sporadische<br />
Hau-Ruck-Aktionen. Muskeln müssen wachsen, dafür brauchen sie<br />
regelmäßige Belastung. Neuronale Bahnen im Gehirn wachsen ebenfalls nur<br />
durch die permanente Auseinandersetzung mit einer Sache.<br />
Trading ist zum größten Teil Routine, durch Wiederholung erlangte<br />
Selbstsicherheit. Sind Sie bereit, die Zeit für das Erlernen dieser Routine zu<br />
investieren?<br />
4. INVESTIEREN SIE IN IHRE TECHNISCHE UND<br />
SOZIALE INFRASTRUKTUR?<br />
Trading ist auch deshalb so verlockend, weil die Investitionen in dieses<br />
Gewerbe recht überschaubar erscheinen. Einen Computer mit Internetzugang<br />
nenne viele ihr Eigen <strong>und</strong> so ist <strong>den</strong>n das wichtigste Utensil für erfolgreiches<br />
Trading scheinbar schon vorhan<strong>den</strong>. Gewerbeanmeldung, K<strong>und</strong>enakquise,<br />
Lohnbuchhaltung, Auftragsmanagement, unbezahlte Rechnungen? All diese<br />
Kopfschmerzen hat der „Unternehmer Trader“ nicht.<br />
Tatsächlich sollte man der technischen Infrastruktur ein gewisses Augenmerk<br />
schenken. Rechner <strong>und</strong> Internetzugang sind Pflicht. Ein griffbereites,<br />
<strong>auf</strong>gela<strong>den</strong>es Handy für <strong>den</strong> Notruf zum Broker, falls Internet <strong>und</strong> Strom<br />
ausfallen ist ein Muss. Backups aller wichtigen Daten gehören dazu. Sie<br />
möchten täglich mehrere St<strong>und</strong>en ins Trading investieren? Dann wäre ein<br />
separates Arbeitszimmer wichtig, dazu mindestens zwei Monitore von guter<br />
Qualität, ein ergonomischer Bürosessel, eine funktionierende Ablage.<br />
Was aber viele Trader völlig unterschätzen: Trading benötigt eine soziale<br />
Infrastruktur. Das Geschäft ist einsam <strong>und</strong> häufig frustrierend. Trader<br />
benötigen daher <strong>den</strong> Gedankenaustausch mit einem oder mehreren<br />
Gleichgesinnten. Den zu fin<strong>den</strong>, kann ohne Probleme ein Jahr oder länger in<br />
Anspruch nehmen. Trader trifft man nicht <strong>auf</strong> dem städtischen<br />
Eink<strong>auf</strong>sboulevard, sie sind eine scheue Spezies, man muss sie suchen. Auch<br />
im Internet gibt es sehr wenige ehrliche Trader. Hat man dann eine Handvoll<br />
echter Trader gef<strong>und</strong>en, muss darunter auch noch derjenige sein, mit dem<br />
man vertrauensvoll über seine Gewinne <strong>und</strong> Verluste, seine Fehler <strong>und</strong><br />
Schwächen, aber auch über seine Erfolge re<strong>den</strong> möchte. Die Chemie muss<br />
stimmen.<br />
Auch im Kreise der Familie muss man sich Rückhalt verschaffen. Wissen<br />
Ehepartner <strong>und</strong> Kinder, was Sie da tun? Heißen sie es gut, stehen sie zu<br />
Ihnen? Wie schauen Ihre Verwandten <strong>auf</strong> Sie, wenn Sie plötzlich verkün<strong>den</strong>:<br />
„In zehn Jahren bin ich Millionär!“ Ernten Sie mitleidige Blicke oder<br />
<strong>auf</strong>munterndes Schulterklopfen?
S e i t e | 11<br />
5. HABEN SIE AUSREICHEND GELD?<br />
Es gibt heute Broker, die schnellen Reichtum verheißen, wenn man mit 200<br />
Dollar ein Handelskonto eröffnet. Von solchen Lock-Angeboten sollte man die<br />
Finger lassen. Zum Thema Geld gibt es drei Gedanken, die ich hier<br />
diskutieren möchte:<br />
H A B E N S I E E I N R E G E L M Ä ß I G E S E I N K O M M E N ?<br />
Diese Frage sollte ganz am Anfang klar sein: Es ist ein Unterschied, ob man<br />
tradet <strong>und</strong> die Miete ist bezahlt oder ob man tradet, um seine Miete bezahlen<br />
zu können. Es gibt Situationen, da bleibt man besser dem Markt fern. Wer<br />
dann keine regelmäßigen Einnahmen hat, wird schnell unvernünftige oder<br />
suboptimale Trades setzen. Die Familie, der jährliche Urlaub, der<br />
gelegentliche Restaurant- <strong>und</strong> Theaterbesuch – all das muss finanzierbar sein<br />
<strong>und</strong> bleiben. Trading muss abseits des täglichen Cash-Flow starten, mit Geld,<br />
das tatsächlich „übrig“ ist. Es wird in <strong>den</strong> ersten Monaten, wahrscheinlich<br />
sogar Jahren, Geld verloren gehen. Dieses Lehrgeld sollten Sie einplanen,<br />
ohne in existentielle Ängste zu verfallen.<br />
K Ö N N E N S I E E I N E N B E D E U T S A M E N B E T R A G I N I H R T R A D I N G<br />
I N V E S T I E R E N ?<br />
Beim Trading fangen viele mit einem sehr kleinen Konto an. Angenommen,<br />
ich eröffne ein Konto mit 1.000 Euro. Angenommen, ich erziele im Verl<strong>auf</strong>e<br />
eines Handelsjahres 30 Prozent Rendite. Dann arbeite ich ein Jahr lang für<br />
300 Euro. Das erscheint vielen Anfängern lächerlich – also wird mit <strong>den</strong><br />
eintausend Euro gezockt, um die Rendite zu pushen. Der Ausgang dieser<br />
Zockerei ist meist letal. Macht aber nichts, <strong>den</strong>n dann wer<strong>den</strong> wieder 1.000<br />
Euro eingezahlt <strong>und</strong> das Spiel geht von vorn los. Irgendwann wird man schon<br />
<strong>den</strong> Jackpot-Trade lan<strong>den</strong>.<br />
Kleine Konten wer<strong>den</strong> von vielen angehen<strong>den</strong> Tradern als „Spielgeld“<br />
betrachtet, sie sind mental schon abgeschrieben. Mit der logischen Folge, dass<br />
man sich für das Spielgeld auch nicht anstrengt, sondern es eben mit<br />
spielerischer Hand verliert. Der Wiederbeschaffungswert eines kleinen<br />
Kontos ist niedrig – nach wenigen Wochen kann man wieder 1.000 Euro<br />
überweisen <strong>und</strong> in die nächste R<strong>und</strong>e starten.<br />
Deshalb ist es wichtig, einen bedeutsamen Betrag <strong>auf</strong> sein Trading-Konto<br />
einzuzahlen. Nur dann wird man mit Zähnen <strong>und</strong> Klauen um je<strong>den</strong> Cent<br />
kämpfen. Nur wenn der Verlust Schmerzen verursacht, sind wir bereit,<br />
Lehren zu ziehen. Nur wenn wir lange gespart haben, um das Konto zu<br />
kapitalisieren, sind wir auch bereit, dieses Kapital zu verteidigen. Die<br />
konkrete Summe muss jeder für sich selbst festlegen, <strong>den</strong>n für <strong>den</strong> einen sind<br />
schon die besagten Tausend Euro eine Menge Geld. Andere versenken aber<br />
gern <strong>den</strong> zehnfachen Betrag, ohne sich darüber <strong>den</strong> Kopf zu zerbrechen.<br />
Fin<strong>den</strong> Sie Ihre Schmerzgrenze <strong>und</strong> tra<strong>den</strong> Sie mit einem Konto, dessen<br />
Größe geringfügig darunter liegt.
S e i t e | 12<br />
W I E G R O ß D A R F M E I N T R A D I N G - K O N T O S E I N ?<br />
Auch zu große Konten können ein Fehler sein. Wer mit sechs- <strong>und</strong><br />
siebenstelligen Beträgen jongliert, ohne dass er von der handwerklichen Seite<br />
des Trading viel Ahnung hat, ist eine willkommene Beute für erfolgreiche<br />
Trader. <strong>Tra<strong>den</strong></strong> mit einem großen Konto birgt für <strong>den</strong> typischen deutschen<br />
Angestellten eine große, latente Gefahr: Er sieht hier in Minuten komplette<br />
Monatsgehälter an seinem Auge vorüberziehen, egal, ob als Gewinn oder<br />
Verlust. Diese ungewohnt großen Summen machen es schwer, emotionslos<br />
dem eigenen Trading-Plan zu folgen. Für 50 Euro wird man die eigenen<br />
Regeln nicht verletzten – aber für 5.000 Euro schon. Es fällt schwer, an die<br />
Bedeutungslosigkeit des einzelnen Trades zu glauben, wenn man gerade zwei<br />
Monatsgehälter versenkt hat <strong>und</strong> weiß, das könnte im nächsten Trade wieder<br />
passieren. „Rumrutschfaktor“ nennt Profitrader Michael Voigt die Summe,<br />
bei der ein Trader anfängt nervös <strong>auf</strong> dem Stuhl umherzurutschen. Diesen<br />
Betrag muss man ausloten.<br />
Es ist deshalb eine gute Idee, mit einem Konto zu handeln, das groß genug ist,<br />
dass der Verlust schmerzen würde, aber klein genug, um <strong>den</strong> persönlichen<br />
Rumrutschfaktor nicht zu erreichen. Wenn das Trading-Konto langsam<br />
wächst, wächst auch der Rumrutschfaktor. Wer sich heute über <strong>10</strong>0 Euro<br />
Verlust <strong>den</strong> Kopf zermartert, wird im Jahr zehn der Traderkarriere<br />
wahrscheinlich über diesen Betrag gar nicht mehr nach<strong>den</strong>ken <strong>und</strong> erst bei<br />
einem Betrag von <strong>10</strong>.000 Euro nervös wer<strong>den</strong>.<br />
Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich sagen: Ich habe zunächst ein für<br />
mich zu großes Konto gehandelt, es waren 25.000 Euro – nahezu die gesamte<br />
Abfindung meines Angestelltenjobs im Jahr 2003. Vier Jahre später habe ich<br />
nach der Hausbau-Pause mit einem 3.000-Euro-Konto das Trading wieder<br />
<strong>auf</strong>genommen. Der Geldbetrag war groß genug, um mein langfristiges Ziel zu<br />
erreichen <strong>und</strong> klein genug, um die Regeln nicht zu verletzen, die ich mir selbst<br />
<strong>auf</strong>erlegt hatte. Mittlerweile trade ich ein Konto, das mehr als zehn Mal so<br />
groß ist, ohne über die Summen nachzu<strong>den</strong>ken. Es geht um <strong>den</strong> sauberen<br />
Prozess – nicht ums Geld.
S e i t e | 13<br />
TEIL 1: MÄRKTE, GEGNER, WAFFEN<br />
Es wird gemeinhin sehr viel Energie <strong>auf</strong> das Fin<strong>den</strong> aussichtsreicher<br />
Marktchancen verwendet. Um dem ungeduldigen Lernen<strong>den</strong> einen schnellen<br />
Einstieg in <strong>den</strong> aktiven Handel zu ermöglichen, geben wir an dieser Stelle<br />
einen Überblick über die Besonderheiten der einzelnen Märkte, ohne bereits<br />
in die Tiefe gehen zu können.<br />
Generell stehen dem Trader fünf Assetklassen zur Verfügung, die er<br />
beobachten kann. Jeder dieser Märkte hat eine Reihe von Besonderheiten, die<br />
er berücksichtigen sollte.<br />
ROHSTOFFE<br />
Diese Märkte gelten als illiquide, auch wenn Öl <strong>und</strong> Gold beispielsweise in<br />
<strong>den</strong> vergangenen Jahren stark an Liquidität gewonnen haben. Viele<br />
professionelle Rohstoffhändler, Produzenten <strong>und</strong> Konsumenten dieser<br />
Rohstoffe gehören zu <strong>den</strong> Marktteilnehmern, gegen die der „Hobby-Trader“<br />
antritt. Daneben sind zunehmend auch Spekulanten (Hedge-Fonds,<br />
institutionelle <strong>und</strong> private Trader) in diesem Marktsegment anzutreffen. Die<br />
Rohstoffmärkte sind stark reguliert. Saisonale Bewegungen treten häufig <strong>auf</strong>.<br />
Es ist wichtig, Kontraktspezifikationen, Referenzbörsen <strong>und</strong> Handelszeiten<br />
genau zu kennen. Rohstoffe gelten als trendstark. Besonderheiten sind die<br />
schnellen Trendumkehren. Auf Gr<strong>und</strong> der geringen Liquidität gibt es<br />
außeror<strong>den</strong>tlich selten Doppeltops oder Doppelbö<strong>den</strong>. Dies stellt hohe<br />
Anforderungen an das Timing des Rohstoff-Traders. Meist gibt es weder für<br />
<strong>den</strong> Ein-, noch für <strong>den</strong> Ausstieg eine „zweite Chance“, so dass für <strong>den</strong><br />
Einsteiger diese Märkte nur bedingt geeignet sind. Wer Rohstoffe nutzen<br />
möchte, sollte <strong>auf</strong> Gr<strong>und</strong> der hohen absoluten Volatilität die Regeln der<br />
Positionsgrößenbestimmung extrem defensiv anwen<strong>den</strong>.<br />
WÄHRUNGEN<br />
Dieser Markt ist im Unterschied zu Rohstoffen ein hochliquider Markt mit<br />
einem Tagesumsatz von mehr als 4 Billionen US-Dollar. Es handelt sich um<br />
einen reinen Interbankenmarkt, der nicht durch Aufsichtsbehör<strong>den</strong> reguliert<br />
ist, weil er an keiner Börse stattfindet. In diesem Segment treiben sehr viele<br />
unseriöse Anbieter ihr Unwesen. Marktteilnehmer sind Zentralbanken, große<br />
Geschäftsbanken <strong>und</strong> international agierende Unternehmen, Hedge-Fonds, in<br />
<strong>den</strong> letzten Jahren zunehmend Privatanleger. Währungen unterliegen starken<br />
politischen Einflüssen, wie etwa Konjunkturentwicklungen <strong>und</strong><br />
Zinsentscheidungen. Währungen bil<strong>den</strong> starke, langanhaltende Trends aus.<br />
Sie wer<strong>den</strong> wochentags 24 St<strong>und</strong>en täglich gehandelt. Auch wenn sie<br />
allgemein prozentual wenig volatil sind, so sorgen die niedrigen Marginsätze<br />
<strong>und</strong> die daraus resultierende große Positionsgröße für starke Bewegungen in<br />
<strong>den</strong> Traderkonten. Für Einsteiger ist dieser Markt bei entsprechend kleiner<br />
Positionsgröße <strong>und</strong> striktem Risikomanagement gut geeignet. Währungen<br />
eignen sich sehr gut für die Technischer Analyse.<br />
ANLEIHEN
S e i t e | 14<br />
Anleihen (im Rahmen dieses Buches: Staatsanleihen) wer<strong>den</strong> zu Unrecht von<br />
<strong>den</strong> meisten Anlegern vernachlässigt. Sie wer<strong>den</strong> von vielen institutionellen<br />
Anlegern gehandelt. Pensionskassen, Versicherungen, Renten- <strong>und</strong><br />
Investmentfonds investieren häufig in Staatsanleihen. Sie sind hochliquide<br />
<strong>und</strong> trendstabil. Sie sind zu <strong>den</strong> Aktienmärkten in der Regel negativ<br />
korreliert, gelten in Zeiten fallender Aktienkurse <strong>und</strong> steigender Unsicherheit<br />
als „sichere Häfen“. Konjunktur- <strong>und</strong> Zinsentwicklungen wirken sich <strong>auf</strong><br />
Anleihenkurse aus. Anleihen gelten als wenig volatil, wer<strong>den</strong> daher gern mit<br />
hohen Hebeln gehandelt. Für Einsteiger lohnt es, sich mit Anleihen näher zu<br />
beschäftigen.<br />
AKTIEN<br />
Einzelaktien dürften <strong>den</strong> meisten Tradern aus dem Erfahrungshorizont am<br />
vertrautesten sein. Aktien sind Unternehmensanteile. Daher tummeln sich in<br />
diesem Markt sowohl langfristige Investoren aller Größen (von<br />
Investmentgesellschaften bis zu privaten Investoren), aber auch Arbitrageure,<br />
Spekulanten, Trader <strong>und</strong> Daytrader. Das sorgt für einen hoch liqui<strong>den</strong> Markt.<br />
Aktien neigen zu stabilem Trendverhalten. Auch Inhaber von kleineren<br />
Konten können mit Aktien eine beachtliche prozentuale Performance<br />
erreichen. Aktien stellen allerdings auch hohe Anforderungen an die<br />
Handelsvorbereitung. Neben der reinen Kursentwicklung (also der<br />
Untersuchung des Charts) sollten zumindest drei weitere Kriterien in Betracht<br />
gezogen wer<strong>den</strong>:<br />
<br />
<br />
<br />
Liquidität: Ist der Umsatz im betreffen<strong>den</strong> Papier so hoch, dass eine<br />
eröffnete Position jederzeit wieder geschlossen wer<strong>den</strong> kann? Die<br />
Liquidität wirkt sich direkt <strong>auf</strong> <strong>den</strong> Spread zwischen Geld- <strong>und</strong><br />
Briefkurs aus. Es empfiehlt sich, beim Handel von Aktien <strong>auf</strong> Blue<br />
Chips zurückzugreifen, hier ist die Liquidität am höchsten.<br />
F<strong>und</strong>amentales Geschäftsmodell: Handelt es sich um ein<br />
profitables Unternehmen? Ist es in einem Markt tätig, der stark von<br />
Konjunkturentwicklungen beeinflusst wird (Finanzen, High Tech)<br />
oder ist der Markt eher konjunkturunabhängig (Versorger, Food &<br />
Beverage)?<br />
Unternehmenskalender: Stehen in <strong>den</strong> bevorstehen<strong>den</strong><br />
Tagen/Wochen kursbeeinflussende Unternehmensereignisse<br />
(Bilanzdaten, Quartalsberichte, Divi<strong>den</strong><strong>den</strong>, Kapitalerhöhungen) <strong>auf</strong><br />
der Agenda?<br />
Wer als Berufstätiger Einzelaktien handeln möchte, sollte sich anfangs <strong>auf</strong><br />
eine kleine Auswahl beschränken. Wenn diese dann nachhaltig profitabel<br />
gehandelt wird, ist es möglich, das Spektrum zu erweitern, ohne dass der<br />
Zeit<strong>auf</strong>wand überproportional steigt.<br />
INDIZES<br />
Indizes sind eigentlich kein separater Markt, sondern „Körbe“ von Aktien. Es<br />
ist methodisch schwierig zu unterschei<strong>den</strong>: Ist der spanische Aktienindex nun<br />
ein Markt (eben von 35 führen<strong>den</strong> spanischen Aktien) oder ein<br />
Handelsinstrument (etwa ein Future oder ein CFD <strong>auf</strong> diesen Markt). Die<br />
Konstruktion der Indizes sorgt dafür, dass diese einerseits relativ betrachtet
S e i t e | 16<br />
Kapitalbasis verfügt. Rohstoff- <strong>und</strong> Währungsinvestments wer<strong>den</strong> in der<br />
Regel mittels anderer Instrumente getätigt.<br />
FUTURES<br />
Terminkontrakte wer<strong>den</strong> <strong>auf</strong> alle handelbaren Basiswerte angeboten – Aktien,<br />
Aktienindizes, Anleihen, Rohstoffe, selbst Wetter-Futures wer<strong>den</strong> an<br />
Terminbörsen gehandelt. Den Terminkontrakten lagen <strong>und</strong> liegen heute noch<br />
vielfach wirtschaftliche Erwägungen der Risiko-Absicherung zugr<strong>und</strong>e.<br />
Futures beinhalten das Recht <strong>und</strong> die Pflicht zur Lieferung oder Abnahme<br />
eines bestimmten Basiswertes zu einem festgelegten zukünftigen Termin. Sie<br />
wer<strong>den</strong> an regulierten Märkten, <strong>den</strong> Terminbörsen, gehandelt. Der Handel<br />
<strong>auf</strong> Margin ermöglicht es, hier mit geringem Kapitaleinsatz relativ große<br />
Summen zu bewegen. Das stellt aber auch hohe Anforderungen an das Risiko<strong>und</strong><br />
Money-Management. Ein Goldkontrakt an der Terminbörse hat einen<br />
Umfang von <strong>10</strong>0 Unzen Gold – <strong>und</strong> damit Anfang September 2012 einen<br />
Gegenwert von etwa 170.000 US-Dollar. Kontraktspezifikationen,<br />
Abwicklungsmodalitäten (das so genannte Clearing), Marginsätze,<br />
Referenzbörsen usw. müssen hier genauestens beachtet wer<strong>den</strong>.<br />
OPTIONEN<br />
Eine Option beinhaltet das Recht, aber keine Verpflichtung zur Lieferung oder<br />
Abnahme eines Basiswertes. Das ist der gr<strong>und</strong>legende Unterschied zum<br />
Terminkontrakt. Optionen sind „verfallende Werte“, d.h. wird eine Option<br />
nicht ausgeübt, verfällt sie am Verfallstag wertlos, während bei einem Future<br />
am Verfallstag immer ein Verlierer an einen Gewinner zahlt. Durchschnittlich<br />
70 bis 75% aller Optionen verfallen wertlos. Optionen wer<strong>den</strong> ebenfalls <strong>auf</strong><br />
Rohstoffe, Aktien, Währungen, Anleihen gehandelt. Sie erfreuen sich bei<br />
Privatanlegern wegen der komplizierten Preisbildung relativ geringer<br />
Beliebtheit. Hinzu kommt, dass im deutschsprachigen Raum die Zertifikate<strong>und</strong><br />
Optionsschein-Industrie durch ihre Marketing-Präsenz <strong>den</strong> privaten<br />
Anleger fast vollständig von diesem hochinteressanten Handelsinstrument<br />
fernhält. Dabei ist der Handel mit Optionen – wenn man ihn <strong>den</strong>n mit dem<br />
entsprechen<strong>den</strong> Fachwissen ausübt – ein stabiles, profitables <strong>und</strong> relativ<br />
risikoarmes Geschäft.<br />
KURSDIFFERENZKONTRAKTE (CFDS)<br />
Kursdifferenzkontrakte (Contracts for Difference, CFDs) sind seit <strong>den</strong> späten<br />
80er Jahren des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts in Großbritannien entstan<strong>den</strong>. Sie dienten<br />
ursprünglich als Instrument der Steuervermeidung. Mittlerweile haben sich<br />
H<strong>und</strong>erte von Anbietern für CFDs etabliert. Im Prinzip handelt es sich bei<br />
einem CFD um einen adjustierten Endlosfuture, also ein gehebeltes Derivat<br />
<strong>auf</strong> einen Basiswert, der meist keinen Verfallstermin hat. CFDs wer<strong>den</strong> nicht<br />
an regulierten Börsen gehandelt, sondern wer<strong>den</strong> von speziellen Market<br />
Makern angeboten. Diese unterwerfen sich meist einer Regulierung durch<br />
staatliche Aufsichtsbehör<strong>den</strong>, wobei die Zuständigkeit dieser Behör<strong>den</strong> strittig<br />
ist. CFDs sind im Unterschied zu Zertifikaten keine Schuldverschreibungen,<br />
sondern Sondervermögen, damit also etwas ausfallsicherer als
S e i t e | 17<br />
Optionsscheine, Zertifikate u.ä. CFDs decken inzwischen nahezu jedes<br />
Marktspektrum ab. Größter Vorteil für Private: Die kleine Stückelung<br />
ermöglicht es auch dem Einsteiger, hier an Märkten tätig zu wer<strong>den</strong>, die sonst<br />
nur kapitalkräftigen Profis vorbehalten sind. Größte Herausforderung sind die<br />
immensen Hebel – es gibt CFD-Anbieter, die Marginsätze von 0,2% anbieten.<br />
Zusätzliche Kosten entstehen dem CFD-Trader durch ausgeweitete Spreads,<br />
hohe Transaktionskosten <strong>und</strong> Zinsen für das <strong>auf</strong>genommene Fremdkapital.<br />
Mittlerweile gibt es CFD-Anbieter, die <strong>den</strong> so genannten Direct Market Access<br />
(DMA) anbieten. Hier löst der CFD-Trader mit seinem Trade direkt <strong>und</strong><br />
automatisch einen Hedge-Trade an der entsprechen<strong>den</strong> Präsenzbörse aus.<br />
Außerdem gibt es Möglichkeiten, <strong>den</strong> Hebel selbst zu regulieren bzw. die<br />
Ordergröße nicht in Kontrakten sondern in Geldvolumina zu definieren.<br />
FONDS<br />
Fonds gibt es für nahezu jedes Marktsegment, in beliebiger<br />
Zusammensetzung <strong>und</strong> Risikostreuung. Negativ sind die meist hohen Kosten,<br />
die aus der strengen Regulierung <strong>und</strong> dem hohen Verwaltungs<strong>auf</strong>wand<br />
resultieren. Dazu kommt die schlechte Performance der meisten aktiv<br />
gemanagten Fonds. So genannte passive Fonds (<strong>Index</strong>-Fonds) reduzieren<br />
zwar die Verwaltungskosten <strong>auf</strong> ein Minimumg, sind aber in der Performance<br />
eben auch nicht besser als die zugr<strong>und</strong>e liegen<strong>den</strong> Underlyings. Der Vorteil<br />
von Investmentfonds aller Art ist die kleine Summe, mit der der private<br />
Anleger sich beteiligen kann –meist in der Form regelmäßiger „Sparraten“. In<br />
<strong>den</strong> meisten Fällen sind Fonds für <strong>den</strong> Privatanleger keine Alternative, da die<br />
Kosten die Erträge belasten. Ausnahmen bil<strong>den</strong> einige so genannte ETFs<br />
(Exchange Traded F<strong>und</strong>s – börsengehandelte Fonds), die über Börsen<br />
gehandelt wer<strong>den</strong> können.<br />
ZERTIFIKATE, OPTIONSSCHEINE<br />
Die Finanzindustrie hat in <strong>den</strong> vergangenen zehn Jahren eine völlig neue<br />
Klasse von Trading- <strong>und</strong> Investmentvehikeln erf<strong>und</strong>en. Diese Optionsscheine<br />
<strong>und</strong> Zertifikate gibt es in mehreren H<strong>und</strong>erttausend Varianten <strong>und</strong> von<br />
einigen Dutzend verschie<strong>den</strong>en Emittenten. Sie wer<strong>den</strong> aggressiv angeboten,<br />
<strong>den</strong>n sie sind eine wichtige Einnahmequelle der Banken gewor<strong>den</strong>: Als<br />
Emittenten verk<strong>auf</strong>en sie die Papiere an <strong>den</strong> Anleger, k<strong>auf</strong>en sie von ihm<br />
zurück <strong>und</strong> das alles zu einem von ihnen selbst gestellten Preis. Auch die<br />
sogenannten Zertifikatebörsen sind da nur ein „Feigenblatt“, schließlich<br />
agieren dort die gleichen Emittenten, nur eben im Verb<strong>und</strong> mit anderen. Die<br />
Preisstellung mag etwas günstiger sein, am Prinzip ändert das nichts. Viele<br />
dieser Zertifikate <strong>und</strong> „Scheine“ sind in der Preisbildung kompliziert,<br />
intransparent, ten<strong>den</strong>ziell sind sie immer so konstruiert, dass der Emittent als<br />
Gewinner vom Platz geht. Dazu kommt, dass spätestens seit dem Bankrott der<br />
Lehman Brothers klar ist, dass das Emittentenrisiko nicht nur eine Formalie<br />
ist: Da es sich rechtlich um Schuldverschreibungen handelt, trifft ein Bankrott<br />
des Emittenten <strong>den</strong> Käufer eines solchen Papiers direkt.<br />
Wer sich näher mit diesen Derivaten befassen möchte, findet reichlich<br />
einschlägige Informationen im Buchhandel <strong>und</strong> im Internet. Persönlich bin
S e i t e | 18<br />
ich kein Fre<strong>und</strong> dieser Handelsinstrumente – ich verstehe die meisten von<br />
ihnen nicht <strong>und</strong> benötige sie schlicht nicht für das Erreichen meiner Ziele.<br />
MARKTTEILNEHMER<br />
Wer <strong>auf</strong> <strong>den</strong> Finanzplätzen zum Kampf ums große Geld antritt, sollte seine<br />
Gegner kennen.<br />
INVESTOREN<br />
Die weitaus größte Gruppe von Marktteilnehmern ist die der institutionellen<br />
Investoren. Dazu gehören Investmentgesellschaften, Fonds, Banken,<br />
Versicherungen, Private-Equity-Gesellschaften, Hedge-Fonds,<br />
Vermögensverwaltungen, Family Offices, vermögende Privatk<strong>und</strong>en.<br />
Sie investieren in Vermögenswerte mit einem langfristigen Anlagehorizont.<br />
Häufig benutzen sie f<strong>und</strong>amentale Ansätze. Ihre „Spuren“ hinterlassen sie im<br />
Chart in Form von Kursanstiegen oder Kursabschlägen, die sich über Wochen,<br />
Monate <strong>und</strong> Jahre hinziehen können. Ihr Problem ist ihre Größe: Um<br />
nennenswerte Positionen <strong>auf</strong>- <strong>und</strong> abzubauen benötigen sie je nach Liquidität<br />
des Assets bis zu mehrere Monate. Das kann die Ursache für langanhaltende<br />
Trends sein.<br />
HEDGER<br />
Auch diese Gruppe ist zahlreich vertreten. Professionelles Hedging meint<br />
Sicherungsgeschäfte. Dies können Geschäfte zur Absicherung gegen<br />
Währungsschwankungen in einem international tätigen Unternehmen, gegen<br />
schwankende Eink<strong>auf</strong>s- oder Verk<strong>auf</strong>spreise im Rohstoff- oder<br />
Währungsmarkt, gegen steigende oder fallende Zinsen, gegen steigende oder<br />
fallende Aktienkurse sein.<br />
Auch diese Gruppe agiert längerfristig, insbesondere im Rohstoff- <strong>und</strong><br />
Währungsmarkt. Im Aktienmarkt findet Hedging vorzugsweise über<br />
Optionsgeschäfte statt.<br />
ARBITRAGEURE<br />
Arbitrage ist die risikolose Ausnutzung von Marktineffizienzen. Dies ist eine<br />
kleine, hochspezialisierte Gruppe von Marktteilnehmern, die sehr kurzfristig<br />
agiert – häufig im Sek<strong>und</strong>en- <strong>und</strong> Millisek<strong>und</strong>enbereich. Durch Arbitrage-<br />
Geschäfte wer<strong>den</strong> Disbalancen in <strong>den</strong> Märkten beseitigt. Beispielsweise sind<br />
das unterschiedliche Kurse für die gleiche Aktie oder <strong>den</strong> gleichen Rohstoff an<br />
verschie<strong>den</strong>en Börsenplätzen, aber auch Ineffizienzen etwa bei der<br />
Preisstellung von Futures, Indizes <strong>und</strong> Optionen. Das wird immer wieder zu<br />
Zeiten marktbewegender Nachrichten spürbar.<br />
Arbitrage findet häufig mit ausgefeilten Computersystemen statt, die<br />
Ungleichgewichte <strong>auf</strong>spüren <strong>und</strong> in kürzester Zeit Trades platzieren <strong>und</strong><br />
wieder schließen.
S e i t e | 19<br />
SPEKULANTEN<br />
Diese Gruppe ließe sich natürlich weiter unterteilen in Trend-Trader, Swing<strong>und</strong><br />
Daytrader, Scalper usw. Hier findet sich auch der private Trader wieder.<br />
Sein Ziel ist es, kurz- <strong>und</strong> mittelfristig von Kursbewegungen zu profitieren.<br />
Spekulanten sind für die Märkte wichtig, da sie einen Großteil der täglichen<br />
Liquidität zur Verfügung stellen.<br />
In dieser Gruppe tummeln sich auch kurzfristig agierende Hedgefonds,<br />
Eigenhandelsbüros (Proprietary Trading Companies), Handels-Abteilungen<br />
in Banken. Es ist wichtig zu wissen, dass diese Marktteilnehmer<br />
hochspezialisiert <strong>und</strong> hochtechnisiert agieren, um zu verstehen, dass der<br />
private Kurzfristtrader hier gegen nahezu je<strong>den</strong> Gegner mit ungleichen<br />
Waffen antritt.<br />
BROKER<br />
Die Wahl des richtigen Brokers ist nicht der erste, sondern nach der<br />
Zielbestimmung <strong>und</strong> Marktauswahl frühestens der dritte Schritt für einen<br />
angehen<strong>den</strong> Trader oder Investor. Denn was ist der „richtige“ Broker?<br />
Abhängig von Anlagezielen, Kontogröße, Marktauswahl, Handelsfrequenz<br />
<strong>und</strong> Handelsplan gibt es hier viele Faktoren zu beachten. Die nachfolgende<br />
Übersicht erhebt keinen Anspruch <strong>auf</strong> Vollständigkeit.<br />
EINLAGENSICHERUNG UND FINANZIELLE<br />
STABILITÄT<br />
Wer mit einem 1.000-Euro-Konto handelt, <strong>den</strong> kann die Pleite eines Brokers<br />
sicher nicht ruinieren. Wer aber mit mehreren Millionen Euro investiert ist,<br />
der darf sich schon Gedanken über die Stabilität des Brokers <strong>und</strong> die<br />
Sicherung der Einlagen machen. Ist der Broker börsennotiert, wie<br />
aussagekräftig ist die Webseite, wo ist er registriert <strong>und</strong> reguliert? Betreibt der<br />
Broker Market Making oder ein reines Brokergeschäft, betreibt er<br />
Eigenhandel? Wie lange gibt es <strong>den</strong> Broker bereits?<br />
ANGEBOTENE MÄRKTE<br />
Wer nur einen bestimmten Markt handeln möchte, kann<br />
<strong>auf</strong> Spezialbroker zurückgreifen, die beispielsweise nur<br />
Währungshandel anbieten. Wer allerdings<br />
perspektivisch <strong>auf</strong> mehreren Märkten unterwegs sein<br />
möchte, sollte dar<strong>auf</strong> achten, dass möglichst viele<br />
Asset-Klassen von dem Broker angeboten wer<strong>den</strong>.<br />
SOFTWARE<br />
Wer nur geringe Computerkenntnisse hat, legt <strong>auf</strong> einfache Bedienung der<br />
Handelssoftware mehr Wert als jemand, der professionell <strong>Handelssysteme</strong><br />
programmieren kann. Apple-Nutzer benötigen andere Software als Windows-<br />
Nutzer. Wer mobil handeln möchte, braucht möglicherweise eine<br />
browserbasierte Lösung. Gibt es eine Community, in der Software-Lösungen,<br />
Programmcodes <strong>und</strong> programmierte Tools diskutiert <strong>und</strong> ausgetauscht<br />
wer<strong>den</strong>?
