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Predigt zum Tag der Schöpfung am 1. September 2005 in der ...

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<strong>Predigt</strong> <strong>zum</strong> <strong>Tag</strong> <strong>der</strong> <strong>Schöpfung</strong> <strong>am</strong> <strong>1.</strong> <strong>September</strong> <strong>2005</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Amanduskirche zu<br />

Bad Urach<br />

Prälat Dr. Helmut Barié, Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Christlicher Kirchen <strong>in</strong><br />

Baden-Württemberg (ACK)<br />

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Den <strong>Predigt</strong>text f<strong>in</strong>den wir im 104. Psalm. Wir hören ausgewählte Verse unter <strong>der</strong><br />

Überschrift “Lob des Schöpfers“:<br />

“Lobe den HERRN, me<strong>in</strong>e Seele! Du, HERR, lässest Wasser <strong>in</strong> den<br />

Tälern quellen, dass alle Tiere des Feldes tr<strong>in</strong>ken und das Wild<br />

se<strong>in</strong>en Durst lösche. Darüber sitzen die Vögel des Himmels und<br />

s<strong>in</strong>gen unter den Zweigen. Du machst das Land voll Früchte, die<br />

du schaffest. Du lässest Gras wachsen für das Vieh und Saat zu<br />

Nutz den Menschen, dass du Brot aus <strong>der</strong> Erde hervorbr<strong>in</strong>gst, dass<br />

<strong>der</strong> We<strong>in</strong> erfreue des Menschen Herz und se<strong>in</strong> Antlitz schön werde<br />

vom Öl und das Brot des Menschen Herz stärke Die Bäume des<br />

HERRN stehen voll Saft, die Ze<strong>der</strong>n des Libanon, die er gepflanzt<br />

hat. Dort nisten die Vögel und die Reiher wohnen <strong>in</strong> den Wipfeln.<br />

Die hohen Berge geben dem Ste<strong>in</strong>rock Zuflucht. Herr, wie s<strong>in</strong>d<br />

de<strong>in</strong>e Werke so groß und viel! Du hast sie alle weise geordnet, und<br />

die Erde ist voll de<strong>in</strong>er Güter. Die Herrlichkeit des HERRN bleibe<br />

ewiglich, <strong>der</strong> HERR freue sich se<strong>in</strong>er Werke!<br />

Psalm 104. la. 10 - 18. 24. 31<br />

Liebe Geme<strong>in</strong>de, “Lobe den HERRN, me<strong>in</strong>e Seele!“ Wir s<strong>in</strong>d dieser Auffor<strong>der</strong>ung schon<br />

gefolgt mit unseren Lied: “Himmel, Erde, Luft und Meer zeugen von des Schöpfers Ehr.“<br />

(EG 504,1) Wir loben Gott zus<strong>am</strong>men mit Bäumen und Bergen, mit Ste<strong>in</strong>bock und<br />

Silberreiher, mit Murmeltieren und Maulwürfen. Ja, auch mit Maulwürfen! Für diese<br />

kühne Behauptung will ich, <strong>der</strong> ich aus Baden komme, lieber gleich e<strong>in</strong>en Kronzeugen<br />

aus Württemberg aufrufen, nämlich Jörg Z<strong>in</strong>k. Jörg Z<strong>in</strong>k hat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gebet gesagt: “Die<br />

Sterne loben Gott, <strong>in</strong>dem sie leuchten. Die<br />

Maulwürfe loben Gott, <strong>in</strong>dem sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erde<br />

wühlen. Denn das wollte er von ihnen. So hat<br />

er sie geme<strong>in</strong>t.“ (Jörg Z<strong>in</strong>k, Hg. Wie wir beten<br />

können, Stuttgart 1962, S. 258). Auch me<strong>in</strong>e<br />

<strong>Predigt</strong> will Gott, den HERRN, loben für die<br />

gesegnete Vielfalt se<strong>in</strong>er Geschöpfe.<br />

Wir loben Gott zus<strong>am</strong>men mit<br />

Bäumen und Bergen, mit<br />

Ste<strong>in</strong>bock und Silberreiher, mit<br />

Murmeltieren und Maulwürfen.<br />

Der 104. Psalm sagt: “Die Vögel s<strong>in</strong>gen unter den Zweigen“. Liebe Geme<strong>in</strong>de, die<br />

