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Kiss of a Werewolf_Isa - SchuelerVZ

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Robin wollte mit ihren Geschwistern nur ein Wochenende in La Push verbringen und dort campen. Doch<br />

schon direkt am Anfang läuft alles schief und nach einem unfreiwilligen Spatziergang durch die kalte Nacht<br />

landet sie im Krankenhaus. An ihrer Seite Embry, der sie gefunden und ins Krankenhaus gebracht hat. Seit<br />

diesem Tag wird er ein Teil von Robins Leben, auch wenn ihr das am Anfang noch nicht klar ist. Und mit<br />

Embrys Erscheinen taucht sie in die Welt der Mythen und Legenden ein...<br />

Vorwort<br />

Schon von klein auf glaubte ich nicht an den Weihnachtsmann, den Osterhasen oder die Zahnfee. Für mich<br />

waren es Figuren, die jemand irgendwann mal erfunden hatte. Unsere Eltern erzählten uns von ihnen, um<br />

unseren Alltag ein bisschen zu verzaubern.<br />

Genau wie meine Geschwister dachte ich eher rational, Märchen, Legenden und Mythen waren für mich<br />

nicht mehr als Geschichten. Geschichten die Eltern ihren Kindern erzählten, um deren Fantasie anzuregen.<br />

Doch nur weil ich an so etwas nicht glaubte, hieß es nicht dass meine Geschwister und ich keine Fantasie<br />

hatten. Nein, davon hatten wir genug.<br />

Wenn mir jemand erzählt hätte, dass es Vampire und Werwölfe gibt, hätte ich ihm den Vogel gezeigt und<br />

wäre weiter, ohne denjenigen noch einmal zu beachten.<br />

Und hätte mir jemand erzählt, dass er mit einem Werwolf zusammen war, mit Vampiren befreundet und<br />

wahrscheinlich von Volturi, einer königlichen Vampirfamilie, gesucht, hätte ich persönlich dafür gesorgt,<br />

dass er auf den schnellsten Weg in die Psychiatrie kam.<br />

Doch was sollte ich jetzt machen? Ich befand mich genau mitten drin – umringt von Märchen, Legenden und<br />

Mythen.<br />

Sollte ich mich etwa selber einweisen?<br />

1


Kapitel 1<br />

„Nenn mir einen Grund, warum ich mitfahren sollte!”, nuschelte ich hinter der Zeitung hervor. Megan und<br />

Jill versuchten mich zu überzeugen mit ihnen, Drake und ein paar Freunden campen zu gehen – nach La Push.<br />

Die Zwillinge kamen echt auf die besten Ideen.<br />

Jemand seufzte – vermutlich war es Jill – und mir wurde die Zeitung aus der Hand gerissen. „He!“, rief ich<br />

und sah zu, wie sie in Whiskys Körbchen flog und direkt zerfetzt wurde. Ich war noch nicht mal beim<br />

Sportteil gewesen, geschweige denn bei den Witzen.<br />

Genervt sah ich die Zwillinge – beide nur zwei Jahre älter als ich – an und verschränkte trotzig die Arme<br />

vor der Brust. „Nun komm schon Robin! Wir machen in letzter Zeit so wenig zusammen!“, schmollte Jill und<br />

sah mich mit ihrem lästigen, aber leider so effektiven Hundeblick an.<br />

„Das lag ja auch daran, dass ich wie bekloppt für den Geschichtstest gelernt habe, der 35% der Note<br />

ausmacht. Und ihr wisst genau, wie ich zur Zeit in Geschichte stehe!“, maulte ich und schielte wehmütig zur<br />

Zeitung.<br />

Doch Jill forderte meine ungeteilte Aufmerksamkeit. „Aber den Test hast du ja jetzt geschrieben. Wir<br />

können also campen gehen! Schließlich ist ja bald Wochenende!“ Megan, die blöde Verräterin, stimmte ihrer<br />

„besseren“ Hälfte begeistert zu. Die beiden waren immer einer Meinung.<br />

„Ihr habt das schon früher geplant, richtig?“, rief ich und sah die beiden abwartend an. Die beiden planten<br />

nie etwas überstürzt, sie planten alles ganz genau und organisierten alles erst mal, bevor es los ging.<br />

Besonders Jill ging auf Nummer sicher.<br />

Megan grinste: „Natürlich! Die Idee steht schon seit letzten Dienstag!“ „Ja und erst seit Ray sich nach dir<br />

erkundigt hat, sind wir auf die Idee gekommen, dich zu fragen!“, verkündete Jill trällernd, Hätte das<br />

Nutellaglas ich meiner Reichweite gestanden, hätte ich es Jill mit Sicherheit an den Kopf gedonnert und<br />

gelacht, wenn ich sie getr<strong>of</strong>fen hätte.<br />

„Ray!“, knurrte ich und trommelte – oder haute – mit meinen Fingern auf die Tischplatte. Ray war einer von<br />

Drakes Kumpeln und ließ mich seit seinem ersten Besuch bei uns nicht mehr in Ruhe – dabei war er knapp<br />

drei Jahre älter als ich.<br />

„Ja, Ray! Du weißt schon. Groß muskulös, blaue Augen und schwarze Locken!“, Megan zwinkerte Jill zu und<br />

sah dann wieder zu mir. „Vergiss nicht unglaublich sexy!“, fügte Jill lachend hinzu.<br />

„Der Typ kann von mir aus aussehen wie Gott persönlich und trotzdem würde ich ihn nicht leiden können.<br />

Ray nervt!“, maulte ich und erschoss ihn dreimal in Gedanken.<br />

Hätte Ray mich nicht erwähnt, wären Megan und Jill nie auf die Idee gekommen mich zu fragen. Ich hätte<br />

mir so vieles erspart; Drake, seine Freundin Sara, seine Kumpels, Megan und Jill und vor allem Ray. Ich<br />

hätte ein ruhiges Wochenende haben können.<br />

Ich überlegte, was mich erwarten würde, WENN ich mit zum Camping – Ausflug fahren würde. Auf jeden<br />

Fall müsste ich mit irgendjemanden in einem Zelt schlagen – wenn ich Glück hatte, war es auch noch Ray -,<br />

ich müsste mir Lagerfeuergeschichten anhören, Würstchen ins Feuer halten – die wurden bei mir immer<br />

schwarz – und ich müsste eine Nachtwanderung mitmachen. Dabei hatte ich Scheißangst im Dunkeln und das<br />

wussten so gut wie alle.<br />

Ich seufzte, Jill und Megan sahen mich wachsam an. Wenn sie ihr Ass ausspielen würden, könnte ich nicht<br />

mehr wiedersprechen. „Wir haben schon so viel für dich gemacht und nie eine Gegenleistung erwartet!“,<br />

jammerte Megan und setzte ihren Hundeblick auf. Verdammt! Innerlich fluchte ich, aber sie hatten leider<br />

recht.<br />

Jill und Megan hatte schon ziemlich <strong>of</strong>t für mich gelogen, mir Sachen besorgt, wenn ich Hausarrest hatte,<br />

bei Mom und Dad und den Lehrern ein gutes Wort für mich eingelegt und mich getröstet, wenn ich wieder<br />

einmal Liebeskummer hatte. Und nie hatten sie eine Gegenleistung erwartet, was aber nicht hieß, dass ich<br />

mich nicht bedankt hätte.<br />

Noch einmal seufzte ich und sah dann niedergeschlagen zu Megan und Jill. Sie lächelten triumphierend –<br />

natürlich hatten sie meine Kapitulation gewittert.<br />

Erfreut sprangen beide auf und tanzten wie kleine Kinder – dabei waren sie schon 18 – aus der Küche. Ich<br />

seufzte ergeben und ließ mich gegen die Stuhllehne fallen. „Böser Hund!“, fuhr ich Whisky an, die noch<br />

immer auf der Zeitung rumkaute. Die konnte ich auf keinen Fall mehr lesen.<br />

2


Stöhnend richtete ich mich auf, schnappte mein Handy und ging in mein Zimmer. Whisky ließ Zeitung,<br />

Zeitung sein und folgte mir. Ihre Krallen kratzten über den Holzboden. Es war ein schreckliches Geräusch,<br />

besonders wenn mach versuchte einzuschlafen.<br />

Neben Whisky, dem schwarzen Schäferhund hatten wir noch vier weitere Hunde; Golden Retriever Bigbee,<br />

Dalmatinerdame Nici, Berna Sennenhund Leo und Schäferhund Jacob.<br />

Dazu kamen noch Birma Muffin und Somali Fungi. Wir hatten einen eigenen Zoo zu Hause, aber es war<br />

trotzdem schön, alle Tiere um sich zu haben.<br />

Ich stampfte die Treppe hoch bis in den 2. Stock. Mein Zimmer befand sich direkt unterm Dach. Ich hatte<br />

es bekommen, nach dem Ron ausgezogen war. Jetzt hatte mein 24-jähriger Bruder sich auf noch mit seiner<br />

Freundin Carrie verlobt. Die beiden wollten auch schon in 10 Tagen heiraten. Ich war Blumenmädchen. Aber<br />

auf jeden Fall hatte ich jetzt sein Zimmer.<br />

Als ich an Drakes Zimmer vorbei kam, hörte ich deutlich, wie er an dem Verstärker seiner E-Gitarre drehte.<br />

Super! Gleich würde er unbarmherzig auf den Saiten schmettern und das ganze Haus somit zum Beben<br />

bringen.<br />

Drake war nicht der schlechteste, aber auch nicht der beste Gitarrist auf Erden. Er hatte...seinen eigenen<br />

Stil, die Akkorde zu spielen.<br />

Doch bevor er richtig loslege konnte, sprintete ich die Treppe hoch und verschanzte mich in meinem<br />

Zimmer. Fungi sprang von meiner Fensterbank und kam schnurrend auf mich zugelaufen, um mir um die<br />

Beine zu streichen.<br />

„Brave Katze!“, lachte ich und nahm sie auf den Arm. Muffin schlief auf meinem Bett und zuckte nur mal<br />

kurz mit den Ohren, als ich die beiden Stufen zu meinem Bett, das auf dem großen Podest in der Ecke<br />

stand, hoch stieg.<br />

Ich tigerte zum Schrank und suchte Schlafsack und Zelt heraus. „Ich werde auf jeden Fall Jacob<br />

mitnehmen! Nur zur Sicherheit!“, murmelte ich und streckte den Kopf tiefer in die Schublade. Das würde<br />

mit Sicherheit ein langes Wochenende werden.<br />

Nach dem ich alles zusammen gesucht hatte, was ich auf jeden Fall brauchen würde, um das Wochenende zu<br />

überleben, setzte ich mich auf eine Stufe und kraulte Fungi hinterm Ohr. Das ganze würde sicher nicht<br />

leicht werden.<br />

„Hey Schwesterchen!“, trällerte Jill und kam in mein Zimmer gehüpft. „Was willst du noch?“, knurrte ich<br />

und sah sie genervt an. „Nichts, nichts!“, sang sie und kraulte Muffin, die aufgestanden war, hinterm Ohr.<br />

„Ich wollte nur sicher gehen, dass du nicht aus dem Fenster flüchtest!“<br />

Ich lachte. „Du bist ja lustig! Von meinem Balkon sind es 10 Meter bis zu Boden und gut fünf Meter bis zu<br />

dem von Mom und Dad. Da spring ich bestimmt nicht runter. Ich bin doch nicht blöd!“<br />

„Bei dir weiß man nie!“, sie zuckte mit den Schultern. Jill richtete sich auf und sah mich an. Ihr Blick fiel<br />

auf den Haufen, der zusammen gebaut ein Zelt ergeben sollte und ein breites Grinsen stahl sich in ihr<br />

Gesicht.<br />

„Wie viele Personen passen in das Zelt?“ „Eine. Ich und ein Hund!“, rief ich und sah sie warnend an.<br />

„Wirklich? Meinst du nicht, dass Ray vielleicht auch noch rein passen würde?“, ihre Mundwinkel zuckten –<br />

sie musste ein Lächeln unterdrücken.<br />

„Bist du wahnsinnig? Reicht es nicht schon, dass ich wegen ihm mit kommen muss? Da muss er nicht gleich in<br />

meinem Zelt schlafen. Ich nehme Jacob mit!“, knurrte ich und umfasste das St<strong>of</strong>ftier in meiner Reichweite.<br />

Noch eine Bemerkung und es flog ihr an den Kopf.<br />

„Wieso?“ „Zum Schutz! Damit niemand auf die Idee kommt, nachts in mein Zelt zu krabbeln!“, antwortete<br />

ich ihr. Jacob war die beste Alarmanlage, wenn es um Ray ging. Er konnte Ray bis auf den Tod nicht<br />

ausstehen. Noch bevor Ray sich unserem Haus auch nur auf 100 Meter genähert hatte, fing er an zu bellen<br />

und zu knurren.<br />

Und dann hörte er so lange nicht auf, bis Ray wieder weg war. Ich musste den knurrenden Jacob dann<br />

immer in mein Zimmer nehmen. Ja, er war der perfekte Beschützer.<br />

Und wie auf Kommando hallte Jacobs Bellen durch das ganze Haus. Die andere Hunde stimmten aus<br />

Sympathie ein. „Wenn man vom Teufel spricht!“, murmelte ich und ging zur Tür.<br />

„Jacob, hier!“, rief ich und horchte. Das Bellen verstummte und dann hörte man schon Jacobs Krallen auf<br />

dem Holz kratzen, als er die Treppe hoch in mein Zimmer stürmte. Es wunderte mich, dass er direkt<br />

gelaufen kam.<br />

Der langhaarige, schwarzbraune Schäferhund kam in mein Zimmer getrottet, noch immer knurrend und<br />

legte sich auf den Boden zu meinen Füßen. Nein, Jacob mochte Ray nicht. Und ich fand dass auch gut so.<br />

Hunde mussten nicht jeden Menschen mögen.<br />

3


„Ja Jacob, du bist ein guter Hund! Magst den blöden Ray auch nicht, ne? Wenn der böse wird beißt du ihn in<br />

seinen blöden Machoarsch!“, trällerte ich und kraulte Jacob hinter dem Ohr. Dieser schien die<br />

Streicheleinheiten sehr zu genießen.<br />

„Du spinnst echt!“, rief Jill und schüttelte den Kopf. „Musst dich ja nicht mit mir abgeben! Du kannst jeder<br />

Zeit gehen. Niemand zwingt dich zu bleiben!“, antwortete ich schlicht und stand auf.<br />

Jill streckte mir die Zunge raus und folgte mir nach draußen. Unten konnte ich schon Rays tief und nervige<br />

Stimme hören, die Jacob dazu brachte erneut das Haus zusammen zubellen und protestierend an der Tür zu<br />

kratzen.<br />

Ich kam gerade die Treppe runter, als Drake hinter Ray die Tür schloss. „Hey Robin! Schön dich zu sehen!“,<br />

rief er und breitete die Arme aus, um mich zu umarmen.<br />

„Finger weg!“, knurrte ich und ich wich zurück. „Was denn? Freust du dich nicht mich zusehen?“ „Das ist ja<br />

wohl eine Fangfrage!“ „Nein Robin<br />

, ich freu mich dich zu sehen. Und auf den Ausflug freu ich mich auch und du?“, fragte Ray und grinste. Na<br />

toll. „Dad, wo ist dein alter Baseballschläger?“, schrie ich und lief in den Garten.<br />

Kapitel 2<br />

„Man Drake, nimm deinen Ellebogen aus meinem Gesicht!”, fauchte ich genervt und schob Drakes Ellebogen<br />

weg. Mein Bruder saß neben mir im Auto und trommelte auf seinen Knien herum. Und das nervte mich<br />

tierisch.<br />

Ich rutschte näher an die Tür und drückte meine Stirn an die Fensterscheibe. Der Regen, der eingesetzte,<br />

als wir die Hälfte der Strecke hinter uns gelassen hatte, klatschte unbarmherzig gegen den Jeep von<br />

meinen Eltern.<br />

Jacob saß hinter mir im K<strong>of</strong>ferraum und hechelte mir seinen heißen Atem in den Nacken, Er war total<br />

aufgeregt und fiepte das Auto zusammen. Aber seit dem er bei mir war, hatte Ray sich nicht mal auf 10<br />

Meter an mich heran getraut.<br />

Deshalb musste Ray auch mit Jill, Megan und zwei weiteren Jungs mitfahren, während ich in dem Jeep mit<br />

Drake, Sara, Danny und Ryan teilte.<br />

Ich seufzte und steckte meine iPod-Kopfhörer in die Ohren. Während wir und La Push näherten, wurde ich<br />

PARAMORE beschallt. Gleichzeitig spürte ich Jacobs Kopf auf meiner Schulter.<br />

Auch wenn das Wochenende nicht gerade super angefangen hatte, musste ich doch lächelnd an den Morgen<br />

zurück denken - nach dem Jill und Megan mich aus dem Bett geworfen hatten -, als Jacob Ray in den<br />

Hintern gebissen hatte. Das war das Highlight gewesen.<br />

„Hey Robin! Mach doch nicht so ein Gesicht! Wir fahren raus in die Natur. Freu dich!“, schrie Drake in mein<br />

Ohr, nach dem er den Kopfhörer aus diesem entfernt hatte. Der Junge hatte echt keine Hobbys und<br />

besonders auf Reisen schien das der Fall zu sein.<br />

Ich drehte meinen Kopf in seine Richtung und sah ihn böse an. „Drake, kannst du nicht mit deiner Freundin<br />

rumknutschen? Dazu hast du sie schließlich mitgebracht! Nichts gegen dich Sara!“, meinte ich an sie<br />

gewandt. Ich mochte Sara. „Schon okay!“, erwiderte sie und lächelte.<br />

„Aber ich würde auch gerne etwas mit dir machen!“, schmollte Drake und sah mich beleidigt an. „Und das<br />

besteht daraus, mir ins Ohr zu brüllen? Hör mal Drake, du bist 19 und in dem Alter sollte man sich<br />

eigentlich selbst beschäftigen können!“, meinte ich gleichgültig und steckte mir den Kopfhörer wieder in die<br />

Ohren.<br />

Ich starrte aus dem Fenster und versuchte die Bäume da draußen zu zählen. Klappte nicht, da es leider zu<br />

viele waren. Hier war es aber wirklich grün.<br />

Aber als Drake das selbe aussprach, meinte Sara, unsere Expertin in Erdkunde und Biologie, dass es in<br />

Forks noch grüner war. Ich schauderte bei dem Gedanken von grün umgeben zu sein. Dabei war es meine<br />

absolute Lieblingsfarbe. Aber zuviel war zuviel.<br />

Drake war genau der selben Meinung. „Kannst die Bäume ja mit Farbe anmalen, damit du uns nicht verloren<br />

gehst! Vielleicht geben wir dir noch einen Laib Brot! So findest du den Weg schneller!“, lachte Sara und<br />

drückte Drake einen Kuss auf die Wange.<br />

Ich seufzte und lehnte mich an die Scheibe. Das rhythmische Trommeln des Regens half mit noch mal auf<br />

die Schnelle einzuschlafen.<br />

4


Doch mein kleiner Schlaf war nicht von langer Dauer, so kam es mir jedenfalls vor. Als die Türen zugeknallt<br />

wurden und jemand hupte, wachte ich auf. Aber eigentlich hätte ich gerne weiter geschlafen.<br />

Verwirrt sah ich zu Drake und Sara. Erster war selber noch am Schlafen und letztere stieg gerade aus. Ich<br />

schnallte mich ab und tat es ihr nach. Jacob hechelte und quiekte. Mit Sicherheit musste der auch mal aufs<br />

Klo.<br />

Ich schlug die Tür zu und ging zum K<strong>of</strong>ferraum, wo Sara sich streckte. „Was machen wir hier? Und wo sind<br />

überhaupt die anderen?“, fragte ich und öffnete den K<strong>of</strong>ferraum. S<strong>of</strong>ort sprang Jacob heraus und rannte<br />

hinter das nächste Haus.<br />

„Wir sind schon in La Push und die Jungs wollen noch in einen Laden gehen. Noch was kaufen, was wir<br />

vielleicht brauchen können. Kohle, Fleisch, Wasser!“, antwortete Sara.<br />

„Vielleicht bekomm ich da auch Stahlseile!“; murmelte ich und folgte Megan und Jill. „Warum?“, fragte Sara<br />

und schloss zu mir auf. „Damit kann ich Ray dann erwürgen. Aber wenn sie keine Stahlseile haben, nehme ich<br />

auch Plastiktüten!“, antwortet ich und zuckte mit den Schultern.<br />

„Du scheinst Ray wirklich nicht zu mögen!“ „Mögen? Sara, ich hasse den Kerl! Ray ist einfach ätzend. Wenn<br />

ich ihn sehe würde ich am liebsten kotzen. Aber ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte!“,<br />

fauchte ich.<br />

„Dann leg dir doch einen Freund zu! Vielleicht hört er dann auf, dir hinter her zu laufen!“, riet mir Sara.<br />

„Wenn das so einfach wäre. Alle meine Freunde hatten Angst vor Ray und sind kreischend davon gelaufen,<br />

wenn er kam!“, antwortete ich und ging durch die Regale.<br />

„Dann hast du den richtigen noch nicht gefunden!“ „Der kommt auch bestimmt nicht. Niemand hat den Mut,<br />

sich mit Ray anzulegen! Mein Freund müsste schon über 2 Meter groß sein und mehr Muskeln als Ray<br />

haben!“, antwortete ich Sara und schmiss die Dosen in den Korb.<br />

„Wenn ich so einen sehen sollte, sag ich dir bescheid!“, lachte Sara und knuffte mir in die Seite. „Danke<br />

Sara! Scheiße!“, rief ich, schmiss den Korb weg und stürmte nach draußen. Denn dort jagte mein Hund eine<br />

Katze.<br />

„Jacob, komm s<strong>of</strong>ort hier her!“, brüllte ich und lief auf den Baum zu, vor dem besagter Hund saß und die<br />

arme Katze anbellte.<br />

Doch als ich näher kam, schien es ihm mehr Spaß zu machen, kläffend vor mir weg zu rennen, als weiter vor<br />

dem Baum auszuharren. Warum konnte der Hund sich auch nicht mal entscheiden?<br />

Jacob lief um das Auto herum und macht freudige Sprünge, während ich ihm folgte. „Jacob, dass ist nicht<br />

witzig! Komm s<strong>of</strong>ort hier her! Du blöder Hund!“, keifte ich und sprang hinter dem Auto hervor. Doch mein<br />

Hund machte erneut einen Satz nach Vorne und stürmte die Straße runter.<br />

Er raste direkt auf eine Gruppe Jugendliche zu, die mich verwirrt anstarrte. Es waren acht Jungen und alle<br />

waren riesig, mit schwarzen Haaren, rotbrauner Haut und Muskeln wo man nur hin sah.<br />

Mein erster Gedanke war ‚Hilfe!!!’, aber dann konzentrierte ich mich wieder auf Jacob, der kläffend um die<br />

Gruppe sprang. Ich ignorierte die Jungs und sah Jacob böse an. Nur 10 Meter trennten mich von meinem<br />

Hund.<br />

„Jacob du blöder Hund! Komm s<strong>of</strong>ort her!“, knurrte ich und zeigte auf den Platz wo meinen Füßen. Doch<br />

dieser sah mich nur mit schief gelegten Kopf an. Aus dem Augenwinkel sah ich die verwirrten Gesichter der<br />

Jungs. Sie sahen zuerst mich an und dann den größten Jungen aus ihrer Gruppe.<br />

„Ich werfe gleich einen Schuh nach dir!“, knurrte ich warnend. Ich ignorierte das Kichern aus der Gruppe.<br />

Aber bei Jacob rührte sich nichts. „Ich mach das! Und du weißt, dass ich nicht gut treffen kann!“, ich<br />

beugte mich demonstrativ nach unten und band meinen Schuh auf.<br />

Wieder erreichte ich, dass Jacob mich schief an sah. Ich seufzte und wandte mich an die Jungs, ohne den<br />

Blick von Jacob zu nehmen.<br />

„So, ich schenke euch meinen Hund Jacob! Viel Spaß!“, rief ich und drehte mich um. Am Auto warteten<br />

schon die anderen und Ray lief mir auch noch entgegen. „Ich hätte Dads Baseballschläger doch mitnehmen!“,<br />

murmelte ich und stakste zum Auto.<br />

Hinter mir hörte ich lautes, kehliges Lachen und aufgeregtes Bellen. Nur wenige Sekunden später spürte ich<br />

eine kalte, feuchte Nase, die Jacob gegen meine Handinnenseite drückte.<br />

Ich ging in die Knie und sah Jacob an. „Willst du doch nicht bei denen bleiben?“, grinste ich und umarmte<br />

meinen Schäferhund. Als er anfing zu knurren und schließlich wütend bellte, wusste ich, dass Ray sich zu<br />

nahe an mich heran getraut hatte.<br />

Ich packte Jacob am Halsband und zog ihn zum Auto. Dort verfrachtete ich ihn in den K<strong>of</strong>ferraum und warf<br />

einen Blick auf Sara, die versuchte Drake, der immer noch schlief, zu wecken.<br />

5


„Na, hast du einen Hund eingefangen?“, fragte Sara und piekste Drake in die Wange. „Ja, nach dem ich ihn<br />

an eine Gruppe Jungendlicher verschenkt hatte!“, lachte ich und stieg ins Auto. Dort schnallte ich mich an<br />

und wartete.<br />

Nach dem ich alle an ihren Plätzen waren, fuhren wir los und suchten unseren Zeltplatz. Dieser lag irgendwo<br />

im Wald an einem Fluss. Eigentlich nicht schwer zu finden, aber nur, wenn man Fahrer mit eingebauten Navi<br />

hatte.<br />

Bis wir den Zeltplatz erreicht hatten, verbrachte ich die Zeit damit, Drake mit Sara ein bisschen zu ärgern.<br />

Sie piekste ihn in die Wange, während ich versuchte Papierkugeln in den <strong>of</strong>fenen Mund meines Bruders zu<br />

werfen versuchte.<br />

Und als ich die ersten 10 Kugeln versenkt hatte, hielten wir mitten im Wald auf einer großen Lichtung an.<br />

Sie war gerade mal so groß, dass die drei Autos und die knapp acht Zelte darauf Platz hatten.<br />

„He Drake, wir sind da! He!“, rief ich und verpasste Drake eine leichte Backpfeife. „Das musst du mit Gefühl<br />

machen!“, sagte Sara und nahm das Gesicht meines Bruders in ihre Hände. Und dann fing sie plötzlich an, ihn<br />

zärtlich zu küssen. Bevor es schlimmer werden konnte, stürmte ich aus dem Auto nach draußen.<br />

Die anderen waren inzwischen ausgestiegen und fingen an, ihre Sachen aus dem Auto zu laden. Jacob<br />

winselte ungeduldig und verlangte, dass ich ihn raus ließ.<br />

„Schon gut!“, murmelte ich und öffnete den K<strong>of</strong>ferraum. Jacob sprang raus und trottete neben mir her.<br />

Anscheinend wollte er nicht noch mal riskieren, dass ich ihn an eine Gruppe Indianerjungen verschenkte.<br />

Aber das konnte sich noch ändern.<br />

Ich gesellte mich zu Gut und Böse und sah den Jungs dabei zu, wie sie in Rekordzeit die Zelte aufbauten.<br />

„He Robin, willst du dein Zelt nicht aufbauen?“, fragte Jill und sah mich an. „Nein, ich warte, bis Ray seins<br />

aufgebaut hat. Dann weiß ich, wo ich es nicht aufbaue!“<br />

Kapitel 3<br />

„Wenn du noch näher kommst, schubs ich dich ins Feuer!“, knurrte ich warnend und wedelte mit dem<br />

glühenden Stock vor Rays Gesicht herum. Dabei setzte ich mich fast auf Ryans Schoß, bei dem Versuch vor<br />

Ray, der neben mir saß, zu flüchten.<br />

Hinter mir knurrte Jacob warnend und bedrohlich. „Schon gut!“, rief Ray und rückte von mir ab. Ich<br />

entschuldigte mich bei Ryan und hielt meinen Stock mit dem Würstchen ins Feuer.<br />

Plötzlich sprang Jill auf und stürmte zum Wagen. Ziemlich verwirrt starrten wir ihr hinter her. Sie kramte<br />

im K<strong>of</strong>ferraum und kam schließlich mit dem Objekt zurück, dass sie gesucht hatte.<br />

Triumphierend kam Jill mit Danny Akustikgitarre zurück und drückte sie mir in die Hand. „Was soll ich<br />

damit?“, fragte ich und sah sie verdutzt an.<br />

„Na was wohl? Spielen und Singen!“, meinte sie und sah mich auffordernd an. „Ich werde ganze sicher nicht<br />

singen! Ich kann noch nicht mal singen!“, protestierte ich und gab die Gitarre an Drake weiter. Der konnte<br />

spielen.<br />

„Quatsch! Ich hör dich doch jeden Morgen unter der Dusche singen. Naomi hat mich schon mal gebeten, das<br />

Radio lauter zu stellen!“, quasselte Megan dazwischen und ich hätte ihr am liebsten mein Würstchen an den<br />

Kopf geworfen. Böse, böse Schwester mit bösem, bösem Zwilling.<br />

„Nein, ich bin krank! Kann auf keinen Fall singen. Und ich hab beide Hände voll!“, antwortete ich und<br />

umklammerte den kleinen Stock mit beiden Händen.<br />

„Spielverderber!“, maulte Jill und gab die Gitarre schließlich an Danny, der anfing uns mit seiner rauchigen,<br />

kehligen und atemberaubender Stimme zu verzaubern.<br />

Eine Stunde vor Mitternacht stand ich auf und gähnte herzhaft. „Wie? Du bist schon müde?“, fragte Jill<br />

erstaunt, während sie in ihr Brot biss. „Ja, bin ich!“ War ich gar nicht, aber ich wollte unter keinen<br />

Umständen im dunklen Wald hocken. Ich hatte tierische Angst im Dunkeln.<br />

Ich hatte sogar Schiss alleine die drei Meter zu meinem Zelt zurück zulegen. Deshalb sah ich mich suchend<br />

nach Jacob und um und krabbelte mit ihm, nach dem ich Jacob gefunden hatte, ins Zelt.<br />

„Wenn du pupst, schmeiß ich dich aus dem Zelt!“, erklärte ich Jacob, während ich den Reißverschluss von<br />

meinem Zelt zu zog. Dieser winselte kurz und rollte sich neben meinem Kopfkissen zusammen.<br />

Ich legte meine Sachen vor den Eingang und stellte meinen sauberen Schuhe darauf. Dann öffnete ich den<br />

Schlafsack und krabbelte hinein. Ich schloss die Augen und lauschte.<br />

6


Ich war eigentlich nicht müde, aber der rhythmische Klang der Gitarre, das Knistern des Feuers, das leise<br />

Murmeln meiner Freunde und Jacobs ruhiger Atem brachte mich auf den schnellsten Weg in allbekannte<br />

Traumland.<br />

Mitten in der Nacht wachte ich auf, weil ich den leichten Drang verspürte, das ‚Klo’ aufzusuchen. Ich warf<br />

einen Blick auf meine Handyuhr, während ich mich aus dem Schlafsack kämpfte. Halb zwei morgens.<br />

Jacob neben mir sprang auf und drückte sich an meine Seite. „Nicht Jacob!“, nuschelte ich und drängte ihn<br />

beiseite. Jacob winselte verärgert, aber das war mir egal. Ich wollte jetzt nicht in der Nacht herum irren<br />

und meinen Hund suchen.<br />

Ich zog den Reißverschluss auf und schlüpfte nach draußen. Es war kühl und ich konnte sogar meinen Atem<br />

sehen. Aber ich wollte ja nicht lange draußen bleiben, dafür war es mir zu dunkel. Auch wenn das Feuer noch<br />

ein kleiner Aschehaufen war.<br />

Und es passierte, war passieren musste – nein, ich machte mir nicht in die Hose – Jacob schoss aus dem<br />

Zelt, quer über den Zeltplatz und rein in den Wald.<br />

„Na super!“, fluchte ich und krabbelte zurück ins Zelt. Blind suchte ich nach der Taschenlampe und kroch,<br />

als sie endlich gefunden hatte, wieder nach draußen. Diese knipste ich an und stakste zu dem lila Zelt direkt<br />

neben meinem.<br />

Alleine würde ich auf keinen Fall alleine in den Wald stolpern, deshalb mussten Jill und Megan mitkommen.<br />

Ich klopfte leise, um die anderen nicht zu wecken, gegen ihre Zeltwand und horchte.<br />

Doch ich hörte nichts und das war sehr seltsam, denn Jill schnarchte ziemlich laut. Verwirrt zog ich den<br />

Reißverschluss auf und leuchtete mit der Taschenlampe hinein. Es war leer.<br />

Panisch lief ich zu dem nächsten Zelt und leuchtete auch dorthinein. Auch dieses war leer. Genau wie die<br />

anderen auch. „Verdammt!“, fluchte ich. Nachtwanderung!<br />

Plötzlich raschelte etwas hinter mir im Gebüsch. Augenblicklich versteifte ich mich und umklammerte die<br />

Taschenlampe noch fester. Gleichzeitig wurde mir unglaublich heiß, so wie sonst immer, wenn ich kurz davor<br />

war, mir vor lauter Angst in die Hosen zu machen.<br />

Ich horchte weiter angestrengt. Eigentlich wollte ich zurück in mein Zelt krabbeln, ohne Jacob zu suchen,<br />

aber ich konnte mich vor lauter Angst nicht mehr bewegen.<br />

Doch als etwas hinter mir knackste, kam Leben in meine starren Muskeln. Mit einem lauten Schrei sprang<br />

ich nach vorne, trampelte den Aschehaufen nieder und stürzte in den Wald.<br />

Obwohl es stockdunkel war und ich die Taschenlampe nicht eingeschaltet hatte, schaffte ich es, den<br />

Bäumen auszuweichen. Aber über ihre Wurzeln stolperte ich trotzdem.<br />

Während ich durch den Wald jagte, zerkratzten Äste und Dornen meine Beine und meine Arme. Der kalte<br />

Wind peitschte meine Haare in alle Richtungen und kroch unter meinen Schlafanzug. Doch mir war so heiß<br />

vor Angst, dass ich es gar nicht merkte.<br />

Ich stolperte durch den Wald und versuchte meinen Atem unter Kontrolle zu bringen. Eigentlich war ich<br />

kein Mensch von der paranoiden Sorte, trotzdem hatte ich das Gefühl verfolgt zu werden.<br />

Immer wieder sah ich mich hektisch nach links und rechts um, doch ich konnte nichts sehen. Einmal glaubte<br />

ich aber von gelben Augen angestarrt zu werden, die höher lagen, als bei einem Pferd. Und ich meinte einen<br />

riesigen Schatten zu sehen, der meinen Weg kreuzte.<br />

Mein Herz klopfte wie verrückt und meine Lungen drohten zu bersten, aber ich zwang mich immer weiter zu<br />

laufen. Wenn ich stehen bleiben würde, wäre ich von der Dunkelheit umzingelt und ein gefundenes Fressen<br />

für Raubtiere.<br />

Doch plötzlich erinnerte ich mich an Jacob, der hier vollkommen alleine durch den Wald irrte.<br />

Wahrscheinlich hatte er auch noch Spaß dabei, mehr als ich jedenfalls. Überall so viele neue Gerüche und<br />

Geräusche. Trotzdem sollte er jetzt bei mir sein.<br />

Ich wollte gerade Luft holen und Jacobs Namen in die Nacht rufen, als ich plötzlich den Boden unter meinen<br />

Füßen verlor.<br />

Vor Überraschung war ich außerstande zu schreien. Ich zog nur scharf die Luft ein und schleuderte die<br />

Taschenlampe in Gebüsch, während ich mich mitten im Sturzflug befand. Nach einem sauberem Salto<br />

landete ich auf meinem Hintern.<br />

Doch damit war mein ‚Flug’ noch lange nicht beendet. Durch den Schwung wirbelte mein Oberkörper nach<br />

Vorne und in Purzelbäumen rollte ich den Hang runter.<br />

Die spitzen bohrten sich in meinen ganzen Körper und ich war mir sicher, dass das blaue Flecken geben<br />

würde. Große blaue Flecken.<br />

Ich rollte haarscharf an zwei Bäumen vorbei, bevor ich hinter einem Busch zum Erliegen kam. Ich stöhnte,<br />

Das musste wirklich ein langer Hang gewesen sein.<br />

7


Mir tat jeder nur erdenkliche Muskel in meinem Körper weh. Ich traute mich gar nicht, auch nur den kleinen<br />

Zeh zu bewegen. Doch mein Hintern tat so weh, dass ich mich unter großen Schmerzen auf den Bauch<br />

drehte. Das Gesicht im Moos.<br />

Ich war eine Zeit lang mit meinen Schmerzen beschäftigt, dass ich erst nach ein paar Minuten merkte, wie<br />

doll der Busch neben mir wackelte.<br />

Erschrocken hielt ich die Luft an und drückte mein Gesicht in das nasse Moos. Wieder spürte ich, wie die<br />

Hitze sich in meinem Körper verbreitete.<br />

Am liebsten hätte ich geheult, aber dann hätte ich dem Tier nur einen Anreiz gegeben, näher zu kommen<br />

und mich zu betrachten. Und vielleicht würde es mich ja so interessant finden, dass es mit mir spielen<br />

wollte. Und dann spielte es mich zu Tode. So wie Jacob mit den armen Mäusen immer. Ne, da stellte ich<br />

mich lieber tot.<br />

Plötzlich hörte ich etwas, dass sich anhörte, als würde ein Hund seine Nase auf den Boden drücken und<br />

etwas suchen. Eigentlich wollte ich keinen Laut von mir geben, aber irgendwie stieß ich doch ein leises,<br />

ängstliches Wimmern aus.<br />

Das Schnüffeln verstummte und etwas entfernte sich. Erleichtert atmete ich tief durch. Ein großer Fehler.<br />

Es fühlte sich an, als würde jemand mit einem Knüppel auf mich einprügeln.<br />

„Au! Au!“, jammerte ich und blinzelte angestrengt gegen die Tränen. Ich durfte auf keinen Fall heulen.<br />

Plötzlich sah ich aus dem Augenwinkel, wie etwas großes auf mich zu kam. Ich schätzte es auf knapp zwei<br />

Meter oder so.<br />

Ich war der festen Überzeugung, dass es ein Bär war. Egal wie elegant oder leise sich der Schatten<br />

bewegte. Ich wollte auf keinen Fall sterben. Nicht jetzt, nicht hier und nicht so.<br />

Der Bär kam weiter auf mich zu und jetzt sah ich auch etwas, dass aussah wie zwei Arme und zwei Hände.<br />

Doch ein Mensch.<br />

Ich atmete erleichtert auf und drehte mich, so gut es mein schmerzender Körper erlaubte, in die Richtung<br />

meines Finders und Retters.<br />

„Alles okay?“, fragte eine raue Stimme. Während der dazugehörige Mensch sich direkt neben mich hockte.<br />

Augenblicklich wurde mir wieder heiß und dabei hatte ich gar keine Angst. Aber ich erinnerte mich wieder<br />

an seine Frage. „Kann man sich den Arsch brechen?“<br />

Kapitel 4<br />

Der Junge, von einer beträchtlichen Größe, legte den Kopf schief und starrte mich an. Zuerst dachte ich, er<br />

würde überlegen, aber dann merkte ich, dass er nicht blinzelte. Das war doch nicht gut für die Augen, die<br />

trocknen aus.<br />

Nach einer Weile machte ich mir Sorgen. Aber als ich etwas sagen wollte, schien er aus seiner Starre zu<br />

erwachen. Er blinzelte sogar, aber er starrte mich immer noch so an. Das gefiel mir irgendwie nicht.<br />

„Was ist denn passiert?“, fragte er und lächelte liebevoll. „Ich bin den Hang runter gerollt und jetzt hab<br />

ich mir, glaub ich, das Steißbein gebrochen!“, keuchte ich.<br />

„Kannst du aufstehen?“, fragte mein Retter, dessen Namen ich nicht kannte und sah mich besorgt an. „Ich<br />

glaube nicht!“ „Na dann helf’ ich dir. Am besten ich bring dich ins Krankenhaus!“, sagte er und hob mich<br />

irgendwie hoch. Doch es ließ sich nicht vermeiden, dass ich erschrocken aufschrie, als mich der Schmerz<br />

durchzuckte.<br />

„Tut mir leid!“, meinte er bekümmert und marschierte los. „Moment! Wir müssen Jacob finden!“, rief ich und<br />

fasste ihm am Arm. Plötzlich fiel mir auf, wie heiß seine Haut im Gegensatz zu meiner war. Fast als hätte er<br />

Fieber.<br />

„Jacob?!“, fragte er und knurrte mir den Namen geradezu entgegen. Darauf fluchte er leise vor sich hin,<br />

aber so schnell, dass ich kein einziges Wort verstand. Was hatte er den gegen Jacob?<br />

„Ja, meinen Hund! Wegen ihm sitz ich doch hier in der Scheiße...sorry. Und ich hab mir wahrscheinlich den<br />

Arsch gebrochen!“, letzteres flüsterte ich nur, aber der Junge lachte schallend.<br />

„Jacob!“, brüllte ich in die Nacht und lauschte. Nichts. Der Junge trug mich weiter durch den Wald und ich<br />

wunderte mich, dass er so gut sehen konnte, dass er nirgendwo gegen lief.<br />

8


„Sag mal, wie heißt du eigentlich?“, fragte ich, ohne ihn anzusehen. „Embry. Und du?“ Ich spürte seinen<br />

heißen Atem in meinem Nacken und bekam augenblicklich eine Gänsehaut. Wahrscheinlich schlussfolgerte<br />

Embry, dass mir kalt war und drückte mich eng an seine heiße Brust.<br />

„Robin!“, antwortete ich wahrheitsgemäß und schloss die Augen. Diese Wärme war wirklich angenehm,<br />

besonders da der kalte Wind mir erbarmungslos ins Gesicht blies. Brrrr. Kalt. Arschkalt.<br />

„Ich glaube, du wurdest schon vermisst!“, sagte Embry und deutet in den Wald. „Hä?“, ich sah Embry<br />

fragend an. Ich konnte seinen Gesichtausdruck nicht sehen, aber plötzlich hörte ich meinen Namen leise<br />

durch den Wald hallen, begleitet durch das aufgeregte Bellen eines Hundes.<br />

„Da sind sie!“, flüsterte ich und versuchte mich in Embrys Armen aufzurichten. Plötzlich verschwammen die<br />

Bäume um mich herum zu einem einzigen schwarzen Fleck. Embry lief schneller. Konnte er dass überhaupt<br />

mit mir in den Armen?<br />

„Robin!“, brüllten Jill und Megan, als sie mich in Embrys Armen, dem sie mit einer Taschenlampe ins Gesicht<br />

leuchteten, erkannt hatten. Jacob kam hinter ihnen her gerannt. Der blöde Hund hatte also doch zum<br />

Zeltplatz gefunden.<br />

„Ja, hier bin ich!“, sagte ich kleinlaut, als ich ihre strafenden Blicke sah. „Robin! Wie kannst du uns nur so<br />

erschrecken? Hast du gar kein Herz?“, jammerte Megan und sah mich vorwurfsvoll an.<br />

Natürlich hatte ich eins. Was sollte den sonst so heftig in meiner Brust schlagen, dass ich der Meinung war,<br />

dass alle es hören konnten?<br />

„Jetzt wird mal nicht dramatisch! Sie ist ja gefunden worden! Und außerdem wissen wir doch alle, dass<br />

Robin furchtbare Angst im Dunkeln hat und sich ohne Begleiter und Taschenlampe keinen Millimeter<br />

bewegt!“, erklärte Jill. Die war auch froh, dass ich wieder da war. Aber für die blöde Bemerkung hätte ich<br />

sie erwürgen können.<br />

Aber Megan war noch nicht fertig. „Das ist es ja! Warum warst du überhaupt draußen?“, fragte sie direkt<br />

an mich gewandt. Dass ich immer noch in Embrys Armen lag schien hier jeder vergesse zu haben.<br />

„Ich wollte nur auf die Toilette gehen! Das muss ich eigentlich immer noch! Und dann ist Jacob abgehauen.<br />

Ab in den Wald. Ich hab bei euch allen ins Zelt geguckt, damit ihr ihn suchen geht, aber ihr wart ja nicht<br />

da. Also bin ich alleine los und bei meinem Glück hat es ja nicht lange gedauert, und ich bin den Abhang<br />

runter gedonnert! Embry hat mich dann gefunden!“, erzählte ich und zeigte auf meinen Finder.<br />

„Embry?“, fragten die Zwillinge überrascht und bekam große Augen, als sie ihm noch mal an leuchteten.<br />

Verwirrt sah ich sie an und schaute dann selber noch mal zu Embry. Mir fiel ein, dass ich ihn selber noch gar<br />

nicht richtig angeguckt hatte.<br />

„Oh!“, entfuhr es mir, als ich auf Embry nackte Brust blickte. Hatte er die ganze Zeit schon kein Shirt<br />

angehabt? War ja auch egal! Wer wo einen muskulösen Oberkörper hat, muss sich dafür ganz sicher nicht<br />

schämen! Ganz bestimmt nicht.<br />

Jill leuchtete ihm ins Gesicht. Ich folgte dem Lichtstrahl und sah in ein paar schwarze Augen. Embry sah<br />

mit seinen hohen Wangenknochen und den tiefliegenden Augen aus wie 25. Mit seiner rostbraunen Haut und<br />

den schwarzen Haare, die ihm knapp über die Ohren reichten, erinnerte er mich sehr stark an einen<br />

Indianer.<br />

„Robin!“, brüllte jemand meinen Namen und kam über den ganzen Zeltplatz gestürmt. Natürlich war es Ray.<br />

„Den Kerl erschieß ich irgendwann!“, knurrte ich leise.<br />

„Da bist du ja endlich! Ich ha...wer ist denn das?“, fragte er und sah Embry mit zusammen gekniffenen<br />

Augen an. Ray reichte ihm gerade mal bis zur Schulter.<br />

Ja, siehst du Ray? Ich werde von einem halbnackten Indianer, der obendrein sehr sexy ist, auf Händen<br />

getragen. Zwar nur, weil ich nicht mehr laufen kann, aber immerhin! Also mach die Fliege!, dachte ich<br />

grimmig und drückte mich an Embrys Brust. Dieser verstärkte seinen Griff.<br />

Ray sah aus, als würde er Embry am liebsten an die Gurgel springen. „Ja, Embry!“, murmelte Jill und grinste<br />

den erwähnten verführerisch an. „He!“, protestierte ich und schlug nach ihr. Ich hatte ihn ja wohl zuerst<br />

gesehen.<br />

„Am besten, wir bringen Robin ins Krankenhaus!“, meinte Megan , die Embry nur dankend ansah, anstatt ihn<br />

direkt hinter den nächsten Busch zerren zu wollen.<br />

„Ja, bringt mich ins Krankenhaus!“, stimmte ich ihr zu. „Ich fahr euch!“, rief Ray, mit den Schlüsseln in der<br />

Hand und rannte zum Auto. Ich stöhnte und versuchte mich aus Embrys Armen zu winden.<br />

Doch dieser hielt mich fest umklammert. „Ich trag dich besser. Laufen kannst du sicher nicht!“, meinte er<br />

und grinste. Ich grinste zurück.<br />

9


„Du bist doch sicher von hier, oder? Kannst du uns den Weg zum nächsten Krankenhaus zeigen?“, schleimte<br />

Jill und katapultierte sich auf meine Abschussliste. Mach dich nicht an meinen Retter ran, Ich hab ihn<br />

zuerst gesehen.<br />

Als Jill meinen bohrenden Blick bemerkte, zuckte sie mit den Schultern und sah mich mit ihrem „Der-istdoch-viel-zu-alt“<br />

– Blick an. Woher wollte die das denn wissen?<br />

„Okay,!“, rief der knapp zwei Meter Junge und quetschte sich mit mir in den Armen in den Land Rover von<br />

Ray. Der knirschte laut mit den Zähnen, als er Embry erkannte.<br />

Während Embry sich anschnallte, nutzte ich die Gelegenheit und rutschte von seinem Schoß. Einmal aus<br />

Platzmangel und weil die Hitze, die von seinem Körper ausging, langsam aber sich unerträglich wurde.<br />

Doch als ich mich auf meine vier Buchstaben setzen wollte, taten diese höllisch weg. Vor Schmerz verzog<br />

ich das Gesicht und drehte mich, ohne vorher zu überlegen, auf den Bauch.<br />

Dabei platzierte ich mein Kinn auf Embrys heißen Oberschenkel. Mein Kopf leuchtete so hell wie eine<br />

Signalleuchte und ich war mir sicher, man konnte sie im ganzen Wald sehen. Ich war gar nicht aufdringlich,<br />

aber leider war diese Position nun mal die bequemste. Embry grinste.<br />

„Dr. Cullen kommt s<strong>of</strong>ort!“, sagte die junge Schwester zu uns und verschwand mit rosigen Wangen. Embry<br />

hatte Ray, die Zwillinge und mich in das Krankenhaus in Forks dirigiert und am Empfang ausdrücklich nach<br />

Dr. Cullen verlangt.<br />

„Der Arzt muss ja total soll sein!“, murmelte Ray und starrte verärgert auf Embry, der mich ansah. Ich<br />

wieder rum schaute immer wieder nach rechts und links und hielt ungeduldig nach diesem Dr. Cullen<br />

Ausschau.<br />

Megan und Jill schnappte beide gleichzeitig hörbar nach Luft. Ich dachte zuerst, sie litten unter Atemnot,<br />

aber dann sah ich den Auslöser den Gang entlang gehen.<br />

Schweben würde es wohl besser treffen. Anders konnte man den Gang des engelsgleichen Arztes nicht<br />

vergleichen. Der Mann sah noch ziemlich jung aus, unter dreißig auf jeden Fall. Seine Haut war weiß wie<br />

Schnee. Er sah einfach perfekt aus. Perfekt und wunderschön. Besonders seine goldenen Augen.<br />

„Hallo!“, sagte er und lachte charmant. Ich musste aufpassen, dass ich nicht sabbere oder ähnlich peinliches<br />

machte. „Gute Nacht!“, sagte ich und nahm seine eiskalte Hand entgegen.<br />

Als Dr. Cullen lachte und ich beinahe dahin schmolz, realisierte ich den Sinn meiner Worte. „In der Tat eine<br />

gute Nacht!“, lächelte er und führte mich in ein Behandlungszimmer. Meine Schwestern und ich folgten<br />

bereit willig.<br />

„Also, was ist denn passier?“ „Ich hab mich verlaufen und nach einem Sturz wahrscheinlich den Ar...das<br />

