Fastenzeit 2009 - der Stadtpfarre St. Ruprecht / Völkermarkt
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3<br />
Verhältnisse allzu oft außer Fassung geraten<br />
lassen!<br />
Der nie<strong>der</strong>ländische Meister Pieter Brueghel<br />
hat im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t ein Bild mit dem<br />
Titel gemalt: »<strong>St</strong>reit zwischen Karneval und<br />
Fasten«. Zwei Parteien sind da zu sehen:<br />
<strong>der</strong> fettleibige Fasching sitzt auf einem<br />
Weinfass, mit Spieß und Spanferkel als<br />
Waffe. Seine Kumpanen haben dicke Bäuche,<br />
tragen Speisen und Musikinstrumente.<br />
- Ihnen reitet das dünne Fasten entgegen,<br />
ein ausgemergeltes Weib mit Büßergewand.<br />
Sie sitzt auf einem Kirchenstuhl und<br />
wird auf einem Prozessionswägelchen gezogen.<br />
Zu ihrer Begleitung gehören ein<br />
Mönch, eine züchtig gekleidete Magd, eine<br />
Schar Kin<strong>der</strong> …<br />
Zwei Szenen werden hier in einem Bild dargestellt:<br />
Die Energie und die Handlungen<br />
<strong>der</strong> Karnevalsseite und das Tun <strong>der</strong><br />
Fastenpartei. Zu ihr gehören ein Priester,<br />
die Beichte und als Speise das Buchsgrün.<br />
Die beiden Parteien, die in einem Bild dargestellt<br />
werden, meinen zwei verschiedene<br />
Lebenseinstellungen. Beide passen in unsere<br />
Zeit. An sich gehören sie auseinan<strong>der</strong>:<br />
die Zeit <strong>der</strong> Ausgelassenheit und die Zeit<br />
<strong>der</strong> Besinnung. Dennoch fließen sie im Bild<br />
ineinan<strong>der</strong> über. Mit an<strong>der</strong>en Worten: Am<br />
Aschermittwoch ist nicht alles vorbei! Es<br />
wird auch in <strong>der</strong> <strong>Fastenzeit</strong> weiter getanzt<br />
und munter gefeiert.<br />
In unserer Wellness- und Wohlstandsgesellschaft<br />
gibt es während des ganzen Jahres<br />
genügend »Angebote« zu Spaß und<br />
Ausgelassenheit. Sie för<strong>der</strong>n die Selbstvergessenheit<br />
und das Verdrängen <strong>der</strong><br />
Schwierigkeiten des Lebens. Das »Brot«<br />
bleibt bei vielen <strong>der</strong> Schwerpunkt ihrer<br />
Existenz. Das Wort Gottes hingegen, die<br />
Kultur, die Moral, das Fasten ... tun sich<br />
schwer, ihren angemessenen Platz im Leben<br />
zu finden. Zu schwergewichtig sind<br />
menschliche Trägheit, Gedankenlosigkeit<br />
und Oberflächlichkeit. - Wenn Jesus sagt:<br />
»Nicht vom Brot allein lebt <strong>der</strong> Mensch«,<br />
dann ist damit die Auffor<strong>der</strong>ung verbunden,<br />
sich nicht allein auf »Brot und Spiele« zu<br />
verlassen, son<strong>der</strong>n die Balance zu finden<br />
zu jenem aufrechten Gang, <strong>der</strong> dem Leben<br />
Sinn und Tiefe gibt.<br />
Ihr Pfarrer<br />
<strong>St</strong>opp.<br />
Telefonhörer auflegen, <strong>St</strong>ift absetzen, Radio<br />
ausschalten. Was fehlt?<br />
Drei <strong>St</strong>unden Zeit für ein Lieblingsbuch? Ein<br />
Tag auf dem Rad und ein freier Kopf? Der beste<br />
Freund, eine durch quatschte Nacht? Ein<br />
stiller Ort, <strong>der</strong> das Herz berührt? Ein Gedicht,<br />
eine Liebeserklärung, ein Tulpenstrauß, ein<br />
Gebet?<br />
Halt an, wo läufst du hin,<br />
<strong>der</strong> Himmel ist in dir.<br />
Suchst du Gott an<strong>der</strong>swo,<br />
du fehlst ihn für und für.<br />
Von Aschermittwoch bis Ostern ist <strong>Fastenzeit</strong>.<br />
Zeit, an<strong>der</strong>s zu leben: Etwas freier, ein bisschen<br />
leichter. Wenigstens einmal im Jahr anhalten.<br />
Keine Ausreden gelten lassen, son<strong>der</strong>n<br />
das tun, was ich mir schon lange vorgenommen<br />
hatte: Sieben Wochen dem nachgehen,<br />
was mir wirklich wichtig ist. Auf das verzichten,<br />
was träge und besinnungslos macht. Nicht<br />
gleich das ganze Leben än<strong>der</strong>n und es sowieso<br />
nicht schaffen, son<strong>der</strong>n anfangen: Manchmal<br />
die Welt verlassen, manchmal darin eintauchen,<br />
um sie zu finden. Den eigenen Sehnsüchten<br />
nachgehen, auch wenn es schmerzt.<br />
Die Perspektive wechseln, über den Tellerrand<br />
schauen und sehen, was satt macht jenseits<br />
von Schokoküssen, Vorabendserien o<strong>der</strong> Rotweinabenden.<br />
Scheitern und wie<strong>der</strong> neu beginnen.<br />
<strong>Fastenzeit</strong> bedeutet auch: Sieben Wochen auf<br />
Ostern zugehen. Schritt für Schritt den Spuren<br />
Jesu folgend, mal zögernd, zweifelnd, wütend,<br />
lustlos, mal hoffend, sehnsüchtig, übermütig,<br />
erfüllt. Sich berühren lassen von den alten Geschichten,<br />
neu hinhören auf Wohlbekanntes.<br />
Leiden fühlen, Verrat verstehen, den Tod<br />
betrauern, die Auferstehung feiern, nüchtern,<br />
klar und konzentriert.<br />
Mit leeren Händen in <strong>der</strong> Osternacht stehen<br />
und darauf vertrauen, dass Gott sie füllt.<br />
Susanne Niemeyer