S e i t e | 20<br />
SERVICE<br />
Gibt es eine kostenlose Hotline? Ist telefonische Orderausführung möglich?<br />
Ist ein Helpdesk verfügbar – wie ist es erreichbar, wie wird der K<strong>und</strong>e<br />
behandelt?<br />
AUS- UND WEITERBILDUNG<br />
Bietet der Broker Seminare oder Webinare an – zur Handhabung der eigenen<br />
Software, zu Analysemetho<strong>den</strong>, zu verschie<strong>den</strong>en Märkten?<br />
GEBÜHREN<br />
Durch niedrige Gebühren ist noch nie aus einem Verlierer ein Gewinner<br />
gewor<strong>den</strong>. Umgekehrt haben aber hohe Gebühren schon viele<br />
Handelsstrategien unprofitabel wer<strong>den</strong> lassen. Das betrifft insbesondere <strong>den</strong><br />
hochfrequenten Intraday-Handel. Wer nur einmal im Monat eine Position<br />
eröffnet <strong>und</strong> diese dann monatelang hält, kann sicher größere Gebühren<br />
verkraften als jemand, der am Tag 50 Trades mit einer durchschnittlichen<br />
Gewinnsumme von 20 Euro absetzt.<br />
DATENKOSTEN<br />
Wer End-of-Day-Strategien verfolgt, kann auch ohne die meist<br />
kostenpflichtigen Realtime-Daten arbeiten, für <strong>den</strong> kurzfristigen Handel ist<br />
das unmöglich. Die Kosten für Daten variieren erheblich, je nach Märkten,<br />
Kurshistorie <strong>und</strong> Markttiefe (Level 1, 2 oder 3).<br />
DATENQUALITÄT<br />
Vor allem im kurzfristigen Zeitfenster <strong>und</strong> für Systemtester ist die<br />
Datenqualität wichtig. Daytrader sollten <strong>auf</strong> Tickdaten Wert legen.<br />
Systemtester brauchen lange Kurshistorien mit möglichst fehlerfreien Daten.<br />
Insbesondere für Futures <strong>und</strong> Optionen (also Werte, die ein Verfallsdatum<br />
haben) ist es wichtig, auch <strong>auf</strong> historische Daten zugreifen zu können, um<br />
beispielsweise Handelsstrategien in unterschiedlichen Marktphasen zu testen<br />
(Bullen-, Bären- <strong>und</strong> Seitwärtsmärkte).<br />
CHARTING-TOOLS<br />
Wer sich der Technischen Analyse bedient, benötigt dazu ein Chart-Tool.<br />
Viele Broker bieten dies integriert in die Handelssoftware an, aber es gibt<br />
erhebliche qualitative Unterschiede. Welche Chartarten, Indikatoren,<br />
Zeichenwerkzeuge stehen zur Verfügung? Lässt sich direkt aus dem Chart<br />
handeln? Lassen sich Charts speichern, drucken, individuell konfigurieren?<br />
Dies gilt es vorab unbedingt zu prüfen. Auch hier muss sich jeder darüber klar<br />
wer<strong>den</strong>: Für <strong>den</strong> f<strong>und</strong>amental eingestellten Investor mögen die frei<br />
zugänglichen Charts verschie<strong>den</strong>er Finanzportale oder Online-Banken<br />
ausreichen. Für <strong>den</strong> aktiven Trader ist das eher selten der Fall.<br />
DAS EQUIPMENT<br />
Die technische Ausstattung ist je nach Handels- <strong>und</strong> Anlegertyp<br />
unterschiedlich. Es gibt allerdings Mindeststandards, die nicht unterschritten<br />
wer<strong>den</strong> sollten. Einen Mulitmonitor-Arbeitsplatz mit acht Bildschirmen<br />
braucht sich niemand zuzulegen, auch die Datenübertragung per Satellit ist in<br />
der Regel überflüssig.
S e i t e | 21<br />
DATENLEITUNG<br />
Eine DSL-Leitung sollte zur Standard-Ausrüstung gehören. Ersatzweise<br />
kommt auch eine mobile Breitbandverbindung, etwa über Handynetze in<br />
Frage. Funknetze bieten zunehmend Alternativen in ländlichen Gegen<strong>den</strong>, in<br />
<strong>den</strong>en kein DSL verfügbar ist.<br />
COMPUTER<br />
Der handelsübliche Desktop-PC reicht für <strong>den</strong> End-of-Day-Investor völlig aus,<br />
ebenso wie ein gewöhnlicher Laptop. Wer allerdings Wert <strong>auf</strong> eine große<br />
Anzahl von Charts legt, braucht oftmals mehrere Monitore. Das lässt sich über<br />
Dual-Head-Grafikkarten mittlerweile auch <strong>auf</strong> jedem handelsüblichen<br />
Rechner bewerkstelligen, auch an Laptops lassen sich externe Monitore<br />
anschließen. Wer täglich mehrere St<strong>und</strong>en vor dem Monitor verbringt, sollte<br />
<strong>auf</strong> einen möglichst großen Monitor mit einer sehr guten Auflösung <strong>und</strong><br />
Farbdarstellung achten.<br />
TELEFON<br />
So naiv es klingt – aber das Telefon, insbesondere das griffbereite,<br />
<strong>auf</strong>gela<strong>den</strong>e <strong>und</strong> eingeschaltete Mobiltelefon ist eine Backup-Lösung für <strong>den</strong><br />
Fall einer Störung. Die eingespeicherte Nummer des Brokers sollte als<br />
Kurzwahl zur Verfügung stehen, damit man im Falle eines Stromausfalls oder<br />
anderer Notfälle (Internet-Ausfall, Plattformausfall, Flash-Crash, Feuer,<br />
ges<strong>und</strong>heitliche Probleme. Klingeln an der Wohnungstür) offene Positionen<br />
schließen kann.<br />
BACKOFFICE<br />
Auf diesen Punkt wird im Abschnitt zu <strong>den</strong> Trading-Aufzeichnungen noch<br />
genauer eingegangen. Auf je<strong>den</strong> Fall ist es hilfreich, hier von Anfang an<br />
Ordnung zu halten. Eine Ablage für die Kontoauszüge,<br />
Transaktionsbestätigungen, Chart-Ausdrucke – das sollte vom ersten Tag an<br />
organisiert sein, damit man sich nicht einen Berg unbewältigten Papierkrams<br />
heranzüchtet. Ein unstrukturiertes Backoffice kann erhebliches Drohpotential<br />
entwickeln, die Kontoauszüge der vergangenen sechs Wochen haben <strong>den</strong><br />
Charme der Jahressteuererklärung.<br />
Bewährt hat sich ein Buchungsprogramm wie Quicken oder eine einfache<br />
Excel-Tabelle, in der alle Kontobewegungen <strong>auf</strong>gezeichnet wer<strong>den</strong>.<br />
ÜBUNG 1: ORIENTIERUNG<br />
Es stellt sich die erste Frage: Hält meine Motivation dem Praxistest stand?<br />
Wir haben jetzt ein Ziel definiert, welches durch Trading oder <strong>Investieren</strong><br />
erreicht wer<strong>den</strong> soll. Wir haben uns über unsere Gegner im Markt informiert.<br />
Wir haben unsere eigenen Waffen zurechtgelegt. Die Frage ist allerdings:<br />
Wenn wir praktisch damit beginnen, was bleibt dann von diesem Ziel<br />
tatsächlich noch übrig? Ist es die Träumerei eines Unwissen<strong>den</strong> – so, wie wir<br />
als kleine Jungen häufig Kosmonaut wer<strong>den</strong> wollten?<br />
Die einzige Methode, das herauszufin<strong>den</strong>, ist die Feuerprobe in der Praxis.<br />
Überprüfen Sie, ob Sie <strong>auf</strong> die nachfolgen<strong>den</strong> Fragen klare Antworten haben<br />
<strong>und</strong> schreiben Sie diese in die rechte Spalte.
S e i t e | 22<br />
Warum will ich tra<strong>den</strong>?<br />
Welches Ziel SMARTe<br />
möchte ich erreichen?<br />
Wieviel Zeit wende ich<br />
täglich für Trading <strong>auf</strong>?<br />
Welche finanziellen Mittel<br />
setze ich ein?<br />
Welche Märkte handle ich?<br />
Welchen Broker nutze ich<br />
<strong>und</strong> warum? Welcher Broker<br />
wäre die zweitbeste<br />
Alternative?<br />
Welche technische<br />
Infrastruktur nutze ich?<br />
Habe ich mein Backoffice<br />
(Ablage, Buchhaltung)<br />
organisiert?
S e i t e | 23<br />
TEIL 2: KAPITAL, GELD, RISIKO - UND<br />
VERMÖGEN<br />
Wer Auto fahren möchte, benötigt ein Fahrzeug - <strong>und</strong> wer <strong>Tra<strong>den</strong></strong> oder<br />
<strong>Investieren</strong> möchte, braucht Geld. Einige Fragen sollen im Folgen<strong>den</strong><br />
beantwortet wer<strong>den</strong>.<br />
AB WANN KANN MAN VOM TRADING LEBEN?<br />
Die besten Trader erwirtschaften etwa 30% Performance im Jahr - nicht jedes<br />
Jahr, wohlgemerkt. Wer solche Zahlen über mehrere Jahre in Folge vorweisen<br />
kann, gehört zu <strong>den</strong> "Magiern der Märkte" <strong>und</strong> darf sich getrost in eine Reihe<br />
mit Warren Buffett oder George Soros stellen. Damit lässt sich die Frage<br />
beantworten, ab wann man vom <strong>Tra<strong>den</strong></strong> seinen Lebensunterhalt bestreiten<br />
kann. Wer <strong>10</strong>0.000 Euro Investitionskapital zur Verfügung hat, kann<br />
zweifelsohne vom Trading in Deutschland nicht leben. Er wird eventuell<br />
30.000 Euro erwirtschaften. Davon muss er 28% Steuern bezahlen, es<br />
verbleiben also etwas mehr als 21.000 Euro pro Jahr oder 1.800 Euro im<br />
Monat. Für ein sorgloses Leben ist das etwas wenig, wenn man seine<br />
Wohnung, Krankenversicherung, Kleidung, Ernährung, Bildung, Auto usw.<br />
bezahlen möchte.<br />
WIE KOMMT MAN AN DEN MÄRKTEN ZU<br />
WOHLSTAND?<br />
Als erstes einmal braucht man ein alternatives Einkommen. Am besten, man<br />
fre<strong>und</strong>et sich damit an, dass man seinen Job noch weitere zehn Jahre ausüben<br />
wird. Vom eingehen<strong>den</strong> Gehalt legt man einen festen Betrag Monat für Monat<br />
<strong>auf</strong> die Seite - <strong>und</strong> seien es nur <strong>10</strong>0 Euro. Die kann in der Regel jeder<br />
erübrigen, der sich mit dem Trading ernsthaft befasst. Von jeder<br />
Gehaltserhöhung wer<strong>den</strong> dann 50% <strong>auf</strong> diese Sparrate <strong>auf</strong>geschlagen, die<br />
anderen 50% darf man zur sofortigen Erhöhung des Lebensstandards<br />
verwen<strong>den</strong>.<br />
WIEVIEL WERDE ICH ALS LERNENDER VERLIEREN?<br />
Genau hier liegt der H<strong>und</strong> begraben. Planen Sie zunächst einmal Verluste von<br />
zehn Prozent pro Jahr ein. Diese Summe schaffen viele Neulinge spielerisch in<br />
einem Monat oder gar einer Woche. Während meiner Arbeit bei<br />
verschie<strong>den</strong>en Brokern bestätigte sich praktisch immer wieder die Ten<strong>den</strong>z,<br />
dass die durchschnittliche Lebensdauer eines angehen<strong>den</strong> Futures-Traders<br />
bei sechs Monaten liegt.<br />
MUSS ICH VOLLZEIT-TRADER WERDEN?<br />
Nein. Nur die wenigsten angehen<strong>den</strong> Trader verfügen über grenzenlose<br />
finanzielle Mittel <strong>und</strong> 24 St<strong>und</strong>en Freizeit pro Tag. Wer in Beruf, Business,<br />
Familie <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>eskreis eingeb<strong>und</strong>en ist, kann trotzdem pro Tag eine oder
S e i t e | 24<br />
zwei St<strong>und</strong>en für das Trading <strong>und</strong> <strong>Investieren</strong> <strong>auf</strong>wen<strong>den</strong>. Es erfordert eine<br />
bewusste Entscheidung, eine Fokussierung <strong>auf</strong> diese Tätigkeitsfelder.<br />
Überprüfen Sie selbst: Wie viele St<strong>und</strong>en pro Tag sehen Sie fern? Wie viele<br />
St<strong>und</strong>en pro Tag tun Sie Dinge, die Sie Ihrem Ziel keinen Schritt näher<br />
bringen? Das Lesen von Fachliteratur, Analysieren von Charts, Managen von<br />
Positionen, Führen von Aufzeichnungen - ja, all das ist Arbeit, die Zeit<br />
erfordert. Aber jeder von uns hat 168 St<strong>und</strong>en pro Woche - <strong>und</strong> wie wir sie<br />
verbringen, entschei<strong>den</strong> wir selbst.<br />
Wenn Sie täglich eine St<strong>und</strong>e Ihres Lebens dem Trading widmen, wer<strong>den</strong> Sie<br />
innerhalb eines Jahres spürbare Erfolge verzeichnen. Sie wer<strong>den</strong> nicht perfekt<br />
sein, aber sich stetig verbessern. Behalten Sie Ihren Job, solange Sie können.<br />
Wenn Sie ihn nicht lieben - betrachten Sie ihn als Mittel zum Zweck. Er<br />
ernährt Sie, liefert Ihnen Trading-Kapital, das Sie ansparen, ermöglicht<br />
Ihnen, das Trading ohne Zeit- <strong>und</strong> Leistungsdruck zu erlernen.<br />
Ihre Konto-Kurve wird Ihnen verraten, wenn die Zeit reif ist, <strong>den</strong> Brot-Job an<br />
<strong>den</strong> Nagel zu hängen. Zu diesem Zeitpunkt wird die Beschäftigung mit dem<br />
eigenen Geld für Sie zur Routine gewor<strong>den</strong> sein. Sie wird jede Aufregung<br />
verloren haben. Sobald Sie ein durchgängig profitabler Investor oder Trader<br />
sind (also mindestens drei Jahre in Folge erfolgreich), eröffnen sich völlig<br />
neue Möglichkeiten: Sie können weiter arbeiten, weil Sie Ihren Beruf lieben,<br />
Trading als Lebensinhalt für Sie zu fade ist, <strong>und</strong> als Teilzeit-Investor Ihr<br />
Vermögen vermehren. Sie können sich entschei<strong>den</strong>, neue Märkte für sich zu<br />
erschließen - etwa Futures, Optionen, ausländische Aktienmärkte. Sie können<br />
sich entschließen, in kürzere Zeitfenster zu wechseln, mehr Trades zu<br />
platzieren, <strong>und</strong> deshalb Ihren Job zu quittieren. Treffen sie diese<br />
Entscheidung nicht jetzt, sondern wenn die Zeit dafür reif ist.
S e i t e | 25<br />
TEIL 3: DIE PRINZIPIEN ERFOLGREICHER<br />
GELDANLAGE<br />
Es gibt ein Vielzahl von Anlagestilen – vom Scalping bis zum Buy-and-Hold-<br />
Ansatz. Allerdings liegen diesen Stilen einige allgemein gültige Prinzipien<br />
zugr<strong>und</strong>e. Diese unterschei<strong>den</strong> sich nicht von <strong>den</strong> Prinzipien erfolgreichen<br />
unternehmerischen Denkens, sind wahrscheinlich nur etwas spezieller<br />
formuliert.<br />
"Regel Nr. 1: Verlieren Sie kein Geld. Regel Nr. 2: Vergessen Sie nie<br />
Regel Nr. 1!"<br />
Warren Buffett<br />
VERANTWORTUNG ÜBERNEHMEN<br />
Ich treffe immer wieder Trader, die die Schuld für ihre Mißerfolge anderen in<br />
die Schuhe schieben möchten: dem Broker, dem Markt, <strong>den</strong><br />
Hochfrequenztradern, unerwarteten Nachrichten usw. Sie vergessen dabei<br />
eines: Niemand zwingt mich, mein Geld <strong>auf</strong> die Finanzmärkte zu tragen. Ich<br />
entscheide mich selbst dafür - <strong>und</strong> nehme als Kehrseite in K<strong>auf</strong>, dass ich dort<br />
<strong>auf</strong> Menschen treffe, die hinter meinem Geld hinterher sind, so wie ich hinter<br />
ihrem.<br />
RISIKEN MANAGEN<br />
Es gibt nicht Vieles, was wir an <strong>den</strong> Finanzmärkten beeinflussen können.<br />
Woher soll die Aktie, die Sie gerade gek<strong>auf</strong>t haben, wissen, dass Sie ab jetzt zu<br />
steigen hat? Warum sollte der Markt mir einen Gefallen tun? Auf <strong>den</strong><br />
Finanzmärkten herrscht mehr Chaos, als uns lieb ist <strong>und</strong> daher müssen wir<br />
uns <strong>auf</strong> das konzentrieren, was wir wirklich beeinflussen können. Und das ist<br />
eben nur das Risiko. Wie viel Geld kann ich in eine Position investieren <strong>und</strong><br />
wie viel bin ich bereit zu riskieren?<br />
PREIS UND WERT UNTERSCHEIDEN<br />
Ein Liter Mineralwasser kostet im heimischen Supermarkt möglicherweise 50<br />
Cent. Wie viel wären Sie bereit, mitten in der Wüste für <strong>den</strong> gleichen Liter<br />
Wasser auszugeben? Fünf Euro? Fünfzig? Der Skianzug für 120 Euro - wie<br />
wertvoll ist er für einen Bewohner Rajasthans? Preise sagen nicht unbedingt<br />
etwas über <strong>den</strong> Wert einer Sache. Das gleiche Benzin kostet am<br />
Pfingstwochenende zehn Prozent mehr als vier Wochen davor oder danach.<br />
Der Wert hat sich nicht verändert - der Preis schon. Dieses Prinzip des<br />
Auseinanderdriftens von Preis <strong>und</strong> Wert machen sich Trader <strong>und</strong> Investoren<br />
zunutze.<br />
UNSICHERHEIT AKZEPTIEREN<br />
Das westliche Weltbild ist stark kausal geprägt. Europäer <strong>und</strong> Amerikaner<br />
<strong>den</strong>ken häufig in linearen Schemen von Ursache <strong>und</strong> Wirkung. Wenn wir <strong>den</strong><br />
Lichtschalter betätigen, erwarten wir zurecht, dass die Deckenbeleuchtung<br />
angeht. Die Börse kennt keine lineare Kausalität. Es mag Chartformationen<br />
geben, nach <strong>den</strong>en in 60% der Fälle ein Kursanstieg folgt. Wer <strong>auf</strong> diese<br />
Formation hin tradet, wird bei 1.000 Trades wahrscheinlich etwa 600 Mal<br />
einen Kursanstieg erleben. Für je<strong>den</strong> einzelnen Trade jedoch ist absolut
S e i t e | 26<br />
zufällig, ob es zu einem Kursanstieg kommt - es könnte ja auch einer jener<br />
400 von 1.000 Trades wer<strong>den</strong>, bei <strong>den</strong>en die Formation versagt. Diese Art der<br />
Kausalität wird stochastisch genannt. Sie begegnet uns in vielen Situationen<br />
des täglichen Lebens, wo wir zwar eine globale Aussage hinsichtlich einer<br />
großen Zahl von Daten treffen können, aber keine Aussage über das<br />
Einzelereignis. In der Demoskopie kann man Aussagen darüber treffen, wie<br />
viel Prozent einer Wählerschaft eine Partei wählen - aber das sagt nichts über<br />
das individuelle Abstimmungsverhalten des Einzelnen. In der Meteorologie<br />
kann man zwar Regen für ein bestimmtes Gebiet zu einer bestimmten Zeit<br />
prognostizieren. Aber wann genau wo der erste Regentropfen fällt, ist Zufall.<br />
Ähnliches trifft <strong>auf</strong> Lotterien <strong>und</strong> Spielcasinos zu.<br />
Menschen neigen dazu, Entscheidungen unter Unsicherheit zu vermei<strong>den</strong><br />
bzw. nach Sicherheit zu suchen. Die Analystenindustrie macht sich dieses<br />
Phänomen zunutze <strong>und</strong> verk<strong>auf</strong>t weitgehend nutzlose Informationen an<br />
ahnungslose Anleger. Ein Prinzip des erfolgreichen Anlegens aber ist es,<br />
Entscheidungen souverän zu treffen <strong>und</strong> zu akzeptieren, dass der Ausgang des<br />
Investments hochgradig zufallsbestimmt ist.<br />
DIE "DREI MS DES TRADING-ERFOLGS" MEISTERN<br />
Mein Trading-Lehrer <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong> Dr. Alexander Elder führt dauerhaften<br />
Trading-Erfolg <strong>auf</strong> drei Bausteine zurück, er nennt sie die "drei Ms": Mind,<br />
Money, Method, deutsch: Psychologie, Geld, Methode.<br />
Mind bezeichnet die Psychologie des Trading. Money steht als Oberbegriff für<br />
das Risiko- <strong>und</strong> Money-Management bzw. die exakte Bestimmung der<br />
Positionsgrößen. Mit Method ist eine durchgängige Trading-Methode<br />
gemeint, also beispielsweise F<strong>und</strong>amentale, Technische oder Sentiment-<br />
Analyse. Jeder dieser Bausteine ist mit <strong>den</strong> anderen zwei verb<strong>und</strong>en, man<br />
kann keinen weglassen. Betrachten wie die Inhalte im Einzelnen.
S e i t e | 27<br />
TEIL 4: RISIKO- UND MONEYMANAGEMENT<br />
Der Trading-Coach <strong>und</strong> Buchautor Van K. Tharp fasst Risiko- <strong>und</strong> Money-<br />
Management unter dem Begriff „Position-Sizing“ zusammen – also der<br />
korrekten Bestimmung der Positionsgröße. „Der Zweck der<br />
Positionsgrößenbestimmung ist es, Ihre Ziele zu erreichen“, schreibt er. 1<br />
Während die Frage der Bezeichnung nebensächlich ist, hat Van K. Tharp in<br />
einem völlig Recht: Es gibt unterschiedlichste Ziele von Anlegern, Tradern,<br />
Investoren – kurz Marktteilnehmern. Demzufolge hat auch jeder das Recht,<br />
seine Positionen entsprechend zu dimensionieren. Natürlich macht es einen<br />
Unterschied, ob jemand primär um des Kapitalerhalts willen an <strong>den</strong> Märkten<br />
unterwegs ist oder <strong>auf</strong> Biegen <strong>und</strong> Brechen sein Kapital vergrößern möchte.<br />
Tatsächlich gibt es selbst bei Tradern, die ein <strong>und</strong> dasselbe Investmentvehikel<br />
handeln, i<strong>den</strong>tische Ein- <strong>und</strong> Ausstiege wählen höchst unterschiedliche<br />
Anlageerfolge – je nach gewählter Positionsgröße.<br />
In dem zitierten Buch wer<strong>den</strong> daher 93 verschie<strong>den</strong>e Modelle <strong>und</strong> Metho<strong>den</strong><br />
der Positionsgrößenbestimmung vorgestellt, jede mit ihren Eigenheiten.<br />
Trotzdem ist sich Van Tharp bewusst, das auch das keine erschöpfende<br />
Übersicht ist.<br />
Wir bleiben aus Grün<strong>den</strong> der Übersichtlichkeit hier bei der klassischen<br />
Einteilung in Risikomanagement <strong>und</strong> Money-Management.<br />
VERSCHIEDENE ARTEN VON RISIKO<br />
Das Marktrisiko betrifft je<strong>den</strong>, der sich an <strong>den</strong> Märkten engagiert.<br />
Allgemein kann man nur gewinnen, wenn man investiert, also auch etwas<br />
riskiert.<br />
Die zweite Risikoart ist das systemische Risiko. Insbesondere nach <strong>den</strong><br />
Krisen der vergangenen Jahre ist klar: Wenn es irgendwo einen Crash gibt,<br />
dann führt der häufig das gesamte Finanzsystem in einen Krisenzustand.<br />
Drittens gibt es das Positionsrisiko. Wie viel Geld riskiere ich pro Position<br />
<strong>und</strong> wie viele solcher Positionen darf ich gleichzeitig eröffnen oder halten?<br />
Viertens das Liquiditätsrisiko: Ist der Markt liquide genug, damit ich die<br />
Position jederzeit komplikationslos wieder schließen kann?<br />
Schließlich das Altersrisiko: Wie groß ist der Wiederbeschaffungswert<br />
meines Portfolios angesichts der Lebensjahre. Treffend schreibt Investment-<br />
Legende Warren Buffett dazu:<br />
„Mit einem gemeinsamen Alter von 167 Jahren wollen Charlie <strong>und</strong> ich<br />
nicht noch einmal von vorn anfangen.“ 2<br />
1 Van K. Tharp, Definitive Guide to Position Sizing, International Institute of<br />
Trading Mastery, Inc., Cary 2008, S. XIII<br />
2 Warren Buffett, Letter tot he Shareholders, Februar 2011<br />
2 Warren Buffett, Letter tot he Shareholders, Februar 2011
S e i t e | 28<br />
RISIKOMANAGEMENT<br />
Das Fremdwörterbuch des DUDEN definiert Risiko als „Wagnis; Gefahr,<br />
Verlustmöglichkeit bei einer unsicheren Unternehmung“. Was genau verbirgt<br />
sich für <strong>den</strong> Börsianer hinter diesem Begriff?<br />
Trading-Coach Dr. Van K. Tharp fragt während seiner Seminare vor<br />
institutionellen Händlern gern: „Wie groß ist das Risiko, das Sie tra<strong>den</strong><br />
dürfen?“ Selten bekommt er eine substantielle Antwort. Auch die zweite Frage<br />
bleibt meist unbeantwortet: „Wieviel Geld dürfen Sie verlieren, bevor Sie<br />
Ihren Job verlieren?“<br />
Für unsere Zwecke wer<strong>den</strong> wir <strong>den</strong> Risikobegriff sowohl inhaltlich, als auch<br />
monetär klar definieren:<br />
Das Risiko einer Investition oder eines Trades ist die Summe Geldes,<br />
die wir als Investor oder Trader bereit sind, zu verlieren.<br />
Damit nehmen wir allen schwammigen Formulierungen <strong>den</strong> Wind aus <strong>den</strong><br />
Segeln: Bei jedem Investment oder Trade gibt es einen klar definierten Punkt,<br />
an dem wir feststellen, dass unsere Erwartungen an das Investment sich nicht<br />
erfüllt haben. An diesem Punkt ist eine Position ohne Wenn <strong>und</strong> Aber zu<br />
schließen.<br />
Der Sinn von Risiko-Management ist es, das Überleben an <strong>den</strong><br />
Finanzmärkten zu sichern. Ein einzelnes Investment oder ein einzelner Trade<br />
sollte nie in der Lage sein, die Vermögenslage des <strong>Investieren</strong><strong>den</strong> zu<br />
gefähr<strong>den</strong>.<br />
Eine gängige Anekdote unter Tradern: Warum gibt es keine mutigen, alten<br />
Trader? Antwort: Die alten sind nicht mutig, die mutigen aber wer<strong>den</strong> nicht<br />
alt.<br />
Das Risiko bezieht sich hier <strong>auf</strong> die einzelne Position. Wir wissen inzwischen,<br />
dass diese Position lediglich eine Wette darstellt. Das Risiko in dieser Position<br />
ist also der „Wetteinsatz“. Wie im Casino kommt es dar<strong>auf</strong> an, diesen Einsatz<br />
pro Spiel so klein zu halten, dass man möglichst viele Wetten platzieren kann.<br />
Eine der Gr<strong>und</strong>regeln lautet: Es ist sinnvoller, mehrere kleine Wetten zu<br />
platzieren, als eine große.<br />
Managen wir das Risiko einer einzelnen Position – sei es nun ein Investment<br />
oder ein Trade im kurzfristigen Zeitfenster, so legen wir uns vor dem<br />
Eingehen der Position <strong>auf</strong> dreierlei fest:<br />
1. Wie viel Geld bin ich bereit in dieser Position zu riskieren.<br />
2. Daraus folgt dann die Bestimmung der Positionsgröße.<br />
3. Ein Ausstiegsplan für <strong>den</strong> Gewinnfall, mit dem auch <strong>auf</strong>gel<strong>auf</strong>ene<br />
Buchgewinne gesichert wer<strong>den</strong>.<br />
MONEY-MANAGEMENT<br />
Während es beim Risikomanagement darum geht, das Risiko der einzelnen<br />
Position zu begrenzen, geht es beim Money-Management darum zu<br />
definieren, wie viel des gesamten Vermögens an der Börse <strong>auf</strong>s Spiel gesetzt
S e i t e | 29<br />
wer<strong>den</strong> darf. Es geht also zunächst um die Größe des zur Verfügung<br />
stehen<strong>den</strong> Spekulationskapitals.<br />
Der Investor fragt sich weiterhin: Soll ich mein Depot diversifizieren <strong>und</strong><br />
wenn ja – wie stark? Unter welchen Gesichtspunkten? K<strong>auf</strong>e ich fünf Aktien<br />
oder 50? Sollte man verschie<strong>den</strong>e Anlageklassen (Aktien, Anleihen, Indizes,<br />
Rohstoffe, Währungen) nutzen? Sollte man <strong>auf</strong> verschie<strong>den</strong>en Kontinenten, in<br />
verschie<strong>den</strong>en Wirtschaftsräumen investieren?<br />
Der Trader hingegen fragt sich, wie groß das gesamte Risiko in seinem<br />
Trading-Konto sein darf. Es geht ihm also nicht nur um die einzelne Position,<br />
sondern um die Summe aller Positionen.<br />
WER BRAUCHT DAS?<br />
Ein weit verbreiteter Irrtum ist es zu glauben, dass Menschen, die an der<br />
Börse zu Wohlstand gekommen sind, sich um Risikomanagement keine<br />
Sorgen mehr machen müssen. Das Gegenteil ist der Fall. Gerade wenn es um<br />
die Verwaltung großer Vermögen geht, verdienen Risiko- <strong>und</strong> Money-<br />
Management besondere Aufmerksamkeit. Der Wiederbeschaffungswert<br />
großer Vermögen übersteigt <strong>den</strong> reinen Geldwert, oder salopp gesprochen:<br />
Wer ein Trading-Konto von 1.000 Euro verbrennt, kann sich leicht wieder<br />
1.000 Euro zusammensparen <strong>und</strong> da weitermachen, wo er <strong>auf</strong>gehört hat. Wer<br />
50 Milliar<strong>den</strong> Dollar verwaltet sollte das nicht tun. Drei Beispiele, wie Risiken<br />
von Profis gemanagt wer<strong>den</strong>.<br />
Jim Rogers<br />
Der „Rohstoff-Guru“ wurde 1942 in Demopolis, Alabama geboren. Er<br />
studierte in Yale <strong>und</strong> Oxford Philosophie <strong>und</strong> Geschichte, landete per Zufall<br />
an der Wall Street, wo er von 1970 an mit George Soros ein Team bildete <strong>und</strong><br />
<strong>den</strong> legendären Quantum-Fonds managte. 1980 zog er sich zurück, verwaltet<br />
seither nur noch sein eigenes Geld. Jim Rogers lebt heute in Singapur.<br />
Obwohl Rogers ein gern gela<strong>den</strong>er Referent ist <strong>und</strong> immer wieder für<br />
Schlagzeilen sorgt, gilt er als Einzelgänger. Die Unabhängigkeit des Denkens<br />
<strong>und</strong> Urteilens ist für ihn ein Schlüsselelement seiner Anlage-Entscheidungen.<br />
So achtet er <strong>auf</strong> Märkte, die andere aus dem Blick verlieren.<br />
„Ich gehe kein Risiko ein. Ich gehe einfach kein Risiko ein.“ Rogers investiert<br />
nur dann, wenn seine Anlagevehikel so billig sind, dass er selbst dann kein<br />
Geld verliert, wenn er sich geirrt hat. „Ich schaue zuerst runter bevor ich hoch<br />
schaue“, lautet sein Motto. Unterläuft ihm eine Fehleinschätzung, liquidiert er<br />
seine Position sofort.<br />
Warren Buffett<br />
Am 30. August 1930 wurde der heute als „Orakel von Omaha“ bekannte<br />
Milliardär in einfachen Verhältnissen geboren. Er arbeitete im Maklerbüro<br />
seines Vaters, studierte in Pennsylvania, Nebraska <strong>und</strong> schließlich an der<br />
Columbia University in New York, wo er vom bedeutendsten Theoretiker der<br />
F<strong>und</strong>amentalanalyse, Benjamin Graham, schwer beeindruckt war. Buffett<br />
wollte für Graham kostenlos arbeiten, doch dieser lehnte das Angebot<br />
mehrmals ab, bis er ihn schließlich einstellte. 1956 gründete Buffett seine<br />
Firma „Buffett Partnership Ltd.“, die durchschnittlich 23% Wertzuwachs pro
S e i t e | 30<br />
Jahr erwirtschaftete. Inzwischen nutzt er die legendäre Firma Berkshire<br />
Hathaway für seine Investitionen. Seine durchschnittliche Jahresperformance:<br />
29%.<br />
Warren Buffetts Investmentansatz ist einfach <strong>und</strong> basiert <strong>auf</strong> stringentem<br />
Risikomanagement: Er unterscheidet zwischen dem Wert <strong>und</strong> dem Preis einer<br />
Anlage <strong>und</strong> tätigt nur solche Investments, die weit unter ihrem Wert zu haben<br />
sind. Ges<strong>und</strong>e Unternehmen k<strong>auf</strong>t er am liebsten unter Buchwert. Berühmt<br />
ist seine Metapher, er würde am liebsten einen Dollar für 50 Cents k<strong>auf</strong>en.<br />
Warum? Weil er dann kaum noch ein Risiko eingeht, Geld zu verlieren.<br />
Buffett k<strong>auf</strong>t keine Aktien, sondern Unternehmen. Er investiert nur in<br />
profitable Unternehmen, deren Geschäft er versteht. Risiko ist für ihn ein<br />
Wertverlust einer Anlage, nicht ein vorübergehender Kursverlust. Mit seinem<br />
risikoaversen Investmentansatz hat er zwar während seiner<br />
Investmentkarriere nur wenige Dutzend Investitionen getätigt, dafür aber<br />
extrem erfolgreiche. Der Kurs der Aktie von Berkshire Hathaway stieg von 19<br />
US-Dollar im Jahre 1965 <strong>auf</strong> 130.000 Dollar im September 2012.<br />
Birger Schäfermeier<br />
Der studierte Betriebswirt aus Düsseldorf gehört zur Elite der deutschen<br />
Daytrader. Geboren 1969. Heute ist er Vermögensverwalter, Trader, gefragter<br />
Referent <strong>und</strong> Coach. Seine erste Million verdiente er mit Optionsscheinen mit<br />
22 Jahren, drei Monate später hatte er sie wieder verloren. Mittlerweile hat er<br />
die Bedeutung von Risiko- <strong>und</strong> Money-Management verinnerlicht. In der<br />
Regel riskiert er pro Position weniger als ein Prozent seines Handelskontos,<br />
häufig nur 0,15%. Eiskalt wer<strong>den</strong> Verlust-Trades geschlossen. Obwohl er<br />
einen technisch simplen, allerdings psychologisch sehr anspruchsvollen<br />
Trendfolge-Ansatz verfolgt, handelt er seit Jahren nachhaltig hochprofitabel.<br />
„Dabei ist es unmöglich zu wissen, ob die nächste Transaktion ein Gewinner<br />
oder ein Verlierer ist... Sinnvoll ist die Kontrolle beim <strong>Tra<strong>den</strong></strong> aber nur in zwei<br />
Dingen: Selbstkontrolle <strong>und</strong> Risikokontrolle sind die einzigen Punkte, <strong>auf</strong> die<br />
wir uns konzentrieren sollen <strong>und</strong> müssen. Diese bei<strong>den</strong> Dinge können wir<br />
wirklich kontrollieren.“ 3<br />
TEIL 5: RISIKO- UND MONEY-MANAGEMENT<br />
FÜR INVESTOREN<br />
Wer längerfristig investiert, ist häufig der Meinung, er brauche kein<br />
Risikomanagement. „Ich bin langfristig investiert, da möchte ich mich nicht<br />
um meine Position kümmern müssen.“, lautet eine häufig geäußerte Meinung.<br />
Gerade wer schon länger an der Börse unterwegs ist, weiß: Die Finanzmärkte<br />
sind keine Einbahnstraßen. Kurse steigen nicht nur. Allerdings ist diese<br />
Erfahrung vielen Anlegern fremd, weil sie in der Regel nur während<br />
haussierender (steigener) Märkte zu Anlegern wer<strong>den</strong>. Die Anleger der<br />
Technologieblase von 1999 reagierten daher überrascht, als ab dem Jahre<br />
3 Schäfermeier, Birger: Die Kunst des erfolgreichen <strong>Tra<strong>den</strong></strong>s, München 2006,<br />
S. 33
S e i t e | 31<br />
2000 die Kurse fielen – <strong>und</strong> schließlich der NEMAX50 abgeschafft wurde.<br />
Wer während der Hausse von 2003 bis 2007 zur Börse fand, rieb sich 2008<br />
ungläubig die Augen: Aktien wie die Deutsche Bank, Allianz, Deutsche<br />
Telekom, verloren 80 bis 90 Prozent ihres Wertes, der Deutsche Aktienindex<br />
verlor mehr als die Hälfte seiner über 8.150 Punkte.<br />
Angesichts solcher Entwicklungen wird klar: Kein Investor kommt ohne<br />
Risiko- <strong>und</strong> Money-Management aus.<br />
ERSTE FRAGE: MIT WIE VIEL GELD<br />
SPEKULIEREN?<br />
„Spekulieren Sie nur mit Geld, dessen Verlust Sie sich leisten können.“ So<br />
oder so ähnlich beginnen die meisten Risikohinweise der Finanzinstitute. Die<br />
Eine-Million-Dollar-Frage lautet: Wie viel kann ich mir leisten? Setzt man an<br />
der Börse zu wenig Kapital ein, verschlingen Transaktionsgebühren einen<br />
überproportionalen Anteil. Nimmt man zu viel Kapital, so kann ein negatives<br />
Börsenjahr verheerende Auswirkungen <strong>auf</strong> das Vermögen insgesamt haben.<br />
Eine Faustregel besagt, dass ein Anteil von 20% des frei verfügbaren<br />
Nettovermögens an der Börse für Spekulationszwecke eingesetzt wer<strong>den</strong> darf.<br />
Dieser Anteil garantiert, dass in schlechten Börsenjahren die Verluste aus<br />
spekulativen Geldanlagen nicht überproportional das Gesamtvermögen<br />
verringern. Andererseits führen Jahre überdurchschnittlicher Performance zu<br />
einer spürbaren Verbesserung der Vermögenslage.<br />
Abweichungen kann es geben, wenn jemand noch sehr jung ist – hier darf der<br />
Anteil des Börsenkapitals auch höher ausfallen, da mehr Zeit zur Verfügung<br />
steht, eventuelle Verluste wieder wettzumachen. 4<br />
Börsenkapital als Teil des Gesamtvermögens<br />
Bruttovermögen<br />
Anlage<br />
Einzelsumme Gesamtsumme<br />
Liquidität Girokonto 2.000 €<br />
Barbestand 1.000 €<br />
Tagesgeld 9.000 € 12.000 €<br />
Spareinlagen Termingeld 5.000 €<br />
Sparbücher 2.000 €<br />
Sparpläne 4.000 €<br />
B<strong>und</strong>esschatzbriefe <strong>10</strong>.000 €<br />
Staatsanleihen <strong>10</strong>.000 €<br />
Sonstiges 3.000 € 34.000 €<br />
Lebens-, Rentenversicherungen<br />
Rückk<strong>auf</strong>swert 8.000 € 8.000 €<br />
Immobilien Verkehrswert 300.000 € 300.000 €<br />
Summe<br />
Bruttovermögen 354.000 €<br />
4 Eine ausführliche Musterberechnung mit allen möglichen Variablen ist zu<br />
fin<strong>den</strong> in Jünemann, Bernhard, Imbacher, Heinz: Money Management – Die<br />
Formel für Ihren Börsenerfolg, München 2007, S. 122 – 134.