Steißbein gebrochen!“, schilderte ich den Vorfall kurz.<br />

„Okay, dann legen sie sich bitte auf die Liege, Miss...!“, er sah mich fragend an und augenblicklich wurde ich<br />

rot. Ich hatte wohl den peinlichsten Namen der Welt. „Van Helsing!“, sagte ich leise.<br />

Kapitel 5<br />

„Wie kannst du mir nur so einen Schrecken einjagen? Bist du lebensmüde? Alleine im Wald umher irren?<br />

Dabei hast du doch solche Angst im Dunkeln!“, brüllte meine Mutter, so laut, dass man sie auch in der<br />

Leichhalle gut verstehen konnte.<br />

Und aus diesem Grund drückte ich mich tiefer in die <strong>Kiss</strong>en. Gott sei Dank hatte ich ein Einzelzimmer. Mum<br />

und Dad waren vor anderthalb Stunden in Forks angekommen. Sie waren s<strong>of</strong>ort los gefahren, als sie von<br />

Megan gehört hatten, dass ich mit einem gebrochenem Steißbein im Krankenhaus lag.<br />

Gerade als Mum Luft holte, um mir erneut mit zuteilen, wie dumm ich doch gewesen, kam Dad mit Embry und<br />

Kaffee ins Zimmer. Embry war der einzige, der mir geblieben war, dabei war er mir fremd.<br />

Er war da gewesen, als Dr. Cullen mein Steißbein abgetastet – das hatte weder mir, noch Embry gefallen –<br />

und mir das Morphium gegeben hatte.<br />

Nach ein paar Stunde hatte ich nach mehr verlangt, aber Dr. Cullen hatte nur gelacht und war gegangen –<br />

ohne mir das Morphium gegeben zu haben. Aus Protest hatte ich den Alarmknopf so lange gedrückt, bis eine<br />

Schwester ihn mir weggenommen hatte. Dabei wusste ich gar nicht, dass das überhaupt ging.<br />

„Robin, nun hör mir doch zu, wenn ich mit dir rede!“, maulte Mum und schlug mir auf den Oberschenkel.<br />

Natürlich hörte ich ihr zu, hatte ich schon die ganze Zeit. Wie konnte man ihr, bei der lauten Stimme, die<br />

sie hatte, nicht zuhören? Aber seit 10 Minuten sprach sie über dreckige Wäsche.<br />

10


„Oh, ich glaub die Medikamente fangen an zu wirken!“, rief ich und rollte mit dem Kopf über das <strong>Kiss</strong>en.<br />

Dabei knisterten meine feuerroten Locken.<br />

„Du hast gar keine Medikamente bekommen!“, lachte Dr. Cullen und betrat das Zimmer. Ich warf ihm einen<br />

vernichtenden Blick zu, während Embry und Dad kicherten und Mum mir einen ungläubigen Blick zu warf. Ja,<br />

ich hatte meine Mutter angelogen. Schande über mich und jetzt komm ich in die Hölle.<br />

„Bekomm ich denn wenigstens mein Morphium? Mein Hintern tut wieder weh“, meinte ich und drückte mein<br />

Becken nach oben. „Kind! Du hörst dich an, wie einer von diesen Junkies, die ein Vater immer aufgabelt!“,<br />

rief Mum empört und wandte sich zu Dr. Cullen, um von ihm die Bestätigung zu erhalten.<br />

Doch ihr blieb der Protest im Hals stecken, als sie in Dr. Cullens honiggoldenen Augen sah. Ich grinste. Ja,<br />

dass musste ich auch durch machen, seit ich hier eingeliefert worden war. Aber ich fand, dass ich mich<br />

ziemlich schnell daran gewöhnt hatte. So nach 10 Stunden.<br />

Papa, der übrigens Polizist oder eher ein SWAT war, schnaubte verärgert und betrachtete Mama und den<br />

Arzt mit verschränkten Armen. Doch die hing an Dr. Cullens Lippen, während er ihr erklärte, dass ich noch<br />

mindestens eine Woche hier bleiben müsste, da ich mein Steißbein schonen musste. Leider konnte man es ja<br />

nicht eingipsen.<br />

Nach seiner Blitzaufklärung wandte Dr. Cullen sich wieder an mich und seufzte gespielt: „Wenn ich dir das<br />

Morphium gebe. Lässt du dann die Schwestern in Ruhe?“ Ich nickte eifrig und sah auffordernd zu dem<br />

Tropf an meiner rechten Seite. Dabei begegnete ich Embrys Blick. Er grinst und ich grinste zurück.<br />

Nach dem Dr. Cullen mir das Morphium verabreicht hatte, hatte er sich freundlich verabschiedet und war<br />

aus meinem Zimmer geschwebt. Mum sah ihm hinter her und seufzte. „So ein netter Arzt!“, sagte sie,<br />

während Dad verärgert schnaubte. „Ja und noch ziemlich jung. Der sieht aus wie 26!“, fügte ich hinzu uns<br />

sah zu Mum.<br />

Diese drehte sich erstaunt um und sah mich fragend an. „Wirklich? So jung und schon Arzt?“ „Der muss<br />

halt gut gewesen sein!“, lachte ich und grinste Embry an. Ich sah s<strong>of</strong>ort, dass sein Grinsen nicht echt war.<br />

„Na ja, mein Schatz, wir fahren dann mal! In einer Woche kommen wir dich wieder abholen. Gute<br />

Besserung!“, rief Dad schnell, gab mir einen Kuss auf die Stirn und verschwand dann auch schnell mit Mum<br />

aus dem Zimmer.<br />

„Eine ganze Wochen in diesem Krankenhaus! Jippie!“, murmelte ich lustlos und sah zu Embry. „Ich kann dir<br />

ja Gesellschaft leisten!“, schlug er vor und zog seinen Stuhl näher an mein Bett. Die Hitze, die von seinem<br />

Körper ausging traf mich wie eine Abrissbirne.<br />

„Das wäre wirklich nett, aber musst du nicht in die Schule?“, fragte ich und sah Embry abwartend an.<br />

Dieser schüttelte den Kopf und grinste. „Ne, wir haben einen Rohrbruch und die ganze Schule steht unter<br />

Wasser. Die Reparaturen dauern bis Freitag!“<br />

„Mhmmm...okay!“, murmelte ich und griff nach der Fernbedienung. „Sollen wir ein Spiel spielen?“, fragte ich,<br />

nach dem ich nicht interessantes oder aufregendes im Fernsehen gefunden hatte.<br />

Embry sah mich mit großen Augen an. „Ich meinte Brettspiele!“, lachte ich und warf die Decke weg. „Ah...und<br />

was machst du jetzt?“, fragte er und drückte mich an der Schulter wieder in die <strong>Kiss</strong>en. „Eigentlich wollte<br />

ich auf den Knopf drücken und eine Schwester bitten, mir ein Brettspiel zu bringen, aber den hab ich ja<br />

nicht mehr und deswegen wollte ich hin gehen!“<br />

„Das mach ich lieber!“, sagte er und sprang von seinem Stuhl auf. „Ist gut!“, murmelt eich und sah ihm hinter<br />

her. Embry war wirklich nett und ich war ihm sehr dankbar, dass er mich gefunden hatte. Aber warum hing<br />

er wie eine Klette an mir?<br />

Während ich darüber nach dachte, kam Embry zurück in mein Zimmer gelaufen. „Ich hab nur „Mensch -<br />

ärger - dich - nicht“ gefunden!“, meinte Embry und legte das Spiel auf meinen kleinen Tisch. „Okay, dann<br />

spielen wir!“, rief ich und baute das Spiel auf.<br />

„Das Spiel ist do<strong>of</strong>! Das sollte „Embry – ärger – dich – nicht“ heißen!“, motzte Embry, als ich mein drittes<br />

Spielmännchen ins Häuschen brachte und sein letztes zu den anderen drei katapultierte.<br />

Ich lachte und würfelte noch einmal. „Ne, das Spiel soll ruhig so heißen, wie jetzt!“ „Ich find es aber<br />

trotzdem do<strong>of</strong>! Da hab ich keine Chance zu gewinnen!“, maulte Embry, würfelte aber tapfer weiter.<br />

„Dann willst du aber bestimmt kein „Stadt – Land – Fluss“ mit mir spielen!“, grinste ich und brachte meine<br />

letzte Figur ins Ziel. Embry bemerkte das gar nicht, sondern würfelte verbissen weiter und versuchte so<br />

eine sechs zu bekommen.<br />

„Warum nicht?“, fragte er ohne aufzuschauen. „Meine Familie und Freunde meinen, ich wäre zu schnell.<br />

Dabei sind sie einfach zu langsam. Jetzt wollen sie mich nicht mehr mitspielen lassen!“, erzählte ich ihm und<br />

lachte.<br />

11


„Kann ich nicht verstehen! Ich spiele gern mit dir. Auch wenn ich anscheinend schon verloren habe!“, sagte<br />

Embry und schmiss die Figuren hin. „Okay, du hast es so gewollt. Wir spielen jetzt „Stadt – Land – Fluss“!“,<br />

rief ich und zückte Stifte und Papier.<br />

Wenn es ihm etwas ausmachte, dass er verlor, dann ließ Embry sich das nicht anmerken. „Ich hab doch<br />

gesagt, mit mir Spielen macht keinen Spaß!“, sagte ich zu ihm, nach dem wir die Punkte zusammen gerechnet<br />

hatten. Ich hatte 485 und Embry 140.<br />

„Tja, du bist in dem Spiel einfach unschlagbar!“, murmelte Embry und kratzte sich am Kopf. „Ja und selbst<br />

als Dr. Cullen vorbei kam und dir Antworten vorgesagt hat, die selbst ich nicht kannte, konntest du nicht<br />

gewinnen!“<br />

„So ist das Leben!“, erzuckte mich den Schultern. „Das Leben ist schon unfair!“, gähnte ich und ließ mich<br />

tiefer in die <strong>Kiss</strong>en sinken. „Bist du müde?“, fragte Embry und zog meine Decke höher.<br />

„Ja, schon!“, erwiderte ich und gähnte noch einmal. „ ‚Stadt – Land – Fluss’ und ‚Mensch - ärger - dich –<br />

nicht’ spielen ist schon anstrengend!“, lachte Embry und setzte sich zurück auf den Stuhl. Ich lächelte und<br />

schloss die Augen.<br />

Als ich wieder aufwachte, war Embry nicht mehr da. Ich merkte es daran, weil mein Zimmer irgendwie kalt<br />

war. Verwirrt öffnete ich die Augen und sah mich um. Nein, Embry war wirklich nicht da und mein Zimmer<br />

war leer.<br />

Ich hätte eine Schwester fragen können, aber ich musste auf Klo und konnte so direkt mal selber gucken,<br />

wo er war. Unbeholfen schlug ich die Decke web und schwang die Beine über den Rand des Bettes. Da ich<br />

keine Schmerzen verspürte, ging ich davon aus, dass das Morphium noch wirkte.<br />

„Entschuldigung, haben sie vielleicht einen Jungen gesehen? Schwarze Haare, schwarze Augen, groß,<br />

rotbraune Haut und Muskeln überall?“, fragte ich eine Schwester nach meinem erfolgreich absolvierten<br />

Toilettengang.<br />

Die Schwester, die ich noch vom ersten Tag hier kannte, lächelte und nickte den Gang runter. „Einer von<br />

denen wird es sicher sein!“, sagte sie und wandte sich dann wieder ihrem Stapel Formulare zu, die auf ihrem<br />

Tisch lagen.<br />

Ich folgte ihren Blick und entdeckte eine große Gruppe Indianerjungs. Unter ihnen war Embry. Ich erkannte<br />

ihn s<strong>of</strong>ort, auch wenn er mit dem Rücken zu mir stand.<br />

Die anderen, die mir ziemlich bekannt vor kamen, schienen auf ihn einzureden, aber ohne Erfolg. „Danke!“,<br />

meinte ich an die Schwester gerichtet und drehte mich wieder um.<br />

„Robin, du sollst doch nicht aufstehen!“, rief Embry und eilte den Gang entlang. Seine Freunde wurden<br />

ignoriert. „Ich musste doch nur auf Toilette!“, gab ich verwirrt zurück und ließ mich von Embry zurück in<br />

mein Zimmer schieben. Dort wurde ich dann ins Bett gehoben.<br />

Plötzlich räusperte sich jemand hinter Embry. Ich lehnte mich aus dem Bett und versuchte um Embry<br />

herum zu schauen. Acht Jungs, die beinahe die Decke berührten, betraten mein Zimmer.<br />

„Du bist also das Mädchen, für das Embry die Schule schwänzt!“, lachte der Größte von allen. Ich sah zu<br />

Embry. Von wegen Wasserrohrbruch.<br />

„Ja, anscheinend! Ich bin Robin!“, stellte ich mich brav vor. „Hi, ich bin Jacob. Und das sind Quil, Sam,<br />

Seth, Jared, Paul, Brady und Collin!“, grinste er und zeigte nach einander auf die genannten Jungs.<br />

„Auch du meine Güte!“, rief ich und schlug Hände vors Gesicht. Jacob...wie mein Hund. „Das tut mir wirklich<br />

leid. Ich wusste nicht, dass du wie mein Hund heißt!“, meinte ich und lief knallrot an. „Schon gut! Am Ende<br />

hab ich ja auch gemerkt, dass ich nicht gemeint war!“<br />

Kapitel 6<br />

„Nun mach doch nicht so ein Gesicht Robin!“, motzte Mum und knallte die Tür zu. Sie war verärgert und nur<br />

weil Papa mal wieder getrödelt hatte. Um 13.00 Uhr wollten sie in Port Angeles mein Kleid für die Hochzeit<br />

morgen abholen und jetzt war es 12.43 Uhr.<br />

„Ich darf gucken, wie ich will! Ist ja schließlich mein Gesicht!“, keifte ich zurück und sah verärgert aus dem<br />

Fenster. Wir standen immer noch auf dem Krankenhausparkplatz und genau deshalb konnte ich in Embrys<br />

trauriges, niedergeschlagenes und verärgertes Gesicht gucken.<br />

In der letzten Woche hatte ich mich super mit Embry und seinen Freunden verstanden. Sie waren mir<br />

richtig ans Herz gewachsen, aber ich wusste nicht warum.<br />

12


Auch wenn die Geschichte mit dem Wasserrohrbruch erstunken und erlogen war, ging Embry nicht in die<br />

Schule. Nur um mir Gesellschaft zu leisten. Und auch wenn ich fand, dass er eigentlich on die Schule gehen<br />

sollte, war seine Anwesenheit sehr angenehm.<br />

Aber jetzt war mir zum Heulen zu mute, weil ich es total verpennt hatte, Embry nach seiner Adresse oder<br />

Handynummer zu fragen. Wir würden uns also nie wieder sehen...so ein Scheiß aber auch.<br />

„Aber Schätzen, warum weinst du denn?“, fragte meine Mom bestürzt und sah mich schockiert an. „Tu ich<br />

gar nicht!“, schluchzte ich und schnallte mich an. Moment...ich heulte ja wohl. Wie traurig. Und so hatte ich<br />

gleich noch einen Grund zu weinen.<br />

„Natürlich weinst du! Ist es wegen diesem Arzt? Er ist doch viel zu alt für dich!“, sagte Mum. „Quatsch! Es<br />

ist wegen diesem Jungen! Nicht wahr Spätzchen?“, manchmal war Dad echt klasse.<br />

„Ja!“, heulte ich und haute meinen Kopf gegen die Fensterscheibe. „Oh Süße! Das wird schon. Du kanntest<br />

ihn doch gerade mal eine Woche!“, meinte Mom so gefühlvoll wie ein Stein.<br />

„Nun sag doch nicht so was!“, rief Dad empört und sah Mom vorwurfsvoll an, während er vom Parkplatz fuhr.<br />

Ich sah durch das Heckfenster nach draußen. Noch immer stand Embry vor dem Eingang, mit hängendem<br />

Kopf.<br />

„Robin! Mäuschen! Man trifft sich immer zweimal wieder im Leben! Dass weißt du doch!“, sagte Dad und<br />

lächelte mich aufmunternd durch den Rückspiegel an. „Ich weiß Dad, aber ich weiß nicht wann!“, jaulte ich<br />

und zog die Nase hoch.<br />

„Na ja, aber immer hin! Und wenn es dich glücklich macht, können wir in den Ferien mal hier runter fahren!“,<br />

meinte Dad und versuchte mich so zu trösten. Er schaffte es auch.<br />

„Jetzt weiß ich, warum du der beste Dad auf Erden bist!“, erwiderte ich und wischte mir die Tränen aus<br />

dem Gesicht. Mom räusperte sich. „Du bist die beste Mom auf Erden!“, fügte ich schwach lächeln hinzu,<br />

damit sie nicht beleidigt war.<br />

Mom lächelte zufrieden und ließ mich in Ruhe. Ich seufzte und sah aus dem Fenster. Das Wetter passte gar<br />

nicht zu meiner Stimmung. Die Sonne schien und die Wolken verzogen sich. Es sollte verdammt noch mal<br />

regnen.<br />

Plötzlich raste etwas großes graues neben unserem Auto durch den Wald. Ich glaubte die Umrisse eines<br />

Wolfes zu erkennen. Eines sehr großen Wolfes. Der musste so groß wie ein Pferd sein und genauso schnell<br />

oder schneller. Aber so riesige Wölfe gab es gar nicht. Jetzt drehte der Wolf seinen Kopf und sah mich<br />

direkt an.<br />

Ich blinzelte erschrocken – der Wolf war weg. „Seltsam!“, murmelte ich verwirrt und sah wieder nach vorne.<br />

„Was ist seltsam, Schatz?“, fragte Mom neugierig, da ich ihr Auto nicht mehr mit meinen Tränen<br />

verschmutzte.<br />

„Ähm...da war ein Baum, der hatte ein rotes Blatt und die anderen waren alle grün!“, log ich und lächelte.<br />

Mom nickte zufrieden: „Das ist wirklich seltsam!“ Nur Dad sah mich skeptisch an. In seinem Job hatte er<br />

gelernt Lügen zu erkennen und zu entlarven. Genauso wie bei mir gerade.<br />

Doch mir zu liebe und weil Mom dabei war, wollte er die Wahrheit noch nicht von mir wissen. Er würde mich<br />

später noch mal fragen. Dann würde ich es ihm auch erzählen.<br />

Da ich keine Lust hatte, meinen Eltern noch länger bei ihren unwichtigen Gesprächen zu zuhören, schloss ich<br />

die Augen. Nach einer Seite ließ ich mich auf die Seite fallen. Das war viel bequemer als die Stirn an die<br />

Scheibe zu pressen.<br />

„Hey Robin! Aufwachen!“, die leise Stimme drang zusammen mit einem kalten Windstoß an mein Ohr.<br />

Verwirrt öffnete ich die Augen und sah mich um. Das Auto hatte angehalten.<br />

Im nächsten Moment sprang mir etwas flauschiges entgegen und sah mich mit gelben Augen liebevoll an.<br />

„Jacob!“, lächelte ich und schlang die Arme um den Schäferhund. Ich hatte ihn ja so lieb. Schließlich hätte<br />

ich ohne ihn Embry nie kennen gelernt.<br />

„Schön das du mich auch so stürmisch begrüßt!“, rief Luna, meine beste Freundin. „Pff!“, machte ich und<br />

hievte meinen Körper aus dem Auto. „Ja, warum sollte man auch die beste Freundin begrüßen?“, lachte Luna<br />

und umarmte mich fest.<br />

„Mensch Robin, was machst du nur immer? Wenn man dich nur ein Wochenende aus den Augen lässt, brichst<br />

du dir das Steißbein!“, lachte Luna und schob mich in das Brautgeschäft ihrer Mutter.<br />

„Kann sein! Aber du weißt gar nicht, was da für leckere Jungs rumgelaufen sind! Und dieser Dr. Cullen! Wenn<br />

du den siehst, würdest du dir freiwillig das Bein brechen!“, grinste ich und zückte mein Handy.<br />

Während Luna sich die Fotos, die ich mit Einverständnis oder papparazomäßig geschossen hatte, ansah,<br />

manövrierte ich uns in den hinteren Teil des Ladens. Dort suchten Mom und Lunas Mutter Sophie unsere<br />

Kleider.<br />

13


„Und das war dein behandelnder Arzt?“, fragte Luna, mit neidischem Unterton und tippte auf das Foto von<br />

Dr. Cullen. „Ja!“, erwiderte ich stolz.. „Meine Mom und alle Schwestern im Krankenhaus lagen ihm zu Füßen!“,<br />

fügte ich grinsend hinzu.<br />

„Wie gerne wäre ich Schwester oder Patient!“, hauchte Luna und schickte sich alle Fotos von Dr. Cullen auf<br />

ihr Handy. Sie hatte so ein modernes Teil, dass es mich wunderte, dass es noch keinen Kaffee kochen<br />

konnte.<br />

„Und wer ist das hier?“, fragte sie nach einer Weile und zeigte auf das Foto von Embry. Ich hatte es<br />

gemacht, als er aus dem Fenster geschaut hatte. „Mein Retter! Er hat mich zum Krankenhaus gebracht. Er<br />

heißt Embry!“<br />

„Mhmmm...der ist auch lecker!“, grinste sie und schickte sich Embrys Foto. „So lieb ich dich hab, den hab ich<br />

zuerst gesehen!“, meinte ich und sah sie gespielt böse an. Aber insgeheim schärfte ich schon mal meine<br />

Krallen, um ihn gegen jedes andere weibliche Lebewesen, dass nicht meine Beste Freundin war, zu<br />

verteidigen.<br />

„Keine Sorge, ich bin mit Dylan total zufrieden!“, lachte Luna und bekam einen verträumten Ausdruck. Ich<br />

wurde hellhörig. „Dylan? Surferboy – Dylan?“<br />

„Ja, am Wochenende sind wir ins Kino gegangen und am Dienstag hat er mich dann gefragt!“ Ich sah sie<br />

empört an. „Sag jetzt bloß nichts! Du dumme Nuss hast ja dein Handy vergessen. Deshalb konnte ich dich<br />

nicht anrufen!“, fügte Luna hinzu.<br />

„Das ging aber schnell!“, war mein einziger Kommentar. „Ja, es hat s<strong>of</strong>ort gefunkt!“, sagte Luna verträumt.<br />

„Na, da h<strong>of</strong>fe ich, dass du mit Dylan glücklich wirst und er dich nichts so verarscht wie Nick!“<br />

Lunas Gesicht verfinsterte sich bei dem Namen. „Nein, Dylan ist nicht so!“, sagte sie bestimmt und hackte<br />

mich unter. „Na gut, dann will ich dir mal glauben!“, sagte ich und öffnete die Tür zum Lagerraum.<br />

„Robin! Luna!“, rief Mom und kam mit Sophie und zwei Kleiderhüllen auf uns zu. „Dann lass mal die Kleider<br />

anprobieren!“, reif ich und nahm die Hülle entgegen.<br />

„Lass es nicht pink sein!“, murmelte ich und wich einen Rippenpiekser von Luna aus- „Nein, es ist nicht pink.<br />

Du kannst mir danken, denn Carrie wollte schon pinke Blumenmädchenkleider haben!“, sagte Luna und begann<br />

sich auszuziehen. „Na, dann bin ich dir zu großem Dank verpflichtet!“, lachte ich.<br />

„Du musst den Bauch einziehen, Luna!“, rief ich und zog an dem Reißverschluss des Kleides. „Was meins du<br />

denn, was ich hier mache!“, fauchte Luna und hielt die Luft an.<br />

Ich zog mit einem Ruck an dem Reißverschluss und zog ihn erfolgreich nach oben. „Mach das Kleid nicht<br />

kaputt!“, rief Lunas Mutter warnend von draußen.<br />

„Machen wir nicht!“, ich zurück und zog den Vorhang. „Tada!“, ich breitete meine Arme aus und drehte mich<br />

einmal um die eigene Achse. Mit den silbernen Riemchenschuhen musste ich aufpassen, dass ich nicht<br />

hinfiel.<br />

„Du scheinst abgenommen zu haben!“, bemerkte Mom und zupfte an dem St<strong>of</strong>f herum. „Ich war eine Woche<br />

im Krankenhaus. Das Essen war schrecklich. Da ist es, wie ich finde, nicht verwunderlich wenn mein ein zwei<br />

Kilos abnimmt!“. Sagte ich und ließ meine Hüften kreisen.<br />

„Mhmmm...das smaragdgrün steht euch wirklich ausgezeichnet!“, meinte Mom und ging um uns herum. Luna<br />

hatte bis jetzt noch nichts gesagt, denn sie war vollends darauf konzentriert, flach zu atmen.<br />

Ich nickte und betrachtete mich im Spiegel, den Sophie aufgestellt hatte. Luna und ich trugen<br />

smaragdgrüne, knielange, elegant geschnittene Kleider mit Spagettiträgern. Ich war verdammt froh, dass<br />

es nicht pink war, denn diese Farbe passte nicht zu meinen feuerroten Locken.<br />

„Sophie! Du hast dich wirklich selbst übertr<strong>of</strong>fen!“, lobte Mom und strahlte über das ganze Gesicht. Dafür,<br />

dass Sophie es hasste zu nähen, hatte sie unsere Kleider wirklich super hinbekommen. Plötzlich ertönte ein<br />

lautes Reißen.<br />

Kapitel 7<br />

„Robin, schlaf nicht ein!“, zischte Luna und stieß mich in die Rippen. „Tu ich gar nicht! Ich denke nach!“,<br />

grummelte ich und sah um die Ecke.<br />

Alle Gäste, die Ron und Carrie eingeladen hatten, saßen in der Kirche und warteten gespannt auf die Braut.<br />

Mein Bruder stand schon vorne am Altar und knetete nervös seine Hände. Schon den ganzen Tag war er<br />

tierisch aufgeregt gewesen.<br />

14


„Du kannst gar nicht denken!“, feixte Luna und kniff mir in die Wange. „Hört auf euch zu streiten!“,<br />

jammerte Carrie, während Mom und Sophie hektisch um die Braut herum wuselten. Eine Naht war gerissen<br />

und diese brachte Carrie an den Rand der Verzweiflung. Aber die beiden Mütter regelten das.<br />

„Okay, der Pfarrer ist bereit!“, rief Mom leise und schon hallten die ersten Töne des Hochzeitsmarsches<br />

durch die Kirche. Gleichzeitig traten Luna und ich auf den Gang. Alle Gäste drehten sich um und warteten<br />

auf die Braut.<br />

„Schmeiß weg die Blumen!“, kicherte Luna und schmiss die Blütenblätter auf den Gang. „Sei ernst!“, zischte<br />

ich ihr zu und warf ebenfalls Blütenblätter auf den Boden vor Carries Füße.<br />

Dabei landeten ein paar auf den Hochzeitsgästen. Einige sahen mich kurz empört an und wandten sich dann<br />

wieder Carrie zu. Nur einer nicht.<br />

Lunas 16-jähriger Cousin Jack aus Montreal starrte mich mit großen blauen Augen unter braunen Locken an.<br />

Er war ganz süß, aber nicht mehr ganz so reizvoll wie vor einem Jahr, als ich ihn auf der Weihnachtsfeier<br />

von Lunas Familie getr<strong>of</strong>fen hatte. Ich lächele ihn an und widmete mich dann wieder meiner Aufgabe die<br />

Blumen durch die Kirche zu werfen.<br />

„Und willst du, Ronald Van Helsing, die hier anwesende Carrie Samantha Smith zu deiner angetrauten<br />

Ehefrau nehmen?“, fragte der Pfarrer, nach dem er meiner bald Schwägerin Carrie die selbe Frage gestellt<br />

hatte.<br />

Ron, den Tränen nahe, sagte mit zitternder Stimme: „Ja, ich will!“ „Dann tauscht nun die Ringe aus!“ Dass<br />

war das Stichwort für Drake. Dieser schritt mit den Ringen nach vorne und gab sie Ron.<br />

„Somit ernenne ich euch nun zu Mann und Frau! Sie dürfen die Braut nun küssen!“ Dass ließ Ron sich nicht<br />

zweimal sagen. Er nahm das Gesicht seiner Frau in seine Hände und küsste sie stürmisch. Gleichzeitig<br />

setzte der Hochzeitsmarsch wieder ein und die Gäste strömten nach draußen.<br />

Mit kiloweise Reis in den Händen warteten wie auf das frisch getraute Paar. Als die beiden dann aus der<br />

Kirche , landete das meiste an Reis in Carries Ausschnitt. War ganz lustig.<br />

„Was bist du jetzt eigentlich?“, fragte Luna, als wir zu dem Auto gingen, dass uns zu Luna nach Hause<br />

brachte; dort wurde gefeiert.<br />

„Deine beste Freundin?“, antwortete ich leicht verwirrt und stieg in den Jeep. Nicht ohne einen<br />

schmerzverzerrten Laut von mir zu geben, als ich mich auf mein schmerzendes Steißbein setzte.<br />

„Nein, ich mein Familientechnisch!“ „Ach so! Stimmt, du gehörst ja jetzt zur Familie!“, grinste ich und<br />

schnallte mich an. „Aber ich denke mal so was wie Schwägerin!“ „Cool! Wer hätte eigentlich gedacht, dass<br />

Carrie und Ron heiraten?“ „Niemand Luna!“<br />

„Boah hab ich Hunger!“, stöhnte ich, während ich mich zwischen Drake und Luna auf den reservierten Stuhl<br />

fallen lies. Carrie und Ron lächelten sich verliebt an.<br />

„Du machen einen richtig neidisch, weißt du!“, murmelte Luna, während sie Ron und Carrie beim Küssen<br />

beobachtete. „Ja, da wird man richtig neidisch! Sie haben die große Liebe schon gefunden und hier ohne!“,<br />

jammerte ich und nippte an meinen Orangensaft.<br />

Luna sah mich überrascht an. „Wieso nur du? Und was ist mir? „Na, weil du...Dylan hast!“, nuschelte ich ihr<br />

zu. Luna sah mich an und schüttelte den Kopf. Die Antwort war falsch.<br />

„Dylan ist nicht meine große Liebe, obwohl ich ihn liebe. Aber den richtigen hab ich noch nicht gefunden.<br />

Dylan ist sozusagen ein Platzwarmhalter!“, sagte Luna und starrte auf ihre Schwester, die sich dem Büffet<br />

näherte.<br />

„Dann lass das Dylan mal nicht hören!“, meinte ich und betrachtete die dreistöckige Hochzeitstorte. Sie war<br />

mit weißem Zuckerguss, Marzipanrosen und Schokolade verzierte. Und oben drauf thronte ein Brautpaar<br />

aus Marzipan und Schokolade, dass Carrie und Ron zum Verwechseln ähnlich sah. Mom hatte sich mal wieder<br />

selber übertr<strong>of</strong>fen. Deshalb war sie auch die gefragteste Konditorin in Port Angeles.<br />

„Sie schneiden jetzt die Torte an!“, flüsterte Drake mir zu und fixierte diese mit großen Augen. „Halt dich<br />

zurück Drake!“, mahnte ich, während Carrie und Ron sich mit der Torte fütterten und gleichzeitig<br />

ausholten, um den anderen die Torte ins Gesicht zu drücken.<br />

„Ich bin nämlich wir dir da!“, lachte ich und sprang auf. Das Büffet war eröffnet worden und ich wollte das<br />

erste Stück vom Erdbeerkuchen haben.. Drake sprang hastig auf und hechtete mir hinter her. Er war<br />

genauso verrückt nach Erdbeerkuchen wie ich.<br />

Doch wir wurden von Mom aufgehalten. „Wartet, ich möchte noch ein Bild von der Torte machen!“ Sie<br />

zückte ihren Fotoapparat und ließ mich die Torte so lange drehte, bis man die fehlenden Stücke nicht mehr<br />

sah.<br />

15


Nach dem sie fertig war ging sie wieder zu den anderen Gästen, um auch dort ihre Fotos zu machen. Ich<br />

drehte mich um und holte mir ein Stück Erdbeerkuchen. Aber mir blinzelte ein krümelverschmierter und<br />

frech grinsender Drake entgegen.<br />

„Ich hab das erste Stück und man ist das lecker! Das Erste ist immer das Beste!“, schwärmte Drake und zog<br />

von dannen. Ich grummelte verärgert und schnappte mir ein anderes Stück.<br />

Plötzlich stürmte ein Pärchen auf die Hochzeit. Erschrocken sahen wir sie an. H<strong>of</strong>fentlich waren dass nicht<br />

Ex – Freund und Freundin, die ihre große Liebe wieder haben wollten. War bei der Hochzeit meiner ältesten<br />

Schwester passiert.<br />

„Lizzy!“, rief mein Mom und lief mit ausgebreiteten Armen auf die hechelnde, aber perfekt gestylte Frau<br />

zu. „Das ist Lizzy?!“, fragte Luna und starrte meine Schwester überrascht an. Wo kam Luna denn auf einmal<br />

her? „Sieht aus, aber soweit ich mich erinnern kann war Lizzy nicht blond und auch nicht so dünn. Außerdem<br />

war Mode ein Fremdwort für sie.<br />

Lizzy war mir ihrem Mann Mike vor zwei Jahren nach ihrer Hochzeit nach Kentucky gezogen. Mein<br />

Schwager war Trainer in einem Rennstall und Dank ihm war Lizzy Jockey des selben Stalls geworden.<br />

Lizzy war, wie alle anderen in meiner Familie auch, ziemlich groß, aber es gab in dem Stall auch große<br />

Vollblüter. Sie liebte ihren Job über alles.<br />

„Mhmmm, dann geh ich mal meine Schwester begrüßen!“, sagte ich und drückte Luna meinen Teller in die<br />

Hand. Meine 10 Jahre ältere Schwester wurde von der ganzen Van Helsing Sippe umarmt. Nur ich fehlte<br />

noch.<br />

„Robin! Wie geht es meiner kleinen Schwester?“, lachte Lizzy und schlang ihre Arme um meine Schultern.<br />

„Klein ist gut! Ich bin fast einen halben Kopf größer als du!“, grinste ich und sah auf sie herab.<br />

„Mensch Robin, du hast dich ja verändert! Hast du eine Körbchengröße zugelegt?“, fragte Lizzy so laut, dass<br />

alle Gäste sich nach mir umdrehten. Ich lief knallrot an.<br />

„Du hast di aber auch verändert! Seit wann bist du bitte blond?“, fragte ich mit der Farbe einer<br />

Signalleuchte. „Ich gebe eine Veränderung in meinem Leben zum besten!“, sagte sie und legte ihre Hand auf<br />

ihren Bauch.<br />

S<strong>of</strong>ort machte es klick. „Im wievielten Monat bist schwanger?“, ich beugte mich flüsternd nach vorn. Lizzy<br />

sah mich überrascht und ertappt an. „Gerade mal im zweiten Monat!“ „Dafür bist du aber sehr dünn!“,<br />

bemerkte ich und machte mir plötzlich Sorgen um das ungeborene Baby und meine Schwester. „Weiß Mom<br />

eigentlich schon, dass sie Oma wird?“ Lizzy lachte und schüttelte den Kopf. „Nein!“<br />

Drei Stunden später war ich vom vielen Tanzen total erschöpft. Ich glaube, ich hatte echt mit jedem<br />

männlichen Wesen auf dieser Hochzeit getanzt. Und einmal auch mit Luna.<br />

„Liebe Gäste, es gibt noch eine Tradition, die wir noch nicht erledigt haben!“, rief Ron und drückte die Hand<br />

seiner Frau. „Brautstrauß!“, grölte jemand, unverkennbar meine beste Freundin drei Plätze weiter.<br />

„Luna, macht nicht mit! Die hat schon drei gefangen!“, rief ich protestierend. Luna sah mich empört an. „Gar<br />

nicht wahr. Einen hab ich von deiner Großtante bekomme!“ „Luna, die war Nonne!“ „Eben!“, sagte Luna und<br />

sah mich ziemlich beleidigt an.<br />

Ich seufzte und sekundenspäter landete etwas in meinen Armen. Verwirrt sah ich mich um. Sämtliche<br />

Augenpaare aller Frauen und Mädchen waren auf mich gerichtet. Das Bündel in meinen Armen verriet mir,<br />

dass in den Brautstrauß ohne es zu merken gefangen hatte.<br />

„Cool, jetzt hab ich den Strauß!“, lachte ich und wedelte damit vor Lunas Nase herum. „Du kannst ja so fies<br />

sein!“, murmelte sie und fixierte mich mit schmalen Augen.<br />

„Keine Sorge, du bist mich los! Ich bin total kaputt und geh jetzt nach Hause!“, sagte ich und stand auf.<br />

Nach dem ich mich von meinen Eltern verabschiedete hatte, verließ ich die Party.<br />

Wir wohnten nur zwei Straßen weiter und diese waren auch jetzt, um halb drei, noch gut beleuchtet.<br />

Trotzdem war ich froh, als ich unser Haus ausmachte und ins Bett gehen konnte.<br />

Kapitel 8<br />

Als ich am Montag wieder in die Schule kam, wurde ich überschwänglich von meinen Klassenkameraden<br />

begrüßt. Auf meinen Platz hatten sie Blumen und eine „Gute Besserung“ – Karte gelegt. Ich fand das so nett<br />

von ihnen, dass ich aufpassen musste, nicht zu weinen.<br />

16


Doch das Gefühl wich einem Lachkrampf, als die Jungs auf meinem Gips unterschreiben wollten. Als ich<br />

ihnen sagte, dass ich keinen hätte, zogen sie beleidigt ab. Es tat mir Leid, ihnen das Herz zu brechen. Aber<br />

ich meinte, wenn ich mir das nächste mal etwas Breche, durften sie auf jeden Fall als erstes<br />

unterschreiben.<br />

Natürlich musste ich meinen Freundin alles erzählen. Wie es dazu kam, wer mich gefunden hatte und ob ich<br />

süße Jungs gefunden hatte. Ich erzählte brav und genau, was und wie es passiert war. Und dass alles Jacobs<br />

Schuld war.<br />

Und dann erzählte ich von Embry. Ich geriet richtig ins Schwärmen und konnte gar nicht mehr aufhören zu<br />

grinsen. Nur der Name verursachte ein Kribbeln in meinem Bauch. Ich zeigte meinen Freundin stolz das Bild,<br />

welches ich von ihm gemacht hatte.<br />

Es war das erste mal, dass wir uns in Sachen Jungs mal einig waren. Embry war hot. Wer hätte gedacht,<br />

dass in so kleinen Dörfern wie La Push so gut aussehende Jungs rum laufen? Ja, niemand, sonst wäre die<br />

ganze weibliche Bevölkerung dort hin ausgewandert.<br />

Aber als Mary plötzlich Embrys Handynummer haben wollte, war der Spaß vorbei. Der Klassenschlampe<br />

würde ich nie im Leben die Handynummer von Embry geben. Nach einer Woche, wenn sie ihren Spaß mit ihm<br />

gehabt hatte, war er eh nur Luft für sie.<br />

Wenn sie die Handynummer haben wollte, musste sie mit mir darum kämpfen. Aber ich würde nicht fair<br />

kämpfen. Oder sie müsste mir mein Handy meinen kalten, toten Klauen reißen. Aber da viel mir ein, dass ich<br />

die Nummer gar nicht hatte. Hatte sie also erledigt. Trotzdem war mir eins klar:<br />

Ich hasse Montage. Nicht nur weil sie das Ende des Wochenende ankündigen oder den Anfang einer langen<br />

Woche, sondern weil ich in den ersten drei Stunden Sport habe. Das musste man sich mal vorstellten. Drei<br />

Stunden Sport nach dem man mit einem Affenzahn einen Berg kopfüber runter gekullert war und sich das<br />

Steißbein gebrochen hatte.<br />

Natürlich hatte ich versucht meine Sportlehrerin davon zu überzeugen, keinen Sport zu machen, aber sie<br />

war hart und schickte mich mit der lahmen Ausrede, dass in zwei Tagen Sportfest sei und wir trainieren<br />

müssten. Außerdem meinte sie, was einen nicht umbringt, macht einen nur noch härter. Ich wiederhole mich<br />

nur ungern, aber ich lauf mit einem gebrochenen Steißbein rum.<br />

Wütend grummelnd trollte ich mich zu den anderen Mädchen aus meiner Klasse. Als erstes war Werfen<br />

dran. Da war ich eigentlich ganz gut. Ich warf sogar am weitesten von allen. Aber wenn das 1000 Meter<br />

Laufen kam...dann Hallejula. Nach 100 Metern konnte man mich hinter sich herschleifen.<br />

Luna war gerade dabei sich zu dehnen, als ich mit schlechtgelaunter Miene bei ihr eintraf. „Hey, mach nicht<br />

so ein Gesicht, wir haben Sport, die Sonne scheint!“, lachte Luna und stellte sich breitbeinig vor mich hin.<br />

Ich sah sie mit meinem finstersten Gesichtsausdruck an, den ich auf Lager hatte.<br />

„Noch ein Wort von Sport und ich schubs dich in den Fluss!“, knurrte ich und begann nun ebenfalls meine<br />

Muskeln zu lockern. Ich hasste Sport. Ich fand dieses Fach so ätzend wie kein zweites. Sportliche<br />

Betätigung...wäh. Dabei war der Sprint durch den Wald letztens ein ziemliches Wunder.<br />

Während ich meine Arme lockerte, um den 200 Gramm Ball möglichst weit weg zuwerden, dachte ich an<br />

Embry. Schon seit Tagen hatte ich keinen andere Namen so <strong>of</strong>t gedacht, auf ein Platz gekritzelt oder<br />

gesummt wie seinen.<br />

Ich ärgerte mich immer noch, dass ich nichts hatte um Kontakt mit ihm aufzunehmen. Irgendwie musste ich<br />

ihn wieder sehen. Koste es, was es wolle. Und wenn ich mit dem Fahrrad nach La Push fahre. Ja, ich<br />

vermisste Embry so sehr.<br />

Plötzlich stupste mich jemand an. Es war Luna. „Komm. Wir werfen jetzt Bälle!“, säuselte Luna und nahm<br />

einen Ball in die Hand. Nein, manchmal konnte ich meine beste Freundin nicht verstehen. „Du bist echt<br />

komisch!“, knurrte ich und nahm ebenfalls einen Ball. Ich überlegte, ob ich meiner Lehrerin diesen einfach<br />

an den Kopf knallen konnte, ohne erkannt zu werden.<br />

Da müsste ich aber weglaufen, um nicht gesehen zu werden. Und das hieß Sport und bewegen. Nee, ich<br />

werfe den Ball einfach ans andere Ende des Schulh<strong>of</strong>s und fertig. Ich seufzte und stellte mich bereit hin.<br />

Ich nahm Anlauf und schleuderte den Ball von mir weg. Er flog ihm hohen Bogen durch die Luft und...scheiße!<br />

Voll auf den Kopf meiner Sportlehrerin.<br />

Nein, heute war nicht mein Tag. Der hatte schon scheiße angefangen. Ich hatte schon zu Hause bleiben<br />

sollen, als Whisky schwanzwedelnd mit meinem Englischaufsatz im Maul durch den Garten gerannt war. Dazu<br />

hatte Jacob noch auf mein Lateinarbeitsheft geschissen. Ja, ich hatte echt Pech.<br />

Mit eingezogenem Kopf wartete ich auf das Donnerwetter, dass über mich herein zu brechen drohte. Aber<br />

nichts geschah. Einzig allein ein Ball landete vor meinen Füßen. Verwirrt sah ich in das zufriedene Gesicht<br />

meiner Sportlehrerin. Hatte die irgendwas genommen? Drogen? Haschisch? Cannabis? LSD?<br />

17


„Gut gemacht Robin! Wenn du beim Sportfest genauso gut wirfst, bekommst du mit Sicherheit eine<br />

Siegerurkunde!“, sagte sie und wandte sich wieder ab. Genauso werfen wir gerade eben? Dann mussten alle<br />

mit Helm kommen!<br />

Nach dem ich mich wieder hinten eingereiht hatte, klopfe Luna mir auf die Schulter. „Cooler Wurf Robin.<br />

Du hast der Ollen die Brille vom Kopf geworfen!“, kicherte sie und bückte sich, um ihren Schuh zu binden.<br />

„Super, dann geh ich ja in die Schulgeschichte ein. Schülerin wirft Brille vom Kopf der Sportlehrerin!“,<br />

sinnierte ich und gab ihr eine Kopfnuss.<br />

Nach dem alle dreimal dran gewesen waren, ging es weiter zur Sprunggrube. Wenn dort nicht gerade der<br />

Sportunterricht stattfand, wurden dort Sandburgen von den jüngeren Schülern gebaut. Wenn wir<br />

Freistunde hatte, pflanzten Luna und ich uns auch mal in die Grube und bauten riesige Sandimperien. Dann<br />

ging der Krieg los.<br />

„Gut, stellt euch in zwei Reihen auf und wartet, bis ich das Zeichen gebe!“, rief unsere Lehrerin und<br />

marschierte mit einem Maßband in der Hand zum Sandhaufen. Da warte sie auf uns. Wir sprangen und sie<br />

las ab.<br />

In Weitspringen war ich eigentlich auch ganz gut, dass lag aber eher daran, dass ich ziemlich groß war. Ich<br />

gehörte mit Luna zu den Größten in der Klasse. Bei den Mädchen und den Jungen.<br />

„Okay, Luna. Du bist die erste!“, die Lehrerin winkte und Luna lief los. Luna war eine ausgezeichnete<br />

Sprinterin und im Weitsprung war sie auch nicht zu schlagen. Sie sprang knapp fünf Meter, aber immer<br />

fehlte ein paar Zentimeter. Und das war ärgerlich.<br />

Sie sprang zielgenau auf dem weißen Brett ab, zog die Beine an und landete im Sand. Kopfüber. So landete<br />

Luna eigentlich immer. Schließlich musste man ihre Fitness irgendwie ausgleichen. Da gab man ihr gleich mal<br />

die Fähigkeit, mit dem Kopf zuerst im Sand zu landen.<br />

Als nächstes hatte ich die Ehre, meine Füße in den Sand zu graben. Da ich bei einem großen Anlauf immer<br />

mit den Beinen durcheinander kam, mussten 7 Meter reichen. Ich atmete tief durch und nahm Anlauf.<br />

Genau wie Luna zog ich die Beine eng an den Körper und segelte über den Sand.<br />

Mein Füße verschwanden vollkommen, als ich landete. Siegessicher, dass ich die 5 Meter endlich mal<br />

geschafft hatte, lächelte ich Luna an, die beigeistert klatschte. Doch dann kippte ich hinten über. Wild mit<br />

den Armen rudernd versuchte ich das Gleichgewicht zu halten. Aber ein plötzlich auftauchender Windstoß<br />

brachte mich zu fall. Ich lag der Länge nach im Sand.<br />

Das war immer so. Luna machte einen Kopfsprung in den Sand und schaffte trotzdem die 5 Meter. Aber ich<br />

stand am Anfang und Gott gab mir das Gefühl, endlich mal keine Gleichgewichtsstörung zu haben und dann<br />

kippte ich nach hinten. Damit war ich 1. 80 m um sonst gesprungen.<br />

„Kacke!“, fluchte ich und rappelte mich auf. Wütend klopfte ich mir den Sand vom Körper und verließ die<br />

scheiße Sandgrube, in der man schemenhaft meine Konturen sehen konnte. Ich schnaubte verärgert und<br />

wartete auf meine Werte. Meine Lehrein schüttelte den Kopf. Ja, wir waren halt Chaoten.<br />

„3, 40 m!“, sagte Patrick und sah mich grinsend an. Pass auf oder ich renn dich gleich um!, dachte ich<br />

grimmig und fixierte ihn mit meinem Blick. Das Lächeln verblasste. Plötzlich merkte ich, dass mein Arsch<br />

ganz schön weh tat. Ich sag doch Sport ist Mord. Und dann soll ich auch noch 800 Meter um den Fluss<br />

rennen. Die hat sie nicht mehr alle.<br />

„Wow, super Sprung!“, lachte Luna und legte mir tröstend einen Arm um die Schulter. Das dachte ich zu<br />

mindestens. Aber sie klopfte einfach den Sand von meinen Klamotten und dass noch nicht mal mit Gefühl.<br />

Empört sah ich sie an und begann dann selber den Sand aus mir raus zu schütteln.<br />

Nach dem alle mal mit dem Kopf oder dem Hintern im Sand gelandet waren, machten wir uns auf den Weg<br />

zur 800 Meter Strecke. Ich verfluche diesen Teil des Geländes. Aber wenigstens war er im Schatten und<br />

die Jungs mussten 200 Meter mehr laufen.<br />

„Gut Mädchen, dann stellt euch an die Startlinie!“, unsere Lehrerin zeigte auf eine Bank weiter entfernt.<br />

Das war der Startpunkt für uns Mädchen. Wir nickten und marschierten gemächlich los. Einige trabten<br />

schon mal voraus, aber ich machte es mir gemütlich. Ich war in Laufen eh eine Niete.<br />

Luna wartete schon ungeduldig auf mich, während sie sich dehnte. „Ich bin da, ich bin da!“, versicherte ich<br />

ihr und lockerte meine Muskeln ebenfalls. Sicher würde es wieder so ausgehen, dass ich als letzte ins Ziel<br />

gehechelt käme.<br />

Unsere Lehrerin blies in die Trillerpfeife und schon starteten die gesamte Klasse. Ich seufzte und lief ein<br />

paar Sekunden später auch los. Ich hasste Laufen. Es war so ätzend und ich war schlecht darin. Ich konnte<br />

noch nicht mal die 100 Meter bis zum Zeitungsstand durchlaufen, ohne hechelnd dort anzukommen. Ich war<br />

die einzige aus dem Van Helsing – Clan, die für den Sport nicht gemacht war.<br />

18


Während ich lief, schaute ich mir die Bäume an. Irgendwie so musste ich doch meine Zeit vertreiben, bevor<br />

ich hechelnd auf dem Boden zusammenbrach. „Hey Robin, nun mach schon!“, Luna trabte vor der Brücke auf<br />

der Stelle. Mein Motivationstrainer ruft.<br />

Ich seufzte und trabte meiner Freundin entgegen. Warum um Herr Gottes Willen konnte Luna so lange<br />

laufen. Gott hasst mich. Das ist klar. Sonst würde er mich nicht hier den ganzen Quatsch machen lassen.<br />

Laufen mit einem gebrochenem Steißbein. Der hat sie doch nicht mehr alle.<br />

Aber Moment, wenn Gott mich wirklich hasst, hätte er mich nicht Embry treffen lassen. Gut, ohne meinen<br />