“gesegnete Vielfalt“ kommt im Gesang <strong>der</strong> Vögel <strong>zum</strong> Kl<strong>in</strong>gen. Übrigens genauso wie im<br />

Spiel <strong>der</strong> Orgel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Amanduskirche. Was hat e<strong>in</strong> Organist mit zwitschernden Vögeln zu<br />

tun? Der Komponist Olivier Messiaen aus unserem Nachbarland Frankreich hat Werke für<br />

Orgel geschaffen, <strong>in</strong> denen Vogelstimmen vorkommen. Messiaen folgte e<strong>in</strong>em H<strong>in</strong>weis,<br />

den ihm e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Musiker gab: “Höre auf die Vögel; sie s<strong>in</strong>d große Meister.“ Ke<strong>in</strong><br />

Wun<strong>der</strong>! Ihre Sangeskunst haben die Vögel direkt und unmittelbar Gott, dem Schöpfer zu<br />

verdanken. Gott, <strong>der</strong> Schöpfer, ist von e<strong>in</strong>em überwältigenden E<strong>in</strong>fallsreichtum. Der<br />

Schöpfer ist die Kreativität selber. Die Orgel mit ihren vielen, vielen Pfeifen ist sozusagen<br />

das Instrument <strong>der</strong> gesegneten Vielfalt. E<strong>in</strong>e Orgel ist auch zwecklos. Das hat sie<br />

geme<strong>in</strong>s<strong>am</strong> mit allem, was schön ist. Schön, wie <strong>zum</strong> Beispiel <strong>der</strong> Gesang <strong>der</strong> Vögel. Was<br />

hat das flötende Lied e<strong>in</strong>er Amsel für e<strong>in</strong>en Zweck? Überhaupt ke<strong>in</strong>en! Das<br />

Amselmännchen s<strong>in</strong>gt auch zu Zeiten, wo es ke<strong>in</strong> Brutrevier zu verteidigen gibt gegen<br />

e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>n. Wenn e<strong>in</strong>e Amsel, auf e<strong>in</strong>em Dachfirst sitzend, flötet, ist das so zwecklos<br />

wie das vergnügte Jauchzen e<strong>in</strong>es satten Säugl<strong>in</strong>gs. Der Naturforscher Adolf Portmann,<br />

er hatte während me<strong>in</strong>er Studienzeit <strong>in</strong> Basel se<strong>in</strong> Institut im gleichen Gebäude wie die<br />

Theologen, hat über das Amsellied folgendes geschrieben: “Dass <strong>der</strong> Gesang <strong>der</strong> Vögel<br />

über jede bloße Nützlichkeit h<strong>in</strong>ausgeht, dafür liegen heute viele Beweise vor.“ E<strong>in</strong>e neue<br />

Richtung <strong>der</strong> Lebensforschung “sucht mit neuen Methoden den Gesang <strong>der</strong> Vögel erst<br />

e<strong>in</strong>mal um se<strong>in</strong>er selbst willen zu prüfen, den Reichtum se<strong>in</strong>er Varianten kennen zu


lernen und will sich nicht mit <strong>der</strong> ... dürftigen Zweckdeutung begnügen.“ Und weiter Adolf<br />

Portmann:“In ihrem Lied stellt sich die Amsel dar, wie sich im Blühen e<strong>in</strong>e Pflanzenart<br />

darstellt, wie sich im Pfauenrad e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Vogelart darstellt.“ (E<strong>in</strong> Naturforscher<br />

erzahlt, Basel o. J. S., 13f) Liebe Geme<strong>in</strong>de, was hat es für e<strong>in</strong>en Zweck, wenn <strong>der</strong><br />