S e i t e | 32<br />
Verbindlichkeiten<br />
Verbindlichkeiten Immobiliendarlehen 280.000 €<br />
Sonstige Kredite 5.000 €<br />
Summe<br />
Verbindlichkeiten 285.000 €<br />
Nettovermögen Bruttovermögen - Verbindlichkeiten 69.000 €<br />
Notreserve<br />
5 Monats-<br />
Nettoeinkommen <strong>10</strong>000 €<br />
freies<br />
Nettovermögen 59.000 €<br />
Börsenkapital 20% davon 11.800 €<br />
ÜBUNG<br />
Füllen Sie die Tabelle mit Ihren eigenen Angaben. Berechnen Sie das Ihnen<br />
zur Verfügung stehende Kapital für Ihre Aktivitäten an <strong>den</strong> Finanzmärkten.<br />
RISIKO STREUEN – PRO UND KONTRA<br />
Während die meisten Bankberater ungehemmt zur Diversifikation (Streuung)<br />
von Risiken innerhalb eines Börsenportfolios raten, gibt es durchaus<br />
Argumente gegen dieses scheinbare Axiom. Doch zunächst einmal zum<br />
Gr<strong>und</strong>gedanken der Streuung von Risiken.<br />
Angenommen, ein Anleger würde für die oben genannten 11.800 Euro<br />
verfügbares Börsenkapital eine einzige Aktie k<strong>auf</strong>en, beispielsweise die eines<br />
Unternehmens für Sonnenschirme. Der Sommer wird heiß <strong>und</strong> die Aktien<br />
legen um <strong>10</strong> Prozent zu – dann wächst auch das Depot um <strong>10</strong> Prozent. Wird<br />
der Sommer aber regnerisch, so wird das Depot möglicherweise um <strong>10</strong><br />
Prozent schrumpfen.<br />
Teilt er das Börsenkapital anstelle dessen <strong>auf</strong> zwei Unternehmen <strong>auf</strong> <strong>und</strong><br />
k<strong>auf</strong>t zu gleichen Teilen Aktien des Sonnenschirm-Produzenten <strong>und</strong> eines<br />
Produzenten für Regenmäntel, so wer<strong>den</strong> die Kursgewinne bzw. -verluste der<br />
bei<strong>den</strong> Aktien sich möglicherweise gegeneinander <strong>auf</strong>heben. Scheint die<br />
Sonne, verk<strong>auf</strong>en sich Sonnenschirme gut <strong>und</strong> Regenmäntel schlecht. Regnet<br />
es <strong>den</strong> ganzen Sommer über, explodieren die Umsatzzahlen für die<br />
Regenmantel-Fabrik, während der Sonnenschirmproduzent <strong>auf</strong> seiner Ware<br />
sitzen bleibt.<br />
Damit liegen auch schon das Problem der Diversifikation von Risiken <strong>und</strong> der<br />
größte Vorteil <strong>auf</strong> der Hand. Zwar hat der Anleger im zweiten Fall weniger<br />
Risiko (weil sich die Aktien gegenläufig entwickeln). Jedoch heben sich auch<br />
die Gewinne größtenteils wieder <strong>auf</strong>. Das Depot wird in der Regel weniger<br />
riskant sein, jedoch auch weniger Performance zeigen.<br />
Es bleibt darüber hinaus ein systemisches Risiko: Wenn der gesamte<br />
Aktienmarkt unter Druck kommt, wer<strong>den</strong> wahrscheinlich beide Aktien an<br />
Wert verlieren.<br />
Hier muss jeder Anleger selbst abwägen, wie weit er <strong>auf</strong> Performance wert legt<br />
<strong>und</strong> wie weit <strong>auf</strong> Sicherheit. Star-Investor Warren Buffett ist ein strikter
S e i t e | 33<br />
Gegner der Streuung: „Breite Diversifikation ist nur dann nötig, wenn<br />
Investoren ihr Handwerk nicht verstehen.“ 5 Buffett selbst hielt immer nur<br />
eine übersichtliche Anzahl von Papieren, seine großen Erfolge erzielte er mit<br />
einer Handvoll Aktien.<br />
Auch andere Experten sprechen sich gegen übermäßige Diversifikation aus.<br />
Die Einzelposition werde bis zur Bedeutungslosigkeit verkleinert, Gewinne<br />
<strong>und</strong> Verluste gleichen sich wahrscheinlich aus <strong>und</strong> bei „zu vielen Bällen<br />
gleichzeitig in der Luft“ steige die Gefahr, dass ein Jongleur sich<br />
verspekuliert. 6<br />
Empirischen Untersuchungen zufolge lassen sich Risiken durch<br />
Diversifikation abmindern. Bei bis zu 20 verschie<strong>den</strong>en Positionen in einem<br />
Depot nehmen die Risiken noch deutlich ab. Darüber hinaus ist der Effekt der<br />
Risikominimierung kaum noch spürbar. Mit anderen Worten: Wer zwei statt<br />
einer Aktie im Depot hat, reduziert sein Risiko um bis zu 50 Prozent. Wer <strong>10</strong>1<br />
statt <strong>10</strong>0 Aktien in sein Depot legt, wird kaum noch eine messbare<br />
Risikominderung erreichen.<br />
RICHTIG DIVERSIFIZIEREN<br />
Diversifikation geht zurück <strong>auf</strong> die Portfoliotheorie von Harry M. Markowitz.<br />
Der amerikanische Mathematiker wurde für seinen 1952 veröffentlichten<br />
Aufsatz über die Portfolio-Theorie 38 Jahre später gemeinsam mit zwei<br />
Kollegen mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. In<br />
seiner Arbeit untersucht er die Wertentwicklung von Portfolios unter dem<br />
Gesichtspunkt von Schwankungsbreite bzw. Standardabweichung (Varianz)<br />
<strong>und</strong> Performance. 7<br />
Auch wenn die Arbeit bahnbrechend ist <strong>und</strong> heute immer noch als Gr<strong>und</strong>lage<br />
verschie<strong>den</strong>er Portfolio-Modelle dient – sie ist praktisch für <strong>den</strong> privaten<br />
Anleger kaum umsetzbar. Pikanterweise hat Markowitz sein eigenes Depot<br />
zur Altersvorsorge nach einer einfachen Faustregel strukturiert. Er hat seine<br />
Anlagen nach der 1/N-Regel diversifiziert: Verteile dein Geld gleichmäßig <strong>auf</strong><br />
jedes von N Anlageinstrumenten. Diese Heuristik funktioniert nicht nur unter<br />
praktischen Gesichtspunkten einfacher. Sie liefert auch eine bessere<br />
Performance, als die meisten nach verschie<strong>den</strong>sten Gesichtspunkten<br />
optimierten Portfolios. Der Gr<strong>und</strong> ist die beschränkte Informationsauswahl:<br />
Hat man 50 verschie<strong>den</strong>e Aktien zur Auswahl <strong>und</strong> versucht das Portfolio nach<br />
Markowitz optimal zu strukturieren, so benötigt man umfassende Daten der<br />
letzten 500 Jahre, um die simple 1/N-Regel zu schlagen. 8<br />
Einige Gr<strong>und</strong>regeln für richtige Risikostreuung gelten aber als unumstritten:<br />
1. Es sollten gleiche Geldbeträge in verschie<strong>den</strong>e Papiere investiert<br />
wer<strong>den</strong>. Beispielsweise kann eine Geldsumme von <strong>10</strong>.000 Euro, die<br />
5 Buffett, Mary, Clark, David: Das Tao des Warren Buffett, Kulmbach 2008, S.<br />
<strong>10</strong>4<br />
6 Gunther, Max: Die Zürich-Axiome, München 2005, S. 30f<br />
7 Siehe hierzu: Markowitz, Harry M.: Portfolio Selection. Die Gr<strong>und</strong>lagen der<br />
optimalen Portfolio-Auswahl, München 2008<br />
8 Gigerenzer, Gerd: Bauchentscheidungen: Die Intelligenz des Unbewussten<br />
<strong>und</strong> die Macht der Intuition, München 2008, S. 35f
S e i t e | 34<br />
für Anlagen zur Verfügung steht, in fünf gleiche Tranchen zu 2.000<br />
Euro <strong>auf</strong>geteilt wer<strong>den</strong>.<br />
2. Die Einzelpositionen sollten groß genug sein, damit die <strong>auf</strong>treten<strong>den</strong><br />
Gebühren keinen überproportionalen Anteil der Erlöse <strong>auf</strong>fressen.<br />
Für ein Aktienportfolio etwa machen Positionsgrößen unter 2.000<br />
Euro unter diesem Gesichtspunkt kaum Sinn.<br />
3. Achten Sie <strong>auf</strong> Anlagen in verschie<strong>den</strong>en, wenig miteinander<br />
korrelieren<strong>den</strong> Branchen. Wer mehrere Aktien k<strong>auf</strong>t, sollte also nicht<br />
nur Technologie- oder Finanzwerte auswählen. Branchen, die kaum<br />
oder nur gering miteinander zusammenhängen, minimieren das<br />
Risiko. Vor der Fußballweltmeisterschaft 2006 stiegen die<br />
Aktienkurse nahezu aller Sportausrüster, Banktitel blieben relativ<br />
unberührt von dem Ereignis. Im Jahre 2008 hingegen litten alle<br />
Bankaktien unter der amerikanischen Subprime-Krise, während das<br />
die Aktien von Adidas, Nike <strong>und</strong> Puma lange Zeit kaum berührte.<br />
4. Einer der häufigsten Fehler ist der „Home Bias“ – die Neigung, nur in<br />
einheimische Papiere zu investieren. Deutsche Aktien machen vier<br />
Prozent aller weltweit gehandelten Aktien aus – aber deutsche<br />
Aktienanleger sind zu 90 Prozent in deutschen Werten investiert. Aus<br />
dem Glauben heraus „Ich kenne die Allianz besser als ein chinesisches<br />
Ölunternehmen“ wer<strong>den</strong> ausländische, insbesondere wenig beachtete<br />
Anlageregionen vernachlässigt. Damit schafft man sich ein<br />
systemisches Risiko: Wenn der Aktienmarkt in Deutschland oder<br />
Amerika Probleme bekommt, könnte das gesamte Depot in<br />
Mitlei<strong>den</strong>schaft gezogen wer<strong>den</strong>. Wer sich z.B. mit chinesischen<br />
Werten nicht auskennt, kann ja einen günstigen ETF 9 oder einen<br />
<strong>Index</strong>-CFD wählen. Darin sind dann mehrere Dutzend Aktien<br />
enthalten <strong>und</strong> die mühsame Auswahl von exotischen Einzeltiteln<br />
entfällt.<br />
5. Darüber hinaus sollte auch nach Anlageklassen diversifiziert wer<strong>den</strong>.<br />
Nicht ausschließlich Aktien oder nur Rohstoffe, sondern auch<br />
Anleihen, Währungen, <strong>Index</strong>-Papiere sollten hinzugezogen wer<strong>den</strong>. <strong>10</strong><br />
DAS KONZEPT DES VERFÜGBAREN RISIKOS<br />
Eine einfach umzusetzende Idee ist das Konzept des verfügbaren Risikos. Der<br />
Gr<strong>und</strong>gedanke ist, für sein Börsenkapital insgesamt eine Obergrenze zu<br />
definieren, die das verfügbare Risiko darstellt. Angenommen, unser Investor<br />
hat die oben genannten 11.800 Euro Börsenkapital zur Verfügung. Er ist<br />
bereit, davon <strong>10</strong> Prozent zu riskieren, dann wären das 1.180 Euro. Dies ist sein<br />
verfügbares Risiko oder maximales Gesamtrisiko. Es besagt noch nichts über<br />
die Größe seiner Investitionen. Es besagt nur, dass alle Investitionen<br />
zusammen im schlimmsten anzunehmen<strong>den</strong> Verlustfall ihn 1.180 Euro oder<br />
<strong>10</strong> % seines Börsenkapitals kosten wür<strong>den</strong>. Auf sein gesamtes freies<br />
9 Exchange Traded F<strong>und</strong> – börsengehandelter Fonds, meist ohne<br />
Ausgabe<strong>auf</strong>schlag <strong>und</strong> mit nur geringer Verwaltungsgebühr<br />
<strong>10</strong> Weber, Martin: Genial einfach investieren, Frankfurt 2007, S. 124ff
S e i t e | 35<br />
Nettovermögen gerechnet (in unserem beispielhaften Falle 59.000 Euro)<br />
wären das nur zwei Prozent.<br />
PORTFOLIO-AUFBAU MIT DEM KONZEPT DES<br />
VERFÜGBAREN RISIKOS<br />
Unser beispielhafter Investor plant, seine 11.800 Euro in fünf Tranchen<br />
<strong>auf</strong>zuteilen <strong>und</strong> macht sich <strong>auf</strong> die Suche nach einem ersten Titel. Bei fünf<br />
Tranchen <strong>und</strong> einem maximalen Gesamtrisiko von 1.180 Euro darf jede<br />
einzelne Position im Verlustfall 2% des Börsenkapitals „vernichten“, also 236<br />
Euro.<br />
Er findet eine Aktie A. Diese kostet 50 Euro, erscheint ihm günstig, <strong>und</strong> er<br />
beschließt, die Aktie zu k<strong>auf</strong>en. Seinen Stop setzt er bei 45 Euro, wobei er<br />
charttechnische Überlegungen zu Rate zieht. Dar<strong>auf</strong> wird später genauer<br />
eingegangen. Er riskiert also pro Aktie 5,00 Euro. An Transaktionskosten<br />
plant er 20 Euro für das Eröffnen <strong>und</strong> Schließen der Position ein. 236 Euro<br />
Risiko hat er insgesamt für diese Position zur Verfügung.<br />
Er rechnet: 236 Euro Risiko minus 20 Euro Transaktionskosten = 216 Euro<br />
Risiko für die Gesamtposition nach Kosten.<br />
Dieses Positionsrisiko wird geteilt durch das Risiko pro Aktie: 216 Euro : 5<br />
Euro je Aktie = 43,2 Aktien. Dezimalzahlen wer<strong>den</strong> abger<strong>und</strong>et – also kann<br />
er, unter Berücksichtigung der Transaktionskosten, maximal 43 Stücke der<br />
ausgewählten Aktie A k<strong>auf</strong>en.<br />
Der Gesamtwert seiner Position wäre dann 43 Aktien x 50 Euro K<strong>auf</strong>preis je<br />
Aktie: 2.150,00 Euro.<br />
Berechnung der Positionsgröße<br />
Börsenkapital 11.800,00 €<br />
Maximales Gesamtrisiko <strong>10</strong>% 1.180,00 €<br />
Gesamtrisiko pro Position 2% 236,00 €<br />
Gesamtrisiko minus Kosten 20,00 € 216,00 €<br />
Aktienkurs 50,00 €<br />
Stopkurs 45,00 €<br />
Risiko pro Aktie 5,00 €<br />
Stückzahl 43,20<br />
<strong>auf</strong> volle Stücke abger<strong>und</strong>et 43,00<br />
Positionsgröße 2.150,00 €<br />
Verfügbares freies Risiko für weitere Positionen 944,00 €
S e i t e | 36<br />
Ein Problem tritt hierbei <strong>auf</strong>: Wäre der Stop weiter zu setzen, beispielsweise<br />
<strong>10</strong> Euro unter dem Einstiegspreis, dann würde durch diese Berechnung die<br />
Positionsgröße <strong>auf</strong> 21 Aktien <strong>und</strong> der Gesamtwert der Position <strong>auf</strong> 1.050,00<br />
Euro fallen. Bei so kleinen Positionsgrößen würde der Gebührenfaktor<br />
überproportional zu Buche schlagen. Ein möglicher Ausweg wäre, dann das<br />
Gesamtrisiko pro Position <strong>auf</strong> 4% zu erhöhen, damit der minimale<br />
Positionswert von etwa 2.000 Euro pro Position nicht unterschritten wird.<br />
Wird mit einem weiten Stop eine Position eröffnet, die eine längere<br />
Haltedauer hat, kann möglicherweise der Gebührenfaktor vernachlässigt<br />
wer<strong>den</strong>, da die Position die Chance hat, sich weiter zu bewegen, je länger die<br />
Haltedauer ist.<br />
ÜBUNG<br />
Aufgabe: Sie verfügen über ein Börsenkapital von 20.000 Euro <strong>und</strong><br />
beabsichtigen, eine Aktie B mit einem Preis von 65 Euro zu k<strong>auf</strong>en. Einen<br />
Stop setzen Sie bei 58 Euro. Berechnen Sie die mögliche maximale Stückzahl<br />
anhand des Konzepts des verfügbaren Risikos. Ihr Gesamtrisiko darf <strong>10</strong><br />
Prozent betragen, das Risiko pro Einzelposition 2 Prozent. Die<br />
Transaktionskosten betragen geschätzt 20,00 Euro.<br />
Angenommen, auch unserem Investor mit 11.800 Euro Börsenkapital würde<br />
Aktie B <strong>auf</strong>fallen, seine Rechnung würde so aussehen: Er setzt die 944,00<br />
Euro verfügbares freies Risiko in die Tabelle als neues maximales<br />
Gesamtrisiko ein <strong>und</strong> ersetzt die entsprechen<strong>den</strong> Zahlen.<br />
Berechnung der Positionsgröße<br />
Börsenkapital 11.800,00 €<br />
Maximales Gesamtrisiko 8% 944,00<br />
Gesamtrisiko pro Position 2% 236,00 €<br />
Gesamtrisiko minus Kosten 20,00 € 216,00 €<br />
Aktienkurs 65,00 €<br />
Stopkurs 58,00 €<br />
Risiko pro Aktie 7,00 €<br />
Stückzahl 30,86<br />
<strong>auf</strong> volle Stücke abger<strong>und</strong>et 30,00<br />
Positionsgröße 1.950,00 €<br />
Verfügbares freies Risiko für weitere Positionen 708,00 €
S e i t e | 37<br />
Weitere attraktive Investments entdeckt unser Investor augenblicklich nicht,<br />
also belässt er es bei Aktie A <strong>und</strong> B. Sein Gesamtportfolio bei<br />
Positionseröffnung sieht also so aus:<br />
Stückzahl<br />
K<strong>auf</strong>kurs Kapitaleinsatz<br />
aktueller<br />
Kurs<br />
Positionswert<br />
Stop<br />
Risiko pro<br />
Position<br />
Aktie A 43 50,00 € 2.150,00 € 50,00 € 2.150,00 € 45,00 € 215,00 €<br />
Aktie B 30 65,00 € 1.950,00 € 65,00 € 1.950,00 € 58,00 € 2<strong>10</strong>,00 €<br />
Freies<br />
Kapital 7.700,00 € 7.700,00 €<br />
Kapitaleinsatz: 11.800,00 € Depotwert: 11.800,00 € Gesamtrisiko: 425,00 €<br />
Insgesamt hat er von seinem Börsenkapital nur 4.<strong>10</strong>0 Euro investiert, 7.700<br />
Euro stehen noch zur Verfügung. Sollten alle Engagements schlecht l<strong>auf</strong>en,<br />
verliert er 425 Euro.<br />
Sein Portfolio entwickelt sich jedoch positiv, Aktie A legt um <strong>10</strong> Euro zu, Aktie<br />
B um 5 Euro. Er entschließt sich, seine Stops anzuheben, etwa <strong>10</strong> Prozent<br />
unter dem zwischenzeitlich erreichten Höchstkurs. Jetzt sieht seine Rechnung<br />
so aus:<br />
Stückzahl<br />
K<strong>auf</strong>kurs Kapitaleinsatz<br />
aktueller<br />
Kurs<br />
Positionswert<br />
Stop<br />
Risiko pro<br />
Position<br />
Aktie A 43 50,00 € 2.150,00 € 60,00 € 2.580,00 € 54,00 € - 172,00 €<br />
Aktie B 30 65,00 € 1.950,00 € 70,00 € 2.<strong>10</strong>0,00 € 62,00 € 90,00 €<br />
Freies<br />
Kapital 7.700,00 € 7.700,00 €<br />
Kapitaleinsatz: 11.800,00 € Depotwert: 12.380,00 € Gesamtrisiko: - 82,00 €<br />
Der derzeitige Depotwert beträgt 12.380 Euro, selbst wenn beide Positionen<br />
jetzt ausgestoppt wer<strong>den</strong>, bleibt ein Plus von 82 Euro gegenüber dem<br />
ursprünglichen Börsenkapital. Für die weiteren Rechnungen können wir nun<br />
als Börsenkapital <strong>den</strong> Depotwert abzüglich des offenen Risikos <strong>und</strong> zuzüglich<br />
der per Stop gesicherten Gewinne annehmen. Wir müssen aber be<strong>den</strong>ken,<br />
dass dafür nur 7.700 Euro Cash zur Verfügung stehen.<br />
Angenommen, unser Investor entdeckt jetzt einen attraktiven Wert, die Aktie<br />
C, die er gern zum Preis von 80 Euro k<strong>auf</strong>en möchte. Der Stop soll zehn<br />
Prozent unter dem Einstieg, also bei 72 Euro liegen. Wieder beginnt er mit<br />
seiner Rechnung zur Bestimmung der Positionsgröße. Sein Börsenkapital<br />
beträgt in diesem Augenblick nicht mehr 11.800 Euro, sondern unter<br />
Berücksichtigung der gegenwärtigen Investitionen <strong>und</strong> des gesicherten<br />
Gewinns schon 11.800 + 82 = 11.882 Euro. Sein maximales verfügbares<br />
Gesamtrisiko beträgt demzufolge 1.238 Euro. Da die ersten Positionen bereits<br />
einen sicheren Profit eingefahren haben, kann er theoretisch sein Risiko<br />
weiter voll ausnutzen. Er entschließt sich, weiterhin pro Position nicht mehr<br />
als zwei Prozent des Börsenkapitals zu riskieren. Es ergibt sich folgende<br />
Rechnung:
S e i t e | 38<br />
Berechnung der Positionsgröße, Schritt 3<br />
Börsenkapital 11.882,00 €<br />
Maximales Gesamtrisiko <strong>10</strong>% 1.188,20 €<br />
Gesamtrisiko pro Position 2% 237,64 €<br />
Gesamtrisiko minus Kosten 20,00 € 217,64 €<br />
Aktienkurs 80,00 €<br />
Stopkurs 72,00 €<br />
Risiko pro Aktie 8,00 €<br />
Stückzahl 27,21<br />
<strong>auf</strong> volle Stücke abger<strong>und</strong>et 27,00<br />
Positionsgröße 2.160,00 €<br />
Verfügbares freies Risiko für weitere<br />
Positionen<br />
950,56 €<br />
Nachdem die dritte Position eingegangen wurde, ergibt sich folgendes Bild<br />
des Depots: Position A produziert einen sicheren Profit von 172 Euro, Position<br />
B trägt noch ein Risiko von 90 Euro, Position C ein Risiko von 216 Euro.<br />
Insgesamt beträgt das Depotrisiko 134 Euro. Der Depotwert liegt bei 12.380<br />
Euro. Sollte sich daran nichts ändern, wären das <strong>auf</strong> ein Jahr gerechnet 4,9<br />
Prozent Rendite. Reduziert hat sich die Summe des frei verfügbaren Kapitals,<br />
von unseren 11.800 Euro sind bereits 6.260 Euro investiert, es steht somit nur<br />
noch eine Summe von 5.540 Euro zur Verfügung für weitere Investitionen.<br />
Für das Auftreten einer weiteren attraktiven Chance mag das noch reichen,<br />
aber hier wird bereits eine weitere Notwendigkeit deutlich: Es müssen frische<br />
Investitionsmittel generiert wer<strong>den</strong>, um in Zukunft handlungsfähig zu sein.<br />
Stückzahl<br />
K<strong>auf</strong>kurs Kapitaleinsatz<br />
aktueller<br />
Kurs<br />
Positionswert<br />
Stop<br />
Risiko pro<br />
Position<br />
Aktie A 43 50,00 € 2.150,00 € 60,00 € 2.580,00 € 54,00 € - 172,00 €<br />
Aktie B 30 65,00 € 1.950,00 € 70,00 € 2.<strong>10</strong>0,00 € 62,00 € 90,00 €<br />
Aktie C 27 80,00 € 2.160,00 € 80,00 € 2.160,00 € 72,00 € 216,00 €<br />
Freies<br />
Kapital 5.540,00 € 5.540,00 €<br />
Kapitaleinsatz: 11.800,00 € Depotwert: 12.380,00 € Gesamtrisiko: 134,00 €<br />
VERMÖGENSAUFBAU ALS PROZESS<br />
Der schrittweise Aufbau des Depots hat einen großen Vorteil: Zu keinem<br />
Zeitpunkt ist das Risiko für das Börsenkapital größer als zehn Prozent. Wer<br />
hingegen sein gesamtes Kapital mit einem Mal voll investiert, riskiert auch<br />
mehr. Es zahlt sich aus geduldig abzuwarten, bis die ersten Positionen einen<br />
sicheren Gewinn produzieren.
S e i t e | 39<br />
So günstig sich das Depot auch entwickelt – irgendwann ist das gesamte<br />
ursprünglich zur Verfügung stehende Kapital (hier waren es 11.800 Euro)<br />
investiert. Ergeben sich dann neue lohnende Chancen, gibt es verschie<strong>den</strong>e<br />
Möglichkeiten, diese zu nutzen.<br />
‣ Entweder man stellt frisches Börsenkapital zur Verfügung. Wer<br />
monatlich 150,00 Euro <strong>auf</strong> ein Tagesgeldkonto überweist, hat damit<br />
pro Jahr 1.800 Euro (ohne Zinsen) zusätzliches Investitionskapital<br />
zur Verfügung. Wenn sich eine Investitionschance <strong>auf</strong>tut, wird das<br />
Tagesgeld <strong>auf</strong> das Investmentkonto überwiesen <strong>und</strong> das<br />
entsprechende Wertpapier gek<strong>auf</strong>t. Dazu sollten dann wieder<br />
mindestens 2.000 Euro pro Position zur Verfügung stehen.<br />
‣ Ein zweiter Weg ist die Arbeit mit einem <strong>auf</strong> Margin handelbaren<br />
Produkt, etwa mit einem CFD-Konto oder einem Aktien-Broker, der<br />
ebenfalls häufig die Möglichkeit kreditfinanzierter Positionen bietet.<br />
Üblich sind hier Hebel, die etwa dem Vierfachen des Eigenkapitals<br />
entsprechen. Wer<strong>den</strong> hier regelmäßig Teilgewinne realisiert, wächst<br />
das Eigenkapital überproportional. Allerdings entstehen <strong>auf</strong><br />
geliehenes Geld auch Zinskosten für <strong>den</strong> in Anspruch genommenen<br />
Kredit.<br />
Der Handel <strong>auf</strong> Margin ermöglicht es, mit einem begrenzten<br />
Eigenkapitaleinsatz überdurchschnittliche Gewinne zu erzielen. Wird kein<br />
konsequentes Risikomanagement angewandt, so sind allerdings auch<br />
überdurchschnittliche Verluste möglich, bis hin zum Totalverlust des<br />
eingesetzten Kapitals – <strong>und</strong> zwar über die Margin hinaus. Margin-Handel ist<br />
nur für erfahrene Anleger <strong>und</strong> Trader geeignet.<br />
RISIKOMANAGEMENT VON GEWINNPOSITIONEN<br />
Der schrittweise Aufbau größerer Depotpositionen hat einen entschei<strong>den</strong><strong>den</strong><br />
Vorteil. Er verhindert, dass große Teile des Börsenkapitals durch schnelle,<br />
unüberlegte Entscheidungen verloren gehen. Zu keinem Zeitpunkt wer<strong>den</strong><br />
mehr als zehn Prozent des Börsenkapitals einem Risiko ausgesetzt. Da wir das<br />
Börsenkapital <strong>auf</strong> 20 Prozent des Gesamtvermögens begrenzt haben, kann der<br />
maximal mögliche Verlust also nur zwei Prozent des Gesamtvermögens<br />
ausmachen. Das schafft für einen Investor eine entspannte<br />
Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage.<br />
Das größte Risiko einer Position entsteht im Moment der Positionseröffnung.<br />
Hier ist völlig unklar, ob der Markt die Erwartungshaltung des Investors<br />
(beispielsweise <strong>auf</strong> steigende Kurse) bestätigt oder nicht. Deshalb ist es<br />
wichtig, an diesem Punkt ein möglichst kleines Risiko einzugehen. Sobald die<br />
Entscheidung durch die Marktbewegung bestätigt wird, kann man – ohne<br />
weiteres Risiko <strong>auf</strong> sich zu nehmen – die Position vergrößern. Leider wird das<br />
von vielen Investoren vernachlässigt, viel zu oft wer<strong>den</strong> aus psychologischen<br />
Grün<strong>den</strong> Gewinnpositionen zu früh geschlossen.
S e i t e | 40<br />
Risikomanagement heißt also nicht nur, die Verluste zu begrenzen,<br />
sondern auch <strong>auf</strong>gel<strong>auf</strong>ene Buchgewinne zu schützen <strong>und</strong> sinnvoll zu<br />
vermehren.<br />
PYRAMIDISIEREN: DER SCHRITTWEISE AUFBAU VON<br />
POSITIONEN<br />
Der defensive Einstieg unseres Investors scheint sich auszuzahlen. Sein<br />
Investment in Aktie A entwickelt sich hervorragend <strong>und</strong> er überlegt, ob er<br />
nicht einige Stück nachk<strong>auf</strong>en sollte. Andererseits steht er vor der Frage: Wie<br />
viel darf er noch k<strong>auf</strong>en <strong>und</strong> wie viel von seinem gesamten Börsenkapital darf<br />
er in ein einzelnes Papier investieren?<br />
Zwei sinnvolle Modelle stehen zur Auswahl: Bei jedem Nachk<strong>auf</strong> wird der<br />
Einsatz halbiert oder es wird immer mit gleichem Einsatz nachgek<strong>auf</strong>t, wobei<br />
bei jeder neuen Stufe der Pyramide weniger Stücke gek<strong>auf</strong>t wer<strong>den</strong>, weil der<br />
Preis pro Stück steigt.<br />
Rekapitulieren wir noch einmal die Situation unseres Portfolios nach dem<br />
Erwerb von Aktie A <strong>und</strong> B <strong>und</strong> <strong>den</strong> ersten Kurssteigerungen.<br />
Unser Investor entschließt sich, schrittweise seine Position in Aktie A<br />
auszubauen. Immerhin hat die Position schon einen sicheren Gewinn von 172<br />
Euro generiert. Seine Taktik: Immer wenn die Aktie um <strong>10</strong> Euro gestiegen ist,<br />
wird nachgek<strong>auf</strong>t. Wie viel? Entsprechend der Risiko-Management-Regel<br />
immer nur so viele Stücke, dass höchstens 2% Risiko entstehen. Er rechnet<br />
also hier:<br />
Von <strong>den</strong> 11.882 Euro gesichertem Depotwert möchte er höchstens zwei<br />
Prozent riskieren. Den Stop für die gesamte Position der Aktie A würde er <strong>auf</strong><br />
dem derzeitigen Niveau bei 54 Euro setzen, also einen Verlust von sechs Euro<br />
je Aktie akzeptieren. Demzufolge könnte er noch eine Tranche von 36 Stück<br />
erwerben.