Sturz hätte ich nie mit dem wundervollsten Menschen auf der Erde getr<strong>of</strong>fen. Ich nehme alles zurück, Gott<br />

hasst mich doch nicht.<br />

„Träumst du wieder von Embry?“, lachte Luna, als ich hechelnd neben ihr an der Brücke an kam. „Und wenn<br />

schon?“, gab ich schnippisch zurück und wischte mir die verschwitzten Haare aus der Stirn. „Dieser Embry<br />

scheint dir ja nicht mehr aus dem Kopf zu gehen!“, sagte sie grinsend und joggte weiter.<br />

Ich hatte keinen Bock mehr. Schnaufend sah ich mich nach meinen Mitläufern um. Keiner war in Sicht. Alle<br />

waren vor mir, nach dem sie mich überholt hatten. Ich sank auf die Knie, ziemlich geräuschvoll. Luna sah<br />

sich erschrocken nach mir um.<br />

„Mein Gott Robin, was ist los!“, sie legte mir eine Hand auf die Schulter und sah mich besorgt an. „Geh, Lauf<br />

ohne mich weiter. Rette dich und lass mich zurück!“, rief ich. Luna verdrehte die Augen und stand auf. „Du<br />

bist echt blöd. „Ich weiß!“, gab ich zurück und lachte.<br />

Luna lief weiter und ließ mich zurück. Ich drehte um und tat so, als würde ich humpeln. Ich hatte mir<br />

einfach den Fuß umgeknickt. Und auf Sprinten und Kugelstoßen hatte ich auch keinen Bock. Ich setzte also<br />

einen gequälten Gesichtsausdruck auf und humpelte meiner Lehrerin entgegen. 10 Minuten später war ich<br />

auf dem Weg nach Hause. Couch ich komme!<br />

Kapitel 9<br />

Heute ist der schlimmste Tag in meinem Leben! Warum? Weil heute Sportfest ist, das Wetter total schwül<br />

ist und die Luft steht. Ich schwitze schon seit einer halben Stunde im Stehen und warte darauf, dass die<br />

Zeit schneller vergeht. In erst einer Stunde hab ich meine erste Disziplin. Luna hat schon bald ihre zweite<br />

hinter sich gebracht.<br />

Missmutig starrte ich auf den Boden vor mir. Eine Ameisenstraße führte direkt zu meiner Muffinschüssel.<br />

Schnell riss ich die Schüssel vom Boden und klemmte sie unter meinen Arm. Meins! Ich fischte einen<br />

Schokomuffin heraus und biss hinein.<br />

„Tzzz...das ist aber nicht gut, wenn man sich vor dem Sport noch etwas zu esse in sich rein schaufelt!“,<br />

lachte Luna und pflanzte sich neben mir auf meine Decke, die ICH mitgebracht hatte. „Rhmpf!“, machte ich,<br />

während ich zu sah, wie Luna in meine Schüssel griff.<br />

„Aber selber!“, brabbelte ich und wischte mir die Krümel von der Wange. „Ich darf dass. Schließlich hab ich<br />

schon zwei von drei Disziplinen hinter mir! Jetzt muss ich nur noch Sprinten!“, sagte sie und ließ sich auf<br />

den Rücken fallen.<br />

Super, die freut sich auf noch, Ich geh bei der Hitze beinahe unter. Hitze, dass erinnert mich irgendwie an<br />

Embrys heißen Körper. Embry! Unwillkürlich schlunzte ich auf. Ich will endlich Embry wieder sehen! Warum<br />

um Gottes Willen hab ich nicht nach seiner Nummer gefragt?<br />

Luna richtete sich auf und legte mir einen Arm um die Schulter. „Hey, was ist denn los?“ „E-e-e-embry!“,<br />

brachte ich stotternd hervor. „Ach dein Indianer? Fehlt er dir so sehr?“ „Ja, verdammt! Ich will ihn wieder<br />

sehen!“, brüllte ich laut.<br />

Alle Leute im Umkreis von 100 Metern drehten sich geschockt nach mir um. Verdammt, dass was zu laut.<br />

Beschämt versenkte ich meinen Kopf in der Muffin Schüssel. „Das passiert schneller als du denkst!“, sagte<br />

Luna plötzlich und griff erneut nach einem Muffin.<br />

Ruckartig schnellte mein Oberkörper nach oben. Und prompt knallte ich mit dem Hinterkopf gegen ihre<br />

Stirn. „Sag das noch mal!“, ich sah sie verstört an. „Du kannst Embry schon bald wiedersehen!“ „Wieso?“, ich<br />

packte sie an den Schultern.<br />

„Nächste Woche Montag fahren wir für 10 Tage nach La Push. Ich dieses Indianerreservat. Du weißt doch,<br />

dass Mr. Manson total auf dem Indianertrip ist. Und er will es sich nicht nehmen lassen, mal persönlich<br />

19


einen zu treffen und ihn über ihre Gebräuche und Kulturen auszufragen!“, sagte Luna und zuckte mit den<br />

Schultern, als ob es selbstverständlich wäre.<br />

„Wieso sagst du mir das jetzt erst?“, energisch schüttelte ich sie an den Schultern. Ihre blonden Haare<br />

lösten sich aus ihren Zopf. Einzelne Strähnen hingen ihr nun über den Schultern und verlieh ihr ein wirres<br />

Aussehen.<br />

„Ich wollte es dir ja sagen aber ich hab es vergessen. Und jetzt weißt du es doch!“, rechtfertigte sie sich<br />

ein bisschen ruppig. „Ja, jetzt weiß ich es! Bekomm ich noch einen Zettel dafür?“, sprudelte es aus mir<br />

heraus. Endlich würde ich Embry wiedersehen. Ich musste nur noch den Rest der Woche und das<br />

Wochenende hinter mich bringen.<br />

In Gedanken an Embry stand ich auf und lief zur Sprunganlage. Ich achtete gar nicht mehr auf meine<br />

Muffins, denn ich war so übermaßen glücklich, Embry wieder zu sehen, dass es mir fast egal war, wenn Luna<br />

alle auffutterte.<br />

Meine Riege wartete schon vollzählig auf die Letzte, mich. Ich lächelte entschuldigen und stellte mich ganz<br />

hinten in die Reihe. Van Helsing ist nun mal ganz hinten. Aber so hatte ich Zeit, an Embry und unser baldiges<br />

Wiedersehen zu denken.<br />

„Robin Van Helsing?“, meine Riegenführerin sah sich suchen um und blickte dann mich an. Ich hob die Hand<br />

und stellte mich an die Markierung. Wie immer nahm ich weniger Anlauf als die anderen. Ich atmete tief<br />

durch und versuchte für eine Sekunde nicht an Embry zu denken, aber das fiel mir verdammt schwer, denn<br />

er war überall im meinem Kopf.<br />

Außerdem brachte das schwüle Wetter und die stehende Luft mich um meine Konzentration. Der Schweiß<br />

lief mir den Nacken und tränkte mein T-Shirt. Es war ein widerliches Gefühl. Okay, denk an Embry, dann<br />

sind alle Sorgen vergessen.<br />

Gesagt, getan. Ich nahm die Sandgrube ins Visier und atmete noch mal tief durch. Okay, die Rechen und<br />

Messstäbe waren verschwunden und so konnte nichts passieren. Eigentlich. Ich lief los. Verdammt, jetzt<br />

musste ich Embry wirklich aus meinem Kopf verbannen.<br />

Aber das war ziemlich schwer. Ich sah seine schwarzen, unergründlichen und tiefen Augen, seine schwarzen<br />

Haare und seinen großen muskulösen Körper direkt vor mir. Nein! Ich kniff die Augen zu, direkt als ich<br />

abspringen wollte.<br />

Das war eine der beschissensten Ideen die ich je gehabt hatte. Denn als ich die Augen aufschlug, steckte<br />

jemand den Rechen in den Sand und zog den Sand zu sich hinüber. Ich blieb natürlich daran hängen und<br />

knallte mit dem Kopf zuerst in den Sand.<br />

Aber das war nicht genug, denn ich schleuderte Ray - diesem blöden Arsch -, der den Rechen gehalten<br />

hatte, dass Ding aus der Hand und zog ihn mit mir. Ray verlor das Gleichgewicht und landete der Länge nach<br />

ausgestreckt im Sand. Ich lag unter ihm.<br />

„Du bist so ein Idiot!“, zischte ich wütend und schaufelte meinen Weg wortwörtlich unter ihm frei. „Sorry!“,<br />

murmelte er betr<strong>of</strong>fen, als er von allen angestarrt wurde. Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu und<br />

stampfte dann noch mal zur Linie.<br />

Die nächsten drei Versuche klappten reibungslos. Ich schaffte einmal sogar die fünf Meter, wenn auch nur<br />

knapp. Und mir gelang es sogar, aufrecht in der Grube zu landen, ohne wie Luna nach vorne oder wie sonst<br />

immer nach hinten zu kippen.<br />

Aber Laufen war kacke. Erst mal hatte ich Probleme mit dieser Starthilfe. Mir wollte partout den Name<br />

nicht einfallen. Dann schaffte ich es noch meinen Turnschuh, den ich eigentlich zweimal zu gebunden hatte,<br />

an den Kopf von einem sehr gut aussehendem Lehrer zu kicken.<br />

Das war verdammt peinlich und wieder nur, weil ich an Embry gedacht hatte. Der Kerl ging mir seit Lunas<br />

Nachricht, ihn bald wieder sehen zu können, nicht mehr aus dem Kopf. Okay, er ging mir sonst auch nicht<br />

aus dem Kopf, aber jetzt schien er die ganze Zeit darin rum zu spuken.<br />

Auf der 100 Meter Sprintstrecke schaffte ich es dann auch noch, dreimal zu stolpern. Ich war eine<br />

schlechte Sprinterin. Vor allem in der Hitze hier. Ich erinnerte mich daran, als ich vor den unbekannten<br />

Tieren im Wald geflohen war. Da hatte ich mehrere hundert Meter in wenigen Sekunden und in einer hohen<br />

Geschwindigkeit zurück gelegt. Heute war davon nicht zu sehen.<br />

Und von Kugelstoßen wollen wir gar nicht anfangen. Ich schaffte sagenhafte drei mal, der verschiedenen<br />

Leute die schwere Kugel auf den Fuß zu schleudern. Die wurden dann natürlich immer ausgewechselt, aber<br />

bei meinem vierten Versuch stand kein einziger im Wurfdreieck. Die hatten wirklich große Angst vor mir.<br />

Und das war peinlich.<br />

20


Deshalb war ich um so glücklicher, als ich nach Hause gehen durfte. Das erste was ich machte war unter die<br />

Dusche zu springen und ein kühles Eis zu essen, während ich vor dem geöffneten Kühlschrank hockte. Am<br />

Abend hüpfte ich dann noch mal in den Pool und planschte mit Jill und Megan.<br />

Das Wetter am kommenden Montag, der Tag der Abreise, war kühl, wunderbar kühl. Aufgeregt und<br />

überglücklich gab ich meinen K<strong>of</strong>fer beim Busfahrer ab und kletterte dann in den Bus. Wir hatten dabei<br />

echt glück gehabt, denn es gab eine Klimaanlage, eine Toilette und Fernsehen konnte man auch gucken. Das<br />

war doch cool.<br />

Doch als ich mich im Bus nach Luna umsah, traf mich schon der Schlag. In der ersten Reihe, direkt hinter<br />

Luna saßen Jill und Megan. Was zum Teufel machten die hier? Ich versuchte nicht ganz so geschockt zu<br />

gucken und schritt lächelnd auf Luna zu, die Musik hörte.<br />

Ich setzte mich ans Fenster und drehte mich um und tat, als würde ich mir die Leute ansehen, die hinter<br />

mir saßen. Gespielt überrascht rief ich dann: „Jill! Megan! Was macht ihr denn hier? Habt ihr euch im Kurs<br />

geirrt?“ Megan kicherte.<br />

„Nein, du Dummerchen. Mr. Manson hat noch zwei Aufsichtspersonen gesucht und da haben wir uns spontan<br />

gemeldet!“, erklärte sie. „Und außerdem wollte ich Embry wieder sehen!“, fügte Jill verträumt lächeln hinzu.<br />

„Ich glaube, ich bin verliebt!“, hauchte sie leise.<br />

Hätte ich nicht gesessen, hätte ich jetzt einen Abgang gemacht. Jill konnte sich nicht in Embry verliebt<br />

haben. Den hatte ich zuerst gesehen. ICH! Und nicht Jill, diese heimtückische Schlange. Ich starrte meine<br />

Schwestern mit zusammen gekniffenen Augen an.<br />

Megan schien verstanden zu haben, aber sie zuckte mit den Schultern. Ich wusste, was es hieß. Wenn Jill<br />

sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann bekam sie es auf. Die Welt war verdammt unfair.<br />

Niedergeschlagen drehte ich mich wieder nach vorne, drückte meine iPod - Kopfhörer in die Ohren und<br />

drehte voll auf.<br />

Mom und Dad hatten sich wirklich für mich gefreut, dass ich Embry wieder sah. Dad war ganz begeistert<br />

von ihm gewesen. Mom eher von Dr. Cullen. Trotzdem waren sie froh gewesen, dass ich kein Trübsal mehr<br />

blies. Und dass mein <strong>Kiss</strong>en von meinen Tränen verschont blieb.<br />

Sie hatten sich echt Sorgen gemacht, als ich angefangen hatte, mit Jacob und Whiskey zu sprechen. Nicht<br />

wie normale Leute, die ihren Hund fragten, ob er Hunger hatte oder wo der Maulwurf jetzt sei. Sondern ich<br />

hatte richtige Gespräche mit ihnen geführt, hauptsächliche über Embry.<br />

Nur ein paar Minuten waren vergangen, als der Bus sich in Bewegung setzte. Ich presste meine Stirn an das<br />

Fenster und freute mich innerlich tierisch auf Embry, während ich äußerlich im Koma zu liegen schien. Ich<br />

schloss die Augen und schlief die ganzen zwei Stunden bis nach La Push.<br />

Der Bus bremste und Luna knallte mit ihrem Kopf gegen meinen. Verwirrt und stöhnend öffnete ich die<br />

Augen und sah mich um. Als ich aus dem Fenster blickte, konnte ich es gar nicht fassen. Wir waren da. Der<br />

Anblick der moosbedeckten Stämme und Bäume trieb mir die Tränen in die Augen. La Push. Ich war da. Und<br />

dann konnte Embry nicht weit sein.<br />

Ohne auch nur auf Mr. Mason zu warte, der uns gerade durchzählte, packte ich Lunas Handgelenk und<br />

stürmte mit ihr aus dem Bus. „Hast du ihn gesehen?“, fragte sie, als Luna den Grund für meine Aufregung zu<br />

deuten versuchte. „Nein!“, sagte ich und schüttelte den Kopf.<br />

Ich steuerte den kleinen Laden an, der auf der anderen Straßenseite war. Der Bus parkte hier nur, um uns<br />

Schülern eine Pause zu gönnen. Dann wollten wir zum Zeltplatz fahren. Ich musste mich also beeilen. Wie<br />

zwei Bankräuber platzen wir in den Laden und erschreckten die Verkäuferin zu Tode.<br />

Ich murmelte ein schnelles „Sorry“ und sah mich dann genau um. Nur wenige Sekunden später begegnete ich<br />

zwei schwarzen Augen, die Embry sehr ähnlich waren, aber nicht ihm gehörten. Es war einer von seinen<br />

Freunden. Wie hieß er noch mal.<br />

Ich überlegte angestrengt. Quil! Das war’s. So hieß er. Ich wollte ihn gerade begrüßen und nach Embry<br />

fragen, als er wie vom Blitz getr<strong>of</strong>fen aus dem Laden stürmte. Mit <strong>of</strong>fenem Mund starrte ich ihm hinter<br />

her. „Guck mal, die redet mit den Muffins!“, sagte Luna und riss mich so aus meinen Gedanken.<br />

Verwirrt folgte ich ihrem Blick und entdeckte ein Mädchen, kleiner und jünger als wir beide, dass vor einer<br />

Glasvitrine stand und leise murmelte. Es hörte sich echt so an, als würde sie den Muffins drohen, gleich alle<br />

zu essen, wenn sich einer nicht freiwillig opferte.<br />

Als ob sie unsere Blicke gespürt hätte, sah sie auf. Schwarze Locken umrahmten ihr zartes, kindliches<br />

Gesicht. Sie sah aus wie ein Engel. Sie lächelte breit und kam auf uns zu. „Hi, ich bin Alex! Wollt ihr auch<br />

einen Muffin? Die sind heute leider nicht sehr kooperativ!“, sagte sie und schüttelte lachen den Kopf. Die<br />

war ja niedlich!<br />

21


Kapitel 10<br />

Ich war das reinste Nervenbündel. Seit Robin vor mehr als über einer Woche in das Auto gestiegen war,<br />

konnte ich an nichts anderes mehr denken. An gar nichts. Deswegen hatte Jacob mich auch nach Hause<br />

geschickt. Auf den direkten Weg und ohne Widerrede.<br />

Aber da war es nicht anders. Nichts lenkte mich von ihr ab. Wenn ich mit dem Rudel unterwegs war, konnte<br />

ich mich wenigstens irgendwie ablenken, auf andere Gedanken kommen. Aber in meinem Zimmer war es so<br />

still, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ich wieder an Robin dachte.<br />

Ich ärgerte mich immer noch darüber, sie nicht nach ihrer Telefonnummer oder ähnlichem gefragt zu<br />

haben. Ich war einfach so glücklich gewesen, endlich meine zweite Hälfte gefunden zuhaben, dass ich es<br />

vollkommen vergessen hatte. Aber nun sah ich, was ich davon hatte.<br />

Rund um die Uhr sah ich sie vor mir. Ihre kirschroten Haare, die grünen Augen, die Grübchen, die sich<br />

bildeten wenn sie lachte und ihre Haut, die einen leichten Goldton hatte. Und ich hörte ihr Lachen. Für mich<br />

war es das schönes Geräusch, was es auf Erden gab.<br />

Wie gerne würde ich sie jetzt in meinen Armen halten, ihren Duft einatmen ihr Lachen hören. Ich würde<br />

alles auf der Welt geben, ihr jetzt nahe zu sein. Ich hätte zu ihr laufen können, ich hätte sie suchen<br />

können, aber man brauchte mich hier.<br />

Erneut waren fremde Blutsauger in unser Revier eingedrungen und hatten gemordet. Ich musste helfen, sie<br />

zu finden und da konnte ich nicht weg. Sam und Jacob hatten das Gebiet auf die beiden Rudel aufgeteilt.<br />

Sams Rudel suchte im Osten und wir im Westen.<br />

Ich lief mit Seth durch die Olympic Moutians, als ich einen vertrauten Geruch aufnahm. Er erinnerte mich<br />

unweigerlich an Robin. Wieder überrollte mich das Gefühl der Sehnsucht. Ich wimmerte und schloss die<br />

Augen. In meinem Kopf ertönte das genervte Stöhnen meiner Rudelmitglieder.<br />

>Du bist schlimmer als Quil, als Claire bei ihrer Oma war!Lass mich in Ruhe. Du verstehst das nicht! Wenn du auch geprägt wärst, würdest du wissen, was ich<br />

durchmache, weil Robin nicht bei mir ist!Weil ich Seth nicht alleine lasse. Er ist mein Bruder und da wo er ist, bin auch ich! Ich will nicht noch<br />

jemanden verlieren, der mir wichtig ist!< Bilder von Sam und ihrem Vater blitzten in Gedanken auf. Beide<br />

male zeigten sie eine glücklich lächelnde Leah. Ich konnte mich gar nicht daran erinnern, wann Leah das<br />

letzte mal gelächelt hatte.<br />

>Danke Leah, aber ich brauche keinen Babysitter!Ja,<br />

deswegen bin ich ja so schnell wie möglich hier hin gekommen. Ich hab sie vor zehn Minuten in dem Laden<br />

deiner Mutter gesehen!Lauf zu ihr,<br />

du Idiot!


Ich was so erstaunt, dass ich völlig vergaß, wie man die Beine bewegte. Aber als ich es dann wieder wusste,<br />

lief ich los. So schnell wie ich noch nie gerannt war. Ich hätte wahrscheinlich sogar Leah geschlagen. Nichts<br />

würde mich aufhalten können, zu Robin zu kommen.<br />

Ich jagte an durch den Wald und trieb meine Beine an, noch schneller zu laufen. Robin! Robin! Robin! Nichts<br />

anderes hatte Platz in meinem Kopf. Ich wollte zu ihr, so schnell wie möglich. >Beeil dich! Ich hab draußen<br />

einen Bus gesehen und ich glaube, Robin gehört zu dieser Gruppe!


„Das würde ich auch nicht zu lassen!“, murmelte sie leise. Anscheinend hatte sich gedacht, dass ich es nicht<br />

hörte. Aber es erfüllte mich mit unbeschreiblicher Freunde. Ich schlang meine Arme erneut um sie und zog<br />

sie an mich. Ihr Herz machte einen Sprung und schlug dann heftig weiter.<br />

Fünf Minuten später standen wir uns vor dem Laden meiner Mutter gegenüber. Wir lächelten verlegen. „Wie<br />

lange bleibt ihr hier?“, fragte ich, voller Neugier. „10 Tage! Wir zelten hier auf dem Campingplatz. Da, wo<br />

wir damals gezeltet haben!“, sagte sie und ihre Wangen färbten sich leicht rosa.<br />

Ich lachte. Ich konnte mich nur zu gut daran erinnern, wie sie mit großen Augen durch den Wald gerannt<br />

war und ihren Hund gesucht hatte. Die ganze Zeit hatte ich sie beobachtet, doch als sie den Abhang<br />

hinunter stürzte, war ich s<strong>of</strong>ort bei ihr und trug sie zu ihren Geschwistern.<br />

Und dieser Ray, wie er sie angesehen hatte. Schon fast, als wollte er sie mit ihren Blick ausziehen. Die<br />

ganze Zeit über musste ich an mich halten, um ihn nicht ins Gesicht zu schlagen und somit meine Tarnung<br />

auffliegen zu lassen. Unweigerlich begann ich am ganzen Körper zu zittern.<br />

„Du kannst mich ja mal auf dem Zeltplatz besuchen kommen! Du wirst als Indianer sicher keine Probleme<br />

haben!“, sagte sie lachend und riss mich so aus meinen Gedanken. Ich wusste zwar nicht, was sie meinte,<br />

aber ich würde es mir nicht nehmen lassen sie zu besuchen.<br />

„Okay. Wir sehen uns dann. Ich glaub nämlich, dass Mr. Manson ganz schön wütend sein wird, wenn wir nicht<br />

bald kommen!“, sagte sie entschuldigend und lief mit ihrer Freundin zum Bus. Sie verschwand darin und<br />

tauchte wenige Sekunden später am Fenster auf. Ich winkte und erntete ein vollkommen glückliches Lächeln<br />

von Robin.<br />

Als der Bus weg fuhr, trat das schwarz gelockte Mädchen von eben neben mich. Ich sah auf sie herab. Sie<br />

ging mir gerade mal bis zur Schulter. Sie lächelte und Grübchen bildeten sich um ihre grauen Augen. Sie war<br />

zwei Jahre jünger als ich, fünfzehn vielleicht.<br />

„Gibt es noch mehr Indianer hier?“, frage sie und sah sie um. „Ja, wir sind hier in einem Indianerreservat,<br />

Ich denke mal, dass du ein oder zwei Indianern über den weg läufst!“, antwortete ich ihr verwirrt. Sie<br />

lachte. Es klang wie ein Windspiel.<br />

„Nein, so meine ich das nicht. Gibt es noch mehr Indianer hier, die nur mit St<strong>of</strong>fhosen und freiem<br />

Oberkörper rum laufen. Und außerdem überall Muskeln haben!“, sagte sie. Das war ihr Ernst. Das Mädchen,<br />

Alex glaub ich, hatte nicht vor, mich zu verarschen. Also nickte ich ziemlich überrumpelt und sah zu, wie sie<br />

breit grinsend davon schlenderte.<br />

Ich sah ihr so lange nach, bis sie hinter der Kurve verschwunden war. Am Kopf kratzend drehte ich mich um<br />

und ging zurück in den Laden meiner Mutter. Jetzt war es Zeit für ein paar sehr wichtige Erklärungen, die<br />

nicht länger warten konnten und durften.<br />

Kapitel 11<br />

„Uh, der war ja niedlich! Was das dein Embry?“, kicherte Luna und winkte Embry noch mal hinter her. Aber<br />

er sah es nicht, denn er sprach mit Alex. Er sah sie ziemlich verwirrt an. Dann konnte ich nicht mehr sehen,<br />

denn der Bus verschwand hinter den Bäumen.<br />

Ich wandte mich wieder an Luna. Diese verrenkte sich fast den Hals, um Embry weiter beobachten zu<br />

können. „Ja, dass war MEIN Embry! Ich hab ihn zuerst gesehen! Du hast Dylan!“, sagte ich und machte ihr<br />

nebenbei die Beziehung zwischen in und mir klar.<br />

Aber hatten Embry und ich überhaupt eine Beziehung? Wir kannten uns gerade mal eine Woche und schon<br />

hatte ich das Gefühl, nie wieder ohne ihn sein zu können! Wie konnte so etwas sein? Wie konnte ich von<br />

einem Jungen so abhängig sein?<br />

„Keine Sorge, ich schnapp dir Embry schon nicht weg. Wobei er ganz putzig war. Aber der diese andere<br />

Indianer im Laden war irgendwie niedlicher. Wenn du Embry das nächste mal triffst, musst du unbedingt<br />

nach seinem Namen fragen!“, meinte Luna und nickte energisch.<br />

Ich lachte. „Ich wird ihn fragen. Wenn ich ihn das nächste mal sehe!“ Und ich h<strong>of</strong>fte, dass würde bald<br />

passieren. Ich lächelte verträumt und sah aus dem Fenster. Embry, Embry, Embry. Es war einfach<br />

wunderbar, seine schwarzen, wunderschönen Augen wieder vor mir zu sehen.<br />

„Hey, hallo? Erde an Robin!“, rief Luna beleidigt und wedelte mit ihrer Hand vor meiner Hand herum. Ich<br />

wollte etwas antworten, als Jill sich plötzlich zu uns rüberbeugte. „Embry? Der ist doch viel zu alt für dich.<br />

Der ist doch schon 25. So wie der aussieht!“, meinte Jill lächelnd.<br />

24


„Woher willst du denn wissen, wie alt der ist? Hast du in seinen Personalausweis geguckt, wann er geboren<br />

ist?“, fragte ich schnippisch und drehte mich mit einem Ruck wieder um. Ich spürte Jills Blick in meinem<br />

Rücken. „Bist du eifersüchtig Schwesterchen?“, fragte sie und ich konnte mir ihr dämliches Grinsen nur zu<br />

gut vorstellen.<br />

Auch wenn sie meine Schwester war, aber liebsten hätte ich sie geschlagen. So hart es auch klang, Embry<br />

würde mir niemand weg nehmen. Nicht nach dem ich ihn endlich gefunden hatte. So einfach würde ich ihn<br />

mir nicht weg nehmen lassen.<br />

„Keine Sorge, ich helfe dir, Embry gegen Jill zu verteidigen!“, meinte Luna und legte einen Arm um meine<br />

Schulter. Ich nickte. Ich würde auch gar nicht aufgeben. Als ich aus dem Fenster schaute, sah ich nur<br />

Bäume. Große, kleine, dicke, dünne Bäume.<br />

„Wir sind da!“, rief Luna und sprang von ihrem Sitz auf. Der Bus hatte noch nicht mal richtig die Türe<br />

geöffnet, als Luna schon hinaus gestürmt war. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie gleich einen Baum<br />

umarmen würde.<br />

Ich schüttelte den Kopf und folgte meiner chaotischen Freundin nach draußen. Dort hatten sich schon die<br />

Hälfte meiner Klasse versammelt. Mary stand mit ihrem Gefolge etwas abseits und ließ sich mit<br />

Insektenspray einsprühen. Ja, nachts kommen die bösen Blutsauger und saugen ihr das Blut aus.<br />

„Oh guck mal Robin, ein Käfer!“, rief Luna und hockte sich auf den Boden. Ich lachte und stellte mich neben<br />

sie. „Luna, dass ist eine Ameise!“, meinte ich. „Das ist aber vol die fette Ameise!“ „Dann ist es eben eine<br />

Ameisenkönigin!“, seufzte ich und zog sie von dem ‚Käfer’ weg.<br />

Mr. Manson scharrte uns Schüler um ihn und sah uns alle an. „Also, wir sind jetzt in La Push angekommen,<br />

dem Indianerreservat auf unsere Halbinsel. Wir werden uns in den nächsten Tagen mit der indianischen<br />

Kultur beschäftigen!<br />

Am Ende des Ausfluges möchte ich einen Aufsatz über die Quileute haben. Ihre Legenden und Gebräuche.<br />

Freundet euch mit ein paar von ihnen an und lasst euch etwas darüber erzählen!“, sagte Mr. Manson zu uns.<br />

Ich grinste. Sich mit einem Indianer anzufreunden war gar nicht schwer.<br />

Doch mein Lächeln verschwand wieder, als ich Mary hörte. „Da sag ich doch nicht nein. Ich guck mal, ob ich<br />

den halbnackten Indianer von eben wieder finde. Der erzählt mir sicher etwas über seine Bräuche!“, sagte<br />

sie mit einem Unterton, für den sie geschlagen gehörte.<br />

Der halbnackte Indianer konnte ja nur mein halbnackter Indianer gewesen sein. Ich starrte auf Marys<br />

Rücken und versuchte mit gleichzeitig daran zu erinnern, wann ich irgendwas etwas getan hatte, was Gott<br />

verärgert hatte. Denn er würde mir doch nicht ohne Grund zwei Wesen schicken, die mir Embry streitig<br />

machen wollten.<br />

Ich sah wieder zu Luna, die erneut Gefallen an der Ameise gefunden hatte. Sie wollte diese gerade mit<br />

einem Stock anschubsen, aber ich zog sie am Arm hoch. Der Busfahrer wollte die K<strong>of</strong>fer austeilen. „Aber<br />

die Ameise...!“ „Nein, die Ameise ist unwichtig! Die K<strong>of</strong>fer werden ausgeteilt!“<br />

Wir übernachteten in Zelten. War ja klar, wir waren auf einem Campingplatz. Aber so wie es aussah, war ich<br />

die einzige, die ein Einzelzelt besaß. Sogar Luna, die ihr Zelt ungern teilte, legte sich zusammen mit meinen<br />

Schwestern in eins hinein. Ich sah sie mehr als geschockt an.<br />

Doch sie zwinkerte mir zu und meinte grinsend: „Ich freunde mich nur mit dem Feind an, um an mehr<br />

Informationen ran zu kommen!“ Ich sah sie skeptisch an. „Also deine beste Idee war das ja nicht!“, sagte<br />

ich und begann den anderen zu folgen.<br />

Es waren schon ein paar, die begonnen hatten die Zelte aufzubauen. Erstaunlicherweise waren es die Jungs,<br />

die ratlos neben einem Haufen Stangen standen und die Anleitung in alle Richtungen drehten. Sogar Mary<br />

schaffte es, ihr Zelt innerhalb weniger Minuten aufzubauen.<br />

Voller Stolz betrachtete ich nach wenigen Minuten mein Einmannzelt. Ich hob den Kopf und sah mich nach<br />

den anderen um. Wie gesagt, die Mädchen waren fertig, aber bei den Jungen haperte es dann doch noch ein<br />

bisschen. Aber einige Mädchen waren so frei und halfen unsere Jungs aus ihrer missglückten Lage. Ja, wir<br />

waren schon eine tolle Gemeinschaft.<br />

„Lass das Licht aber nicht wieder die ganze Nacht an!“, meinte Jill, die plötzlich neben mir stand. Ich<br />

funkelte sie böse an. Natürlich wusste jeder, dass ich Angst im Dunkeln hatte, aber das muss die doch nicht<br />

so laut im Wald rumposaunen. Und dann noch erzählen, was ich mache, um so viel Dunkelheit wie möglich aus<br />

meinem Zelt zu vertreiben.<br />

Wenn ich jetzt nicht zum Gegenschlag ansetzten würde, würde ich es wahrscheinlich nicht mehr tun. Ich<br />

fixierte meine Schwester und sagte: „Soll ich auch jedem erzählen, dass du nackt durch die Wohnung tanzt,<br />

wenn du glaubst alleine zu sein?“<br />

25


Jill starrte mich mit großen Augen entsetzt an. Ha, ich hab sie erwischt. Mit einem siegessicherem Lächeln<br />

krabbelte ich in mein Zelt und rollte meinen Schlafsack aus und verteilte meine Sachen. Ich musste mich<br />

anstrengen, nicht diabolisch zu lachen.<br />

Während ich dabei war, alle meine Taschenlampen – ich hatte insgesamt sechs Stück mitgenommen – auf<br />

volle und Ersatzbatterien zu kontrollieren, hörte ich Mr. Manson Stimme ganz nah an meinem Zelt. Ich<br />

hatte meins im Zentrum aufgebaut. Umgeben von den anderen Zelten.<br />

„Leute, wir wollen gleich in den Wald gehen und uns einmal die Natur anschauen. Zieht euch warm an. Am<br />

besten Regenjacken, lange Hosen und feste Schuhe. Es ist feucht in diesem Wald!“, damit beendete er<br />

seine Ansprache.<br />

Fünf Minuten später stand ich fertig ausgerüstet vor meinem Zelt und wartete auf die anderen. Luna, die<br />

ebenfalls schon fertig war, gesellte sich zu mir. Als sie mich sah, lief sie knallrot an, weil sie ein Lachen<br />

unterdrücken musste.<br />

„Was?“, fragte ich und sah sie abwartend an. Sie schüttelte den Kopf und biss in ihre Unterlippe. „Mensch<br />

Robin, wie siehst du denn aus? Wenn die Tiere dich sehen, laufen die ja noch tiefer in den Wald!“, lachte<br />

Jill, als sie aus dem Zelt gekrochen kam.<br />

„Warum? So werde ich besser gefunden, wenn ich verloren gehe!“, sagte ich patzig und strich über meine<br />

neonorange Regenjacke. „Das beißt sich aber mit deinen Haaren!“, meinte Jill und zupfte an meinen Locken<br />

herum.<br />

„Na und? Ich will ja auch nicht auf eine Modenschau oder so, sondern im Wald nicht verloren gehen!“,<br />

erklärte ich und setzte zur Krönung eine Mütze in dem selben neonorange auf. „In dem Outfit gehst du<br />

sicher nicht verloren!“, kicherte Jill und verschwand.<br />

Ich holte tief Luft, um ihr irgendetwas fieses hinter her zu rufen, als Luna mich am Arm packte und zu Mr.<br />

Manson zog. Sein Blick sprach Bände, als er mich sah. Genau wie Luna lief er knallrot an und drehte sich<br />

schnell weg.<br />

„Wenn sie im Wald verloren gehen, lach ich auch!“, murmelte ich leise und starrte auf seinen Rücken. „Ja, du<br />

machst ihn alle!“, kicherte Luna und zog mir meine Mütze ins Gesicht. „Du bist keine gute Freundin!“, maulte<br />

ich und schob beleidigt die Unterlippe vor.<br />

„Hey Robin, Luna!“, eine unbekannte Stimme rief unseren Namen quer über Campingplatz. Luna und ich<br />

drehten uns gleichzeitig um und erblickten eine wild winkende Alex. Die war ja so niedlich. Sie trug eine<br />

neongrüne Regenjacke und eine braune Wollmütze mit drei Bommeln dran.<br />

„Hey, was machst du denn hier?“, fragte ich und sah auf sie hinab. „Ich find deine Jacke cool!“, platze Luna<br />

dazwischen und grinste breit. „Dass ist das selbe Model, dass ich hab, nur in einer anderen Farbe, du Troll!“,<br />

zischte ich ihr zu. „Ich mag grün!“<br />

Alex lachte und zupfte an ihrer Jacke. „Wollt ihr auch einen Muffin?“, sie zauberte eine riesige Dose aus<br />

ihrer Jacke. Darin befanden sich unzählige Muffins mit und ohne Schokostückchen. „Woah eine Tasche<br />

ohne Boden!“, hauchte Luna und prüfte meine Taschen nach der selben Fähigkeit.<br />

Ich schüttelte den Kopf und sah wieder zu Alex. „Hast du den ganzen Laden leer gekauft?“, fragte ich<br />

lachend. „Nein, einen hab ich da gelassen. Ich wollte den andern auch welche übrig lassen!“, Alex sah mich<br />

ernst an und hielt mit einen Schokomuffin unter die Nase.<br />

„Ja, dass war sehr sozial von...!“ „Deine Tasche kann das nicht!“, maulte Luna plötzlich und schnappte sich<br />

meinen Muffin. Ich wollte gerade rein beißen. Im selben Moment gab Alex mir aber einen neuen Muffin. Den<br />

schob ich mir ganz in den Mund, bevor Luna ihn mir auch weg schnappen konnte.<br />

„Was machst du hier?“, fragte Luna, während ich mit meinem Muffin kämpfte. Der klebte jetzt an meinem<br />

Gaumen. Kacke! „Ich hab Robins Jacke von der Straße aus gesehen und wollte mal gucken, was ihr macht!“,<br />

sagte Alex und lächelte breit. Ich find die immer noch niedlich.<br />

„Wir wollen uns den Wald mal angucken. Komm doch mit, wenn du willst!“, schlug Luna gut gelaunt vor.<br />

„Rhmpf!“, machte ich, was eigentlich eine Zustimmung sein sollte. „Klar! Ich komm gerne mit. Da kann ich mir<br />

auch gleich den Wald anschauen!“, grinste Alex fröhlich.<br />

Im selben Moment setzte sich unsere Klasse in Bewegung. „Ich denke mal, es fällt nicht auf, wenn du dabei<br />

bist!“, meinte ich, nach dem ich den Muffin endlich runtergeschluckt bekommen hatte. „Ne, ihr fallt gar<br />

nicht auf!“, lachte Luna und spielte auf unsere Jacken an.<br />

„Außenseiter!“, lachte Alex und biss in ihren Muffin. „Genau!“, kicherte ich und hackte m ich bei Luna unter.<br />

„Meint ihr, wir sehen welche?“, fragte Alex plötzlich, als wir den Campingplatz verließen. „Ähm...was werden<br />

wir sehen?“, fragte ich verwirrt.<br />

26


„Na, Indianer!“, sagte Alex, als wären wir total verblödet. „Wir sind in einem Indianerreservat, da werden<br />

wir sicher ein paar sehen!“ „Das hat Embry auch gesagt!“, rief Alex euphorisch. „Aber eigentlich meine ich<br />

große, bemuskelte, halbnackte Indianer. Wie Embry!“, Alex’ Augen strahlten.<br />

Luna und ich starren den kleinen Lockenkopf eine Weile an, bevor wir in schallendes Gelächter ausbrachen.<br />

Die war cool. Ich mag Alex immer mehr. Nach dem ich mich wieder eingekriegt hatte, meinte ich: „Ja, es<br />

laufen neben Embry noch acht weitere halbnackte Indianer in La Push rum. Du musst sie nur suchen, aber<br />

Embry gehört mir!“ „Okay!“, war Alex Antwort und schon stürmte sie nach vorne.<br />

Kapitel 12<br />

„Ne, keinen Erfolg gehabt!“, meinte Alex 10 Minuten später, als wieder zu mir und Luna zurück kam. „Ich<br />

glaube, sie spielt auf die halbnackten Indianer an!“, flüsterte Luna mir zu. Hätte ich jetzt nicht gedacht.<br />

„Wo hast du denn überall geguckt?“, wollte ich neugierig wissen.<br />

„Da vorne. Und ich hab mich unter ein paar Bäume gestellt und rauf geguckt. Und in den Baumstämmen<br />

waren auch keine! Und dabei dachte ich, Indianer sind solche Naturfreaks!“, sie sah traurig auf den Boden<br />

und kickte einen Stein weg.<br />

Luna und ich lachten und legten ihr einen Arm auf die Schulter. „Wir finden die schon! So groß und<br />

muskulös...!“ „und nackt!“, fiel Luna mir lachend ins Wort. „Danke Luna. Also auf jeden Fall können wir sie<br />

nicht verfehlen!“, meinte ich aufmunternd zu Alex.<br />

Sie hob den Kopf und lächelte breit. „Gut, ich will nämlich auch so einen!“ „Ich auch!“, kam es von Luna, die<br />

halb hinter einem Baum stand. Meine Güte, was hatte die denn da schon wieder gefunden? „Du hast einen!“,<br />

meinte Alex und gesellte sich zu Luna.<br />

„Was hast du denn da schon wieder?“, fragte ich sah über ihre Schulter. „Ich hab ne Hose gefunden!“,<br />

sagte sie und hielt mir eine schwarze St<strong>of</strong>fhose direkt vor die Nase. „LUNA!“, brüllte ich und schlug ihr das<br />

Ding aus der Hand.<br />

„Was denn?“, fragte Luna verwirrt und war drauf und dran die Hose wieder auf zuheben. „Luna, lass das<br />

Ding da liegen. Wer weiß wer da alles schon drin gesteckt hat. Vielleicht hat der auch keine Unterhose oder<br />

so angehabt!“, rief ich angewidert und vergrub die Hose unter ein paar Blättern.<br />

„Mhmmm...!“, murrte Luna und sah mich beleidigt an. „Du wolltest die Hose doch nicht etwa behalten oder?“,<br />

fragte ich entsetzt. Luna sagte nichts, sondern drehte sich um und ging zurück zu Alex, die eine Raupe von<br />

einem Busch fischte und ganz nah vor ihre Nase hielt, um sie zu betrachten.<br />

„Du wolltest sie behalten! Gib es zu!“, rief ich und lief hinter ihr her. „Na und wenn schon?“, blaffte Luna<br />

mich an und steckte sich einen Muffin in den Mund. „Ich frag nur warum! Eigentlich fand ich die Hose ganz<br />

hübsch. Aber es ist schon eklig, wer oder vor allem WAS da alles drin war!“, meinte ich und schüttelte mich<br />

bei dem Gedanken.<br />

Luna lachte. „Okay, hast recht!“ „Hab ich immer!“, grinste ich und hackte mich wieder bei ihr unter. Zu dritt<br />

gingen wir Muffin essend nach vorne, wo Mr. Manson gerade einen kleinen Vortrag über die Tierwelt von La<br />

Push hielt.<br />

„Vor einem Jahr gab es mehrere Sichtungen von Bären, die Wandere angegriffen haben sollte. Aber dass<br />

kann nicht wahr sein, denn Bären sind Einzelgänger und sie nähern sich den Menschen nur, wenn sie etwas<br />

Zuessen haben wollen!“, meint er.<br />

Während er uns über die Bären hier in der Gegend aufklärte, fischte ich meine Dose aus meiner Tasche und<br />

öffnete diese. Ich hatte mir extra ein Sandwich von Mum machen lassen. Mit Tomaten, Salami, Salat und<br />

Majonäse. Einfach lecker.<br />

Das fand auch Luna, denn ich sah, wie sie mein Sandwich mit großen Telleraugen betrachtete. Das war ja<br />

wohl ganz klar mein Brot. „Die Bären kommen also nur, wenn sie etwas zu essen wollen?“, fragte Chris, der<br />

sich sehr für die Bären zu interessieren schien.<br />

Luna kam näher an mich heran geschlichen und beäugte meine Dose gierig. Sie wird doch nicht...sie hat. Luna<br />

hat sich einfach mein Sandwich geschnappt. Ich sah sie böse an. „Und wenn der Bär einmal etwas hat, ist es<br />

sinnlos, es ihm wieder weg zu nehmen!“, erklärte Manson.<br />

Ich machte einen Satz auf Luna zu uns versuchte ihr das Sandwich wieder weg zu nehmen, aber diese hatte<br />

es sich schon in den Mund geschoben. „Und was kann man machen, um Bären zu vertreiben?“ „Am besten,<br />

man wirft etwas nach ihnen und brüllt laut!“<br />

27


Ich nahm eine Tomate aus meiner Dose und warf sie auf Luna. „Boo, Shoo! Geh weg du Biest!“, schrie ich laut<br />

und lief hinter einer lachenden Luna hinter her. „Ja, so könnte man einen Bären vertreiben!“, sagte Mr.<br />

Manson und lachte zusammen mit meiner Klasse.<br />

Ich trieb Luna etwas abseits vom Weg in den Wald. „Du kriegst mich nicht!“, lachte Luna und sprang über<br />

einen Baumstamm. Im nächsten Moment war sie verschwunden. Ich blieb kichernd stehen und lugte hinter<br />

dem Baumstamm hervor.<br />

Luna lag auf dem Bauch und betrachtete etwas in dem Baumstamm. „Was hast du denn da schon wieder?“,<br />

fragte ich und ging um den Baumstamm herum, um besser zu sehen, was denn da jetzt war. „Da sind noch<br />

mal ein paar Hosen!“, sie zeigte auf einen St<strong>of</strong>fhaufen.<br />

„Okay, lass gehen. Das wird langsam unheimlich. Wer weiß, wie viele jetzt nackt im Wald rumlaufen. Drei<br />

müssen es ja mindestens sein!“, murmelte ich und zog Luna zurück zu Waldmenschchen - Alex. Diese winkte<br />

uns aufgeregt zu.<br />

„Eure Klasse ist schon ein Stück weiter gegangen. Die sind schon um die Ecke. Komm, beeilen wir uns!“,<br />

grinste Alex und lief voran. Luna und ich hatten es nicht so eilig. Wir schlenderten lieber den Waldweg<br />

entlang und ließen uns die Regentropfen auf den Kopf fallen.<br />

„Hat mein Sandwich geschmeckt?“, fragte ich Luna, als ich sie genüsslich schmatzen hörte. „Ja, dass war<br />

sehr lecker. Du musst mir mal das Rezept geben!“ „Ich gebe dir doch nicht das Rezept! Nach her hat jeder<br />

so leckere Sandwiches und dann wäre es kein Familiengeheimnis mehr!“, musste ich Luna leider vertrösten,<br />

aber ich gab ihr noch eine Hälfte von dem anderen, übrig gebliebenem Sandwich.<br />

„Oh, dankesch...!“ „Ich hab sie gefunden!“, brüllte Alex plötzlich, als wir wieder bei der Klasse waren und aus<br />

dem Wald kamen. Vor uns lag der Strand, aber davon sah ich nicht viel, denn ein neongrüner Flummi mit<br />

brauner Bommelmütze versperrte mir die Sicht.<br />

„Jaaa...was hast du denn gefunden?“, fragte ich leicht verwirrt. „Halbnackte Indianer. Direkt am Strand.<br />

Ich geh mal hin!“, rief sie euphorisch und verschwan zwischen meinen Klassenkameraden. „Uh, vielleicht ist<br />

ja auch Embry dabei und der andere Indianer aus dem Laden!“, murmelte Luna.<br />

„Mr. Manson. Da der Wald nun zuende ist, können wir uns ja den Strand ansehen. Muscheln sammeln!“,<br />

schlug Luna vor und sah Mr. Manson unschuldig an. Sie hat den Hundeblick voll drauf! Darauf war ich voll<br />

neidisch. Ich bin immer noch am üben.<br />

Und weil Luna den drauf hatte, schlenderten wir keine zehn Sekunden später zum Strand, wo Alex mit<br />

<strong>of</strong>fenem Mund neun halbnackte Indianer begaffte. Mal gucken, vielleicht war mein halbnackter Indianer<br />

dabei war.<br />

Bei den Gedanken an Embry schlug mein Herz Saltos und galoppierte davon. Ich werde den Kerl, so lange ich<br />

hier bin nicht wieder gehen lassen. Wenn es sein muss, kette ich mich an ihn. Irgendwie hatte ich jetzt das<br />

große Bedürfnis, mit Embry zu kuscheln.<br />

„Ich will kuscheln!“, meinte ich plötzlich und sah Luna grimmig an. Diese drehte sich zu mir und schlang ihre<br />

Arme um mich. „Nicht mit dir! Mit Embry!“, muffelte ich und schob sie weg. „Du bist ja so was von<br />

undankbar!“, meinte sie beleidigt und drehte sich von mir weg.<br />

„Soooo viele nackte Indianer!“, murmelte Alex total fasziniert und zeigte mit einer Hand auf die Gruppe<br />

Indianer, die Volleyball spielte. So ein beschissenes Spiel. Aber ich konnte Embry unter ihnen ausmachen.<br />

Irgendwie sahen zwar alle gleich aus, aber Embry war unverkennbar.<br />

„Hey, Robin will kuscheln!“, brüllte Luna plötzlich und riss die Arme in die Luft. Alle Jungs in meiner Klasse<br />

und die Riesen am Strand sahen zu mir hoch. Ich, mit meiner Neonorangen Kleidung, zog meinen<br />

tomatenroten Kopf ein und stampfte zu Luna.<br />

„Spinnst du?“, zischte ich ihr zu und versetzte ihr einen Stoß. Doch der war fester als gedacht und Luna<br />

verschwand hinter einem Sandhügel. Ich konnte mir das Lachen gerade so verkneifen, während ich meiner<br />

Freundin wieder auf die Füße half.<br />

Als ich mich wieder aufrichtete, kam er den Weg hoch gejoggt. Mein Embry! Mein Herz setzte kurz aus und<br />

galoppierte dann wieder in riesigen Sprüngen weiter. Er sah einfach traumhaft aus. Anders konnte und<br />

durfte man ihn nicht beschreiben.<br />

Die schwarzen, etwas längeren Haare klebten ihm nass in der Stirn. Er trug nur eine Badehose, die durch<br />

seinen Laufschritt gefährlich weit nach unten rutschte. Und sein perfekte, durchtrainierte, muskulöse<br />

Körper glitzerte durch die Wassertropfen in der Sonne.<br />

Ich musste bei diesem Anblick aufpassen, nicht zu sabbern. Leider ging es nicht mir so. Alle Mädchen im<br />

Unkreis von 100 Metern fielen beinahe ins Koma, als Embry den Hügel hinauf joggte. Na gut, Alex fand die<br />

anderen Indianer interessanter und Luna klopfte den Sand aus ihren Klamotten.<br />

28


„Da ist der heiße Indianer von heute Mittag!“, schnurrte Mary mir ins Ohr. Ich dachte, ich hörte nicht<br />

richtig. Diese blöde Kuh wagte es sich an Embry ran zu machen. Ich warf ihr einen bitterbösen Blick zu,<br />

aber die blöde Kuh hatte nur Augen für Embry. Joggt der eigentlich extra in Zeitlupe?<br />