Grünspecht auch jetzt im <strong>September</strong> <strong>in</strong> den Streuobstwiesen bei Bad Urach laut schallend<br />

“glück-glück-glück“ ruft? Überhaupt ke<strong>in</strong>en Zweck hat das! Bloß um e<strong>in</strong>en Konkurrenten<br />

zu verjagen, müsste <strong>der</strong> Grünspecht nicht so vergnügt “glück-glück-glück“ schreien. Was<br />

hat es für e<strong>in</strong>en Zweck, wenn Sie selber “Geh aus, me<strong>in</strong> Herz“ s<strong>in</strong>gen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Melodie<br />

aus Mozarts Zauberflöte pfeifen? Überhaupt ke<strong>in</strong>en Zweck hat das S<strong>in</strong>gen und Pfeifen.<br />

Sie verdienen d<strong>am</strong>it ke<strong>in</strong>en Cent. Aber Sie f<strong>in</strong>den es schön und wollen <strong>in</strong> ihrem Leben<br />

nicht darauf verzichten. Wenn wir s<strong>in</strong>gen und summen, Gitarre spielen o<strong>der</strong> Flöte, dann<br />

haben wir mit den Vögeln, die <strong>in</strong> den Zweigen s<strong>in</strong>gen, etwas Schönes geme<strong>in</strong>s<strong>am</strong>:<br />

Melodien, die unser Herz erfüllen, s<strong>in</strong>d unser schönster Besitz. Die Lyriker<strong>in</strong> Eva<br />

Strittmatter hat gesagt: „Was du besitzt, ist nicht wirklich de<strong>in</strong>s. Was e<strong>in</strong>er s<strong>in</strong>gt, nur das<br />

ist se<strong>in</strong>s.“ (Zwiegespräch, S.11) Liebe Geme<strong>in</strong>de, wenn ich an die wun<strong>der</strong>baren Melodien<br />

<strong>der</strong> Vögel denke, an das Rotkehlchen und an den Kanarienvogel, dann wun<strong>der</strong>e ich mich<br />

überhaupt nicht darüber, dass im Psalm <strong>zum</strong> Lob des Schöpfers <strong>der</strong> Satz vorkommt: “Die<br />

Vögel s<strong>in</strong>gen unter den Zweigen.“<br />

Am <strong>Tag</strong> <strong>der</strong> <strong>Schöpfung</strong> danke wir Gott, dem Schöpfer, für alles, was schön ist <strong>in</strong> unserem<br />

Leben. Wir danken Gott nicht bloß für das, was notwendig ist. Wir danken ihm auch für<br />

das, was e<strong>in</strong>fach nur schön ist: Also für das vergnügte Lachen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong><strong>der</strong>gesicht.<br />

Wir danken Gott für e<strong>in</strong>en alten Herrn, <strong>der</strong> gern noch im Gesangvere<strong>in</strong> mit se<strong>in</strong>en<br />

Sangesbrü<strong>der</strong>n s<strong>in</strong>gt: “Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre“. Wir danken Gott für die<br />

Am <strong>Tag</strong> <strong>der</strong> <strong>Schöpfung</strong> danken wir Gott<br />

nicht bloß für das, was notwendig ist. Wir<br />

danken ihm auch für das, was e<strong>in</strong>fach<br />

nur schön ist<br />

Dahlien und Astern im Kurpark und für den<br />

Uracher Wasserfall. Wir danken Gott für die<br />

überwältigende Schönheit des nächtlichen<br />

Sternhimmels.<br />

Nach den s<strong>in</strong>genden Vögeln kommen im<br />

Psalm <strong>zum</strong> Lob des Schöpfers dann freilich<br />

auch die lebensnotwendigen D<strong>in</strong>ge an die Reihe: “Du lässest Gras wachsen für das Vieh<br />

und Saat zu Nutz den Menschen, dass du Brot aus <strong>der</strong> Erde hervorbr<strong>in</strong>gst, dass das Brot<br />

des Menschen Herz stärke.“ Gott, <strong>der</strong> Schöpfer, lässt Gras wachsen für das Vieh. Gras für<br />

