Trail - der Kampf um Gonda-Lah
Trail - der Kampf um Gonda-Lah
Trail - der Kampf um Gonda-Lah
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Seite 1
Der <strong>Kampf</strong> <strong>um</strong> <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong><br />
Kapitel 1: Der Goldene Onker<br />
Langsam erwachte ich. Die beiden Morgensonnen von<br />
Gandri, Ereshkigal und Ju'unao, tauchten die Lichtung<br />
des Churka-Waldes, auf <strong>der</strong> ich mein Lager errichtet<br />
hatte, in weiches, blasses Licht. Im Verlauf des Tages,<br />
wenn S´rath, die dritte Sonne, für kurze Zeit am Himmel<br />
aufstieg, würde das Licht gelblicher werden und die<br />
Temperaturen hochtreiben.<br />
Ich hörte auf die Geräusche des Waldes. Das feine<br />
surrende Wispern <strong>der</strong> gefie<strong>der</strong>ten Churka-Blätter im<br />
seichten Wind, das Zirpen <strong>der</strong> kleinen Gunas im Gras, das<br />
freche Keckern <strong>der</strong> Kutna-Vögel in den Wipfeln und ein<br />
leise plätschern<strong>der</strong> Bach, an dem –hoffentlich- meine<br />
Gh<strong>um</strong>pas weideten, z<strong>um</strong>indest hatte ich sie am Abend<br />
dort gelassen. Gh<strong>um</strong>pas, die verbreitetsten<br />
Verkehrsinsekten auf Gandri, neigten im Allgemeinen<br />
auch nicht dazu, sich zu verselbständigen. Das galt<br />
beson<strong>der</strong>s für die Lastengh<strong>um</strong>pas, die ich mit mir führte.<br />
Und tatsächlich, als ich mich erhob und hinüber z<strong>um</strong><br />
Bach spähte, entdeckte ich die massigen Tiere, mehr als<br />
zwei Mann hoch und vier Mann lang waren sie und<br />
wiegten sich im leicht ta<strong>um</strong>elnden Gang langsam über die<br />
Wiese vorwärts. Sie waren von <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Chalais-<br />
Gh<strong>um</strong>pa, und ihre enorme Stabilität ersparte es mir, sie<br />
nächtens abzuladen. Auf ihrem flachen Rücken konnten<br />
sie das Gewicht von über 200 Männern tragen ohne dass<br />
sie dies beeinträchtigen würde. Für lange Transporte<br />
waren sie wie geschaffen, weshalb sie sich unter den<br />
Kaufleuten des Kontinents größter Beliebtheit erfreuten.<br />
Chalais waren genügsam, belastbar und folgten ihrem<br />
Führer überall hin. Die Tiere waren intelligent und<br />
zuweilen ziemlich anhänglich, was in den Gassen enger<br />
Dörfer gelegentlich zu Problemen führen konnte. Dar<strong>um</strong><br />
waren in Gandri oft die Marktplätze den Ortschaften<br />
vorgelagert, nur in den größeren Städten, die über<br />
Gh<strong>um</strong>pa-Alleen verfügten, gab es zentral gelegene<br />
Handelsplätze.<br />
Ich hatte vier dieser Riesen bei mir und einen Trak-<br />
Ghena, einen schnellen Laufkäfer mit übergroßen<br />
Kieferzangen, <strong>der</strong> mir als Reit- und Ladetier diente. Der<br />
Trak war nichteinmal halb so groß wie die Chalais, aber<br />
überaus wendig und geschickt. Ich hatte ihn auf <strong>der</strong><br />
Lichtung gepöhlt, dadurch war seine Bewegungsfreiheit<br />
etwas eingeschränkt, was bei seiner Neugier ein lästiges<br />
Hinterhergerenne morgens überflüssig machte.<br />
Ich machte mich am Bach etwas frisch und fand dort<br />
einige Kiswa-Nester, <strong>der</strong>en Inhalt, versetzt mit Kräutern<br />
aus <strong>der</strong> Umgebung und etwas Steinsal mir ein<br />
vortreffliches Frühstück in Form von Bratei bescherte.<br />
Als ich die Mahlzeit beendet hatte, rä<strong>um</strong>te ich in aller<br />
Ruhe mein Kochgeschirr ein, brach das Lager ab und<br />
belud den Trak mit meinen Reiseutensilien, die ich<br />
sorgfältig verzurrte. Inzwischen war S´rath, die<br />
Mittagssonne, am Horizont erschienen und die<br />
Temperaturen stiegen rapide an. In den Steppen von<br />
Gandri würde es bald brütend heiß werden. Z<strong>um</strong> Glück<br />
führte mich ein Großteil meines Weges durch den<br />
