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Systolisches Herzgeräusch - wie weiter? - Herzpraxis am Albis

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PRAXIS Schweiz Med Forum 2004;4:49–55 49<br />

<strong>Systolisches</strong> <strong>Herzgeräusch</strong> – <strong>wie</strong> <strong>weiter</strong>?<br />

Souffle systolique<br />

Christine H. Attenhofer Jost, Thomas F. Lüscher, Erwin N. Oechslin, Juraj Turina, Rolf Jenni, Rudolf Speich<br />

Abteilung Kardiologie und Medizinische Klinik A, Universitätsspital Zürich.<br />

Quintessenz<br />

Die körperliche Untersuchung bleibt die primäre Methode<br />

für die initiale Evaluation von Patienten – auch bei<br />

der Suche nach einer Herzerkrankung. Falls die Herzuntersuchung<br />

unauffällig ist und der Patient keine kardialen<br />

Symptome hat, ist eine bedeutende Herzklappenerkrankung<br />

oder ein Shunt-Vitium praktisch ausgeschlossen.<br />

Leise mesosystolische Geräusche bei schlanken,<br />

asymptomatischen, v.a. jüngeren Patienten bedürfen keiner<br />

<strong>weiter</strong>en Abklärung. Jedes laute Systolikum oder jedes<br />

leise Systolikum bei einem Patienten mit kardialen Symptomen<br />

muss aber echokardiographisch abgeklärt werden,<br />

ausser es ergeben sich keine therapeutischen Konsequenzen<br />

mehr (Alter, schwere Allgemeinerkrankung etc).<br />

Wegen mangelhafter Ausbildung und Praxis hat sich<br />

die Fähigkeit zur Auskultation stark verschlechtert: Das<br />

heisst, die Auskultation muss gelernt und gelehrt werden.<br />

Es gibt es heutzutage exzellente CD mit typischen Auskultationsbeispielen.<br />

Nicht vergessen soll man, dass Stethoskope potentielle<br />

Überträger von Infektionen sind: Die meisten Stethoskope<br />

weisen S. aureus auf – ein regelmässiges Abwischen<br />

des Stethoskops mit einem Alkoholtupfer genügt<br />

...<br />

Mit einer sorgfältigen Auskultation können nicht indizierte<br />

Echokardiographien vermieden und somit Kosten<br />

gespart werden. Kosten werden aber auch vor allem dann<br />

gespart, wenn beim herzkranken Patienten die richtige<br />

Diagnose bekannt ist und die Therapie dementsprechend<br />

optimiert werden kann.<br />

Quintessence<br />

L’ex<strong>am</strong>en physique reste la principale méthode d’évaluation<br />

initiale des patients, même en cas de recherche<br />

d’une cardiopathie. Si l’ex<strong>am</strong>en cardiaque est sans particularité<br />