Kühe, die Milch geben. Daraus kann man Butter machen und Joghurt, Mixgetränke und<br />

Quark. Gott, <strong>der</strong> Schöpfer, lässt Gras wachsen für Ponies, an denen K<strong>in</strong><strong>der</strong> Freude<br />

haben. Gras für Schafe, aus <strong>der</strong>en Wolle Pullover für den W<strong>in</strong>ter gestrickt werden. Gott,<br />

<strong>der</strong> Schöpfer, lasst Roggen wachsen für das Schwarzbrot und Weizen für die duftenden<br />

Brötchen und Hafer für die Flocken <strong>zum</strong> Frühstück. Auch bei den Nahrungsmitteln:<br />

Gesegnete Vielfalt.<br />

Gleich neben dem lebensnotwendigen Brot ist im Psalm <strong>zum</strong> Lob des Schöpfers auch <strong>der</strong><br />

We<strong>in</strong> genannt. Es heißt: “Dass <strong>der</strong> We<strong>in</strong> erfreue des Menschen Herz.“ Wir wissen, wie viel<br />

Unheil <strong>der</strong> Alkohol über die Menschen br<strong>in</strong>gen kann. Wenn jemand abhängig wird von<br />

diesem Mittel, süchtig wird. Vom Elend <strong>der</strong> Alkoholkranken ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bibel auch die Rede.<br />

Aber darüber wird nicht vergessen, dass <strong>der</strong> We<strong>in</strong> zunächst dazu da ist, das Herz des<br />

Menschen zu erfreuen. Dass es ihm nach e<strong>in</strong>em Gläschen Troll<strong>in</strong>ger leicht wird. Dass er<br />

die Scheu verliert. Er geht aus sich heraus und fängt an, zu plau<strong>der</strong>n und zu lachen. Der<br />

We<strong>in</strong> ist e<strong>in</strong>e Gabe Gottes, “dass er erfreue des Menschen Herz“. Mit diesem Ziel ist auch<br />

die Grenze gesetzt: Wo We<strong>in</strong> das Herz e<strong>in</strong>es Menschen betrübt macht, so dass er<br />

alkoholkrank wird, e<strong>in</strong> elendes Leben führt und für se<strong>in</strong>e Umgebung zur Last wird, da ist<br />

<strong>der</strong> We<strong>in</strong> nicht im S<strong>in</strong>ne Gottes, des Schöpfers <strong>der</strong> Reben, gebraucht. Aber <strong>der</strong><br />

Missbrauch setzt den rechten Gebrauch nicht außer Kraft. In <strong>der</strong> Bibel wird Gott auch<br />

gedankt für die D<strong>in</strong>ge, die das Leben heiterer machen und beschw<strong>in</strong>gt. Dafür steht <strong>der</strong><br />

Psalmvers, “dass <strong>der</strong> We<strong>in</strong> erfreue des Menschen Herz“.<br />

Und noch etwas wird im Psalm genannt, das überflüssig ist, genau betrachtet <strong>zum</strong> Luxus<br />

gehört: “Dass des Menschen Antlitz schön werde vom Öl“. D<strong>am</strong>it ist Olivenöl geme<strong>in</strong>t, e<strong>in</strong><br />

altes Mittel <strong>der</strong> Kosmetik. Wenn die Haut von <strong>der</strong> Sonnenhitze ausgedörrt war, gab ihr<br />

das Öl den Glanz und die Geschmeidigkeit zurück. E<strong>in</strong> Gesicht darf also schön se<strong>in</strong>. Vom<br />

Psalm her gesehen, ist es normal, dass die Menschen die Mittel nützen, die geeignet s<strong>in</strong>d,


die Schönheit e<strong>in</strong>es Gesichts zu erhalten o<strong>der</strong> hervorzuheben. “Dass des Menschen<br />