ausgedehnten Churka-Wald, <strong>der</strong> die Stadt <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>,<br />
mein nächstes Etappenziel, weiträ<strong>um</strong>ig <strong>um</strong>gab. Hier im<br />
Wald blieben die Temperaturen erträglich, wenn auch die<br />
Feuchtigkeit etwas unbequem war.<br />
Ich bestieg das Reittier und hob den Tambur, den<br />
klassischen Treiberstab <strong>der</strong> Gh<strong>um</strong>pa-Führer. Er war aus<br />
einer länglichen Thula-Schote aufwändig gearbeitet, und<br />
die darin enthaltenen Samen erzeugten –je nach Anzahl<br />
und Größe- einen bestimmten, klappernden Rasselton,<br />
auf den die Chalais eines Führers abgerichtet waren. Die<br />
Chalais eines <strong>Trail</strong>s hörten einzig auf dieses spezielle<br />
Geräusch, weshalb <strong>der</strong> Tambur z<strong>um</strong> wichtigsten Besitz<br />
des Gh<strong>um</strong>paführers gehörte. Ein unter Führern oft<br />
genutzter Fluch lautete: „Möge Dein Tambur brechen<br />
und einen Samen verlieren“. Ihn zu verlieren bedeutete,<br />
die Herde zu verlieren. Dar<strong>um</strong> wurde <strong>der</strong> Verkauf eines<br />
<strong>Trail</strong>s o<strong>der</strong> einer Herde, stets mit <strong>der</strong> feierlichen<br />
Übergabe des Tamburs besiegelt.<br />
Ich erhob mich im Sattel meines Traks und schüttelte den<br />
Tambur viermal kurz und einmal lang, das Zeichen z<strong>um</strong><br />
Folgen. Der Trak setzte sich in Bewegung und auch die<br />
Chalais wankten in meine Richtung, <strong>um</strong> auf den Pfad zu<br />
gehen, den <strong>der</strong> Trak vorgab. Das tiefe, beruhigende<br />
Kollern, das aus den Chalais-Kopfhörnern vibrierte,<br />
übertönte die Geräusche des Waldes.<br />
Der Trak brach mit seinen großen Kieferzangen einen<br />
Weg durch das Unterholz. Das war nötig, denn dieser Teil<br />
des Waldes wurde selten bereist, und die Churka-Bä<strong>um</strong>e<br />
wuchsen verdammt schnell nach. Wir befanden uns<br />
abseits <strong>der</strong> viel genutzten Handelsrouten, was zwar<br />
beschwerlich, aber wesentlich sicherer war. Hier lauerten<br />
weniger Packschnei<strong>der</strong>, eine Sorte von Räubern, die sich<br />
an <strong>Trail</strong>s heranschlich und versuchte, die Ladegurte zu<br />
zerschneiden, <strong>um</strong> mit schnellen Laufkäfern Teile <strong>der</strong><br />
Beute zu schnappen und zu rauben. Da die <strong>Trail</strong>s langsam<br />
waren, machten die Packschnei<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s bei großen<br />
<strong>Trail</strong>s von über zehn Tieren oft gute Beute, bevor <strong>der</strong><br />
Gh<strong>um</strong>paführer etwas bemerkte. Meine Gh<strong>um</strong>pas waren<br />
den Waldgang gewohnt, und so zogen wir durch das zu<br />
allen Seiten berstende Gehölz, unserem Ziel entgegen.<br />
Die Gh<strong>um</strong>pas hatten über Nacht gut gefressen, das<br />
machte sich nun bemerkbar. Chalais-Gh<strong>um</strong>pas neigten<br />
aufgrund ihrer gärungsbasiernden Verdauung zur<br />
Treibgasbildung in ihren gewaltigen Mägen. Von Zeit zu<br />
Zeit lösten sie daher das Gas aus ihrer Kloake und es<br />
bildete sich dort eine Blase aus den schmierigen Liquiden<br />
ihres Gekröses, die sich bei ausreichen<strong>der</strong> Gasfüllung<br />
löste und emporstieg. Diese Blasen hoben ab und<br />
zerplatzten hoch oben in den Kronen <strong>der</strong> Churka-Bä<strong>um</strong>e,<br />
wo sie einen schmierigen Film hinterließen. Da die<br />
Verdauungssekrete <strong>der</strong> Gh<strong>um</strong>pas mit vielen Sporen,<br />
Samen und allerlei Kleinstlebewesen versetzt waren,<br />
bildete <strong>der</strong> Schmierfilm auf Blättern, Ästen und Stämmen<br />
<strong>der</strong> Churkas eine Lebensgrundlage für Flechten, Moose,<br />
Farne und Hochbl<strong>um</strong>en, so dass die Ba<strong>um</strong>kronen in<br />
schillernden Farben leuchteten, und es wimmelte dort<br />