et si le patient n’a aucun symptôme cardiaque,<br />

une valvulopathie significative ou un shunt sont pratiquement<br />

exclus.<br />

Des souffles mésosystoliques discrets chez des patients<br />

longilignes asymptomatiques, surtout jeunes, n’ont pas besoin<br />

d’autres ex<strong>am</strong>ens. Tout souffle systolique net, ou tout<br />

souffle systolique discret chez un patient présentant des<br />

symptômes cardiaques, doit être précisé par échocardiographie,<br />

sauf s’il n’y a plus aucune conséquence thérapeutique<br />

(âge, grave maladie de base, etc.).<br />

Avec le manque de formation et d’habitude, la qualité<br />

de l’auscultation a fortement diminué: ce qui veut dire qu’il<br />

faut apprendre et enseigner l’auscultation. Il y a aujourd’hui<br />

d’excellents CD avec des exemples types d’auscultation.<br />

Nous ne devons pas oublier que le stéthoscope est un<br />

vecteur potentiel d’infection: la plupart des stéthoscopes<br />

sont porteurs de S. aureus. Il suffit de nettoyer régulièrement<br />

le stéthoscope avec un t<strong>am</strong>pon d’alcool …<br />

Une auscultation soigneuse permet d’éviter des échocardiographies<br />

non indiquées et du même fait de réaliser<br />

des économies. Mais il ne peut y avoir d’économies que si<br />

le bon diagnostic est posé et si le traitement peut par conséquent<br />

être optimisé.<br />

CME zu diesem Artikel finden<br />

Sie auf S. 64 oder im Internet<br />

unter www.smf-cme.ch<br />

Vous trouverez les questions à choix multiple<br />

concernant cet article à la page 65 ou sur internet<br />

sous www.smf-cme.ch


PRAXIS Schweiz Med Forum 2004;4:49–55 50<br />

Systolische Geräusche<br />

<strong>Herzgeräusch</strong>e sind sehr häufig. Im Alltag ist der<br />

häufigste Auskultationsbefund ein systolisches<br />

Geräusch. Bis zu 80% der Kinder und ≥50% der<br />

über 50jährigen weisen ein Systolikum auf – v.a.<br />

bei jüngeren Patienten oft ohne organische Herzerkrankung.<br />

Häufig wird beispielsweise bei<br />

einer präoperativen Abklärung ein systolisches<br />

Geräusch gefunden, dann muss entschieden<br />

werden, ob der Patient ohne <strong>weiter</strong>e Abklärung<br />

operabel ist oder nicht. Es ist nicht möglich, bei<br />

jedem Patienten mit einem <strong>Herzgeräusch</strong> eine<br />

Echokardiographie zu veranlassen. Vielmehr<br />

muss der Untersucher einfache Regeln, basierend<br />

auf Untersuchungsbefund, Alter und Beschwerden<br />

des Patienten kennen, aufgrund<br />

deren er sich entscheiden kann, wer eine <strong>weiter</strong>gehende<br />

kardiologische Abklärung benötigt.<br />

Im folgenden sind neben einem kurzen historischen<br />

Rückblick die Differentialdiagnose der systolischen<br />

Geräusche so<strong>wie</strong> eine kurze Anleitung<br />

zur Abklärung aufgeführt.<br />

Historischer Rückblick<br />

zur Auskultation<br />

Hippokrates lehrte die Ärzte, das Ohr direkt an<br />

den Thorax des Patienten zu legen, um etwas von<br />

den Herztönen und -geräuschen zu hören. Erst<br />

1816 erfand Laënnec, ein scheuer französischer<br />

Arzt, das Stethoskop. Bei einer jungen Patientin<br />

wollte Laënnec sein Ohr nicht direkt auf die Brust<br />

legen. Er bildete aus einem Papierheft eine Rolle,<br />

setzte ein Ende auf die Brust der Patientin und<br />

das andere an sein Ohr. Überraschenderweise<br />

hörte er Herztöne und ein <strong>Herzgeräusch</strong> viel lauter<br />

als zuvor. Laënnec verfeinerte dieses Gerät<br />

unter Verwendung eines Holzzylinders und<br />

taufte es Stethoskop («Brustseher»). Das Stethoskop<br />

wurde sofort eines der wichtigsten Untersuchungsgegenstände<br />

des Arztes. Plötzlich wurden<br />

viele <strong>Herzgeräusch</strong>e gehört. Zu Beginn des<br />

20. Jahrhunderts wurde jedes apikale Systolikum<br />

einer rheumatischen Mitralinsuffizienz zugeschrieben<br />

und viele Patienten invalide geschrieben.<br />

Später war man der Meinung, dass<br />

systolische Geräusche keine Bedeutung hätten,<br />

Sir J<strong>am</strong>es Mackenzie meinte, man solle das Stethoskop<br />

<strong>am</strong> besten wegwerfen. Nach Erfindung<br />

der Phonokardiographie 1908 konnte man jedoch<br />

plötzlich die kardiovaskulären Töne visuell<br />

sehen, was zum besseren Verständnis und Lehren<br />

der Auskultation förderlich war. Die Textbücher<br />

füllten sich mit Angaben diagnostischer<br />

Auskultationsbefunde. Trotz späterer Entwicklung<br />

der Echokardiographie und anderer Untersuchungsmethoden,<br />

die die auskultatorischen<br />

«sicheren» Diagnosen teilweise revidierten,<br />

bleibt das Stethoskop für jeden Arzt ein wichtiges<br />

Untersuchungsinstrument und ist bei jeder<br />

Untersuchung obligat. Eine der wichtigsten<br />

Funktionen des Stethoskops ist es, festzustellen,<br />

dass kein Geräusch vorliegt. Liegt hingegen ein<br />

Geräusch vor – und meistens handelt es sich um<br />

ein Systolikum – stellt sich die Frage, ob eine Risikostratifizierung<br />

allein aufgrund der kardialen<br />

Untersuchung möglich ist.<br />

Wichtige Aspekte<br />

der kardialen Untersuchung<br />

Die kardiale Statuserhebung basiert aber nicht<br />

nur auf der Auskultation. Nach Erhebung der<br />

An<strong>am</strong>nese werden Blutdruck (immer auf beiden<br />

Seiten!) und Herzfrequenz gemessen. Dann folgen<br />

Inspektion, Palpation und erst dann die Auskultation.<br />

Mögliche Hinweise für eine Herzerkrankung<br />

<strong>wie</strong> Zyanose, Uhrglasnägel/Trommelschlegelfinger,<br />

Trichter-/Hühnerbrust oder Kyphoskoliose<br />

als Hinweis für ein zyanotisches<br />

Herzvitium werden gesucht. Neben den Halsvenen<br />

muss die Qualität des Karotis-, Radialis- und<br />

Femoralispulses beurteilt werden, um Hinweise<br />

für eine Aortenstenose, Aorteninsuffizienz,<br />

hypertrophe Kardiomyopathie oder Aortenisthmusstenose<br />

zu erhalten. Bei der schweren Aortenstenose<br />

findet man einen Pulsus parvus et tardus<br />

und bei der hypertrophen Kardiomyopathie<br />

einen Pulsus bisferiens, d.h. ein zweigipfliges<br />

Verhalten. Bei der Aortenisthmusstenose wird<br />

im Vergleich zum gleichzeitig palpierten rechtsseitigen<br />

Radialispuls eine Abschwächung und<br />

Verzögerung des Femoralispulses festgestellt.<br />

Bei der Herzpalpation werden Herzspitzenstoss<br />

und präkordialer Impuls beurteilt; es muss<br />

zudem bei allen Auskultationsstellen palpatorisch<br />

nach einem Schwirren gesucht werden.<br />

Präsenz und Lokalisation des Schwirrens bei<br />

einem Systolikum können pathognomonisch<br />

sein. Ein Schwirren findet sich bei der Aortenstenose<br />

im 2. ICR rechts, im Jugulum und/oder<br />

in den Karotiden; bei der Pulmonalstenose im 2.<br />

bis 4. ICR links, beim Ventrikelseptumdefekt im<br />

4. ICR links und bei der Mitralinsuffizienz (v.a.<br />

beim Sehnenfadenabriss!) an der Herzspitze.<br />

Die klassischen Auskultationsstellen sind in Abbildung<br />

1 x dargestellt. Sie beinhalten: 2. ICR<br />

rechts parasternal (aortal), 2. ICR links parasternal<br />

(pulmonal), 4. ICR links parasternal (so genannte<br />

«Basis des Herzens» oder «Erb»), so<strong>wie</strong><br />

<strong>am</strong> «Apex», d.h. <strong>am</strong> spürbaren Anteil des linken<br />