Antlitz schön werde vorn Öl“. Darüber will ich jedoch nicht vergessen, dass jedes Gesicht<br />

e<strong>in</strong>es Menschen e<strong>in</strong> fasz<strong>in</strong>ierendes Wun<strong>der</strong>werk Gottes ist. Jedes Gesicht e<strong>in</strong> Kunstwerk!<br />

Wenn ich die Gesichter <strong>der</strong> Menschen betrachte, kann ich nur staunen über die<br />

gesegnete Vielfalt. Auf jedem Gesicht liegt e<strong>in</strong> Abglanz von Gottes Herrlichkeit. Jedes<br />

Gesicht ist e<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>anfertigung. E<strong>in</strong>malig. Unverwechselbar. Von Gott so geschaffen.<br />

Und darum schöner als die Modegesichter aus den Illustrierten. Von Gott, dem Schöpfer,<br />

so gewollt.<br />

Er sagt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Segen: “Ich lasse me<strong>in</strong> Angesicht leuchten über dir und b<strong>in</strong> dir gnädig“.<br />

Wir Menschen s<strong>in</strong>d unseren Mitgeschöpfen lei<strong>der</strong> oft gar nicht gnädig. Wir sprechen ihnen<br />

das Lebensrecht ab. Weil wir me<strong>in</strong>en, wir wüssten es besser als <strong>der</strong> Schöpfer <strong>der</strong> Welt. In<br />

unseren <strong>Tag</strong>en f<strong>in</strong>den es <strong>zum</strong> Beispiel alle gut, wenn die Stechmücken bekämpft werden.<br />

Nun b<strong>in</strong> ich selber <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rhe<strong>in</strong>ebene aufgewachsen und kenne die “Schnakenplage“.<br />

Aber, wer weiß, wie man <strong>in</strong> dreißig Jahren denken wird über unsere gut geme<strong>in</strong>ten<br />

Schnakenbekämpfungsprogr<strong>am</strong>me?! Früher hat man die Maikäfer bekämpft und von<br />

«Maikäferplage» gesprochen. Schon im Mittelalter war das e<strong>in</strong> Problem. Im Jahre 1320<br />

haben die Maikäfer <strong>in</strong> Südfrankreich die Wäl<strong>der</strong> kahl gefressen. Da hat e<strong>in</strong> geistliches<br />

Gericht <strong>in</strong> Avignon die Maikäfer des Landes verwiesen. Allen Ernstes! Heute schütteln wir<br />

darüber den Kopf, ebenso wie über jenen katholischen Bischof von Lausanne, <strong>der</strong> 1497<br />

die Maikäfer exkommunizierte. Uns heute ist eher das Chancon von Re<strong>in</strong>hard Mai<br />

vertraut: “Es gibt ke<strong>in</strong>e Maikäfer mehr“. Der Maikäfer als Insektenart wäre wenigstens<br />

noch vielen Jugendlichen dem N<strong>am</strong>en nach vertraut. Aber wie wäre es mit an<strong>der</strong>en<br />

Käferarten? Dem Goldlaufkäfer und dem Rosenkäfer? O<strong>der</strong> überhaupt mit Insektenarten:<br />

Der blaugrünen Mosaikjungfer und <strong>der</strong> Ste<strong>in</strong>hummel? Der Feuerwanze und dem<br />

Schmetterl<strong>in</strong>g n<strong>am</strong>ens «Taubenschwanz»? Vor e<strong>in</strong>em Jahr hat <strong>der</strong> Natursoziologe Ra<strong>in</strong>er<br />

Brämer den “Jugendreport Natur“ veröffentlicht. Se<strong>in</strong> Ergebnis: “K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche<br />

von heute lieben die Natur; <strong>der</strong> Wald ist für sie Inbegriff des Guten, Schönen und<br />