S e i t e | 41<br />
Berechnung der Positionsgröße, Schritt 3<br />
Börsenkapital 11.882,00 €<br />
Maximales Gesamtrisiko <strong>10</strong>% 1.188,20 €<br />
Gesamtrisiko pro Position 2% 237,64 €<br />
Gesamtrisiko minus Kosten 20,00 € 217,64 €<br />
Aktienkurs 60,00 €<br />
Stopkurs 54,00 €<br />
Risiko pro Aktie 6,00 €<br />
Stückzahl 36,27<br />
<strong>auf</strong> volle Stücke abger<strong>und</strong>et 36,00<br />
Positionsgröße 2.160,00 €<br />
Verfügbares freies Risiko für weitere<br />
Positionen<br />
950,56 €<br />
Stufe 2 der Pyramide mit Aktie A<br />
Mit diesem K<strong>auf</strong> hat sich die Position des Investors in der Aktie A nahezu<br />
verdoppelt, er hält jetzt 79 Aktien des Papiers, die er je-doch betrachtet, als<br />
wären es zwei verschie<strong>den</strong>e Positionen. Steigt die Aktie weiter, partizipiert er<br />
jetzt bei jedem Euro Kurssteigerung mit der gesamten Positionsgröße. Das<br />
Risiko für die doppelt so große Position ist jedoch minimal: Sollte bei 54 Euro<br />
der Stop ausgelöst wer<strong>den</strong>, würde die erste erworbene Tranche einen Gewinn<br />
von 4 Euro je Stück generieren, also 172,00 Euro, die zweite Tranche einen<br />
Verlust von 6 Euro je Stück, also 216,00 Euro. Insgesamt beträgt das Risiko<br />
mit Aktie A 44,00 Euro viel weniger als beim Erwerb der ersten Tranche.<br />
Plus: Inzwischen ist auch klar, dass sich Aktie A in einem Aufwärtstrend<br />
befindet, <strong>den</strong>n sie ist schon um 20 Prozent gestiegen, seit die erste Position<br />
erworben wurde.<br />
Stückzahl<br />
K<strong>auf</strong>kurs Kapitaleinsatz<br />
aktueller<br />
Kurs<br />
Positionswert<br />
Stop<br />
Risiko pro<br />
Position<br />
Aktie A 43 50,00 € 2.150,00 € 60,00 € 2.580,00 € 54,00 € - 172,00 €<br />
Aktie B 30 65,00 € 1.950,00 € 70,00 € 2.<strong>10</strong>0,00 € 62,00 € 90,00 €<br />
Aktie A/2 36 60,00 € 2.160,00 € 60,00 € 2.160,00 € 54,00 € 216,00 €<br />
Freies<br />
Kapital 5.540,00 € 5.540,00 €<br />
Kapitaleinsatz: 11.800,00 € Depotwert: 12.380,00 € Gesamtrisiko: 134,00 €<br />
Wie so häufig, wenn Aktien einen ges<strong>und</strong>en Trend entfalten, steigt auch hier<br />
Aktie A weiter. Unser Investor k<strong>auf</strong>t bei einem wieder um <strong>10</strong> Euro gestiegenen<br />
Kurs noch einmal nach der gleichen Systematik nach. Gleichzeitig setzt er <strong>den</strong><br />
Stop für alle drei Teilpositionen <strong>10</strong> Prozent unter <strong>den</strong> Höchstkurs. Die <strong>auf</strong> 70<br />
Euro gestiegene Aktie A hat sein Börsenkapital inzwischen <strong>auf</strong> 13.177 Euro<br />
anwachsen lassen, davon sind 12.377 Euro per Stop gesichert. 2 Prozent davon<br />
möchte er mit der neuen Aktienposition riskieren. Da der Stop bei 63 Euro
S e i t e | 42<br />
stehen soll, riskiert er 7 Euro pro Aktie. Es ergibt sich eine maximal mögliche<br />
Stückzahl von 32, was einer Positionsgröße von 2.240 Euro entspräche.<br />
Berechnung der Positionsgröße, Schritt 4<br />
Börsenkapital 12.377,00 €<br />
Maximales Gesamtrisiko <strong>10</strong>% 1.237,70 €<br />
Gesamtrisiko pro Position 2% 247,54 €<br />
Gesamtrisiko minus Kosten 20,00 € 227,54 €<br />
Aktienkurs 70,00 €<br />
Stopkurs 63,00 €<br />
Risiko pro Aktie 7,00 €<br />
Stückzahl 32,51<br />
<strong>auf</strong> volle Stücke abger<strong>und</strong>et 32,00<br />
Positionsgröße 2.240,00 €<br />
Verfügbares freies Risiko für weitere<br />
Positionen<br />
990,16 €<br />
Stufe 3 der Pyramide mit Aktie A<br />
Nach diesem K<strong>auf</strong> sieht das Depot so aus:<br />
Stückzahl<br />
K<strong>auf</strong>kurs Kapitaleinsatz<br />
aktueller<br />
Kurs<br />
Positionswert<br />
Stop<br />
Risiko pro<br />
Position<br />
Aktie A 43 50,00 € 2.150,00 € 70,00 € 3.0<strong>10</strong>,00 € 63,00 € - 559,00 €<br />
Aktie B 30 65,00 € 1.950,00 € 70,00 € 2.<strong>10</strong>0,00 € 62,00 € 90,00 €<br />
Aktie A/2 36 60,00 € 2.160,00 € 70,00 € 2.520,00 € 63,00 € - <strong>10</strong>8,00 €<br />
Aktie A/3 32 70,00 € 2.240,00 € 70,00 € 2.240,00 € 63,00 € 224,00 €<br />
Freies<br />
Kapital 3.300,00 € 3.300,00 €<br />
Kapitaleinsatz: 11.800,00 € Depotwert: 13.170,00 € Gesamtrisiko: - 353,00 €<br />
Nach diesem K<strong>auf</strong> hält der Investor bereits 111 Stücke von Aktie A. Mit jedem<br />
Euro, um <strong>den</strong> die Aktie steigt, gewinnt er jetzt 111,00 Euro für sein<br />
Börsenkapital. Gleichzeitig hat er mit der Aktie schon sichere Gewinne aus der<br />
ersten <strong>und</strong> zweiten Tranche – nämlich 559,00 Euro <strong>und</strong> <strong>10</strong>8,00 Euro, also<br />
667,00 Euro. Das Risiko des dritten Teilk<strong>auf</strong>es beträgt 224,00 Euro. Sollte<br />
Aktie A ausgestoppt wer<strong>den</strong>, verbleibt ihm ein risikoloser Gewinn von 667,00<br />
Euro minus 224,00 Euro, mithin 443,00 Euro. Sollten alle Positionen<br />
ausgestoppt wer<strong>den</strong> (also auch Aktie B, die wir hier der Einfachheit halber als<br />
„unbeweglich“ vernachlässigen), kann er immer noch 353,00 Euro Gewinn<br />
realisieren. Zu allem Überfluss verfügt unser Investor immer noch über ein<br />
freies Kapital von 3.300 Euro. Sollte die Aktie A also weiter steigen, so die<br />
Überlegung unseres Muster-Investors, würde er noch einmal nachk<strong>auf</strong>en.<br />
Die Rechnung geht <strong>auf</strong>, der Trend erweist sich stärker als erwartet. Bei 80<br />
Euro k<strong>auf</strong>t unser Investor noch einmal nach. Da er <strong>den</strong> Stop <strong>auf</strong> 72 Euro setzt,
S e i t e | 43<br />
kommen zu seinem Ursprungskapital von 11.800 Euro jetzt noch 1.352 Euro<br />
gesicherter Gewinn. Das ergibt ein Börsenkapital von 13.152 Euro, immerhin<br />
bereits eine Rendite von 11,45%. Nach der bekannten Berechnung sollen 2%<br />
des sicheren Kapitals riskiert wer<strong>den</strong>, es ergibt sich eine Stückzahl von 30<br />
weiteren Aktien.<br />
Berechnung der Positionsgröße, Schritt 5<br />
Börsenkapital 13.152,00 €<br />
Maximales Gesamtrisiko <strong>10</strong>% 1.315,20 €<br />
Gesamtrisiko pro Position 2% 263,04 €<br />
Gesamtrisiko minus Kosten 20,00 € 243,04 €<br />
Aktienkurs 80,00 €<br />
Stopkurs 72,00 €<br />
Risiko pro Aktie 8,00 €<br />
Stückzahl 30,38<br />
<strong>auf</strong> volle Stücke abger<strong>und</strong>et 30,00<br />
Positionsgröße 2.400,00 €<br />
Verfügbares freies Risiko für weitere<br />
Positionen<br />
1.052,16 €<br />
Stufe 3 der Pyramide mit Aktie A<br />
Unser Investor k<strong>auf</strong>t für 2.400 Euro weitere Aktien <strong>und</strong> hat damit die vierte<br />
Stufe seiner Pyramide erreicht.<br />
Stückzahl<br />
K<strong>auf</strong>kurs Kapitaleinsatz<br />
aktueller<br />
Kurs<br />
Positionswert<br />
Stop<br />
Risiko pro<br />
Position<br />
Aktie A 43 50,00 € 2.150,00 € 80,00 € 3.440,00 € 72,00 € - 946,00 €<br />
Aktie B 30 65,00 € 1.950,00 € 70,00 € 2.<strong>10</strong>0,00 € 62,00 € 90,00 €<br />
Aktie A/2 36 60,00 € 2.160,00 € 80,00 € 2.880,00 € 72,00 € - 432,00 €<br />
Aktie A/3 32 70,00 € 2.240,00 € 80,00 € 2.560,00 € 72,00 € - 64,00 €<br />
Aktie A/4 30 80,00 € 2.400,00 € 80,00 € 2.400,00 € 72,00 € 240,00 €<br />
Freies<br />
Kapital 900,00 € 900,00 €<br />
Kapitaleinsatz: 11.800,00 € Depotwert: 14.280,00 € Gesamtrisiko: - 1.112,00 €<br />
Die Bar-Reserven des Investors sind nun ausgereizt, es verbleiben ihm<br />
900,00 Euro an liqui<strong>den</strong> Mitteln. Um seine Pyramide weiterzubauen, könnte<br />
er jetzt die stagnierende Aktie B verk<strong>auf</strong>en <strong>und</strong> eine weitere Stufe <strong>auf</strong>setzen.<br />
GRENZEN DES PYRAMIDISERENS<br />
Eine natürliche Grenze des Pyramidisierens ist die zur Verfügung stehende<br />
Kapitalmenge. Wie das oben demonstrierte Beispiel zeigt, ist unser Investor<br />
nach der vierten Pyrami<strong>den</strong>stufe voll investiert. Für weitere Stufen hätte er<br />
drei Möglichkeiten:
S e i t e | 44<br />
1. Er verk<strong>auf</strong>t die Aktie B, um Kapital frei zu machen.<br />
2. Er stellt zusätzliches Börsenkapital zur Verfügung, etwa von einem<br />
Tagesgeldkonto, <strong>auf</strong> das er regelmäßig Beträge überweist.<br />
3. Er arbeitet wiederum mit Margin <strong>und</strong> hebelt somit die Positionsgröße<br />
über Fremkapital.<br />
Die Risiken hierbei:<br />
1. Verk<strong>auf</strong>t er Aktie B, so hätte er sein gesamtes Börsenkapital in einen<br />
einzigen Wert investiert. Zumindest theoretisch schafft er damit ein<br />
so genanntes „Klumpenrisiko“ <strong>und</strong> verabschiedet sich vollständig von<br />
der Diversifizierung.<br />
2. Zusätzliches Börsenkapital würde bedeuten, dass er von seinem<br />
verfügbaren Gesamtvermögen mehr als 20 Prozent an der Börse zur<br />
Spekulation verwendet. Auch hier entsteht Risiko, das jedoch rein<br />
theoretischer Natur ist. Immerhin befindet sich ja das gesamte Depot<br />
bereits im Gewinn <strong>und</strong> für das Gesamtvermögen des Anlegers stellt<br />
der zusätzliche Kapitaleinsatz kein echtes Risiko dar, sondern nur das<br />
Risiko, <strong>auf</strong>gel<strong>auf</strong>ene Gewinne teilweise wieder einzubüßen.<br />
3. Der Handel <strong>auf</strong> Margin würde bedeuten, dass für <strong>den</strong><br />
unwahrscheinlichen, aber theoretisch <strong>den</strong>kbaren Fall eines<br />
plötzlichen Totalverlusts mehr Geld verloren gehen könnte, als<br />
ursprünglich vorhan<strong>den</strong> war (Nachschusspflicht).<br />
Finanzierungskosten kämen <strong>auf</strong> <strong>den</strong> Investor zu, die langfristig ein<br />
Kostenfaktor sind.<br />
Eine zweite Grenze des Pyramidisierens ist das Chance-Risiko-Verhältnis.<br />
Jede neu eröffnete Teilposition wird näher am Ende eines Trends eröffnet, so<br />
dass das faktisch erzielte CRV am Ende des Trades für die ersten<br />
Teilpositionen überdurchschnittlich, für die letzte aber negativ sein wird.<br />
Natürlich weiß vorher niemand, wie weit ein Trend l<strong>auf</strong>en wird. Das Ende<br />
kann unmittelbar bevorstehen, der Trend kann aber auch noch Monate oder<br />
Jahre weiterl<strong>auf</strong>en. Da die aktuell letzte Stufe der Pyramide immer Risiko<br />
generiert (auch wenn das durch die <strong>auf</strong>gel<strong>auf</strong>enen Gewinne mehr als<br />
kompensiert wird), sollte man eine separate Chance-Risiko-Abwägung<br />
treffen: Gibt es charttechnische Signale, die gegen eine Vergrößerung der<br />
Position sprechen, etwa Divergenzen, falsche Ausbrüche, Umkehrkerzen?<br />
Gibt es f<strong>und</strong>amentale Signale, die dagegen sprechen, etwa absurde<br />
Überbewertungen wie zu Zeiten des Neuen Marktes? Schützen kann sich der<br />
umsichtige Investor dadurch, dass er neue Teilpositionen nur dann eröffnet,<br />
wenn sich die Chance bietet, alle vorher eröffneten Positionen mit einem<br />
profitablen Gewinnsicherungsstop im Plus abzusichern.<br />
Drittens gibt es ein Liquiditätsrisiko. Das Risiko besteht darin, dass beim<br />
Schließen der Position (beispielsweise dem Verk<strong>auf</strong> von großen<br />
Aktienpositionen) die Preise massiv ins Rutschen geraten können. Man stelle<br />
sich <strong>den</strong> Fall vor, dass ein Investor über Jahre hinweg immer wieder in Aktien<br />
eines Unternehmens investiert hat. Als er <strong>10</strong>0.000 Aktien besitzt, bekommt er<br />
ein Verk<strong>auf</strong>ssignal. Verdutzt stellt er fest, dass der gesamte Tagesumsatz in<br />
dem Titel nur bei 500.000 Aktien liegt. Wenn er jetzt seine Aktien in einem
S e i t e | 45<br />
Paket <strong>auf</strong> <strong>den</strong> Markt wirft, würde er selbst die Preise drücken, sich also <strong>den</strong><br />
hohen Verk<strong>auf</strong>spreis verderben. Er muss also sein großes Aktienpaket<br />
„marktschonend“ unterbringen, ein Problem, mit dem institutionelle Anleger<br />
permanent konfrontiert sind.<br />
Gern wird auch der gestiegene durchschnittliche Einstiegspreis als<br />
Nachteil des Pyramidisierens angeführt. Was hat es damit <strong>auf</strong> sich?<br />
In unserem Beispiel hält der Investor nach Stufe vier 141 Stücke, gek<strong>auf</strong>t mit<br />
einem Kapitaleinsatz von 2.150 + 2.160 + 2.240 + 2.400 = 8,950 Euro.<br />
Es ergibt sich ein Durchschnittspreis von 63,48 Euro. Würde die Aktie zu<br />
diesem Preis (ohne Gebühren) verk<strong>auf</strong>t, wäre das Ergebnis Null. Unser Stop<br />
liegt aber bei 72 Euro, so dass dieses Argument rein hypothetischer Natur<br />
bleibt. Wer <strong>den</strong> Stop über dem durchschnittlichen Einstiegspreis platziert,<br />
sichert sich mit dem Pyrami<strong>den</strong>bau überdurchschnittliche Gewinne.<br />
Wäre es sinnvoll gewesen, die gesamten 141 Stücke <strong>auf</strong> einmal bei<br />
50 Euro zu erwerben?<br />
Setzt man wieder einen Stop bei 45 Euro, so würde das Gesamtrisiko der<br />
Position beim Einstieg 705 Euro betragen oder mehr als 5,95% des<br />
Börsenkapitals. Dieses hohe Einzelpositionsrisiko ist aber für einen<br />
risikobewussten Anleger völlig inakzeptabel. Es besteht immer die Gefahr des<br />
Ruins, wenn man Einzelpositionsrisiken derart <strong>auf</strong>bläht. Gewonnen hätte<br />
unser Investor 4.230 Euro, das ergibt ein Chance-Risiko-Verhältnis (Rewardto-Risk-Ratio)<br />
von 6. Der Pyrami<strong>den</strong>bauer hat ein maximales Risiko 215 Euro<br />
bei seinem ersten K<strong>auf</strong>, alle weiteren Stufen haben ein geringeres Risiko. Sein<br />
Gewinn beträgt, wenn er bei 80 Euro glattstellt, 2.330 Euro. Auf <strong>den</strong> ersten<br />
Blick erscheint das natürlich weniger, das Chance-Risiko-Verhältnis bei der<br />
Pyramide liegt aber mit <strong>10</strong>,8 wesentlich höher. Unser Muster-Investor hat nur<br />
ein Elftel dessen riskiert, was er am Ende gewonnen hat. Selbst wenn beide<br />
bei 72 Euro ausgestoppt wer<strong>den</strong>, geht die Rechnung zugunsten des<br />
Pyrami<strong>den</strong>bauers aus. Er verdient 1.202 Euro bei einem CRV von 5,5. Der<br />
Sofort-Käufer verdient 3.<strong>10</strong>2 Euro, das CRV beträgt jedoch nur 4,4.<br />
Langfristig wird der Anhänger des Pyramidisierens immer besser fahren,<br />
einfach, weil er im Verlustfalle besser dasteht. Er hat dann mehr Geld, um die<br />
Verluste wieder <strong>auf</strong>zuholen. Nach fünf Verlusten stünde unser Pyrami<strong>den</strong>-<br />
Investor noch mit <strong>10</strong>.666,27 Euro oder 90,39 Prozent des ursprünglichen<br />
Börsenkapitals da. Sein 2%iger Verlust verringert sich mit dem sinken<strong>den</strong><br />
Kontostand. Mit einer Performance von <strong>10</strong>,63% hat er seinen Ausgangs-<br />
Kontostand wieder hergestellt.<br />
Unser Sofort-Käufer pfeift <strong>auf</strong> die Prozente, hätte nach fünf Verlusten also<br />
fünf Mal 705 Euro oder 3,525 Euro verloren. Sein Trading-Kapital wäre <strong>auf</strong><br />
8.275 Euro gefallen – oder um 29,87%. Er muss dann eine Performance von<br />
42,6% erwirtschaften, um <strong>den</strong> Ausgangszustand wieder herzustellen.<br />
Angesichts der geringen Trefferquoten von Trendfolgestrategien (<strong>und</strong> nur in<br />
Trends sollte man Pyrami<strong>den</strong> bauen) ist eine Verlustserie von fünf Trades<br />
durchaus <strong>den</strong>kbar.<br />
DAS GLATTSTELLEN VON GEWINNPOSITIONEN<br />
Das Glattstellen von Verlustpositionen sollte keinerlei Probleme bereiten.<br />
Automatisch wird spätestens am Stop-Loss die Position zum nächsten
S e i t e | 46<br />
handelbaren Preis geschlossen. Das ist unkritisch, da pro Position nur kleine<br />
Summen riskiert wer<strong>den</strong> – maximal zwei Prozent des Börsenkapitals, bei<br />
größeren Konten eher geringere Prozentsätze.<br />
Problematisch ist das Glattstellen von Gewinnpositionen. Der häufigste Fehler<br />
ist das zu frühe Mitnehmen von Gewinnen. „An Gewinnmitnahmen ist noch<br />
niemand gestorben“, lautet ein gern kolportiertes Börsenbonmot. Nun, an zu<br />
frühen Gewinnmitnahmen schon. Wer nämlich regelmäßig mehr riskiert als<br />
er im Gewinnfalle verdient, wird sein Konto langfristig dezimieren. Eine<br />
gewinnbringende Investition sollte man immer so lange halten, dass sie<br />
mindestens das Doppelte, besser sogar das Dreifache des anfänglichen Risikos<br />
verdient hat.<br />
Als Investor oder längerfristiger Anleger (ab einem Jahr Haltedauer) hat die<br />
Arbeit mit Gewinnzielen <strong>und</strong> die klassische Kalkulation des CRV wenig Sinn.<br />
Lediglich die Größe des Risikos lässt sich vorab bestimmen. Konjunkturelle<br />
Schwankungen, Börsenstimmungen <strong>und</strong> die sich daraus ergeben<strong>den</strong><br />
Kursentwicklungen lassen sich nicht voraussagen, jede langfristige<br />
Kursprognose ist daher nutzlos. Es macht also Sinn, sich <strong>auf</strong> die<br />
Erfolgsgrößen zu konzentrieren, die ein Investor tatsächlich kontrollieren<br />
kann. Und das ist der Ausstiegszeitpunkt im Verlustfall.<br />
Wer Gewinne <strong>und</strong> Verluste gleich groß wer<strong>den</strong> lässt, dezimiert sein Konto <strong>auf</strong><br />
Gr<strong>und</strong> der zu zahlen<strong>den</strong> Gebühren <strong>und</strong> <strong>auf</strong>tretender Slippage. Sollen Verluste<br />
nur halb so groß sein wie Gewinne, wird man wahrscheinlich öfter<br />
ausgestoppt, da eine kleine Kursbewegung eben wahrscheinlicher ist als eine<br />
große.<br />
Die genaue Berechnung von Verlust- <strong>und</strong> Gewinnwahrscheinlichkeiten hängt<br />
von der Relation der geplanten Gewinne <strong>und</strong> Verluste, der Trefferquote einer<br />
Handelsstrategie <strong>und</strong> der Standardabweichung des gehandelten Wertes ab.<br />
Als Faustregel kann man sagen: Je dichter ein Gewinnziel am Einstiegskurs<br />
liegt, desto öfter wird es erreicht. Allerdings besteht dann das Problem, dass<br />
der Stop zur Verlustbegrenzung noch enger am Einstiegspunkt liegen muss<br />
<strong>und</strong> man häufig ausgestoppt wird. Die Kunst besteht also darin, diese<br />
Wahrscheinlichkeiten für sich auszunutzen.<br />
Wer es schafft, seine Gewinne bis zum Dreifachen seines durchschnittlichen<br />
Verlustes anwachsen zu lassen, kann <strong>auf</strong> lange Sicht mit einem soli<strong>den</strong><br />
Kapitalzuwachs rechnen. Wird dann noch konsequente Risikobegrenzung <strong>und</strong><br />
korrekte Positionsgrößenbestimmung angewandt, steht dem Handelserfolg<br />
nur noch der Investor selbst im Wege. Das Verhältnis des durchschnittlichen<br />
Gewinns zum durchschnittlichen Verlust (die so genannte Payoff-Ratio) ist<br />
einer der wichtigsten Faktoren für <strong>den</strong> Erfolg einer Investmentstrategie. Ein<br />
hohes Payoff-Ratio hilft, die Kapitalkurve mit geringen Rücksetzern steigen zu<br />
lassen. Ein niedriges Payoff-Ratio führt im Falle einer Verlustserie zu<br />
Kapitalverlusten, die sehr schwer wieder <strong>auf</strong>zuholen sind.<br />
Gewinnpositionen sollten immer möglichst lange l<strong>auf</strong>en gelassen wer<strong>den</strong>.<br />
Auch in der heutigen Zeit gibt es noch Werte, die sich verdoppeln, verfünfoder<br />
gar verzehnfachen. Dazu braucht es Geduld – aber ohne diese ist an <strong>den</strong><br />
Finanzmärkten ohnehin kein Geld zu verdienen.<br />
Der Ausstieg sollte nicht gestaffelt, sondern <strong>auf</strong> einen Schlag erfolgen,<br />
vorausgesetzt, die Marktliquidität lässt das zu. Die oft propagierten
S e i t e | 47<br />
Teilverkäufe sind nur legitim, wenn die Liquidität im Markt nicht das<br />
sofortige Auflösen einer Position zulässt. Wer eine Gewinnposition teilweise<br />
glattstellt, muss sich die Frage gefallen lassen, warum er das tut. Glaubt er an<br />
weitere Gewinnsteigerungen? Dann würde es Sinn machen, diesen Gewinn<br />
mit der ganzen Positionsgröße mitzunehmen. Glaubt er nicht an weitere<br />
Gewinnsteigerungen? Dann sollte er die gesamte Position schleunigst<br />
verk<strong>auf</strong>en.<br />
Teilverkäufe von Gewinnpositionen sind eine Folge der mentalen<br />
Kontoführung, einer der Psycho-Fallen, in die Investoren häufig treten. Ein<br />
Beispiel: Eine Position hat 1.000 Euro Gewinn erwirtschaftet, wir stellen sie<br />
nicht glatt, sondern schauen zu, wie sie jetzt um 300 Euro fällt. Sofort<br />
eröffnen wir mental ein „Verlustkonto“, <strong>auf</strong> dem 300 Euro Verlust gebucht<br />
wer<strong>den</strong>. Im Kopf des Investors kreist der Vorwurf: „Hätte ich doch nur früher<br />
glattgestellt, so habe ich schon wieder 300 Euro verloren.“ Der Fokus wird <strong>auf</strong><br />
<strong>den</strong> „verlorenen Gewinn“ gerichtet, nicht <strong>auf</strong> die noch verbliebenen 700 Euro<br />
Gewinn. Ängstlich wer<strong>den</strong> die restlichen 700 Euro Gewinn realisiert. So<br />
richtig Freude kommt trotzdem nicht <strong>auf</strong>. Später schaut man dann zu, wie<br />
nach einem Rücksetzer die Kurse <strong>den</strong> Ursprungstrend wieder <strong>auf</strong>nehmen <strong>und</strong><br />
statt 1.000 Euro satte 1.500 oder noch mehr Euro zu Buche gestan<strong>den</strong> hätten.<br />
Und jetzt ohrfeigt sich der Investor ein zweites Mal, weil die Position<br />
geschlossen wurde <strong>und</strong> ein Wiedereinstieg nur zu einem höheren Kurs <strong>und</strong><br />
mit einem ungünstigen CRV oder einem zweitklassigen Signal möglich ist. Ein<br />
häufiges Verhaltensmuster <strong>und</strong> der Gr<strong>und</strong> für viele Frustrationen an der<br />
Börse. Dagegen hilft nur ein schriftlicher Plan.<br />
TEIL 6: RISIKO-MANAGEMENT FÜR TRADER<br />
Für Trader ist Risiko-Management noch überlebenswichtiger als für<br />
Investoren. Die kürzeren Anlagehorizonte machen ein präziseres Timing<br />
notwendig. Der Trader hat keine Zeit, sich während eines Trades Gedanken<br />
über seine Ausstiege zu machen, er muss das vor dem Trade klar definieren.<br />
Die Geschwindigkeit der Märkte wird sonst an seiner Konzentration nagen<br />
<strong>und</strong> permanent wer<strong>den</strong> eigene Entscheidungen in Frage gestellt. Schließlich<br />
muss er sicher stellen, dass er zu dem Zeitpunkt, wo er das <strong>Tra<strong>den</strong></strong> erlernt hat,<br />
noch über Kapital verfügt, um das Gelernte anzuwen<strong>den</strong>.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich treffen die Gr<strong>und</strong>regeln des Risiko- <strong>und</strong> Money-Managements<br />
für Investoren auch <strong>auf</strong> <strong>den</strong> Trader zu. Darüber hinaus gibt es aber<br />
Besonderheiten, <strong>auf</strong> die im Folgen<strong>den</strong> detailliert eingegangen wer<strong>den</strong> soll.<br />
DAS HANDELSKONTO ALS TEIL DES BÖRSENKAPITALS<br />
Auch für <strong>den</strong> Trader steht zunächst die Frage nach der Größe des zur<br />
Verfügung stehen<strong>den</strong> Trading-Kapitals. Viele Trader sind am Anfang ihrer<br />
Händlerkarriere unterkapitalisiert. Der Wunsch nach dem schnellen<br />
Reichtum mit begrenztem Risiko führt dazu, dass mit kleinen Handelskonten<br />
völlig überhebelte Positionen gehandelt wer<strong>den</strong>. Der hoch gehebelte Handel<br />
ohne entsprechende Fertigkeiten führt dazu, dass ein durchschnittlicher<br />
Futures- oder CFD-Trader nach sechs Monaten seine Trader-Karriere<br />
erfolglos beendet.
S e i t e | 48<br />
WOHER KOMMT DIE ANGST?<br />
Zunächst einmal aus einem falschen Bezugsrahmen. Der Verlust eines<br />
Handelskontos mit beispielsweise 5.000 Euro Anfangsguthaben wird<br />
gleichgesetzt mit einer Pleite. Ein einfaches Ändern des Bezugsrahmens führt<br />
zu völlig anderen Überlegungen. Der Totalverlust des Handelskapitals in<br />
unserem o.g. Beispiel würde bedeuten, dass unser Trader von seinem freien<br />
Nettovermögen von 59.000 Euro weniger als 8,5 Prozent verlieren würde. Das<br />
ist zweifellos sehr ärgerlich <strong>und</strong> völlig unnötig. Aber es ist angesichts des<br />
insgesamt zur Verfügung stehen<strong>den</strong> Vermögens kein unwiederbringlicher,<br />
existenzbedrohender Verlust.<br />
Die Folgen ängstlichen <strong>Tra<strong>den</strong></strong>s sind irrationale Entscheidungen, die unter<br />
starkem emotionalen Druck getroffen wer<strong>den</strong>. Umso wichtiger ist es, dem<br />
vorzubeugen. Der Schlüssel hier ist ein noch stringenteres Risiko- <strong>und</strong><br />
Money-Management.<br />
In unserem Fall empfiehlt es sich dringend, das Börsenkapital <strong>auf</strong>zuteilen.<br />
Auch hier kann als Faustregel wieder das Verhältnis 80 zu 20 genutzt wer<strong>den</strong>.<br />
Von <strong>den</strong> 11.900 Euro Börsenkapital könnten 2.000 Euro für das kurzfristige<br />
<strong>Tra<strong>den</strong></strong> genutzt wer<strong>den</strong>. Damit ist das Risiko klar begrenzt. Wovor sollte sich<br />
ein Trader jetzt noch fürchten? Wenn er dieses Geld verliert, macht ihn das,<br />
salopp gesprochen, weder wesentlich ärmer noch wesentlich reicher. Die<br />
Folge ist, dass man entspannt mit dem Konto umgeht.<br />
Gleichzeitig sind die 2.000 Euro aber eine Summe, für die unser angehender<br />
Trader in seinem Beruf wahrscheinlich einen ganzen Monat lang arbeiten<br />
muss. Insofern wird er sich darum bemühen, dieses Geld zu schützen <strong>und</strong> zu<br />
mehren. Es als „Spielgeld“ zu betrachten wäre falsch – er würde dann mit<br />
diesem Geld tatsächlich „spielen“.<br />
Schließlich sollte ein Trader in Prozentwerten <strong>den</strong>ken. Man kann das Trading<br />
mit einem 1.000-Euro-Konto erlernen. Man darf nur nicht der Illusion<br />
erliegen, davon leben zu können. Wer dieses Konto um ein Prozent pro Woche<br />
vergrößert, liefert ein phantastisches Ergebnis ab. In absoluten Zahlen hat er<br />
allerdings dann eine Woche für <strong>10</strong> Euro gearbeitet. Das ist ernüchternd <strong>und</strong><br />
führt zum oben beschriebenen Phänomen, mit kleinen Konten <strong>und</strong> großen<br />
Hebeln unverhältnismäßig hohe Risiken einzugehen.<br />
RISIKOSTREUUNG ODER FOKUSSIERUNG?<br />
Angehende Trader neigen zu einer weiteren Angst, der Angst, Chancen zu<br />
verpassen. Am liebsten wür<strong>den</strong> sie alle Märkte beobachten, Tausende von<br />
Aktien untersuchen <strong>und</strong> gleichzeitig Währungen, Indizes, Rohstoffe <strong>und</strong><br />
Anleihen im Auge behalten, um ja keine Chance auszulassen. Das kommt dem<br />
Versuch gleich, als angehender Musiker gleich alle Instrumente eines<br />
Sinfonieorchesters spielen zu wollen. Mediziner, Rechtsanwälte, Tischler – in<br />
jeder Berufsgruppe gibt es mittlerweile Spezialisierungen <strong>auf</strong> Teilgebiete, so<br />
auch im Trading.<br />
Es hat sich bewährt, sich <strong>auf</strong> ein Handelsinstrument zu konzentrieren, um das<br />
<strong>Tra<strong>den</strong></strong> zu erlernen. Vorzuziehen sind wenig volatile, liquide Instrumente,<br />
etwa Standardwerte aus dem Aktienbereich oder Anleihen. Indizes sind nur
S e i t e | 49<br />
zu empfehlen, wenn genügend Trading-Kapital zur Verfügung steht oder man<br />
in kleinster Stückelung handeln kann (etwa Bruchteile von CFDs).<br />
Sobald der angehende Trader in der Lage ist, ein Instrument profitabel zu<br />
tra<strong>den</strong>, kann er selbstverständlich seine Instrumentenpalette erweitern.<br />
Allerdings sollte er das erst tun, wenn er mehrere Monate lang profitabel<br />
arbeitet. Ansonsten könnte es sein, dass er einfach nur Glück gehabt hat,<br />
beispielsweise eine einfach zu handelnde Marktphase erwischt hat.<br />
BESONDERE RISIKEN DES DAYTRADING<br />
Wer intraday Positionen öffnet <strong>und</strong> schließt muss sich darüber klar sein, dass<br />
er noch eine weitere Hürde <strong>auf</strong> dem Weg zum Erfolg zu nehmen hat. Neben<br />
der erheblichen nervlichen <strong>und</strong> physischen Belastung ist auch die Kostenfalle<br />
omnipräsent. Diese Kosten – Gebühren, Spreads <strong>und</strong> Slippage – wer<strong>den</strong><br />
meist dramatisch unterschätzt.<br />
Dazu ein Beispiel: Angenommen, ein Trader hat tatsächlich 2.000 Euro<br />
Trading-Kapital. Er platziert am Tag nur einen Trade mit einem CFD <strong>auf</strong> <strong>den</strong><br />
deutschen Standardwerte-<strong>Index</strong>. Der Spread im German30 beträgt einen<br />
Punkt. Welche Kosten trägt er?<br />
1 Trade am Tag = 1 Euro Kosten pro Ro<strong>und</strong> Turn, repräsentiert durch <strong>den</strong><br />
Spread.<br />
5 Trades wöchentlich = 5 x 1 Euro = 5 Euro pro Woche.<br />
50 Handelswochen = 50 x 5 Euro = 250 Euro jährliche Kosten.<br />
Dies entspricht einem Kostenblock von 12,5 Prozent seines gesamten<br />
Handelskapitals – diese Kosten wollen erst einmal erwirtschaftet sein.<br />
Was Slippage angeht, so sind die hierdurch entstehen<strong>den</strong> Kosten zwei bis<br />
dreimal so hoch wie die eigentlichen Handelsgebühren. Zwar kann man sie<br />
durch geschickte Order<strong>auf</strong>gabe minimieren – etwa durch <strong>den</strong> konsequenten<br />
Gebrauch von Limit-Orders. Jedoch wird dieses Instrument der<br />
Kostenbegrenzung von Trading-Einsteigern nicht gern genutzt – eben aus der<br />
Angst heraus, eine Chance zu verpassen. Auch beim Schließen von Positionen<br />
durch Stop-Orders kommt es durch ungeschicktes Platzieren dieser Orders<br />
häufig zu Slippage-Kosten, welche die Handelsgebühren oft um ein Vielfaches<br />
übersteigen.<br />
Unser beginnender Day-Trader läuft also Gefahr, die ersten 50 bis 75 Prozent<br />
seiner Performance als Kosten für Spread <strong>und</strong> Slippage <strong>auf</strong> dem Tisch zu<br />
lassen.<br />
Ganz abgesehen von diesen harten monetären Hindernissen wer<strong>den</strong> die<br />
nervlichen Belastungen (schnelle, automatisierte<br />
Entscheidungsfindungsprozesse, Notwendigkeit von<br />
Entscheidungskorrekturen innerhalb von Sek<strong>und</strong>en, Ausschalten des Egos)<br />
<strong>und</strong> die physischen Stressoren (st<strong>und</strong>enlanges Sitzen vor dem Computer –<br />
„Monitor-Hypnose“, eine Vielzahl von Signalen pro Tag) vom Einsteiger völlig<br />
unterschätzt.<br />
Der dringende Appell an <strong>den</strong> Einsteiger kann daher nur lauten: Finger weg<br />
vom Day-Trading! Wer Porsche fahren möchte, sollte zunächst einmal einen
S e i t e | 50<br />
PS-schwachen Kleinstwagen traumwandlerisch sicher ans Ziel bringen<br />
können.<br />
DIE ZWEI-PROZENT-REGEL DES RISIKO-<br />
MANAGEMENTS<br />
Es kursieren verschie<strong>den</strong>e Zahlen für die Begrenzung des<br />
Einzelpositionsrisikos. Pierre Daeubner <strong>und</strong> Dr. Van K. Tharp begrenzen das<br />
Risiko <strong>auf</strong> ein Prozent des Trading-Guthabens. 11 Dr. Alexander Elder<br />
favorisiert die Zwei-Prozent-Regel. 12 Trader mit größeren Konten, wie etwa<br />
der bereits erwähnte Birger Schäfermeier, riskieren Bruchteile von Prozenten<br />
ihres Trading-Kontos. Die konkrete Ausgestaltung – ob ein oder zwei Prozent<br />
Risiko – obliegt jedem Trader selbst. Je kleiner das Konto, desto eher wird er<br />
an die Zwei-Prozent-Regel gelangen. Je größer das Konto, desto kleiner wird<br />
er sein Einzelpositionsrisiko prozentual wählen.<br />
Der Gr<strong>und</strong> für die strikte Begrenzung des Risikos der einzelnen Position ist<br />
der Schutz vor einem einzelnen mortalen Verlust.<br />
Angenommen, ein Trader begrenzt sein Risiko konsequent <strong>auf</strong> zwei Prozent<br />
seines Handelskapitals, dann hat er nach 25 Verlust-Trades in Folge<br />
immerhin noch 60,35% seines Geldes. Schon bei einem Einzelpositionsrisiko<br />
von drei Prozent schrumpft sein Kontoguthaben nach 25 Verlusten in Serie<br />
<strong>auf</strong> 46,7% <strong>und</strong> bei sechs Prozent hat er sein Konto <strong>auf</strong> 20% reduziert. Damit<br />
benötigt er jetzt eine Performance von 400 Prozent, um sein<br />
Ursprungsguthaben wieder zu erlangen.<br />
DAS CHANCE-RISIKO-VERHÄLTNIS<br />
Im Unterschied zum längerfristigen Investor sollte ein kurzfristiger Trader<br />
immer mit Kurszielen arbeiten. Der Sinn dieser Kursziele besteht darin, das<br />
Risiko bei Positionseröffnung ins Verhältnis zum erwarteten Ertrag zu setzen.<br />
Viele Einsteiger halten diesen Kontrollparameter für „Kaffeesatzleserei“.<br />
Gerade für Einsteiger ist es aber essentiell, sich über die zu erwarten<strong>den</strong><br />
Gewinne Gedanken zu machen: „Wenn ich einen Trade mache, was erwarte<br />
ich mir davon? Wenn man einen Job annimmt, weiß man über sein Gehalt<br />
<strong>und</strong> die Zusatzleistungen Bescheid; man weiß, wie viel Geld man erhält“,<br />
schreibt Kerry Lovvorn, ein Aktien- <strong>und</strong> Futures-Trader aus Alabama. 13<br />
Damit ein Trade als lohnenswert erscheint, muss der erwartete Gewinn<br />
mindestens doppelt so groß wie das eingegangene Risiko sein.<br />
Ein Beispiel: Unser Trader hat ein Konto von 2.000 Euro. Er möchte eine<br />
Aktie A zu 20 Euro k<strong>auf</strong>en. Seinen Stop setzt er bei 19,50 Euro, sein Risiko pro<br />
Aktie beträgt 0,50 Euro. Das Kursziel der Aktie sieht er bei 21 Euro. Er<br />
berechnet das Chance-Risiko-Verhältnis, indem er die Chance durch das<br />
Risiko dividiert:<br />
11 Daeubner, Pierre M. : Die besten Trading-Strategien, München 2007, S.<br />
86ff; Tharp, Van K.: Beruf: Trader, München 2006, S. 138 ff<br />
12 Elder, Dr. Alexander: Come Into My Trading Room, München 2005, S.<br />
253ff<br />
13 Elder, Dr. Alexander: Entries & Exits, München 2008, S. 232.
S e i t e | 51<br />
1,00 Euro Gewinnchance : 0,50 Euro Verlustrisiko = 2,0<br />
Das Chance-Risiko-Verhältnis ist damit an der Untergrenze des Erlaubten,<br />
der Trader darf diesen Trade eingehen.<br />
POSITIONSGRÖßENBESTIMMUNG<br />
Anhand der Zwei-Prozent-Regel bestimmt er jetzt die Größe der Position: Von<br />
seinen 2.000 Euro möchte er höchstens zwei Prozent, also 40 Euro riskieren.<br />
Die Positionsgröße ergibt sich, indem er dieses Positionsrisiko durch das<br />
Risiko pro Aktie dividiert.<br />
40,00 Euro Positionsrisiko : 0,50 Euro Risiko pro Aktie = 80<br />
Aktien<br />
Seine Position wäre dann 80 Stücke x 40,00 Euro je Stück = 3.200 Euro groß.<br />
MONEY-MANAGEMENT: DIE SECHS-PROZENT-REGEL<br />
Wie sollte ein Trader sein Konto managen? Risiko-Management schützt das<br />
Kapital des Traders vor einem einzigen mortalen Verlust – vor einem<br />
Haifisch-Biss. Money-Management schützt vor langen Serien von kleinen, fast<br />
unscheinbaren Verlusten., die Dr. Elder mit Piranha-Bissen vergleicht. Dieser<br />
winzige Fisch lebt in <strong>den</strong> Strömen Südamerikas in riesigen Schwärmen <strong>und</strong> ist<br />
in der Lage, in Minuten selbst größte Säugetiere bis <strong>auf</strong> die Knochen<br />
abzunagen.<br />
Hier empfiehlt es sich, die Sechs-Prozent-Regel anzuwen<strong>den</strong>. Diese besagt<br />
zweierlei: Erstens, ein Trader darf niemals mehr als sechs Prozent seines<br />
Trading-Kapitals einem Risiko aussetzen. Das würde bei Anwendung der<br />
Zwei-Prozent-Regel bedeuten, dass er nach Eröffnung von drei Positionen mit<br />
je zwei Prozent Risiko voll investiert ist. Dahinter verbirgt sich das bereits<br />
bekannte Konzept des verfügbaren Gesamtrisikos.<br />
Zweitens, nach Erlei<strong>den</strong> eines Verlustes von sechs Prozent innerhalb eines<br />
Monats sollte das Trading für <strong>den</strong> Rest des Monats eingestellt wer<strong>den</strong>.<br />
Möglicherweise haben sich die Märkte geändert <strong>und</strong> die bislang angewandte<br />
Strategie funktioniert nicht mehr optimal. Oder der Trader steht selbst <strong>auf</strong><br />
Gr<strong>und</strong> des Verlustes unter Stress <strong>und</strong> handelt nicht mehr rational. Beides<br />
kann durch eine Trading-Pause, während der die Märkte zwar beobachtet,<br />
aber nicht mehr mit Geld getradet wer<strong>den</strong>, aus einigem Abstand beobachtet<br />
wer<strong>den</strong>.<br />
TEIL 7: TECHNISCHE FRAGEN VON RISIKO-<br />
UND MONEY-MANAGEMENT<br />
STOP-TECHNIKEN - GRUNDSÄTZLICHES<br />
Es empfiehlt sich sowohl für <strong>den</strong> Trader, als auch für <strong>den</strong> Investor, sich in der<br />
Phase der Erarbeitung einer Trading-Strategie bereits Gedanken über<br />
Ausstiegs-Techniken zu machen. Während des Trades ist dafür in der Regel<br />
weder Zeit noch Muße.