Trotzdem war sein Lächeln einfach umwerfend! „Hey Robin!“, Embry hob die Hand und lief an den andern<br />

vorbei und dass beste war, dass er Mary nicht beachtete. Und dass war schon ein Wunder, denn sie war<br />

richtig auffällig angezogen. Okay, ich war hier am auffälligsten angezogen. Aber Mary stellte sich so in Pose<br />

und lachte so laut und auffällig, dass sie gar nicht zu übersehen war.<br />

„So schnell sehen wir uns wieder!“, grinste Embry, als er direkt vor mir zum Stehen gekommen war. ‚Ja,<br />

Gott sei Dank’ hätte ich am liebsten gesagt, aber ich lächelte nur glücklich. „Ein Vögelchen hat mir<br />

gezwitschert, dass du kuscheln willst!“, grinste Embry und trat noch näher an mich heran. Meine Nase<br />

berührte beinahe seine Brust.<br />

Mein Blick glitt zu Luna, die plötzlich großes Interesse an den Wolken gefunden hatte. Trotzdem bemerkte<br />

ich, dass sie mich aus dem Augenwinkel beobachtete. Und hinter mir hörte ich das verärgerte und<br />

entsetzte Schnauben von Mary und das enttäuschte Seufzen meiner Mitschülerinnen. Tja, dass ist halt<br />

mein Indianer. Sucht euch selber einen.<br />

„Ja, dass kann schon sein!“, murmelte ich und grinste bis über beide Ohren. Embry ging nicht weiter darauf<br />

ein, sondern schlang einfach eine Arme um meine Schultern und zog mich an sich. „Interessantest Outfit!<br />

Sollte ich dich so besser finden?“, er zupfte ein meiner Jacke herum und zog mir die Mütze tiefer ins<br />

Gesicht. Ich musste den Kopf ganz in den Nacken legen, um ihm wieder an sehen zu können.<br />

„Fast!“, grinste ich und schob die Mütze wieder nach oben. „Eigentlich wollte ich nicht verloren gehen!“ „Na,<br />

in dem Outfit wäre dir das auch nicht gelungen!“, grinste er und strich mir eine rote Locke hinters Ohr. „Na<br />

Gott sei Dank!“<br />

Plötzlich wurde unsere Kuschelrunde von Mr. Manson, der aufgeregt auf uns zu gelaufen kam, unterbrochen.<br />

„Hey, hey, hey! Was macht ihr da?“, er kam neben uns zum stehen und sah uns entsetzt an. Neben Embry<br />

war Mr. Mason echt klein. Der konnte doch nur so um die 1,65 m sein.<br />

„Kulturenaustausch!“, antwortete ich wie aus der Pistole geschossen. Sorry, was besseres war nur gerade<br />

nicht eingefallen. „Kulturenaustausch?“, flüsterte Embry in mein Ohr, während ich Mr. Manson blöd ansah.<br />

Aber die Antwort stellte ihn zufrieden und er verschwand.<br />

In selben Augenblick erschien Alex mit einem breiten Lächeln. Das galt aber nicht mir, sondern Embry. „Ich<br />

hab sie gefunden!“ „Halbnackte Indianer?“, fragte ich und brachte Embry so zum Lachen. Scheiße, dass<br />

wollte ich doch gar nicht sagen.<br />

„JA! Ich hab sie gefunden!“, grinste Alex und zeigte auf die Jungs am Strand. „Ich will auch so einen wie du,<br />

Robin!“, redete sie weiter und brachte mich dazu, wie ein Camelion die Farbe einer Tomate anzunehmen.<br />

Embry schien das sehr amüsant zu finden, denn er lachte und drückte mich gleichzeitig enger an sich. Boah,<br />

der hatte ja einen echt heißen Körper.<br />

„Hey Robin, wie geht’s?“, fragte eine fremde männliche Stimme, die ich eigentlich kannte oder kennen<br />

sollte. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um über Embrys Schulter zu gucken. „Hey Seth!“, rief ich<br />

fröhlich, aber ich war schon längst abgemeldet. Er fand etwas neben mir viel interessanter.<br />

Kapitel 13<br />

Ich verrenkte meinen Hals, um zu sehen, was er denn jetzt so anstarrte. In seinem Blick lag so viel Liebe<br />

und Zärtlichkeit, dass er beinahe zu platzen drohte. Noch ein Stück und ich kann es sehen. Es ist grün und<br />

trägt eine braune Mütze mit drei Bommeln...Moment! Das ist doch Alex.<br />

Ich drehte mich ungeschickt in Embrys Armen und starrte die beiden an, wie sie sich anstarrten. Alex<br />

strahlte über das ganze Gesicht und auch das blöd-glückliche Grinsen war nicht mehr aus Seths Gesicht<br />

weg zu wischen.<br />

Embry legte sein Kinn auf meine Schulter und schlang seine Arme um meinen Bauch. „Den hat es<br />

anscheinend auch erwischt!“, flüsterte Embry ganz nah an meinem Ohr. Ich konnte seinen heißen Atme in<br />

meinem Nacken spüren.<br />

Ich sah ihn über die Schulter verwirrt an, aber Embry lächelte einfach nur. Er hatte so ein schönes Lächeln<br />

und so schöne Lippen erst. Volle, sanft geschwungene Lippen. Die musste man einfach küssen. Ich merkte<br />

plötzlich, dass sie mein Kopf dem von Embrys genähert hatte.<br />

29


Ruckartig zog ich meinen Kopf zurück und starrte weiter auf Alex und Seth, die die ersten<br />

Annäherungsversuche starteten, wenn auch etwas holprig. Trotzdem war es ein ziemlich niedlicher und<br />

faszinierender Anblick.<br />

Während der für mich sonst so selbstbewusst wirkende Seth stocksteif da stand und immer noch dämlich<br />

grinsend auf Alex sah, ergriff sie die Initiative und ging mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. „Hey, ich bin<br />

Alex!“, dabei lächelte sie charmant.<br />

„Hey, nett dich kennen zu lernen. Ich bin Seth!“, er ergriff ihre Hand und schüttelte sie. „Boah, bis du<br />

heiß!“, platzte es plötzlich aus ihr heraus. Sie wurde noch nicht mal rot dabei. „Dankeschön!“, war Seth<br />

einzige Antwort.<br />

Im nächsten Moment wurde ich aus Embrys Armen gerissen. Luna, wer denn sonst? „Hey, dieser Seth sieht<br />

Alex an, genauso wie Embry dich!“, meinte Luna und sah verschwörerisch zu Embry. „Echt?“, flüsterte ich<br />

und freute mich innerlich. Embry sah mich voller Liebe und Zärtlichkeit an.<br />

„Ja!“, grinste Luna und sah mich abwartend an. „Du wolltest doch noch mal fragen. Du weißt schon, der<br />

Indianer im Laden, der dann raus gestürmt ist!“, Luna stach mir in die Seite und schubste mich wieder in<br />

Embrys Richtung.<br />

„Ach so! Ja. Aber ich weiß doch, wie der heißt!“, meinte ich und ging wieder näher zu Luna, Aus dem<br />

Augenwinkel bemerkte ich, wie Embry die Arme sinken ließ. Ich komme gleich wieder und dann kuscheln wir<br />

weiter. Versprochen. Ich grinste bei dem Gedanken.<br />

„Dann los! Sag schon, wie hieß der nun!“, Luna packte mich an den Schultern und schüttelte mich kräftig.<br />

Okay, die Mütze ist verrutscht, ich sehe nichts mehr. „Q-q-quil!“, stotterte ich und versuchte mich aus<br />

Lunas Killergriff zu befreien.<br />

Und schon war sie weg. Wohin ist die denn jetzt? Ich drehte mich einmal um die eigene Achse und fand<br />

Luna bei Embry. Ha, jetzt wird der einem Kreuzverhör unterzogen. Ich grinste und kam gleich zu dem<br />

Entschluss, ihn vor Luna zu retten.<br />

„Wer von den Indianern da unten ist Quil?“, fragte Luna aufgeregt. Embry sah sie verdutzt an. Ich<br />

schaltete mich in den Monolog ein. „Quil ist glaub ich...boah, die sehen ja alle gleich aus...hab ihn gefunden.<br />

Quil ist der von uns rechts gesehen ganz hinten!“, ich zeigte auf den Jungen, den ich für Quil hielt. Sicher<br />

war ich mir dann doch nicht.<br />

„Uh, Quil! Außergewöhnlicher Name!“, seufzte Luna uns sah auf das Feld. „Den Namen hat er von seinem<br />

Großvater!“, sagte Embry und lächelte. Und als wenn er uns gehört hätte, sah Quil zu uns hinüber. Ich hob<br />

die Hand und winkte. Luna tat es mir gleich. Quil sah Luna ziemlich verdutzt an.<br />

Klar, würde ich auch. Wenn mir ein Mädchen, dass ich nicht kenne, wie eine Bekloppte zu winken würde. Ich<br />

sah zu Embry, der sich das Lachen schwer verkneifen musste. Ich sah ihn böse an und s<strong>of</strong>ort verstummte<br />

sein Lachen.<br />

„Komm, lass uns runter gehen!“, rief Luna, packte meinen Arm und zog mich mit einem Ruck hinter ihr her.<br />

So schnell wie Luna konnte ich gar nicht reagieren. Gerade so konnte ich eine Bruchlandung verhindern, aber<br />

das wäre Luna wahrscheinlich egal gewesen, die hätte mich auch so weiter hinter sicher den Hügel<br />

runtergeschleift.<br />

Erst am Spielfeldrand blieb sie stehen. Aber meine Hand ließ sie trotzdem nicht los. Luna ließ sich in den<br />

Sand fallen und zog mich direkt neben sich. Sehr gewaltsam, wie ich feststellen musste. Und ich glaube, sie<br />

drückt mir das Blut ab.<br />

„Man, Luna hat es aber eilig!“, kicherte Embry, als er sich neben mich in den Sand fallen ließ. Sein Knie<br />

berührte meinen Oberschenkel. Sogar durch meine Jenas hindurch konnte ich die Hitze spüren, die von ihm<br />

ausging. Ein paar Sekunden starrte ich es entsetzt an, bevor ich mich wieder Luna zu wenden musste.<br />

Die schien gleich zu kollabieren. Warum überhaupt? Der Druck um mein Handgelenk verstärkte sich. „Luna,<br />

bitte!“, quietschte ich zog an meinem Arm. Boah, die hat ja voll den Killergriff. Hilfe! Wenn die so weiter<br />

macht, sterben meine Finger!<br />

Plötzlich schob sie ein langer, bemuskelte Arm vor mein Gesicht und löste langsam jeden Finger von Luna,<br />

mit denen sie mein Handgelenk umklammerte. Mit großen Augen starrte ich auf mein rot angelaufenes<br />

Handgelenk. Der Wahnsinn.<br />

Um einen weiteren Vorfall zu meiden, rutschte ich etwas von Luna weg und stieß gegen Embry. Dieser<br />

lächelte ich legte einen Arm um meine orange gekleidete Schulter. Ich hatte das Gefühl, tausend<br />

Schmetterlinge in meinem Magen zu haben.<br />

Die Indianer hatten ihr Volleyballspiel beendet und kamen zu uns rüber gelaufen. Lunas Augen hingen die<br />

ganze Zeit an Quil. Der schien sie aber gar nicht so interessant zu finden. Die arme Luna. Dafür fanden alle<br />

Alex und Seth interessanter.<br />

30


Die beiden saßen etwas abseits im Sand und schienen sich angeregt zu unterhalten. Alex kritzelte<br />

irgendwas in den Sand und schien Seth dabei etwas zu erklären. Ich sah mit großen Augen zu, wie Seth<br />

näher an Alex heran rutschte und einen Arm hinter ihrem Rücken platzierte. Ihre Schulter berührten sich<br />

dabei und ich glaubte sogar zu sehen, wie Alex sich an Seth lehnte.<br />

„Hey Embry. Schön dich zu sehen!“, rief Jill, die neben uns aufgetaucht war. Embry konnte sich ihr gerade<br />

noch zu wenden, bevor sie ihm um den Hals fiel. HALLO!?! Mein Blick musste Bände sprechen, denn Quil,<br />

Jacob und die anderen fielen in schallendes Gelächter.<br />

Na hört mal, wie soll ich auch sonst gucken, wenn ich sehe, wie sich meine Schwester, die sich in Embry<br />

verliebt hatte, dem vorhin genannten an den Hals warf. Glücklich konnte man da bestimmt nicht gucken.<br />

Außerdem war das mein Embry. Ich will nicht besitzergreifend klingen, aber ich hatte ihn dann doch zuerst<br />

gesehen.<br />

Nach dem Jill ihre Tentakeln von Embry gelöst hatte, war sie auch noch so dreist und quetschte sich<br />

zwischen uns. In die Lücke hätte nicht mal ein Blatt gepasst. Aber Jill bekam ja immer, was sie wollte. Tief<br />

durchatmen, Robin!<br />

Doch das Atmen konnte den Ärgern auf meine Schwester nicht weg spülen. Mit einem Finsteren Blick auf<br />

ihr Pr<strong>of</strong>il griff ich nach der großen schönen Muscheln, die hinter mir im Sand lag. Das klingt jetzt sicher<br />

brutal, aber wie feste müsste ich zuschlagen, um Jill für einen kurzen Moment außer Gefecht zu setzen?<br />

Keine Ahnung.<br />

Ohne es bemerkt zu haben, hatte ich meine Hand mit der Muscheln über ihren Kopf erhoben. Wieder<br />

schienen die anderen mich sehr amüsant zu finden, denn erneut brüllten die Jungs vor Lachen los. Luna, die<br />

sich endlich von Quil los reißen konnte, griff nach der Muscheln und warf sie weg.<br />

„Was sollte das?“, zischte sie mir zu und sah mich böse an. Ich zuckte mit den Schultern. „Ich wollte Jill<br />

außer Gefecht setzten?“ „Und warum?“ „Weil sie sich an Embry ran macht. Das weißt du doch!“, flüsterte<br />

ich vorwurfsvoll.<br />

„Du benimmst dich ja schon wie ein Tier, das dein Revier verteidigt. Pinkel doch einen Kreis um Embry!“,<br />

schlug Luna leise lachend vor. Ich sah sie entsetzt an. „Seh ich aus wie Jacob?“ Das Lachen wurde lauter,<br />

nur einer lachte nicht. Jacob!<br />

Scheiße! Der Kerl hieß ja immer noch wie mein Hund. Und das eben war eindeutig zweideutig gewesen. Erde<br />

tu dich auf und verschluck mich. Ich kann so eine Peinlichkeit nicht noch mal durchstehen. Jetzt hatte ich<br />

Jacob schon zwei mal als Hund beleidigt.<br />

Ich zog meinen hochroten Kopf ein und starrte auf den Sandhaufen, den ich mit meinen Füßen zusammen<br />

gescharrt hatte, vor mir an. Durch meine Reaktion wurde das Lachen noch lauter. Verdammt. Das war so<br />

peinlich.<br />

Ich kniff die Augen zusammen und versuchte die Tränen so aufzuhalten. Warum heul ich jetzt eigentlich?<br />

Ach ja, weil dass so verdammt peinlich war, weil ich so peinlich war und weil meine blöde Schwester sich<br />

unbedingt an in Embry verlieben musste. Gott war gegen mich.<br />

Ohne es gemerkt zu haben, liefen mir die Tränen dann doch übers Gesicht und ich zog die Nase hoch. Das<br />

Lachen verstummte und in unsere Runde war es totenstill. Sogar Alex und Seth, die irgendwann zu uns<br />

gekommen waren, sahen mich besorgt an.<br />

„Alles okay?“, hörte ich Embrys besorgte Stimme neben mir. Ich nickte schwach. Und dann bewies Luna<br />

wieder, was sie für eine gute Freundin war. „Ja, das ist nur ihre Allergie. Die geht auf die Schleimhäute und<br />

ihre Augen fangen an zu tränen! Komm Robin, wir gehen mal deine Medizin holen!“, Luna stand auf zog mich<br />

hinter sich den Hügel hoch.<br />

„Luna vielen Dank!“, sagte ich, als wie außer Hörweite waren. „Kein Problem. Dafür sind beste Freundinnen<br />

doch da!“, sie lächelte und reichte mir ein Taschentuch. „Ich bin echt froh, dass es dich gibt! Hab ich dir<br />

eigentlich schon gesagt, dass ich dich liebe?“, fragte ich und schnäuzte in das Taschentuch.<br />

„Natürlich, aber ich kann es nicht <strong>of</strong>t genug hören!“, sagte sie und guckte so, dass ich nicht anders konnte,<br />

als zu lachen. Ich schob das vollgerotzte Taschentuch in meine Hosentasche und linste über Schulter rüber<br />

zu Embry.<br />

Sein Blick war betrübt, verwirrt und verletzt. Die anderen schauten nur verwirrt. Nur Jill schien die<br />

Situation nicht ganz zu begreifen. Sie lachte, klammerte sich an Embrys Arm und schmiegte sich an seine<br />

Schulter.<br />

In mir brodelte es, ganz gewaltig. Am liebsten würde ich ihr den Kopf abreißen und ihn irgendwo vergraben,<br />

wo niemand ihn wieder zu Gesicht bekam. „Robin, atme tief durch und denk an was schönes!“, flüsterte Luna,<br />

die zu begreifen schien, was in mir vorging. Ich nickte schwach. Dann drehte ich mich um und ging zusammen<br />

mit Luna zurück zum Zeltplatz.<br />

31


Kapitel 14<br />

Mir ging es scheiße, aber so richtig. Ich war down und nur wegen meiner Schwester, die mich immer weiter<br />

von Embry abdrängte. Und das tat sie ganz bewusst. „Hey!“, Megan, die viel, viel bessere Hälfte von Jill,<br />

setzte sich neben mir und legte mir einen Arm um die Schulter.<br />

Ich brummte als Antwort und nippte an der Cola getarnten Bierflasche. Das war Flasche Nummer drei. „Ich<br />

hab von der Allergie gehört!“ Wieder ein Brummen als Antwort. „Du weißt wie Jill ist. Sie sieht einen Kerl,<br />

verliebt sich in ihn und lässt ihn in Ruhe, wenn er kein Interesse an ihr zeigt. Und dass ist bei Embry<br />

eindeutig der Fall!“, Megan lächelte aufmunternd.<br />

Doch das half nicht, meine Laune zu heben. „Wenn er so großes Interesse an mir zu zeigen scheint, warum<br />

ist der dann nicht hier, bei mir? Warum ist er bei Jill. Es ist schon zwei Stunden her, seitdem meine<br />

„Allergie“ aufgetreten ist und er ist immer noch bei Jill. Er hat es nicht mal für nötig befunden, mir zu<br />

folgen!“, knurrte ich und trank die Flasche mit einem Zug leer.<br />

Megan seufzte und nahm mir die schon längst leere Flasche ab. „Mum und Dad wollen sicher nicht, dass du<br />

dich wegen einem Jungen betrinkst!“, flüsterte meine Schwester, als Mr. Manson mit dem Fleisch für den<br />

‚Grill’ aus seinem Zelt kam.<br />

„Ja, ja!“, grummelte ich und stand auf. „Ich geh ins Bett!“ Damit drehte ich mich um und ging zu meinem<br />

Zelt, dass nur drei Meter von dem Feuer entfernt stand und gut beleuchtet wurde. Ich seufzte und zog den<br />

Reißverschluss auf.<br />

Ich griff nach der Taschenlampe am Eingang und schaltete sie ein. Damit in der Hand kroch ich in mein Zelt<br />

und schlüpfte aus meinen Schuhen und meinen Klamotten. Ohne irgendetwas anderes zu tun zog ich den<br />

Reißverschluss meines Schlafsacks und legte mich hinein.<br />

Als ich die Taschenlampe ausmachte, war es noch so hell in meinem Zelt, als würde ich mit einer<br />

Schreibtischlampe hier drin sitzen. Aber Ausnahmsweise sollte es dunkel sein – so dunkel es nur sein<br />

konnte. So dunkel und schwarz wie meine jetzige Stimmung.<br />

Jill hatte mir den Trip nach La Push echt versaut und dazu hatte sie noch nicht mal viel gebraucht. Sie<br />

hatte sie einfach nur in Embry verlieben müssen, das war genug. Ich schloss die Augen und versuchte das<br />

Bild von Jill und Embry aus meinen Kopf zu streichen. Es dauerte nicht lange und ich war trotz der lauten<br />

Stimmen am Lagerfeuer eingeschlafen.<br />

Als ich die Augen wieder öffnete, saß ich in einem sehr hellen, weißen Raum. Und er war groß. Ich blinzelte<br />

gegen das starke Licht der Sonne, dass durch die großen Fenster in den Saal fiel. Es ließ den schwarzen<br />

Marmorboden leuchten.<br />

Verwirrt sah ich mich um. Ich hatte keine Ahnung, wo ich mich befand. Hilfesuchend wand ich mich an<br />

meinen Nachbarn. Mir blieb die Spucke im Halse stecken, als ich Quil in Anzug und mit Krawatte neben mir<br />

sitzen sah. Ich kannte den Kerl sonst nur oben ohne.<br />

Nach dem ich meine Fassung wiedererlangt hatte, stellte ich meine eigentliche Frage. „Ähm Quil...was<br />

machen wir hier?“ Quil sah mich belustigt an und lachte. „Wir sind auf der Hochzeit!“ Mit einer<br />

Handbewegung deutete er auf den ganzen Saal.<br />

Hochzeit? Ich blickte mich in dem Raum um, der voller Menschen war. Doch am meisten viel mir die<br />

wunderschöne Dekoration auf. Grün. Kein Scherz, hier war alles grün. Die Tücher, die Schleifen, die Blumen,<br />

die Kleider der Brautjungfern. Sogar der Pastor hatte einen grünen Schal um.<br />

Als nächstes starrte ich an mir herunter. Ich trug ein Kleid. Das Kleid, das ich auch bei Rons Hochzeit<br />

angehabt hatte. „Wessen Hochzeit ist das eigentlich?“, wandte ich mich wieder an Quil, um die nächste<br />

Frage zu beantworten.<br />

„Mensch Robin. Tu doch nicht so. Du hast mit Luna, Lizzy und Megan alles organisiert. Da müsstest du doch<br />

wissen, dass es Jills Hochzeit ist!“, Quil lachte wieder. „Ach so. Ja. Und wen heiratet Jill?“ Diesmal lachte<br />

Quil nicht. Er seufzte und zeigte nach vorne zum Altar.<br />

Ich richtet mich auf, um den Bräutigam besser sehen zu können, denn vor mir saßen die ganzen Indianer.<br />

Als ich den Bräutigam erkannte, stockte mir der Atem und mein Herz setzte aus. Das konnte nicht sein. Das<br />

durfte nicht sein. Jill konnte doch nicht bekommen haben, was sie wollte.<br />

32


Im selben Moment setzte der Hochzeitsmarsch ein und die gesamten Gäste, plus Bräutigam und mir,<br />

drehten sich zur Tür um. Dort wurde meine ältere Schwester von unserem Vater, der glücklich grinste zu<br />

ihrem zukünftigen Ehemann geführt.<br />

Und ich musste sagen, dass Jill einfach atemberaubend aussah. Wenn ich mich nicht irrte, trug sich das<br />

Kleid von Vivienne Westwood aus ‚Sex and The City’. Sogar diesen komischen blaugrünen Vogel hatte sie<br />

sich aufgesetzt.<br />

Meine Schwester strahle über das ganze Gesicht, während Luna und Alex vor ihr her liefen und die<br />

Blütenblätter auf dem ebenfalls blassgrünen Teppich verteilten. Warum was saß ich eigentlich hier bei den<br />

Zuschauern. Ich war Jills Schwester.<br />

Glücklich lächelnd wurde meine Schwester an Embry übergeben, der ebenfalls glücklich vor sich hin<br />

strahlte. Wieso? Wieso musste Embry ausgerechnet Jill heiraten? Konnte es nicht jemand anderes sein<br />

oder vielleicht sogar ich?<br />

Der Pastor räusperte sich und bat alle Gäste leise zu sein. Schnell eilte Dad auf seinen Platz neben Mum und<br />

zückte seine Videokamera. Musste er diesen Tag unbedingt für die Nachwelt festhalten? Anscheinend<br />

wollte mich jeder quälen.<br />

Die ganze Zeremonie über wartete ich auf eine Stelle. Ein stelle die alles entschied. Und nun war es endlich<br />

so weit. „Wenn irgendjemand etwas gegen diese Ehe einzuwenden hat, soll er sprechen oder für immer<br />

schweigen!“, sagte der Pastor und ließ seinen Blick über die Gäste schweifen.<br />

Da war er. Ich wollte aufspringen und ‚Nein’ schreien. Aber irgendwer hielt mich fest. Ich versuchte es<br />

noch mal und diesmal hielt mir jemand den Mund zu. Mein Blick glitt nach links und rechts. Quil und Jacob.<br />

Sie hielten mich fest.<br />

„Gut, dann erkläre ich euch nun zu Mann und Frau. Sie dürfen die Braut jetzt küssen!“, damit wandte er sich<br />

an Embry. Die Gäste sprangen auf und klatschten, als Embry das Gesicht seiner Frau in die Hände nahm und<br />

es zärtlich küsste. Mein Herz drohte bei diesem Anblick zu zerspringen...<br />

Mit einem markerschütternden Schrei wachte ich auf. Schwer atmend sah ich mich zu allen Seiten um. Es<br />

war dunkel. Nichts grünes oder weißes, kein Quil in einem Anzug. Ich seufzte und strich meine verklebten<br />

Harre aus der Stirn.<br />

Im nächsten Moment wurde mein Zelt praktisch nieder gerissen und jemand leuchtete mir mit der<br />

Taschenlampe ins Gesicht. Ich blinzelte und schirmte meine Augen mit meiner Hand ab. Konnte der jenige<br />

die Taschenlampe nicht mal weg nehmen?<br />

„Robin, ist alles in Ordnung?“, es war Luna, die vor mir in die Knie gegangen war und mich mit der<br />

Taschenlampe anleuchtete. „Nein, ich glaube, ich werde blind!“, nuschelte ich und schob die Taschenlampe<br />

aus meinem Blickfeld.<br />

„Was ist passiert?“, das war nun Mr. Manson, der sich an Luna vorbei geschoben hatte. „Ich hatte einen<br />

Albtraum!“, meinte ich kleinlaut und würde am liebsten im Erdboden versinken. „Wovon hast du den<br />

geträumt?“ „Von Jills Hochzeit!“<br />

„Ah, okay. Muss ja ziemlich schlimm gewesen sein!“, murmelte mein Lehrer und verließ mein Zelt. Luna lachte<br />

und schüttelte den Kopf. Auch meine anderen Mitschülern krochen zurück in ihre Zelte, nach dem sie<br />

wahrscheinlich feststellen mussten, dass ich noch lebte.<br />

Ich seufzte und krabbelte aus meinem Schlafsack. Da meine lieben Mitschüler mein Zelt auseinander<br />

genommen hatten, musste ich nun wieder die Heringe im Boden befestigen. Eigentlich war mir das nicht so<br />

geheuer, denn es war immer noch stockdunkel draußen.<br />

Also kloppte ich in Windeseile die Heringe in den Boden und stürmte dann wieder in mein Zelt, wo ich wieder<br />

in meinen Schlafsack krabbelte. Ich klopfte mein <strong>Kiss</strong>en zurecht, schlang meine Arme darum und stellte mir<br />

irgendwie vor, dass es Embry war.<br />

Unwillkürlich stiegen mir die Tränen in die Augen. Jill, diese blöde Kuh. Warum musste sie unbedingt<br />

mitkommen? Warum war sie überhaupt meine Schwester. Konnte sie nicht jemand anderes sein und am<br />

anderen Ende der Welt leben? An irgendeinem Ort wo Embry nicht war.<br />

Ein leisten Schluchzen stahl sich aus meinem Mund, als ich am Embry dachte, wie er neben meiner<br />

Schwester saß. Ganz nah. So nah, wie eigentlich ich an ihm sitzen sollte. Und dann war er mir nicht einmal<br />

gefolgt obwohl ich gewartet hatte. Aber ich konnte ja auch nicht bestimmen, wen er mochte und wen nicht<br />

und anscheinend hatte er sich für meine Schwester entschieden.<br />

Eine Träne tropfte auf den Zeltboden und in der Stille hörte es sich unglaublich laut an. Ich wischte mir<br />

mit dem Arm übers Gesicht, aber schnell stahlen sich neue Tränen meine Wange hinunter. So ein scheiß.<br />

Jetzt heul ich schon mitten in der Nacht.<br />

33


Ein Geräusch, dass sich anhörte, als würde jemand um mein Zelt herum schleichen, ließ mich für einen<br />

Moment die Luft anhalten. Ich traute mich nicht zu bewegen, da ich befürchtete, dass es ein Bär oder<br />

ähnlich war. Ein Klassenkamerad konnte es nicht sein, denn die waren alle schon am Schlafen.<br />

„Robin?“, der Klang seiner Stimme ließ mein Herz zum Stillstand kommen. Ich schloss die Augen und h<strong>of</strong>fte,<br />

dass es nur eine Einbildung war, aber als er erneut meinen Namen nannte, wusste ich, dass er wirklich dort<br />

draußen hockte.<br />

Mein erster Gedanke war: „Was macht der Idiot noch so spät hier draußen?“ Als zweites fragte ich mich,<br />

warum er überhaupt hier war. Wollte er wissen, in welchem Jill schlief? Pff, ich bin bestimmt nicht so blöd<br />

und sag dem auch noch wo die schläft. Soll der doch selber suchen! Und genau deshalb entschied ich mich,<br />

so zu tun, als würde ich schlafen.<br />

„Robin, ich weiß dass du nicht schläfst!“, flüsterte Embry und ich erstarrte. Der musste direkt neben<br />

meinem Zelt hocken und dann auch noch direkt auf Kopfhöhe. Kann der nicht einfach verschwinden? Dann<br />

müsste ich nicht die ganze Zeit heulen.<br />

Ich hörte Embry seufzen. „Robin, ich wollte dir sagen, dass es mir leid tut. Ich wollte das nicht. Jill hat<br />

mich einfach nicht gehen lassen. Bitte Robin!“, sein Stimme klang verzweifelt, flehend. Ich kniff die Augen<br />

zusammen, um die Tränen zurück zu halten.<br />

Zu so etwas gehören immer zwei, schoss es mir durch den Kopf, als ich Embrys Worten lauschte. Der hätte<br />

Jill ja auch einfach abweisen können, aber nein, er musste bei meiner Schwester sitzen bleiben. So ein<br />

Scheiß.<br />

Embry gequältes Seufzen riss mich aus meine Gedanken. „Ich wollte nur dass du es weißt!“, sagte er leise.<br />

Ich schluckte. Ich hörte, wie er sich an den Zelten vorbei schob und dann verschwand dann. Nun kannten<br />

die Tränen kein Halten mehr. Ich heulte ganze Sturzbäche und irgendwann hatte ich mich in den Schlaf<br />

geweint. Es war ein traumloser Schlaf.<br />

Kapitel 15<br />

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte ich das Gefühl von einem Lastwagen überfahren worden zu<br />

sein. Oder ne, ich glaub es war eine ganze Lkw-Kolonne. Ich stöhnte und presste mein Gesicht fester in mein<br />

<strong>Kiss</strong>en. Ich wollte nicht aufstehen.<br />

Ich wäre auch fast wieder eingeschlafen, wenn irgendjemand nicht laut an meinem Zelt gerüttelt hätte.<br />

Ich fass es nicht. Haben die keinen Anstand? Wenn jemand schlafen will, dann will man auch schlafen. Wenn<br />

ich denjenigen erwische bring ich ihn um.<br />

„Hey Schwesterchen! Los, raus aus den Federn. Wir wollen runter an den Strand gehen!“, rief Jill von<br />

draußen. Ich glaub es hackt. Irgendwann bring ich sie um! Die blöde Kuh will doch nur zum Strand, weil sie<br />

Embry dort vermutet.<br />

Ich schnaubte und drehte mich auf die andere Seite. Jill rüttelte schon wieder an meinem Zelt. Gerade<br />

dann, wenn sie es nicht erwartet, werde ich mich an ihr rächen. Und meine Rache wird fürchterlich sein. So<br />

fürchterlich, dass ich noch nicht weiß, was ich machen soll.<br />

„Robin!“, trällerte Jill fröhlich und ich konnte mir vorstellen, wie sie um das Zelt hüpfte. „MAN JILL, HALT<br />

DIE SCHNAUZE!“, brüllte ich genervt und stellte zufrieden fest, dass sie still war. Genauso wie die<br />

anderen aus meiner Klasse auch. „Was hat sie denn?“, hörte ich meine Schwester leise murmeln.<br />

Pah, das frag sich die Richtige. Ich schnaubte verächtlich. „Nachwirkungen der Allergie. Wir sollten sie am<br />

besten schlafen lassen. Sie wird schon nichts verpassen!“, meine Megan leise zu ihrer anderen Hälfte. Ich<br />

konnte es nicht <strong>of</strong>t genug sagen, aber Megan wurde mir immer lieber.<br />

Doch Jill schien sich nicht so leicht abwimmeln zu lassen. „Seit wann hat unsere kleine Schwester denn eine<br />

Allergie? Sie ist doch die einzige von uns, die keine hat!“ Am liebsten hätte ich meinen Kopf auf den Boden<br />

gehauen. „Man kann doch mal seine Meinung ändern!“, hörte ich Megan sagen und ihre Stimme wurde immer<br />

leiser, während sie sich mit Jill entfernte.<br />

Seufzend ließ ich mich zurück in die <strong>Kiss</strong>en fallen und schloss die Augen. Doch keine drei Minuten später<br />

wurde mein Zelt geöffnet und Mr. Manson steckte seinen Kopf hinein, Er sah mich überrascht an. Klar, ich<br />

hatte verstrubbelte Haare und Ringe unter den Augen. Ich machte so natürlich jedem Topmodel Kongruenz,<br />

war doch klar.<br />

34


Mr. Manson räusperte sich, nach dem er mich ein paar Minuten angestarrt hatte. „Wie ich sehe, scheint es<br />

dir nicht gut zu gehen Robin! Wäre es dir lieber, du bleibst einfach hier? Soll ich jemanden bei dir lassen?<br />

Vielleicht Luna?“<br />

„Nein, schon okay. Ich bin müde und werde mich wieder hinlegen. Machen sie sich also keine Sorgen um<br />

mich!“, ich lächelte gequält. „Okay. Ich werde ihnen trotzdem meine Handynummer geben, falsch etwas sein<br />

sollte!“, sagte er und ich tippte die Nummer in mein Handy ein.<br />

Kaum dass meine Klasse verschwunden war, klingelte mein Handy. Ich sah auf den Display und erstarrte.<br />

Dort stand mit schwarzen Buchstaben ‚Embry’. Ich schluckte. Mein Finger schwebte über ‚Annehmen’, aber<br />

dann drückte ich entschlossen auf den roten Hörer. Mein Handy verstummte.<br />

Doch drei mal rief er an, aber ich ließ es einfach klingeln. Aber es klingelte lange. So lange, dass ich der<br />

Versuchung widerstehen musste, doch ran zu gehen, um seine Stimme wieder zu hören. Aber ich war<br />

entschlossen und...ja, keine Ahnung. Auf jeden Fall ging ich nicht ran.<br />

Ich schaffte es sogar, noch ein paar Stunden zu schlafen, aber nur so lange, bis jemand mein Zelt aufriss<br />

und mich samt Schlafsack ins Freie zerrte. Noch ziemlich verschlafen, konnte ich gar nicht realisieren, was<br />

los war, aber dann schrie ich panisch los.<br />

Doch eine große Hand, die sich auf meinen Mund legte, erstickte meinen Schrei. „Schhhhh!“, flüsterte Paul<br />

eindringlich und sah mich warnend an. Ich kniff die Augen zusammen und schleuderte ihm die wildesten<br />

Flüche entgegen, die ich kannte.<br />

Dabei gingen die meisten zwar in seiner Hand unter, aber es hinderte mich nicht daran, ihn weiter<br />

anzukeifen. Paul erwiderte nichts darauf, sondern trug mich, immer noch im Schlafsack verpackt, zu seinem<br />

Pick Up, den er an der Straße geparkt hatte.<br />

Erst als er mich auf den Beifahrer sitz geschoben hatte, nahm er seine Hand von meinem Mund. Ich holte<br />

tief Luft, um ihn richtig zur Schnecke zu machen – obwohl es eher umgekehrt effektiver gewesen wäre- als<br />

Paul auf einmal anfing zu lachen.<br />

Ich schloss meinen Mund wieder und sah ihn verwirrt an. „Ich glaube, Embry weiß gar nicht, was er sich da<br />

für ein Mädchen ausgesucht hat!“, sagte er lachend und startete den Motor. Ich sah ihn empört an und<br />

wollte etwas erwidern, aber da fiel er mich schon wieder ins Wort.<br />

„Das meine ich nicht negativ, ganz im Gegenteil. Ich hätte nie gedacht, dass du so fluchen kannst. Einige<br />

Flüche hab ich noch nie gehört!“, sagte er und grinste. Ich fass es nicht. Der Typ hat sie doch nicht mehr<br />

alle. Paul, du gehörst ins Irrenhaus, ganz ehrlich.<br />

Ich starrte ihn weiter an. „Paul, warum entführst du mich?“, fragte ich und hob eine Augenbraue. Plötzlich<br />

wurde Paul ernst - sein Gesicht verdüsterte sich und seine Finger verkrampften sich zu Fäusten. Oh Gott,<br />

ich hätte besser nicht gefragt.<br />

„Es geht um Embry!“, sagte er. Ich starrte ihn an. Ich wollte gerade wütend fragen, warum er mich<br />

deswegen aus dem Zelt gezerrt hatte, aber dann fuhr er fort. „Er hatte einen schweren Unfall. Er war kurz<br />

wach und hat deinen Namen gemurmelt!“<br />

Ich starrte ihn an, ich starrte ihn lange an und ohne etwas zu sagen. Diese Information musste ich erst<br />

einmal sacken lassen. Es fühlte sich plötzlich an, als würde die Welt aufhören sich zu drehen. Die Zeit<br />

schien still zu stehen.<br />

„WAS GUCKST DU MICH NOCH SO DÄMLICH AN? FAHR ENDLICH LOS!“, kreischte ich und fummelte<br />

mich aus meinem Schlafsack, während Paul erschrocken auf die Tube drückte. Hätte er auch nur eine<br />

Sekunde länger gezögert, hätte ich mich ans Steuer gequetscht.<br />

Paul starrte verbissen auf die Fahrbahn, während er dort hin fuhr, wo Embry war. Also ich h<strong>of</strong>fte für ihn,<br />

dass er mich zu Embry machte. Wenn nicht, würde ich mich auf ihn stürzen und seinen Kopf so lange auf den<br />

Boden knallen, bis er mich zu ihm brachte.<br />

Im nächsten Moment wurde ich von Schuldgefühlen überflutet. Ich machte mir Vorwurfe, weil ich ihn weg<br />

geschickt hatte. Vielleicht war er da ja schon verletzt gewesen oder er wurde kurz danach angegriffen.<br />

Verdammter Mist.<br />

Als Paul den Motor abschaltete, war ich schon längst aus dem Wagen gesprungen. Ich machte mir nicht<br />

einmal Mühe, mir das kleine Häuschen genauer anzugucken, vor dem wir geparkt hatten. „Ist Embry hier?“,<br />

fragte ich außer Atem und stürmte schon auf das Häuschen zu.<br />

Paul war direkt hinter mir. „Ja, er liegt hier bei Sam und Emily. Dr. Cullen wollte gleich kommen und ihm<br />

noch mal untersuchen!“, meinte er, während ich schon die Haustür aufgerissen hatten und in den Flur<br />

stürmte.<br />

35


Im nächsten Moment knallte ich gegen eine harte, heiße Brust. Die Luft wurden aus meinen Lungen gepresst<br />

und ich landete mit einem lauten PLUMPS auf meinem Hintern. Empört sah ich nach oben. Jared blickte<br />

verwirrt auf mich herab, während er mir aufhalf.<br />

„Da hast du sie aber ziemlich schnell hier hin gebracht!“, lachte Jared und klopfte Paul auf die Schulter.<br />

Ich starrte ihn eine Weile ausdruckslos an. Dabei spürte ich, wie mein Linkes Auge zuckte. Hinter Jared<br />

erkannte ich noch die anderen, bevor ich tief Luft holte.<br />

„Sag mal, seit ihr aus dem Irrenhaus ausgebrochen oder was?“, brüllte ich und sah die beiden Jungs, die<br />

sich immer noch auf die Schultern klopften an. „WIE könnt ihr euch über meine Flüche kaputtlachen“, ich<br />

sah Paul an, „und den anderen gratulieren, dass er mich aus meinem Zelt entführt, während EIN FREUND<br />

einen Unfall gehabt hat?“<br />

Ich brüllte die beiden Indianer an und war selber erstaunt über mich, wie laut ich sein konnte. Ich musste<br />

aussehen wie eine Wahnsinnige, wie ich hier im Flur stand, bekleidet in Schlabbershirt und Boxershorts und<br />

dabei zwei muskelbepackte Indianer anbrüllte.<br />

Jared und Paul starrten mich mit großen Augen an. Die anderen hinter ihnen guckten nicht besser. „Oh, ich<br />

glaube Robin ist da!“, hörte ich plötzlich eine Frau rufen. Ich atmete noch immer schwer, während sich eine<br />

kleine Frau mit wunderschönen langen Haaren, aber drei Narben im Gesicht, den Weg zu mir bahnte.<br />

Ich schnaufte immer noch, als die Frau, die kleiner als ich war, vor mir zum stehen kam und mir freundlich<br />

lächelnd die Hand hin hielt. „Hallo, du musst Robin sein. Ich bin Emily, Sams Verlobte!“ „Hi!“, sagte ich<br />

verwirrt und schüttelte ihre Hand.<br />

„Komm ich bring dich zu Embry! Er liegt oben!“, damit nahm Emily meine Hand und zog mich an den großen<br />

Indianern vorbei zu einer Treppe. Ich sah noch mal zu Jared und Paul und wedelte mit der Hand vor meinem<br />

Gesicht herum. Sie wussten das ich nicht Emily meinte.<br />

Brav stieg ich hinter Emily die Treppe hoch. Ihr Häuschen war klein, aber ich fand das, was ich sah, sehr<br />

gemütlich eingerichtet. An den Wänden hingen unzählige Bilder von Sam und Emily, wo beide glücklich<br />

lachten. Vor diesem Angriff, der ihr wahrscheinlich diese narben verpasst hatte, war sie eine unglaublich<br />

schöne Frau gewesen. Aber ich fand sie jetzt immer noch schön.<br />

Vor einer Tür am Ende des Ganges blieb sie plötzlich stehen. „Embry schläft noch, aber du kannst ruhig rein<br />

gehen. Er wird sich sicher freuen, dich zu sehen, wenn er aufwacht!“, sagte Emily lächelnd und schubste<br />

mich sanft ins Zimmer.<br />

Ich sah zu, wie die Tür ins Schloss fiel, bevor ich mich Embry zu wand. Das Zimmer war verdunkelt, nur ein<br />

paar Sonnenstrahlen fielen durch die Schlitze der Rollladen. In einem riesigen Bett lag Embry. Ich zog<br />

scharf die Luft ein, als ich sah, wie blass Embry war. Hätte sich seine Brust nicht stetig gehoben und<br />

gesenkt, hätte ich gedacht, dass er tot wäre.<br />

Ohne den Blick von Embry zu nehmen, setzte ich mich auf den Stuhl, der direkt an dem Bett stand. Ich<br />

versuchte so leise zu sein, wie es ging, aber ich stolperte polternd über irgendetwas, dass auf dem Boden<br />

lag.<br />

Erschrocken hielt ich in meiner Bewegung inne und starrte gebannt auf Embrys Brustkorb. Nach dem ich<br />

sicher gehen konnte, dass er nicht aufgewacht war, setzte ich mich an den Stuhl. Wenn er schlief, sah<br />

Embry so friedlich aus.<br />

Ich lächelte und nahm seine Hand, die unter der Decke am Bett baumelte. Sie war heiß, aber dass kannte<br />

ich ja schon von ihm. Nur wusste ich nicht, warum er sich so heiß anfühlte, wenn ich ihn berührte. Na ja,<br />

vielleicht sollte ich ihn mal danach fragen.<br />

Aber jetzt war es unwichtig. In diesem Moment zählte einzig und allein Embry und das er wieder gesund<br />

wurde. Ich könnte es mir verzeihen, wenn mir nach diesem ‚Streit’ keine Möglichkeit mehr hatten, zu reden.<br />

So durften wir einfach nicht auseinander gehen.<br />

Ich hielt Embry Hand noch immer, während ich mich auf dem Stuhl zurück lehnte und sein Gesicht<br />

beobachtete. Mir entging keine Regung. Ich rutschte noch ein Stück näher an das Bett und legte seine<br />

Hand, umschlugen mit meiner, auf meinen Schoß. Nur für einen kurzen Moment schloss ich die Augen, um<br />

das alles zu verarbeiten.<br />

36


Kapitel 16<br />

Ich zuckte zusammen, als jemand die Tür zu knallte und laut fluchte. Ich blinzelte, aber es war so dunkel,<br />

dass ich nicht mal die eigene Hand vor Augen sehen konnte. Ich muss wohl eingeschlafen sein. Ein Blick auf<br />

die Uhr bestätigte meine Vermutung. Es war kurz nach Mitternacht.<br />

„Robin!“, irgendjemand flüsterte meinen Namen. Verwirrt sah ich mich um und suchte denjenigen. Aber ich<br />

konnte in diesem Zimmer niemanden entdecken. Erst als ich spürte, wie jemand mit dem Daumen über<br />

meinen Handrücken strich, wusste ich, wer es war.<br />

„Embry!“, kreischte ich und stürzte mich auf ihn, ohne an seine Verletzungen zu denken. Ich war einfach nur<br />

froh, dass er wieder wach war. „Jag mir nie wieder so einen Schrecken ein!“, heulte ich und boxte ihm auf<br />

die Schulter. Dabei tat es mir mehr weh, als ihm.<br />

Gerade als er zu einer Antwort ansetzten wollte, drückte ich meine Lippen auf seine. Ganz einfach und ohne<br />

zu überlegen. Seine Lippen waren warm und weich. Ich merkte, wie Embry sich unter mir versteifte, doch<br />

nach ein paar Sekunden schlag er seine Arme um meinen Rücken und drückte mich an ihn.<br />

In diesem Moment war alles egal. Einfach alles. Auch, dass ich in meinem Outfit wahrscheinlich zum<br />

Fürchten aussah und das ich wegen Embry Hitze beinahe einging. Jetzt zählten nur wir und das es Embry<br />

wieder gut ging.<br />

Nach ein paar Minuten löste ich meine Lippen von Embrys und sah ihn an. Meine Haare hingen wirr von<br />

meinem Kopf ab und ein paar Locken landeten auf Embrys Stirn. Ich könnte ihn in der Dunkelheit nicht<br />

wirklich erkennen, aber ich starrte einfach mal einen Punkt, wo ich seine Augen vermutete.<br />

„Robin, es tut mir so leid! Das mit Jill...!“ Ich drückte meine Lippen wieder auf seine, um ihn zum Schweigen<br />

zu bringen. „Jaja! Schon okay. Ich bin nur froh, dass es dir wieder gut geht!“, nuschelte ich mit<br />

tränenerstickter Stimme an Embrys Lippen.<br />

Ein paar Tränen tropften auf seine Wange. „Hey, du brauchst doch nicht weinen. Ich bin doch da!“, er strich<br />

mir mit einer Hand über den Rücken und flüsterte mir beruhigende Worte ins Ohr. Ich murrte leise und<br />

genoss die Streicheleinheiten von Embry.<br />

Ich legte mein Bein über Embry und rollte mich vorsichtig auf ihn. Embry kicherte leise und vergrub sein<br />

Gesicht zwischen meinen Haare. Von diesem Platz würde mich im Moment keiner vertreiben können und<br />

wenn Jill es wagen sollte, sich noch mal an Embry ran zu machen, kenn ich keine Gnade.<br />

„Robin, würde es dir was ausmachen, kurz von mir runter zu gehen? Ich müsste...!“ „Ja!“, sagte ich<br />

entschlossen und presste mich an seinen Körper. Ich glaubte ein leises Stöhnen von ihm zu hören, konnte<br />

mich aber auch getäuscht haben.<br />

„Ich müsste aber mal auf Toilette!“, versuchte er noch mal sanft. Ich hatte aber nicht vor, ihn gehen zu<br />

lassen. „Mir egal. Ich lass dich die nächsten 10 Jahre nicht gehen!“, entgegnete ich entschlossen. Embry<br />

lachte leise.<br />

„Das ist schön zu höre. Aber ich muss wirklich. Ich komm auch wieder, versprochen!“ „Okay!“, nuschelte ich<br />

und rollte mir von ihm runter. Ich rutschte auf der Matratze rum, bis ich mit dem Rücken gegen die kühle<br />

Wand stieß. Embry warf die Decke beiseite und stürmte aus dem Zimmer.<br />

Ich hatte bereits zwei Stunden neben Embry gesessen, als Dr. Cullen ins Zimmer spaziert kam. Er hatte<br />

mich ziemlich überrascht angesehen. Kein Wunder, bei meinem Erscheinungsbild. Er hatte mich angelächelt<br />

und in seiner Tasche gekramt.<br />

Ich hatte ihn mit Argusaugen beobachtet, als er eine Spritze aus seiner Tasche geholt hatte und Embry in<br />

den Arm jagte. Ich fragte nicht, was es war, denn ich wusste, dass es Morphium war. Anscheinend spritzte<br />

er das gegen die Schmerzen.<br />

Nach dem er Embry noch mal untersucht hatte, hatte er mir zugelächelt und war dann verschwunden. Ich<br />

hatte noch eine Weile auf die Tür gestarrt, bevor ich mich wieder ganz Embry gewidmet hatte. Irgendwann<br />

musste ich dann doch eingeschlafen sein.<br />

Als Embry wieder kam, hatte ich die Decke weg gestrampelt und mich auf dem Bett breit gemacht. Es war<br />

so unglaublich heiß in diesem Bett, dass ich auch noch das Fenster geöffnet hatte. Jetzt blies die kühle<br />