Ventrikels, meist im 5. oder 6. ICR medioklavikulär<br />

gelegen. Der N<strong>am</strong>e «Erb» st<strong>am</strong>mt von Wilhelm<br />

Heinrich Erb (um 1875), der als deutscher<br />

Neurologe an dieser Stelle die Aorteninsuffizienz<br />

seiner Patienten mit Syphilis diagnostizierte! Dyn<strong>am</strong>ische<br />

Manöver (siehe unten) werden je nach<br />

Bedarf zur besseren Identifikation einer kardialen<br />

Pathologie durchgeführt. Die Auskultation ist<br />

in maximaler Exspiration <strong>am</strong> ergiebigsten.


PRAXIS Schweiz Med Forum 2004;4:49–55 51<br />

<strong>Herzgeräusch</strong>e<br />

Abbildung 1.<br />

Klassische Auskultationsstellen<br />

und Lokalisation des Punctum<br />

maximum bei der Auskultation<br />

verschiedener systolischer<br />

Geräusche.<br />

AS = Aortenstenose;<br />

PS = Pulmonalstenose;<br />

VSD = Ventrikelseptumdefekt;<br />

HOCM = hypertroph obstruktive<br />

Kardiomyopathie;<br />

MI = Mitralinsuffizienz.<br />

EKG<br />

Funktionelles Geräusch<br />

Mitralinsuffizienz<br />

(holosystolisch)<br />

Mitralinsuffizienz<br />

(telesystolisch, MKP)<br />

HOCM, 4. ICR links<br />

Aortenstenose,<br />

2. ICR rechts<br />

Ventrikelseptumdefekt,<br />

4. ICR links<br />

Pulmonalstenose<br />

Funktionelles<br />

Austreibungsgeräusch<br />

P<br />

QRS<br />

M1T1<br />

PAT<br />

AORTAL:<br />

AS<br />

T<br />

Klick<br />

ERB:<br />

VSD<br />

ERB:<br />

HOCM<br />

A2P2<br />

PULMONAL<br />

PS<br />

APEX<br />

MI<br />

P 2 A 2<br />

(evtl. paradox)<br />

A2 verfrüht<br />

A2 P2<br />

<strong>Herzgeräusch</strong>e bestehen aus einer Summe von<br />

hörbaren Schwingungen mit unterschiedlicher<br />

Intensität, Frequenz (20–1000 Hz) und unterschiedlichem<br />

zeitlichem Auftreten. Sie sind Ausdruck<br />

turbulenter Strömungen. Austreibungsgeräusche<br />

entstehen zum Zeitpunkt des maximalen<br />

Flusses und nicht zum Zeitpunkt des maximalen<br />

Druckgradienten.<br />

Bei <strong>Herzgeräusch</strong>en muss folgendes beurteilt<br />

werden: 1. Lokalisation, 2. zeitliche Verhältnisse,<br />

3. Lautstärke, 4. Konfiguration so<strong>wie</strong> 5. Frequenz.<br />

Die Lokalisation – vor allem das Punctum maximum<br />

– kann Hinweise für die Ursache des <strong>Herzgeräusch</strong>es<br />

geben (siehe oben).<br />

Die zeitlichen Verhältnisse beschreiben das Auftreten<br />

im Herzzyklus (systolisch, diastolisch oder<br />

kontinuierlich) ist, so<strong>wie</strong> die genaue zeitliche<br />

Lokalisation in Systole beziehungsweise Diastole<br />

(früh = proto, Mitte = meso, spät = tele, ganz =<br />

holo). Systolisch ist definiert als der Zeitraum nach<br />

S1 und bis vor oder zu S2. Ein Holosystolikum geht<br />

bis zu A2 (linksseitig) oder P2 (rechtsseitig). Die<br />

zeitliche Lokalisation ergibt bereits Rückschlüsse<br />

auf die Ätiologie des Systolikums. Ein holosystolisches<br />

Geräusch ist typisch für AV-Klappeninsuffizienzen<br />

oder einen Ventrikelseptumdefekt. Ein<br />

frühsystolisches Geräusch ist typisch für einen<br />

kleinen oder sehr grossen Ventrikelseptumdefekt.<br />

Ein meso- bis telesystolisches Geräusch ist charakteristisch<br />

für einen Mitralklappenprolaps.<br />

Die Einteilung der Lautstärke eines <strong>Herzgeräusch</strong>es<br />

erfolgt gemäss S<strong>am</strong>uel A. Levine (1933) in<br />

6 Grade: I: sehr leise, nur mit Sch<strong>wie</strong>rigkeiten hörbar;<br />

II: leise, aber gut hörbar; III: mittellaut; IV:<br />

laut, oft ein Schwirren; V: sehr laut, Schwirren,<br />

Geräusch hörbar, wenn auch nur der Rand des<br />

Stethoskops aufgelegt wird; VI: Schwirren, Geräusch<br />

auch ohne Stethoskop hörbar. Dies wurde<br />

für die systolischen Geräusche entwickelt und gilt<br />

aber auch für die diastolischen Geräusche.<br />

Die Geräuschkonfiguration umfasst: Crescendo,<br />

Decrescendo-, Crescendo-Decrescendo- (spindelförmige)<br />

oder bandförmige Geräusche.<br />

Bezüglich Frequenz unterscheidet man tieffrequente<br />

(Mitralstenose, Ventrikelseptumdefekt,<br />

Pulmonalstenose, Aortenstenose). oder hochfrequente<br />

(Aorten- oder Pulmonalinsuffizienz) Geräusche.<br />

Bei den systolischen <strong>Herzgeräusch</strong>en sind eindeutige<br />

Muster beschrieben, die wir zumindest auf<br />

dem Papier klar erkennen sollten (Abb. 2 und 3 x).<br />

Wann gilt ein Systolikum als normal?<br />

Abbildung 2.<br />

Vergleich des Auskultationsbefundes verschiedener systolischer Geräusche. M1 = mitrale<br />

