Doppelpunkt 6/08 (160 kB, PDF) - Stadt St.Gallen
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doppelpunkt 6/<strong>08</strong> : Schulamt der <strong><strong>St</strong>adt</strong> <strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong><br />
>><br />
mann, schon wegen der Belastung:<br />
«Das funktioniert nur, wenn der<br />
Schüler will.»<br />
«Manchmal bin ich schon sehr<br />
müde am Abend», gesteht Nico.<br />
«Aber dann freue ich mich wieder<br />
auf den nächsten Tag und mache<br />
weiter.» Seine Familie und er bringen<br />
ein besonders grosses Opfer für den<br />
Fussball: Sie wohnen in Buchs und<br />
damit zu weit weg zum Pendeln.<br />
Unter der Woche lebt Nico bei einer<br />
Gastfamilie in Herisau, die ihm der<br />
Verein organisiert hat. Manchmal<br />
habe er etwas Heimweh, aber in der<br />
Gastfamilie fühle er sich wohl: «Sie<br />
haben ziemlich viele Kinder und alle<br />
spielen Fussball», sagt er. Für ihn<br />
ist die Talentschule eine sehr gute<br />
Sache: Bereits merkt er, dass er<br />
schneller wird auf dem Platz.<br />
Dass sich der Sport sogar positiv<br />
auf die Schule auswirken kann, hat<br />
Manuele Puppin erlebt: Die Noten<br />
seiner Tochter Fabienne seien trotz<br />
des Trainings eher besser als zuvor.<br />
Zwei Jahre lang war sie im Jugend-<br />
Nationalteam der Schwimmerinnen<br />
«Das Talent wird über-, das Üben unterschätzt.»<br />
Helmut Hefti, Leiter Musikschule<br />
und hat an internationalen Nachwuchsmeisterschaften<br />
teilgenommen.<br />
Die <strong>St</strong>.Gallerin besucht die<br />
Sportschule Appenzellerland – in der<br />
<strong><strong>St</strong>adt</strong> fehlten Team und Trainer, und<br />
so geht sie in Herisau sowohl in die<br />
Sek als auch ins Training. Auch dort<br />
wird ein integratives Modell gepflegt,<br />
allerdings mit einem «Tandem»:<br />
Eine Klassenkameradin sammelt<br />
die Arbeiten für die fünf oder sechs<br />
Lektionen, die sie verpasst. Ein Ko-<br />
ordinator bekommt alle Noten der<br />
Sportschülerinnen und -schüler und<br />
greift ein, wenn es nötig wird.<br />
Ihr Vater hat beobachtet, dass die<br />
Talentschüler und -schülerinnen sehr<br />
gut organisiert sein müssen, wenn es<br />
auch mit den schulischen Leistungen<br />
klappen soll. «Sie müssen sehr diszipliniert<br />
sein», sagt Marco Käppeli,<br />
Nicos Lehrer in der Blumenau. Auf<br />
seine neun Talentschülerinnen und<br />
-schüler, darunter Fussballer, vier<br />
Handballer, eine Eiskunstläuferin<br />
und eine Tennisspielerin und drei<br />
Tennisspieler, könne er sich weitgehend<br />
verlassen. Auch am Mittwochnachmittag<br />
kämen sie «ohne<br />
mit der Wimper zu zucken» in den<br />
Französisch- oder Mathematikunterricht,<br />
weiss Markus Weber, der in der<br />
Schönau Talentschüler unterrichtet.<br />
Kein Zweifel: Die meisten sind hoch<br />
motiviert.<br />
Doch natürlich schaffen es nicht<br />
alle: Markus Weber hat im Sommer<br />
2007 die erste Klasse mit elf<br />
Talentschülerinnen und -schülern<br />
übernommen: Sieben Fussballer,<br />
zwei Tischtennisspieler,<br />
ein<br />
Tennisspieler<br />
und eine Handballerin.<br />
Nun, im<br />
zweiten Jahr, sind es nur noch fünf,<br />
die übrigen mussten mangels sportlicher<br />
oder schulischer Leistungen<br />
aufhören oder weil der Trainingsort<br />
zu weit entfernt war von der Schule.<br />
Die Zusatzbelastung für die Schüler<br />
sei machbar, sagt er. «Aber das<br />
verlangt unendlich viel von den jungen<br />
Leuten. Sie müssen Kämpfer<br />
sein und den Willen dazu haben.»<br />
Schliesslich sei auch sportlich der<br />
Weg zum Erfolg weit.<br />
Mehraufwand bedeutet die Talentschule<br />
auch für die Lehrpersonen. Der<br />
halte sich aber im Rahmen, erklären<br />
sowohl Marco Käppeli als auch Markus<br />
Weber. «Ich finde es toll, wenn<br />
junge Leute Potenzial haben und man<br />
das fördern kann», sagt Weber. «Das<br />
unterstütze ich gerne.» Er bedauert<br />
gar, dass die Talentschule ab 2010<br />
im Centrum konzentriert werden<br />
soll und er dann nicht mehr beteiligt<br />
sein wird.<br />
Trotz allem ist mit der Talentschule<br />
noch kein durchgehendes Leistungstraining<br />
sichergestellt. Robin würde<br />
nach der Sek gerne die Kantonsschule<br />
besuchen. Ob dann die Unterstützung<br />
weiterhin möglich ist, wird sich<br />
zeigen. Für Fabienne bedeutet der<br />
Abschluss der Sek wohl auch das<br />
Ende des Leistungstrainings: Auch<br />
sie möchte die Kantonsschule besuchen<br />
und dann wird es zu kompliziert.<br />
Das Training müsse in der Nähe der<br />
Schule stattfinden können, sagt ihr<br />
Vater. Der Verein, der Trainer – alles<br />
müsse zusammen stimmen, damit<br />
dieser Aufwand möglich wird. Dann<br />
aber sei die Sportschule eine gute<br />
Sache.<br />
In Zukunft soll die Talentschule<br />
auch auf den musischen Bereich ausgedehnt<br />
werden. Auch Helmut Hefti,<br />
Leiter der Musikschule, betont, dass<br />
es in Sachen Fördern nicht getan sei<br />
mit der Talentschule. «Die Frage ist,<br />
woher die Talente kommen», sagt er.<br />
Die Förderung müsse in mehreren<br />
Phasen geschehen, die Talente früh<br />
erkannt werden. Und zwar auch in<br />
jenen Quartieren, aus denen es – aus<br />
finanziellen und sozialen Gründen –<br />
nicht so viele Anmeldungen für den<br />
Grundunterricht gebe.<br />
Er weiss bereits von Interessierten<br />
für die Talentschule im musischen<br />
Bereich. Allerdings seien viele musikalisch<br />
Begabte auch in der Schule<br />
gut und würden das Untergymnasium<br />
besuchen. Dort könnten sie etwa in<br />
einem Orchester spielen. Und nicht<br />
zuletzt gibt er zu bedenken, dass<br />
das Talent alleine noch nicht genüge.<br />
«Talent wird über-, das Üben unterschätzt»,<br />
sagt er.<br />
Interviews & Text: Petra Mühlhäuser