Harmonischen.“ Aber elf Prozent <strong>der</strong> Neuntklässler me<strong>in</strong>en, alle Enten seien gelb, wie das<br />

Quietscheentchen aus <strong>der</strong> Ses<strong>am</strong>strasse. Vor sieben Jahren haben sich noch 37 Prozent<br />

<strong>der</strong> Jugendlichen für das Bestimmen unbekannter Pflanzen begeistert, jetzt nur noch halb<br />

soviel, nämlich 19 Prozent. Der Soziologe kommt zu dem Schluss: “Die Jugendlichen<br />

begeistern sich zwar für den Artenschutz, kennen aber oft ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Art.“ (Die Zeit<br />

Nr. 53 vom 22. Dezember 2004, S. 32). Da kommt, liebe Geme<strong>in</strong>de, viel<br />

Erziehungsarbeit auf uns zu: Auf Väter und Mütter, auf Opas und Omas, auf Onkel und<br />

Patentanten, auf Erzieher<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätten und auf Lehrer <strong>in</strong> den Schulen. Viel<br />

Arbeit für den Schwäbischen Albvere<strong>in</strong> und den Naturschutzbund Deutschland. Viel Arbeit<br />

für alle, die sich an <strong>der</strong> Vielfalt <strong>der</strong> Arten auch künftig freuen wollen mit Augen und<br />

Ohren.<br />

Die gesegnete Vielfalt <strong>der</strong> Arten ist auch die gesegnete Vielfalt <strong>der</strong> N<strong>am</strong>en unserer<br />

Mitgeschöpfe: Apollofalter, Kaisermantel, Admiral, <strong>Tag</strong>pfauenauge, Zitronenfalter.<br />

Bachnelkenwurz und Blutwei<strong>der</strong>ich, Huflattich und Nachtkerze. Die gesegnete Vielfalt <strong>der</strong><br />

Geschöpfe Gottes ist e<strong>in</strong>e Quelle des Glücks und e<strong>in</strong>e Voraussetzung für das, was wir<br />

“Lebensqualität“ nennen. In <strong>der</strong> schweizerischen Zeitschrift «Ornis» (Februar <strong>2005</strong>, S. 3)<br />

war zu lesen: “Zum Essen stets Wasser und Brot, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Oper ausschließlich Verdi, <strong>am</strong><br />

Fernseher nur e<strong>in</strong> Progr<strong>am</strong>m… - wer will sich das vorstellen? Niemand natürlich. Vielfalt<br />

und Abwechslung machen unser Leben <strong>in</strong>teressant und spannend. Erstaunlich daher,<br />

dass wir die Biodiversität, also die Vielfalt <strong>der</strong> Lebensformen, ausbeuten und zerstören,<br />

statt Sie zu sichern: Um ihrer selbst willen, aber auch als Quelle für Gesundheit, Geist<br />

und Gemüt. ... Biodiversität för<strong>der</strong>t nachweislich die Lebensqualität. Unzählige wurden<br />

von Glücksgefühlen durchflutet, als sie diesen W<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>en prächtigen Seidenschwanz zu<br />

Gesicht bek<strong>am</strong>en.“ Die Zahl <strong>der</strong> Arten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz wird übrigens auf 70 000 geschätzt.<br />

Liebe Geme<strong>in</strong>de, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Natur erleben wir die Fülle <strong>der</strong> Werke Gottes, des Schöpfers, die<br />

gesegnete Vielfalt. „Herr, wie s<strong>in</strong>d de<strong>in</strong>e Werke so groß und viel! Du hast sie alle weise<br />

geordnet und die Erde ist voll de<strong>in</strong>er Güter.“ In <strong>der</strong> staunenden Freude über die Werke<br />

Gottes sagen wir mit den Beter des Psalms:<br />

„Die Herrlichkeit des HERRN bleibe ewiglich<br />

und <strong>der</strong> HERR freue sich se<strong>in</strong>er Werke.“ Amen

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