Komponente des 1. Herztons; T1 = trikuspidale Komponente des 1. Herztons; A2 = aortale<br />

Komponente des 2. Herztons; P2 = pulmonale Komponente des 2. Herztons; ICR = Interkostalraum;<br />

HOCM = hypertroph obstruktive Kardiomyopathie. PAT = pulmonaler Austreibungston.<br />

Ein «normales», d.h. ein so genannt funktionelles<br />

Systolikum ist ein häufiger Auskultationsbefund<br />

bei einer kardial gesunden Person. Das<br />

funktionelle Systolikum beginnt nach S1, ist sehr<br />

kurz dauernd, hört auf vor A2, ist deutlich über


PRAXIS Schweiz Med Forum 2004;4:49–55 52<br />

Vorhofseptumdefekt,<br />

4. ICR links parasternal<br />

Fix<br />

A 2 P 2<br />

Bei Erwachsenen entsteht das funktionelle<br />

Systolikum durch erhöhten Blutfluss durch die<br />

Taschenklappen bei Anämie, Schwangerschaft,<br />

Fieber, Hyperthyreose etc. oder durch Turbulenzen<br />

bei einer Dilatation von Aortenwurzel oder<br />

Pulmonalarterie. Erhöhte intraventrikuläre Blutgeschwindigkeiten<br />

und eine höhere Auswurffraktion<br />

sind <strong>weiter</strong>e Erklärungen.<br />

Pulmonale Hypertonie,<br />

2. ICR links<br />

Aorteninsuffizienz,<br />

4./5. ICR links parasternal<br />

Offener D. Botalli,<br />

2. ICR links parasternal<br />

AT<br />

A2P2<br />

Systolische Austreibungsgeräusche<br />

In erster Linie handelt es sich um proto-mesosystolische,<br />

spindelförmige Geräusche, die meistens<br />

an den Aorten- oder Pulmonalklappen entstehen<br />

(Tab. 1 p). Sie beginnen, wenn der entsprechende<br />

Ventrikeldruck den diastolischen<br />

Pulmonalarterien- oder Aortendruck übersteigt.<br />

Diese Geräusche hängen vom Blutfluss durch die<br />

Taschenklappen ab, sie beginnen nach der isovolumetrischen<br />

Kontraktion und sind deshalb<br />

von S1 abgesetzt.<br />

Ventrikelseptumdefekt,<br />

mit Eisenmengerreaktion<br />

Perikardreiben<br />

A2=P2<br />

Abbildung 3.<br />

Typische Auskultationsbefunde. ICR = Interkostalraum; A2 = aortale Komponente;<br />

P2 = pulmonale Komponente; D. Botalli = Ductus Botalli; AT = Austreibungston.<br />