Nachtluft durch das Fenster hinein.<br />

37


„Bist doch nicht ins Klo gefallen!“, nuschelte ich breit grinsend. Embry lachte. „Ich hab es geschafft!“ Ich<br />

brummelte zufrieden und drehte mich auf den Bauch, um eine kühle Stelle der Matratze zu erwichen. Dabei<br />

streckte ich Arme und Beine von mir.<br />

„Hab ich auch noch Platz in dem Bett?“, fragte Embry und starrte belustigt auf mich herab. „Klar!“, ich<br />

rutschte bereitwillig zur Seite. Embry hob die Decke auf und legte sich auf die Matratze. Diese senkte sich<br />

und ich rutschte näher an Embry.<br />

Begeistert stellte ich fest, dass er kein Shirt an hatte. Schnell rutschte ich näher an ihn heran und<br />

kuschelte mich an seine Brust. Schon beinahe besitzergreifend legte ich einen Arm und ein Bein quer über<br />

seinen Körper.<br />

Vorsichtig schob Embry einen Arm unter meinen Kopf und begann mich im Nacken zu kraulen.<br />

Nackenkraulen, ich liebte es. Damit konnte man bei mir nichts falsch machen. Ich stöhnte leise und<br />

ignorierte dabei Embrys amüsiertes Lachen, während ich die Augen zu machte und Embrys<br />

Streicheleinheiten genoss.<br />

Das nächste, was ich mitbekam, war Paul, wie er polternd ins Zimmer gestürmt kam. „HEY! AUFSTEHEN!“,<br />

brüllte er und war dann auch wieder weg. Ich brummte missmutig und öffnete die Augen. Oh ja, ich werde<br />

Paul irgendwann umbringen.<br />

Aber ich wollte nicht aufstehen, deswegen stellte ich mich auch tot. Aber leider machte mir mein Magen,<br />

der laut knurrte, einen Strich durch die Rechnung. Embry lachte. „Komm, wir sollten Frühstücken gehen!“,<br />

murmelte der halbnackte Indianer mir gegenüber und drückte mit einen Kuss auf die Stirn.<br />

„Na gut, überredet!“, rief ich und sprang auf. Dabei verfing sich mein Fuß aber in der Decke, die immer noch<br />

auf dem Boden lag und machte so Bekanntschaft mit dem dunkelblauen Teppich. Lachend stellte Embry mich<br />

wieder auf die Füße.<br />

„Danke! Meinst du es würde Emily und Sam etwas ausmachen, wenn ich hier Dusche? Ich rieche schon<br />

muffelig!“, fragte ich Embry und roch an meinem T-Shirt. „Nein, ist okay, du kannst bei uns Duschen!“, hörte<br />

ich Sam auf einmal von unten rufen.<br />

Ich sah Embry mit großen Telleraugen an, aber der lachte nur und schob mich ins Bad. Keine zwei Minuten<br />

später erschien Emily. „Hier, ich hab dir ein paar Sachen raus gesucht, die dir vielleicht passen könnten.<br />

Hier sind Handtücher und da ist Shampoo und Duschzeug!“, sagte Emily lächelnd und ließ mich dann alleine<br />

zurück.<br />

Nach dem ich die Tür abgeschlossen hatte, stieg ich in die Dusche und ließ mich von dem heißen Wasser<br />

berieseln. Es tat einfach so gut und fühlte mich auch wieder sauberer, nach dem ich mich eingeseift und<br />

meine Haare einshampooniert hatte.<br />

Mit einem Handtuch umwickelt betrachtete ich das weiße Sommerkleid, dass Emily mir geliehen hatte. Sie<br />

war kleiner als ich, aber als ich mir die Größe auf dem Schildchen ansah, war ich erstaunt, dass es meine<br />

Größe war.<br />

Es passte sogar wirklich. Genauso wie die Unterwäsche, die sie mir hingelegt hatte. Ich wird die glaub ich<br />

dreimal Waschen, bevor ich sie Emily zurück gebe. Ich lachte und sah mich im Bad nach einer Zahnbürste<br />

um. Emily hatte gemeint, sie hätte welche im Schrank.<br />

„Tja, nur welcher Schrank?“, murmelte ich und sah alle drei Schränke einmal an, bevor ich sie einmal<br />

gründlich durchsuchte. Okay, zu gründlich sollte ich vielleicht auch nicht sein, denn wer weiß, was ich in dem<br />

Schrank finde.<br />

Leider kam das viel schneller als erwartet. Ich wollte mit dem größten Schrank anfangen. Meine Finger<br />

tasteten die oberste Fläche ab und als ich etwas längliches zu fassen bekam, zog ich es mit einem Ruck<br />

runter. Das war die blödeste Idee, die ich je gehabt hatte.<br />

Denn ich nächsten Moment flatterten irgendwelche Heftchen von dem Regal und begruben mich unter sich.<br />

Verwirrt nahm ins eins in die Hand und schmiss es gleich kreischend in die Ecke. Mich hatten Pornoheftchen<br />

angegriffen.<br />

Mit einem Satz war ich an der Tür und rannte auch gleich in einen besorgten Embry hinein. „Was ist<br />

passiert? Hast du dich verletzt?“, er untersuchte meine Arme und mein Gesicht. Ich schüttelte den Kopf.<br />

„Ich bin von Pornoheftchen attackiert worden!“<br />

Unten hörte ich, wie Sam warnend Pauls Namen rief. „Toll, es waren auch noch Pauls Heftchen! Muss er sich<br />

wirklich so abreagieren?“ Unten hörte ich lautes Gebrüll. „Hab ich das etwa laut gesagt?“, ich sah Embry mit<br />

großen Augen an.<br />

Diese nickte lachend. „Scheiße!“, war mein einziges Kommentar, bevor ich wieder im Badezimmer verschwand<br />

und die Zähne putzte. Dabei achtete ich peinlichgenau, dass ich die Heftchen nicht berührte. Drake hatte<br />

zwar auch ein paar von denen in seinem Zimmer liegen, aber sie sprangen mich nicht aus dem Nichts an.<br />

38


„Fertig!“, rief ich, nach dem ich das Waschbecken gesäubert hatte. „Du siehst toll aus!“, meinte Embry und<br />

schloss mich in seine Arme. „Danke!“, nuschelte ich an seine Brust. Das Kleid hatte zwar einen Wahnsinns<br />

Ausschnitt, aber ich fand es trotzdem schön. Ich musste nur aufpassen, dass ich niemanden zu tief blicken<br />

ließ. Na ja, Embry durfte.<br />

Ich grinste und sah ihn an. Als ich die Zärtlichkeit und Liebe in seinen Augen sah, kam ich mir auf einmal<br />

ziemlich blöd vor. Wie konnte ihn nur kampflos meiner Schwester überlassen. Ich hatte ihn jawohl zuerst<br />

gesehen.<br />

„Was ist?“, fragte Embry plötzlich, als ich ihn ein paar Minuten paar Minuten angestarrt hatte. „Gar<br />

nichts!“, meinte ich und legte meine Lippen auf seine. Ich spürte, wie er seine Lippen zu einem Grinsen<br />

verzog.<br />

Mir war das egal. Ich war einfach nur unglaublich glücklich. Besonders da ich ihn küssen konnte wann ich<br />

wollte. Zwar war es im Moment nur Lippen aufeinander legen, aber es war ein unglaublich schönes Gefühl. Es<br />

kribbelte immer so schön.<br />

„Was machen die denn so lange da oben? Hallo? Lebt ihr noch?“, rief Paul und stellte sich auf die Treppe.<br />

Ich löste mich von ihm und presste meine Stirn gegen seine Schulter. Ich grummelte leise. Embry schien<br />

genauso wenig von der Unterbrechung zu halten, wie ich.<br />

„Robin musste sich noch von dem Schock erholen. Deine Pornoheftchen haben sie aus dem Nichts<br />

angesprungen!“, rief Embry, nahm meine Hand und ging mit mir die Treppen runter. Ich hatte das Gefühl zu<br />

schweben, so glücklich war ich.<br />

Kapitel 17<br />

„Hier!“ Emily lächelte freundlich, als sie mir einen dampfenden Kaffee vor die Nase stellte. Embry rührte in<br />

seiner Kakaotasse, während sein Blick auf mir ruhte. Der Kerl war 17 und trank immer noch Kakao. Lustig<br />

und auch irgendwie niedlich.<br />

Ich lächelte ihn an und nippte dann an meinem Kaffee. Eigentlich mochte ich dass Gesöff nicht, aber Emily<br />

meinte, sie hätte zur Zeit leider keinen Cappuccino. War nicht so schlimm. Ich hatte einfach jede Menge<br />

Milch hinein gekippt.<br />

Als mein Magen laut knurrte, erinnerte ich mich, dass ich seit Vorgestern nichts mehr gegessen hatte. Also<br />

schnappte ich mir zwei Brote, bestrich sie mit Butter und streute Kakaopulver trüber. Das schmeckte<br />

lecker.<br />

Als Luna einmal einen holländischen Schwarm hatte, musste ich wochenlang mit ihr zusammen in diese<br />

Holland - AG gehen. Dabei hatten wir auch die Essgewohnheiten kennen gelernt. Und die Holländer streuten<br />

immer Kakaopulver oder Schokostreuseln auf ihr Brot.<br />

Während ich in mein Frühstück zubereitete, wurde ich von den ganzen Jungs und Emily beobachtet. Paul<br />

war sogar so dreist, dass er nach dem zweiten Brot auf meinem Teller griff. Aber bei Essen kenn ich keinen<br />

Spaß. Man konnte es schon Futterneid nennen.<br />

Meine Hand schnellte zu dem Messer neben meinem Teller und ich erhob es drohend. „Noch eine Bewegung<br />

Paul!“, knurrte ich drohend. Dieser sah mich mit großen Augen an und zog seine Hand zurück. Ich ließ das<br />

Messer wieder sinken und biss in mein Brot.<br />

„Mach dir selber eins oder frag mich, ob du mal probieren darfst. Aber greif nicht einfach nach meinem<br />

Essen, da kenn ich keinen Spaß!“, meinte ich und wedelte noch einmal mit dem Messer vor seiner Nase<br />

herum. Ich sah wie die anderen sich das Lachen schwer verkneifen mussten.<br />

„Das ist kein Scherz?“, fragte Paul noch einmal und war drauf und dran, seine Hand wieder über den Tisch<br />

auszustrecken. „Nein, dass ist kein Scherz. Also, kommt da noch was oder legst du es wirklich darauf an,<br />

mit einem Loch in der Hand nach Hause zu gehen?“ Wie gesagt, bei Lebensmitteln kenn ich keinen Spaß und<br />

da konnte ich zur Furie werden.<br />

Paul seufzte. „Darf ich mal dein Brot probieren?“ „Nein!“, sagte ich und biss grinsend in mein Brot. Paul<br />

fielen beinahe die Augen aus dem Kopf, aber da schob ich ihm schon eine kleine Ecke hin. Er sah mich<br />

beleidigt an und schob sie die Ecke in den Mund.<br />

Ich sah ihn mit großen Augen an, während er prüfend auf dem Brot rumkaute. Aus dem Augenwinkel sah ich,<br />

wie Embry nach meinem Brettchen angelte und sich ebenfalls ein Stück abschnitt. Paul verschluckte sich<br />

vor Empörung beinahe an seinem Rest-Brot.<br />

39


„Ach und Embry darf sich einfach eins holen?“, er zeigte auf meinen Sitznachbar. Ich tat überrascht und<br />

sah Embry böse an. Dieser lächelte nur und beugte sich vor, um mir einen Kuss auf die Lippen drückte. Die<br />

anderen sahen uns mit großen Augen an.<br />

Ich grinste nur und wandte mich dann wieder meinem Brot zu. „Robin, würde es dir was ausmachen, uns<br />

etwas über dich zu erzählen?“, fragte Emily, die sich auf Sams Gesetzt hatte. Ich sah die Indianerin mit<br />

großen Augen an.<br />

„Was wollt ihr denn wissen?“, fragte ich. „Erzähl uns etwas über dich, was dir einfällt!“, sagte Emily und<br />

lächelte mich freundlich an. Okay. Ich überlegte. „Okay, was mir einfällt. Also ich bin Halbirin und wohne<br />

zur Zeit mit meiner Familie in Port Angeles!“<br />

„Du bist Halbirin?“, Emily sah mich interessiert an. Ich nickte. „Ja, meine Mum kommt aus Dublin. Ich kann<br />

sogar Irisch. Mama bestand darauf, dass wir die Sprache nicht verlernen!“, grinste ich. Auf Irisch konnte<br />

man Leute immer so schön beschimpfen, ohne das sie was mitbekam.<br />

„Mein Vater ist Polizist und meine Mutter ist...Gott, was macht die?“, ich überlegte angestrengt. „Ah, jetzt<br />

weiß ich es wieder. Sie ist Konditorin. Zuhause haben wir eine eigene Konditorei/Bäckerei. Mama ist die<br />

beste auf der ganzen Olympic - Halbinsel!“, ich lächelte stolz.<br />

„Na, dann wissen wir schon, wo wir die Hochzeitstorte bestellen!“, lächelte Sam und drückte seiner<br />

Verlobten einen Kuss auf die Nasenspitze. „Ich sag ich bescheid!“, lächelte ich. Embry nahm meine Hand in<br />

seine und Strich mit seinen Daumen über meinen Handrücken.<br />

„Ähm, ich habe Geschwister! Ich muss nur gerade nachzählen wie viele!“, sagte ich und begann meine<br />

Geschwister an den Fingern abzuzählen. „Fünf! Lizzy, Ron, Drake, Megan und Jill!“, letzten Namen knurrte<br />

ich beinahe.<br />

„Wow, fünf Geschwister. Dann seit ihr ja ne große Familie!“, kommentierte Jared. „Ja, ich bin die Jüngste,<br />

aber die Größte!“, sagte ich und lachte diabolisch. „Ich bin mehr als fünf Zentimeter größer als meine<br />

Geschwister! Okay, bei Drake sind es nur zwei, aber ich bin größer!“, fügte ich stolz hinzu. Bei mir in der<br />

Familie waren alle groß, aber ich war die Größte von den Kindern.<br />

„Hast du Haustiere?“, kam es diesmal von Seth. „Oh ja!“, sagte ich. „Wir haben fünf Hunde und zwei Katzen.<br />

Die Schäferhunde Jacob und Whiskey, Golden Retriever Bigbee, Dalmatinerdame Nici und Berna<br />

Sennenhund Leo. Und dann noch unsere Katzen Muffin und Fungi!“, erzählte ich.<br />

„Ihr habt drei von euren Haustieren nach Lebensmitteln benannt?“, fragte Jared. „Ja. Zuerst wollte wir<br />

Jacob Ben nennen, aber er ist unser kleiner Analphabet, deswegen Jacob!“, sagte ich und hätte mir am<br />

liebsten mit der flachen Hand gegen die Stirn geschlagen.<br />

„Tut mir echt leid Jacob!“, sagte ich, während die anderen sich nicht beherrschen konnten. Ich hab es mit<br />

diesem Kerl. „Aber um dich zu trösten, Jacob ist ein echt guter Wachhund!“, versuchte ich die Situation<br />

noch mal zu retten.<br />

Nach dem sie sich beruhigt hatten, sah Sam mich ernst an. „Robin, da gibt es etwas, was du unbedingt über<br />

uns wissen solltest!“ Ich schluckte und nickte. Embry, der immer noch meine Hand hielt, klammerte sich<br />

praktisch an ihr fest.<br />

„Gut, aber vorher solltest du wissen, dass wir nicht böse sind. Wir beschützen La Push!“, fing Sam an.<br />

Wieder ein Nicken meinerseits. „Wir sind Werwölfe!“, fügte er hinzu. Ich verschluckte mich an meinen Brot<br />

und lag röchelnd und japsend auf dem Tisch, während Embry mir sachte auf den Rücken klopfte. Es war ein<br />

bisschen fest.<br />

Ich wischte mir die Tränen aus den Augen und sah zu Sam. Der sah mich völlig ernst an. „Das ist kein<br />

Scherz?“, fragte ich und rutschte ein Stück auf meinem Stuhl herum. „Ihr alle?“, fragte ich und sah jeden<br />

an. „Ich nicht!“, meinte Emily und lächelte.<br />

„Ähm...Werwölfe. Seit ihr die, die sich bei Vollmond verwandeln und dann jagt auf Menschen machen, um<br />

ihre Herzen zu essen?”, fragte ich und ich konnte es nicht verhindern, ein Stück von Embry und den<br />

anderen weg zu rutschen.<br />

Sam sah das und meinte: „Nein, keine Sorge. Wir sind anders. Wir können uns in Wölfe verwandeln, wann wir<br />

wollen. Wir beschützen La Push vor den kalten Wesen!“ Okay. Ich rutschte wieder näher zu Embry, der<br />

s<strong>of</strong>ort einen Arm um mich legte.<br />

„Okay, ihr seit also nicht SO Werwölfe. Kommen deshalb auch diese Hitze!“, fragte ich und streichelte über<br />

Embrys Arm. „Ja!“, antwortete Sam. „Aber da gibt es noch was!“ Oh Gott, was kommt denn noch? Ich nickte<br />

ergeben und hörte zu.<br />

„Bei uns Werwölfen gibt es noch etwas, dass sich ‚Prägen’ nennt. Es soll eigentlich selten sein, aber jetzt<br />

sind schon vier betr<strong>of</strong>fen...!“ „Betr<strong>of</strong>fen, dass klingt ja, als wäre es was ganz schlimmes!“, sprach ich meinen<br />

Gedanken laut aus.<br />

40


„Bei der Prägung treffen wir unseren Seelenverwandten. Unsere zweite Hälfte, die unser Leben komplett<br />

macht. Sie ist alles für uns und wir bemühen uns, sie immer glücklich zu sehen. Wir beschützen sie und<br />

bleiben für immer an ihrer Seite! Nichts ist wichtiger als sie. Unsere Leben dreht sich ab dem Augenblick,<br />

in dem wir sie sehen, nur um sie!“, sagte Sam und blickte Emily dabei verliebt an.<br />

„Das hast du schön gesagt!“ Hat er wirklich. Aber was passiert, wenn man sich auf einen Mann prägt, anstatt<br />

auf eine Frau und man gar nicht schwul ist? Boah ist das ne beschissene Frage. Ich schallte mich selber in<br />

Gedanken.<br />

„Wer sind die vier?“, fragte ich dann. „Ich nehme mal an, dass du dich auf Emily geprägt hast!“ „Richtig. Und<br />

dann haben sich noch Jared, Quil und Embry geprägt!“ „Quil? Da wird Luna aber enttäuscht sein!“, murmelte<br />

ich, aber da fiel mir etwas ein.<br />

„Embry! Auf wen?!“, ich sah ihn mit großen Augen an und war kurz vom Heulen. Wenn das wahr war, hatte ich<br />

Embry endgültig verloren. Da musste ich mich gar nicht mehr anstrengen. „Auf dich!“, sagte Embry sanft<br />

und ein Lächeln umspielte seine Lippen.<br />

Im nächsten Moment stürzte ich mich kreischend auf ihn und haute Embry vom Stuhl, ich landete auf ihn.<br />

Glücklich legte ich meine Lippen auf seine und vergrub meine Hände in seinen Haaren. Als sich jemand<br />

räusperte kroch ich unter dem Tisch hervor und setzte mich wieder auf meinen Stuhl.<br />

Acht Werwölfe grinsten mir verschmitzt entgegen. Ich strich mir eine Strähne hinters Ohr und starrte<br />

auf mein Brot, das nicht mehr da war. Ich wusste, dass Paul es gegessen hatte. War ja klar gewesen. Ich<br />

schickte ihm einen wütenden Blick und sah dann zu Embry.<br />

Dieser kam mit hochrotem Kopf und zerzausten Haaren unter dem Tisch hervor. Ich grinste und nahm seine<br />

Hand in meine. „Du glaubst das?“, fragte Seth nach einer Weile. Ich überlegte und war selber überrascht,<br />

dass ich das wirklich glaubte.<br />

Sonst war ich nie eine von denen gewesen, die s<strong>of</strong>ort an etwas Übernatürliches glaubte. Und dass, was sie<br />

mir hier gerade erzählt hatten, war mehr als übernatürlich. Aber ich glaubte ihnen. Niemand dachte sich so<br />

was aus, wenn es nicht ernst war.<br />

„Ja!“, sagte ich und sah Seth an. „Dann bist du die erste. Kim und Emily brauchten Beweise!“,, sagte er und<br />

bekam von Jared und Sam gleichzeitig einen auf den Hinterkopf. Es klang, als würden zwei Steine auf<br />

einander prallen.<br />

„Ich glaub, ich hab schon einen Beweis geliefert bekommen!“, sagte ich, als ich mich an den Tag erinnerte,<br />

als ich aus dem Krankenhaus abgeholt wurde. Da hatte ich einen großen silbernen Wolf gesehen, der neben<br />

unserem Auto im Wald lief. „Wirklich?“ „Ja!“<br />

„Hey, wir wollen heute zu Dr. Cullen fahren. Seine Frau hat uns zum Essen eingeladen!“, sagte Embry. „Euch<br />

alle?“ „Ja, alle. Hast du Lust mitzukommen?“, fragte er und sah mich liebevoll an. „Klar, dass würde ich<br />

gerne, aber was ist mit meiner Klasse? Mr. Manson bringt mich um, wenn er erfährt, dass ich nicht da bin!“,<br />

sagte ich besorgt.<br />

„Mach dir keine Sorgen! Paul war noch gestern bei Luna und hat ihr erzählt, was passiert ist. Wir haben es<br />

so arrangiert, dass es aussieht, als wärst du gestern den ganzen Tag im Zelt gewesen. Und heute haben wir<br />

gesagt, dass Embry dir etwas über unsre Kultur erzählt!“, sagte Sam. „Okay, ich bin bereit!“<br />

Kapitel 18<br />

„Nein! NEIN! Ich hab es mir anders überlegt. Ich bin NICHT Bereit!“, kreischte ich und klammerte mich<br />

mit Armen und Beinen an den Sitz fest. „Nun komm schon Robin!“, versuchte Embry es nun schon zum<br />

dritten – oder vierten – mal, mich aus dem Auto zubekommen.<br />

„Ich bin doch nicht blöd. Ich geh da nicht rein. Werwölfe sind okay, aber nicht Vampire! Die brauchen<br />

nämlich wirklich Blut!“, meckerte ich und sah Embry vorwurfsvoll an. Er blickte mich nur erschöpft an. Also<br />

da hat der wirklich keinen Grund zu.<br />

Er sah hilfesuchend zu seinen Freunden, die hinter ihm standen und sich sehr über mich und mein Theater<br />

amüsieren. Alex, die dicht an Seth gekuschelt hinter Embry stand, hatte das alles mit viel mehr<br />

Beherrschung aufgefasst. Nur ich nicht<br />

Aber ich hatte einen triftigen Grund, so ein Theater abzuziehen. Denn auf der Fahrt von Sam zu den<br />

Cullens, hatte die Jungs mich mal genau über diese Familie, die in einer riesigen Villa mitten im Wald lebte,<br />

aufgeklärt.<br />

41


Sie waren Vampire. Echte, blutsaugende Vampire. Zwar anders, als sie beschrieben wurden, denn sie wurden<br />

nicht von der Sonne verbrutzelt und sie mussten auch nicht in Särgen schlafen, weil sie gar nicht schliefen,<br />

aber es waren Vampire, die Blut trinken mussten um zu überleben.<br />

Wegen einem Vampir wäre Embry beinahe gestorben, Nur weil so ein komisches Vieh in gebissen hatte. Die<br />

Jungs hatten mir erzählt, dass das Gift eines Vampirs das Einzige wäre, was einen Werwolf umbringen<br />

könnte. Und jetzt sollte ich noch in ein Haus gehen, wo es acht Stück gab?<br />

„Es ist mir egal, ob sie Menschenblut trinken oder nicht, ich geh da nicht rein. Auf keinen Fall. Da kann ich<br />

mich ja gleich auf einem Tablett einliefern lassen. Außerdem hat Dr. Cullen meinen Hintern angefasst. Das<br />

durftest du noch nicht mal!“, zischte ich ihm entgegen.<br />

Auf Grund des letzten Teil meines Satzes, sah Embry mich für einen kurzen Moment überrascht an, doch<br />

dann erschien ein Lächeln in seinem Gesicht, das mich dahinschmelzen ließ. Er kam näher und reichte mir<br />

seine Hand. Ich beäugte sie skeptisch.<br />

„Nun komm. Sie werden dir nichts tun. Ich werde persönlich dafür sorgen!“, sagte er sanft. Ich überlegte<br />

und starrte zwischen seiner Hand und der Haustür immer wieder hin und her. Dann teilte ich ihm meine<br />

Entscheidung mit. „NEIN!“<br />

Keine fünf Sekunden später stand ich, flankiert von Embry und Paul, auf der Veranda. „Ich hasse eu...hi!“,<br />

rief ich, als Dr. Cullen die Tür öffnete. Er lächelte mich auf irgendeine Art und Weise an, die mir das<br />

Gefühl gab, dass er alles mitbekommen hatte.<br />

„Schön, dass ihr gekommen seit. Esme freut sich schon, euch endlich wieder zu sehen!“, sagte Dr. Cullen<br />

lächelnd. Ich grinste gequält. Wenn ich hier lebend raus kam, würde ich Embry was erzählen. Nett wie ich<br />

war, ließ ich den anderen den Vortritt, nur Paul bestand darauf, dass ich vor ging.<br />

„Nein, ich bestehe darauf!“, meinte er und gab mir einen leichten Stoß. Leicht war gut, denn ich blieb mit<br />

der Schuhsputze im Türrahmen hängen und segelte in den Flur. Dabei gewehrte ich Paul frei Sicht auf<br />

Emilys Unterwäsche.<br />

Ich blies mir pustend die Haare aus dem Gesicht, während Embry zu mir geeilt kam, Paul einen bösen Blick<br />

zu warf und mir aufhalf. Werwolf hin oder her, irgendwann spring ich Paul ins Gesicht und dann zerkratz ich<br />

es ihm.<br />

Während ich alle freundlich, wenn auch zurückhalten und mit großer Vorsicht begrüßte, stellte ich mir vor,<br />

wie ich Paul zu Boden warf, mich auf ihn setzte, meine Finger in seinen Haaren vergrub und sein Kopf mit<br />

voller Wucht auf den Boden donnerte. Er hatte ja eh nichts, was zu schaden kommen könnte.<br />

Ich ließ mich neben Embry und einem Nicht-Cullen nieder. So weit ich das verstanden hatte, war sie eine<br />

Schulkameradin von Edward und Bella. Jessica irgendwie. Ich hatte ihren Namen vergessen. Als ich meinen<br />

Blick noch einmal über die Runde gleiten ließ, blieb ich an einem Gesicht hängen.<br />

Soweit ich mich erinnern konnte, was das Edward Cullen und somit Bellas Freund. Die saß direkt daneben,<br />

mit Märtyrerblick. Oh ja, ich konnte sie verstehen. Aber der eigentliche Grund, warum ich an Edwards<br />

Gesicht hängen geblieben war, war sein Lächeln, das er zu unterdrücken schien.<br />

Ja, ich hatte mich mal wieder selbst zum Alleinunterhalter gekrönt. Ich konnte auf Kommando bestimmt<br />

irgendwas blödes machen. Ich könnte Paul mit einer Zeitung hauen. Oh, dass würde mir gefallen. Das würde<br />

ich jedes mal machen, wenn er etwas tat, dass mir nicht gefiel.<br />

Ein diabolisches Grinsen stahl sich auf mein Gesicht und ich sah, dass auch Edward breit vor sich hin<br />

grinste. Was hat er eigentlich zu grinsen? Keine Sau sagt was. Oder Moment, ich glaube die neben mir hat<br />

was gesagt.<br />

Ich drehte mich zu ihr und tat so, als würde ich interessiert zuhören, dabei hatte ich echt keine Ahnung,<br />

worüber mich die zu laberte. Aber ich nickte ab und zu mal, gab zustimmende Laute von mir und<br />

konzentrierte mich dann völlig auf Embrys Hand, die meinen Oberschenkel streichelte.<br />

Nach der Aktion da draußen hätte ich seine Hand wegschlagen müssen, aber dann entschied ich mich doch<br />

dafür, seine Streicheleinheiten zu genießen . Ich versuchte so zu tun, als wäre ich die Ruhe selbst, aber<br />

innerlich tobte ein Orkan der Gefühle.<br />

Nach fünf Minuten wurde es mir echt zu langweilig, meine Nachbarin zu zuhören, wie sie von ihrem Ballkleid<br />

schwärmte, oder welche Klamotten sie gekauft hatte. Diese Aussage brachte das Lieblingsthema der<br />

Frauen zu Wort: Shoppen.<br />

Ich sagte dazu lieber ‚Klamotten kaufen’, aber ich mochte es nicht. Mum musste mich praktisch in die<br />

Geschäfte reinschleifen. Erst letztens hatte Mum mich vor den Augen der Verkäuferin an den Füßen in den<br />

Laden geschliffen.<br />

42


„Hey Robin, du kommst doch aus Port Angeles oder?“, diese Frage bekam ich von Alice gestellt. Eine kleine<br />

Schwarzhaarige. Ich nickte brav. „Kommst du dann mal mit uns shoppen?“, sie sah mich mit ihren goldenen<br />

Augen neugierig an.<br />

„Auf keinen Fall!“, rief ich aus und hob abwehrend die Hände. „Shoppen! Iiih. Ganz schlimm. Sollte verboten<br />

werden. Ich würde nicht mal freiwillig shoppen gehen, wenn mein Leben davon abhänge!“, ich schüttelte mich<br />

am ganzen Körper.<br />

Jedes Mädchen im Raum sah mich mit großen Augen an. „Du gehst nicht gerne shoppen?!“, Jessica sah mich<br />

verdattert an. Ich seufzte. „Spreche ich eine andre Sprache? Ich könnte es dir auf ein Blatt Papier malen,<br />

würdest du mich dann verstehen?“ Ich lächelte unschuldig.<br />

Jessica drehte sich beleidig weg. „Ich dachte schon, irgendjemand hätte mir ‚Texte mich voll’ auf die Stirn<br />

geschrieben!“, raunte ich Embry zu, während ich so tat, als würde ich meine Schuhe zu binden. Dabei sah ich<br />

über den Tisch hinweg zu Edward.<br />

Also was grinst der mich denn schon wieder an? Hab ich Titten im Gesicht? Keine Sekunde nach diesem<br />

Gedanken brach Edward in schallendes Gelächter aus. Als Emmett, der Schrank auf zwei Beinen, sich zu ihm<br />

rüber beugte, flüsterte er ihm etwas ins Ohr, worauf beide anfingen zu lachen.<br />

Ich ignorierte ihr Lachen und beschäftigte mich mit einem viel wichtigerem Thema: Hatte Edward Cullen<br />

überhaupt mal welche angefasst? Ich nahm ihn genau unter die Lupe. Oder das, was ich über den Tisch<br />

hinweg sehen konnte.<br />

Nach einer eingehenden Studie seines Oberkörpers und Bella, die verbissen auf den Tisch starrte, kam ich<br />

zu dem Entschluss, dass es nicht der Fall war. Und von Matratzensport wollen wir erst gar nicht reden. Bei<br />

seiner Kraft würde der Bella glatt durch die Wand stoßen.<br />

Als ich mir das bildlich vorstellte, erstarb Edwards Lachen. Ich schüttelte mich derweil am ganzen Körper.<br />

Gruselig. Oh, jetzt starrt er mich böse. Kann ich auch. Ich kann ihn 30 Minuten lange anstarrten ohne zu<br />

blinzeln. Und nur, weil Luna mir erzählt hatte, dass wenn ich blinzle, ein Vogel tot vom Baum fallen würde.<br />

Ich hasse sie heute noch dafür.<br />

Nach 10 Minuten wurde es mir aber zu blöd und ich begann auf meinem Stuhl hin und her zu rutschen. Nach<br />

den fünf Gläsern Cola verspürte ich dann doch das Bedürfnis, die Toilette aufzusuchen. Embry, dessen<br />

Hand immer noch auf meinem Oberschenkel lag, sah mich besorgt an.<br />

„Was ist los?“, er hatte sich zu mir hinüber gebeugte. Benebelt von seinem berauschendem Duft brauchte<br />

ich ein paar Sekunden für die Antwort: „Ich muss mal auf Klo!“ „Dann geh doch!“ „Keine Lust!“, erwiderte<br />

ich. Ich hatte wirklich keine Lust. Dann hätte ich ja aufstehen müssen.<br />

Die Werwölfe lachen und auch die Vampire stimmten mit ein. Nur wir Sterblichen lachten nicht. Nein, wir<br />

waren zivilisiert. Okay, ich zähl mich dann doch nicht zu den Zivilisierten. Ich hab schmutzige Gedanken am<br />

Essenstisch.<br />

„Da hast du recht!“, sagte Edward und sah mich direkt an. Ich sah ihn an, als wäre er ein Alien. Okay er war<br />

ja irgendwie eins. „Womit hab ich recht?“, fragte ich verwirrt und sah gleichzeitig zu Embry. Dieser beugte<br />

sich vor.<br />

Sein heißer Atem kitzelte an meinem Ohr, als er antwortete. „Edward kann Gedanken lesen!“ Es war ein<br />

leises Flüstern, nur für mich bestimmt. „Ach so!“, sagte ich. Jetzt wurde mich alles klar. Er hatte alles<br />

mitbekommen, was ich gedacht hatte.<br />

Ich grinste dreckig und winkte Edward zu. Sein Lächeln verschwand. Dann stand ich auch und fragte Esme<br />

höflich, wo denn hier die Toilette sein. Sie zeigte in den Flur und meinte, dass ich nur die letzte Tür links<br />

nehmen müsste.<br />

Erleichtern kam ich ein paar Minuten später aus dem Badezimmer spaziert. Ich hatte extra kontrolliert,<br />

dass ich kein Klopapier unterm Schuh hatte. Ohne die Miene zu verziehen, setzte ich mich wieder neben<br />

Embry. Inzwischen hatte Esme die befüllten Teller auf unsere Plätze gestellt.<br />

Ich wusste, dass alle Werwölfe und Vampire – die mit den verschärften Sinnen – mitbekommen hatten, wie<br />

ich beinahe das Badezimmer auseinander genommen hatte. Ich war mehrmals mit dem Kopf gegen die Lampe<br />

geknallt, hatte einen Hocker neben dem Klo umgerissen und beinahe eine Vase – eine sehr teuer aussehende<br />

Vase – kaputt gemacht.<br />

Kommentiert hatte ich alles mit lautem Fluchen. Doch als ich mich erinnerte, dass die mich da draußen<br />

hören konnte, wurde ich leiser und beschimpfte die Lampe in Gedanken. Das bekam dann nur Edward mit.<br />

Ich hatte schon überlegt, meine Tat zu kommentieren, aber da mich ja eh jeder hören konnte, hielt ich es<br />

für unnötig.<br />

43


Während dem Essen hatte Embry beide Hände auf dem Tisch. Aber ich ließ es mir nicht nehmen, mit dem<br />

Fuß seine Wade rauf und runter zu streichen. Aus dem Augenwinkel sah, ich Embry sich bemühte, sein Essen<br />

in den Mund zu befördern. Tja, er war halt keine Frau, wir konnte mehrere Sachen gleichzeitig erledigen.<br />

Kapitel 19<br />

„Ich fand das aufregend!“, begeisterte sich Alex, die auf Seth Schoß saß und mit seinen Haaren spielte. Ich<br />

grunzte als Antwort, starrte dann weiter geschafft aus dem Fenster und genoss Embrys<br />

Streicheleinheiten. Wir saßen auf der Rückbank und ich hatte mich an seine Brust gelehnt.<br />

Draußen schien noch immer die Sonne. Wir hatten mehr als sechs Stunden bei den Cullens verbracht. Ich<br />

war zu dem Entschluss gekommen, dass sie doch keine so schlimmen Vampire waren. Sie waren doch<br />

eigentlich ganz nett.<br />

Besonders Esme gefiel mir, aber Alice war mir zu hibbelig, Edward irgendwie zu still, Jasper machte mir mit<br />

seinem leidenden Gesichtsausdruck ein bisschen Angst und Rosalie betrachtete mich wie ein ekliges Insekt<br />

und genau das konnte ich nicht verstehen.<br />

Emmett war ganz lustig, auch wenn er sich besonders über mich amüsierte, wenn ich wieder irgendwo gegen<br />

lief. Er meinte, dass Menschen so schön tollpatschig waren. Tja, ist halt nicht jeder so wie ich. Ich mach sie<br />

mit meiner Tollpatschigkeit alle platt.<br />

Und dann war da noch Bella. Irgendwie mochte ich sie nicht. Sie war komisch und sie kam mir irgendwie<br />

ziemlich egoistisch vor. Embry hatte mir erzählt, was zwischen ihr, Edward und Jacob lief und das sie beide<br />

liebte, aber keinen gehen lassen wollte.<br />

Edward hatte mich darauf böse angestarrt, aber ich muss ja nicht jeden mögen. Wenn ich Bella nicht<br />

mochte, war es meine Sache. Ich schrieb den anderen auch ja auch nicht vor, dass sie mich mögen mussten.<br />

Jeder kann mögen, wen er will.<br />

„Woran denkst du?“, fragte Embry leise und strich mir eine Strähne hinters Ohr. Ich drehte mich lächelnd<br />

zu ihm und sah ihm in die Augen. „Nur an dich!“, murmelte ich leise und schloss die Augen. „Bist du müde?“<br />

Ich nickte. Ich war geschafft.<br />

Alex dagegen war putzmunter. Sie hampelte auf Seths Schoß rum und drückte auf jeden Zentimeter Haut<br />

seines Gesichtes einen Kuss. Seth grinste breit und schien das wirklich zu genießen. Die beiden waren aber<br />

auch wirklich süß.<br />

Embry schien zu merken, dass ich die beiden beobachtete, denn er umfasste mein Kinn und drehte es so,<br />

dass ich ihn ansehen musste. Ich lächelte, als er mich auf die Stirn küsste und gleich einen weiteren auf<br />

meiner Nasenspitze platzierte.<br />

Vorne im Auto hörte man Paul stöhnen. „Ist seit wirklich nicht auszuhalten. Überall laufen sie jetzt rum.<br />

Sogar hinter den Bäumen versteckt ihr euch!“ „Bist ja nur neidisch!“, kam es von Seth, der breit in den<br />

Rückspiegel grinste.<br />

„Aber wenn Paul auch ein Küsschen will, dann muss er es nur sagen!“, meinte Alex und unterbrach ihre<br />

Aktion. Seth gefiel das gar nicht. Embry näherte sich immer mehr meinen Lippen. Paul schwieg verbissen<br />

und schielte in den Rückspiegel.<br />

Als Embry seine Lippen auf meine legte, hatte Alex sich vor gebeugt und Paul einen Kuss auf die Wange<br />

gedrückt. Ich konnte mir seinen überraschten Gesichtsausdruck nur zu gut vorstellen. Und Seths empörten.<br />

Eifersüchtig?<br />

„Du bist der einzige!“, versicherte Alex Seth und setzte sich wieder auf seinen Schoß. Aber so, dass sie ihn<br />

direkt an sah. Wow! Embry und ich haben knapp drei Wochen gebraucht und die beiden waren schon so weit.<br />

Na gut, vielleicht beschleunigte dieses Prägen alles.<br />

Paul lenkte den Wagen die Einfahrt hoch und stellte in direkt hinter Sams Pick Up ab. Ich schnallte mich ab<br />

und kletterte etwas steif hinter Embry aus dem Wagen. Ich stöhnte, als ich feststellen musste, dass mein<br />

Fuß eingeschlafen war.<br />

Mein ganzer Fuß kribbelte furchtbar. Murrend bis ich die Zähne zusammen und hüpfte auf einem Bein<br />

hinter den anderen ins Haus. „Was ist denn mit dir los?“, fragte Embry amüsiert und ergriff meinem Arm,<br />

um mich zu stützen.<br />

44


„Mein Fuß ist eingeschlafen!“, antworte ich und versuchte durch die Tür zu kommen, ohne Bekanntschaft<br />

mit dem Boden zu machen. „Lach nicht!“, maulte ich, als Embry anfing zu lachen. „Entschuldigung!“, sagte er<br />

und schlang einen Arm um meine Schulter.<br />

Ich nickte und kuschelte mich an ihn. So schnell würde ich ihn nicht wieder los lassen. „Ich werde dich nicht<br />

Jill überlassen!“, sagte ich streng und schaute zu Embry auf. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen, als er sich zu<br />

mir hinunter beugte.<br />

„Wegen deiner Schwester brauchst du dir keine Sorgen zu machen! Ich gehöre nur dir!“, flüsterte er und<br />

küsste mich sanft. Ich quiekte erfreut und schlang meine Arme um seinen Hals. So was schönes, hatte ein<br />

Junge noch nie zu mir gesagt.<br />

Lautes Grölen unterbrach unseren Kuss. Embry knurrte verärgert. Aber als ich mich von ihm lösen wollte,<br />

zog er mich wieder an sich. Überrascht sah ich ihn an, vergaß aber jeden Gedanken und die ganzen<br />

grölenden Indianer.<br />

„Du warst heute sehr tapfer!“, murmelte Embry und drängte mich gegen die Wand. Wow, so direkt hatte ich<br />

ihn ja noch nie erlebt. „Stimmt. Ich finde, ich hab eine Belohnung verdient!“, erwiderte ich flüsternd und<br />

krallte meine Hände in sein T-Shirt.<br />

Embry lächelte und knabberte an meiner Unterlippe. Ich schnaufte zitternd und versuchte nicht schon<br />

wieder laut zu quietschen. Dank dieser kleinen Geste, begann mein Körper überall zu Kribbeln. Und es war<br />

nicht wie ein Kribbeln, als wenn der Fuß einschlafen würde, sondern ein angenehmes Kribbeln.<br />

Ich wartete gespannt, was Embry als nächstes machen würde. Im nächsten Moment spürte ich, wie er mit<br />

seiner Zunge über meine Oberlippen fuhr und sie sanft anstupste. Unwillkürlich musste ich stöhnen, als ich<br />

seiner Bitte nach ging und ihm Einlass gewehrte.<br />

Seine Hand wanderte zu meinem Nacken, wo er anfing, mich während des Kusses zu kraulen. Wenn das kein<br />

Grund zum Stöhnen ist, dann weiß ich auch nicht. Es war ein einfach berauschendes Gefühl, als seine heißen<br />

Finger über meinen Nacken tanzte.<br />

Ich stöhnte erneut, als Embrys Zunge meinen Mund erkundete. Ohne den Kuss zu beenden fuhr ich mit den<br />

Händen seinen Rücken hoch und zeichnete die Konturen seiner Schulter nach. Nun war er derjenige, der<br />

leise stöhnte.<br />

Seine Zunge streichelte meine zärtlich und stupste sie immer wieder neckisch an. Jetzt, fand ich, war ich<br />

an der Reihe. Ich drängte ich sanft zurück und knabberte an seiner Unterlippe. Kurz öffnete ich die Augen,<br />

um ins Embrys Gesicht sehen.<br />

Er hatte sie geschlossen. Mir war gar nicht aufgefallen, dass er so schöne lange Wimpern hat. Sie waren<br />

schwarz und viel länger als die bei den meisten Mädchen. Die Weiber von meiner Schule würden grün vor<br />

Neid werden.<br />

Embrys erneutes Stöhnen riss mich aus meinen Beobachtungen. Ich lächelte und umkreiste seine Zunge mit<br />

meiner. Mich überkam das Verlangen, ihn zu beißen. Nicht um ihn das Blut auszusaugen, sondern einfach so.<br />

Kurzerhand biss ihn in die Unterlippe. Diese Lippen waren zum Anbeten.<br />

„Ich glaube, sie hat ihn gebissen?“ „So richtig?“ „Wer hat wen gebissen? Lebt er noch?“ Man wird immer<br />

dann unterbrochen, wenn man es gar nicht gebrauchen konnte. Rot wie eine Signalleuchte löste ich mich von<br />

Embry und starrte die versammelten Werwölfe im Wohnzimmer an.<br />

Die Tür war anscheinend aufgegangen und so hatte alle einen erstklassigen Blick auf unsere Knutscherei<br />

bekommen. Ich drehte mich zu Embry um, der immer noch an der selben Stelle stand. Er blickte irgendwie<br />

abwesend drein.<br />

Ich sah ihn flehend an. Nach dieser Sache ging ich doch nicht mehr alleine ins Wohnzimmer und ließ mich<br />

von allen anstarren. S<strong>of</strong>ort war Embry neben mir und nahm meine Hand. Ein wohliger Schauer erschütterte<br />

meinen Körper.<br />

Mit noch immer rotem Kopf steuerte ich auf den noch einzigen freien Platz neben Alex und Seth auf der<br />

Couch zu. Aber bevor ich auch nur blinzeln konnte, wurde ich von Embry auf seinen Schoß gezogen. Ich<br />

lächelte und schmiegte mich an ihn.<br />

Die Werwölfe sahen uns kurz an, bevor sie aufsprangen und den Fernseher wütend anbrüllten. Irgendein<br />

Spieler hatte sich gerade den Ball abnehmen lassen. Wir schauten Football. Ich kapierte das Spiel<br />

irgendwie nicht. Fußball war da viel einfach zu verstehen.<br />

Ächzend hievte ich mich aus dem Wagen und wartete auf Alex. Sie brauchte noch ein paar Minuten, um sich<br />

von Seth zu verabschieden. Embry stand neben mir und nahm mein Gesicht in seine Hände, um mich so zu<br />

küssen, wie zwei Stunden zuvor.<br />

„Sollen wir euch wirklich nicht bis zum Zeltplatz bringen?“ Ich sah Embry sein Unbehagen an. Ihm und Seth<br />

war es lieber, uns zum Zeltplatz zu begleiten, aber wenn die beiden jetzt jeden tag auftauchen würden,<br />

45


würde Mr. Manson mich umgehend nach Hause schicken. Und dann war erst mal Schluss mit Kuscheln und<br />

Knutschen.<br />

„Nachher hat Mr. Manson die Nase voll von euch halbnackten Indianern und dann dürft ihr gar nicht mehr<br />

kommen! Und ich bin dann auf direktem Weg nach Hause!“, antwortete ich. Embry nickte und drückte mir<br />

einen Kuss auf die Nasenspitze.<br />

„Okay, ich bin bereit!“, sagte Alex und sprang aus dem Wagen. Ihre Haare standen komischer Weise wirr in<br />

alle Richtungen von ihrem Kopf ab. Seth sah nicht besser aus. Ich grinste. Es muss dann doch ein bisschen<br />

heftiger gewesen sein.<br />

„Na gut, dann auf wiedersehen! Wir sehen uns Morgen!“, riefen wir den beiden zu und machten uns auf den<br />

Weg zum Zeltplatz, der 500 Meter, höchstens, von der Straße entfernt lag. Die beiden Indianer wartete<br />

noch ein paar Sekunden, bevor sie mit Sams Pick Up davon fuhren.<br />

„Seth ist ja so süß!“, quietschte Alex und hüpfte vor Begeisterung auf und ab. „Dann müssen wir ja<br />

aufpassen, dass du ihn nicht aufisst!“, antwortete ich ihr lachend. „Das sagt die richtige. Du hast Embry<br />

praktisch die Zunge aus dem Mund gesaugt und du hast ihn gebissen!“<br />

Ich sah Alex fassungslos an. Die war ja drauf. „Ich hab ihm die Zunge nicht aus dem Mund gesaugt!“,<br />

erwiderte ich trotzig. „Aber du hast ihn gebissen. So richtig mit Zähnen. Hat er geblutet? Oh Gott, hat er<br />

seine Lippen noch? Ich hab gar nicht darauf geachtet!“<br />

„Du warst ja auch die ganze Zeit mit Seth beschäftigt!“, lachte ich, verstummte aber, als ich eine Schwarze<br />

Gestalt aus dem Augenwinkel wahrnahm. „hast du das gehört?“, fragte ich und sah auf die Stelle, wo ich<br />

zuvor die Gestalt gesehen hatte.<br />

„Was meinst du? Was hab ich geh...!“ Den Rest ihrer Antwort bekam ich nicht mehr mit, denn ich hört nur<br />

einen Schrei und als nächstes hatte ich das Gefühl, gegen einen Stein geschleudert zu während. Ich spürte<br />

nur noch einen kalten Luftzug, bevor alles schwarz wurde.<br />

Kapitel 20<br />

Ich seufzte zufrieden und ließ mich neben Jacob auf die Couch fallen. Sie knarrte laut unter meinem<br />

Gewicht, aber das störte mich nicht. Auch nicht, dass Sam mir einen warnenden Blick zuwarf. „Du bezahlst<br />

die Couch, wenn sie kaputt geht!“<br />

Ich nickte, aber das sah Sam nicht mehr, denn er hatte sich schon wieder Emily zugewandt, die sich auf<br />

seinen Schoß ziehen ließ und sein Gesicht mit Küssen bedeckte. Robins strahlendes Gesicht tauchte vor mir<br />

auf. Was sie wohl gerade machte.<br />

„Du scheinst ja wirklich glücklich zu sein!“, sagte Jacob, nach dem er sein Sandwich für einen kurzen<br />

Moment auf seinen Knien abgestellt hatte. „Und wie glücklich ich bin. Ich würde am liebsten jeden auf<br />

diesem Planeten umarmen, aber das würde zu lange dauern!“<br />

Jacob lachte. Paul nutzte die Gelegenheit und schnappte sich das angeknabberte Sandwich. Jacob und Paul<br />

waren wirklich mehr als verfressen. Wenn es ums Essen ging, kannten sie keinen Spaß, aber so schlimm wie<br />

Robin waren sie nicht.<br />

Ein Lächeln zauberte sich auf mein Gesicht, als ich an meine...Freundin?!...dachte. War sie meine Freundin?<br />

Wir hatten uns geküsst und in einem Bett geschlafen, aber es war NICHTS passiert. Sam hatte ihr indirekt<br />

meine Liebe zu ihr gestanden und sie mir auch, irgendwie. Als ich denke schon, dass ich nun mit Robin<br />

zusammen war. Für den Rest meines Lebens.<br />

Als Jacob neben mir seufzte, wendete ich mich wieder meinem besten Freund zu. „Ich wünschte mit mir und<br />

Bella wäre das auch so. Aber sie hat ja nur noch Augen für diesen Blutsauger!“ Jacob sah niedergeschlagen<br />

auf seine Knie.<br />

„Hey! Mein Brot!“, s<strong>of</strong>ort fiel sein Blick auf Paul. Der schmatzte genüsslich und wischte sich demonstrativ<br />

die Krümel von der Wange. Jacob funkelte ihn wütend an und schnaubte beleidigt. Anscheinend beließ er es<br />

darauf und schleifte Paul nicht direkt an den Haaren nach draußen.<br />

Aber auf das, was er gesagt hatte, viel mir nichts ein. Ich konnte schlecht sagen, dass es sich von alleine<br />

regelte oder das Bella sich doch für Jacob entscheiden würde. Denn jeder hier im Rudel wusste, dass<br />

