Leseprobe zu Band 5 - Thydery
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<strong>Leseprobe</strong> <strong>Thydery</strong> <strong>Band</strong> 5<br />
„Die Legende der Sonnenschiffe“ von Stefanie Rafflenbeul<br />
Alptraum in Rot<br />
07 Januar 523 NTZ<br />
Eine säuselnde Elfenstimme riss sie aus dem Schlaf. Maren setzte sich auf<br />
und machte zaghaft einen Schritt in den Raum. Ihre nackten Füße<br />
tauchten in Nässe. Rote Nässe. Direkt an ihrem Ohr säuselte die<br />
melodisch klingende Stimme, körperlos.<br />
„Bist du bereit?“<br />
Ein zarter Lufthauch fuhr über Marens dünne Schlafkleidung. Die weiße<br />
Seide lag kühl auf ihrem Körper. Instinktiv spürte Maren, dass sie jenseits<br />
der Realität war. Das Wissen schützte sie wie eine strahlensichere Weste.<br />
Sie befand sich in Trance, war irgendwo, nur nicht in ihrem Körper.<br />
Obwohl sie ihre Glieder fühlte, war sie nicht vorhanden; eine Erfindung im<br />
Raum. Die säuselnde Stimme sprach nun an ihrem anderen Ohr.<br />
„DU willst meine Schiffe? DU? Bist DU das wert?“<br />
Es war noch immer ihr Schlafraum, aber er war kaum noch <strong>zu</strong> erkennen.<br />
Erstaunt sah Maren sich um.<br />
Rot. Eimerweise rote Farbe, frivol an den Wänden und auf dem Boden<br />
verteilt. Sie stand darin, stand bis <strong>zu</strong> den Knöcheln darin. Verwundert<br />
bückte sie sich, senkte die Finger in das rote Nass. Marens Hand tauchte<br />
hinein. Es tropfte mit einem leisen Plitschen hinab in den roten See, als sie<br />
den Handrücken hob. Noch ehe ihre Lippen die Flüssigkeit berührten,<br />
wusste sie, was es war, aber sie konnte die Bewegung nicht stoppen. Ihre<br />
Zunge leckte über das metallisch schmeckende Blut, das viel <strong>zu</strong> skurril um<br />
sie verteilt war, um noch Ekel in ihr Auslösen <strong>zu</strong> können. Die ganze Szene<br />
war surreal, die vielen Liter Blut nicht mehr fassbar für Marens überreiztes<br />
Gehirn.<br />
Wieder hörte sie die säuselnde Elfenstimme. „MEINE Schiffe. MEIN Blut.<br />
Das Blut MEINES Volkes. DU weißt, wer ihr seid. Wer die Menschen sind.<br />
Homo superior. Willst DU sie wirklich? Die Schlachtmesser der<br />
Menschheit? Bist DU es wert? Henkerin DEINES Volkes?“<br />
Maren drehte sich mit großen Augen im Kreis, schlingerte auf dem<br />
feuchten Boden.<br />
Wer bist du? Was willst du von mir?<br />
„Bist DU es wert?“ Die säuselnde Stimme verhöhnte sie.<br />
Plötzlich hielt Maren eine Waffe in der Hand, wie damals als Kind, als sie<br />
die Soldatin getötet hatte. Es war dasselbe Modell. Eine altertümliche<br />
Projektilwaffe.