AT<br />

dem Apex oder an der Basis bzw. links parasternal,<br />

meist spindelförmig, hochfrequent, mit der<br />

maximalen Intensität im ersten Drittel der Austreibungsphase<br />

(Abb. 2). Funktionelle Austreibungsgeräusche<br />

sind selten laut (Lautstärke<br />

Grad 1–3/6), strahlen nicht aus, und es besteht<br />

kein Schwirren. Die Herztöne sind normal. Die<br />

Lautstärke des Geräusches nimmt im Sitzen oder<br />

Stehen bzw. bei Inspiration ab und bei isometrischer<br />

Belastung <strong>wie</strong> Faustschluss zu. Karotispuls<br />

und Herzspitzenstoss sind normal.<br />

Die Ursachen eines funktionellen Systolikums<br />

sind altersabhängig: In der Kindheit entstehen<br />

funktionelle Geräusche im rechtsventrikulären<br />

Ausflusstrakt, durch akzessorische Chordae im<br />

linken Ventrikel so<strong>wie</strong> durch höhere maximale<br />

aortale Flussgeschwindigkeiten, teilweise bedingt<br />

durch kleinere Durchmesser der Aorta.<br />

Das so genannte «Still-Geräusch» wurde 1901<br />

von G.F. Still beschrieben als vibrierendes, blasendes<br />

Geräusch. Das pulmonale systolische Geräusch<br />

bei Kindern ist rauh, spindelförmig im 2.<br />

oder 3. ICR links, leise, und hat keinen Austreibungsklick<br />

oder Schwirren und kommt wahrscheinlich<br />

durch Vibrationen der Pulmonalklappe<br />

zustande.<br />

Aortenstenose<br />

Die Charakteristik des Aortenstenosegeräusches<br />

ist in Tabelle 1 angegeben. Das Geräusch kann<br />

ein frühsystolisches Maximum haben und von<br />

kurzer Dauer sein (leichte Aortenstenose) oder<br />

ein spätes Maximum und eine längere Dauer<br />

(schwere Aortenstenose) (Abb. 2 und Tab. 1).<br />

Der aortale Druckgradient korreliert meistens<br />

mit der Geräuschintensität und dem Zeitpunkt<br />

des Geräuschmaximums, dem Fehlen von A2 und<br />

dem Pulsus tardus und parvus. Kein Untersuchungskriterium<br />

allein hat eine hohe Sensitivität<br />

oder Spezifität für die Diagnose einer schweren<br />

Aortenstenose. Die klinische Beurteilung ist aber<br />

wichtig; findet sich ein leises Geräusch, ein frühes<br />

Geräuschmaximum, ein normaler Karotispuls<br />

und ein gespaltener 2. Herzton S2 liegt sicher<br />

keine schwere Aortenstenose vor.<br />

Aortenstenose beim älteren Patienten<br />

Die Inzidenz einer Aortenstenose steigt altersabhängig<br />

exponentiell an – parallel dazu aber auch<br />

die Sch<strong>wie</strong>rigkeit, diese richtig zu diagnostizieren.<br />

Zudem liegt oft gleichzeitig eine Mitralinsuffizienz<br />

vor. Der für eine schwere Aortenstenose<br />

als typisch beschriebene tiefe Blutdruck, die geringe<br />

Blutdruck<strong>am</strong>plitude so<strong>wie</strong> der Pulsus parvus<br />

et tardus können bei gleichzeitig vorliegender<br />

arterieller Hypertonie und bei arteriosklerotisch<br />

veränderten Gefässen fehlen. Ein systolischer<br />

Blutdruck von >200 mm Hg schliesst eine<br />

Aortenstenose nicht aus. Im Alter sind Schwirren<br />

und ein Austreibungsklick selten. Bei älteren<br />

Patienten mit Herzinsuffizienz oder Angina pectoris<br />

muss immer an eine Aortenstenose gedacht<br />

werden. Bei verkalkter trikuspider Aortenklappe<br />

im Alter kann zusätzlich ein rein musikalisches<br />

Geräusch <strong>am</strong> Apex entstehen; dies wird als «Gallavardin-Dissoziation»<br />

bezeichnet. Dieses Ge-


PRAXIS Schweiz Med Forum 2004;4:49–55 53<br />

Tabelle 1. Zus<strong>am</strong>menfassung der häufigen Ursachen systolischer Geräusche.<br />

Austreibungsgeräusche<br />

1. Aortale Austreibungsgeräusche<br />

Meistens leise und frühsystolisch. Erhöhtes Schlagvolumen (Aorteninsuffizienz,<br />

Bradykardie, Anämie, Schwangerschaft, Hyperthyreose). Bikuspide Aortenklappen.<br />

Aortenklappensklerose.<br />

2. Pulmonale Strömungsgeräusche<br />

Erhöhtes Schlagvolumen (Vorhofseptumdefekt, Pulmonalinsuffizienz,<br />

Ventrikelseptumdefekt). Physiologisch (Kinder/Jugendliche, Trichterbrust,<br />

andere Thoraxdeformitäten).<br />

3. Aortenstenose<br />

Laut, tieffrequent, rauh, Ausstrahlung in Karotis oder evtl. Apex, bei Linksherzinsuffizienz<br />

oft leise und ohne Schwirren, abgeschwächter oder fehlender<br />

2. Herzton A2. Lauter im 2. ICR als <strong>am</strong> Apex.<br />

4. Pulmonalstenose<br />

2. ICR links, laut, tieffrequent, rauhes, spindelförmiges Austreibungsgeräusch,<br />

oft Schwirren und Ausstrahlung in die A. carotis, Geräuschmaximum über dem<br />

3. oder 4. ICR parasternal.<br />

5. Hypertroph obstruktive Kardiomyopathie (HOCM)<br />

Mesosystolisch, lauter mit Valsalva, leiser mit Beinelevation, Punctum maximum<br />

<strong>am</strong> Apex oder links parasternal im 4. ICR, Schwirren meist <strong>am</strong> Apex, in 40%.<br />

Ausstrahlung meist in Axilla, selten Karotis.<br />

Rückströmungsgeräusche<br />

1. Mitralinsuffizienz<br />

Oft laut, hochfrequent, giessend, meist holosystolisch, selten telesystolisch,<br />

Punktum maximum <strong>am</strong> Apex in Linksseitenlage oder über Erb (v.a. beim Prolaps).<br />

2. Ventrikelseptumdefekt (VSD)<br />

Sehr laut, 3. bis 4. ICR links parasternal, häufig mit Schwirren, nur beim Links-<br />

Rechts-Shunt hörbar.<br />

3. Trikuspidalinsuffizienz<br />

Meist leise, parasternal links und rechts im 4. ICR, inspiratorisch verstärkt,<br />