Edward Bella zu einem Vampir machen würde. Und somit wäre der Vertrag gebrochen.<br />

46


Ich tätschelte Jacob die Schulter, da ich nichts sagen konnte. Jacob hob den Kopf und lächelte gequält.<br />

„Ich weiß, aber ich liebe sie!“, sagte er und kniff sich in den Nasenrücken. Ich h<strong>of</strong>fte wirklich, dass<br />

irgendwann ein Mädchen kommt, dass Jacob glücklich macht.<br />

Ich sah meinen Freund noch etwas an, als Seth plötzlich alarmiert aufsprang und lauschte. Verwirrt sah ich<br />

ihn an und horchte dann ebenfalls. Draußen hörte ich den Wind heulen, die Blätter rascheln und ein paar<br />

Tiere im Wald umherlaufen.<br />

Aber da war noch etwas andere. Es klang wie ein Schlurfen, als würde jemand irgendetwas hinter sich her<br />

ziehen. Und dann hörte ich ein Schlunzen. Man sah den anderen die Verwirrung deutlich an. Die Peron<br />

bewegte sich auf Sams Haus zu und blieb vor der Tür stehen.<br />

Es klopfte hektisch. Emily warf Sam einen verwirrten Blick zu, bevor sie aufstand und zur Tür eilte. Man<br />

hörte nur einen erstickten Aufschrei aus dem Flur. „Alex...!“ Mehr brauchte Emily nicht sagen, denn Seth<br />

war schon aufgesprungen und rannte Richtung Flur.<br />

Doch Alex erschien schon in der Tür. Hinter ihr stand Emily, die Alex eine Hand auf die Schulter gelegt<br />

hatte. Wir schnappten erschrocken nach Luft als wir Alex sahen. Sie stürzte sich in Seths Arme und fing<br />

laut an zu weinen.<br />

Alex’ Klamotten waren zerrissen und ihre Haaren waren Blut verkrustest. Sie humpelte und zog ihr rechtes<br />

Bein hinter sich her. Und über dem linken Auge hatte sie eine Platzwunde, aus der Blut austrat und sich mit<br />

dem ganzen Dreck vermischte.<br />

Seth strich ihr beruhigen über den Rücken und redete leise auf sie ein. Alex versuchte irgendetwas zu<br />

sagen, als selbst mit meinen Wolfsohren konnte ich kein einziges Wort verstehen, dass sie an Seths Brust<br />

nuschelte.<br />

Emily kam mit einer Decke und einer dampfenden Tasse aus der Küche und gab sie Alex, nach dem Seth<br />

Jacob und mich von der Couch vertrieben hatte. Alex zitterte am ganzen Körper und umklammerte die<br />

Tasse mit klammen Fingern.<br />

„Willst du uns erzählen, was passiert ist?“, fragte Emily sanft und setzte sich neben Alex. Diese nicke mit<br />

dem Kopf. „R-rob-bin!“, war das einzige, was sie zustande brachte, bevor sie wieder in Tränen ausbrach und<br />

den Tee verschüttete.<br />

„Was ist mit Robin?“, alarmiert sprang ich auf und hätte mich am liebsten auf Alex gestürzt, um mehr<br />

Informationen zu bekommen, aber Jacob und Sam hielt mich zurück. Unser Alpha sah mich warnend an und<br />

umklammerte meinen Arm.<br />

Alex sah mich mit tränenverschleierten Augen an. Ich glaubte sogar, Schuld in ihren Augen zu sehen. „Sie<br />

ist weg!“, hauchte sie. Tränen tropften auf ihre Jeans. „Was heißt weg? Alex, was ist passiert?“, ich sah sie<br />

verzweifelt an.<br />

Was war mit Robin passiert? Wo war sie und was hatte Alex so zugerichtet? „Irgendetwas hat sie mit<br />

genommen!“ Sie sprach so leise, dass ich sie beinahe nicht verstehen konnte. Plötzlich stieg mir ein<br />

bekannter, beißender Geruch in die Nase. Er war schwach, aber ich erkannte ihn.<br />

„Vampir!“, hauchte ich tonlos. Im selben Moment machte es Klick. Robin war von Vampiren verschleppt<br />

worden. Vielleicht war sie auch schon tot. Sie hatten ihr das Blut ausgesaugt. Ich hob den Kopf und sah in<br />

die Runde.<br />

Meine Rudelmitglieder sahen mich bestürzt an. Ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen und<br />

meine Knie nach gaben. Sie war weg. Meine Robin, sie war weg. Gerade hatte ich sie gefunden und dann nahm<br />

man sie mir auch wieder weg.<br />

Ich hatte noch nie vor meinen Freunden oder den anderen Werwölfen geweint. Selbst meine Mutter hatte<br />

mich noch nie weinen sehen. Aber jetzt konnte ich nicht anders. Die Erkenntnis, dass Robin tot sein könnte,<br />

ließ mich alles vergessen und hemmungslos los weinen. Ich weinte mit Alex im Chor.<br />

Jacob tätschelte mir etwas unbeholfen die Schulter, als ich auf dem Boden hockte und hemmungslos weinte.<br />

„Alex, kannst du uns erzählen, was genau passiert ist?“, fragte Sam an sie gerichtet. Ich hörte sie<br />

schlucken, bevor sie antwortete.<br />

„Wir wollten zum Zeltplatz gehen, als Robin mich gefragt hatte, ob ich das auch gesehen hätte. Im<br />

nächsten Moment tauchte eine schwarze Gestalt vor uns auf, die mich gegen einen Felsen schleuderte. Ich<br />

sah nur noch, wie es mit Robin weg rannte. Es bewegte sie unglaublich schnell!“<br />

„Ein Vampir!“, sagte nun auch Sam. Ich hörte die Betr<strong>of</strong>fenheit in seiner Stimme. Vampire, die sich nicht<br />

wie die Cullens von Tierblut ernähren, mischten sich nur unter die Menschen, um sie zu töten und ihr Blut zu<br />

trinken.<br />

47


Aber so lange ich ihre Leiche nicht fand, würde ich nach ihr suchen. „Ich glaube nicht, dass sie tot ist.<br />

Sonst hätte man ihre Leiche doch gefunden!“, sagte ich bestimmt, nach dem ich mir mit dem Handrücken<br />

die Tränen aus dem Gesicht gewischt hatte.<br />

„Embry...!“, setzte Jacob an, aber ich ließ ihn nicht ausreden. „Nein! Ich glaube einfach nicht, dass Robin tot<br />

ist. Sie ist nicht so leicht unter zu kriegen!“, sagte ich und stampfte nach draußen. Ich würde sie suchen,<br />

egal wie lange es dauerte.<br />

Meine Freunde riefen nach mir, aber ich lief in den Wald, wo ich mich verwandelte. Alex hatte gesagt, dass<br />

sie zum Zeltplatz gehen wollte. Da würde ich anfangen zu suchen. Mit wilder Entschlossenheit raste ich<br />

durch den Wald.<br />

Leah, die schlief anstatt Patrouille zu laufen, schreckte ertappt hoch. >Ich hab mich nur ganz kurz<br />

hingelegt...Embry, was ist denn passiert?< Das erste mal, seit ich Leah kannte, klang sie bestürzt. Schweren<br />

Herzens zeigte ich ihr, was passiert war.<br />

>Warte, ich bin s<strong>of</strong>ort da!Warum?Ich<br />

möchte dir helfen, Robin zu finden!Aber warum?< >Ich mag Robin. Sie ist ein nettes Mädchen und lustig ist sie auch. Außerdem finde ich es<br />

immer zum Brüllen, wenn sie Jacob mit ihrem Hund vergleicht!Danke Leah. Das bedeutet mir wirklich viel!< >Keine Ursache. Schließlich tu ich uns allen einen Gefallen.<br />

Einen deprimierten Wolf kann niemand ertragen!< Durch ihre Augen sah ich den Wald an ihr vorbei fliegen.<br />

Sie scheuchte ein paar Hasen auf und jagte Rehe durch den Wald. Doch sie unterdrückte den<br />

aufkommenden Jagdtrieb.<br />

Seit sie mit Jacob zum ersten mal wie ein richtiger Wolf gejagt hatte, kam dieser Trieb ab und an zum<br />

Vorschein. >Das klang gerade so, als wäre ich eine hinterhältige, mordende Bestie!Du weißt, wie ich das meine. Ich hab mich an die alten Zeiten erinnert!Die alten Zeiten! Da war noch alles so einfach!Danke Embry, dass ist sehr nett!Kein Problem!< >Wo hat Alex Robin als letztes gesehen?< >Auf den Weg zum<br />

Zeltplatz!<<br />

Ich zeigte ihr meine Erinnerung an das, was Alex gesagt hatte. >Die Freundin von meinem Bruder sieht<br />

wirklich schlimm aus!< Leah drückte die Nase auf den Boden und suchte nach einer Spur oder einen Hinweis<br />

auf die Anwesenheit eins Vampirs.<br />

Ich tat es ihr nach und entfernte mich in die andere Richtung. Zusammen liefen wir einen Kreis von<br />

mehreren Kilometern um den Zeltplatz herum. Ab und zu glaubte ich, den Geruch eines Vampirs ausfindig<br />

gemacht haben, aber dann stellte ich fest, dass sie schon älter war.<br />

>Hey, ich hab hier was. Sie ist ganz frisch!Es<br />

riecht nicht nach einem Vampir, der schon mal hier gewesen ist!Gewöhn dich nicht<br />

daran!


Da Leah es angenehmer fand, sich den Vampiren als Wolf gegenüber zu stellen, verwandelten wir uns nicht<br />

zurück. Dank Edward konnte wir auch so kommunizieren. „Wo genau soll Robin entführt worden sein?“, Dr.<br />

Cullen machte einen Schritt nach vorne.<br />

Der beißende Geruch, der noch stärker war, wenn ein Vampir direkt vor uns stand, stieg uns in die Nase.<br />

Leah knurrte leise und kauerte sich auf den Boden. Sie wollte die Vampire nicht angreifen. Ich sah sie kurz<br />

an und wandte mich dann an Edward.<br />

>Am Zeltplatz. Oder auf dem Weg dort hin. Die anderen waren keine 500 Meter von Robin und Alex<br />

entfernt!Run with the vampires!Es ist wirklich seltsam,<br />

neben Vampiren zu laufen, wenn man sie sonst vor sich her jagt und sie dann von hinten anspringt, um ihre<br />

Arme und Beine abzureißen!<<br />

Edward, der ein paar Meter neben uns lief, drehte seinen Kopf in unsere Richtung und sah Leah kurz an.<br />

>Ich weiß das er guckt. Aber entschuldigen werde ich mich nicht. Schließlich sag ich ja nur, was ich fühle!Hey Embry. Es tut mir so leid, Mann. Habt ihr schon eine Spur gefunden?Ja. Eine frische Vampirspur!Was macht ihr jetzt?Man Jacob. Das siehst du doch.<br />

Warum fragst du dann?Ich weiß, aber was<br />

soll ich denn sonst sagen?><br />

>Wie geht es Alex?Nicht so gut. Wie sollte es ihr auch gehen? Sie<br />

ist nur knapp einem Vampir entkommen, der leider deine Freundin mitgenommen hat. Außerdem macht sie<br />

sich Vorwürfe!<<br />

Leah hob den Kopf und sah mich während sie einem Baum auswich an. Sie hatte natürlich alles mit<br />

bekommen, genauso wie Edward. Ich konnte die Überraschung in seinem Gesicht sehen, als ein Bild von Alex<br />

in meinen Gedanken auftauchte.<br />

>Warum macht sie sich Vorwürfe? Sie hat doch nichts falsches getan!Gar nichts. Wenn sie das könnten, dann wären die Vampire nicht so häufig in der Welt anzutreffen!Findest du, dass es viele Vampire gibt?In letzter Zeit hab ich genug gesehen und daher können es so wenige gar nicht sein!Ich<br />

glaube nicht, dass es viele sind!Du solltest dich wirklich darauf konzentrieren, deine Freundin<br />

wieder zu finden, anstatt die Augen zu verdrehen, nur um zu schauen, wie dämlich das aussieht!Sorry!Wirklich Embry!Tut mir leid. Ich bin so aufgeregt, dass ich lieber an was anderes denken will, als an Robin und das, was ihr<br />

zugestoßen ist!Sag mal, bist du schwanger?


Ich starrte sie so entsetzt an, dass ich beinahe gegen einen Baum gelaufen wäre. >Wie kommst du denn da<br />

drauf?< >Na ja, du hast Stimmungsschwankungen, wie eine Schwangere! Erst bist du total besorgt und dann<br />

total durch den Wind< ,kam es erklärend von Leah, die seelenruhig weiter lief.<br />

Ich hörte Jacob in meinen Gedanken leise lachen. Edward schien sich ein schmunzeln zu verkneifen.<br />

Irgendwie viel mir just in diesem Moment auf, dass Edward ein echt blöder Name war. So würde ich nie<br />

heißen wollen und mein Kind würde erst recht nicht so nennen.<br />

>EMBRY! Du sollst dir keine Gedanken über Edwards Namen machen. Außerdem sind wir da!>, schnaufte Leah<br />

gereizt. Ich sah mich erstaunt um. Wir waren wirklich schon an der Stelle, wo wir die frische Vampirspur<br />

gefunden hatte.<br />

Dr. Cullen ging in die Knie und legte eine Hand auf den Boden. >Will der jetzt an seiner Hand schnüffeln?Du musst nicht flüstern, Leah. Man hörte uns eh nicht!Aber Edward. Der Vampir, dessen Namen du eben locker flockig durch den Dreck gezogen hast, Aber ich<br />

gebe dir recht. Edward ist schon ein ziemlich alter Name!Und, kommt euch der Geruch bekannt vor?Du siehst aus, wie ein domestizierter Hund, der ein Würstchen erbettelt oder<br />

den Befehl von seinem Frauchen nicht versteht!<<br />

Ich legte die Ohren an und schnappte nach Leah. Diese sprang auf, trabte einmal um Edward und Dr. Cullen<br />

herum und setzte sich auf die andere Seite. Dann legte sie den Kopf schief und sah mich mit dem treusten<br />

Blick, den sie drauf hatte, an.<br />

Nun forderte Edward wieder meine Aufmerksamkeit. „Aro ist ein Volturi. Er gehört zu der königlichen<br />

Vampirfamilie, die in Volterra, in Italien, ihren Hauptsitz haben. Von dort aus regieren sie und sorgen in der<br />

Vampirwelt für Ordnung!“<br />

>Ey alter. Italien ist echt weit weg!Jacob hat in Erdkunde aufgepasst!Scheiße!Du solltest<br />

dich jedoch nicht zu früh freuen!Hey. Kannst du den Staubwedel nicht fragen,<br />

ob sie Robin sieht? Sie kann ihre Wahrsagernummer abziehen!< >Leah, ich sag das nicht <strong>of</strong>t, aber die Idee<br />

ist wirklich gut!< >Danke.<<br />

Nur Edward schien Einwände zu haben. „Alice kann die Werwölfe und alle, die mit ihnen in Verbindung<br />

stehen, nicht sehen!“ Ich ließ resigniert den Kopf hängen, aber Leah war von ihrer Idee überzeugt. Sie<br />

wollte mir wirklich helfen.<br />

>Das kann ja sein, aber Robin ist jetzt nicht in unsere Nähe und wenn sie noch lebt, sollte Alice sie doch<br />

sehen können!


Da ihr ja jetzt fertig seit, könnt ihr ja wieder zurück kommen. Sam will etwas mit uns besprechen!Warum?< >Keine Ahnung. Ich denke mal, dass er wissen will, was du heraus<br />

gefunden hast und dann werden wir sehen, was wir unternehmen!<<br />

Leah und ich standen auf. Edward nickte uns zu und auch Carlisle erhob sich. „Sobald Alice etwas heraus<br />

gefunden oder etwas gesehen hat, rufen wir euch an. Wir wollen ebenfalls, dass Robin ohne Schaden nach<br />

Hause kommt!“, sagte Edward.<br />

Leah und ich nickten und rannten los. Zurück zu Sam, Jacob, Alex und den anderen. >Ich werde alles<br />

unternehmen, um Robin aus den Fängen dieser Vampire zu befreien!


Nichts passierte, dafür hatte ich das Gefühl, dass die Ratten immer näher kamen. Oh Gott, was wenn das so<br />

Monsterratten waren? Mutierte Viecher, die aus den Laboren ausgebrochen waren und sich nun in meiner<br />

Zelle rumtrieben.<br />

Ich kreischte irgendetwas unverständliches und hämmerte weiter gegen die Tür. Ich glaube ein Seufzen zu<br />

hören und dann wurde die Tür geöffnet. Mit einem Satz war ich draußen, drehte mich um und drückte die<br />

Tür ins Schloss.<br />

Durch die Schiebetür beobachtete ich den Kerker und schob die Klappe schnell wieder nach vorne, als ich<br />

etwas schwarzes, pelziges davon huschen sah. Erst als sich jemand räusperte, drehte ich mich um und sah<br />

den Vampir, der meine Tür bewacht hatte, genau an.<br />

Ich schätzte ihn auf etwa zwanzig, als er verwandelt wurde. Aber er konnte auch schon älter sein. Seine<br />

Haut war wir bei den anderen Vampiren blass. Haselnussbraune Haare fielen ihm wirr über die rubinroten<br />

Augen. Er war ein bisschen größer als ich, kam aber an Embry nicht ran.<br />

Sonst sah er aus wie jeder andere Vampir, aber ich konnte nicht behaupten, dass ich schon viele gesehen<br />

hatte. „Je mehr man von euch sieht, desto langweiliger werdet ihr!“, sagte ich, ohne nach zu denken. Der<br />

Vampir vor mir sah mich verwirrt an.<br />

„Hast du denn schon viele gesehen?“, fragte der Vampir, dessen Name ich nicht kannte. „Ja, eigentlich<br />

schon! Acht Stück insgesamt. Du bist Nummer neun!“, erzählte ich ihm Plauderton. „Ach so. Ist ja<br />

interessant! Hast du eigentlich keine Angst?“<br />

„Nö!“, meinte ich wie aus der Pistole geschossen. „Nicht? Warum nicht?“, er sah mich erstaunt an. „Warum<br />

denn?“, stellte ich meine Gegenfrage. „Weil ich dich mit meinem kleinen Finger töten könnte!“, meinte der<br />

Vampir. Ich meinte einen Anflug von Empörung in seiner Stimme war zu nehmen.<br />

„Warum hast du es dann noch nicht gemacht?“, fragte ich und sah ihn mit großen Augen an. „Ich durfte<br />

nicht!“, meinte er trotzig. „Haha!“, fuchtelte mit dem Finger vor seiner Nase herum. Das hätte ich aber<br />

besser nicht getan.<br />

Der Vampir griff nach meinem Handgelenk und presste es unter seine Nase. Ich sah ihn schockiert an und<br />

ignorierte die Kälte, die sich auf meinem Arm ausbreitete. Deutlich hörbar zog er die Luft ein. „Hallo?“,<br />

fragte ich und zog an meinem Handgelenk.<br />

Nichts passiert. „Wenn du mich beißt, trete ich dir da hin, wo es auch bei einem Vampir weh tut!“, sagte ich<br />

drohend und schaute demonstrativ auf seinen Schiritt, den ich unter der schwarzen Robe irgendwo<br />

vermutete.<br />

„Oder haben Vampire so was nicht?“, ich sah ihn entsetzt an. S<strong>of</strong>ort ließ er mein Handgelenk los. „Natürlich<br />

haben wir so was. Wir sind tot, aber nicht unbestückt!“ „Darf ich mal sehen? Ich brauch schließlich einen<br />

Beweis. Kann ja sein, dass du lügst!“<br />

Jetzt sah mich der Vampir an, als würde ich eine Unterhose auf dem Kopf tragen. „Nein!“, sagte er gedehnt.<br />

„Oh!“, meinte ich enttäuscht. Es hätte mir wirklich interessiert, ob Vampire so was haben. „Du bist wirklich<br />

der komischste Mensch, dem ich bis jetzt über den Weg gelaufen bin!“<br />

„Wenn ich schon dein Ding nicht sehen darf, dann sagt mir wenigstens, wie du heißt!“, sagte ich und stemmte<br />

die Hände in die Hüfte. Dem Vampir traten die Augen aus dem Kopf. „Ich heiße Paen!“ „Ähm...Pain?<br />

Wie...Schmerz?“, fragte ich.<br />

Er seufzte. „Nein, P-E-A-N! Das ist schottisch!”, antwortete Paen. „Ach so. Ich heiße Robin!“, stellte ich<br />

mich höflich vor. „Robin? Ist das nicht eigentlich ein Jungenname? Aber du siehst gar nicht aus wie Junge!“,<br />

dabei starrte er grinsend in meinen Ausschnitt.<br />

Ich trug noch immer das weiße Kleid von Emily. Es war zwar ein bisschen dreckig, weil ich auf dem Boden<br />

gelegen hatte. „Es ist auch ein Frauen- oder Mädchenname!“, sagte ich trotzig und verschränkte die Arme<br />

beleidigt vor meiner Brust.<br />

Paen verdrehte die Augen und steckte den Arm nach mir aus. „Ey, nur gucken, nicht anfassen!“, sagte ich<br />

und machte einen Schritt zurück. Er ließ seinen Arm sinken. „Ich soll dich in ein anderes Zimmer bringen!“,<br />

sagte er ungeduldig und ging voraus.<br />

Ich folgte ihm. Es hätte eh nichts gebracht, vor ihm zu flüchten. Ich würde nicht mal einen Schritt machen<br />

können, da hätte er mich schon wieder eingefangen. Also folgte ich ihm brav wie ein kleiner Hund. Erst<br />

jetzt sah ich mich mal richtig um.<br />

Der Gang in dem wir waren, wurde von Lampen an den Wänden erleuchtet. Er war ebenfalls aus Stein. Alle<br />

paar Meter sah man eine Tür zu beiden Seiten des Gangs. Anscheinend befanden wir uns in irgendeinem<br />

Kerker.<br />

52


Im nächsten Moment stolperte ich über einen Stuhl, den ich nicht gesehen hatten. Ich fiel laut polternd mit<br />

dem Stuhl zu Boden und schaffte es auch irgendwie, mein Bein darin einzuklemmen. Paen seufzte laut und<br />

ich lächelte ihn entschuldigend an.<br />

„Ich hab wirklich vergessen, wie tollpatisch die Menschen sind!“, sagte er und beugte sich zu mir runter.<br />

Sein süßer Atem schlug mir entgegen. S<strong>of</strong>ort hielt ich die Luft an und versuchte den Stuhl von meinem Bein<br />

zu schütteln.<br />

Ohne auf Paen zu achten rappelte ich mich auf und schüttelte mein Bein ein bisschen heftiger. Nach ein<br />

paar Sekunden donnerte der Stuhl gegen die Wand und flog in Einzelteilen zu Boden. „Wuha!“, rief ich und<br />

schwenkte die Hände über den Kopf.<br />

Dann lief ich zu Paen, der mich schockiert ansah. „Der Stuhl hat mich angegriffen. Ich hab mich<br />

verteidigt!“, rechtfertigte ich mich und stampfte an ihm vorbei. „Warum tut er mir das nur an!“, hörte ich<br />

ihn sagen und kurz darauf ging er wieder an meiner Seite.<br />

Kapitel 23<br />

Paen schleifte mich durch eine große, helle Halle. Einmal quer durch. Ich legte den Kopf in den Nacken und<br />

bestaunte die Hohe Decke und sah dann wieder nach unten, um mein Spiegelbild im Marmorboden zu<br />

bestaunen. Ich konnte unter meinen Rock gucken.<br />

Eine Gruppe von Leuten blieb stehen und fotografierten alles, was sie vor die Linse bekamen. Nur den<br />

Vampir, der mich am Handgelenk durch die Halle schleifte, schienen sie nicht zu bemerken. Ich wollte<br />

gerade den Mund auf machen und um Hilfe rufen, als Paen sich umdrehte.<br />

„Du brauchst es gar nicht zu versuchen. Bevor du auch nur blinzeln kannst, hab ich dir schon den Kopf<br />

abgetrennt!“ „Iiih!“, meinte ich angewidert. „Müsst ihr Vampire immer so grausam sein?“ Paen verdrehte die<br />

Augen und zog mich weiter.<br />

„Wo sind wir eigentlich?“, fragte ich, nach dem wir an der Empfangstussi vorbei gegangen waren. Die blöde<br />

Schnepfe warf mir einen missbilligen Blick zu und sah Paen verträumt hinter her. Vielleicht beißt er sie ja,<br />

wenn ich ihn darum bete.<br />

„In Volterra!“, antwortete der Vampir. „Und wo ist das? Ich hab meinen Atlas leider Zuhause vergessen!“,<br />

erwiderte ich bedauernd. „Das liegt in Italien!“ Wow, Paen hörte sich leicht genervt an. Aber seine Antwort<br />

brachte mich doch zum Lachen.<br />

„Ist klar! Und mein Freund ist ein Werwolf!“, lachte ich und wischte mir die Tränen vom Gesicht. Oh<br />

Moment. Mein Freund war wirklich ein Werwolf. Dieses kleine Wortspiel brachte mich noch mehr zum<br />

Lachen.<br />

Meine Beine wurden zu Wackelpudding und ich fiel auf den Boden. Paen knurrte und zog mich einfach<br />

weiter, während ich lachte. Ich kam mir vor, als sei ich bei den Höhlenmenschen, wo der Mann die Frau mit<br />

einem Knüppel bewusstlos schlug und dann hinter einen Busch schleifte.<br />

Nur gab Paen keine Grunzlaute von sich und nuschelte irgendwas unverständliches, sondern er seufzte eher<br />

genervt. „Mensch, dass ist nicht lustig! Wir sind in Italien und du bist Gefangene der Volturi!“, meinte Paen<br />

genervt.<br />

Nach dem ich immer noch nicht aufgehört hatte zu lachen, blieb Paen stehen und sah auf mich hinunter. Ich<br />

war am Heulen. Natürlich war ich nicht in Italien. Ich war doch eben noch in La Push gewesen, hatte mich<br />

von meinem Werwolf verabschiedet und war dann mit Alex zum Zeltplatz gegangen.<br />

Irgendwann wurde ich hoch gehoben und an ein Fenster gestellt. Ich hatte einen wunderschönen Ausblick<br />

auf einen bunten Garten. Ein Schmetterling flatterte vor meinem Gesicht herum und die Sonne strahlte mir<br />

entgegen.<br />

Ich schluckte. „Wir sind wirklich in Italien?“, fragte ich mit heisere Stimme. „Endlich hast du es kapiert!“,<br />

Paen klang erleichtert. „Wieso!“, heulte ich los und ließ mich fallen. Wie ein kleines Kind lag ich auf dem<br />

Boden und trommelte mit den Fäusten auf die Marmorsteine.<br />

„Warum ich? Wieso gerade jetzt? Jetzt wo ich Embry endlich wieder getr<strong>of</strong>fen hab!“, ich jammerte laut<br />

und ignorierte Paen, der beruhigend auf mich einredete. Ich hob ruckartig meinen Kopf und funkelte ihn<br />

wütend an. Überrascht zuckte er zurück.<br />

„ICH soll mich BERUHIGEN?! Hast du den Knall nicht gehört?“, schnauzte ich wütend. Paen hob<br />

beschwichtigend die Hände und wollte etwas sagen, aber ich war noch nicht fertig. „Musstet ihr mich<br />

53


gerade JETZT entführen? Konnte es nicht warten, bis ich wieder Zuhause bin? Da hätte ich die paar Tage,<br />

die mir noch blieben, mit Embry verbringen können!“<br />

Ich schnaufte wütend. Paen sah mich mit großen Augen an und machte den Mund auf. Aber im nächsten<br />

Moment sprang ich ihn an und stürzte mit ihm zu Boden. Für einen kurzen Moment war ich ziemlich stolz auf<br />

mich, dass ich einen Vampir, die eigentlich schnelle Reflexe hatte, zu Fall gebracht hatte.<br />

Doch dann konzentrierte ich mich wieder auf Paen. Ich vergrub meine Hände in seinen Haaren und haute<br />

seinen Kopf auf den Boden. Dabei ignorierte ich die Kälte, die an meinen Beinen hoch kroch. Warum waren<br />

Vampire so scheiße kalt?<br />

„Jetzt ist aber gut!“, sagte er nach einer Weile ärgerlich, in der ich seinen Kopf auf den Boden geknallt und<br />

ihn angeschrieen hatte. Paen packte mich an den Handgelenken und schob mich von sich runter. Und bevor<br />

ich ihn noch mal anfallen konnte, warf er mich über die Schulter und verschwand um eine Ecke.<br />

„Mich hat im meinem ganzen Vampirdasein noch nie ein Mensch zu Fall gebracht!“, sagte Paen, nach dem ich<br />

es aufgegeben hatte, auf seinen Rücken zu trommeln. Jetzt hingen meine Arme schlaff an seinem Rücken<br />

und wippten bei jedem Schritt hin und her. Ab und zu klatschten sie gegen seinen Hintern, der leider<br />

wirklich schön anzusehen war, aber das interessierte mich nicht.<br />

„Toll!“, gab ich gelangweilt zu zurück. „Du solltest dich geehrt fühlen!“, meine Paen eingeschnappt. „Ich<br />

versuche mich zu beherrschen!“, sagte ich und ließ den Kopf sinken. Ich hörte, wie eine Tür aufgestoßen<br />

wurde und dann stand ich auch wieder auf meinen eigenen Füßen.<br />

Ich verkniff mir das „Wow“, dass empört Ausgang verlangte. Ich wollte Paen nicht du Genugtuung geben,<br />

die er erwartete. Also verschränkte ich die Arme vor der Brust und marschierte in das Zimmer. Zuerst war<br />

das Bett dran.<br />

Ich setzte mich auf den Rand und hüpfte prüfend darauf herum. Äußerlich versuchte ich mich gelangweilt<br />

zu geben, aber innerlich sah ich mich schon Saltos auf dem Bett schlagen. Die Matratze war wirklich<br />

bequem.<br />

Ich grunzte und stand dann wieder auf. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich Paen, der lässig gegen die<br />

Wand gelehnt da stand und mich beobachtete. Prüfend sah ich aus dem Fenster. Man könnte es nicht<br />

leugnen, aber ich hatte einen wunderschönen Ausblick von hier auf die Stadt und den Schlossgarten.<br />

Wieder nur ein Grunzen. Innerlich sog ich alle Farben in mir auf, die der Garten zu bieten hatte. Als<br />

nächstes wand ich mich dann dem großen Eichenschrank zu. Ich fuhr mit dem Finger über das Holz und<br />

starrte auf meine Fingerkuppe.<br />

Warum war da kein Staub drauf? In jedem Haus gibt’s staubt! Warum also nicht hier. Egal wer hier sauber<br />

macht, der kann auch mal zu mir kommen und das Schlachtfeld, welches ich mein Zimmer nenne, mal richtig<br />

aufräumen.<br />

Nach meiner Besichtung durch das Zimmer, dem ich leider Gottes die Höchstpunktzahl geben musste, ließ<br />

ich mich wieder auf das Bett fallen. „Ganz annehmbar!“, sagte ich. Paen fielen beinahe die Augen aus dem<br />

Kopf.<br />

„Ihr Menschen seit immer so verwöhnt!“, murrte er, drehte sich um und war weg, bevor ich auch nur husten<br />

konnte. Aber ich grinste vor Freude. Ich hatte es geschafft, ihn zu vertreiben. Yeah, I am the best! Ich<br />

hob die Hände in die Luft und ließ mich rücklings aufs Bett fallen.<br />

„Mist!“, rief ich, als mir einfiel, dass ich Paen eigentlich noch was fragen wollte. Aber jetzt war er weg und<br />

ich hatte meine Chance verpasst, heraus zu finden, warum ich auf einem sehr bequemen Bett mitten in<br />

Volterra hockte.<br />

Man hatte mich entführt, soviel war selbst mir klar. Aber warum? Einfach so, oder was? Weil ich zur<br />

falschen Zeit am falschen Ort war und die Vampire sich gedacht hatte ‚Ach, nehmen wir die mal mit. Wird<br />

bestimmt lustig!’<br />

Missmutig stand ich auf und lief zur Tür, wo ich die Klinke runter drückte. Ich lächelte über meine eigene<br />

Naivität. Hatte ich wirklich geglaubt, dass sie die Tür nicht abschließen würden? So was konnte ich von<br />

Vampiren wirklich nicht erwarten.<br />

„So eine scheiße!“, nuschelte ich und blinzelte, um die Tränen aufzuhalten, die meine Wange hinunter kullern<br />

wollten. Plötzlich fand ich die Situation gar nicht mehr so lustig, wie am Anfang. Jetzt hatte ich eher<br />

Angst, große Angst.<br />

Ich war mehr als Tausend Meilen von meinen Eltern getrennt, in einem anderen Land. Ich wurde von<br />

Vampiren entführt und ich weiß wirklich nicht, ob ich hier wieder lebend raus komme, denn diese Vampire<br />

tranken Menschenblut. Vielleicht sah ich meine Familie nie wieder.<br />

Und Embry. Ich hatte ihn gerade erst wieder gefunden und dann passierte mir das. Ich wurde entführt und<br />

verschleppt. Der Mann meiner Träume, der überall in meinem Kopf zu sein schien, hatte mir seine Liebe<br />

54


gestanden. Zwar indirekt, aber wenn man nur noch die EINE für einen Jungen ist, ist das doch wie ein<br />

Liebesgeständnis.<br />

Unaufhörlich tropften die salzigen Tränen auf meine Jeans. Ich hatte es in den letzten Tagen einfach nur<br />

zu <strong>of</strong>t gesagt, aber jetzt musste es auf wieder sein: Das Leben war einfach ungerecht, Gott hasst mich und<br />

mein Leben ist einfach scheiße.<br />

Plötzlich kam mir ein schlimmer Verdacht. Was wäre, wenn Embry denken würde, ich wäre tot. Er war noch<br />

viel zu jung, um einem Mädchen oder einer Frau hinter her zu trauern. Oder um einfach in Selbsttrauer zu<br />

ersticken.<br />

Er würde wahrscheinlich ein paar Jahre trauern, aber wer sagt mir, dass er dann keine andere Frau<br />

anschaute? Vielleicht würde er sich dann Jill aussuchen. Sie würden wirklich heiraten, nur dass ich nicht im<br />

Publikum saß und applaudieren würde.<br />

Ich heulte wie eine Sirene, nur dass ich mit meiner Stimme keine Männer anlockte. In den Tod würde ich sie<br />

aber trotzdem stürzen. Niemand konnte sich meinem Gejammer lange aussetzten und schon gar nicht, wenn<br />

ich wie die Sirene eines Feuerwehrautos heulte.<br />

Es dauerte aber nicht lange und dir Tür wurde geöffnet. Ich machte mir nicht die Arbeit aufzusehen, denn<br />

so leise, wie derjenige sich beweckte, konnte es nur ein Vampir sein. Sicher war er gekommen um die lästige<br />

Heulsuse zum Schweigen zu bringen.<br />

Ich zog geräuschvoll die Nase hoch und verfluchte mich selber, dass ich kein Taschentuch dabei, in das ich<br />

rein rotzen könnte. Viel lieber hätte ich jetzt in Paens Umhang gerotzt. Schließlich war er derjenige, der<br />

mich hier her gebracht hatte.<br />

Plötzlich schob sich eine weiße Hand vor meine Nase. Sie hielt irgendwas in den Händen. Ich hob den Kopf<br />

und wischte mir mit dem Handrücken über die Augen, um die Tränen zu vertreiben. Ich sah schon nichts<br />

mehr.<br />

In der weißen Hand lag ein St<strong>of</strong>ftaschentuch. So eins, was man in der Waschmaschine waschen konnte und<br />

dann immer wieder benutzen konnte. Ich schniefte und nahm das Taschentuch entgegen. Unten links in der<br />

Ecke sah ich etwas, was in den St<strong>of</strong>f gestickt worden war. P.S.<br />

Ich schnauzte das Taschentuch voll und tupfte mir damit die Nase ab, die sicher schon ganz gerötet war.<br />

Eine Weile spielte ich mit dem Gedanken, dem Besitzer das Taschentuch zurück zu geben, aber es war total<br />

voll gerotzt.<br />

Doch die Aufgabe wurde mir schnell abgenommen, als eine Hand nach dem Taschentuch griff und es in<br />

seinen Umhang stopfte. „Danke!“, ich sah auf und war gar nicht so überrascht, in Paens besorgte Züge zu<br />

sehen.<br />

Kapitel 24<br />

Wir saßen wiedereinmal zusammen in Sams und Emilys Wohnzimmer. Niemand sagte etwas. Ich weiß nicht,<br />

wie es den anderen ging, aber nach dem alle Fakten schwarz auf weiß da gebracht waren, wurde mir klar,<br />

dass ich Robin vielleicht wirklich nie wieder sehen könnte.<br />

Alex lag in sauberen Klamotten und gewaschen auf der Couch und schlief. Seth hatte ziemlich lange<br />

gebraucht, sie dazu überreden zu können. Sie wollte nicht untätig herum sitzen, wenn Robin irgendwo in<br />

Italien festgehalten wurde.<br />

Es war zum Verrückwerden. Ich ließ mich in den Sessel fallen und schloss die Augen. Wir hatten zwar eine<br />

Vermutung, wo Robin sein könnte, aber es war gar nicht so einfach, nach Italien zu kommen. Schon gar nicht<br />

für 10 Werwölfe.<br />

Ich seufzte laut. Die Augen meiner Freunden ruhten besorgt auf mir. Sogar Seth konnte sich von seiner<br />

Alex los reißen, da ihr im Moment keine Gefahr drohte. Nur in ihren Träumen vielleicht, aber da konnte<br />

Seth ihr eh nicht helfen. Doch es sah nicht so aus, als hätte sie einen Albtraum.<br />

Jacob klopfte mir auf die Schulter. „Das wird schon Embry. Wir werden Robin finden. Wenn Bella...!“, weiter<br />

ließ ich ihn nicht ausreden. Ich starrte ihn wütend an. Wie konnte er gerade jetzt mit seiner blöden Bella<br />

anfangen.<br />

„Hast du eigentlich noch was anderes im Kopf, als deine Bella?“, zischte ich wütend. Jacob sah mich<br />

verdattert an. Auch die anderen waren überrascht. Was denn? Durfte ich mich nicht auf mal aufregen?<br />

Oder war das nur Paul und Leah vorbehalten.<br />

55


Ich spürte, wie meine Hände zitterten und ballte sie zu Fäusten. „Beruhig dich, Embry!“, kam es von Sam,<br />

der aufgestanden war. Ich schnaubte wütend. „Beruhigen? BERUHIGEN? Hast du den Knall nicht gehört?“,<br />

herrschte ich unseren Alpha an.<br />

Das gesamte Rudel schnappte erschrocken nach Luft. Nur Sam sah mich ruhig an. Meine Güte, konnte er<br />

mich nicht auch mal anbrüllen? Warum waren alle so ruhig. Ich würde es sicher irgendwann mal bereuen,<br />

dass ich Sam angebrüllt hatte, aber das war im Moment egal.<br />

„Wie kann er gerade jetzt von anfangen, wenn Robin von einem Vampir entführt worden ist und es gar nicht<br />

sicher ist, ob sie noch lebt!“, wetterte ich. Jacob erhob sich und wollte etwas sagen, aber ich unterbrach<br />

ihn wieder.<br />

„Komm mir jetzt nicht damit, dass Bella auch sterben wird und es sogar will. Du kannst sie immerhin noch<br />

sehen, sie anfassen und riechen. Letzteres wird kein Vorteil sein. Aber Edward wird sich beherrschen<br />

können. Er wird sie nicht in dem Sinne umbringen, dass sie unter der Erde weilt!“<br />

Zitternd sog ich die Luft ein. „Und bei Robin kann ich mir nicht so sicher sein. Diese Vampire trinken das<br />

Blut von Menschen und sie trinken so lange, bis kein Blut mehr da ist. Sie können sich nicht beherrschen.<br />

Wenn sie von Robins Blut trinken, dann ganz!“<br />

Am Ende meiner ‚kleinen Rede’ ließ ich mich wieder in den Sessel fallen. Ich ignorierte die anderen, Jacob,<br />

der mich überrascht und auch irgendwie geknickt ansah und Sam, der sich umdrehte und zu Emily in die<br />

Küche ging.<br />

Wie ein bockiges Kind verschränkte ich die Arme vor der Brust und starrte Quil, der mir gegenüber saß, so<br />

lange an, bis er den Blick abwandte. Vielleicht wurde ich ja wie Leah, der man die große Liebe genommen<br />

hatte.<br />

Jacob setzte sich nun ebenfalls. „Sorry, Embry. Ich wollte das wirklich nicht mit Bella anfangen. Es tut mir<br />

leid!“ Ich brummte einfach zur Kenntnisnahme seiner Entschuldigung. Hinter mir bewegte sich Alex auf der<br />

Couch. Sie murmelte irgendetwas, was selbst ich nicht verstand.<br />

„Wir können hier doch nicht einfach so rumsitzen!“, sagte Emily, als sie eine Schüssel mit dampfenden<br />

Muffins auf den Tisch stellte. Paul und Jacob griffen s<strong>of</strong>ort danach und stopften sich gleich zwei in den<br />

Mund, während wir anderen warteten.<br />

Ich zuckte mit den Schultern. „Noch können wir nichts machen!“ Emily beugte sich vor und kam mir einen<br />

Kuss auf die Stirn, während sie mir kurz übers Haar strich. Emily war immer wie eine Mutter für uns. Ohne<br />

sich zu beschweren bemutterte sie uns und erduldete unseren nicht enden wollenden Hunger.<br />

„Megan. Er muss doch hier irgendwo wohnen. Wo denn sonst. Robin at doch gesagt, dass er in La Push<br />

wohnt!“ „Jill, nun bleib doch mal stehen. Wir haben schon das ganze Dorf abgeklappert und an jeder Tür<br />

geklingelt. JILL!“<br />

Das waren Robins Schwestern. Sie suchten anscheinend nach ihr. Nicht nur anscheinend, es war sogar so.<br />

Sie hatten Robin schon seit drei Tagen nicht mehr gesehen und seit zwei nicht mehr mit ihr gesprochen. Da<br />

war es ja wohl klar, dass sie Robin suchten.<br />

„Embry!“ „Jill, du kannst hier doch nicht einfach so rumbrüllen!“ „EMBRY!“, Jills Stimme wurde immer<br />

lauter. „Ich glaube, die suchen dich!“, kam es unnötigerweise von Seth, der Alex, die friedlich schnarchte,<br />

eine Strähne hinters Ohr strich.<br />

Ich warf ihm einen von meinen Mörderblicken zu und erhob mich. Emily war schon auf dem Weg zur Tür,<br />

aber ich winkte ab. Ich war ja derjenige, nach dem sie suchten. Also ging ich in den Flur und öffnete die<br />

Wohnungstür.<br />

Draußen war es schon dunkel und draußen auf der Straße irrten die Zwillinge umher. „Jill, komm wir gehen<br />

zurück zu den anderen. Heute finden wir ihn nicht mehr!“, Megan lief ihrer Schwester hinter her, die auf<br />

ein Haus zu steuerte.<br />

Doch dann drehte sie sich um, um Megan irgendetwas zu erwidern. Doch dabei entdeckte sie mich in der Tür<br />

stehen. „ICH HAB IHN!“, brüllte Jill und kam mit großen Schritten auf mich zu gestürmt. Megan folgte ihr<br />

grummelnd.<br />

Soweit ich mich daran erinnern konnte, war Jill mir gegenüber ziemlich freundlich gestimmt, irgendwie<br />

klebte sie sogar an mir. Aber als ich in ihr Gesicht sah, bekam ich es schon mit der Angst zu tun, denn Jill<br />

sah mich so entschlossen und wütend an, dass Leah gegen sie gar nichts war.<br />

„Wo ist sie?“, Jill kam direkt vor mir zum stehen. Sie reichte mir zwar gerade bis zur Schulter, aber<br />

trotzdem machte sie mir Angst. „Wer?“, fragte ich. Am liebsten hätte ich mir mit der flachen Hand gegen<br />

die Stirn geschlagen.<br />

56


Jill holte Luft und bohrte mir ihren Zeigefinger in die Brust. Es tat erstaunlicherweise wirklich weh. Das<br />

überraschte mich, denn als Bella Jacob geschlagen hatte, hatte er nichts gespürt. Nicht mal ein kleines<br />

Jucken.<br />

„Du weißt genau, wo sie ist. Also tu nicht so unwissend!“ Megan stellte sich neben ihre Schwester und legte<br />

ihr eine Hand auf die Schulter. „Nun sag ihm doch erst mal, warum wir hier sind!“, versuchte sie ihre<br />

Schwester zu beruhigen.<br />

„Wir haben Robin seit drei Tagen nicht gesehen. Sie hat sich kein einziges mal bei uns gemeldet und uns<br />

gesagt, wie es ihr geht. Embry hat sie als letztes gesehen. Und es war auch nie abgemacht, dass sie so lange<br />

bei Embry bleibt. Außerdem fahren wir morgen wieder!“<br />

Jill drehte sich wieder zu mir um und sah mich mit zusammen gekniffenen Augen an. „Wo. Ist. Robin?“ Ich<br />

seufzte. Vielleicht war es besser, ihnen jetzt die Wahrheit zu sagen. Lügen wäre nicht gut und mir fiel auch<br />

keine sinnvolle Lüge ein.<br />

„Kommt rein!“, sagte ich und drehte mich um. „Wie jetzt?“, kam es von Jill. Megan stöhnte. „Geh jetzt<br />

rein!“, sagte ihre Schwester und schubste Jill in den Flur. Dann kam Megan nach und schloss die Tür hinter<br />

sich.<br />

Ich führte die Zwillinge ins Wohnzimmer, wo alle Werwölfe zur Tür starrten. Der Blick der Zwillinge fiel<br />

auf Emily, aber bevor Jill etwas sagen konnte, bekam sie von Megan eine Kopfnuss und einen warnenden<br />

Blick.<br />

Jacob und Collin standen auf und machten Jill und Megan Platz. „Leute, dass sind Jill und Megan, Robins<br />

Schwestern!“, stellte ich die beiden meinem Rudel vor. Paul warf einen interessierten Blick auf die Zwillinge<br />

und grinste.<br />

„Da sind wir wieder beim Thema!“, rief Jill und sprang wieder auf. Megan schlug sich mit der flachen Hand<br />

gegen die Stirn. „Wo ist Robin?“, sie sprang auf mich zu und hätte mich sicher gerne am Kragen gepackt und<br />

geschüttelt. Wenn ich ein T-Shirt angehabt hätte.<br />

Bevor Jill mich endgültig anspringen konnte, kam Sam mir zur Hilf und drückte sie zurück auf die Couch.<br />

„Darüber müssen wir mit euch reden. Wir wissen nicht wo Robin ist. Vor vier Tagen haben wir sie das letzte<br />

mal gesehen!“, begann unser Alpha.<br />

Jills Augen zuckten. Megan machte kein besseres Gesicht. Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis ihre<br />

Gesicht rot angelaufen waren. Die Farbe passte gar nicht zu ihren rotbraunen Haaren. Die Schwestern<br />

holten gleichzeitig Luft.<br />

„IHR WISST NICHT, WO ROBIN IST?“, die Zwillinge brüllten synchron und zwar ziemlich laut. Die beiden<br />

sahen zu mir. Ziemlich wütend. „Wir glauben, dass sie entführt wurde!“, meinte ich leise. „Wieso glaubt<br />

ihr?“, fragte Jill, immer noch laut.<br />

„Weil wir sie schon seit Tagen nicht mehr gesehen haben und ich glaube nicht, dass sie einen Grund hatte,<br />

weg zu laufen!“, erklärte ich den beiden schnaubenden Zwillingen. „Hat Robin sich mal bei euch gemeldet?“,<br />

fragte Sam.<br />

„Wie denn? Ich schleppe seit Tagen ihr Handy mit mir rum!“, erwiderte Jill aufgebracht und wedelte mit<br />

besagten Gerät direkt vor meiner Nase herum. Scheiße. Es gab also keine Chance, sie anzurufen oder das<br />

sie mit uns Kontakt aufnehmen konnte.<br />

Jill und Megan ließen sich ermattet zurück fallen. Sie atmeten laut aus und schlossen die Augen. Megan<br />

schlunzte leise, während Jill sich zurück zu halten schien. „Glotz mich nicht so an!“, herrschte Jill, als sie<br />

Pauls Blick auf sich spürte.<br />

„Wir müssen es Mum und Dad sagen!“, brachte Megan mit erstickter Stimme heraus. Die Tränen glitzerten<br />

auf ihrer Wange. Jill nickte schwach und schluckte. Die beiden Schwester standen auf und verschwanden im<br />

Flur.<br />

Ich hörte, wie die Nummer gewählt wurde und es tutete. Jill schien die beherrschtere von den Zwillingen zu<br />

sein, denn sprach ins Telefon, während Megan weinte und wimmerte. „Mum, es ist etwas schlimmes passiert.<br />

Robin ist entführt worden!“, dann war es auch mit Jills Beherrschung vorbei...<br />

57


Kapitel 25<br />

Eine Woche war ich nun hier. Eine ganze Woche in Italien. Weg von Mum und Dad, von meinen Geschwistern,<br />

von meinem Zuhause und von Embry. All das hatte ich gegen einen Aufenthalt unter mehreren Vampire<br />

eingetauscht.<br />

Ich seufzte und drehte mich auf den Rücken. An der Wand gegenüber von meinem Bett strahlten mir sechs<br />

schwarze Strich entgegen. Die hatte ich bis gestern mit meinem Kajal, den ich in meiner Hose gefunden<br />

hatte, gemalt.<br />

So lange, bis Paen ihn mir weg genommen hatte. Glaubte er etwa, ich würde mir damit einen Weg in die<br />

Freiheit buddeln? Für einen Vampir war da nicht gerade der Hellste. Ich würde noch nicht mal mit einen<br />