S e i t e | 52<br />
Als Mittel zur Risikobegrenzung sind Stops nicht unumstritten. Faktisch wird<br />
man von einer Stop-Order immer an einem ungünstigen Punkt aus dem<br />
Markt geholt. Man schneidet einen Trade ab, der in der Perspektive noch ein<br />
Gewinner hätte wer<strong>den</strong> können. Während eine ausgeführte Stop-Order<br />
niemals zur Gewinnvermehrung beiträgt, vergrößert sie die realisierten<br />
Verluste.<br />
Bevor man aber nun die Stops an sich verteufelt, sollte man die Frage stellen:<br />
Gibt es eine Alternative? Positionen ohne Stop zu halten, kann sich ein<br />
Warren Buffett leisten. Salopp gesprochen, könnte er sich selbst bei einem<br />
90%igen Verlust immer noch alles leisten, was das Leben angenehm macht.<br />
Ob 50 oder 5 Milliar<strong>den</strong> – welchen Unterschied macht das im täglichen<br />
Leben? Die wenigsten aktiven Trader oder Investoren dürften vor dieser<br />
Alternative stehen.<br />
Sehr große Aktienpositionen wer<strong>den</strong> ohnehin niemals mit Stop-Orders<br />
abgesichert. Hier stellen beispielsweise Optionen eine viel wirksamere<br />
Versicherung gegen Verluste dar.<br />
Für die meisten Investoren <strong>und</strong> Trader wird die Stop-Order jedoch das einzig<br />
praktisch handhabbare Mittel der Verlustbegrenzung sein.<br />
Stops wer<strong>den</strong> nach verschie<strong>den</strong>en Gesichtspunkten unterschie<strong>den</strong>. Einerseits<br />
können Sie gegen Verluste schützen, andererseits Gewinne sichern. Sie<br />
können ebenso in harte <strong>und</strong> mentale Stops unterteilt wer<strong>den</strong>. Stops können<br />
prozentual oder charttechnisch gesetzt wer<strong>den</strong>.<br />
DER INITIALE STOP ZUR VERLUSTBEGRENZUNG<br />
Der Verlustbegrenzungs-Stop sollte immer vor Eingehen einer Position<br />
definiert wer<strong>den</strong>. Wo ist die „Linie im Sand“, an der eine Position glattgestellt<br />
wird. Dies hat nichts damit zu tun, ob sich ein Investor oder Trader „geirrt“<br />
hat oder „einen Fehler“ gemacht hat. Verluste gehören zum <strong>Tra<strong>den</strong></strong> wie das<br />
Amen zur Kirche. Wichtig ist, dass man sie rechtzeitig realisiert, bevor sie<br />
einen irreversiblen Scha<strong>den</strong> für das Börsenkapital anrichten.<br />
DER ATR-STOP<br />
Benutzt man für <strong>den</strong> ersten Stop die Average True Range, so macht man sich<br />
die Tatsache zunutze, dass Märkte sich meist in Bandbreiten bewegen. Die<br />
Average True Range zeigt <strong>auf</strong>, wie groß die durchschnittliche Handelsspanne<br />
während einer bestimmten Anzahl Handelsperio<strong>den</strong> in der Vergangenheit<br />
gewesen ist. Multipliziert man die ATR mit 3 <strong>und</strong> setzt seinen<br />
Verlustbegrenzungsstop in dieser Entfernung unter dem Einstieg (bzw.<br />
darüber bei Short-Positionen), so wird man mit mehr als 99%iger<br />
Wahrscheinlichkeit während der nächsten Handelsperiode nicht ausgestoppt.<br />
Um dies aber mit der Zwei-Prozent-Regel des Risiko-Managements in<br />
Einklang bringen zu können, muss die Kapitalausstattung schon<br />
entsprechend groß oder das gehandelte Zeitfenster entsprechend klein sein.<br />
DER STOP UNTER DER LETZTEN KORREKTUR
S e i t e | 53<br />
Gern genutzt wird ein Stop an der letzten Kurskorrektur, wobei häufig<br />
empfohlen wird, <strong>den</strong> Stop einige Ticks entfernt von der Korrektur zu setzen<br />
<strong>und</strong> möglichst nicht <strong>auf</strong> r<strong>und</strong>e Zahlen. Hierbei entstehen zwei Gefahren:<br />
Erstens kann man einer kurzfristigen Korrektur unter das letzte Tief (bzw.<br />
über das letzte Hoch) zum Opfer fallen <strong>und</strong> wird ausgestoppt, um dann<br />
hinterher zuzuschauen, wie sich der Trade oder das Investment in die<br />
antizipierte Richtung bewegt. Zweitens kann man in dieser Zone, in der sich<br />
viele Stops befin<strong>den</strong>, einer überproportionalen Slippage zum Opfer fallen.<br />
Auswege sind klare Strategien für Wiedereinstiege (falls man ungewollt<br />
ausgestoppt wurde). Gegen die Slippage hilft es, <strong>den</strong> Stop genau <strong>auf</strong> dem<br />
letzten Bewegungsextrem oder sogar ein, zwei Ticks darüber (darunter bei<br />
Short-Positionen) zu setzen. Hier befin<strong>den</strong> sich sehr selten Stops <strong>und</strong> die<br />
Ausführung zum oder nahe dem Stop-Kurs erfolgt erfahrungsgemäß sicherer.<br />
Hierzu gehört auch der Stop unter Widerstands- bzw. über<br />
Unterstützungslinien.<br />
DER STOP UNTER DER TRENDLINIE ODER EINEM<br />
GLEITENDEN DURCHSCHNITT<br />
Gern genutzt wird ein Stop, der wenige Punkte oder in einem bestimmten<br />
prozentualen Abstand von Trendlinien oder Gleiten<strong>den</strong> Durchschnitten<br />
platziert wird. Auch hier besteht das Problem, dass bei erratischen<br />
intraperiodischen Trendbrüchen eine Position geschlossen wird, während per<br />
Schlusskurs der Handelsperiode kein Anlass zur Beunruhigung bestünde. Also<br />
muss auch hier mit Wiedereinstiegs-Strategien gearbeitet wer<strong>den</strong>.<br />
Mittlerweile gibt es intelligente Handelsplattformen, die solche Stops nur<br />
ausführen, wenn die Verletzung der Trendlinie per Perio<strong>den</strong>schluss bestehen<br />
bleibt.<br />
DER PROZENTUALE STOP<br />
Es ist durchaus möglich, einen Stop um einen bestimmten Prozentsatz unter<br />
dem Einstiegskurs zu setzen. Wer Aktien handelt, kann beispielsweise 25 –<br />
35% (abhängig von der Volatilität des Wertpapiers) unter seinem Einstieg<br />
einen Stop setzen. Dieser würde dann zumindest das Kapital schützen. Es<br />
empfiehlt sich aber, regelmäßig die Chartsituation zu analysieren, um die<br />
Position möglichst vor Erreichen eines solchen weiten Stops zu schließen, falls<br />
das Chartbild sich ändert – etwa der Trend dreht.<br />
DER DARVAS-STOP<br />
Nicolas Darvas hat 1956 durch eine simple Stop-Technik viel Geld verdient. Er<br />
k<strong>auf</strong>te Aktien mit neuen 52-Wochen-Hochs. Nach einer Korrektur wartete er<br />
<strong>auf</strong> die Wieder<strong>auf</strong>nahme des Aufwärtstrends <strong>und</strong> platzierte Stops am Tief der<br />
Korrektur, sobald ein höheres Bewegungshoch erreicht war. Erst nach einer<br />
weiteren Korrektur <strong>und</strong> Wieder<strong>auf</strong>nahme der Aufwärtsbewegung wurde der<br />
Stop <strong>auf</strong> das Tief der Korrektur nachgezogen. Die Entfernung zwischen Hoch<br />
<strong>und</strong> Korrekturtief wurde nach ihm „Darvas-Box“ benannt. In einem sehr<br />
bullishen Umfeld machte er mit dieser Technik aus <strong>10</strong>.000 US-Dollar<br />
innerhalb von 18 Monaten mehr als zwei Millionen Dollar. Darvas benutzte
S e i t e | 54<br />
keinerlei Charts. Heute ist diese Box-Technik auch im Intraday-Handel<br />
populär.<br />
DAS NACHZIEHEN VON STOPS (STOP-TRAILING)<br />
Für langfristige Investmenterfolge ist es wichtig, die Stops nicht zu früh, aber<br />
auch nicht zu spät in Richtung der antizipierten Kursbewegung zu bewegen.<br />
Sie erfüllen damit <strong>den</strong> Zweck, <strong>auf</strong>gel<strong>auf</strong>ene Gewinne zu sichern. Häufige<br />
Fehler sind das zu frühe Nachführen eines Stops, das zu häufigem Ausstoppen<br />
mit kleinen Gewinnen führt. Andererseits wer<strong>den</strong> Stops auch oft zu spät<br />
ausgelöst, etwa erst nach einem Kurs-Sturz <strong>und</strong> unmittelbar vor einem neuen<br />
Einstiegssignal.<br />
Für das Nachziehen empfiehlt es sich, volatilitätsabhängige Parameter zu<br />
nutzen, etwa die Average True Range oder die Standardabweichung. Diese<br />
beschreiben das, was gemeinhin als die „Zone des Marktrauschens“ (Market<br />
Noise) bezeichnet wird. Stops sollten außerhalb dieser Rauschzone platziert<br />
wer<strong>den</strong>, weil dann die Wahrscheinlichkeit des zufälligen Ausstoppens<br />
exponentiell abnimmt.<br />
DER BREAK-EVEN-STOP<br />
Der initiale Verlustbegrenzungs-Stop kann erstmals nachgezogen wer<strong>den</strong>,<br />
sobald eine Position mindestens eineinhalb Mal das eingegangene Risiko<br />
verdient hat. So wird sichergestellt, dass die Position nicht „versehentlich“<br />
ausgestoppt wird. Man kann sich auch hier der Average True Range bedienen<br />
<strong>und</strong> nach 1,5 ATR Kursgewinn seinen Stop <strong>auf</strong> <strong>den</strong> Einstiegskurs plus<br />
eventueller Gebühren <strong>und</strong> Finanzierungskosten anheben.<br />
DER GEWINNSICHERUNGS-STOP<br />
Bewegen sich die Kurse in die antizipierte Richtung <strong>und</strong> schlagen plötzlich die<br />
Gegenrichtung ein, steht immer die Frage: Trendwechsel oder Korrektur?<br />
Hier empfiehlt es sich, <strong>den</strong> Stop anzupassen. Entweder es dient ein<br />
vorhergehendes Korrektur-Level als Stop-Kurs, das sich bereits im<br />
Gewinnbereich befindet. Dieses sollte bei einem intakten Trend nicht verletzt<br />
wer<strong>den</strong>. Oder man sichert bei Fehlen eines solchen seinen maximalen<br />
Buchgewinn ab, indem man <strong>den</strong> Stop <strong>auf</strong> 25 – 30% des maximalen,<br />
zwischenzeitlich <strong>auf</strong>gel<strong>auf</strong>enen Buchgewinns anhebt. Der Gewinnsicherungs-<br />
Stop kann jedes Mal nach Abschluss einer Korrektur in Richtung der<br />
übergeordneten Kursbewegung angepasst wer<strong>den</strong>.<br />
Ein Sonderfall des Gewinnsicherungs-Stops ist ein Stop, der in einem<br />
bestimmten Abstand unter jedem neuen Bewegungshoch (-tief) nachgeführt<br />
wird. Beispielsweise kann er <strong>auf</strong> 25% unter das kürzlich erreichte Hoch einer<br />
Aktie gesetzt wer<strong>den</strong>. Erreicht die Aktie dar<strong>auf</strong> ein neues Hoch, wird der Stop<br />
wieder 25% unter dem Hoch gesetzt usw. Damit wer<strong>den</strong> Gewinne allerdings<br />
sehr weit gesichert.<br />
DER GEWINNMITNAHME-STOP
S e i t e | 55<br />
Für <strong>den</strong> Gewinnmitnahme-Stop ist das Erreichen eines Gewinnzieles<br />
Voraussetzung. Sobald ein avisiertes Kursziel erreicht wurde, darf der Stop<br />
kurz unter dem Kursziel (für Charttechniker: Unter dem Tief/über dem Hoch<br />
der vorletzten Kerze) platziert wer<strong>den</strong>.<br />
Gewinnmitnahme-Stops bieten sich vor Erreichen des Kurszieles auch an,<br />
wenn Umkehrkerzen (Shooting-Star, Hammer usw.) erscheinen. Sie sind oft<br />
ein Signal für das Ende eines Bewegungsimpulses. Treten sie <strong>auf</strong>, empfiehlt es<br />
sich, <strong>auf</strong>gel<strong>auf</strong>ene Gewinne engmaschig mit Stops zu sichern.<br />
DIE ZEHN GEBOTE DES RISIKOMANAGEMENTS<br />
Im Rahmen eines Webinars ist es nicht möglich, alle Aspekte des Risiko- <strong>und</strong><br />
Money-Managements zu beleuchten. Wichtige Leitsätze sollten sich aber<br />
festgesetzt haben:<br />
1. Risiko- <strong>und</strong> Money-Management entschei<strong>den</strong> über <strong>den</strong> Erfolg <strong>und</strong><br />
Misserfolg von Investoren <strong>und</strong> Tradern, <strong>den</strong>n Börsenkurse sind nicht<br />
prognostizierbar.<br />
2. Prognosen sind folglich vertane Zeit.<br />
3. Risikobegrenzung ist die Voraussetzung für <strong>den</strong> Erfolg an <strong>den</strong><br />
Finanzmärkten, sie geht vor Gewinnmaximierung.<br />
4. Risiko- <strong>und</strong> Money-Management ist ein universelles<br />
Gr<strong>und</strong>erfordernis für Investoren <strong>und</strong> Trader jeder Kontogröße – egal<br />
ob mit Millionen jongliert oder der Spargroschen angelegt wird.<br />
5. Schon die einmalige Missachtung der Risiko-Management-Regeln<br />
kann fatale Folgen haben.<br />
6. Bei geduldiger Anwendung eines Risiko-Management-Regelwerkes<br />
lässt sich der Erfolg an <strong>den</strong> Finanzmärkten nicht vermei<strong>den</strong>.<br />
7. Der größte Feind <strong>und</strong> die schärfste Waffe jedes Investors oder Traders<br />
ist die eigene Psyche. Mit rigorosem Risiko- <strong>und</strong> Money-Management<br />
kann man dafür sorgen, psychologische Fallstricke zu umgehen.<br />
8. Nicht das Ergebnis der einzelnen Investition zählt – sondern die<br />
Summe. Einzelne Investitions- <strong>und</strong> Trading-Ergebnisse sind häufig<br />
größtenteils zufällig.<br />
9. Es geht nicht um das „Jackpot“-Investment. Vielmehr geht es um<br />
reproduzierbare Erfolge.<br />
<strong>10</strong>. Investitionen wer<strong>den</strong> gemacht, um zu gewinnen, nicht um sich in sie<br />
zu verlieben.
S e i t e | 56<br />
TEIL 8: TECHNISCHE ANALYSE: DIE<br />
GEOMETRIE DER MASSENPSYCHOLOGIE<br />
FUNDAMENTALE ODER TECHNISCHE ANALYSE?<br />
Es gibt unter <strong>den</strong> Investoren <strong>und</strong> Tradern zwei Analyse-Welten. Die einen<br />
sind F<strong>und</strong>amentalanalysten. Sie vertiefen sich in Bilanzen, Jahresberichte <strong>und</strong><br />
Quartalsreports. Aktienanalysten analysieren makroökonomische Trends,<br />
Umsatz- <strong>und</strong> Gewinnzahlen, Markttrends, Kosten<strong>auf</strong>stellungen. Im Bereich<br />
des Währungshandels spielen Bruttoinlandsprodukt, Bevölkerungswachstum,<br />
Investitionsklima, Wirtschaftswachstum, Verschuldung, Zinspolitik <strong>und</strong> vieles<br />
mehr eine Rolle. Im Rohstoffbereich wer<strong>den</strong> An- oder Abbaukapazitäten,<br />
Lagerstätten <strong>und</strong> -vorräte, Lieferkapazitäten, Verbrauchsprognosen, das<br />
Wetter, die Angebots- <strong>und</strong> Nachfragesituation im kurz-, mittel- <strong>und</strong><br />
langfristigen Bereich untersucht. Kurz: Die F<strong>und</strong>amentalanalyse ist, wo auch<br />
immer sie angewandt wird, eine hochkomplexe Wissenschaft.<br />
Technische Analysten machen sich das Leben leichter. Sie lesen Charts -<br />
grafische Darstellungen der Kursverläufe der Vergangenheit. Chartanalysten<br />
setzen dar<strong>auf</strong>, in <strong>den</strong> Charts nahezu alles zu erkennen, was für ein profitables<br />
<strong>Investieren</strong> notwendig erscheint.<br />
Wer hat die bessere Methode? Diese Frage lässt sich nicht beantworten, <strong>den</strong>n<br />
das hieße, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Es sind zwei unterschiedliche<br />
Metho<strong>den</strong>, die Märkte zu analysieren. Jeder muss selbst entschei<strong>den</strong>, welche<br />
Methode ihm besser gefällt.<br />
Ich persönlich nutze die Technische Analyse, f<strong>und</strong>amentale Daten ziehe ich<br />
nur in sehr begrenztem Umfang für meine Handels- <strong>und</strong><br />
Investitionsentscheidungen heran.<br />
In <strong>den</strong> folgen<strong>den</strong> Abschnitten habe ich die aus meiner Sicht wichtigsten<br />
Aspekte der Technischen Analyse zusammengefasst. Ich wollte <strong>den</strong> vielen<br />
Büchern über Charts, Indikatoren, Formationen usw. nicht noch ein weiteres<br />
hinzufügen, daher fokussiere ich mich stark <strong>auf</strong> die praktischen Aspekte der<br />
Analyse. Es geht mir nicht darum, lexikalisch umfassend alles zu beschreiben,<br />
was die Technische Analyse zu bieten hat. Vielmehr geht es mir darum, das<br />
unüberschaubare Sammelsurium von Werkzeugen <strong>und</strong> Metho<strong>den</strong> der<br />
Technischen Analyse zu systematisieren <strong>und</strong> für <strong>den</strong> fortgeschrittenen<br />
Einsteiger handhabbar zu machen. Wer sich umfassender zu einzelnen<br />
Aspekten informieren möchte, dem seien die Bücher des<br />
Literaturverzeichnisses am Ende empfohlen.<br />
Zunächst geht es um Glaubenssätze der Technischen Analyse. Der folgende<br />
Teil ist dem notwendigen Gr<strong>und</strong>wissen des Technischen Analysten gewidmet.<br />
Danach folgt die handwerkliche Umsetzung.<br />
Nach dem Durcharbeiten des Materials sollte der Einzelne in der Lage sein,<br />
einen systematischen Analyse-Abl<strong>auf</strong> zu erarbeiten <strong>und</strong> nach diesem<br />
Algorithmus die Märkte zu analysieren, die für ihn interessant erscheinen.
S e i t e | 57<br />
AXIOME DER TECHNISCHEN ANALYSE<br />
WAS BEWEGT DIE MÄRKTE?<br />
Wer die Kursbewegungen an <strong>den</strong> Märkten untersucht, sollte zunächst einmal<br />
die Frage beantworten: Warum bewegen sich Kurse? Und was ist überhaupt<br />
ein Kurs?<br />
Ein Kurs ist ein kurzfristiger Konsens über <strong>den</strong> gegenwärtigen Wert eines<br />
gehandelten Instrumentes. Frage ich nach <strong>den</strong> Grün<strong>den</strong> für Kursbewegungen<br />
kommt gewöhnlich die Antwort: Angebot <strong>und</strong> Nachfrage.<br />
Nehmen wir beispielsweise die Deutsche Bank. Es gibt etwa 929,5 Millionen<br />
Aktien dieses Unternehmens. Am 22. September 2012 wur<strong>den</strong> <strong>auf</strong> XETRA<br />
14.153.067 Aktien der Deutschen Bank gehandelt. All diese Aktien gehören<br />
irgendjemandem. Wenn nun der Aktienkurs von 40 <strong>auf</strong> 30 fällt, liegt das<br />
daran, dass plötzlich mehr Aktien emittiert wur<strong>den</strong>? Ist das Angebot größer<br />
gewor<strong>den</strong>? Wenn dann der Kurs von 30 <strong>auf</strong> 33 Euro anzieht - wer<strong>den</strong><br />
Deutsche-Bank-Aktien knapp? Wahrscheinlich nicht, <strong>den</strong>n die Anzahl ist<br />
konstant. Und da die Aktien nicht herren- <strong>und</strong> besitzerlos durch das<br />
Universum geistern, können Angebots- <strong>und</strong> Nachfrageschwankungen nicht<br />
der Gr<strong>und</strong> für die Kurskapriolen sein. Auch f<strong>und</strong>amentale Daten können<br />
kaum die Ursache sein, <strong>den</strong>n das Unternehmen ändert ja nicht sekündlich<br />
seinen f<strong>und</strong>amentalen Wert, <strong>den</strong> Bilanzgewinn oder die Erträge pro Aktie.<br />
Vielmehr ist es die Psychologie der Marktteilnehmer, die hier eine Rolle spielt.<br />
Käufer knüpfen an die Aktie simpel die Erwartung, dass sie im Kurs steigt. Die<br />
Gründe sind vielfältig - aber wer eine Aktie k<strong>auf</strong>t, tut das, weil er sie<br />
irgendwann wieder einmal mit Gewinn teurer veräußern möchte. 14 Verkäufer<br />
erwarten, dass die Aktie nicht weiter steigt oder sogar im Kurs fällt - sonst<br />
wür<strong>den</strong> sie sich nicht von ihr trennen.<br />
Wenn sich also Kurse von Aktien verändern, liegt das daran, dass eine<br />
bestimmte Partei von Marktteilnehmern - Käufer oder Verkäufer - ihre<br />
Erwartungshaltung aggressiv umsetzt. Es wird entweder gek<strong>auf</strong>t nach dem<br />
Motto "Koste es was es wolle!" oder verk<strong>auf</strong>t getreu der Losung "Weg damit -<br />
besser jetzt als später."<br />
Die spannende Frage ist jetzt: In welchem Rahmen spielen sich solche<br />
Preisbewegungen ab?<br />
WARUM TECHNISCHE ANALYSE FUNKTIONIERT<br />
Massenpsychologische Phänomene an <strong>den</strong> Finanzmärkten sind alt. 1537<br />
konnte man für eine Tulpenzwiebel ein Haus in Amsterdam k<strong>auf</strong>en. 2007<br />
brauchte man dafür nicht mal mehr eine Tulpenzwiebel - man konnte<br />
gänzlich ohne Einkommen in Florida ein Haus k<strong>auf</strong>en.<br />
Isaac Newton hat sich bereits über die Hysterie der Massen an <strong>den</strong><br />
Aktienmärkten ech<strong>auf</strong>fiert. Börsenkrisen treten immer wieder <strong>auf</strong> - als<br />
14 Mögliche Divi<strong>den</strong><strong>den</strong>zahlungen seien hier einmal vernachlässigt.
S e i t e | 58<br />
Südseeblase oder Große Depression, als Finanzkrise, Immobilienblase,<br />
Asienkrise, Russlandkrise.<br />
Die Gründe dafür sind zeitlos. Sie liegen in der Psyche der Menschen.<br />
DIE AXIOME DER TECHNISCHEN ANALYSE<br />
Die Technische Analyse beruht streng genommen <strong>auf</strong> nur drei Axiomen:<br />
1. Preise widerspiegeln alle Informationen.<br />
2. Preise bewegen sich in Trends <strong>und</strong> Trends tendieren zur Fortsetzung.<br />
3. Geschichte wiederholt sich.<br />
Untersuchen wir diese Axiome im Einzelnen.<br />
Der Preis enthält alle bekannten <strong>und</strong> unbekannten Informationen. Es ist<br />
daher praktisch nicht notwendig, alle Informationen selbst zu kennen oder<br />
gar zu versuchen, diese zu deuten. Diese Arbeit nimmt der Markt dem Trader<br />
ab. Die Deutungshoheit über alle Informationen – gerade im kurzfristigen<br />
Bereich über Nachrichten oder Konjunkturdaten – hat der Markt. „Preise<br />
machen Nachrichten“ ist eine Binsenweisheit unter Tradern. Niemals machen<br />
die Nachrichten die Preise. Journalisten suchen retrospektiv nach<br />
Erklärungen für Kursbewegungen - können diese aber nicht prognostizieren.<br />
Preise von handelbaren Instrumenten bewegen sich in Trends. Ein Kurs<br />
kann sich <strong>auf</strong>wärts, abwärts oder seitwärts bewegen. Trends bestehen fort, bis<br />
ein neuer Trend <strong>auf</strong>tritt. Einzelne Kurse innerhalb des Trends allerdings sind<br />
niemals prognostizierbar. Der nächste Kurs kommt immer absolut zufällig<br />
zustande. Es gibt lediglich bestimmte statistische Wahrscheinlichkeiten, die<br />
<strong>auf</strong> <strong>den</strong> Erwartungshaltungen der Marktteilnehmer beruhen. Die Technische<br />
Analyse versucht, mit Hilfe dieser Wahrscheinlichkeiten Aussagen über<br />
mögliche Bewegungsten<strong>den</strong>zen im kurz- <strong>und</strong> mittelfristigen Bereich zu<br />
treffen.<br />
Möglich wird eine solche Analyse dadurch, dass das Verhalten der einzelnen<br />
Trader in der Masse einander so ähnlich ist, dass sich daraus ein<br />
wahrscheinliches massenpsychologisches Gesamtverhalten prognostizieren<br />
lässt. Dabei ist Technische Analyse keine kausale Wissenschaft, sondern ein<br />
stochastisches Handwerk. Die Stochastik, ein Teilgebiet der<br />
Wahrscheinlichkeitsrechnung, befasst sich mit zufälligen Ereignissen, aus<br />
<strong>den</strong>en Gesetzmäßigkeiten abgeleitet wer<strong>den</strong>. Beispiele für stochastische<br />
Phänomene liefern die Meteorologie, die Demoskopie <strong>und</strong> die Spieltheorie:<br />
Meteorologen können Wettervorhersagen für einen Zeitraum <strong>und</strong> ein Gebiet<br />
machen. Sie können aber niemals punktgenau <strong>auf</strong> die Sek<strong>und</strong>e <strong>den</strong> Beginn<br />
eines Regenschauers oder <strong>den</strong> Blitzeinschlag eines Gewitters prognostizieren.<br />
Demoskopen erarbeiten erstaunlich genaue Wahlprognosen. Aber das<br />
Verhalten der einzelnen Wähler Müller, Meier oder Schulze lässt sich daraus<br />
nicht ableiten.<br />
In Casinos gibt es einen kleinen statistischen Vorteil zugunsten der Spielbank.<br />
Auf diesem minimalen Vorteil basiert die wirtschaftliche Existenz von Las
S e i t e | 59<br />
Vegas oder Macao. Dabei ist das Ergebnis des einzelnen Roulette-Spiels, des<br />
Blackjack oder des "einarmigen Banditen" völlig zufällig.<br />
Technische Analyse geht von der Annahme aus, dass das Verhalten<br />
der einzelnen Trader in der Masse einander so ähnlich ist, dass sich<br />
daraus ein wahrscheinliches massenpsychologisches<br />
Gesamtverhalten prognostizieren lässt.<br />
DER NUTZEN DER DREI AXIOME<br />
Die drei Gr<strong>und</strong>annahmen mögen nicht unumstritten sein <strong>und</strong> nicht jeder wird<br />
sie <strong>auf</strong> Anhieb für bare Münze nehmen. Ich halte sie allerdings für<br />
außeror<strong>den</strong>tlich nützlich, weil sie das Trader-Leben vereinfachen. Betrachten<br />
wir einmal die wichtigsten Vorteile, wenn man die Axiome anerkennt.<br />
1. Nachrichten <strong>und</strong> Prognosen wer<strong>den</strong> überflüssig. Eine Kursbewegung<br />
reicht aus, das Warum ist in komplexen Systemen, wie der Börse gar nicht<br />
eindeutig feststellbar. Börse kennt keine Monokausalität.<br />
2. Jede einzelne Preisbewegung ist zufällig <strong>und</strong> unabhängig von der<br />
vorherigen Preisbewegung. Woher weiß ich, ob im nächsten Trade <strong>auf</strong> der<br />
Bid- oder der Ask-Seite des Orderbuches gehandelt wird? Ich weiß es<br />
nicht <strong>und</strong> ich muss das akzeptieren. Somit bin ich <strong>auf</strong> jede Eventualität<br />
besser praktisch vorbereitet. Wenn meine Erwartungshaltung nicht<br />
<strong>auf</strong>geht, muss ich eingreifen.<br />
3. Technische Analyse ist skaleninvariant, solange eine statistisch valide<br />
Datenmenge vorliegt. Die Werkzeuge der Technischen Analyse<br />
funktionieren in jeder Zeitebene - wobei natürlich die höhere Zeitebene<br />
immer eine größere Wichtung genießt als die niedrigere.<br />
4. Technische Analyse ist keine Wissenschaft, sondern ein Handwerk, das<br />
stochastischen Gesetzmäßigkeiten folgt <strong>und</strong> lediglich <strong>auf</strong> der Annahme<br />
beruht, dass einzelne Szenarien wahrscheinlicher sind als andere. Ich<br />
versuche nicht, mit der Technischen Analyse ein wissenschaftlich<br />
schlüssiges Gesamtkunstwerk zu erschaffen, mit dem ich dann Anspruch<br />
<strong>auf</strong> <strong>den</strong> Nobelpreis erhebe. Ich nutze die Werkzeuge der Technischen<br />
Analyse lediglich zum Geld verdienen. Die theoretisieren<strong>den</strong> Teile<br />
überlasse ich gern dem Verein der Technischen Analysten Deutschlands<br />
(VTAD) oder jenen Unternehmen, die <strong>Handelssysteme</strong> <strong>und</strong> Indikatoren<br />
für teures Geld an dumme Menschen verk<strong>auf</strong>en.<br />
5. Technische Analyse ist wertlos ohne Risiko- <strong>und</strong> Money-Management. Es<br />
besteht in jedem Trade <strong>und</strong> bei jedem Investment die Möglichkeit, dass<br />
meine Erwartungen nicht <strong>auf</strong>gehen. Dar<strong>auf</strong> ist man besser vorbereitet.<br />
Dazu gehört ein defensives Risikomanagement - also handhabbare<br />
Positionsgrößen <strong>und</strong> klare Ausstiegsregeln. Denn anders als im Casino<br />
entscheidet nicht der Croupier, sondern der Investor selbst, wann ein
S e i t e | 60<br />
Engagement - egal ob im 1-Minuten-Chart oder im Wochenchart - ein<br />
Fehlschlag war.<br />
KRITIK DER TECHNISCHEN ANALYSE<br />
Technische Analyse wird vielfach abgelehnt - sowohl im institutionellen<br />
Bereich, als auch unter Wissenschaftlern.<br />
„Chartanalyse ist eine Vielzahl einzelner Techniken, die eine<br />
Vorhersage zukünftiger Börsenkurse anhand historischer<br />
Kursentwicklungen (z. B. Trends) anstreben.“ (Wikipedia.org)<br />
„Es gibt keine Möglichkeit, einen erwarteten Profit dadurch zu<br />
erzielen, dass man vergangene Veränderungen in zukünftige Preise<br />
extrapoliert – weder durch Betrachtung des Charts noch durch<br />
irgendwelche anderen esoterischen Hilfsmittel aus Magie oder<br />
Mathematik.“ (Paul Samuelson, Wirtschaftsnobelpreisträger 1970)<br />
Hinter Chartanalyse „steckt die Idee, dass man <strong>den</strong> Kurs eines<br />
Wertpapiers durch geschicktes grafisches Aufarbeiten vergangener<br />
Kursverläufe vorhersagen kann. Da malen also erwachsene Männer<br />
mit Bleistift <strong>und</strong> Lineal die Kursverl<strong>auf</strong>slinien von Wertpapieren mit<br />
Wimpeln, Trendlinien <strong>und</strong> allen möglichen anderen Figuren, in der<br />
Erwartung, <strong>auf</strong> diese Weise schnellstmöglich reich zu wer<strong>den</strong>.“<br />
(Prof. Dr. Martin Weber, Universität Mannheim, „Genial einfach<br />
investieren, Campus-Verlag Frankfurt, 2007, S. 11)<br />
Der Streit, ob die Technische Analyse "wissenschaftlich" ist, ist für mich<br />
unwichtig. Erstens habe ich keinerlei wissenschaftliche Ambitionen. Zweitens<br />
hilft sie mir, Geld zu verdienen, sie ist also nützlich. Drittens habe ich <strong>den</strong><br />
stochastischen Charakter der Technischen Analyse verinnerlicht, betrachte sie<br />
also nicht als kausale Wissenschaft.<br />
HISTORISCHE ENTWICKLUNG<br />
Die Technische Analyse geht zurück <strong>auf</strong> <strong>den</strong> Begründer des Wall Street<br />
Journals, Charles Dow, sowie seine Kollegen Edward David Jones <strong>und</strong> Charles<br />
Milford Bergstresser. Dieser hatte 1884 begonnen, die Schlusskurse der<br />
wichtigsten amerikanischen Aktien graphisch darzustellen – dies war die<br />
Geburtsst<strong>und</strong>e des Chartings. Am 24. Mai 1896 veröffentlichte die Dow<br />
Company zum ersten Mal <strong>den</strong> Dow Jones Industrial Average <strong>Index</strong>. Der Stand<br />
damals: 40,94 Punkte. Gemeinsam mit seinem Mitherausgeber <strong>und</strong><br />
Nachfolger William Hamilton verfasste Dow von 1889 bis zu seinem Tode
S e i t e | 61<br />
1902 regelmäßig Artikel über Gesetzmäßigkeiten der Preisbildung am<br />
amerikanischen Aktienmarkt. In Buchform zusammengefasst erschienen<br />
Dows Gedanken erstmals 1922 in „The Stock Market Barometer“,<br />
veröffentlicht von William Hamilton.<br />
Die entdeckten Regelmäßigkeiten in der Aktienpreis-Entwicklung führten zu<br />
einem Boom des Charting in <strong>den</strong> dreißiger Jahren. Berühmte Chartisten wie<br />
Ralph Nelson Elliott bauten ganze Theorien um diese Erkenntnisse, indem sie<br />
versuchten, aus Charts eine „universelle Ordnung“ herauszulesen. Bei Elliott<br />
gipfelte dieses Bestreben in der bekannten Elliott-Wellen-Theorie.<br />
1948 erschien Robert D. Edwards’ <strong>und</strong> John Magees „Technical Analysis of<br />
Stock Trends“. Hier wur<strong>den</strong> erstmals die Eckpunkte der Formationslehre<br />
dargelegt. Rechtecke, Dreiecke, Schulter-Kopf-Schulter-Formationen, Keile,<br />
Doppeltops <strong>und</strong> –bö<strong>den</strong>, Untertassen <strong>und</strong> viele andere Formationen hielten<br />
damit Einzug in das Instrumentarium einer wachsen<strong>den</strong> Gemeinde von<br />
Anhängern der Technischen Analyse.<br />
In <strong>den</strong> folgen<strong>den</strong> Jahrzehnten erschienen einige Regalmeter an Literatur über<br />
die Technische Analyse. John J. Murphy, Jack D. Schwager, in Deutschland<br />
Erich Florek <strong>und</strong> Uwe Wagner gehören zu <strong>den</strong> Klassikern.<br />
Steve Nisons „Technische Analyse mit Candlesticks“ (FinanzBuch Verlag,<br />
München 2004), erschienen in <strong>den</strong> USA bereits 1990, machte die im<br />
Augenblick weit verbreiteten Kerzencharts in der westlichen Hemisphäre<br />
populär.<br />
Mit der massenhaften Verbreitung der Computertechnik ging die Entwicklung<br />
der Indikatorlehre einher. Inzwischen wer<strong>den</strong> ständig neue Indikatoren<br />
entwickelt – mathematische Hilfsmittel, die helfen sollen, die vielfach<br />
subjektiv gefärbten Einschätzungen der Chart- <strong>und</strong> Formationsanalyse <strong>auf</strong><br />
eine scheinbar objektivere Basis zu stellen.<br />
In <strong>den</strong> vergangenen 35 Jahren entwickelte sich darüber hinaus eine Disziplin<br />
der Finanzmarktanalyse, die mehr <strong>und</strong> mehr ein Eigenleben entwickelt, in<br />
ihren Ursprüngen aber <strong>auf</strong> die Phänomene der Technischen Analyse<br />
zurückgeht – die Behavioral Finance.<br />
Seit etwa einem Jahrzehnt wird die Behavioral Finance durch die<br />
Neuroökonomie unterstützt. Dieses Teilgebiet der Neurologie nutzt<br />
modernste Technologien, um Instinke, Emotionen <strong>und</strong> bewusste<br />
Denkprozesse <strong>auf</strong> physiologische Veränderungen zurückzuführen, sie zu<br />
messen <strong>und</strong> zu visualisieren.