erhöhte v-Welle in V. jugularis pathognomonisch.<br />

räusch <strong>am</strong> Apex entsteht durch hochfrequente<br />

Vibrationen der verkalkten, aber nicht fusionierten<br />

Taschen und ist kaum von einer Mitralinsuffizienz<br />

zu unterscheiden.<br />

Pulmonalstenose<br />

Bei der Pulmonalstenose findet sich ein rauhes,<br />

spindelförmiges Austreibungsgeräusch mit<br />

Punctum maximum im 2. ICR links (Tab. 1 und<br />

Abb. 3). S2 ist weit gespalten mit leisem P2. Ein<br />

kurzes Geräusch mit Ende vor A2 ist meistens<br />

durch eine leichte Stenose bedingt, eine schwere<br />

Stenose liegt vor, wenn A2 im Geräusch untergeht.<br />

Es kann ein pulmonaler Austreibungsklick<br />

vorliegen, der mit zunehmendem Schweregrad<br />

der Stenose näher an S1 rückt.<br />

Hypertroph obstruktive<br />

Kardiomyopathie<br />

Die Erkennung einer hypertroph obstruktiven<br />

Kardiomyopathie (HOCM) ist aus therapeutischen<br />

und prognostischen Gründen wichtig. Ein<br />

Drittel der Patienten mit einer HOCM sind >60<br />

Jahre alt – und gerade bei diesen Patienten wird<br />

die Diagnose meistens verpasst. Oft wird bei diesen<br />

Patienten mit Angina pectoris, Dyspnoe oder<br />

einem Infarktbild im EKG eine koronare Herzkrankheit<br />

mit einer Mitralinsuffizienz vermutet<br />

und dabei liegt eine HOCM vor. Wodurch ist das<br />

systolische Geräusch bei der HOCM bedingt? Es<br />

ist häufig eine Kombination von Turbulenzen im<br />

linksventrikulären Ausflusstrakt (Austreibungsgeräusch)<br />

und einer Mitralinsuffizienz (Regurgitationsgeräusch).<br />

Die Geräuschcharakteristik<br />

ist in Tabelle 1 ersichtlich. Bei der HOCM beginnt<br />

das Systolikum relativ spät nach S1, zeigt im allgemeinen<br />

eine symmetrische Crescendo-Decrescendo<br />

Form (Abb. 2). Da der Grad der Obstruktion<br />

von der Kontraktilität des Myokards, vom<br />

venösen Rückfluss und Blutdruck abhängt, ist die<br />

Stärke des Geräusches sehr variabel, was pathognomonisch<br />

für die HOCM ist. Entscheidend<br />

ist die Form des Karotispulses, die einen frühen<br />

schnellen Anstieg und typischerweise einen trägen<br />

2. Gipfel aufweist. Bei der Aortenstenose<br />

fehlt der frühe schnelle Anstieg der Pulskurve.<br />

Holosystolische<br />

Rückströmungsgeräusche<br />

Holosystolische Geräusche sind hervorgerufen<br />

durch den Blutstrom aus einer Herzhöhle mit<br />

hohem Druck in eine solche mit niedrigerem<br />

Druck. Klassische Beispiele sind Mitral- und Trikuspidalinsuffizienz<br />

und der Ventrikelseptumdefekt<br />

(Abb. 2 und 3). Entsprechend dem Beginn<br />

und der Dauer des Druckgradienten beginnt das<br />

Geräusch bei diesen Vitien mit dem 1. Ton und<br />

geht über A2 hinaus.<br />

Mitralinsuffizienz<br />

Das Mitralinsuffizienzgeräusch (Tab. 1 und Abb.<br />

2) ist unabhängig von der Atmung. Eine akute<br />

schwere oder chronisch leichte Mitralinsuffizienz<br />

kann ein frühsystolisches Geräusch machen.<br />

Bei schwerer Mitralinsuffizienz kommt<br />

der Druckausgleich schnell, <strong>am</strong> Ende der Systole<br />

ist kein Fluss vorhanden, was zu einer Decrescendo-Konfiguration<br />

führt.<br />

Die Ausstrahlung ist abhängig von der Richtung<br />

des Mitralinsuffizienz-Jets im linken Vorhof. Ist<br />

der Jet nach hinten gerichtet, dann strahlt das<br />

Geräusch in die linke Axilla aus. Wenn der Jet<br />

<strong>wie</strong> beim Mitralklappenprolaps des posterioren<br />

Segels gegen das Vorhofseptum gerichtet ist,<br />

dann strahlt das Geräusch gegen die Basis der<br />

Aorta aus und kann mit einer Aortenstenose<br />

oder HOCM verwechselt werden. Deshalb muss<br />

immer mit Hilfe des 2. Herztons und dem Karotispuls<br />

differenziert werden, ob eine Aortenstenose,<br />

eine Mitralinsuffizienz oder eine HOCM<br />

vorliegt. Beim Faustschluss verstärkt sich das<br />

Mitralinsuffizienzgeräusch während dem erhöhten<br />

Afterload, während das Aortenstenosegeräusch<br />

abnimmt.