Löffel hier raus kommen.<br />

Wann kam Paen eigentlich? Ich hatte Hunger und ich musste auf Klo. Außerdem wollte ich mal wieder<br />

duschen und meine Haare waschen. Seit ich hier war, musste ich mich mit einer Schüssel heißem Wasser<br />

zufrieden geben, den Paen mir jeden Morgen hinstellte.<br />

In der einen Woche hatte ich einiges über Paen heraus gefunden. 1. Er kam NIE zu spät. 2. Man konnte ihn<br />

von seinem Vorhaben nicht so leicht oder gar nicht abbringen. 3. Manchmal konnte er wirklich nerven, denn<br />

er musste über alles genauestens informiert sein.<br />

Fakt eins konnte ich wohl von meiner List streichen, denn nun war er schon 10 Minuten zu spät. „Paen!“, rief<br />

ich genervt. Ich musste, dass er mich höre konnte. Jeder in diesem gottverdammten Schloss konnte mich<br />

hören, da jeder, außer mir und der Tussi am Empfang, ein Vampir war.<br />

Gerade fiel mir auf, dass ich neben Paen noch keinen anderen Vampir aus diesem Schloss zu Gesicht<br />

bekommen hatte. Paen reichte zwar vollkommen, aber dennoch interessierte es mich, warum hier kein<br />

anderer Vampir vorbei schaute.<br />

Ah, Moment! Ich richtete mich auf, als ich hörte, wie der Schlüssel im Schloss umgedreht wurde. Vampire<br />

waren zwar leise, aber selbst sie bekamen so alte Türen nicht geräuschlos aufgeschlossen. Die alten Tür<br />

schwang auf und Paen trat ein.<br />

Ich hatte es schon aufgegeben, an ihm vorbei zu rennen und dann zu flüchten. Leider war er schneller als<br />

ich und hatte mich schon am Bettpfosten abgefangen. Einmal, und darauf war ich sehr stolz, hatte ich es<br />

wirklich bis zur Tür geschafft. Aber nur, weil er mir einen kleinen Erfolg gönnen wollte, wie Paen sagte.<br />

Dieser schottische Vampir hatte einen seltsamen Sinn für Humor.<br />

„Gott, ich dachte schon, du kommst gar nicht Ich muss echt dringend auf die Toilette!“, sagte ich und<br />

sprang auf. Wie selbstverständlich ging zu Tür. Jedoch war ich ziemlich irritiert, als Paen sich einfach auf<br />

mein Bett setzte und mich ansah.<br />

Mein Blick glitt zur Tür, die sperrangelweit <strong>of</strong>fen. Ich könnte fliehen, vielleicht käme ich bis zur der<br />

Treppe am Ende des Gangs, aber dann würde mich irgendein anderen Vampir einfangen. Und der war nicht so<br />

freundlich zu mir, wie Paen.<br />

Ich seufzte und ging zurück zu Paen. Der sah mich ziemlich überrascht an. „Du rennst nicht weg?“, fragte<br />

er und ein Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. „Und wie ich abhauen werde. Aber nicht so, wie ich<br />

aussehe. Ich müffle total und meine Haare sehen schrecklich aus!“<br />

Sie waren so fettig, dass ich beim Casting für eine Butterwerbung sicher genommen werde würde. Paen<br />

lachte. „Ich finde nicht, dass du müffelst. Du riechst sogar sehr gut!“, antwortete mir der Vampir neben<br />

mir.<br />

„Das kommt von dem Blut und da ich das nicht riechen kann, rieche ich nur...mich. Und das reicht. Ich würde<br />

gerne einmal duschen. Meine Kopfhaut juckt total. So doll, dass ich langsam glaube, ich hätte Flöhe!“,<br />

beklagte ich mich.<br />

„Gut okay, du kannst Duschen gehen!“, sagte er und stand auf. Ich sah ihn überrascht an. „Wirklich?“ In der<br />

letzten Woche hatte ich ihn auf Knie angefleht und gebettelt endlich einmal aus diesem bescheuerten<br />

Zimmer zu dürfen. Aber er hatte immer nein gesagt.<br />

Das er jetzt nach gegeben hatte, überrascht mich sehr, aber ich war nicht abgeneigt. „Ja!“ „Endlich!“, rief<br />

ich und tanzte Paen förmlich hinter her, als er aus dem Zimmer ging. Das tolle ist, er brauchte mich gar<br />

nicht mehr am Händchen nehmen. Ich folgte ihm auch so. Ich konnte duschen.<br />

58


„Das ist doch wohl nicht dein Ernst!“, rief ich ein paar Minuten empört und sah zu Paen hinauf. Der wollte<br />

doch allen ernstes dabei sein, wenn ich mich duschte. „Perversling!“, murrte ich und sah ihn wütend an. Das<br />

gibt es doch nicht.<br />

„Ich will nur sicher gehen, dass du nicht aus dem Fenster abhaust!“, sagte er und zeigte auf ein ca. 40 cm x<br />

40 cm großes Fenster. Ich sah ihn entgeistert an. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich durch dieses<br />

kleine Fenster da passe!“<br />

Der Vampir zuckte mit den Schultern. „Bei dir weiß man nie!“ „Erst soll ich mir mit einem Kajal den Weg in<br />

die Freiheit buddeln und dann soll ich auch noch durch ein kleines Fenster abhauen. Ich glaub, bei dir geht<br />

die Fantasie mit dir durch!“<br />

Ich stieg in die Dusche und zog den Vorhang zu. „Wehe, du guckst!“, sagte ich drohend und begann meine<br />

schmutzigen Sachen auszuziehen. Diese warf ich über die Dusche auf den Boden. Ich hätte mich bestimmt<br />

nicht vor Paen ausgezogen.<br />

Als ich das Wasser andrehte, wäre ich am liebsten aus der Dusche rausgesprungen. „Scheiße, ist das kalt!“,<br />

fluchte ich und presste mich an die Wand. Die Kacheln waren genauso kalt. „Ihr Amerikaner habt wirklich<br />

eine wunderbare Wortwahl!“, lachte er.<br />

Ich schnaubte und hielt prüfend meinen Arm unter den Wasserstrahl. Inzwischen hatte es eine angenehme<br />

Temperatur, so dass ich mich drunter stellte. Ich seufzte. Seit einer Woche hatte ich keine Dusche mehr<br />

von innen gesehen.<br />

Mit geschlossenen Augen tastete ich nach einem Badeschwamm und nach Shampoo. „Ich sag dir, wenn du<br />

guckst, dann wirst du was erleben!“, drohte ich dem Vampir und seifte mich ein. Es tat wirklich gut. Ich<br />

fühlte mich endlich wieder mal sauber.<br />

„Handtuch!“, sagte ich fordernd und streckte meine Hand an dem Vorhang vorbei nach draußen. Dabei<br />

achtete ich darauf, dass man auch NUR meinen Arm sehen konnte. Jedoch passierte nichts. Ich schnaubte<br />

ungeduldig.<br />

„Paen, wenn du schon da draußen bist, kannst du mir auch ein Handtuch geben!“, sagte ich und spähte nach<br />

draußen. Der Vampir saß auf einem Stuhl vor dem Waschbecken und grinste vor sich hin. Ich starrte ihn<br />

böse an.<br />

„Handtuch!“, sagte ich ganz langsam zu ihm und zeigte auf das Handtuch neben ihm lag. Paen bückte sich und<br />

reichte es mir. Schnell schlang ich es mir um den Körper und quetschte das Wasser aus meinen Haaren,<br />

bevor ich ein anderes nahm und um meine Haare wickelte.<br />

„So und jetzt raus!“, sagte ich und zeigte zur Tür. „Warum?“, kam es von Paen. „Warum? Weil ich mich nicht<br />

vor dir anziehe!“, sagte ich und wedelte mit der Hand. Paen lachte amüsiert und zeigte auf einen<br />

Klamottenhaufen.<br />

„Das sollst du anziehen, dann bringe ich dich zu Aro. Er möchte dich sehen!“ „Wer will mich sehen?“, fragte<br />

ich verwirrt, aber eine Antwort bekam ich nicht mehr, denn Paen war schon verschwunden. „Vampire sind<br />

blöd!“, murrte ich, um kurz darauf Paens Lachen zu hören.<br />

Ich stieg aus der Dusche und schaffte meinem Körper erst mal Erleichterung. Wäre Paen noch länger<br />

geblieben, hätte ich in die Dusche gepinkelt. Aber jetzt war er ja weg und ich konnte mich in Ruhe anziehen.<br />

Vielleicht sollte ich es wirklich mal probieren, aus dem Fenster zu klettern.<br />

Doch ich ließ es bleiben. Ich hatte keine Lust mich durch das Fenster zu quetschen. Spätestens an meinen<br />

Brüsten würde es nicht mehr weiter gehen oder an meinen Schultern. Es war wirklich ärgerlich, dass ich so<br />

groß war. Wenn ich Alex Statur hätte, wäre ich vielleicht wirklich durch das Fenster entkommen.<br />

Nach dem ich meine Haare geföhnt hatte, betrachtete ich die Klamotten. Ich stutzte, als ich die<br />

Unterwäsche sah. Schwarze Spitze. So was hatte ich noch nie getragen, ich hatte es noch nicht mal in<br />

Erwägung gezogen so etwas zu tragen, geschweige es zu kaufen.<br />

Aber da es die einzige Unterwäsche in diesem Raum war, musste ich sie anziehen, denn Paen hatte meine<br />

alten Sachen mit gehen lassen. Dieser Schuft. Murrend schlüpfte ich in den Slip und musste überrasch<br />

feststellen, dass es meine Größe war.<br />

Zu meinen Füßen lag nun ein grasgrünes Kleid, ein breiter Schwarzer Gürtel und hochhackige Schuhe. Ich<br />

schätzte den Absatz auf sieben Zentimeter. Wollten die mich umbringen? Ich konnte doch nicht in so<br />

Schuhe laufen.<br />

Also ging ich barfuss raus zu Paen. „Was ist mit den Schuhen?“, fragte er und zeigte auf die Mordteile. „Die<br />

zieh ich nicht an. Die bringen mich um!“, sagte ich und drückte sie Paen in die Hand. „Sie bringen dich um,<br />

wenn du sie nicht anziehst!“<br />

59


Damit reichte er mir wieder die Schuhe. „Kann ich nicht meine eigenen anziehen? Ohne Absatz?“, ich sah<br />

ihn flehend an. Denk an Embrys Hundeblick. „Nein!“ „Bitte!“ „Nein!“ „Aber war...!“ „Robin, du ziehst die<br />

Schuhe jetzt an!“<br />

Ich gab mich geschlagen und zog brummend diese blöden Schuhe an. Wenn ich hier raus komme, dass hetzte<br />

ich Paen als erstes Embry auf den Hals, dachte ich missmutig und folgte dem blöden Vampir auf wackligen<br />

Beinen.<br />

Ich wusste nicht, wo er mich hinführte, aber ich folgte ihm. In diesem Schuhen konnte ich erst recht nicht<br />

fliehen. Alle zwei Meter knickte ich weg und landete beinahe auf der Nase. Paen scherte sich einen Dreck<br />

um mich.<br />

Wir bogen um eine Ecke und liefen einen noch längeren Flur entlang. Zu beiden Seiten gab es kleine Türen<br />

und eine von diesen öffnete sich in gerade in diesem Moment. Leider war ich zu sehr damit beschäftigt<br />

wütend auf Paens Rücken zu starren.<br />

Die Tür traf mich mit voller Wucht. Ich jaulte auf ich landete unsanft auf meinem Hintern. Die Tür wurde<br />

geschlossen und ein brauner Haarschopf erschien vor mir, gefolgt von einer breiten Brust und sehr<br />

muskulösen Armen und Beinen.<br />

Ich schluckte. Von hier unten sah der Vampir wirklich furchteinflössend aus, besonders da sich seine<br />

rubinroten Augen direkt in meine brannten. Ein lächeln zeichnete sich auf den Lippen des Vampirs ab. „Das<br />

ist also dein Mensch!“<br />

Kapitel 26<br />

Der Vampir sah gierig auf mich herab. Ich schluckte und rutschte ein Stück von dem Vampir weg. Paen war<br />

innerhalb von wenigen Sekunden vor mir und knurrte den Vampir an. Er knurrt? Seit wann knurren Vampire<br />

denn bitte?<br />

„Hör auf Demitri! Lass sie ihn ruhe!“, warnte Paen den Vampir vor mir. Demitri hieß er also. Er hatte einen<br />

leichten russischen Akzent, doch man nahm ihn nur wahr, wenn man ganz genau hinhörte. Demitri lachte.<br />

Warum hatte alle Vampire so ein schönes Lachen.<br />

Paen vor mir knurrte noch lauter, als Demitri um ihn herum ging und direkt vor mir stehen blieb. „Kein<br />

Wunder, dass du sie mitgenommen hast. Sie ist schön und riecht wirklich betörend?“, sagte er und sah<br />

lächeln auf mich herab.<br />

Ich hob skeptisch eine Augenbraue. Dieser Vampir sprach von mir, wie von einem wirklich gut duftendem<br />

Parfüm. „Und keine Sorge Paen, ich werde ihr nichts tun!“, Demitri beugte sich nach vorne und reichte mir<br />

seine Hand.<br />

Ich beugte sich misstrauisch. Demitri lachte. „Du brauchst wirklich keine Angst haben. Ich werde dir nichts<br />

tun!“ Als ob ich einem Vampir trauen würde. Hatte ich irgendwo ein Schild hängen, wo in schwarzen<br />

Buchstaben ‚Ich glaub alles’ drauf stand?<br />

Doch bevor ich auf seine Aussage eingehen konnte, hatte Paen Demitri höflich beiseite geschoben und half<br />

mir auf. Ich klopfte mir den Staub vom Kleid und warf dem brünetten Vampir einen böse Blick zu, bevor ich<br />

mich von Paen weg führen .<br />

Paen bog wieder um die Ecke und steuerte direkt auf eine große, hölzerne Tür zu. Demitri schlenderte mit<br />

einem breiten Grinsen hinter uns her, wie ich nach einem Blick über meine Schulter feststellen musste.<br />

Aber immerhin war er der zweite Vampir, den ich in diesem Schloss gesehen hatte.<br />

„Wohin gehen wir eigentlich?“, fragte ich leise, als Paen an die Tür klopfte. Demitri stand direkt hinter mir.<br />

„Wir stellen dich Aro vor!“, sagte er und trat ein, als die Tür aufschwang. „Wer...?“, begann ich und sah mich<br />

gleichzeitig staunend um.<br />

„Nun wirst du Aro vorgestellt!“, sagte er und schob mich vor sich in die Tür. Mein Blick war auf die drei<br />

goldenen Stühle am Ende der Halle gerichtet. Darin saßen drei blasse Vampire in schwarzen Roben. Genau<br />

wie die anderen Vampire sie auch trugen.<br />

Die Wände der Hallen waren mit bunten Malereien verziert und an den Fenster hingen purpurne Vorhänge,<br />

die mit goldenen Bändeln zusammen gehalten wurde. Mir fiel auf, dass die Halle der einzige Raum in diesem<br />

Schloss war, der richtig hell erleuchtet wurde.<br />

60


Ein Vampir mit langen schwarzen Haaren stand auf und kam mit <strong>of</strong>fenen Augen auf uns zu geschwebt. „Paen.<br />

Demitri!“, sagte er mit einer schönen, sanften Stimme. Es war wirklich fies, dass Vampire immer so perfekt<br />

waren.<br />

„Und du bist Robin! Schön dich einmal persönlich kennen zu lernen!“, säuselte er und lächelte mich charmant<br />

an. Die drei Vampire hinter im, beide mit weißen langen Haare, beobachteten die Szene lieber von ihren<br />

Stühlen. Ja, bloß nicht aufstehen.<br />

Ich sah wieder zu Aro. Ich glaubte zumindest, dass er es war. Vorsichtig schielte ich zu Paen und h<strong>of</strong>fte,<br />

dass es niemand bemerkt hatte, aber da hatte ich die Rechnung ohne die Vampire gemacht. Sie sahen jede<br />

meiner Bewegungen.<br />

„Du brauchst wirklich keine Angst haben, meine Liebe!“ Das hatte ich jetzt schon vor zwei gehört. Und<br />

irgendwie glaubte ich ihnen nicht. Die roten Augen sprachen dagegen. Ich hob die Augenbraue und sah Aro<br />

skeptisch an.<br />

Er lachte über meinen Gesichtsausdruck. „Dein Blut richt wirklich köstlich. Ich kann Paen verstehen!“ Aro<br />

schloss die Augen und sog die Luft ein. Ich sah Paen verwirrt an. Was meinte er denn nun damit? Hatte<br />

Demitri nicht eben das selbe gesagt.<br />

„Darf ich?“, Aro deutete auf meine Hand, die schlaff neben meinem Körper hing. Mein Blick wurde nur noch<br />

verwirrter. Paen war so nett und klärte mich auf. „Aro kann durch Berührungen deine Gedanken lesen. Die,<br />

die du gerade denkst und die, die du jemals gedacht hast!“<br />

Erschrocken riss ich meine Hände hinter den Rücken. „Ehrlich gesagt, ist mir das nicht recht!“, begann ich<br />

kleinlaut. Aro nickte verstehend. Doch im nächsten Moment bekam ich einen Schubs von hinten und segelte<br />

in Aros Arme.<br />

Es war nur ein kurzer Augenblick, aber ich hatte das Gefühl, dass ich all meine Gedanken noch mal erlebte.<br />

Die unwichtigen, wie die über meine Mathehausaufgaben, die wichtigen über Embry und die besonders<br />

Peinlichen wie das, was meine Eltern nachts immer machten, wenn das Bett quietschte.<br />

Ich schnappte erschrocken nach Luft, als ich zurück taumelte. Paen fasste mich an den Oberarmen und<br />

hielt mich fest, bis ich sicher stand und nicht mehr wie ein Betrunkener auf der Stelle hin und her<br />

schwankte.<br />

„Deine Gedanken sind wirklich interessant. Besonders die über die Werwölfe!“, sagte er und sah mich<br />

nachdenklich an. Ich riss erschrocken und entsetzt die Augen auf. Er wusste von den Werwölfen. Das war<br />

nicht gut.<br />

„Ich habe nicht gedacht, dass es noch welche gibt, nach dem Caius sie fast alle vernichtet hat!“, er legte<br />

sich den Zeigefinger ans Kinn. „Es ist wirklich interessant. Nie hätte ich geglaubt, dass es in Amerika<br />

Werwölfe gibt!“<br />

Ich schluckte ungewollt und starrte ihn mit großen Augen an. „Und dieser Embry. Ist er dein Gefährte?“,<br />

Aro blickte interessiert auf mich herab. Aus dem Augenwinkel sah ich, das Paen ebenfalls seinen Blick auf<br />

mich gerichtet hatte.<br />

„Und wenn schon!“, gab ich patzig zurück, nach dem ich mich von dem Schock erholt hatte. Aro lachte. „Die<br />

Werwölfe prägen sich also. So finden sie ihren Seelenverwandten und einen haben wir gerade hier!“, sagte<br />

er, mehr zu sich selbst.<br />

Und warten sie nur, bis er hier auftaucht. Dann macht er sie alle fertig. Ihr werdet keine Chance gegen<br />

Embry und die anderen haben. Mein Blick verfinsterte sich zunehmend. Wehe, sie würden Embry auch nur<br />

ein Haar krümmen.<br />

„Du scheinst eine Menge über diese Werwölfe zu wissen!“, ein diabolisches Lächeln schlich sich auf Aros<br />

Gesicht. „Wärst du so gütig, mir etwas über diese Werwölfe zu erzählen?“ „NEIN!“, schrie ich wie aus der<br />

Pistole geschossen.<br />

„Das werde ich ganz sicher nicht!“, setzte ich noch einmal hinter her. Aro nickte. „Gut. Du kannst es dir<br />

noch überlegen. Bringt sie zurück in ihr Zimmer!“, sagte Aro und zeigte mit der Hand auf die Tür. Paen<br />

packte mich am Arm und führte mich nach draußen.<br />

„Hey!“, empört riss ich mich von Paen los. Dieser starrte mit unveränderte Miene gerade aus. Ich könnte<br />

versuchen zu türmen, denn Paen schien beschäftigt. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, dachte ich mir und<br />

machte auf dem Absatz kehrt.<br />

Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe, aber ich war doch wirklich mit den Mörderstiefeln bis in die<br />

Empfangshalle gekommen. Dort hatte mich ein wütend knurrender Paen wieder eingefangen und zurück in<br />

mein Zimmer gebracht.<br />

61


„Warum kann ich nicht gehen?“, fragte ich und trommelte wild auf Paens Rücken. „Weil ich nicht will!“,<br />

knurrte er. Ich stoppte in meinem Trommelfeuer. „Wie du willst nicht? Was soll dass denn heißen!“, fragte<br />

ich und richtete mich auf.<br />

Kein Antwort. Paen ignorierte mich. Irgendwie fühlte ich mich eine Woche zurück versetzt, als er mich vom<br />

Kerker in das andere Zimmer getragen hatte. Da hatte er mich auch praktisch ignoriert und keine<br />

Antworten auf mein Fragen gegeben.<br />

Ohne ein Wort zu sagen, setzte er mich in meinem Zimmer wieder auf den Boden. Ich wackelte etwas und<br />

versuchte nicht schon wieder mit den Schuhen umzuknicken und zu meiner Freude gelang das auch noch<br />

ganz gut.<br />

Doch plötzlich drehte Paen sich um. „Hey, warte mal. Ich will jetzt endlich wissen, was los ist!“, sagte ich<br />

und hielt ihm am T-Shit fest. Paen blieb stehen, drehte sich aber nicht um. Ich schnaubte wütend und<br />

überlegte.<br />

„Ich beiß mich selber, wenn du mir nicht erklärst, was hier los ist und warum jeder sagt, dass sie dich<br />

verstehen!“, drohte ich und zerrte an seinem Shirt. Paen seufzte. Es klang ergeben. Hatte ich gewonnen?<br />

Wow. Das ging schnell.<br />

Schneller als ich gucken konnte, hatte Paen sich umgedreht, die Tür geschlossen und sich mit mir auf mein<br />

Bett gesetzt. Alles drehte sich. „Manch das noch einmal und ich kotz dir in den Schoß!“, meckerte ich und<br />

fixierte den Schrank mit festen Blick.<br />

„Ich weiß wirklich nicht, was damals in mich gefahren ist, als ich dich mitgenommen hab. Du hast gestunken<br />

und außerdem bist du der anspruchsvollste Mensche, den ich je in meinem Leben gesehen habe!“, sagte Paen<br />

und sah auf mich herab.<br />

„Niemand hat dir gesagt, dass mich jemand mitnehmen soll. Und wieso hab ich gestunken? Letztens hast du<br />

mir noch gesagt, dass ich einfach berauschend rieche. Außerdem darf man in meiner Situation ja wohl<br />

anspruchsvoll sein!“, gab ich zickig zurück.<br />

Paen seufzte wieder. „Du kannst mich auch einfach laufen lassen. Bring mich zum nächsten Flughafen und du<br />

siehst mich nie wieder!“ Dafür sehe ich endlich Embry wieder. Zwei Wochen und 100 km waren nichts gegen<br />

eine Woche und über tausend Kilometer.<br />

„Genau das ist es. Ich will dich nicht weg schicken!“, murmelte Paen. „Aber warum denn nicht?“, rief ich und<br />

warf die Arme in die Luft. „Wieso könnt ihr Vampire nicht einmal Klartext reden?“, fragte ich Paen<br />

frustriert.<br />

„Ich hab dich mit deiner Freundin im Wald gesehen. Obwohl so ein beißender Geruch auf dir und dem<br />

Mädchen lag, konnte ich deinem Blut nicht wieder stehen!“, fing er an. Gott, Paen klang wie ein pädophilier<br />

Vergewaltiger.<br />

„Und das ist es? Das ist der Grund?“, ich sah ihn entsetzt an. Paen schüttelte den Kopf. „Da ist noch ein<br />

anderer Grund!“ „Und der wäre?“ Ich würde ihn umbringen, wenn er jetzt noch länger wartet. „Du sollst<br />

meine Gefährtin werden!“<br />

Kapitel 27<br />

Wir warteten wieder in Sams und Emilys Wohnzimmer. Jill und Megan saßen eng aneinander gedrängt auf<br />

der Couch und starrten in ihre Kaffeetassen. Emily hatte ihnen noch zusätzlich eine Decke gegeben, in der<br />

sich die Zwillinge eingewickelt hatten.<br />

Robins Eltern waren ebenso aufgelöst gewesen, wie Jill und Megan. Ihre Mutter hatte pausenlos geweint,<br />

während ihr Vater verständnisloses Zeug gemurmelt hatte. Wir hatten im Wohnzimmer gesessen und still<br />

zugehört. Emily, Alex und sogar Leah konnten die Tränen nicht zurück halten.<br />

Heute wollten Robins Elternkommen. Eigentlich wollte sie direkt nach dem Anruf los fahren, aber sie<br />

mussten sich erst noch von ihrer Arbeit frei machen und alles erledigen. Sie hatten ein Hotel in Forks<br />

gebucht und waren vor zwei Stunden los gefahren.<br />

Megan und Jill hatten die Nacht bei Sam und Emily auf der Couch verbracht. Am Morgen waren Paul und ich<br />

auf dem Campingplatz gewesen und hatten alles mit Mr. Manson geklärt. Er war sehr schockiert darüber<br />

gewesen und hätte gerne geholfen.<br />

62


Wir hatten Robins und die Sachen der Zwillinge eingepackt und mit zu Emily genommen. Während wir weg<br />

waren, hatte sich nichts geändert, außer das Alex von ihren Eltern abgeholt worden war. Seth war bei ihr<br />

und stand ihr bei.<br />

Und ich saß nun in dem Sessel und drückte mein Gesicht in Robins Kopfkissen. Pausenlos inhalierte ich den<br />

Duft und dachte mit geschlossenen Augen an Robins Lachen, ihre Augen und ihre wunderschönen<br />

kirschroten Locken.<br />

Ich wusste, dass die anderen mich besorgt ansahen, aber ich konnte es nicht ertragen. Ich wusste, dass<br />

Robin in den Händen eines Vampirs war und es war nicht sicher, ob sie noch lebte. Dieser Gedanke schwirrte<br />

immer wieder in meinem Kopf umher.<br />

Ich seufzte und lehnte mich in dem Sessel zurück. Er war nun sozusagen mein persönliches Eigentum, denn<br />

ich hatte ihn nur verlassen, wenn ich auf Toilette musste und das war in den letzten Stunden nur ein mal<br />

passiert.<br />

Draußen fuhr ein Auto auf der Straße an Sams Haus vorbei. Jedes mal, wenn wir ein Auto hörten, sahen alle<br />

auf und lauschten. Wir dachten und h<strong>of</strong>ften jedes mal, dass nun Robins Eltern kamen. Und ich machte mir<br />

sogar die H<strong>of</strong>fnung, dass Robin selbst vor der Tür stand.<br />

Ein Auto kam quietschend auf dem Schutt zum stehen. Wir hörten die aufgeregten Stimmen eines<br />

Ehepaars, dass die Autotüren laut zuknallten. Jill und Megan sprangen gleichzeitig auf und stürmten zu Tür,<br />

die sie aufrissen.<br />

Ich erhob mich ebenfalls, hatte es aber nicht so eilig, wie die Zwillinge. Ich hatte eher ein schlechtes<br />

Gewissen, weil ich nicht da gewesen war, als Robin verschwand. Ich hätte darauf bestehen sollen, sie bis zu<br />

ihrem Zelt zu begleiten.<br />

Aber warum hatte ich den Vampir nicht gerochen. Und warum hatte Seth ihn nicht gerochen. Sonst nahmen<br />

wir einen Vampir doch schon mehrere Meilen gegen den Wind war und konnte sagen, wie nah er sich<br />

ungefähr an La Push aufhielt.<br />

Aber dieses mal war es anders gewesen. Wir hatten nichts bemerkt. Wir hatten nichts gesehen oder<br />

gerochen. Das war seltsam. Und warum fiel mir dies eigentlich jetzt ein? Ich musste das Sam unbedingt<br />

sagen.<br />

Als ich um die Ecke trat, sah ich wie Jill und Megan ihre Eltern umarmten. Robins Dad stand hinter seiner<br />

Frau, die von den Zwillinge umarmt wurde. Ich hörte, wie sie leise weinten. „Embry! Endlich ein vertrautes<br />

Gesicht!“, Robins Dad kam auf mich zu und schloss mich in die Arme.<br />

Etwas verwirrt sah ich auf ihn herab, obwohl er genauso groß war wie ich. „Ähm...es tut mir wirklich leid,<br />

wegen Robin!“, meinte ich und klopfte ihm unbeholfen auf den Rücken. „Ich bin übrigens Peter!“, er streckte<br />

mir sein Hand entgegen.<br />

Ich lächelte etwas gequält und nahm sie an. Peter hatte die selben Augen wie Robin und die Haare hatte sie<br />

eindeutig von ihrer Mutter. Diese hatte sich inzwischen von Megan und Jill gelöst und umarmte mich<br />

ebenfalls.<br />

„Robin hat wirklich viel von die erzählt. Sie hat ununterbrochen von dir geschwärmt und ins immer in den<br />

Ohren gelegen, dass sie dich wieder sehen will!“, sie lächelte. Ich grinste dämlich und spürte, wie mir die<br />

röte ins Gesicht stieg.<br />

Sam und Emily, die Hausherren, kamen ihren Pflichten nach und begrüßten Robins Eltern. „Es tut uns<br />

wirklich leid!“, meinte Sam und schüttelte Peter die Hand. „Wir haben schon die Polizei informiert und sie<br />

wollen sich den Unfallort ansehen!“, meinte Peter und nickte Sam zu.<br />

Emily führte Robins Mutter ins Wohnzimmer, wo ihr sieben riesige und muskelbepackte Werwolfe<br />

entgegenblickten. „Oh, es gibt also noch mehr von der Sorte!“, murmelte sie und ließ sich lächeln zum Sessel<br />

führen.<br />

„Wollen sie einen Kaffee?“, fragte Emily und ging in die Küche, als Robins Mum nickte. Peter unterhielt sich<br />

mit Sam im Flur. „Wer hat Robin eigentlich zuletzt gesehen?“, die Stimme on Robins Mutter klang heiser<br />

und brüchig.<br />

„Alex hat sie gesehen. Sie ist eine Freundin von Robin, die sie hier kennen gelernt hat. Sie hat Robin als<br />

letztes gesehen. Wir haben sie an der Straße raus gelassen. Die letzten Meter wollten sie alleine gehen.<br />

Aber sie ist nicht angekommen!“, erklärte ich leise.<br />

Robins Mutter nickte, bevor sie mich mit ihren Blicken praktisch durchbohrte. „Seit ihr zusammen!“, sie<br />

sah mich dabei direkt an. „Wer?“, fragte ich, ziemlich verwirrt. „Du und Robin!“, meinte sie und legte die<br />

Beine übereinander.<br />

63


„Ähm...!“ „Ich seh das doch. Wenn du von Robin sprichst, leichten deine Augen!“ Ich war baff. Woher wusste<br />

sie das. Paul kicherte. „Mütter haben einen Blick dafür!“, meinte er und steckte sich einen Muffin in den<br />

Mund.<br />

„Ja. Mütter haben einen Blick dafür. Und bist du mit meiner jüngsten Tochter zusammen?“ Ich nickte.<br />

Robins Mutter konnte einen ja mit ihren Blicken durchbohren. Ich hatte wirklich das Gefühl, dass sie direkt<br />

in mein Innerste schaute.<br />

„Dann sei bloß gut zu ihr, wenn nicht, dann jagt mein Mann dich wahrscheinlich über den ganzen Kontinent!“,<br />

lachte sie und legte kurz darauf die Hand auf die Stirn. „Tut mir leid. Mit mir gehen anscheinen die Nerven<br />

durch!“<br />

Oh, dass kenn ich. „Möchten sie vielleicht ein Aspirin?“, fragte Emily, nach dem sie den Kaffee auf den<br />

Tisch gestellt hatte. „Das wäre nett. Und nenn mich bitte Amy!“, sie lächelte und beugte sich nach vorne, um<br />

die Tasse zu nehmen.<br />

Sie ließ uns nicht aus den Augen, während sie ihren Kaffee trank. Ich lächelte gequält und spielte nervös mit<br />

meinen Fingern. Peter und Sam gesellten sich zu uns ins Wohnzimmer und setzten sich auf die Couch. Peter<br />

schien genauso überrascht über die anderen Werwölfe zu sein, wie Amy.<br />

Als das Telefon klingelte und die unheimlich Stille durchschnitt, zuckte ich erschrocken zusammen. Emily<br />

stand auf und ging ans Telefon. Ihr Gesicht hellte sich, je länger sie mit dem Anrufer sprach. Wir alle<br />

hörten neugierig zu.<br />

„Embry!“, sie legte eine Hand auf den Hörer und sah mich lächelnd an. Ich stand auf und ging zu ihr hin. „Es<br />

ist Alice!“ Ich hatte ihr praktisch den Hörer aus der Hand gerissen, kaum das sie den Namen zuende<br />

gesprochen hatte.<br />

„Ja, Alice?“, meine Stimme zitterte. „Ich hab sie gesehen! Sie ist in Volterra“, rief sie und ich atmete<br />

erleichtert auf. Genauso wie die anderen im Raum. Nur Peter und Amy sahen uns verwirrt an. Das war doch<br />

ein Lichtblick. Sie hatte Robin gesehen.<br />

„Und?“, fragte ich. „Sie lebt noch. Ihr geht es gut. Robin wurde kein Haar gekrümmt. Und ihr wird auch<br />

nicht das Blut ausgesaugt. Der Vampir, der sie entführt hat, hat nicht vor sie umzubringen. Ihr passiert<br />

also nichts. Nur kann ich noch nicht sehen, wann sie zurück kommt, oder wir sie holen!“, erzählte Alice<br />

glücklich.<br />

Ich schloss die Augen und lehnte mich gegen Wand. Das glückliche Lächeln würde für die nächsten Stunden<br />

wahrscheinlich nicht aus meinem Gesicht zu wischen sein. Ich versuchte die Tränen wegzublinzeln, die sich<br />

unbedingt aus meinen Augen stehlen wollten.<br />

„Ist alles okay, Embry?“, Amy war aufgestanden und stellte sich neben mich. Tröstend legte sie mir eine<br />

Hand auf den Oberarm, während ich nickte und Alice dankte. Ich muss meine Meinung über diesen<br />

Staubwedel noch mal ändern.<br />

Wenn ich sie das nächste mal sehe, werde ich sie einmal umarmen. Zwar mit Nasenklammer und<br />

Luftanhalten. Aber dank ihr hatte ich nun endlich die Gewissheit, dass Robin noch lebte und dass es ihr gut<br />

ging.<br />

Und Leah würde ich auch einmal fest umarmen. Sie war erst auf die Idee gekommen, Alice zu fragen, ob sie<br />

was sieht. Ich wäre nie auf die Idee gekommen. Und deshalb war ich Leah so dankbar. Sie war wirklich nicht<br />

so schlimm, wenn man sich in ihre Lage rein versetzte.<br />

„Warum weinst du dann?“, Amy sah mich besorgt an. Verdammt, jetzt weinte ich wirklich. „Ich hab nur was<br />

im Auge!“, nuschelte ich und wischte mir mit dem Handrücken über die Augen. „Ach so, na gut!“, meinte sie<br />

lächelnd und ging wieder zurück zu Peter.<br />

Als ich zurück zu den anderen ging, hätte ich Purzelbäume schlagen können, so glücklich war ich. Nur konnte<br />

ich Robins Eltern noch nicht sagen, dass wir Robin dank unsere kleinen Hellseherin gefunden hatten und<br />

dass es ihr gut ging.<br />

Kurz darauf wurde die Tür aufgerissen und ein großer Junge, gefolgt von einer verträumt grinsenden Leah,<br />

stürmte ins Haus. Er hatte gewissen Ähnlichkeiten mit Robin. Das musste ihr Bruder Drake sein. „Oh man,<br />

endlich hab ich auch gefunden!“<br />

Er schnaufte. Amy und Peter sprangen auf und schlossen ihn in die Arme. „Drake, warum bist du hier?“ „Ich<br />

sitze doch nicht Zuhause, während meine Schwester entführt worden ist!“, er sah seine Eltern empört an.<br />

„Und wie hast du uns gefunden?“<br />

Drake zeigte auf Leah. „Ich hab sie auf der Straße getr<strong>of</strong>fen. Danke übrigens noch mal!“, er lächelte und<br />

man sah, wie Leah rot wurde. Ich wechselte einen verwirrten Blick mit Jacob und sah dabei zu Sam, der die<br />

träumende Leah mit zusammen gekniffenen Augen beobachtete.<br />

64


Kapitel 28<br />

„WAS?“, ich sah Paen geschockt an. Der macht doch jetzt wohl Witze. Aber Paen sah nicht so aus, als ob er<br />

Witze machen würde. Er sah sogar ziemlich ernst aus. Zu ernst, wie ich jetzt fand. Erschrocken rutschte<br />

ich ein Stück von dem Vampir weg.<br />

Paen sah mich geknickt an und streckte seine Hand nach mir aus. „Fass mich nicht an!“, quietschte ich und<br />

rutschte soweit weg, bis ich mit dem Rücken gegen die Wand stieß. „Robin...!“ „Nein. Du wolltest mich beißen.<br />

Einen von diesen gruseligen Vampiren machen!“, rief ich und sah ihn finster an.<br />

„Ich müsste Blut trinken, meine Eltern verlassen und alles aufgeben, was ich hatte! Meine Eltern müssten<br />

denken ich sei tot!“ Und Embry auch. Ich könnte mich ihm nicht mehr nähern. Wir wären Feinde, Todfeinde,<br />

die sich nur bekriegen konnten.<br />

Ich wollte kein Vampir sein. Jetzt nicht und ich naher oder ferner Zukunft nicht. In den letzten Tagen<br />

hatte ich Paen irgendwie nett gefunden, aber jetzt, nach dem ich den Grund für meine Entführung und<br />

meinen Entführer kannte, war er mir auf einmal nicht mehr so sympathisch.<br />

„Aber du wärst dann mit mir zusammen!“, versuchte es Paen weiter. „Toll!“, meinte ich sarkastisch. „Das ist<br />

natürlich der Grund, der all meine Bedenken über den Haufen wirft und dir somit erlaubt, mich zu beißen!“<br />

„Wirklich?“, Paen sah mich h<strong>of</strong>fnungsvoll an.<br />

„Hast du eigentlich schon mal was von Sarkasmus gehört?“, fragte ich. „Ja, die Menschen reden <strong>of</strong>t davon!“<br />

„Wie alt bist du eigentlich?“ Das interessierte mich nun mal wirklich. „Ich bin 1702 in Schottland geboren<br />

und 1722 in Italien verwandelt worden!“<br />

Ich hasse rechnen. Konnte er mir nicht einfach sagen, wie alt er war? Ich wollte nicht seine ganze<br />

Lebensgeschichte hören. „Dann bist du...307 Jahre alt!“, meinte ich, nach dem ich ein paar Sekunden lang<br />

mit den Zahlen gekämpft hatte.<br />

Paen nickte. „Ich weiß nicht, von wem ich verwandelt wurde, aber ich kam vor ein paar Jahren zu den<br />

Volturi!“ Ich wollte dich nicht seine ganze Lebensgeschichte hören. Ich wollte nach Hause. Nach Hause, wo<br />

ich nicht von einem Vampir bedroht wurde.<br />

„Warum hast du mich mitgenommen?“, wenn wir jetzt nun schon so ehrlich waren, konnte er mir auch mal<br />

erklären, warum ich hier war. „Wie gesagt, dein Blut konnte ich über den Gestank, der auf dir lag, riechen.<br />

Deine Freundin war nicht so interessant, obwohl sie ebenfalls sehr hübsch war!“, sagte Paen.<br />

„Baoh bist du oberflächlich!“, sagte ich und sah ihn finster an. „Gestunken. Ich hab gestunken. Weißt du,<br />

dass hört niemand gerne. Weißt du, warum ich gestunken hab?“ Paen schüttelte den Kopf. „Ich aber. Weil<br />

ich kurz vorher mit einem Werwolf rumgeknutscht habe. Und Vampire und Werwölfe verstehen sich nicht<br />

so gut!“<br />

Paen sah mich mit großen Augen an. „Du hast mit einem Werwolf rumgeknutscht?“ „Ja und es war super. Und<br />

wenn du mich nicht laufen lässt, dann hetz ich dir neun Werwölfe auf den Hals. Jeder so groß wie ein Pferd<br />

und Muskeln ohne Ende! Und dann reißen sie dir Arme und Beine ab!“<br />

Merkt man, dass ich langsam durch drehe? Ich finde schon. Ich verfalle langsam dem Wahnsinn. Das hat<br />

man davon, wenn mehrere tausend Meilen von seinem Freund entfernt neben einem Vampir auf einem Bett<br />

sitzt.<br />

„Und einer diesen Werwölfe ist dein Freund?“, Paen sah mich skeptisch an. „Jaaaaaa, Embry!“, seufzte ich<br />

und tanzte einmal durchs Zimmer. Ich will zurück zu Embry. Jetzt s<strong>of</strong>ort und auf der Stelle. Ich will mit<br />

ihm kuscheln.<br />

„Liebst du diesem Embry?“, fragte Paen und ließ mich mitten in meinem Tanz durch das Zimmer erstarren.<br />

Ich überlegte. Wenn Embry in meiner Nähe war, konnte ich nicht aufhören zu Grinsen und ich hatte so ein<br />

Kribbeln im Bauch, dass gar nicht weg gehen wollte. Und wenn ich ihn küsste...<br />

„Ja, ich liebe ihn!“, sagte ich und tanzte weiter. Ich hörte Paen seufzen und sah aus dem Augenwinkel, wie<br />

er den Kopf hängen ließ. Gott, hab ich ihn jetzt gekränkt? Aber was kann ich dafür, wenn mein Herz schon<br />

jemand anderen gehört?<br />

„Willst du wirklich nach Hause?“, fragte Paen, der plötzlich hinter mir stand. Ich wirbelte herum und stieg<br />

mit ihm zusammen. Hatte er mir die ganze Woche nicht zu gehört? Hatte ich nicht mehrmals versucht ihn<br />

dazu zubringen, mich gehen zu lassen?<br />

65


„Ja!“, sagte ich leise. „Gut, dann will ich jetzt, dass du die Augen schließt!“, meinte Paen und trat neben<br />

mich. „Wieso?“, ich sah ihn verwirrt an. Doch er ging nicht darauf ein. „Und nun stell dir dein Zuhause vor.<br />

So als würdest du direkt davor stehen!“<br />

Ich stöhnte und schloss die Augen. Auf seinen Wunsch hin stellte ich mir unsere Haus vor. Mit allen drum<br />

und dran. Der Macke in der Haustür, die davon kam, als ich mit voller Geschwindigkeit mit dem Rad von Ron<br />

dagegen gedonnert war.<br />

Mit den verkümmerten Blumen, die trotz Mums Pflege einfach nicht gedeihen wollten und nur dank der<br />

Pflege unsere Haushälterin noch lebten. Und mit dem weißen Gartenzaun, wo schon einige Latten fehlten. All<br />

das stellte ich mir vor.<br />

„Stellst du dir alles vor?“, Paens Stimme war direkt an meinem Ohr. Sein kalter und komischerweise süßer<br />

Atem stieg mir in die Nase. „Ja, das tu ich!“, murmelte ich mit geschlossenen Augen. „Gut!“, sagte Paen und<br />

legte mir eine Hand auf die Schulter.<br />

Im nächsten Moment schien sich alles zu drehen und mein Körper wurden zusammen gepresst. Fast so, als<br />

würde ich mich durch den dünnsten Schlauch auf dieser Welt quetschen wollen. Kurz bevor ich glaubte mich<br />

übergeben zu müssen, war es vorbei.<br />

Kalte, schon fast eisige Luft schlug mir entgegen. Verwirrt öffnete ich die Augen und sah mich um. Paen<br />

stand direkt neben mir und blickte auf etwas, was direkt vor uns lag. Ich wandte meinem Blick von ihm ab<br />

und quietschte erschrocken auf.<br />

„Wie...was...ähm...geht das...wie hast du das gemacht?“, stotterte ich, während ich unseren Briefkasten<br />

anstarrte. Ich war Zuhause. In Port Angeles. Direkt vor meinem Haus. Ich konnte sogar die Hunde bellen<br />

hören.<br />

Bevor ich mich selber zurück halten konnte, hatte ich das Gartentor aufgerissen und mich auf den Rasen<br />

geworfen. Ich grub meine Finger in die Erde und strampelte glücklich jauchzend mit den Füßen. Ich war<br />

Zuhause.<br />

„Van Helsing?“, riss mich Paens belustigte Stimme aus meinen Gedanken. Ich rappelte mich auf und klopfte<br />

die Grashalme von dem Kleid, dass ich noch immer trug. „Ja, so heiße ich!“ Paen lächelte im Schein der<br />

Straßenlaterne. Wie viel Uhr es jetzt wohl war?<br />

„Van Helsing, wie der Vampirjäger! Bestehen da irgendwelche Zusammenhänge?“ „Weiß nicht. Aber ein<br />

Vorfahre von meinem Vater kam vor 200 Jahre aus Rumänien nach Amerika. Vielleicht war das ja Gabrielle<br />

Van Helsing!“, grinste ich.<br />

„Könnte sein!“, meinte Paen und entfernte sich von mir. „Vielleicht muss ich das ja auch. Vampire jagen. Kann<br />

Weihwasser euch schaden?“ Paen lachte und schüttelte den Kopf. „Nein, das schadet uns nichts. Auch kein<br />

Knoblauch!“<br />

„Schade! Aber hinter her ist man immer schlauer, oder?“, meinte ich. Paen nickte und steckte seine Hände<br />

in die Taschen seiner Hose. „Auf Wiedersehen, Robin. Wir sehen uns wieder?“ „Ist das eine Drohung?“ „Ein<br />

Versprechen!“ Damit war er verschwunden.<br />

Das waren die letzten Worte, die ich von Paen gehört hatte. Der Vampir, der mich zu seiner Gefährtin<br />

machen wollte, hatte mich wieder nach Hause gebracht. Wie, dass war mir nicht klar. Denn niemand konnte<br />

in einem Moment in Italien sein und im nächsten schon wieder in Port Angeles.<br />

Ich schüttelte den Kopf und schloss das Gartentor hinter mir. Jacob, Whiskey und die anderen Hunde<br />

bellten hinter der verschlossenen Haustür. Was dachten sie wohl? Ein Einbrecher oder wussten sie, dass<br />

ich es war?<br />

Meine Eltern schienen nicht Zuhause zu sein. Vielleicht suchten sie mich. Natürlich taten sie das.<br />

Wahrscheinlich hatte mein Vater schon alle Kollegen zusammen getrommelt und die Hundestaffel über all<br />

stationiert.<br />

Ich bückte mich und suchte den Ersatzschlüssel in der Nische zwischen Türrahmen und Tür. Nach längerem<br />

Suchen hatte ich diesen auch gefunden. Im Dunkeln tastete ich nach Schloss und steckte den Schlüssel<br />

hinein. Bei totaler Dunkelheit gar nicht so einfach.<br />

Das Bellen der Hunde wurde lauter. Und irgendeiner von ihnen knurrte auch. Es klang wie Jacob. „Hey, ich<br />

bin es nur!“, sprach ich gegen die Tür und wackelte mit den Schlüssel. Es machte klick und die Tür ging einen<br />

Spalt auf.<br />

Das Bellen verstummt. „Ganz ruhig Leute. Ich bin es nur!“, murmelte ich und schloss die Tür. Dann tastete<br />

ich mich nach dem Lichtschalter. Irgendwo musste der doch sein. Ah, hab ihn gefunden. Ich schlug drauf<br />

und das Licht ging an.<br />

66


Die Hunde sprangen bellend an mir hoch und leckten mir übers Gesicht. Letzteres war nicht ganz so<br />

angenehm, aber ich freute mich trotzdem, dass sie mich begrüßten. Aber wahrscheinlich hatten sie nur<br />

Hunger und verlangten von mir, dass ich ihre Näpfe auffüllte.<br />

Ich schüttelte den Kopf und ging in die Küche. Die Digitaluhr am Herd zeigte mir 03:18. So spät war es hier<br />

schon. Oder so spät? In Italien war es noch hell gewesen. Auch gerade mal morgens. Oder früher Mittag.<br />

Ich weiß es nicht mehr.<br />

Hinter mir hörte ich Schritte. Die Hunde folgten mir auf Schritt und Tritt. Ich fühlte ihre Näpfe auf und<br />

gab ihnen neues Wasser. Muffin und Fungi forderten ebenfalls ihre Aufmerksamkeit und so gab ich auch<br />

ihnen Fressen.<br />

Nach dem die ganzen Tiere versorgt waren, setzte ich mich mit dem Telefon auf die Treppe. Vielleicht<br />

sollte ich meine Eltern darüber informieren, dass ich wieder Zuhause war, in Sicherheit und nicht länger in<br />

den Fängen eines Vampirs.<br />

Ich wählte die Nummer von meinem Vater. Er war immer der jenige, der sein Handy bei sich und an hatte.<br />

Mum hatte ihrs meistens in der Handtasche. Es tutete. Mehrere Sekunden lang. Doch nur seine Mailbox<br />

ging an.<br />

Also wählte ich die Nummer von meiner Mutter. Einer von ihnen musste doch zu erreichen sein! Es tutete<br />

nur zweimal, dann wurde angehoben. „Hallo?“, die Stimme meiner Mutter klang verschlafen; kein Wunder bei<br />

der Uhrzeit. Ich hätte nicht gedacht, dass ich weinen würde, aber als ich die Stimme meiner Mutter hörte,<br />

brach es praktisch aus mir heraus. „Mum, hier ist Robin. Ich bin wieder Zuhause!“, meine Stimme war<br />

brüchig und kaum zu verstehen. Im Hintergrund hörte ich, wie das Licht angemacht wurde.<br />

Kapitel 29<br />

Eine Stunde und zehn Minuten später saß ich immer noch unverändert auf der Treppe. Woher ich das so<br />

genau wusste? Ich hatte die Sekunden gezählt. Jede einzelne. Na ja, ich hatte mich auch ein paar mal<br />

verzählt.<br />

Inzwischen war es halb fünf Morgens. Die Hunde hatten sich inzwischen zu meinen Füßen ausgebreitet und<br />

schliefen. Nur Jacob nicht. Dieser hatte seinen Kopf auf mein Knie gelegt und ließ sich von mir schon seit<br />

mehreren Minuten hinterm Ohr kraulen.<br />

Doch dann wurde das alles nebensächlich. Die Hunde sprangen auf und wirbelten herum und fixierten die<br />