S e i t e | 62<br />
INDIVIDUALPSYCHOLOGIE UND TECHNISCHE<br />
ANALYSE<br />
Die Behavioral Finance (deutsch: verhaltenswissenschaftlich orientierte<br />
Finanzmarktanalyse) ist ein Denkansatz, der besagt, dass sich auch einzelne<br />
Menschen nur sehr bedingt rational verhalten können. Dafür gibt es viele<br />
Ursachen, die teilweise in der antropologischen Entwicklung des Menschen,<br />
in seiner Hirnmorphologie oder in sozio-psychologischen Verhaltens- <strong>und</strong><br />
Denkmustern, der so genannten Konditionierung, begründet liegen.<br />
‣ Menschen wer<strong>den</strong> von unterschiedlichen Interessen geleitet. Die<br />
einen wollen an der Börse intraday Geld verdienen, die anderen ein<br />
Export- oder Importgeschäft absichern. Wieder andere wollen fürs<br />
Alter vorsorgen, wieder andere suchen <strong>den</strong> „Kick“. Dem entsprechend<br />
wer<strong>den</strong> sie handeln.<br />
‣ Menschen vereinfachen komplexe Sachverhalte. Das Denken in<br />
Heuristiken sichert ihr Überleben, weil es Entscheidungsprozesse<br />
beschleunigt, ist aber auch fehlerbehaftet.<br />
‣ Das menschliche Gehirn spielt dem Menschen Streiche bei der<br />
Wahrnehmung. Die wahrgenommene Wirklichkeit ist nicht immer<br />
i<strong>den</strong>tisch mit dem, was tatsächlich objektiv vorhan<strong>den</strong> ist.<br />
Erfahrungen wer<strong>den</strong> ergänzt, Informationen gefiltert. Diese<br />
objektiven Wahrnehmungsverzerrungen kann man nicht umgehen –<br />
sie sind genauso vorhan<strong>den</strong>, wie die Schwerkraft oder die Zeit. Wenn<br />
man sie kennt, kann man aber lernen, damit umzugehen.<br />
‣ Instinkte <strong>und</strong> Emotionen spielen eine große Rolle im menschlichen<br />
Verhalten. Angst <strong>und</strong> Aggression, Flucht- <strong>und</strong> Kampfreflexe,<br />
Schmerzempfindungen, die noch aus der Urzeit stammen, sind im<br />
menschlichen Reptilienhirn stark verankert. Sie ergreifen immer<br />
dann Besitz vom Menschen, wenn der rationale Verstand zu langsam<br />
reagiert oder eine Situation nicht überschaubar ist.<br />
‣ Menschen unterliegen sozialpsychologischen Zwängen – dem<br />
Her<strong>den</strong>trieb, dem Gruppenzwang etwa. Der Mensch ist als<br />
Einzelwesen nicht mehr überlebensfähig. Menschen wollen<br />
„dazugehören“, anerkannt wer<strong>den</strong>. Sie fühlen sich in der Regel am<br />
wohlsten, wenn sie in einer Gemeinschaft das tun, was viele tun. Das<br />
kann zu völlig irrationalen Verhaltensmustern führen – dem<br />
Münchner Oktoberfest, dem Kölner Karneval oder ähnlichen<br />
Großereignissen.<br />
Trader müssen sich also damit befassen, was bei individuellen<br />
Entscheidungsprozessen mit <strong>und</strong> in ihnen passiert – in jedem einzelnen. Sie<br />
müssen lernen, sich als Teil eines Massenphänomens zu begreifen. Sie<br />
müssen eigene Entscheidungsprozesse transparent machen, die Ergebnisse<br />
ihrer Entscheidungen bewerten, um in analogen Situationen in der Zukunft<br />
ein gleich gutes oder besseres Ergebnis ihrer Entscheidung zu erzielen.
S e i t e | 63<br />
TEIL 9: GRUNDWISSEN DER TECHNISCHEN<br />
ANALYSE<br />
CHARTING<br />
Preise lassen sich grafisch als Charts darstellen, wobei meist der Graph in<br />
Abhängigkeit von der Zeit abgebildet wird. Unterschiedliche grafische<br />
Darstellungsformen führen zu unterschiedlichen Chart-Arten. Die<br />
bekanntesten sind Linienchart, Balkenchart <strong>und</strong> Kerzenchart. Aber auch der<br />
ältere (zeitunabhängige) Point-and-Figure-Chart oder der von Dan Valcu<br />
entwickelte Haikin-Ashi-Chart wer<strong>den</strong> praktisch genutzt.<br />
DER LINIENCHART<br />
Beim Linienchart wer<strong>den</strong> die Schlusskurse der jeweiligen Zeitperio<strong>den</strong><br />
miteinander verb<strong>und</strong>en. Liniencharts geben schnell Auskunft über die<br />
vorherrschende Trendrichtung.<br />
Ein Linienchart der Aktie der Deutschen Bank <strong>auf</strong> Basis der Tagesschlusskurse von<br />
Anfang 2011 bis September 2012.
S e i t e | 64<br />
DER BALKENCHART<br />
Der Balkenchart zeigt Eröffnungs-, Höchst-, Tiefst- <strong>und</strong> Schlusskurs einer<br />
Zeiteinheit. Jeder Balken symbolisiert eine Zeitperiode – hier einen Tag. Der<br />
Balkenchart ist besonders im anglo-amerikanischen Sprachraum die<br />
gängigste Chart-Methode. Er ermöglicht Aussagen über die Volatilität<br />
innerhalb der dargestellten Perio<strong>den</strong>, also beispielsweise über die Intraday-<br />
Kursschwankungen.<br />
Der gleiche Tageschart der Aktie der Deutschen Bank als Balkenchart.<br />
DER KERZENCHART<br />
Diese aus Japan stammende Darstellungsart zeigt die gleichen Daten wie ein<br />
Balkenchart, hat sich im europäischen Raum aber stärker durchgesetzt. In der<br />
farbigen Darstellung stehen häufig grüne Kerzen für Zeitperio<strong>den</strong> mit<br />
steigen<strong>den</strong> Kursen, rote hingegen für Perio<strong>den</strong> fallender Kurse. In schwarzweiß-gedruckten<br />
Printmedien wer<strong>den</strong> für steigende Kurse hohle, für fallende<br />
Kurse gefüllte Kerzen verwendet. Gegenüber dem Balkenchart wir gemeinhin<br />
die bessere visuelle Erfassbarkeit hervorgehoben.
S e i t e | 65<br />
Der Tageschart der Aktie der Deutschen Bank als Kerzenchart in der Schwarz-Weiß-<br />
Darstellung.<br />
DER POINT-AND-FIGURE-CHART<br />
Dieser zeitunabhängige Chart ermöglicht eine schnelle Einschätzung von<br />
Trends. Es wer<strong>den</strong> zunächst eine Boxgröße <strong>und</strong> eine Box-Umkehrgröße<br />
definiert. Steigt der Kurs in einem Aufwärtstrend um eine Boxgröße, wird ein<br />
X eingezeichnet. Fällt der Kurs um eine Boxgröße, wird ein O eingezeichnet.<br />
Für eine Trendumkehr ist eine Gegenbewegung von drei Boxgrößen<br />
notwendig. Zahlen <strong>und</strong> Buchstaben in <strong>den</strong> einzelnen Säulen deuten <strong>auf</strong><br />
Monate hin, in <strong>den</strong>en der jeweilige Kursstand erreicht wurde. Die Zahlen von<br />
1 bis 9 symbolisieren die Monate Januar bis September, die Buchstaben A, B<br />
<strong>und</strong> C die verbleiben<strong>den</strong> drei Monate des Kalenderjahres. Die Besonderheit<br />
dieses Charts ist, das er über keine regelmäßige Zeitskala verfügt, in<br />
Seitwärtsbewegungen der Chart möglicherweise tage- oder wochenlang<br />
keinerlei Bewegungen <strong>auf</strong>weist.<br />
Hauptsächlich wird er genutzt, um die vorherrschende Trendrichtung zu<br />
bestimmen <strong>und</strong> das Marktrauschen herauszufiltern.<br />
Point-and-Figure-Charts haben eine eigene Formationslehre, mit deren Hilfe<br />
sich beispielsweise Kursziele prognostizieren lassen. Sie wer<strong>den</strong> auch im<br />
kurzfristigen Intraday-Handel gern genutzt.
S e i t e | 66<br />
Die Aktie der Deutschen Bank als Point-and-Figure-Chart. Die waagerechte Zeitskala<br />
dient lediglich der Orientierung. Das gesamte Jahr 2012 stellt sich in <strong>den</strong> drei rechten<br />
Säulen dar: Eine ausgedehnte Aufwärtsbewegung, gefolgt von einer ausgedehnten<br />
Abwärtsbewegung <strong>und</strong> einer Aufwärtsbewegung. Die Box-Größe hier: 1 Euro, die<br />
Umkehrgröße: 3 Boxgrößen.<br />
DER HEIKIN-ASHI-CHART<br />
Heikin-Ashi-Charts stammen aus Japan <strong>und</strong> wur<strong>den</strong> von Dan Valcu im Jahre<br />
2004 in Europa <strong>und</strong> Amerika populär gemacht. Durch eine besondere<br />
mathematische Berechnung erscheinen Trends <strong>auf</strong> diesen Charts klarer, es<br />
wer<strong>den</strong> Gaps vermie<strong>den</strong>. Von Farbe <strong>und</strong> Größe der Kerzenkörper sowie der<br />
Länge der Lunten bzw. Dochte kann <strong>auf</strong> Trendrichtung <strong>und</strong> Trendstärke<br />
geschlossen wer<strong>den</strong>. Der Heikin-Ashi-Chart zeigt jedoch keine gehandelten<br />
Preise, sondern die berechneten Werte. Er sollte also nie als alleiniger Chart<br />
benutzt wer<strong>den</strong>.<br />
Auch hier gilt, dass grüne Kerzen für Aufwärts-, rote für Abwärtsbewegungen<br />
stehen. Je stärker der Trend, desto länger die Kerze. Auf Gr<strong>und</strong> der<br />
besonderen Berechnung der OHCL-Werte wer<strong>den</strong> keine Gaps dargestellt.<br />
Verkürzen sich die Kerzen, wird ein Trend schwächer. In einem intakten<br />
Aufwärtstrend haben die Kerzen keine Lunten, in einem intakten<br />
Abwärtstrend keine Dochte. Kerzen mit Docht <strong>und</strong> Lunte gelten als unsicher<br />
<strong>und</strong> sind an Anfang <strong>und</strong> Ende von Trends sowie in Konsolidierungen zu<br />
beobachten
S e i t e | 67<br />
Der Heikin-Ashi-Chart der Aktie der Deutschen Bank <strong>auf</strong> Tagesbasis.<br />
WEITERE ARTEN VON CHARTS<br />
Über die beschriebenen Chartarten hinaus gibt es noch eine Vielzahl weiterer<br />
Charts, die aber in ihrer praktischen Relevanz eher untergeordnete Bedeutung<br />
haben. Wer sich mit dieser Materie vertieft beschäftigen will, dem sei Steve<br />
Nisons 1996 in Deutschland verlegtes Buch „Chart-Analyse mit Candlesticks.<br />
Beyond Candlesticks. Renko, Kagi <strong>und</strong> andere japanische Chartsformen”<br />
empfohlen.
S e i t e | 68<br />
KERZENFORMATIONEN<br />
1. EIN-KERZEN-FORMATIONEN<br />
Hammer<br />
Bullishe Umkehr in 59-60% der Fälle<br />
Merkmale:<br />
1. Auftreten nach Abwärtsbewegung.<br />
2. Kerzenkörper mindestens doppelt so groß wie der Docht <strong>und</strong> höchstens<br />
halb so groß wie die Lunte.<br />
3. Darf grün oder rot sein.<br />
Handelsmöglichkeiten:<br />
Long-Positionen eröffnen nach Überschreiten des Perio<strong>den</strong>hochs der letzten,<br />
vorletzten oder vorvorletzten Periode.<br />
Stop: Hälfte der Lunte oder am Tief der Lunte.<br />
Shooting Star<br />
Bearishe Umkehr in 59-60% der Fälle<br />
Merkmale:<br />
1. Auftreten nach Aufwärtsbewegung<br />
2. Kerzenkörper mindestens doppelt so groß wie die Lunte <strong>und</strong> höchstens<br />
halb so groß wie der Docht.<br />
3. Darf rot oder grün sein.<br />
Handelsmöglichkeiten:<br />
Short-Positionen eröffnen nach Unterschreiten des Perio<strong>den</strong>tiefs der letzten,<br />
vorletzten oder vorvorletzten Periode.<br />
Stop: Hälfte des Dochts oder wenige Ticks über dem Docht.<br />
Hanging Man<br />
Bullische Fortsetzung in 59% der Fälle, schwaches Signal<br />
Merkmale:<br />
1. Auftreten nach Aufwärtsbewegung<br />
2. Kerzenkörper mindestens doppelt so groß wie der Docht <strong>und</strong> höchstens<br />
halb so groß wie die Lunte.<br />
3. Darf rot oder grün sein.<br />
Handelsmöglichkeiten:<br />
Long-Position nach Überschreiten des Perio<strong>den</strong>hochs, Short-Positionen nach<br />
Unterschreiten des Perio<strong>den</strong>tiefs<br />
Stop: Hoch des Dochts, Tief der Lunte.<br />
Inverted Hammer<br />
Bearishe Fortsetzung in 65 - 67% der Fälle, starkes Signal<br />
Merkmale:<br />
1. Auftreten nach Abwärtsbewegung<br />
2. Kerzenkörper mindestens doppelt so groß wie die Lunte <strong>und</strong> höchstens<br />
halb so groß wie der Docht.<br />
3. Darf rot oder grün sein.<br />
Handelsmöglichkeiten:<br />
Short-Positionen eröffnen nach Unterschreiten des Perio<strong>den</strong>tiefs der letzten<br />
Periode.<br />
Stop: Hoch des Dochts.
S e i t e | 69<br />
2. ZWEI-KERZEN-FORMATIONEN<br />
Bullish Engulfing Pattern<br />
Bullishe Umkehr in 62 - 63% der Fälle, schwache Performance<br />
Merkmale:<br />
1. Auftreten nach Abwärtsbewegung<br />
2. Zunächst tritt eine rote Kerze <strong>auf</strong><br />
3. Die zweite Kerze eröffnet mit einem Gap down, ist grün, umschließt die<br />
erste vollständig – inklusive Hoch <strong>und</strong> Tief<br />
Handelsmöglichkeiten:<br />
Long-Position eröffnen nach Überschreiten des Perio<strong>den</strong>hochs der letzten<br />
Periode.<br />
Stop: Am Tief der zweiten Kerze des Bullish Engulfing Pattern.<br />
Bearish Engulfing Pattern<br />
Bearishe Umkehr in 79 - 82% der Fälle, starkes Signal<br />
Merkmale:<br />
1. Auftreten einer Aufwärtsbewegung<br />
2. Zunächst tritt eine grüne Kerze <strong>auf</strong><br />
3. Die zweite Kerze eröffnet mit einem Gap up, ist rot, umschließt die erste<br />
vollständig – inklusive Hoch <strong>und</strong> Tief<br />
Handelsmöglichkeiten:<br />
Short-Position eröffnen nach Unterschreiten des Perio<strong>den</strong>tiefs der letzten Periode.<br />
Stop: Am Hoch der zweiten Kerze des Bearish Engulfing Pattern.<br />
Bullish Harami<br />
Bullishe Umkehr in 51 - 53% der Fälle<br />
Merkmale:<br />
1. Auftreten einer Abwärtsbewegung<br />
2. Zunächst tritt eine große rote Kerze <strong>auf</strong><br />
3. Die zweite Kerze ist grün, erreicht aber weder Hoch noch Tief der<br />
vorherigen Kerze<br />
Handelsmöglichkeiten:<br />
Long-Position eröffnen nach Überschreiten des Hochs der letzten oder vorletzten<br />
Periode.<br />
Stop: Am Tief der ersten Kerze des Bullish Harami.<br />
Bearish Harami<br />
Bearishe Umkehr in 50 - 53% der Fälle<br />
Merkmale:<br />
1. Auftreten einer Aufwärtsbewegung<br />
2. Zunächst tritt eine große grüne Kerze <strong>auf</strong><br />
3. Die zweite Kerze ist rot, erreicht aber weder Hoch noch Tief der<br />
vorherigen Kerze<br />
Handelsmöglichkeiten:<br />
Short-Position eröffnen nach Unterschreiten des Tiefs der letzten oder vorletzten<br />
Kerze.<br />
Stop: Am Hoch der ersten Kerze des Bearish Harami.
S e i t e | 70<br />
Piercing Pattern<br />
Bullishe Umkehr in 60 - 64% der Fälle<br />
Merkmale:<br />
1. Auftreten einer Abwärtsbewegung<br />
2. Eröffnung mit einem Gap down <strong>und</strong> Eintreten in die Handels-Spanne der<br />
vorherigen Periode.<br />
3. Schlusskurs oberhalb der Mitte des Kerzenkörpers der letzten roten Kerze.<br />
Handelsmöglichkeiten:<br />
Long-Position nach Überschreiten des Hochs der letzten (grünen) Kerze<br />
Stop: Am Tief der vorletzten (roten) oder letzten (grünen) Kerze<br />
Dark Cloud Cover<br />
Bearishe Umkehr in 60 - 63% der Fälle<br />
Merkmale:<br />
5. Auftreten einer Aufwärtsbewegung<br />
6. Eröffnung mit einem Gap up <strong>und</strong> Eintreten in die Handels-Spanne der<br />
vorherigen Periode.<br />
7. Schlusskurs unterhalb der Mitte des Kerzenkörpers der letzten grünen<br />
Kerze.<br />
Handelsmöglichkeiten:<br />
Short-Position eröffnen nach Unterschreiten des Tiefs der letzten (roten) Kerze<br />
Stop: Am Hoch der vorletzten (grünen) oder letzten (roten) Kerze
S e i t e | 71<br />
3. DREI-KERZEN-FORMATIONEN<br />
Morning Star<br />
Bullishe Umkehr in 65 - 78% der Fälle<br />
Merkmale:<br />
1. Auftreten einer Abwärtsbewegung<br />
2. Die zweite Kerze eröffnet mit einem Gap down, bildet einen kleinen grünen<br />
Kerzenkörper aus, idealer Weise einen Hammer.<br />
3. Die dritte Kerze eröffnet zur zweiten mit einem Gap up <strong>und</strong> macht die<br />
Kursverluste der ersten Kerze zu mehr als 50% wieder wett.<br />
Handelsmöglichkeiten:<br />
Long-Position eröffnen nach Überschreiten des Hochs der dritten Kerze des<br />
Morning Star.<br />
Stop:<br />
Am Tief der zweiten (grünen) Kerze.<br />
Evening Star<br />
Bearishe Umkehr in 72% der Fälle<br />
Merkmale:<br />
1. Auftreten einer Aufwärtsbewegung<br />
2. Die zweite Kerze eröffnet mit einem Gap up, bildet einen kleinen roten<br />
Kerzenkörper aus, idealer Weise einen Shooting Star.<br />
3. Die dritte Kerze eröffnet zur zweiten mit einem Gap down <strong>und</strong> macht die<br />
Kursgewinne der ersten Kerze zu mindestens 50% wieder zunichte.<br />
Handelsmöglichkeiten:<br />
Short-Position eröffnen nach Unterschreiten des Tiefs der dritten Kerze des<br />
Evening Stars.<br />
Stop:<br />
Am Hoch der zweiten (roten) Kerze.
S e i t e | 72<br />
Three Black Crows<br />
Bearishe Umkehr in 78 - 79% der Fälle<br />
Merkmale:<br />
1. Auftreten einer Aufwärtsbewegung.<br />
2. Die erste Kerze eröffnet idealer Weise mit einem Gap up, dann kommt es zu<br />
einem Kursverfall, die Kerze schließt nahe dem Perio<strong>den</strong>tief.<br />
3. Die zweite <strong>und</strong> dritte Kerze setzen die kräftige Abwärtsbewegung der ersten<br />
Kerze fort, sie haben lange Kerzenkörper, abnehmende Hochs <strong>und</strong> schließen<br />
jeweils nahe dem Perio<strong>den</strong>tief.<br />
Handelsmöglichkeiten:<br />
Short-Position eröffnen nach Unterschreiten des Tiefs der zweiten oder dritten<br />
Kerze.<br />
Stop:<br />
Am Hoch der dritten oder zweiten Kerze.<br />
Three White Soldiers<br />
Bullishe Umkehr in 82 - 84% der Fälle<br />
Merkmale:<br />
1. Auftreten einer Abwärtsbewegung<br />
2. Die erste Kerze eröffnet idealerweise mit einem Gap down, dann kommt es zu<br />
einem Kursanstieg, die Kerze schließt nahe dem Perio<strong>den</strong>hoch.<br />
3. Die zweite <strong>und</strong> dritte Kerze setzen die kräftige Aufwärtsbewegung der ersten<br />
Kerze fort, sie haben lange Kerzenkörper, ansteigende Tiefs <strong>und</strong> schließen<br />
jeweils nahe dem Perio<strong>den</strong>hoch.<br />
Handelsmöglichkeiten:<br />
Long-Positionen eröffnen nach Überschreiten des Hochs der zweiten oder dritten<br />
Kerze.<br />
Stop:<br />
Am Tief der dritten oder zweiten Kerze.<br />
MITTEL- UND LANGFRISTIGE FORMATIONEN<br />
Diese Formationen sind ein Ergebnis der subjektiven Chartbetrachtung – sie<br />
lassen sich programmtechnisch nicht darstellen <strong>und</strong> sind somit hinsichtlich<br />
ihrer Trefferquote nicht universell validierbar. Notwendig ist hier ein<br />
trainiertes Auge <strong>und</strong> eine Einzelanalyse für jedes gehandelte Instrument.<br />
Die wichtigsten mittelfristigen Formationen sind:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Schulter-Kopf-Schulter-Formation<br />
Doppeltops <strong>und</strong> Doppelbö<strong>den</strong><br />
Dreifachtops <strong>und</strong> Dreifachbö<strong>den</strong><br />
Untertassen, umgekehrte Untertassen<br />
Aufsteigende <strong>und</strong> absteigende Dreiecke, rechtwinklig oder<br />
symmetrisch<br />
Flaggen<br />
Wimpel<br />
Keile
S e i t e | 73<br />
Schulter-Kopf-Schulter-Formation im Tageschart der Aktie der Deutschen Bank. Die<br />
Entfernung vom Kopf zur Nackenlinie wird bei Bruch der Nackenlinie nach unten als<br />
Kursziel angetragen.<br />
Doppeltop im Tageschart der Aktie von BMW. Die Entfernung vom Top zur Korrektur<br />
dient zur Bestimmung des Kursziels, sobald das Korrekturtief unterschritten wird.
S e i t e | 74<br />
TRENDS UND TRENDANALYSE<br />
Trends entstehen durch fortgesetzte Preisanstiege oder Preisnachlässe. Sie<br />
entstehen in allen Zeitfenstern.<br />
Als Primärtrend bezeichnet der Technische Analyst langfristige Trends über<br />
einen Zeitraum von mehreren Monaten.<br />
Der Primärtrend wird immer wieder von Korrekturen, <strong>den</strong> Sek<strong>und</strong>ärtrends,<br />
unterbrochen – hier stellen Trader in untergeordneten Zeitfenstern Gewinne<br />
glatt, bauen Kontra-Trend-Trader Gegenpositionen <strong>auf</strong>, wer<strong>den</strong> Trader mit zu<br />
großen Positionen <strong>und</strong> folglich zu großen Verlusten aus dem Markt geworfen.<br />
Es kann aber auch zu Beschleunigungen des Primärtrends kommen – etwa bei<br />
unerwarteten Marktereignissen. Dann ergreift Panik die Massen (im<br />
Abwärtstrend) oder Euphorie (im Aufwärtstrend). Diese kurzfristigen<br />
Übertreibungen en<strong>den</strong> aber regelmäßig in einer Rückkehr zum Primärtrend.<br />
Generell wird besteht ein Trend aus zwei Bewegungsimpulsen: der Bewegung<br />
in Trendrichtung <strong>und</strong> der Korrektur gegen die Trendrichtung.<br />
Der Tageschart der BASF-Aktie am 24. September 2012. Der Aufwärtstrend ist seit<br />
Ende Juni intakt, Bewegungen (grün) <strong>und</strong> Korrekturen (rot) sind deutlich erkennbar.<br />
Die obere Trendkanallinie dient als Widerstand, die untere als Unterstützung.<br />
Bewegungen verl<strong>auf</strong>en zügig, Korrekturen unsauber.<br />
In weiter untergeordneten Zeitfenstern kann man wiederum<br />
Beschleunigungen bzw. Korrekturen des Primärtrends ausmachen, diese<br />
bezeichnet der Analyst dann als Tertiärtrend.<br />
Der übergeordnete Trend – der im längerfristigen Zeitfenster – hat bei der<br />
Chartanalyse immer ein höheres Gewicht als der kurzfristige. Schließlich sind
S e i t e | 75<br />
an seinem Zustandekommen größere Händler-Massen beteiligt als am<br />
untergeordneten Trend.<br />
Auffällig beim Betrachten der Charts ist die meist wellenförmige Bewegung.<br />
Diese Zyklik kann sich der Trader beim richtigen Timing von Ein- <strong>und</strong><br />
Ausstieg zunutze machen.<br />
Ebenfalls augenscheinlich ist, dass die Aufwärtstrends meist in einem<br />
flacheren Winkel verl<strong>auf</strong>en als Abwärtstrends. In einem Abwärtstrend<br />
erweisen sich Angst <strong>und</strong> Panik als Trendbeschleuniger: Nur schnell raus aus<br />
dem Markt – so oder so ähnlich ist das fluchtartige Verlassen des Marktes<br />
durch Panikverkäufe motiviert.<br />
In einem Aufwärtstrend wirkt die gleiche Angst als „Bremse“ – ist der Trend<br />
vielleicht schon zu weit gel<strong>auf</strong>en, das Papier zu teuer, lohnt sich jetzt noch ein<br />
Einstieg? Gedanken wie diese gehen vielen Tradern angesichts von<br />
Aufwärtstrends durch <strong>den</strong> Kopf. Wenn sich dann doch die Erkenntnis vom<br />
intakten Aufwärtstrend durchsetzt, ist dieser meist schon vor dem Verebben.<br />
Während die unbedarften Trader in <strong>den</strong> Markt mit Käufen einsteigen,<br />
realisieren die „smarten“ Trader ihre Gewinne. Der Kurs<strong>auf</strong>trieb kommt zum<br />
Stehen, die Korrektur beginnt.<br />
Ein Tageschart des Währungspaars Euro – Schwedische Krone. Schematisch<br />
eingezeichnet wur<strong>den</strong> die kräftigen, schnellen Abwärtsimpulse, die auch als<br />
"Wasserfälle" bezeichnet wer<strong>den</strong>. Unterbrochen wer<strong>den</strong> sie von gemächlichen,<br />
zögerlichen Korrekturen, die Chartisten "Sägezähne" nennen.
S e i t e | 76<br />
DIE PSYCHOLOGIE EINES TRENDS<br />
Ein Blick <strong>auf</strong> einen beliebigen Chart legt die Vermutung nahe, dass Preise sich<br />
nicht willkürlich bewegen. Fängt ein Wertpapier an zu steigen, so steigt es<br />
meist eine geraume Zeit, bevor diese Aufwärtsbewegung zum Erliegen<br />
kommt.<br />
Warum steigt ein Kurs? Kurzfristige Preisbewegungen beruhen ausschließlich<br />
<strong>auf</strong> psychologischen Phänomenen. Dies lässt sich treffend mit dem Begriff der<br />
„Greater Fool Theory“ beschreiben: Wer ein Instrument gek<strong>auf</strong>t (verk<strong>auf</strong>t)<br />
hat, geht davon aus, dass er einen „größeren Dummkopf“ fin<strong>den</strong> wird, dem er<br />
es teurer wieder verk<strong>auf</strong>en (respektive von dem er billiger zurückk<strong>auf</strong>en)<br />
kann.<br />
Zunächst einmal steigen Kurse, weil sich Käufer fin<strong>den</strong>, die in Erwartung<br />
steigender Kurse bereit sind, für ein Handelsinstrument mehr zu zahlen als<br />
der letzte Käufer. Sie agieren aggressiv, weil sie fürchten, etwas „zu<br />
verpassen“. Die Verkäufer hingegen versuchen, einen möglichst hohen<br />
Verk<strong>auf</strong>serlös zu erzielen. Sehen sie sich wachsender Nachfrage gegenüber,<br />
beginnen sie naturgemäß, die Verk<strong>auf</strong>spreise zu erhöhen, können passiv<br />
abwarten, welcher der vielen Käufer das Angebot akzeptiert.<br />
Da die Börse ein Massenphänomen ist, das von emotional handeln<strong>den</strong><br />
Menschen bevölkert wird, zieht ein beginnender Kursanstieg Aufmerksamkeit<br />
<strong>auf</strong> sich – die „Hausse nährt die Hausse“.<br />
Dieses Verhalten wiederholt sich so lange, bis nicht mehr genügend Trader<br />
höhere Preise erwarten <strong>und</strong> die Käuferseite im Markt „austrocknet“. Jetzt<br />
müssen verk<strong>auf</strong>swillige Marktteilnehmer „Preisnachlässe“ gewähren, um ihre<br />
Long-Positionen glattzustellen (viele sitzen jetzt <strong>auf</strong> „fetten Gewinnen“) oder<br />
Short-Positionen zu eröffnen. Käufer sind nur bereit, zu niedrigeren Preisen<br />
Papiere abzunehmen. Es entsteht eine sich selbst nährende<br />
Abwärtsbewegung, die Baisse.<br />
Triebfedern der Preisbewegungen an <strong>den</strong> Märkten sind also die Gier (nach<br />
Gewinn <strong>und</strong> mehr Gewinn), die Angst (vor Verlust, dem Verlust eines<br />
Gewinnes oder schlicht, etwas zu verpassen), Panik (bei rasanten<br />
Kursverfällen), Hoffnung (bei Bo<strong>den</strong>bildungen).<br />
Der Chart ist mithin ein Spiegelbild des emotionalen Zustandes des Marktes.<br />
Da Emotionen sich nicht oder nur sehr langsam verändern, kann man davon<br />
ausgehen, dass die gleichen Emotionen angesichts gleicher oder ähnlicher<br />
Chartbilder wieder <strong>auf</strong>treten wer<strong>den</strong> – Geschichte wiederholt sich. Wir<br />
erinnern uns: Dies ist eines der Axiome der Technischen Analyse.<br />
Für <strong>den</strong> Trader besteht die Möglichkeit, sich dieses Phänomen zunutze zu<br />
machen.