PRAXIS Schweiz Med Forum 2004;4:49–55 54<br />

Mitralklappenprolaps<br />

Der Mitralklappenprolaps ist die häufigste Ursache<br />

einer Mitralinsuffizienz. Es bedingt ein spätsystolisches<br />

Geräusch, dem ein oder mehrere<br />

Klicks vorausgehen. Am häufigsten ist der Prolaps<br />

bedingt durch myxomatöse Klappen mit zu<br />

langen Chordae. Im Stehen, beim Valsalva-Manöver<br />

und unter Nitroglycerin nimmt das linksventrikuläre<br />

Volumen ab, Klick und Geräusch<br />

treten früher auf und dauern länger, sind aber<br />

leiser (Tab. 1 und Abb. 2). Beim Kauern, bei der<br />

passiven Beinhochlagerung und beim Faustschluss<br />

treten Klick und Geräusch später auf, das<br />

Geräusch ist aber lauter.<br />

Ventrikelseptumdefekt<br />

Solange der Pulmonalisdruck normal ist, verursacht<br />

der Ventrikelseptumdefekt (VSD) ein rauhes,<br />

oft lautes Geräusch (Abb. 2 und Tab. 1). Bei<br />

einem grossen VSD kann das Geräusch auch nur<br />

frühsystolisch sein, da wegen dem steigenden<br />

rechtsventrikulären Druck während der späten<br />

Systole der Shunt abnimmt. Auch kleinere muskuläre<br />

VSD können nur ein frühsystolisches Geräusch<br />

(mit Schwirren!) machen – da sich ein<br />

kleiner Defekt bald nach Beginn der Systole<br />

schliesst. Cave: Wenn der Shunt beim Eisenmengerkomplex<br />

umgekehrt ist, dann fehlt das VSD-<br />

Geräusch und ein pulmonales Austreibungsgeräusch<br />

ist wegen der Dilatation des Pulmonalisst<strong>am</strong>mes<br />

hörbar (Abb. 3).<br />

Trikuspidalinsuffizienz<br />

Die Trikuspidalinsuffizienz (Tabelle 1) hört man<br />

<strong>am</strong> besten im 4. ICR rechts und links parasternal<br />

oder im 2. oder 3. ICR links parasternal. Bei<br />

Dilatation des rechten Ventrikels kann das Geräusch<br />

bis in den Apex ausstrahlen (aber nicht<br />

in die Axilla) und dann mit der Mitralinsuffizienz<br />

verwechselt werden. Im Gegensatz zur Mitralinsuffizienz<br />

hört man die Trikuspidalinsuffizienz<br />

aber auch rechts parasternal oder im Epigastrium.<br />

Bei der Inspiration nimmt das Geräusch<br />

der Trikuspidalinsuffizienz zu. Ein linkspräkordialer<br />

Impuls weist auf eine Trikuspidalinsuffizienz<br />

hin.<br />

Tabelle 2. Einfluss der dyn<strong>am</strong>ischen Manöver auf die holosystolische Mitralinsuffizienz,<br />

die Aortenstenose, die hypertroph obstruktive Kardiomyopathie so<strong>wie</strong> den Mitralklappenprolaps.<br />

Mitral- Aorten- HOCM Mitralklappeninsuffizienz<br />

stenose prolaps<br />

Valsalva ! ! " "<br />

Stehen ! ! " "<br />

Kauern " " ! !<br />

Liegen " " ! !<br />

Beinhochhalten " " ! !<br />

Faustschluss " ! ! !<br />

Arterieller Verschluss " ! ! !<br />

Extrasystole # " " !<br />

HOCM = hypertroph obstruktive Kardiomyopathie<br />

Systolikum bei einer Aorteninsuffizienz<br />

Das mit einer Aorteninsuffizienz assoziierte systolische<br />

Geräusch, bedingt durch das hohe<br />

Schlagvolumen, hat ein frühes Maximum, ist<br />

spindelförmig, und hat das Punctum maximum<br />

im 2. ICR rechts. Oft kann ein systolisches Geräusch<br />

der einzige Hinweis für eine Aorteninsuffizienz<br />

sein und heisst nicht, dass gleichzeitig<br />

eine Aortenstenose vorliegt.<br />

<strong>Systolisches</strong> Geräusch beim Perikardreiben<br />

Das Perikard-Reiben bei einer Perikarditis ist<br />

klassischerweise nicht nur systolisch, sondern<br />

3teilig: 1. midsystolisch, 2. middiastolisch während<br />

der raschen frühdiastolischen Füllung<br />

so<strong>wie</strong> 3. präsystolisch während der Vorhofssystole<br />

(Lokomotivgeräusch) (Abb. 3). Das Perikardreiben<br />

ist ein kratzendes, oberflächlich<br />

erscheinendes Geräusch. Es ist mit der Membran<br />

endexspiratorisch oder beim Vornüberbeugen<br />

gut hörbar. Die Differentialdiagnose des Perikardreibens<br />

beinhaltet das Geräusch bei Mediastinalemphysem,<br />

Luftembolie, Ballonkatheter<br />

so<strong>wie</strong> beim Schrittmacher.<br />

Rolle der dyn<strong>am</strong>ischen Manöver<br />

bei der Beurteilung eines systolischen<br />

Geräusches<br />

Der Einfluss verschiedener dyn<strong>am</strong>ischer Manöver<br />

zum besseren Beurteilen eines Systolikums ist in<br />

Tabelle 2 p beschrieben. Beim Valsalva-Manöver<br />

atmet der Patient kraftvoll aus und presst während<br />

20 Sekunden (theoretisch mit einem Druck von<br />

40 mm Hg) mit den typischen Veränderungen der<br />

Geräuschintensität gerade vor dem Ende der<br />

Pressphase. Weitere Manöver beinhalten passives<br />

Beinhochheben auf 45 Grad, Kauern, Aufstehen,<br />

Faustschluss (isometrische maximale Kontraktion<br />

während 1 Minute), Exspiration so<strong>wie</strong> transienten<br />

arteriellen Verschluss (20–40 mm Hg über dem systolischen<br />

Blutdruck an beiden Oberarmen). Generell<br />

ist kein einziges Manöver 100% zuverlässig für<br />

die Differentialdiagnose eines Systolikums, aber<br />

die Kombination von Manövern kann hilfreich<br />

sein.<br />

Beim Valsalva-Manöver kann das Geräusch der<br />

HOCM zu- und der Karotispuls abnehmen oder unverändert<br />

bleiben. Bei der Aortenstenose nehmen<br />

Lautstärke des Geräusches und der Karotispuls<br />

beim Valsalva-Manöver ab. Das Valsalva-Manöver<br />

ist nicht das beste dyn<strong>am</strong>ische Auskultationsmanöver<br />

zur Demaskierung einer HOCM, wahrscheinlich<br />

weil mit der Erhöhung des intrathorakalen<br />

Luftgehaltes infolge Inspiration die charakteristische<br />

Zunahme der Lautstärke des Geräusches<br />

verringert wird. Eine Zunahme des systolischen<br />

Geräusches bei der HOCM mit dem Valsalva-<br />

Manöver findet sich nur in 65% der Patienten, eine<br />

Abnahme des Geräusches bei der passiven Beinelevation<br />

in 85% oder beim Kauern sogar in 95%.