Tür. An der Wand konnte ich Scheinwerfen sehen und draußen blieb ein Auto mit quietschenden Reifen vor<br />

unserem Haus stehen.<br />

Jacob bellte und ich schnellte zur Tür, um diese aufzureißen. Meine Mutter stürmte mit verzausten Haaren<br />

und in ihrem Bademantel auf mich zu. Erneut stiegen die Tränen in mir hoch und auch meine Mutter schien<br />

sich nicht zurück halten zu gehen.<br />

Sie schloss mich in die Arme und drückte mich fest an sich. „Oh Robin! Wir haben dich wieder!“, sie<br />

schluchzte und ich heulte Rotz und Wasser. Ich war wieder Zuhause und nicht in Volterra. Ich hielt meine<br />

Mutter im Arm.<br />

Nach langen Minuten lösten ich mich von meiner Mutter, um meinen Vater zu umarmen. Dieser stand hinter<br />

meiner Mutter und wischte sich Tränen aus den Augen. Dafür kamen bei mir immer neue. Ich schloss meinen<br />

Vater in die Arme und durchnässte seinen Schlafanzug.<br />

„Gott Robin, was machst du auch immer für Sachen?“, mein Vater küsste mich auf die Stirn. „Ich bin nicht<br />

freiwillig mitgegangen. Wie seit ihr nur so schnell hier hin gekommen?“ „Ich hab wahrscheinlich alle<br />

Tempolimits von hier bis nach La Push gebrochen!“, sagte Dad und lachte.<br />

Ich lachte ebenfalls und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Mum schloss mich von hinten in Arme und<br />

rückte ihr Gesicht an meine Schulter. „Es ist noch jemand mitgekommen, der sich wahrscheinlich auf freuen<br />

wird, dich wieder zu sehen!“, meinte meine Mutter und zeigte zum Auto.<br />

Ich sah an meinem Vater vorbei und starrte mit großen Augen auf die Person, die am Auto lehnte. Sie war<br />

ziemlich groß, besaß breite Schultern und viele Muskeln. Und sie trug kein T-Shirt. Ich wusste s<strong>of</strong>ort wer<br />

es war.<br />

In den Mörderstiefel stürmte ich auf Embry zu und sprang ihm in die Arme. Ich schlang meine Arme um<br />

seine Hüfte, verschränkte meine Arme in seinem Nacken und presste meine Lippen stürmisch auf seine. Ich<br />

hatte ihn wieder.<br />

67


Als ich keine Luft mehr bekam, löste ich mich wieder von Embry. Ich hatte noch nie einen Mann oder einen<br />

Jungen weinen sehen, aber es gibt bekanntlich ja immer das erste mal. Embry weinte. Aber mir ging es da<br />

nicht anders.<br />

„Eigentlich hab ich gedacht, ich hätte alle Tränen aufgebraucht!“, murmelte ich und wischte seine Tränen<br />

weg. „Du stinkst fürchterlich“, flüsterte Embry und drückte mir seine Lippen auf die Wange, „Aber ich bin<br />

so froh, dass ich dich wieder habe und es dir gut geht!“<br />

„Danke, aber ich habe heute Morgen geduscht, also kann es nicht daran liegen!“, erwiderte ich und küsste<br />

jeden Zentimeter seines Gesichts. „Ich weiß, aber du stinkst nach Vampir. Warst du wirklich in Italien?“,<br />

fragte Embry.<br />

„Eine Woche lang und es war fürchterlich. Ohne meine Eltern, ohne dich!“, ich presste mich an ihn. Embry<br />

taumelte zurück und stieß gegen das Auto. „Du glaubst ja gar nicht, wie es mir gegangen ist. Ich hab mir<br />

solche Sorgen um dich gedacht. Ich hab gedacht, ich hätte dich für immer verloren.“<br />

„Aber Gott sei Dank bin ich hier!“, murmelte ich und küsste ihn noch mal. „Wir möchten eure Zweisamkeit<br />

wirklich nicht stören, aber wir wäre es, wenn ihr rein kommt. Es wird kalt!“, rief mein Vater. „Bei dir wird<br />

mir nie kalt!“, lächelte ich und rutschte von Embry runter.<br />

Ich nahm seine Hand und zog ihn hinter mir her ins Haus. Die Hunde liefen uns entgegen und hegten große<br />

Interesse an meinem Indianerfreund. „Da ist ja Jacob!“, lachte Embry und beugte sich zu dem Schäferhund<br />

runter, um ihn zu streicheln.<br />

„Dank Jacob hab ich dich gefunden!“, meinte Embry und ging mit mir ins Haus. „Ja, als er mich schamlos in<br />

der Wildnis alleine gelassen hat!“, murrte ich und scheuchte die Hunde ins Haus. Das hatte ich Jacob<br />

übrigens immer noch nicht verziehen.<br />

„Hast du Hunger oder Durst?“, fragte ich Embry, nach dem ich ihn in die Küche geschoben hatte. „Könnte<br />

ich ein Wasser haben?“ „Klar!“, meinte ich und angelte nach einem Glas. „Vielleicht solltest du Embry auch<br />

ein T-Shirt geben!“, meinte Mum und deutete auf Embry.<br />

Eigentlich konnte er von mir aus so rum laufen, aber Mum würde sicher auf falsche Gedanken kommen. Ich<br />

sah mir Embry genau an und tat so, als müsste ich überlegen, ob ich ein Shirt für ihn hatte. „Ich weiß nicht,<br />

ob ich so ein großes T-Shirt für ihn habe. Und meinen <strong>Kiss</strong>enbezug will ich nicht opfern!“<br />

Meine Eltern lachten. „Ich kann ihm ein T-Shirt von mir geben!“, meinte mein Vater und verschwand. Er<br />

könnte Embry vielleicht wirklich ein T-Shirt geben. Beide hatte ziemlich breite Schultern und Muskeln.<br />

Aber Embry hatte mehr.<br />

Meine Mutter seufzte und kam auf mich zu. Sie drückte mir einen Kuss auf die Stirn und lächelte. „Ich bin<br />

so froh, dass es dir gut geht!“ Ich nickte. „Embry kann heute hier übernachten. Morgen Mittag fahren wir<br />

ihn dann nach Hause, da können wir gleich deine Geschwister Ich geh jetzt ins Bett. Macht nicht mehr<br />

lange!“<br />

„Und keine Dummheiten!“, fügte mein Dad hinzu und reichte Embry ein T-Shirt. Es schien wirklich groß<br />

genug zu sein, aber das würde ich ihm eh wieder vom Körper reißen. Ich grinste bei dem Gedanken. Aber ich<br />

machte schnell wieder ein ernstes Gesicht, als Mum mich skeptisch ansah.<br />

„Morgen reden wir über alles. Jetzt ist es ziemlich spät und wir sollten alle noch mal schlafen. Oder es<br />

zumindest versuchen. Gute Nacht und macht nicht zu lange!“, meinte mein Vater und nahm die Hand meiner<br />

Mutter.<br />

Kurz nach dem Mum und Dad in ihr Schlafzimmer gewandert waren, zog ich Embry hinter mir her nach oben.<br />

„Wo hast du denn dein Zimmer?“ „Ganz oben!“, meinte ich und stieg die Treppen hoch. Die Hunde waren uns<br />

wieder auf den Fersen.<br />

„Wow, dein Zimmer ist wirklich groß!“, meinte Embry, nach dem ich die Tür zu meinem Schlafzimmer mit<br />

dem Fuß aufgestoßen hatte. „Meinst du? Ich find das eigentlich klein!“ Embry lachte und zog mich an sich.<br />

„Dein Zimmer ist großer als Billys Wohnzimmer!“<br />

„Mhmm...dann ist es vielleicht wirklich groß. Aber ich hab ja auch eine Couch, ein Bett, Schränke und einen<br />

Schreibtisch!“, murmelte ich und steuerte in Embrys Armen auf das Bett zu. „Soll ich nicht auf der Couch<br />

schlafen?“, fragte er leicht grinsend.<br />

Ich schüttelte den Kopf und schlug ihm auf die Schulter. „Ich war eine Woche lang in Italien, bei eiskalten<br />

Vampiren. Jetzt brauch ich Wärme und Streicheleinheiten!“, ich sah ihn mit meinem Hundeblick an. Den<br />

hatte ich mir von Embry abgeschaut.<br />

„Diesen Wunsch will ich dir nicht verwären!“, murmelte Embry und ließ sich mit mir aufs Bett fallen. Doch<br />

keine Sekunde später richtete ich mich wieder auf. „Vielleicht sollte ich die Klamotten ausziehen!“ „Ja, das<br />

solltest du!“<br />

68


Also löste ich mich wieder von Embry und sprintete im Mondlicht zu meinem Schrank. Dabei schaffte ich es<br />

auch noch, meinen kleinen Zeh an der Couch zu stoßen, was Embry zum Kichern brachte. Der Kerl konnte<br />

sich ja nicht so einfach verletzten.<br />

Nach dem ich Shorts und ein T-Shirt angezogen hatte, hüpfte ich zurück zu Embry. Dieser hatte, wie ich<br />

freudiger Weise feststellen durfte, seine Hose ausgezogen und nahm mich nur in Boxershorts in Empfang.<br />

Das T-Shirt lag unbeachtet auf dem Boden.<br />

„Vielleicht solltest du noch etwas schlafen!“, meinte Embry, nach dem er die Decke über uns ausgebreitet<br />

hatte. Unter dieser wurde es ziemlich schnell warm, aber ohne Decke konnte ich nicht schlafen. „Ich kann<br />

aber nicht!“, meinte ich.<br />

„Warum nicht?“, ich hörte die Neugierde in seiner Stimme. Embry stützte sich auf den Ellebogen und strich<br />

mir eine Strähne hinters Ohr. „Ich bin vor ein paar Stunden erst aufgewacht. Ich könnte wahrscheinlich<br />

durch ganz Port Angeles rennen!“<br />

„Mach das bloß nicht. Aber wenn du nicht schlafen kannst, müssen wir irgendwas anderes machen!“,<br />

flüsterte Embry und ich konnte mir sein Grinsen nur zu gut vorstellen. „Oh, was denn?“, fragte ich<br />

neugierig.<br />

Kurz darauf spürte ich seine heißen Lippen an meinem Hals. Ich erschauderte. „Ja, dass ist was anderes!“,<br />

murmelte ich und krallte mich in seinen Haare fest. Embry kicherte. „Gefällt es dir?“ „Und wie!“, antwortete<br />

ich heiser.<br />

Es gefiel mir wirklich. Aber wahrscheinlich würde mir alles gefallen, was Embry machen würde. Seine Lippen<br />

wanderten hoch in meinen Nacken, wo sie die empfindliche Stelle hinter meinem Ohr erreichten und mich<br />

Sterne sehen ließ.<br />

Ich stöhnte wieder und entlockte Embry so ein weiteres Lachen. „Wir müssen leise sein!“, kicherte ich und<br />

drehte meinen Kopf. „Na gut!“, flüsterte Embry und blies mir ins Ohr. Ich schloss die Augen und genoss all<br />

dies.<br />

Nach einer Weile drehte ich mich auf die Seite und Embry rutschte näher an mich heran. Ich lag mit Embry<br />

Löffelchen in meinem Bett, um sechs Uhr und ließ mich mit Streicheleinheit verwöhnen. Das war doch ein<br />

schöner Empfang.<br />

Als Embrys Hand unter mein T-Shirt wanderte, konnte ich nicht anders und fing an zu kichern. „Was ist?“,<br />

fragte Embry belustigt, ließ aber seine Hand auf meiner Hüfte. „Was machst du da?“ „Ich markiere dich!“,<br />

murmelte Embry an meiner Schulter.<br />

„Was?“, fragte ich halb fassungslos, halb belustigt. „Du stinkst fürchterlich nach Vampir und irgendwie<br />

muss ich den Geruch überlagern. Wenn ich Zuhause wäre, würde ich dich in eins von meinen T-Shits und eine<br />

Hose stecken, aber ich bin nicht Zuhause und deswegen muss ich das anders machen!“, erklärte Embry und<br />

ich konnte das Grinsen praktisch hören.<br />

„Interessant!“, murmelte ich und rollte mich ätzend auf Embry drauf. Ich positionierte meine Beine seitlich<br />

an seinen Hüften und legte meine Arme auf seine Brust. „Dann will ich dir mal helfen!“, murmelte ich und<br />

rutschte es auf ihm herum, um möglich viel Reibung zwischen uns zu bringen.<br />

Erst als Embry keuchte und ich die verdächtige Beule an meinem Oberschenkel spürte, wurde mir klar, was<br />

ich da gemacht habe. „Sorry!“, murmelte ich und stoppte in meiner Bewegung. Als ich mich von ihm runter<br />

rollen wollte, hielt er mich fest.<br />

„Kein Problem!“ Seine Stimme kling ein bisschen heiser und irgendwie erstickt. So etwas war mir noch nie<br />

passiert. Wahrscheinlich war ich so rot wie eine Signalleuchte oder eine Ampel. Je nach dem, was von<br />

beiden roter war.<br />

Auch wenn da eine verräterische Beule gegen mein Bein drückte, bewegte ich mich nicht von der Stelle.<br />

Gegen Embry Klammergriff hatte ich sowieso keine Chance. Also rutschte ich ein Stück nach Oben und<br />

drückte meine Lippen auf seine. Vielleicht sollte ich doch noch mal versuchen zu schlafen.<br />

Kapitel 30<br />

„Bepinkeln Wölfe eigentlich ihre Weibchen? Um sie zu markieren?“ Meine Eltern und Embry sahen mich<br />

geschockt an. Wir waren auf dem Weg nach La Push, um Embry nach Hause zu bringen und meine<br />

Geschwister abzuholen.<br />

69


Ich war gerade mal seit zwei Stunden auf, in den ich mich duschen und Frühstückten musste. Embry hatte<br />

auch Zeit für eine Dusche gehabt, aber als er unseren halben Kühlschrank leer gefuttert hatte, waren<br />

meinen Eltern die Augen aus dem Kopf gefallen.<br />

Und nach dem Frühstück musste ich meinen Eltern erzählen, wo ich die Woche über gewesen war. Natürlich<br />

konnte ich ihnen nicht erzählen, dass ich bei einem Vampir in Italien gehockt hatte und dank Teleportation<br />

wieder in Port Angeles war.<br />

Also musste ich mir was ausdenken. Ich erzählte ihnen, dass ich niemanden gesehen hatte, als ich entführt<br />

wurde. Man hatte mich mit Chlorophyll betäubt und ich war dann in einem dunkeln Raum ohne Fenster<br />

aufgewacht.<br />

Zu bestimmt Zeiten hätte man mir etwas zuessen und eine Schüssel Wasser gegeben, mit der ich mich<br />

waschen konnte. Nach einer Woche hätte man mich wieder betäubt und ich wäre in Port Angeles<br />

aufgewacht. Dann wäre ich nach Hause gelaufen.<br />

Die Geschichte klang zwar ziemlich abgekartet und zusammengereimt, aber etwas besseres war mir leider<br />

auf die Schnell nicht eingefallen. Aber meine Eltern schienen zufrieden. Wahrscheinlich musste ich noch<br />

mit der Polizei reden, aber jetzt sollte ich das erst mal hinten anstellen.<br />

„Wie kommst du denn darauf?“, Dad musterte mich besorgt durch den Rückspiegel. Sicher glaubte er, dass<br />

die Entführung bei mir irgendwelche Defekte hervorgerufen hatte. Wie zum Beispiel mitten in einer<br />

angenehmen Stille total blöde Fragen zu stellen.<br />

„Ach nur so. Ist mir gerade so einfallen! Aber meint ihr das ist so?“, ich sah Embry an, der grinste. Ah,<br />

vielleicht schien er sich zu erinnern. Ich sah meiner Mutter, wie sie irgendeine Erklärung für mein<br />

Verhalten suchte. Mein Dad schien ernsthaft über meine Frage nach zudenken.<br />

„Ich glaube nicht, dass sie auf ihre Weibchen urinieren, um sie zu markieren!“ Ich sah Embry an. Dieser<br />

blickte aus dem Fenster und schien sich das Lachen wirklich verkneifen zu müssen. „Das ist eine<br />

berechtigte Frage!“, murmelte ich und stieß ihm meinen Ellebogen in die T-Shirt bedeckte Rippe.<br />

„Es gibt ja Frauen, die es...erregend finden, von einem Mann beim Sex bepinkelt zu werden!“ „Mensch<br />

Robin!“, meine Mutter schlug auf das Armaturenbrett. Ich grinste. „Von wem hast du das?“ Meine Eltern<br />

beobachteten Embry durch den Rückspiegel. Dieser hob abwehrend die Hände.<br />

„Von Luna! Das haben wir irgendwo im Fernsehen gesehen!“, erklärte ich und kuschelte mich zu Embry. Der<br />

sah mich jetzt fassungslos an. „Wann guckt ihr so was?“, fragte meine Mutter, während mein Vater<br />

kicherte.<br />

„Nachts um drei Uhr, wenn nichts anderes im Fernsehen kommt!“ Meine Mutter schüttelte fassungslos den<br />

Kopf. „Ich steh auf so was aber nicht. Ich find das ekelhaft. Aber ich wollte das nur mal sagen!“ „Das ist<br />

sicher der Schock!“, meinte mein Vater zu meiner Mutter und tätschelte ihr den Arm.<br />

Embry neben mir atmete erleichtert aus. Ich grinste ihn an. „Du glaubst doch nicht wirklich, ich auf so was<br />

stehen würde!“ Embry strich mir eine Strähne hinters Ohr und küsste mich auf die Schläfe. „Bei dir kann<br />

man sich nie sicher sein. Das hab ich gelernt!“<br />

Ich grinste und legte meine Lippen auf seine. Leider war das nur ein kurzer Kuss, denn meine Eltern<br />

beobachteten uns mit Argusaugen. „Den Blick auf die Straße richten!“, rief ich, als ich sie dabei ertappte,<br />

wie sie beide in den Rückspiegel starrten.<br />

Nach einen weiteren halben Stunde, in der ich mit Embry kuschelte und ihn unter den strengen Blicken<br />

meiner Eltern begrapschte, verließen wir den Highway und fuhren Richtung La Push. Ich war wirklich froh,<br />

alle wieder zu sehen. Vielleicht war Alex ja noch da.<br />

Wir hielten vor Sams und Emilys Haus und ich war mehr als überrascht, als ich alle auf der Straße sehen<br />

sah. Ich befreite mich von meinem Sitzgurt und hievte mich aus dem Auto meiner Eltern. Embry war mich<br />

dicht auf den Fersen.<br />

Bevor ich nur ein Wort sagen konnte, wurde ich von Alex angefallen. Durch die Wucht ihren Überfalls fiel<br />

ich zusammen mit ihr auf die Rückbank unseres Autos. Aber erst nach dem ich mir ordentlich den Kopf<br />

gestoßen hatte.<br />

Kurz zuvor hatte ich einen Blick auf sie erhaschen können. Sie hatte ein blaues Auge und eine Narbe über<br />

dem rechten Augen. Wahrscheinlich war das passiert, als sie mit Paen zusammen gestoßen war. Und er hatte<br />

mir erzählt, er hätte sie verschont.<br />

„Gott Robin, du lebst!“, Alex drückte mir beinahe die Luft ab und nur dank Seth und Embry durfte ich<br />

weiter leben. „Ich lebe!“, murmelte ich und wurde gleich von jedem umarmt. Sogar von Collin, Brady und<br />

Leah, mit denen ich noch nie ein Wort gewechselt hatte.<br />

70


Nach dem jeder naserümpfend bemängelt hatte, dass ich immer noch nach Vampir stank, stellte ich mich<br />

wieder vor die anderen. S<strong>of</strong>ort fiel mir meine Bruder ins Auge, der praktisch von Leah angehimmelt wurde.<br />

Ihre Blicke klebten an Drake.<br />

„Hab ich irgendwas verpasst?“, fragte ich Embry, während wir alle ins Haus gingen. Emily hatte Muffins<br />

gemacht. „Leah hat es erwischt. Dein Bruder ist der Glückliche!“, er deutete auf Drake. Ich sah ihn<br />

geschockt an.<br />

„Du meinst Leah ist das selbe passiert, wie dir. Das du dich geprägt hast?“ Embry nickte. „Wow!“, hauchte<br />

ich und versteckte meine Hand unter Embrys T-Shirt. Wir saßen inzwischen auf der Couch und es war nicht<br />

ganz so auffällig.<br />

„Sam ist deswegen nicht so begeistert. Er scheint deinen Bruder nichts zu mögen. Wir haben eigentlich alle<br />

geglaubt, dass Leah sich nicht prägen kann. Denn Sam vermutet, dass wir uns prägen, um stärke Werwölfe<br />

zu produzieren. Entschuldige die Wortwahl!“, flüsterte Embry und gab mir einen Kuss auf die Stirn.<br />

„Aber was können wir denn dafür, wenn wir so tolle Gene haben!“, kicherte ich und lehnte mich an Embrys<br />

Brust. Dieser schüttelte grinsend den Kopf. „H<strong>of</strong>fentlich prägt sich niemand auf meine restlichen<br />

Geschwister. Ron und Lizzy sind schon verheiratet!“, murmelte ich.<br />

Emily war inzwischen aus der Küche zurück gekehrt und stellte einen Korb mit dampfenden Muffins auf den<br />

Tisch. Alle griff s<strong>of</strong>ort zu. Dabei fiel mein Blick auf Jill und Megan, die meinen Bruder und Leah verhalten<br />

musterten. Oh je, die arme Sara.<br />

Natürlich wollten alle wissen, was mit mir passiert war und so erzählte ich extra für Drake, Megan und Jill<br />

meine ausgedachte Geschichte. Die anderen wussten natürlich, dass ich von einem Vampir entführt worden<br />

war.<br />

Alle freuten sich, dass es mir wieder gut ging. Ich lächelte und kuschelte mich an Embry, während meine<br />

Eltern Kaffee tranken und Muffins Futterten. Ich konnte ihnen ansehen, dass sie froh waren, mich endlich<br />

wieder bei sich zu haben.<br />

Plötzlich fiel mir etwas ein. Ich kratzte mir den Nägeln über Embrys Rücken und grinste, als er<br />

erschauderte. Ich zog ihn zu mir herunter und flüsterte ihm etwas ins Ohr: „Weißt du, was mir gerade<br />

einfällt?“<br />

Embry schüttelte den Kopf. „Ich hab dich noch nie als Wolf gesehen!“, flüsterte ich und schielte zu den<br />

anderen hinüber. Sie taten so, als würde sie von unserem Gespräch nichts mitbekommen. „Robin, ich könnte<br />

dich dabei verletzen!“<br />

„Das würdest du nicht tun. Bitte Embry, bitte!“, ich sah ihn mit meinem Hundeblick an. Es musste wirken.<br />

Ich wollte ihn mal als Wolf sehen. Nur ein mal. Embry seufzte. Ich konnte den Sieg meinerseits schon<br />

riechen.<br />

„Na gut!“ „Jaaa!“, rief ich und riss triumphierend die Hände in die Luft. Als die anderen mich komisch<br />

ansahen, grinste ich. „Muskelkrampf!“, murmelte ich und schüttelte meine Arme demonstrativ. Embry stand<br />

auf und zog mich hoch.<br />

„Robin und ich gehen mal kurz an die frische Luft!“ Damit zog er mich durch die Terrassentür nach draußen<br />

und in den Wald, der direkt am Haus angrenzte. Embry zog mich mehrere Meter in den Wald und setzte<br />

mich auf einer kleinen Lichtung vor einen Baum.<br />

Er selber ging hinter einen Busch. Ich könnte nur seine Stimme höre. „Ziehst du dich jetzt aus?“, rief ich<br />

und versuchte irgendwas von ihm zu sehen. Embry lachte. „Das muss ich. Die Klamotten verwandeln sich<br />

nicht mit!“<br />

Da muss ich doch mal gucken. Nur einen kleinen Blick riskieren. Ich rappelte mich auf und schlich hinter den<br />

Busch. Embrys Hand fummelten an seiner Hose und als er mich bemerkte, sah er mich tadelnd an. Ich<br />

grinste ihn an.<br />

Embry verschränkte die Arme vor der Brust und beobachtete mich, wie ich auf ihn zu schlenderte und<br />

meine Arme um ihn schlang. „Ich denke, ich sollte dir etwas zeigen!“, murmelte er grinsend, während ich<br />

mich ihm entgegen streckte.<br />

„Ich liebe dich!“ Drei einfach Worte, die ich bis jetzt noch nie zu einem Jungen gesagt hatte, aber bei<br />

Embry fühlte es sich richtig an. Dieser sah mich mit großen Augen an und lächelte leicht, bevor er seine<br />

Lippen auf meine legte.<br />

„Ich liebe dich auch!“, flüsterte er und küsste mich wieder. Aber dann drehte er mich u m und schon mich<br />

von sich weg. „Hey, ich hab gerade gesagt, dass ich dich liebe!“ „Ich weiß, aber wenn du weiter so nah bei<br />

mir stehst, könnte ich dich verletzen!“ Ich grummelte und setzte mich wieder an den Baum.<br />

71


Seine Hose flog über den Busch und landete neben mir. Sein T-Shirt folgte. „Das ist wir ein privater<br />

Striptease, nur dass ich davon nicht viel mitbekomme!“, rief ich und machte ein enttäuschtes Gesicht. „Ich<br />

gucke übrigens enttäuscht!“<br />

Wieder lachte mein Freund. „Wie gesagt, wir müssen unsere Klamotten ausziehen, da wir sonst von unserem<br />

Körper sprengen, falls wir welche anhaben sollten!“ Seine Unterhose flog über den Busch und landete direkt<br />

auf meinem Kopf.<br />

„Getr<strong>of</strong>fen!“, rief ich. Kurz darauf hörte ich ein Reißen. Gespannt hielt ich inne und starrte gespannt auf<br />

den Busch, der bedrohlich wackelte. „Wie weit komme ich, wenn ich mit deinen Klamotten wegrenne?“,<br />

fragte ich und klaubte seine Klamotten zu einem Haufen.<br />

Zuerst sah ich eine graue Pfote, dann schob sich ein großer Kopf und der restliche riesige Körper hinter<br />

her. „Wow!“, ich stand auf und betrachtete den Wolf mit großen Augen. Er war so groß wie ein Pferd, aber<br />

mit viel mehr Muskeln. Sein Fell war grau und auf den Rücken hatte er schwarze Flecke.<br />

Seine andere Gestalt war wirklich respekteinflössend. Embry sah mich mit seinen dunkeln Augen und lief um<br />

mich herum. Sie drehte mich dabei um die eigene Achse. Nach einer ganzen Runde stellte er sich wieder vor<br />

mich.<br />

Er war so nah, dass ich nur meine Hand ausstrecken musste. Ich machte einen Schritt auf ihn zu und<br />

berührte vorsichtig das Fell an seinem Hals. Es war warm und weich. Und es glänzte so schön. Ich wurde<br />

mutiger und vergrub meine Hand in seinem Fell.<br />

Embry schmiegte seinen Kopf in meine Hand, während ich ihn dort kraulte. „Du bist wirklich ein schöner<br />

Wolf!“, murmelte ich und schlang mein meine Arme um seinen Hals. Embry brummte irgendetwas. „Und du<br />

riechst gut!“, fügte ich lachend hinzu.<br />

Ein paar Minuten später saß ich wieder an dem Baum gelehnt. Embry hatte seinen Kopf in meinem Schoß<br />

gelegt und ließ sich von mir hinter den Ohren. Ich genoss die Sonnenstahlen, die es heute ausnahmsweise<br />

durch die Wolkendecke geschafft hatten und schloss die Augen.<br />

Schon von klein auf glaubte ich nicht an den Weihnachtsmann, den Osterhasen oder die Zahnfee. Für mich<br />

waren es Figuren, die jemand irgendwann mal erfunden hatte. Unsere Eltern erzählten uns von ihnen, um<br />

unseren Alltag ein bisschen zu verzaubern.<br />

Genau wie meine Geschwister dachte ich eher rational, Märchen, Legenden und Mythen waren für mich<br />

nicht mehr als Geschichten. Geschichten die Eltern ihren Kindern erzählten, um deren Fantasie anzuregen.<br />

Doch nur weil ich an so etwas nicht glaubte, hieß es nicht dass meine Geschwister und ich keine Fantasie<br />

hatten. Nein, davon hatten wir genug.<br />

Wenn mir jemand erzählt hätte, dass es Vampire und Werwölfe gibt, hätte ich ihm den Vogel gezeigt und<br />

wäre weiter, ohne denjenigen noch einmal zu beachten.<br />

Und hätte mir jemand erzählt, dass er mit einem Werwolf zusammen war, mit Vampiren befreundet und<br />

wahrscheinlich von Volturi, einer königlichen Vampirfamilie, gesucht, hätte ich persönlich dafür gesorgt,<br />

dass er auf den schnellsten Weg in die Psychiatrie kam.<br />

Doch was sollte ich jetzt machen? Ich befand mich genau mitten drin – umringt von Märchen, Legenden und<br />

Mythen. Ich war Freundin eines Werwolfes. Hätte ich mich selber einweisen sollen?<br />

Epilog<br />

„Mummy!“, rief eine piepsige Stimme und rüttelte an meinem Bett. Ich knurrte und versteckte meinen Kopf<br />

unter meinem <strong>Kiss</strong>en, damit diese nervige Stimme endlich leiser wurde. Aber leider klappte es nicht. Die<br />

Stimme war immer noch da.<br />

„Mummy, nun steh doch endlich auf. David und Kyle sind auch schon draußen mit ihren Eltern. Warum müsst<br />

ihr nur immer so lange schlafen?“, Hailey packte die Decke und zog sie mit einem Ruck runter. Natürlich war<br />

es meine Decke.<br />

Ohne die Augen zu öffnen hob ich Embrys Decke an und rollte mich auf ihn drauf. Bei ihm war es immer so<br />

schön kuschelig warm. Das Dasein als Werwolf hatte schon seine Vorteile, wie ich wieder feststellen<br />

musste.<br />

72


„Mummy und Daddy schlafen so lange, weil sie noch testen, wie strapazierfähig die Matratze ist!“, hörte ich<br />

Embry leise murmeln, während er einen Arm um mich legte. Ich kicherte leise und zwickte Embry in die<br />

Seite. Leider zeigte das wenig Wirkung.<br />

„Das kannst du unsere Tochter doch nicht so einfach sagen!“, murrte ich tadelnd und vergrub meine Hände<br />

in seinen Haaren. „Sie weiß doch gar nicht, was ich meine!“, flüsterte Embry und fuhr mit den Händen unter<br />

mein Shirt.<br />

Haha, falsch gedacht. „Stöhnt Mummy deswegen immer so laut?“ Ich versuchte mir ein Lachen zu<br />

verkneifen. „Jaja, sie weiß nicht, was gemeint ist!“, nuschelte ich mit zittriger Stimme. Ich wusste, dass<br />

Embry überrascht war. Er hatte aufgehört, mich zu streicheln.<br />

„Woher weiß sie das?“, fragte Embry geschockt. Er war nun hellwach, ich nicht. Ich wollte weiter schlafen.<br />

„Sie ist 10 und umgeben von einem Haufen Jungs. Taylor wird bald 14. Da wird das ein oder andere die<br />

Runde verlassen!“, murmelte ich schläfrig.<br />

„Mein kleines Mädchen!“, rief Embry und schubste mich unsanft von ihm runter. Dahin war die entspannte<br />

Zweisamkeit. Aber ich hatte seine Decke, ha. Er war aufgesprungen und ich breitete mich auf dem großen<br />

Bett aus. Sollte er sich doch um Hailey kümmern.<br />

„Daddy!“, hörte ich es auf einmal gequält von meiner Tochter. „Du hast nichts an, Schatz!“, lachte ich und<br />

klopfte mein <strong>Kiss</strong>en zurecht. „Oh!“, Embry schmiss sich auf den Boden und fischte seine Boxershorts unter<br />

dem Bett hervor.<br />

Im Eifer des Gefechts war die anscheinend da hin geraten. Ich seufzte noch mal in Gedanken an die<br />

gestrige Nacht und setzte mich dann auf. „Hailey, du hast es geschafft, Mummy ist wach!“, rief ich und<br />

sprang aus dem Bett.<br />

Schnell hastete ich an Hailey und Embry vorbei, bevor die beiden noch auf die Idee kamen, mir irgendeinen<br />

Wunsch hinter her zu schmeißen. Jetzt machte ich mir erst mal was zu essen und einen Kaffee. Vorher<br />

mach ich GAR NICHTS.<br />

Gähnend drückte ich auf den Knopf der Kaffeemaschine und schlüpfte in Embrys Pant<strong>of</strong>feln. Meine waren<br />

mal wieder unauffindbar. Ich hab echt keine Ahnung, wo hin die immer hin verschwinden. Ich hab ja den<br />

leisen Verdacht, dass Embry sie irgendwo im Wald verbuddelt oder Seth.<br />

Während der Kaffee vor sich hin plätscherte, schnappte ich mir die Mülleimer und eilte damit nach draußen.<br />

Ein kalter Wind schlug mir entgegen, als ich die Tür öffnete. Schnell schnappte ich mir eine Wollmütze und<br />

zog sie über, bevor ich damit durch den Schnee stampfte.<br />

Ja, wir hatten Winter und heute war euch noch der Tag, auf den Hailey sich schon seit drei Monaten<br />

freute. Alle zwei Wochen änderte sie ihre Wunschliste. Der Weihnachtsmann - den Embry spielen musste –<br />

war mit Sicherheit überfordert.<br />

Taylor, unsere Sohn, hatte sich ganz schlicht ein neues Fahrrad gewünscht, auch wenn ich nicht wusste, was<br />

er damit im Winter anfangen wollte. Er konnte ja schlecht Schneeketten um die Reifen machen und dann<br />

einen Berg runter fahren.<br />

„Hey Robin!“, ertönte eine Stimme plötzlich hinter mir. Ich zuckte zusammen und hätte beinahe die<br />

Mülltüten fallen lassen. „Gott...!“ „Seth reicht auch!“ Ich konnte mir das Grinsen, dass er auch den Lippen<br />

hatte, genau vorstellen.<br />

„Ihr wisst genau, dass ich es hasse, wenn ihr euch immer so an mich ran schleicht. Irgendwann binde ich<br />

euch ein Glöckchen um. Euch allen!“, zischte ich verärgert und drehte mich zu Seth um. Er überragte mich<br />

um einen Kopf.<br />

„OH MEIN GOTT! WAS IST DAS?“, kreischte ich plötzlich los und schmiss die Tüten weg, als ich etwas<br />

weißes in Seths Armen ausmachen konnte. „Ist das eine Ratte?“, fragte ich, nachdem ich mich auf die<br />

Mülltonnen gerettet hatte. Ich hasse Ratten.<br />

Seth und Alex lachten. Ihre Tochter Diana sah mich an, als wäre ich verrückt. „Nein, dass ist keine Ratte!“,<br />

sagte er und öffnete seine Jacke. Zum Vorschein kam ein weißer Wuschelwelpe mit schwarzen Knopfaugen.<br />

Sah aus wie ein Spitz.<br />

„Das ist ja ein Hund!“, stellte ich erfreut und erleichtert fest. Ich krabbelte von den Mülltonnen runter und<br />

gleichzeitig kam Hailey in voller Wintermontur aus dem Haus gestürmt. Sie quiekte erfreut, als sie den<br />

Welpen sah.<br />

„Der ist ja niedlich! Wie heißt er?“, fragte sie mit großen Augen und streichelte sanft über den Kopf des<br />

Welpen. „Kevin!“, kam es von Diana, die ihrem Vater den Hund aus dem Arm nahm. Er trug eine rote Schleife<br />

um den Hals.<br />

„Hier, der ist für dich!“, sagte sie und überreichte meiner Tochter den Hund. Diese nahm ihn mit großen<br />

Telleraugen entgegen. „Für mich?“, sie quiekte erfreut und kraulte Kevin durchs Fell. „Ja, Mum und Dad<br />

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haben gesagt, dass du einen Hund wolltest. Und Tiffany hat doch letztes Welpen bekommen!“, erklärte sie<br />

strahlend.<br />

Tiffany war die Spitzhündin von Alex’ Mutter. Sie züchtete die Viecher schon seit Jahren. Einmal war ich<br />

schon bei ihr gewesen und überall tollten so kleine weiße Welpen rum. Ich bin sogar von einem angefallen<br />

worden und ein andere hatte in meine Schuhe gepinkelt.<br />

Während Hailey und Diana ins Haus rannten, kam Embry gerade raus. Leider hatte er mehr an, als vor 10<br />

Minuten. „Warum kreischt du denn so?“, fragte er lachend und kam auf mich zu. Liebevoll schloss er mich in<br />

die Arme und ich schmiegte mich an seine heiße Brust. An einem kalten Morgen war er die beste<br />

Wärmflasche überhaupt.<br />

„Mum ist wieder auf die Mülltonnen gesprungen!“, hörte ich Hailey von drinnen rufen, begleitet wurde sie<br />

von einem hellen Bellen. „Was heißt hier ‚wieder’?“, brüllte ich empört zurück. Ich war nur einmal auf die<br />

Mülltonne geklettert und nur, weil Cookie – der Hund von Alex und Seth – eine echte Ratte angeschleppt<br />

hatte.<br />

Embry lachte und zog mir die Mütze tiefer ins Gesicht. Dann beugte er sich hinunter und gab mir einen<br />

sanften Kuss auf die Lippen. Ich grinste. „Wenn ihr schon hier seit, dann könnt ihr auch rein kommen und<br />

einen Kaffee trinken!“, sagte Embry.<br />

Seth lächelte und legte einen Arm um Alex. Diese strich sich über den kugelrunden Babybauch. Ja, Alex und<br />

Seth waren schwanger. Eigentlich nur Alex. Meine Freundin war im neunten Monat und der Geburtstermin<br />

stand kurz bevor.<br />

Im Januar sollten der kleine Clearwater das Licht der Welt erblicken. Nach einem Mädchen bekamen sie<br />

nun endlich einen Jungen. Seth hatte sich nichts sehnlicheres als einen Jungen gewünscht. Am liebsten wäre<br />

es ihm gewesen, wenn Diana wie Hailey einen großen Bruder hätte.<br />

„Alex darf keinen Kaffee trinken!“, meinte Seth, als seine Frau nach der Kanne griff. „Ich bestimmte, was<br />

ich trinke und was nicht!“, zischte diese aufgebracht und füllte die Tasse bis zum obersten Rand. „Aber das<br />

Baby...!“<br />

„Wird nicht davon sterben, wenn ich eine Tasse Kaffee trinke!“; rechtfertigte sich meine Freundin und<br />

nippte an dem heißen Getränk. „Das hast du in den letzten Wochen ziemlich <strong>of</strong>t gesagt!“, bemerkte Seth,<br />

schrumpfte aber unter Alex wütenden Blick zusammen.<br />

„Bin ich froh, dass ich die ganzen Schwangerschaftsmonate hinter mir hab! Zweimal reicht vollkommen!“,<br />

lachte Embry und lehnte sich zufrieden in seinem Stuhl zurück. Ich schloss die Küchentür und stellte extra<br />

für Alex Muffins auf den Tisch.<br />

„Ich will noch eins!“, sagte ich zu Embry und stellte mich neben ihn. Der Indianer neben mir sah mich mit<br />

großen Augen an. „Was möchtest du?“ „Noch ein Baby. Los, lass uns eins machen!“, rief ich und versuchte<br />

Embry von seinem Stuhl zu ziehen.<br />

Sein verdutzter Gesichtsausdruck war wirklich zum Schießen, aber ich versuchte ernst zu bleiben. „Das ist<br />

nicht dein Ernst!“ „Hast recht, ist es auch nicht!“, grinste ich und ließ mich neben den Vater meiner zwei<br />

Kinder, die vollkommen reichten, auf den Stuhl fallen.<br />

Embry atmete erleichtert aus. „Ich dachte schon wirklich, du meinst es ernst!“ Seth lachte. „Ich bin<br />

wirklich froh, wenn das alles vorbei ist!“ Alex warf ihrem Mann einen vernichtenden Blick zu, während sie<br />

ihren Muffin kaute.<br />

„Wenn das Baby erst mal da ist, wirst DU diesmal die ganze Arbeit machen!“, sagte sie und bohrten ihren<br />

Zeigefinger in Seths Brust. „Ich? Warum ich?“ Alex griff nach einem weiteren Muffin und steckte sich<br />

diesen in den Mund, bevor sie antwortete.<br />

„Weil es deine Schuld ist, dass das Kondom geplatzt ist!“, knurrte sie. Embry und ich rissen erstaunt die<br />

Augen auf, während Seth knallrot anlief. Alex mampfte seelenruhig ihren Muffin und steckte sich gleich<br />

darauf einen weiteren in den Mund.<br />

„Alex! Das was im Schlafzimmer passiert, sollte auch im Schlafzimmer bleiben!“, rief Seth und seine<br />

Stimme klang ein paar Oktaven höher als normal. „Zur Zeit ist eh nur tote Hose!“, nuschelte meine Freundin<br />

und starrte in ihre Kaffeetasse.<br />

„Dann wird es höchste Zeit, das der kleine Clearwater zur Welt kommt!“, murmelte ich und stand schnell<br />

auf, um Hailey und Diana ins Haus zu lassen. Die beiden jagten Kevin in die Küche und einmal um den<br />

Esstisch, bevor sie ins Haileys Zimmer verschwanden.<br />

„Gott, bin ich froh, wenn Taylor und Hailey bei Mum und Dad sind! Dann ist es endlich mal wieder ruhig in<br />

diesem Haus!“, seufzte ich und ließ mich wieder neben Embry nieder. Dieser schlang einen Arm um meine<br />

Schultern und zog mich an sich.<br />

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Wenn die Kinder weg waren, hatten Embry und ich mal wieder Zeit für uns. Das gemeinsame Baden hatten<br />

wir schon zu lange aus gelassen. Ich grinste bei dem Gedanken. Seth grinste ebenfalls, obwohl ich<br />

bezweifelte, dass er wusste, was ich dachte.<br />

Höchstens Edward konnte mir da gefährlich werden, aber er und Bella und die anderen Cullens waren schon<br />

vor zehn Jahren nach Denali gezogen. Ab und zu kamen sie Charlie in den Ferien und den Feiertagen<br />

besuchen.<br />

„Wo ist Taylor eigentlich?“, fragte Seth, nach dem er auch einen Muffin ergreifen konnte. „Er ist bei Sam<br />

und Emily. Die Nacht hat er bei Chris geschlafen!“, antwortete ich ihm und schnappte mir ebenfalls einen<br />

Muffin.<br />

„Wir sind heute bei den beiden eingeladen!“, brachte Embry zu Wort und drückte mir einen Kuss auf die<br />

Schläfe. „Stimmt!“, sagte ich, um gleich darauf zu stöhnen. „Was ist los?“, fragte Embry besorgt und sah<br />

mich fragend an.<br />

„Ich muss noch die Geschenke einpacken!“ Das hatte ich mal wieder voll vergessen. Jedes Jahr machte ich<br />

es auf den letzten Drücker. „Geschenke!“, kam es laut aus Haileys Zimmer. „Ich h<strong>of</strong>fe, sie hat sie noch nicht<br />

entdeckt!<br />

„Hast du sie wieder hinter der Waschmaschine versteckt?“, lachte Seth. Ich sah ihn mit großen Augen an.<br />

Im nächsten Moment sprang ich auf und stürmte runter in den Keller. Wenn Seth schon von meinem<br />

geheimen Geschenkeversteck wusste, konnten es Taylor und Hailey auch wissen.<br />

„Es ist erstaunlich!“, grinste Embry. „Ist zu faul, um die Einkäufe ins Haus zu tragen, aber Waschmaschinen<br />

verrückt sie ohne zu murren!“, fügte er hinzu, als ich wieder die Kellertreppe hinauf gestürmt kam. Ich<br />

boxte ihn auf die Schulter und setzte mich.<br />

„Die Geschenke waren alle an ihren Platz. Taylor und Hailey hatten sie noch nicht entdeckt. Sie sind noch<br />

alle da. Embry kann also beruhigt seinen Job als Weihnachtsmann erledigen!“, grinste ich und gab meinem<br />

Mann einen Kuss.<br />

„Du weißt aber, dass Taylor schon längst nicht mehr an den Weihnachtsmann glaubt, oder?“ Ich sah Embry<br />

bestürzt an. Mein kleiner Schatz glaubte nicht mehr an den Weihnachtsmann? Wer hat es ihm gesagt? Ich<br />

fixierte Seth.<br />

„Hast du es ihm gesagt?“, ich sah ihn mit zusammen gekniffenen Augen an. Seth hob abwehrend die Hände<br />

und sah mich mit großen Augen. „Ich war es nicht! Wirklich Robin. Ich schwöre es!“ „Robin!“, Embry legte<br />

mir eine Hand auf die Schulter.<br />

„Was? Ich will wissen, wer meinem Baby gesagt hat, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt!“ „Taylor ist<br />

fast 14. Da weiß man langsam, was wirklich und was Fantasie ist. Außerdem hat er das<br />

Weihnachtsmannkostüm im Schrank gesehen!“, sagte Embry.<br />

„Aber...!“ „Robin! Irgendwann weiß jeder, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt! Hailey weiß es auch schon.<br />

Wahrscheinlich hat sie es von Taylor!“, erklärte mir Embry. Ich kam mir vor, als würde er mit einem kleinen<br />

Kind reden.<br />

Während ich darum trauerte, dass meine Kinder nicht mehr an den Weihnachtsmann glaubte, erhob sich<br />

meine hochschwangere Freundin stöhnend und ächzend von ihrem Stuhl. Seth wollte ihr helfen, aber Alex<br />

schlug seine Hand weg.<br />

„Wir sind dann mal weg! Seth muss noch das Wohnzimmer aufräumen!“, sagte Alex und zog ihren Mann am<br />

Pulli hinter sich nach draußen. „Diana, Mummy und Daddy gehen nach Hause und wir wollen, dass du mit<br />

kommst!“<br />

Alex war zwar klein, aber es war erstaunlich, wie sie die Leute in ihrem Umfeld trotzdem ihren Willen<br />

aufzwingen konnte. Ich bin gut einen Kopf größer als sie und dennoch hatte ich wegen ihr eine halbe Flasche<br />

Tequilla auf dem Kopf getrunken.<br />

Diana kam aus Haileys Zimmer und verabschiedete sich von unsere Tochter und Kevin, unserem neuen<br />

Mitbewohner. Man hatte uns einen Hund geschenkt. Einen kleinen weißen Wuschelhund. Wer machte das<br />

schon?<br />

Knapp sechs Stunden später befanden wir uns in Sams und Emilys Wohnzimmer. Es war erstaunlich, dass<br />

zehn Werwölfe und ihre Familien in dieses kleine Haus passten. Wir waren insgesamt 32 Personen. Ohne den<br />

kleinen Clearwater mit zuzählen.<br />

Irgendwie hatten Sam und Emily es geschafft Platz und vor allem ESSEN für uns zu machen. Wir Frauen<br />

hatten natürlich geholfen, aber es war einfach erstaunlich, wie viel Emily gemacht hatte. „Ich hatte schon<br />

früher genug Übung!“<br />

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Ich setzte mich neben Embry, der auch der Couch saß und sich mit Quil und Jared über Baseball unterhielt.<br />

Draußen spielten die Kinder im Schnee, während wir Erwachsenen drinnen hockten und uns über die letzten<br />

Geschehnisse austauschten.<br />

Auf einmal bewegten sich alle Köpfe der Werwölfe zur Tür. „Ist er das?“, ich sah Embry fragend an. Er<br />

nickte und die Männer standen auf. In einer Reihe positionierten sie sich vor der Tür, damit sie ihn auch in<br />

Empfang nehmen konnten.<br />

Dann öffnete sich die Tür und Jacob Black trat ein. Er sah noch immer so aus wie vor zwei Jahren, als ich<br />

ihn das letzte mal gesehen hatte. Noch immer war er der junge Mann. Jacob war der einzige von den<br />

Werwölfen, der immer noch alleine war.<br />

Es war nicht so, dass niemand sich für ihn interessierte, ganz im Gegenteil. Wir Frauen hatten alle unsere<br />

Single-Freundinnen zusammengetrommelt und sie praktisch vor seine Nase gestellt. Doch er wollte keine.<br />

Keine einzige.<br />

Nur eine. Aber die war mit ihrem Vampir verheiratet und wohnte irgendwo in Alaska. Jacob wollte<br />

niemanden außer Bella. Es war wirklich zum Verrücktwerden. Warum wollte dieser sture Kerl nicht endlich<br />

einsehen, dass Bella unerreichbar war?<br />

Doch als die Tür aufging, waren wir mehr als überrascht. Neben einem strahlendem Jacob Black stand<br />

meine beste Freundin Luna Jones. Diese schien nicht weniger zustrahlen. Die beiden kamen Arm in Arm in<br />

die Wohnung geschlendert und ließen sich von allen begrüßen.<br />

„Ich fass es nicht. Luna und Jacob!“, murmelte ich und setzte mich wieder neben Embry auf die Couch. Mein<br />

Mann nickte und zog mich an sich. Die beiden letzten wurden mit großen Augen beobachtet. Jede Bewegung<br />

aufgesogen.<br />

Ich drehte meinen Kopf und sah Embry von der Seite an. Er war wirklich das beste, war mir je passiert war.<br />

Mit jedem anderen Mann hätte ich das alles niemals durchgestanden. Die Entführung der Volturi, Haileys<br />

Krankheit oder als mein Dad den Unfall hatte.<br />

Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn er nicht bei mir gewesen wäre. Ich weiß nicht, ob ich das alles<br />

überstanden hätte. Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht, als ich an all die schönen Zeiten zurück dachte.<br />

An all das, dass wir zusammen erlebt hatten.<br />

„Ich liebe dich!“, sagte ich, ohne darüber nach zu denken. Doch ich meinte es so. „Es ist wirklich schön, dass<br />

von dir zu hören, aber es ist wirklich unpassend! Alex bekommt ihr Baby!“, rief Embry und zeigte auf meine<br />

hechelnde Freundin.<br />

Alle hatten sich um sie versammelt und Emily lief ins Badezimmer, um Handtücher und warmes Wasser zu<br />

holen. Währenddessen wurde Alex auf die Couch getragen. Seth hingegen war schon der Ohnmacht nahe.<br />

„Jacob Clearwater hat sich wirklich einen passenden Moment ausgesucht!“, murmelte Alex, bevor erneut<br />

eine Wehe kam.<br />

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