S e i t e | 77<br />
KORREKTUR ODER UMKEHR?<br />
Eine der schwierigsten Aufgaben ist es, einen Trend hinsichtlich seiner Reife<br />
einzuschätzen. Das zweite Axiom der Technischen Analyse postuliert, dass<br />
Trends eine höhere Wahrscheinlichkeit haben sich fortzusetzen, als dass sie<br />
sich umkehren. Trotzdem muss jeder Trend zwangsläufig irgendwann<br />
mindestens korrigieren <strong>und</strong> schließlich en<strong>den</strong>.<br />
Um es klar zu sagen: Das Ende eines Trends ist immer erst in der<br />
Retrospektive erkennbar - in der Mitte des Charts. Am rechten Bildrand<br />
operieren Trader <strong>und</strong> Investor in einem Bereich der Unsicherheit, wo sie sich<br />
lediglich Wahrscheinlichkeiten zunutze machen können.<br />
Mittels einer Checkliste kann ein Trader zumindest eines analysieren: Ist der<br />
Zeitpunkt für einen Einstieg in einen bestehen<strong>den</strong> Trend günstig oder<br />
ungünstig? Ist eventuell der Zeitpunkt gekommen, um einen Kontra-Trend-<br />
Trade zu platzieren?<br />
Anhaltspunkte für bevorstehende Trendwen<strong>den</strong> oder Korrekturen könnten<br />
sein:<br />
1. Trendkanäle wer<strong>den</strong> nicht mehr durchhandelt.<br />
2. Es kommt zu Trendbeschleunigungen (Ausbrüchen aus<br />
Trendkanälen).<br />
3. Kerzenkörper wer<strong>den</strong> kürzer.<br />
4. Kerzendochte <strong>und</strong> -lunten wer<strong>den</strong> länger.<br />
5. Umkehrkerzen treten gehäuft <strong>auf</strong>.<br />
6. Das Volumen nimmt extrem ab (Käufer- oder Verkäufer"streik").<br />
7. Das Volumen nimmt extrem zu (Distribution bzw. Akkumulation).<br />
8. Das Open Interest 15 nimmt ab.<br />
9. Kürzere Zeiträume zwischen <strong>den</strong> Korrekturen.<br />
<strong>10</strong>. Eine bestimmte durchschnittliche Anzahl von Kerzen in Bewegung<br />
(Korrektur) wurde bereits erreicht.<br />
11. Erreichen von Widerstands- oder Unterstützungsclustern in<br />
verschie<strong>den</strong>en Zeitebenen.<br />
12. Erreichen von Fibonacci-Retracement-Clustern verschie<strong>den</strong>er<br />
Bewegungsimpulse.<br />
13. Häufung falscher Ausbrüche.<br />
15<br />
Open Interest: Anzahl der offenen Terminkontrakte in einem Futures-Markt, die<br />
über Marktschluss hinaus (overnight) offen gehalten wer<strong>den</strong>.
S e i t e | 78<br />
14. Auftreten von Divergenzen in Technischen Indikatoren.<br />
Die Punkte 1 <strong>und</strong> 2 beziehen sich <strong>auf</strong> die Trendkanäle, 3 bis 5 <strong>auf</strong><br />
Kerzenformationen. Punkt 6, 7 <strong>und</strong> 8 betreffen das Volumen. Punkt 9 <strong>und</strong> <strong>10</strong><br />
beobachten <strong>den</strong> Zeitfaktor. Die Punkte 11 bis 13 sind Varianten des Themas<br />
Widerstände <strong>und</strong> Unterstützungen. Punkt 14 betrifft die Arbeit mit<br />
Indikatoren.<br />
Psychologischer Hintergr<strong>und</strong> all dieser Symptome: Die bislang dominante<br />
Marktpartei der Käufer oder Verkäufer verliert die Gewalt über <strong>den</strong> Markt.<br />
Käufer wer<strong>den</strong> vor Kurshochs "knapp", können <strong>den</strong> Markt nicht mehr mit<br />
Kraft <strong>auf</strong> neue Hochs heben. Die professionellen, mutigen Marktteilnehmer<br />
sind bereits engagiert, die letzten, ängstlichen, unprofessionellen<br />
Marktteilnehmer, wer<strong>den</strong> am Schluss aktiv. Sie wer<strong>den</strong> getrieben von der<br />
Angst, etwas zu verpassen. Gleichzeitig formiert sich die Gegenpartei der<br />
Verkäufer: Je höher die Kurse steigen, desto mehr gewinnen Verkäufe an<br />
Attraktivität. Die Gewinne wachsen <strong>und</strong> damit nimmt exponentiell die Angst<br />
um diese Buchgewinne zu. Die Verk<strong>auf</strong>sbereitschaft der long positionierten<br />
Investoren bei kleinsten Rücksetzern steigt.<br />
Im Abwärtstrend sind Verkäufer aggressiv, solange die Käuferseite je<strong>den</strong><br />
Kursrückgang gierig zum Einstieg nutzt <strong>und</strong> zu "Schnäppchenkursen"<br />
zugreift. Leerverkäufer beschleunigen <strong>den</strong> Kursverfall, ebenso Stop-Verkäufe.<br />
Irgendwann haben die Kurse ein so niedriges Niveau erreicht, dass niemand<br />
mehr verk<strong>auf</strong>en möchte - die Erlöse sind einfach zu niedrig. Tenor:"Jetzt ist's<br />
sowieso egal, das Geld ist ja weg <strong>und</strong> tiefer kann's nicht mehr fallen." Die<br />
Käufer, eben noch <strong>auf</strong> Schnäppchenjagd, bemerken das Desaster <strong>und</strong> wollen<br />
erst wieder k<strong>auf</strong>en, wenn die Kurse noch niedriger fallen. Leerverkäufer<br />
decken sich ein <strong>und</strong> sorgen für <strong>den</strong> "Dead Cats Bounce". Sobald die<br />
Leerverk<strong>auf</strong>spositionen gedeckt sind, steigen die Kurse nicht weiter, weil alle<br />
Marktteilnehmer <strong>auf</strong> weitere Kursanstiege warten, aber niemand bereit ist,<br />
<strong>den</strong> gerade abgestürzten Markt zu k<strong>auf</strong>en. Bröckeln die Kurse jetzt langsam<br />
unter das letzte Tief, kommt Panik <strong>auf</strong>: Offensichtlich kann sich ein Wert bis<br />
in Richtung Null mehrmals halbieren. Die Verkäufer werfen ihre Papiere <strong>auf</strong><br />
<strong>den</strong> Markt, die Käufer nehmen sie zu Billig-Preisen in Empfang, bis wieder ein<br />
Verkäuferstreik <strong>den</strong> freien Fall beendet.<br />
Am Ende der Abwärtsbewegung steht meist entweder eine V-Umkehr - ein<br />
rascher Squeeze Out der Leerverkäufer mit sofortigen Anschlusskäufen. Oder<br />
es kommt zu jahrelangen Seitwärtsbewegungen, weil eine ganze<br />
Anlegergeneration desillusioniert, resigniert <strong>und</strong> depressiv dem Aktienmarkt<br />
<strong>den</strong> Rücken kehrt.
S e i t e | 79<br />
KORREKTUREN ODER UMKEHREN AN FIBONACCI-<br />
RETRACEMENTS<br />
Fibonacci-Retracements sind eines der beliebtesten Werkzeuge, um<br />
Trendkorrekturen <strong>und</strong> Trendumkehren auseinander zu halten. Sie bieten<br />
darüber hinaus Möglichkeiten für die Kurszielanalyse.<br />
Leonardo da Pisa, kurz Fibonacci, hat im Jahre 1202 die nach ihm benannte<br />
Zahlenreihe entdeckt. Sie wird dadurch gebildet, dass die folgende Zahl<br />
immer die Summe der bei<strong>den</strong> vorausgegangenen Zahlen bildet (1, 1, 2, 3, 5, 8,<br />
13, 21, 34, 55, 89 usw.).<br />
Dividiert man jetzt eine Zahl der Reihe durch ihren Vorgänger, so kommt man<br />
in fortschreitender Reihe der irrationalen Zahl Phi Φ (r<strong>und</strong> 1,618)<br />
asymptotisch immer näher. Umgedreht – wird der Vorgänger durch <strong>den</strong><br />
Nachfolger geteilt - nähert man sich der Zahl 0,618, der griechischen Zahl Psi<br />
Ψ. Diese ist gleichzeitig der Kehrwert von Phi Φ.<br />
Die Fibonacci-Zahlenreihe ist in Natur <strong>und</strong> Kunst als der „Gol<strong>den</strong>e Schnitt“<br />
bekannt. Fibonacci-Zahlenverhältnisse tauchen in vielen Bereichen von<br />
Botanik, Astronomie, Anatomie, darstellender Kunst, Architektur usw. <strong>auf</strong>.<br />
Ralph Nelson Elliott sah in <strong>den</strong> Fibonacci-Zahlen ein „göttliches<br />
Ordnungsprinzip“ <strong>und</strong> hat <strong>auf</strong> der Gr<strong>und</strong>lage der Fibonacci-Zahlen in <strong>den</strong><br />
dreißiger Jahren des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts seine Elliot-Wellen-Theorie entwickelt.<br />
Die Berechnung ist einfach <strong>und</strong> wird von jeder standardisierten Chartsoftware<br />
angeboten: Der Bewegungsimpuls wird gleich <strong>10</strong>0% gesetzt. Die<br />
Korrekturniveaus sind dann Quotienten aus einer Fibonacci-Zahl <strong>und</strong> der in<br />
der Zahlenreihe folgen<strong>den</strong> nächsten, übernächsten, über-übernächsten usw.<br />
Zahl. Es entstehen, in Prozent ausgedrückt, Korrektur-Niveaus bei 14,6%,<br />
23,6%, 38,2%, 50%, 61,8% <strong>und</strong> 76,4%.<br />
Praktisch ist bei einer Bewegung in diese Richtung bis zu diesen<br />
Prozentmarken mit einer Störung der Impulsdynamik zu rechnen – die<br />
Korrektur kann dort verharren, die ursprüngliche Trendrichtung wieder<br />
<strong>auf</strong>genommen wer<strong>den</strong> oder, falls sie sich fortsetzt, zügig bis zum nächsten<br />
Fibonacci-Niveau weitergehen.<br />
Will man die Fibonacci-Zahlen zur Kurszielbestimmung nutzen, so wer<strong>den</strong><br />
hier die Zahlen 123,6%, 138,2% <strong>und</strong> 161,8% des ursprünglichen<br />
Bewegungsimpulses gern als Zielmarken genutzt. Diese so genannten<br />
Fibonacci-Extensionen lassen sich auch intraday anwen<strong>den</strong>.<br />
Weitere Möglichkeiten der Anwendung der Fibonacci-Zahlenreihe sind die<br />
Fibonacci-Fans (Fibonacci-Fächer) <strong>und</strong> die Fibonacci-Zeitreihe. 16<br />
16 Siehe hierzu detailliert: Fischer, Robert, Fischer, Jens, Trading nach neuen<br />
Fibonacci-Regeln, Eichborn Verlag, Frankfurt am Main, 2001.
S e i t e | 80<br />
Die BMW-Aktie im Tageschart am 24. September 2012 mit eingezeichneten Fibonacci-<br />
Retracements. Sichtbar ist, dass nach der heftigen Aufwärtsbewegung, die am 5.<br />
September begann, die Gegenbewegung bis <strong>auf</strong> das Niveau der Minimalkorrektur bei<br />
61,8% des ursprünglichen Aufwärtsimpulses lief. Dort konsolidiert der Kurs mehrere<br />
Tage. Sollte das Retracement halten, besteht eine Chance von 2 : 1, dass das letzte<br />
Impuls-Hoch bei 62,49 überschritten wird. Fibonacci-Extensionen zeigen mögliche<br />
Kursziele.<br />
Beläuft sich die Gegenbewegung <strong>auf</strong> 38,2% des ursprünglichen Impulses,<br />
spricht der Technische Analyst von der Minimalkorrektur, bis 50,0% von der<br />
Normalkorrektur. Bei einer Korrektur um 61,8% handelt es sich um die so<br />
genannte Maximalkorrektur des ursprünglichen Bewegungsimpulses. Mit<br />
steigendem Ausmaß der Korrektur sinkt die Wahrscheinlichkeit der<br />
Wieder<strong>auf</strong>nahme des ursprünglichen Trends. Anhand statistischer<br />
Überprüfungen im Dax-Future hat Systemtrader Uwe Wagner analysiert, dass<br />
nach einer Minimalkorrektur (um 38,2 <strong>auf</strong> 61,8%) mit einer<br />
Wahrscheinlichkeit von zwei Dritteln ein neuer Extremwert im nächsten<br />
Bewegungsimpuls in Richtung des übergeordneten Trends erreicht wird. Für<br />
die Normalkorrektur beträgt die Wahrscheinlichkeit noch 50%, für die<br />
Maximalkorrektur sinkt die Wahrscheinlichkeit der Wieder<strong>auf</strong>nahme des<br />
Trends mit schnellen neuen Extremwerten <strong>auf</strong> etwa 33%. 17<br />
Besonders signifikant sind so genannte Fibonacci-Cluster. In diesen Zonen<br />
befin<strong>den</strong> sich verschie<strong>den</strong>e Korrekturniveaus unterschiedlicher<br />
Bewegungsimpulse – beispielsweise die Minimalkorrektur eines längeren<br />
Aufwärtsimpulses <strong>und</strong> die Normalkorrektur eines jüngeren Impulses.<br />
17<br />
Siehe hierzu detailliert: Uwe Wagner, <strong>Tra<strong>den</strong></strong> wie ein Profi, München 2004
S e i t e | 81<br />
Die Anwendung der Fibonacci-Werkzeuge erfordert eine gewisse Erfahrung<br />
<strong>und</strong> muss geübt.<br />
Fibonacci-Cluster im Wochenchart des <strong>DAX</strong> ® -Performance-<strong>Index</strong>. Der längerfristige<br />
Aufwärtsimpuls beginnt im September 2011, der jüngere im Juni 2012. Hervorgehoben<br />
wur<strong>den</strong> die Zonen, in <strong>den</strong>en beide Impulse nahezu i<strong>den</strong>tische Fibonacci-Retracements<br />
bil<strong>den</strong>: Der Beginn des jüngsten Aufwärtsimpulses bei 5.914 entspricht etwa der<br />
Maximalkorrektur des längeren Impulses. Im Bereich von 6.511 liegt die<br />
Maximalkorrektur des jüngeren Impulses, in diesem Bereich liegt auch das Niveau der<br />
Minimalkorrektur des längeren Impulses. Bei 6.881-85 bil<strong>den</strong> die Minimalkorrektur<br />
des jüngsten Impulses <strong>und</strong> die 23,6%-Korrektur des längeren Impulses ein<br />
Unterstützungscluster. Die blau gekennzeichneten Linien wer<strong>den</strong> im Falle von<br />
Korrekturen höchstwahrscheinlich zu einem Bruch der Bewegungsdynamik führen. Ob<br />
diese Unterstützungen halten oder brechen, vermag die Analyse allerdings nicht zu<br />
klären.
S e i t e | 82<br />
INDIKATOREN<br />
Technische Indikatoren sind das Ergebnis mathematischer Analysen von<br />
Preis, Zeit <strong>und</strong> Umsatzentwicklungen. Sie wer<strong>den</strong> klassifiziert in<br />
trendfolgende Indikatoren, Oszillatoren, dynamikmessende <strong>und</strong><br />
volatilitätsmessende Indikatoren. Die Analyse des Traders muss also damit<br />
beginnen, zu bestimmen, ob sich der Markt in einer trendstarken oder<br />
trendschwachen Phase befindet. Dementsprechend muss er entschei<strong>den</strong>, ob<br />
er mehr <strong>den</strong> trendfolgen<strong>den</strong> Indikatoren oder <strong>den</strong> Oszillatoren Beachtung<br />
schenkt.<br />
Trendfolger spiegeln mit einer gewissen Zeitverzögerung die vorherrschende<br />
Bewegungsrichtung in einem Markt wider <strong>und</strong> helfen beispielsweise, Trend<br />
<strong>und</strong> Korrekturen auseinander zu halten. Sie funktionieren gut in tendieren<strong>den</strong><br />
Märkten, geben in Seitwärtsmärkten gehäuft Fehlsignale. Ihre Besonderheit<br />
ist eine gewisse Trägheit.<br />
Oszillatoren (z. B. Stochastik, Relativer Stärke-<strong>Index</strong>) definieren gut extreme<br />
kurzfristige Marktzustände – überk<strong>auf</strong>te oder überverk<strong>auf</strong>te Situationen etwa.<br />
In Seitwärtsmärkten geben Sie gute Hinweise <strong>auf</strong> Ein- <strong>und</strong> Ausstiege. In<br />
Trendmärkten dürfen nur Signale gehandelt wer<strong>den</strong>, die in Richtung des<br />
Trends weisen. Oszillatoren bil<strong>den</strong> in Trends aussagekräftige Divergenzen<br />
aus, die bevorstehende Korrekturen oder Umkehren signalisieren können.<br />
Dynamikmessende Indikatoren (z. B. Directional Movement Indicator u.a.)<br />
liefern Hinweise <strong>auf</strong> die Bewegungsdynamik im Markt – befindet sich das zu<br />
untersuchende Instrument in einer Trend- oder einer Seitwärtsphase. Sie<br />
geben keine Auskunft über die Richtung eines Trends, sondern nur darüber,<br />
ob ein Trend überhaupt gegeben ist.<br />
Volatilitätsmessende Indikatoren (z. B. Bollinger Bänder, Average True<br />
Range) geben Hinweise <strong>auf</strong> die Schwankungsfreudigkeit des Marktes. Sie<br />
deuten <strong>auf</strong> volatile oder träge Märkte hin <strong>und</strong> können für die Prognose<br />
bevorstehender Ausbrüche oder Kursberuhigungen angewandt wer<strong>den</strong>.<br />
Zeitpunkt, Stärke <strong>und</strong> Richtung von Ausbrüchen lassen sich jedoch nicht<br />
ermitteln.<br />
DER GLEITENDE DURCHSCHNITT<br />
Gleitende Durchschnitte gehören zu <strong>den</strong> sinnvollsten <strong>und</strong> simpelsten<br />
Indikatoren. Während der augenblickliche Preis eines Handelsinstruments<br />
<strong>den</strong> Konsens aller Marktteilnehmer über <strong>den</strong> augenblicklichen fairen Wert<br />
darstellt, ist der Gleitende Durchschnitt der Konsens der Marktteilnehmer<br />
über <strong>den</strong> fairen Wert eines Handelsinstrumentes betrachtet <strong>auf</strong> eine<br />
bestimmte Zeitperiode. Im Tageschart bildet ein Gleitender Durchschnitt<br />
mit fünf Perio<strong>den</strong> also <strong>den</strong> fairen Wochendurchschnittspreis eines<br />
Handelsinstrumentes ab. Ein 21-Perio<strong>den</strong>–GD repräsentiert <strong>den</strong> fairen Wert<br />
des Instrumentes, berechnet <strong>auf</strong> <strong>den</strong> Handelsmonat. Am Zustandekommen<br />
eines solchen Gleiten<strong>den</strong> Durchschnitts sind (mathematisch-statistisch<br />
betrachtet) sehr viel mehr Daten beteiligt, als am augenblicklichen Preis. Das<br />
hat zur Folge, dass der Preis immer die Ten<strong>den</strong>z hat, sich dem Gleiten<strong>den</strong><br />
Durchschnitt zu nähern. Charttechnisch bedeutet das, dass ein Preis immer<br />
die Ten<strong>den</strong>z hat, um Gleitende Durchschnitte zu oszillieren.<br />
Bei der Berechnungsmethode ist der Exponentielle Gleitende Durchschnitt<br />
meist besser für <strong>den</strong> Handel geeignet als der Einfache Gleitende Durchschnitt,
S e i t e | 83<br />
da er psychologischen Komponenten (stärkere Gewichtung der letzten<br />
Handelsperio<strong>den</strong>) entsprechend berücksichtigt.<br />
Tageschart des Dax-<strong>Index</strong> mit zwei Exponentiellen Gleiten<strong>den</strong> Durchschnitten (EMA)<br />
von 5 <strong>und</strong> 21 Perio<strong>den</strong>. Der Neigungswinkel gibt die Trendrichtung an, Rücksetzer an<br />
<strong>den</strong> EMA (Pfeile) dienen häufig als Einstiegsgelegenheiten mit einem guten Chance-<br />
Risiko-Verhältnis.<br />
DER COMMODITY CHANGE INDEX (CCI)<br />
Dieser Indikator wurde entwickelt, um saisonale Schwankungen an<br />
Warenterminmärkten (Zyklen) zu visualisieren. Der CCI berechnet <strong>den</strong><br />
Abstand zwischen dem Kurs <strong>und</strong> dem Durchschnitt der letzten x Tage, geteilt<br />
durch 1,5% von der Standard-Abweichung. Werte über <strong>10</strong>0 signalisieren<br />
überk<strong>auf</strong>te Marktzustände, Werte unter -<strong>10</strong>0 signalisieren überverk<strong>auf</strong>te<br />
Zustände. Der CCI geht von einem „typischen Preis“ (Kurs) aus <strong>und</strong> ermittelt<br />
das Maß der Abweichung des typischen Kurses von einem gleiten<strong>den</strong><br />
Durchschnitt. Der Gleitende Durchschnitt hat üblicherweise die<br />
Perio<strong>den</strong>länge 14.<br />
Der CCI wird vorwiegend im Tages- <strong>und</strong> Wochenchart verwendet <strong>und</strong> zeigt<br />
brauchbare Signale in Trading-Ranges. Während stabiler Trends zeigt er<br />
wenig brauchbare Signale, wenn, dann lediglich in Trendrichtung. Eine<br />
Divergenz zwischen der Kursentwicklung <strong>und</strong> dem Indikator deutet <strong>auf</strong><br />
möglicherweise bevorstehende Trendwechsel hin.
S e i t e | 84<br />
Der Wochenchart des Dax mit dem CCI-Indikator im unteren Fenster <strong>und</strong> einem 26-<br />
Wochen-EMA. Es ist zu erkennen, daß während der Aufwärtsbewegung der überk<strong>auf</strong>te<br />
Zustand (><strong>10</strong>0) lange anhält, dieser Indikator also keine brauchbaren Signale liefert.<br />
Die roten Pfeile weisen <strong>auf</strong> Divergenzen hin – neue Preis-Tiefs <strong>und</strong> -Hochs wer<strong>den</strong> im<br />
Indikator nicht unterstützt. Diese Divergenzen warnen hier relativ treffsicher vor<br />
bevorstehen<strong>den</strong> Korrekturen oder Umkehren.<br />
DIE STOCHASTIK<br />
Die Stochastik nutzt die Beobachtung, dass bei Kursrückgängen Schlusskurse<br />
mehr zu <strong>den</strong> Perio<strong>den</strong>-Tiefstkursen tendieren <strong>und</strong> umgekehrt bei<br />
Kursanstiegen die Schlusskurse mehr zu <strong>den</strong> Höchstkursen tendieren. Sie<br />
untersucht, in welchem Bereich der Handelsspanne der letzten x betrachteten<br />
Perio<strong>den</strong> das Instrument geschlossen hat. Der Indikator wird durch zwei<br />
Linien gebildet, eine %K <strong>und</strong> eine %D-Linie. Beide oszillieren in einem<br />
Bereich von 0 bis <strong>10</strong>0.<br />
Die %K-Linie wird wie folgt errechnet:<br />
%K = (C-LC) / (HH-LL)<br />
Dabei ist:<br />
LC: tiefster Schluss der Periode;<br />
HH: höchstes Hoch der Periode;<br />
LL: tiefstes Tief der Periode;<br />
C: Schlusskurs der aktuellen Periode.<br />
Die %D-Linie, die zweite Linie, ist der Gleitende Durchschnitt der Linie %K,<br />
meist in einer Periode von 3 oder 5. Die %K-Linie selbst wird <strong>auf</strong> 14 Perio<strong>den</strong><br />
berechnet <strong>und</strong> mit der Periode 3 geglättet.<br />
Im Indikatorfenster begrenzen zwei horizontale Linien bei 20% <strong>und</strong> 80% <strong>den</strong><br />
überk<strong>auf</strong>ten (oberhalb von 80%) <strong>und</strong> <strong>den</strong> überverk<strong>auf</strong>ten Bereich (unterhalb<br />
von 20%).
S e i t e | 85<br />
Dieser oszillierende Indikator wird angewandt, um überk<strong>auf</strong>te <strong>und</strong><br />
überverk<strong>auf</strong>te Situationen zu erkennen, er gibt Signale beim Verlassen dieser<br />
Bereiche. Voraussetzung für gültige Signale ist, dass der Markt sich in einer<br />
Seitwärtsphase befindet. In Trendmärkten wer<strong>den</strong> nur Signale befolgt, die in<br />
Richtung des übergeordneten Trends gerichtet sind.<br />
Ein K<strong>auf</strong>signal wird generiert, wenn die %K-Linie die %D-Linie im<br />
überverk<strong>auf</strong>ten Bereich (unterhalb von 20%) von unten nach oben schneidet<br />
<strong>und</strong> die %K-Linie dann über die 20%-Linie steigt.<br />
Analog wird ein Verk<strong>auf</strong>ssignal generiert, wenn die %K-Linie die %D-Linie im<br />
überk<strong>auf</strong>ten Bereich (oberhalb von 80%) von oben nach unten schneidet <strong>und</strong><br />
die %K-Linie dann unter die 80%-Linie fällt.<br />
Divergenzen zwischen dem Indikator <strong>und</strong> dem gehandelten Instrument<br />
dienen als Indiz für bevorstehende Trendwechsel.<br />
Der Dax im Tageschart mit der Slow Stochastik als Indikator. Vertikale Pfeile<br />
kennzeichnen die möglichen K<strong>auf</strong>- <strong>und</strong> Verk<strong>auf</strong>ssignale im Auf- bzw. Abwärtstrend. Die<br />
diagonalen Pfeile weisen <strong>auf</strong> Divergenzen hin. Höhere Preishochs bzw. tiefere Preistiefs<br />
wer<strong>den</strong> nicht mehr von höheren Hochs bzw. tieferen Tiefs im Indikator begleitet –<br />
Änderungen der Bewegungsrichtung stehen bevor.<br />
DAS MOMENTUM<br />
Das Momentum beschreibt die relative Veränderung des Preises über eine frei<br />
wählbare Periode. Dargestellt wird die Stärke der Kursschwankung <strong>und</strong> die<br />
wellenförmige Zyklik des betrachteten Instrumentes. Das Momentum dient<br />
somit als „Schwungkraft-Messer“ von Trends.<br />
Das Momentum kann absolut oder in Prozent angezeigt wer<strong>den</strong>. Bewegt es<br />
sich oberhalb der Null-Linie, ist die Aufwärtsbewegung intakt, unterhalb der
S e i t e | 86<br />
Null-Linie liegt ein intakter Abwärtstrend vor. Stimmen Kurstrend <strong>und</strong> die<br />
Richtung des Indikators überein, ist der Trend stabil, divergieren sie, liegt<br />
meist ein Signal für einen bevorstehen<strong>den</strong> Trendwechsel vor.<br />
Der Tageschart des Dax mit dem Momentum. Erkennen Sie die Divergenzen?<br />
DER PARABOLIC STOP-AND-REVERSE (SAR)<br />
Der SAR ist ein automatisches Umkehrsystem, das dem Trader eine<br />
vorherrschende Bewegungsrichtung anzeigt. Der Indikator geht davon aus,<br />
dass der Händler ständig im Markt positioniert ist. Er erhält mit Hilfe des<br />
SAR Signale, wann eine Position zu drehen ist. Der Indikator kennzeichnet<br />
dabei als initiale Stopmarke die jeweiligen Extrempunkte der<br />
vorangegangenen Bewegung. Der Stop wird mit einem Beschleunigungsfaktor<br />
(parabolisch) nachgezogen, so dass zu Beginn eines Trends großer Spielraum<br />
für eine Position besteht, mit fortschreitender Zeit sich der Stopkurs jedoch<br />
dem aktuellen Kursverl<strong>auf</strong> immer mehr annähert. Der Beschleunigungsfaktor<br />
ist variabel. Wird der Stopkurs erreicht, wird die Position gedreht.<br />
Vielfach wird der SAR für die Stop-Bestimmung genutzt, liefert aber für <strong>den</strong><br />
Einstieg in einen Trade die Signale oft zu spät. Die Variablen des Stop-and-<br />
Reverse-Indikators sollten über einen längeren Zeitraum getestet wer<strong>den</strong>. Der<br />
Indikator mag für Trend-Märkte seinen Zweck erfüllen, für Seitwärtsmärkte<br />
ist er ungeeignet.
S e i t e | 87<br />
Der Tageschart des Dax-Futures mit dem Parabolic Stop-and-Reverse. Liegen die<br />
Indikator-Punkte unter dem Kurs, hält der Trader eine Longposition. Liegen die<br />
Indikator-Punkte über dem Kurs, wird eine Short-Position gehalten. Deutlich<br />
erkennbar ist, dass während der kurzen Korrekturen im Aufwärtstrend bestehende<br />
Positionen oft zu schnell geschlossen wer<strong>den</strong>. Diese Besonderheit ist bei <strong>den</strong><br />
Einstellungen zu beachten.<br />
DAS DIRECTIONAL MOVEMENT SYSTEM<br />
Hierbei handelt es sich genau genommen um zwei Indikatoren, <strong>den</strong><br />
dynamikmessen<strong>den</strong> Indikator (ADX), gepaart mit <strong>den</strong> zwei<br />
Trendrichtungsanzeigern des Directional Movement Indicators DMI (DI+ <strong>und</strong><br />
DI-).<br />
Befindet sich der ADX oberhalb von 20, so ist von einem Trendmarkt<br />
auszugehen, Werte unter 20 signalisieren einen Seitwärtsmarkt. Extreme<br />
Abfälle (unter 15) signalisieren oftmals eine bevorstehende Trendumkehr<br />
nach einer trendlosen Phase. Über die Trendrichtung sagt diese Linie (im<br />
Chart braun) nichts aus.<br />
Befindet sich die DI+-Linie (blau) oberhalb der DI—Linie (rot), so spricht<br />
man von einem Aufwärtstrend, im umgekehrten Falle von einem<br />
Abwärtstrend.<br />
Berechnet wer<strong>den</strong> die Linien wie folgt:<br />
DI+=DM+/TR;<br />
DI-=DM-/TR,
S e i t e | 88<br />
wobei TR=max[abs(Hoch-Tief);abs(Hoch-Vortagesschluss);abs(Tief-<br />
Vortagesschluss)]<br />
DM+=max[0;Hoch-Vortageshoch]<br />
DM-=max[0;Vortagestief-Tief]<br />
Variabel ist die Einstellung der Periode für das Glätten der erhaltenen Linie<br />
nach dem Berechnungsmodell der Gleiten<strong>den</strong> Durchschnitte.<br />
Schneidet DI- die Linie DI+ von unten nach oben, liefert das ein K<strong>auf</strong>signal;<br />
schneidet DI- die Linie DI+ von oben nach unten, wird ein Verk<strong>auf</strong>ssignal<br />
generiert. Wichtig dabei, dass der ADX einen beginnen<strong>den</strong> Trend signalisiert.<br />
In Seitwärtsphasen kommt es zu einer Vielzahl von nicht profitabel<br />
handelbaren Signalen.<br />
Der Tageschart des Dax-Futures mit dem Directional Movement System. Fällt die<br />
braune Linie unter 20, beginnt eine trendlose Phase. Markiert wur<strong>den</strong> die K<strong>auf</strong>signale:<br />
Die blaue +DI-Linie schneidet die rote –DI-Linie von unten nach oben, gleichzeitig dreht<br />
die Linie des ADX aus einer trendlosen Phase mit Werten unter 20 nach oben.
S e i t e | 89<br />
DER MOVING AVERAGE CONVERGENCE DIVERGENCE<br />
(MACD)<br />
Dieser Trendfolgeindikator wurde von Gerald Appel 1978 entwickelt <strong>und</strong> 1979<br />
der Öffentlichkeit vorgestellt. Er gehört zu <strong>den</strong> gebräuchlichsten <strong>und</strong><br />
zuverlässigsten Indikatoren der Gegenwart.<br />
Der MACD misst die Differenz zwischen einem 12er <strong>und</strong> einem 26er<br />
Exponentiellen Gleiten<strong>den</strong> Durchschnitt. Diese Differenz wird als MACD-<br />
Linie dargestellt. Auf diese wird wiederum ein Exponentieller Gleitender<br />
Durchschnitt mit der Periode 9 gebildet – dies ist die Signal- oder Trigger-<br />
Linie. Schließlich wird vom Wert der MACD-Linie der Wert der Signal-Linie<br />
subtrahiert <strong>und</strong> die Differenz als Histogramm an die Null-Linie angetragen.<br />
Ist die Differenz positiv, wer<strong>den</strong> diese Balken nach oben abgetragen,<br />
anderenfalls negative Balken nach unten.<br />
Der besondere Wert des MACD besteht in der frühzeitigen Ankündigung von<br />
bevorstehen<strong>den</strong> Bewegungsumkehren durch Divergenzen. Insbesondere im<br />
Wochenchart liefert das Histogramm hier relativ sichere Signale.<br />
Für eine valide Divergenz müssen drei Punkte gegeben sein:<br />
A) Preis <strong>und</strong> MACD-Histogramm erreichen ein neues Hoch (Tief).<br />
B) Der Preis korrigiert, das MACD-Histogramm wechselt die Farbe.<br />
C) Der Preis erreicht ein höheres Hoch (tieferes Tief), das MACD-<br />
Histogramm jedoch nicht. Sobald das MACD-Histogramm einen<br />
kürzeren Balken ausbildet, ist die Divergenz abgeschlossen.<br />
Darüber hinaus erlaubt der Abstand der MACD-Linie <strong>und</strong> der Signal-Linie<br />
von der Null-Linie Rückschlüsse <strong>auf</strong> die Kraft eines bevorstehen<strong>den</strong> Signales.<br />
Der MACD lässt sich insbesondere für das Timing von Einstiegen nutzen, für<br />
Ausstiege ist er weniger geeignet. In <strong>den</strong> Standardeinstellungen 12-26-9 kann<br />
er auch intraday genutzt wer<strong>den</strong>, vorzugsweise bis <strong>auf</strong> ein Zeitfenster von <strong>10</strong><br />
Minuten.<br />
Seltener sind Divergenzen der MACD-Linien zum Kursverl<strong>auf</strong>. Insbesondere<br />
im Wochenchart sind diese jedoch ein sehr zuverlässiges Signal. Als besonders<br />
treffsicher erweisen sich Divergenzen, wenn sie im Zusammenhang mit<br />
falschen Ausbrüchen <strong>auf</strong>treten.<br />
Divergenzen sind keine Signale, sondern nur Vorboten für demnächst<br />
möglicherweise bevorstehende Trades. Bearishe Divergenzen signalisieren,<br />
dass neue Long-Positionen mit einem großen Risiko behaftet wären. Short-<br />
Trades dürfen nur eröffnet wer<strong>den</strong>, wenn die Kurse anfangen, tatsächlich zu<br />
fallen. Spiegelbildlich gilt: Beim Auftreten bullisher Divergenzen ist das Risiko<br />
für neue Short-Positionen größer als die zu erwarten<strong>den</strong> Gewinne. Long-<br />
Positionen dürfen aber erst eingegangen wer<strong>den</strong>, wenn die Kurse tatsächlich<br />
anfangen zu steigen.
S e i t e | 90<br />
Der Tageschart der BASF-Aktie mit drei Divergenzen. Am linken Bildrand die klassische<br />
bearishe Divergenz. In der Mitte des Charts ist eine mehrfache (multiple) bullishe<br />
Divergenz zu sehen. Am rechten Bildrand bildet sich im September 2012 eine bearishe<br />
Divergenz. Noch ist nicht klar, ob diese Divergenz funktionieren wird.<br />
DER FORCE-INDEX<br />
Der Force-<strong>Index</strong> wurde von Dr. Alexander Elder entwickelt <strong>und</strong> erstmals in<br />
<strong>den</strong> 90er Jahren vorgestellt. Er misst drei Komponenten einer Kursbewegung:<br />
die Richtung, das Ausmaß <strong>und</strong> <strong>den</strong> Umsatz.<br />
Berechnet wird der Force-<strong>Index</strong>, indem die Differenz aus heutigem<br />
Schlusskurs <strong>und</strong> gestrigem Schlusskurs gebildet <strong>und</strong> mit dem heutigen<br />
Umsatz multipliziert wird.<br />
Force-<strong>Index</strong> = (Schlusskurs heute – Schlusskurs gestern) x Umsatz<br />
Der Force-<strong>Index</strong> ist positiv, wenn der heutige Schlusskurs über dem gestrigen<br />
liegt. Der Force-<strong>Index</strong> ist negativ, wenn der heutige Schlusskurs unter dem<br />
gestrigen liegt.<br />
Treten unter hohem Umsatz starke Bewegungen <strong>auf</strong>, schlägt der Force-<strong>Index</strong><br />
stark aus <strong>und</strong> deutet dar<strong>auf</strong> hin, dass die dominante Marktpartei (Bullen oder<br />
Bären) die Kontrolle über <strong>den</strong> Markt hat.<br />
Treten bei hohen Umsätzen aber kleine Bewegungen <strong>auf</strong>, schlägt der Force-<br />
<strong>Index</strong> wenig aus <strong>und</strong> deutet dar<strong>auf</strong> hin, dass die Marktparteien (Bullen oder<br />
Bären) miteinander um die Vorherrschaft ringen.
