Brent Sqar „Reismus Reader“ Der Kunstmarkt als Meese-o-mat

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gibt es nur tagsüber zu sehen und das auch nur in Sonderzonen, es ist nicht Teil der Welt und des Lebens. Das Kunstwerk wird schweigend zur Kenntnis genommen, denn es ist sehr krank und darf nicht gestört werden. Das Kunstwerk ist eitel, es darf nicht reproduziert werden – der Abguss eines Michelangelo hat einen befleckenden Fehler: Die Aura geht flöten, denn es kann nur einen Fetisch geben. Die Befürchtung ist, dass das die Wahrheit über Meese ist: Er hat diesen Prozess der modernen Kunstgenese praktizierend durchschaut und kann sich dementsprechend alles erlauben. Die Befürchtung ist, dass er also nicht hinter einer Maske operiert und die Kunstszene sardonisch vorführt. Die Befürchtung ist, dass er kein Fallensteller ist. Die Befürchtung ist weiterhin, dass vom schwarzen Quadrat, vom Staubsauger, von der Möhre im Sand, von jeder ehrenwerten Prügelei mit dem Establishment nur noch ein Bruchteil der Inbrunst in der Kunstwelt zirkuliert. Zum Problem Heideggerz. Sexgold. Hagen von Tronje. Napoleon. Eisernes Kreuz. Das Problem ist name-dropping. Das Problem sind radikale Worte. Das Problem ist das Getöse einer Revolution ohne Revolutionäre. Das Problem ist die fehlende emanzipatorische Komponente. Das Problem ist die grottige Schwärze. Nein: Das Problem ist etwas anderes. Die Befürchtung ist, dass Meeses Kunst wie alle Kunst, die marktkompatibel ist, ein Automatismus ist. Man schiebe Wagner rein, schiebe ein Bischofsgrab in Stade rein, schiebe die Nibelungendichtung rein, schiebe rein, raus, rein raus: Raus kommt immer das selbe. Eine Kunstform, die wie ein Automat ist, eine Labermaschine, ein gruppendynamisches Phänomen. Eine Kunstform,
der die Dinge selbst nur Versuchskaninchen sind. Ob Jonathan Meese oder wer auch immer: Der Protagonist ist austauschbar, es geht nur um die Masche und ihr Auditorium. Der Kopfstand als Masche und die Masche als Kopfstand der Kunst. Der Markt braucht die Masche als notwendiges Markenzeichen: Der Markt schreit danach. Des weiteren ist da die Beobachtung, dass der Mummenschanz der großen Worte und Maschen nur zündet, wenn die Bedeutungen – das 'Referierte' der guten alten Postmoderne – ganz einfach nicht geklärt sind und wenn Kultur, Kunst und Wissen als sakrosankt behandelt werden. Das Gegenteil davon ist: Zu jeder Referenz, jedem Verweis auch das, worauf rekurriert wird, mitzuliefern. Also: Die Feigenblätter wegzureißen und einzustampfen, eben die Schleier, die bemänteln sollen, dass etwas nur Zuschreibung ist. Das heißt weiterhin: Bedeutungsschwangere, delirierende Ebenen nicht zu bedienen, sondern auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben. Die Befürchtung ist auch, hier auf einen Mechanismus gestoßen zu sein, der Kunst am Fließband macht: Auf das VEB Kunst. Die Befürchtung ist, dass die Marktmechanismen – und für Begeisterung, Kunstgenuss und Ästhetik gibt es Märkte – zwingend Meese-o-maten hervorbringen. Meese-o-maten als klare Formate, als Blue Chips, als monopolisierte Blockbuster, als hochgezüchtete Millionengräber, als gebundene Währung Aufmerksamkeit – also kurz: Als klassisches Marktversagen. Erst wenn ein Markt seine Heroen und Epigonen hat, kommt er zur Ruhe. Jedes Rudel braucht klare Ordnung. Die Befürchtung ist weiterhin, dass Königsmacher auf dem Kunstmarkt unterwegs sind. Es geht nicht um Meese Es geht um symbolische Sphären.
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