Aus der roten Flüssigkeit stieg flimmernder schwarzer Nebel auf. Ein<br />
unheimliches Wesen erschien vor Maren. Es nahm Konturen an,<br />
verdichtete sich vor ihr <strong>zu</strong> einem haarigen Geschöpf mit spitzen Ohren. Es<br />
erinnerte sie entfernt an einen Menschen, da es aufrecht stand, doch das<br />
Gesicht und die Gliedmaßen waren nicht terrestrisch. Ähnlich einer Katze<br />
ragte Maren eine kleine rote Nase entgegen, über der schwarze<br />
Schnurrbarthaare saßen. Unter den geöffneten Lefzen zeigten sich spitze<br />
Reißzähne. Ein Geruch nach Alter und Verwesung schlug Maren entgegen.<br />
Sie ist Bastet, die Katzengöttin der alten Ägypter. Maren hatte Holobilder<br />
in den Speichern gesehen. Bilder von ägyptischen Aufzeichnungen, die<br />
dem Wesen vor ihr ähnelten. Die Katzengöttin verzog das Gesicht <strong>zu</strong><br />
einem Grinsen. „Wenn DU MEINE Schiffe willst, dann drück ab. Tu es.<br />
Mehr ist es nicht.“ Die krallenbewehrten Pranken der Katzengöttin fuhren<br />
vor.<br />
Nein! Mit einem Aufschrei ließ Maren die Waffe fallen.<br />
Maren öffnete hektisch die Augen. Sie war wach. Und es war wieder<br />
geschehen. Wieder hatte sie jener sonderbare Traum heimgesucht, an den<br />
sie sich nicht erinnern konnte. Sie sprang von ihrer Schlafliege auf und rief<br />
die Aufzeichnungen ihres DataVis ab. Zusätzlich hatte sie einen externen<br />
Speicher in den Daten<strong>zu</strong>gang über ihrem linken Handgelenk eingeführt.<br />
Dort waren ihre Schlafphasen verzeichnet. Dort müsste ihr Traum<br />
gespeichert worden sein. Sie berührte die Oberfläche des Datenwürfels.<br />
Sie hatte es nicht mehr ausgehalten, konnte die Unwissenheit nicht länger<br />
ertragen. Jede Nacht träumte sie – aber man konnte nichts sehen in den<br />
Aufzeichnungen ihres DataVis. Ihre Träume schienen sich nicht in ihrem<br />
Gehirn ab<strong>zu</strong>spielen. Das war vollkommen unmöglich.<br />
Maren rief die letzten zwanzig Minuten des Datenwürfels ab. Sie sah<br />
gähnende Leere. Wie konnte das sein? Sie hatte geträumt! Zumindest das<br />
wusste sie mit Sicherheit. Nur an den Inhalt ihrer Träume konnte sie sich<br />
nicht entsinnen. Es war, als hätte eine Hand in ihr Gehirn gegriffen und<br />
den Traum herausgezerrt. Wütend ballte sie ihre Hände <strong>zu</strong> Fäusten. Wie<br />
konnte das sein? Am liebsten hätte sie geschrieen. Kein Laut kam über<br />
ihre Lippen.<br />
-Du hast auch nichts gespürt, oder?, wollte sie kleinlaut von<br />
Guenevere wissen, dem Krylawweibchen, das gemeinsam mit ihr, Kirk<br />
Ginger und Diane Schindel eine Einheit bildete. Durch das Affinitätsgen fiel<br />
es ihr wesentlich leichter mit Guenevere <strong>zu</strong> sprechen; der telepathische<br />
Kontakt bereitete ihr ohne den Krylaw Mühe.<br />
-Du hast geschlafen, antwortete der Krylaw abgespannt. Guenevere<br />
schien der dauernde Stress<strong>zu</strong>stand von Maren mehr <strong>zu</strong><strong>zu</strong>setzen als ihren<br />
menschlichen Begleitern.<br />
Maren wünschte sich einen Sandsack, auf den sie einprügeln konnte. Kirk<br />
Ginger drängte darauf, sie <strong>zu</strong> ersetzen und die gerade aufkommende<br />
Freundschaft <strong>zu</strong> Diane wurde auf eine harte Probe gestellt.
-Soll ich Diane rufen?, fragte Guenevere vorsichtig. Marens<br />
telepathische Kräfte waren verkümmert, da sie seit ihrer Kindheit<br />
versuchte, sich gegen andere ab<strong>zu</strong>schotten. Seit ich die Reichssoldatin<br />
erschossen habe. Maren versuchte, nicht an jenen schrecklichen Tag <strong>zu</strong><br />
denken. Sie blickte auf ihre Hände. Ihre Finger zitterten.<br />
-Ich habe geträumt. Ich bin mir ganz sicher. Sie schloss ihre Augen.<br />
-Ich glaube dir, flüsterte die gedankliche Stimme von Guenevere. -Ich<br />
wecke Diane.<br />
Maren glitt vom Bett und berührte den blauschimmernden Boden des<br />
lebenden Raumschiffs.<br />
-Nein. Lass sie schlafen. Du bist die Einzige, der ich vertrauen<br />
kann. Ich will nicht von hier fort.<br />
<strong>Thydery</strong> <strong>Band</strong> 5 „Die Legende der Sonnenschiffe“ von Stefanie<br />
Rafflenbeul erscheint am 1. Juni 2007.