PRAXIS Schweiz Med Forum 2004;4:49–55 55<br />

Die passive Beinelevation wäre somit ein guter Test<br />

und ist im Gegensatz zum Kauern auch für ältere,<br />

immobile Patienten durchführbar.<br />

Systo-diastolische Geräusche<br />

Ein kontinuierliches Geräusch entspricht einem<br />

Systo-Diastolikum. Ursachen für systo-diastolische<br />

Geräusche sind erworbene oder kongenitale<br />

koronare AV-Fisteln, offener Ductus Botalli<br />

(Maschinengeräusch), Fistel vom Sinus Valsalva<br />

der Aorta in einen Vorhof oder rechten Ventrikel,<br />

Kollateralen bei der Aortenisthmusstenose oder<br />

bei Bronchialarterien bei zyanotischer Herzerkrankung<br />

(Pulmonalatresie etc.), Pulmonalarterienstenose<br />

so<strong>wie</strong> der partielle Verschluss einer<br />

Pulmonalarterie im Rahmen einer chronischthromboembolischen<br />

pulmonalen Hypertonie.<br />

Als <strong>weiter</strong>e kontinuierliche Geräusche kommen<br />

das «Nonnensausen» («venous hum» <strong>am</strong> Hals lateral<br />

vom M. sternocleidomastoideus hörbar),<br />

Geräusche ausgehend von der A. m<strong>am</strong>maria<br />

so<strong>wie</strong> Strömungsgeräusche bei Stenosen der A.<br />

subclavia oder bei arteriovenösen Dialyseshunts<br />

<strong>am</strong> Vorderarm in Frage.<br />

Wann muss ein Systolikum<br />

<strong>weiter</strong> abgeklärt werden?<br />

Bei einem unklaren systolischen <strong>Herzgeräusch</strong><br />

ist eine echokardiographische Untersuchung<br />

obligat. Seit der Einführung der Echokardiographie<br />

in den 60er-Jahren wird diese immer häufiger<br />

eingesetzt und ist zurzeit wahrscheinlich<br />

eine der <strong>am</strong> weitesten verbreiteten Untersuchungsmodalitäten<br />

der Kardiologie. Die Echokardiographie<br />

ist eine relativ billige, nicht invasive<br />

Untersuchungsmethode mit sehr wichtigen<br />

Informationen. Dennoch benötigt nicht jeder Patient<br />

mit einem Systolikum eine Echokardiographie.<br />

Grundlagen einer kardialen Beurteilung<br />

bleiben An<strong>am</strong>nese, Status, EKG und Thoraxröntgenbild.<br />

Die Echokardiographie soll nicht verwendet<br />

werden, um eine kardiovaskuläre Untersuchung<br />

zu ersetzen. Wann benötigt der Patient<br />

eine Echokardiographie? Dies ist gemäss Richtlinien<br />

der American Heart Association in Abbildung<br />

4 x festgehalten. Jeder Patient, der ein<br />

lautes systolisches Geräusch, ein holo- oder telesystolisches<br />

Geräusch oder ein leises systolisches<br />

Geräusch, aber Symptome einer Herzerkrankung<br />

(Dyspnoe, Angina pectoris etc.) hat,<br />

benötigt eine Echokardiographie – selbstverständlich<br />

unter Berücksichtigung von Alter, Konsequenzen<br />

und bereits vorliegenden Befunden<br />

(Herzkatheteruntersuchung etc.). Weshalb? Gerade<br />

bei älteren Patienten liegen oft kombinierte<br />

Befunde vor – zum Beispiel Aortenstenose mit<br />

Mitralinsuffizienz, eingeschränkte Auswurffraktion<br />

mit Aortenstenose oder hypertroph obstruktive<br />

Kardiomyopathie mit Aortenklappensklerose<br />

– die eine genaue Diagnose mittels<br />

Auskultation und klinischer Untersuchung verunmöglichen<br />

und dennoch therapeutische Konsequenzen<br />

haben. Beispielsweise können ACE-<br />

Hemmer oder Nitrate bei hypertroph obstruktiver<br />

Kardiomyopathie oder Aortenstenose die<br />

Symptome des Patienten verstärken.<br />

1–2/6-Systolikum<br />

und<br />

midsystolisch<br />

Systolikum<br />

Symtome oder<br />

andere Zeichen<br />

Herzerkrankung<br />

<strong>Herzgeräusch</strong><br />

min. 3/6-Systolikum<br />

Systolikum holosystolisch<br />

oder telesystolisch<br />

Diastolikum<br />

oder<br />

kontinuierliches<br />

Geräusch<br />

Echokardiographie<br />

Vergleich Auskultation versus<br />

Echokardiographie<br />

Untersuchungen zeigten, dass funktionelle Geräusche<br />

und isolierte Klappenpathologien <strong>wie</strong><br />

Aortenstenose oder Mitralinsuffizienz häufig<br />

auskultatorisch richtig erkannt werden. Auskultatorisch<br />

oft verpasst oder fehlinterpretiert werden<br />

aber die hypertroph obstruktive Kardiomyopathie,<br />

eine gleichzeitig vorliegende Aorteninsuffizienz<br />

und kombinierte Vitien. Mit der<br />

Auskultation können aber einige Diagnosen<br />

gelegentlich leichter gestellt werden als mit der<br />

Echokardiographie – kleine Ventrikelseptumdefekte,<br />

Mitralklappenprolaps, Perikarditis, subund<br />

supravalvuläre Aortenstenose, koronare<br />

AV-Fisteln oder ein kleiner Ductus Botalli.<br />

asymptomatisch<br />

keine <strong>weiter</strong>e Abklärung<br />

Abbildung 4.<br />

Empfehlung zur Abklärung von <strong>Herzgeräusch</strong>en.<br />

Korrespondenz:<br />

PD Dr. med. Ch. Attenhofer Jost<br />

HerzGefässZentrum Zürich<br />

Klinik im Park, Seestr. 220<br />

CH-8027 Zürich<br />

ch.attenhofer@attglobal.net

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