S e i t e | 91<br />
Für die längerfristige Analyse im Wochen- <strong>und</strong> Tageschart empfiehlt<br />
Alexander Elder die Nutzung einer 13er Periode. Für möglichst präzise Ein<strong>und</strong><br />
Ausstiege lässt sich ein kurzfristiger 2-Perio<strong>den</strong>-Force-<strong>Index</strong> nutzen.<br />
Insbesondere <strong>auf</strong>tretende Divergenzen am Bo<strong>den</strong> bieten häufig<br />
hervorragende Signale für Einstiege. Fallen Kurse <strong>auf</strong> ein tieferes Tief, aber<br />
der Ausschlag des Force-<strong>Index</strong> ist flacher als beim vorangegangenen Tief,<br />
wer<strong>den</strong> Long-Chancen gesucht.<br />
Der Force-<strong>Index</strong> mit der Periode 2 als Hilfsmittel für das Einstiegs-Timing. Anfang Juni<br />
erreicht BASF ein Tief am Punkt A – der Force-<strong>Index</strong> schlägt weit aus, das Volumen<br />
verursacht eine große Bewegung. Die Aktie korrigiert bis zum Punkt B, der Force-<strong>Index</strong><br />
kehrt über die Nulllinie zurück. Ende Juli fällt die Aktie am Punkt C <strong>auf</strong> ein neues Tief<br />
unter 52 Euro. Der flachere Ausschlag im Force-<strong>Index</strong> zeigt, dass die Bären an Kraft<br />
verloren haben, ein Long-Einstieg steht bevor. Am nächsten Tag kann über dem<br />
Tageshoch eine profitable, risikoarme Long-Position eröffnet wer<strong>den</strong>. Genaueres<br />
Einstiegstiming <strong>auf</strong> End-of-Day-Basis ist kaum möglich.<br />
DIE AVERAGE TRUE RANGE<br />
Die Average True Range ist ein volatilitätsmessender Indikator, der von<br />
James Welles Wilder entwickelt wurde, um die Schwankungsbreite von<br />
Rohstoff- <strong>und</strong> Terminmärkten unter Berücksichtigung von Übernacht-Gaps<br />
abzubil<strong>den</strong>. Die „wahre Handelsspanne“ wird berechnet aus der Differenz<br />
- zwischen dem Höchst- <strong>und</strong> Tiefstkurs des Tages oder<br />
- zwischen dem Höchstkurs heute <strong>und</strong> dem Close gestern bei einem<br />
Aufwärtsgap oder
S e i t e | 92<br />
- zwischen dem Schlusskurs gestern <strong>und</strong> dem Tief heute bei einem<br />
Abwärtsgap.<br />
Dabei wird jeweils der größte der drei Werte verwendet. Wilder erreichte mit<br />
dieser Berechnungsmethode, dass in <strong>den</strong> Futures-Märkten Gaps <strong>und</strong> Tage, an<br />
<strong>den</strong>en die Futures an Limits gehandelt wur<strong>den</strong>, besser berücksichtigt wur<strong>den</strong><br />
als bei der vorher üblichen einfachen Handelsspanne.<br />
Aus der „wahren Handelsspanne“ wird durch Glättung mit einer bestimmten<br />
Perio<strong>den</strong>länge die „durchschnittliche wahre Handelsspanne“ bzw. Average<br />
True Range. Gebräuchlich sind hier zwischen 5 <strong>und</strong> 30 Perio<strong>den</strong> für diese<br />
Glättung.<br />
Die ATR muss nicht permanent im Chart eingezeichnet sein, sie soll vielmehr<br />
einen Hinweis <strong>auf</strong> die durchschnittliche Schwankungsbreite eines Marktes<br />
geben. Insbesondere für das Risiko-Management kommt der ATR eine<br />
Bedeutung zu. Bewegungen von 1 ATR haben eine Wahrscheinlichkeit von<br />
68%, in der bevorstehen<strong>den</strong> Zeitperiode <strong>auf</strong>zutreten, während Bewegungen<br />
von 2 ATR nur noch eine Wahrscheinlichkeit von 5% <strong>auf</strong>weisen. Bewegungen<br />
um 3 ATR innerhalb einer Periode treten nur noch in 0,75% aller Zeitperio<strong>den</strong><br />
<strong>auf</strong>. Wer solche Entfernungen zur Absicherung einer Position nutzt, wird also<br />
relativ selten ausgestoppt. Andererseits sind auch Gewinnziele von 3 ATR<br />
wenig realistisch.<br />
SYSTEMATISCHE UNTERSCHIEDE ZWISCHEN<br />
INDIKATOREN<br />
Hinsichtlich der zeitlichen Zuordnung der Signale kann man Indikatoren in<br />
Vorläufer <strong>und</strong> Nachläufer unterteilen.<br />
Vorläufer (Leading<br />
Indicators)<br />
Nachläufer (Lagging<br />
Indicators)<br />
Blickrichtung Vorwärts Rückwärts<br />
Beispiele<br />
RSI, Stochastik, MACD-<br />
Histogramm<br />
Gleitender Durchschnitt,<br />
MACD<br />
Signalisieren Wendepunkte Trendrichtungen<br />
Fokus Übertreibungszustände Entwicklungen<br />
Marktdynamik Seitwärts, träge Trendmarkt
S e i t e | 93<br />
TEIL <strong>10</strong>: ANALYSEPRAXIS<br />
So, wie der Besitz eines gefüllten Werkzeugkastens noch keinen Handwerker<br />
ausmacht, ist auch die Kenntnis der einzelnen Bestandteile der Technischen<br />
Analyse noch kein Konzept für erfolgreiches Handeln oder <strong>Investieren</strong>. Es<br />
kommt vielmehr dar<strong>auf</strong> an, die einzelnen Instrumente entsprechend ihrem<br />
Verwendungszweck zu benutzen, sie zu kombinieren, um maximale Synergien<br />
zu erreichen. Das Puzzle muss aus einzelnen Bestandteilen zusammengesetzt<br />
wer<strong>den</strong> <strong>und</strong> ergibt erst dann ein sinnvolles Ganzes. Entsprechend <strong>den</strong> Zielen<br />
eines Marktteilnehmers kann das Instrumentarium <strong>und</strong> seine Anwendung<br />
erheblich differieren. Im Folgen<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> die Gr<strong>und</strong>ideen vorgestellt, die<br />
ich verwende <strong>und</strong> die sich in meiner täglichen Börsenpraxis als<br />
erfolgversprechend erwiesen haben.<br />
Damit soll keine Wertung anderer praktischer Ansätze verb<strong>und</strong>en sein.<br />
Andere handwerkliche Herangehensweisen sind möglicherweise nicht besser<br />
oder schlechter als meiner – sondern eben nur anders. Es bleibt jedem Trader<br />
eigenverantwortlich überlassen, das für ihn handwerklich <strong>und</strong> vor allem<br />
psychologisch komfortabelste Werkzeug zu fin<strong>den</strong>. Insofern sind die<br />
folgen<strong>den</strong> Ausführungen Denkanstöße – keine Einladung zum blin<strong>den</strong><br />
Kopieren.<br />
DAS KONZEPT VON WERT UND PREIS<br />
Für meine Analysepraxis mache ich mir die mehrfach dargelegte einfache Idee<br />
zunutze, dass Preis <strong>und</strong> Wert selten h<strong>und</strong>ertprozentig zusammenfallen.<br />
Vielmehr oszilliert der Preis eines Handelsinstrumentes um seinen Wert.<br />
Zeitweise kommt es so zu Übertreibungen im Markt - neben dem Wert eines<br />
Papiers bezahlen Käufer dann einen Aufschlag für die eingepreiste Euphorie<br />
oder einen Abschlag für die Panik.<br />
Der Preis eines Handelsinstrumentes lässt sich am Kurs ablesen:<br />
Marktteilnehmer handeln zu einem Kurs, bei dem Käufer <strong>den</strong> Preis für<br />
niedrig genug halten, um das Instrument später mit Gewinn zu verk<strong>auf</strong>en.<br />
Verkäufer halten <strong>den</strong> erzielten Verk<strong>auf</strong>serlös für angemessen. Und inaktive<br />
Marktteilnehmer teilen keine von bei<strong>den</strong> Meinungen <strong>und</strong> bleiben inaktiv. Die<br />
Bewertung hier ist lediglich eine Moment<strong>auf</strong>nahme über <strong>den</strong> Konsens der<br />
Marktteilnehmer für <strong>den</strong> fairen Wert eines Handelsinstrumentes.<br />
Den Wert bestimme ich nun, indem ich eine Zeitebene betrachte, die logisch<br />
oberhalb meiner gewählten Handels-Zeitebene liegt. Den Konsens der<br />
Marktteilnehmer über <strong>den</strong> Wert eines Handelsinstrumentes in dieser höheren<br />
Zeitebene liefern mir die Exponentiellen Gleiten<strong>den</strong> Durchschnitte, die diese<br />
höhere Zeitebene repräsentieren.<br />
So kann ich beispielsweise einen Tageschart betrachten <strong>und</strong> sehe <strong>den</strong><br />
augenblicklichen Preis. Der 5-Tage-EMA (der Wert <strong>auf</strong> Wochenbasis) <strong>und</strong> der<br />
21-Tage-EMA (der Wert <strong>auf</strong> Monatsbasis) sind dann wie ein<br />
„Abstimmungsergebnis” zu werten: Könnten sämtliche Marktteilnehmer der<br />
vergangenen Woche oder des vergangenen Monats abstimmen, stünde der
S e i t e | 94<br />
Preis an diesen Durchschnittslinien. Befin<strong>den</strong> wir uns oberhalb, ist der Markt<br />
überbewertet, befin<strong>den</strong> wir uns unterhalb, ist der Markt unterbewertet.<br />
DIE TRIPLE-SCREEN-METHODE<br />
Da Märkte in mehr als einer Zeitebene existieren, ist es sinnvoll, seine<br />
Analysen vom längeren zum kürzeren Zeitfenster durchzuführen. Während<br />
eines Monats wer<strong>den</strong> mehr Handelsentscheidungen getroffen als während<br />
einer <strong>10</strong>-Minuten-Periode, daher sollte man sich zunächst einen Überblick<br />
über <strong>den</strong> langfristigen Marktzustand verschaffen. Ähnlich einem Blick <strong>auf</strong> <strong>den</strong><br />
Kalender gilt es zu analysieren, ob wir uns ten<strong>den</strong>ziell in Richtung Sommer<br />
oder in Richtung Winter bewegen.<br />
Die Triple-Screen-Methode wurde von Dr. Alexander Elder vor über 30<br />
Jahren entwickelt <strong>und</strong> hat sich seitdem als robuster Analyseansatz erwiesen. 18<br />
HANDELSAUSRICHTUNG: TREND, BEWEGUNG ODER<br />
KORREKTUR?<br />
Wir hatten bereits die Bestandteile eines Trends herausgearbeitet: Bewegung<br />
ist der Impulsschub in Trendrichtung, Korrektur ist der gegen <strong>den</strong> Trend<br />
gerichtete Schub. Vor einem Trade die Entscheidung zu treffen, welchen<br />
Bestandteil des Trends man handeln möchte, ist essentiell für ein so wichtiges<br />
Thema wie die Stopsetzung <strong>und</strong> damit die Positionsgrößenbestimmung.<br />
Trends zu handeln, bringt statistisch gesehen die profitabelsten Ergebnisse.<br />
Jedoch ist eine trendfolgende Handelsstrategie meist mit psychologischen<br />
Schwierigkeiten verb<strong>und</strong>en.<br />
Erstens gilt es, die Korrekturen auszuhalten. Während eines Trades wird es<br />
also passieren, dass <strong>auf</strong>gel<strong>auf</strong>ene Buchgewinne wieder schrumpfen, ein<br />
Gewinn-Trade sogar noch einmal ins Minus läuft. Solange jedoch das aktuelle<br />
Korrekturtief höher ausfällt als das vorhergehende (in einem Long-Trade) <strong>und</strong><br />
jedes folgende Hoch höher ist als das vorhergehende, ist der Trend intakt <strong>und</strong><br />
an dem Trade kann festgehalten wer<strong>den</strong>. Die Stops wer<strong>den</strong> jeweils nach<br />
Abschluss der Korrektur (also bei Erreichen eines neues Bewegungsextrems)<br />
in Richtung der Trendbewegung verschoben. Eine wachsende Verlustaversion<br />
im Gewinnfall <strong>und</strong> der Dispositionseffekt sind hier jedoch psychologische<br />
Hür<strong>den</strong>.<br />
18 Für genauere Beschreibungen von Elders Analysetechniken seien<br />
empfohlen: Come Into My Trading Room, München, 2005 sowie Entries &<br />
Exits, München, 2008.
S e i t e | 95<br />
Der Tageschart der BASF-Aktie am 24. September 2012. Erkennbar ist die<br />
markttechnische Punktzählung im Abwärtstrend (rot) <strong>und</strong> Aufwärtstrend (grün).<br />
Sobald im Abwärtstrend in der Mitte des Charts das letzte Korrekturhoch (3)<br />
überschritten wird <strong>und</strong> anschließend das Tief (2) nicht mehr erreicht wird, muss die<br />
Zählung verändert wer<strong>den</strong>. Der ehemalige Punkt 2 des Abwärtstrends wird zum Punkt 1<br />
des jungen Aufwärtstrends.<br />
Da viele Trader dem Phänomen der zwischenzeitlich schrumpfen<strong>den</strong><br />
Buchgewinne nicht gewachsen sind, handeln sie lieber <strong>den</strong><br />
Beschleunigungsimpuls, also die Bewegung vom Korrekturtief bis zum<br />
nächsten Impuls-Hoch bzw. in Short-Trades <strong>den</strong> Impuls vom Korrekturhoch<br />
bis zum nächsten Impuls-Tief. Diese Trades sind zeitlich kürzer, bieten<br />
naturgemäß deswegen geringere Gewinnchancen, erhöhen die<br />
Handelsfrequenz <strong>und</strong> damit die Kostenbelastung für <strong>den</strong> Trader.
S e i t e | 96<br />
Die BASF-Aktie im Tageschart. Ein Trend-Trader würde seine Stops an <strong>den</strong><br />
Korrekturtiefs setzen <strong>und</strong> erst nachziehen, nachdem das letzte Bewegungshoch<br />
überschritten wird. Damit wäre der Trend-Trade seit Ende Juni immer noch intakt. Ein<br />
Swing-Trader würde statt dessen mehrere Trades (gekennzeichnet durch die roten<br />
Pfeile) platzieren, die jeweils nur wenige Tage dauern <strong>und</strong> beim Nachlassen des<br />
Bewegungsimpulses oder dem Unterschreiten des Vortagestiefs sofort geschlossen<br />
wer<strong>den</strong>.<br />
Sobald der Bewegungsimpuls vorbei ist, besteht natürlich auch die<br />
Möglichkeit des kurzfristigen Kontra-Trend-Trades. Hierbei ist aber zu<br />
beachten, dass das Risiko einer schnellen Wieder<strong>auf</strong>nahme des<br />
Ursprungstrends jederzeit besteht. Wer einen solchen Kontra-Trend-Trade<br />
eingeht, sollte die Position live überwachen <strong>und</strong> jederzeit bereit sein, sie zu<br />
schließen. Wichtig ist natürlich auch, dass das gehandelte Instrument<br />
ausgeprägte, handelbare Korrekturen vollzieht. Oft folgt jedoch in Trends gar<br />
keine ausgeprägte Korrektur, sondern Bewegungsimpulse mün<strong>den</strong> in<br />
Dreiecke, Rechtecke, <strong>auf</strong>- oder absteigende Keile, die keine signifikanten<br />
Handelsmöglichkeiten in die Gegenrichtung eröffnen. Essentiell ist bei<br />
Kontra-Trend-Trades auch die Arbeit mit vorab definierten Kurszielen.<br />
Hier spielen Erfahrung <strong>und</strong> Disziplin des Traders eine Schlüsselrolle.<br />
DER HANDEL MIT HILFE VON PIVOT-PUNKTEN<br />
Pivot-Punkte wer<strong>den</strong> als Punkte eines „ausgewogenen Kräfteverhältnisses“<br />
zwischen <strong>den</strong> einzelnen Marktteilnehmern interpretiert. Berücksichtigt<br />
wer<strong>den</strong> bei ihrer Berechnung das Tages-Hoch, das Tages-Tief <strong>und</strong> der<br />
Tagesschlusskurs. Diese drei wer<strong>den</strong> addiert <strong>und</strong> die Summe durch drei<br />
dividiert. Das Ergebnis ist der Pivot-Punkt.
S e i t e | 97<br />
Daraus errechnet der Technische Analyst zwei darüber liegende<br />
Widerstandsniveaus <strong>und</strong> zwei darunter liegende Unterstützungszonen. Für<br />
<strong>den</strong> Intraday-Trader sind diese Marken deswegen von Interesse, weil es hier<br />
oftmals Störungen in der Bewegungsdynamik gibt. So wer<strong>den</strong> bestätigte<br />
Pivot-Unterstützungen gern zum Einstieg in Long-Positionen genutzt bzw. ihr<br />
Bruch dient als Short-Trigger. An Pivot-Widerstän<strong>den</strong> können sowohl Short-<br />
Positionen eröffnet wer<strong>den</strong>, wenn diese nicht gebrochen wer<strong>den</strong> bzw. Long-<br />
Positionen eingegangen wer<strong>den</strong>, wenn die Widerstandslinien mit großer<br />
Dynamik durchbrochen wer<strong>den</strong>. Die Arbeit mit Pivot-Punkten bietet sich also<br />
für <strong>den</strong> Day-Trader an, der seine Positionen nur wenige Minuten oder<br />
St<strong>und</strong>en hält.<br />
Darüber hinaus wer<strong>den</strong> Pivot-Punkte auch <strong>auf</strong> Monats- oder Wochenbasis<br />
berechnet, um längerfristige Investments bzw. Trend-Trades zu beobachten.<br />
Die Methodik ist ähnlich der Intraday-Methodik, nur <strong>auf</strong> einer höheren<br />
Zeitebene.<br />
Unabdingbar ist aber eine saubere Analyse über die Relevanz der Pivot-<br />
Punkte im gehandelten Instrument, <strong>den</strong>n hierüber gibt es keine verlässlichen<br />
allgemeinen Angaben.<br />
Der <strong>10</strong>-Minuten-Chart des F<strong>DAX</strong> am 24. September 2012. Am Morgen wird kurz der<br />
Pivot-Punkt angehandelt, das Tagestief liegt im Bereich der ersten Pivot-Unterstützung<br />
S1. Es wird am Mittag erreicht <strong>und</strong> dient für <strong>den</strong> Rest des Tages als Unterstützung.<br />
SYNERGIEN NUTZEN – ANALYSEINSTRUMENTE<br />
SINNVOLL KOMBINIEREN<br />
Wer die Technische Analyse für sich entdeckt, steht vor dem Problem, die<br />
„richtige“ Kombination der möglichen Analyseinstrumente für sich zu fin<strong>den</strong>.
S e i t e | 98<br />
Zunächst einmal: Die eine, „richtige“ Kombination gibt es nicht. Vielmehr<br />
sollte der Auswahl der Analyseinstrumente eine f<strong>und</strong>ierte Handelsstrategie<br />
zugr<strong>und</strong>e liegen. Und noch einmal muss unterstrichen wer<strong>den</strong>: Technische<br />
Analyse ist nicht in der Lage, einzelne Kurse zu prognostizieren. Daher muss<br />
ein stringentes Risiko- <strong>und</strong> Moneymanagement unbedingt praktiziert wer<strong>den</strong>.<br />
Die Chartanalyse gleicht einem routinierten Arbeitsabl<strong>auf</strong> nach einem festen<br />
Schema. Der Analyst muss anhand seiner Strategie vorher bestimmen,<br />
wonach er eigentlich sucht.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich lässt sich jedoch Folgendes feststellen:<br />
Die Betrachtung eines zu handeln<strong>den</strong> Instrumentes in mehreren Zeitebenen<br />
hat sich bewährt. Zwei bis drei logisch <strong>auf</strong>einander <strong>auf</strong>bauende Zeitebenen<br />
sollten untersucht wer<strong>den</strong>. Die Analyse sollte immer vom lang- zum<br />
kurzfristigen Zeitfenster erfolgen, wobei das letzte, kleinste Zeitfenster jenes<br />
ist, in dem die Handelsentscheidungen getroffen wer<strong>den</strong>. Solche<br />
Kombinationen können sein:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Monats-, Wochen-, Tageschart für <strong>den</strong> Positionstrader<br />
Wochen-, Tages- <strong>und</strong> St<strong>und</strong>enchart für <strong>den</strong> Positionstrader<br />
Tages-, St<strong>und</strong>en- <strong>und</strong> 15-, <strong>10</strong>- oder 5-Minutenchart für <strong>den</strong><br />
Daytrader<br />
St<strong>und</strong>en-, 15-Minuten- <strong>und</strong> 3-Minuten-Chart für <strong>den</strong> Daytrader<br />
St<strong>und</strong>en-, 5-Minuten- <strong>und</strong> 1-Minuten-Chart für <strong>den</strong> Daytrader<br />
Eine Faustregel empfiehlt die Verschachtelung der Zeitfenster etwa im<br />
Verhältnis 1 : 5.<br />
Die übergeordneten Zeitebenen wer<strong>den</strong> für die Bestimmung des<br />
übergeordneten Trends genutzt. In diesem Zeitfenster bieten sich auch<br />
trendfolgende Indikatoren an, um die Trendrichtung zu verdeutlichen. In<br />
Kombination mit einem Oszillator wer<strong>den</strong> Divergenzen frühzeitig deutlich.<br />
Im Handels-Chart kann dann in Richtung des übergeordneten Trends nach<br />
konkreten Handelssignalen gesucht wer<strong>den</strong>. Dies können Rücksetzer (Kontra-<br />
Trend-Bewegungen) im bestehen<strong>den</strong> Trend sein, wenn in Trendrichtung<br />
eingestiegen wer<strong>den</strong> soll. Genauso ist es aber möglich, nach Divergenzen<br />
beginnende Gegenbewegungen zum Einstieg zu nutzen.<br />
Wer mit Indikatoren arbeitet, sollte sich <strong>auf</strong> maximal fünf Indikatoren<br />
beschränken. Indikatoren funktionieren wie Ampeln an einer<br />
Verkehrskreuzung. Sie geben alle die gleichen Signale – mehr Ampeln liefern<br />
das gleiche Signal eben nur öfter. Außerdem sollten die Indikatoren zu<br />
unterschiedlichen Arten gehören – also trendfolgende Indikatoren <strong>und</strong><br />
Oszillatoren sinnvoll miteinander kombiniert wer<strong>den</strong>. MACD <strong>und</strong> Stochastik<br />
oder RSI beispielsweise wer<strong>den</strong> häufig kombiniert.<br />
Gelegentlich sollte der Trader seine Charts „<strong>auf</strong>räumen“. Mit der Zeit<br />
kommen unmerklich immer neue Indikatoren hinzu – schon wird der Chart<br />
unübersichtlich <strong>und</strong> das eigentlich Wichtige – der Preis – ist kaum noch<br />
sichtbar <strong>und</strong> versinkt in einer Fülle von Informationen.
S e i t e | 99<br />
Eine gute Idee ist es, <strong>auf</strong> übereinstimmende Indikatorsignale in<br />
unterschiedlichen Zeitfenstern zu warten – diese haben eine höhere<br />
Trefferwahrscheinlichkeit, weil Trader unterschiedlicher Zeitfenster zur<br />
gleichen Zeit in die gleiche Richtung handeln wer<strong>den</strong>.<br />
KEIN GEHEIMNIS: MEINE INDIKATOREN<br />
In meinen Webinaren <strong>und</strong> Seminaren werde ich immer wieder nach <strong>den</strong><br />
konkreten Einstellungen meiner Indikatoren gefragt. Wenn ich diese nur<br />
widerwillig der Allgemeinheit zugänglich mache, hat das nichts mit<br />
Geheimniskrämerei zu tun, wie manch einer vermuten würde. Ich nutze<br />
Standardinstrumente zum Handeln, wie sie in jeder drittklassigen<br />
Chartsoftware vorhan<strong>den</strong> sind.<br />
Vielmehr habe ich diese Indikatoreinstellungen an mein Nervenkostüm<br />
angepasst. Ich weiß, dass ich beispielsweise nicht in der Lage bin, langfristige<br />
Trends zu handeln, für mich ist jeder Trend-Trade im Tages- <strong>und</strong> selbst im<br />
St<strong>und</strong>enchart ein Akt unerträglichen Lei<strong>den</strong>s. Da ich mit dieser Eigenart<br />
meiner Persönlichkeit leben muss, habe ich kürzere Zeitfenster mit <strong>den</strong><br />
entsprechen<strong>den</strong> Charts <strong>und</strong> Indikatoren. Den Preis für <strong>den</strong> Handel in<br />
kürzeren Zeitfenstern kenne ich ebenfalls: Ich erziele kleinere<br />
durchschnittliche Gewinne, habe eine höhere Gebührenbelastung, eine<br />
höhere Entscheidungsgeschwindigkeit <strong>und</strong> Handelsfrequenz. Angehende<br />
Trader sehen jedoch nicht diese Seite, sondern etwas ganz anderes: Ich kann<br />
schneller Gewinne erzielen <strong>und</strong> <strong>auf</strong> Richtungswechsel im Markt reagieren,<br />
kann je<strong>den</strong> "Zacken" im Chart handeln. Sie scheitern dann <strong>auf</strong> Gr<strong>und</strong><br />
fehlender Erfahrung <strong>und</strong> wollen mir die Verantwortung dafür zuweisen.<br />
Und noch ein Gr<strong>und</strong>: Ich bin ein absoluter Laie in Sachen Backtesting. Keine<br />
einzige Indikatoreinstellung habe ich per Computer getestet <strong>und</strong> optimiert.<br />
Ich bin dazu zu faul <strong>und</strong> verfüge nicht über die Fähigkeiten. Ich behaupte:<br />
Was in der Vergangenheit funktioniert hat, muss in der Zukunft noch lange<br />
nicht funktionieren, also ist für mich Backtesting verschenkte Zeit. Eine<br />
Einstellung, die viele Systemtrader selbstverständlich für falsch halten, womit<br />
sie Recht haben.<br />
Wenn ich hier also in geballter Form all meine Indikatoreinstellungen<br />
komplett <strong>auf</strong>liste, geschieht das nicht, um sie als Empfehlung weiterzugeben<br />
oder ein sorgsam gehütetes Geheimnis zu lüften. Es ist lediglich eine<br />
Information. Jede Verantwortung für die Funktionstüchtigkeit lehne ich strikt<br />
ab <strong>und</strong> behalte mir Aktualisierungen ausdrücklich vor. Der Trend geht dabei<br />
hin zu weniger <strong>und</strong> einfacheren Indikatoren.<br />
Der Wochenchart<br />
- Der EMA 13 repräsentiert <strong>den</strong> fairen Wert <strong>auf</strong> Quartalsbasis.<br />
- Der Keltner-Kanal mit 26 Perio<strong>den</strong> Gleitendem Durchschnitt, 26<br />
Perio<strong>den</strong> ATR <strong>und</strong> 3 ATR Kanalbreite. Zwischen der Kanalmitte <strong>und</strong><br />
dem 13-Wochen-EMA liegt die „Sweet Zone“ oder „Value Zone“, eine<br />
Zone, in der das Handelsinstrument fair bewertet ist.<br />
- MACD in <strong>den</strong> Standardeinstellungen 12 - 26 - 9. Weist frühzeitig <strong>auf</strong><br />
Divergenzen hin.
S e i t e | <strong>10</strong>0<br />
- Force <strong>Index</strong> mit 13 Perio<strong>den</strong>. Dient zur Unterstützung der<br />
Trendbestimmung <strong>und</strong> der Messung der Impulsstärke, bildet vor<br />
Trendwen<strong>den</strong> Divergenzen.<br />
Der Tageschart<br />
- EMA 5 repräsentiert <strong>den</strong> fairen Wert <strong>auf</strong> Wochenbasis.<br />
- Keltner-Kanal mit 21 Perio<strong>den</strong> Gleitendem Durchschnitt, 21 Perio<strong>den</strong><br />
ATR <strong>und</strong> 4 ATR Kanalbreite. Alternativ verwende ich gelegentlich<br />
auch zwei Kanäle von 3 <strong>und</strong> 5 ATR Kanalbreite.<br />
- MACD in <strong>den</strong> Standardeinstellungen 12 - 26 - 9. Weist frühzeitig <strong>auf</strong><br />
Divergenzen hin.<br />
- Slow Stochastik in <strong>den</strong> Einstellungen 14 (%K-Linie), 3 (%D-Linie), 3<br />
(Glättungsperiode) <strong>und</strong> <strong>den</strong> Extrembereichen 20% <strong>und</strong> 80%.<br />
Visualisiert Extremzustände, liefert mögliche Einstiegssignale.<br />
- Volumen<br />
- Force-<strong>Index</strong> mit 2 Perio<strong>den</strong> – dient insbesondere an Bö<strong>den</strong> dem<br />
besseren Einstiegs-Timing.<br />
Der St<strong>und</strong>enchart<br />
Hier wer<strong>den</strong> die Exponentiellen Gleiten<strong>den</strong> Durchschnitte <strong>und</strong> die<br />
Perio<strong>den</strong>einstellungen der Keltner-Kanäle an <strong>den</strong> handelbaren Markt<br />
angepasst. Die Perio<strong>den</strong>längen richten sich nach der Anzahl der<br />
Handelsst<strong>und</strong>en pro Tag (höhere Zeitebene) <strong>und</strong> pro Woche (noch eine<br />
Zeitebene höher). St<strong>und</strong>encharts kommen beim Einstieg in Positionstrades<br />
zur Anwendung. Im Daytrading dienen sie als strategisches Zeitfenster zur<br />
Definition der übergeordneten Trendrichtung.<br />
- Aktienhandel Deutschland, Österreich, Amerika:<br />
o EMA 9 repräsentiert <strong>den</strong> fairen Wert <strong>auf</strong> Tagesbasis<br />
o Keltner-Kanal mit 45 Perio<strong>den</strong> Gleitendem Durchschnitt, 45<br />
Perio<strong>den</strong> ATR <strong>und</strong> 3 bzw. 5 ATR Kanalbreite.<br />
o MACD s.o.<br />
o Slow Stochastik s.o.<br />
- Forex-, Gold- <strong>und</strong> anderer 24-St<strong>und</strong>en-Handel (S&P)<br />
o EMA 24 repräsentiert <strong>den</strong> fairen Wert <strong>auf</strong> Tagesbasis<br />
o Keltner-Kanal mit 120 Perio<strong>den</strong> Gleitendem Durchschnitt,<br />
120 Perio<strong>den</strong> ATR <strong>und</strong> 3 bzw. 5 ATR Kanalbreite.<br />
o MACD s.o.<br />
o Slow Stochastik s.o.<br />
- <strong>Index</strong>- Futures, -CFDs <strong>und</strong> anderer 14-St<strong>und</strong>en-Handel<br />
o EMA 14 repräsentiert <strong>den</strong> fairen Wert <strong>auf</strong> Tagesbasis<br />
o Keltner-Kanal mit 70 Perio<strong>den</strong> Gleitendem Durchschnitt, 70<br />
Perio<strong>den</strong> ATR <strong>und</strong> 3 bzw. 5 ATR Kanalbreite.<br />
o MACD s.o.<br />
o Slow Stochastik s.o.<br />
Der <strong>10</strong>-Minuten-Chart
S e i t e | <strong>10</strong>1<br />
Hier treffe ich keine Unterscheidungen mehr zwischen <strong>den</strong> einzelnen<br />
Handelsinstrumenten, dieser Chart wird nur im kurzfristigen Daytrading<br />
genutzt. Währungen wer<strong>den</strong> <strong>auf</strong> Gr<strong>und</strong> der ausgeprägten Trends nicht in<br />
diesem kurzfristigen Zeitfenster gehandelt, Rohstoffe <strong>und</strong> Aktien wegen<br />
fehlender Liquidität ebenfalls nicht.<br />
- EMA 18 repräsentiert <strong>den</strong> fairen Preis der vergangenen drei St<strong>und</strong>en<br />
- Keltner-Kanal mit 84 Perio<strong>den</strong> Gleitendem Durchschnitt, 84<br />
Perio<strong>den</strong> ATR <strong>und</strong> 3 bzw. 5 ATR Kanalbreite.<br />
- MACD s.o.<br />
- Slow Stochastik s.o.<br />
Der 1-Minuten-Chart<br />
Ich übe im 1-Minuten-Chart im Intraday-Bereich das Trend-Trading. Was im<br />
St<strong>und</strong>en- <strong>und</strong> <strong>10</strong>-Minuten-Chart wie der Handel einer Bewegung aussieht,<br />
wird in einer höheren Zeit<strong>auf</strong>lösung zum Trend-Handel. Daher versuche ich<br />
hier, die Trends inklusive der Korrekturen auszuhalten <strong>und</strong> meine Psyche zu<br />
trainieren. Indikatoren sind hier nur sehr bedingt aussagekräftig, daher hat<br />
die Preisbewegung hier eine noch höhere Priorität als in allen anderen<br />
Zeitfenstern.<br />
- EMA 60 repräsentiert <strong>den</strong> fairen St<strong>und</strong>enpreis <strong>und</strong> die Trendrichtung<br />
- Slow Stochastik 15 - 3 - 3. Dient als Signalgeber <strong>und</strong> für<br />
Divergenzerkennung.<br />
- MACD (12 - 26 - 9) zum Aufspüren von Divergenzen, insbesondere in<br />
<strong>den</strong> Linien.<br />
Der <strong>10</strong>0-Tick-Chart<br />
Der <strong>10</strong>0-Tick-Chart hat sich im Futures-Handel intraday bewährt. Die<br />
Besonderheit dieses zeitunabhängigen Charts: Nach jeweils <strong>10</strong>0 Geschäften<br />
(Ticks, Trades) wird eine neue Kerze begonnen. Damit wer<strong>den</strong> in schnellen<br />
Märkten innerhalb kurzer Zeit viele Kerzen generiert, die aber alle für sich<br />
genommen zwischen Hoch <strong>und</strong> Tief eine geringe Spanne <strong>auf</strong>weisen. In<br />
ruhigen Märkten (etwa mittags) wer<strong>den</strong> hingegen nur dann Kerzen neu<br />
begonnen, wenn <strong>10</strong>0 Geschäfte stattgef<strong>und</strong>en haben. In schnellen Märkten<br />
können also innerhalb einer Minute 30 oder <strong>10</strong>0 Kerzen entstehen, in<br />
langsamen Märkten kann innerhalb von zehn Minuten eine Kerze entstehen.<br />
Die zeitunabhängige Darstellung hilft also, das Marktrauschen aus <strong>den</strong> Charts<br />
zu entfernen.<br />
- EMA 50 repräsentiert <strong>den</strong> fairen Wert der vergangenen 50 Kerzen<br />
- MACD (12 – 26 - 9) zum Aufspüren von Divergenzen.<br />
- Slow Stochastic (15, 3, 3) für das Erkennen<br />
überk<strong>auf</strong>ter/überverk<strong>auf</strong>ter Szenarien<br />
- Volumen (Erkennung von Distribution oder Akkumulation)<br />
- Donchian-Kanal mit 50 Perio<strong>den</strong>, visualisiert das höchste gehandelte<br />
Hoch bzw. das tiefste gehandelte Tief der letzten 50 Kerzen bzw.<br />
5.000 Trades. Ausbrüche wer<strong>den</strong> sofort sichtbar. In der Mitte des<br />
Kanals verläuft der Median, der häufig mit dem 50%-Fibonacci-<br />
Retracement i<strong>den</strong>tisch ist <strong>und</strong> bei Ausbrüchen eine gute<br />
Einstiegszone im Rücksetzer darstellt.
S e i t e | <strong>10</strong>2<br />
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