von Leben in unzähligen symbiotischen Gemeinschaften.<br />
Die Wipfeltiere des Waldes fanden hier reichlich<br />
Nahrung, und auch die Raubinsekten fühlten sich<br />
sichtlich wohl in dem Feuchtwaldparadies. Beson<strong>der</strong>s auf<br />
<strong>der</strong> Hut sein musste man vor den Shreek, eine<br />
hundsgroße Spinnenart, die ihre Opfer mit ätzendem Gift<br />
blendete, das sie in die Augen spie, bevor sie angriff. Der<br />
Name rührte von dem grässlichen Geräusch her, das die<br />
Speispinne beim Angriff machte. Die Shreek konnten<br />
Seite 2
auch einem Gh<strong>um</strong>pa-Führer gefährlich werden, wenn sie<br />
im Rudel angriffen.<br />
Der Teil des Waldes, den ich durchreiste, war berüchtigt<br />
für Shreek-Attacken, also nahm ich einen speziellen Helm<br />
aus <strong>der</strong> großen Reisekiste hinter mir, setzte ihn auf und<br />
klappte das kristallene Visier vor mein Gesicht, das mich<br />
vor dem Speigift schützen sollte. Nicht einen Moment zu<br />
spät, wie sich zeigte, denn vor mir sausten mehrere<br />
Shreek-Fäden aus <strong>der</strong> Höhe herab, an denen sich die<br />
hässlichen, haarigen Biester bereits abzuseilen begannen.<br />
Ich zückte Feuerstahl und Blendquarz, entzündete einen<br />
Fidibus und hielt die Flamme unter die Kletterfäden, die<br />
ich vom Sattel aus erreichen konnte. Die Fäden fingen<br />
sofort Feuer, das gierig an den Strängen empor leckte, die<br />
daran hängenden Shreek erfasste und diese unter<br />
markerschütternden Geschrei in einer Stichflamme<br />
zerplatzen ließ. Rings <strong>um</strong> mich her<strong>um</strong> schlugen die<br />
verkohlten, zuckenden Spinnenkadaver auf dem Boden<br />
auf.<br />
Plötzlich erschien eine Spinne wie aus dem Nichts hinter<br />
mir und landete auf dem Rücken des Trak. Ich sah ihr<br />
Spiegelbild in <strong>der</strong> Kristallscheibe meines Helms. Schon<br />
schleu<strong>der</strong>te sie ihr Gift in meinen Nacken, in <strong>der</strong> Absicht,<br />
mich mit ihrem Gift zu blenden, <strong>um</strong> mich dann<br />
gemeinsam mit ihren abscheulichen Geschwistern<br />
genüsslich auszusaugen. Z<strong>um</strong> Glück waren Shreek d<strong>um</strong>m,<br />
und so attackierte das Insekt lediglich das Gesicht, das auf<br />
dem Nackenschurz meines gandrischen Shreekhelms<br />
aufgemalt war. Die beiden Edelsteincabochons darauf<br />
hielt die Shreek für meine Augen, ein verhängnisvoller<br />
Fehler. Das Gift glitt am unempfindlichen Reshtakle<strong>der</strong><br />
des Helms wirkungslos ab. Ich zog mein Langschwert,<br />
und in einer einzigen ausladenden Bewegung hieb ich die<br />
Shreek in zwei Teile, die vom Trak abrutschten und auf<br />
dem Boden aufschlugen.<br />
Dieser begann sofort zu leben. Ka<strong>um</strong> waren die beiden<br />
stinkenden Kadaverhälften am Boden zu liegen<br />
gekommen, bewegte sich das Laub überall, und ein Heer<br />
von kleinen Aas-Formidras überflutete die<br />
Fleischkl<strong>um</strong>pen förmlich und die winzigen Insekten<br />
begannen sofort, mit ihren Beißzangen die Shreekreste zu<br />
zerlegen, das geschah in einer atemberaubenden<br />
Geschwindigkeit, weshalb man im Churka-Wald zwar<br />
Gebeine, aber niemals Kadaver fand. Ebenso geschah es<br />
mit den an<strong>der</strong>en getöteten Shreek, es war ein einziges<br />
raschelndes Gewimmel am Boden. Glücklicherweise<br />
fraßen die Formidras ausschließlich totes Fleisch. Ich<br />
streckte noch etwa ein halbes Dutzend Shreek nie<strong>der</strong>,<br />
bevor <strong>der</strong> Angriff abebbte und sich <strong>der</strong> Rest des haarigen<br />
Achtbeinerrudels aufmachte, in den Churka-Kronen nach<br />
leichterer Beute zu suchen.<br />
Im Wald stellte sich wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> normale Geräuschpegel<br />
ein, und ich setzte meine Reise fort. Als wir nach 5 Tagen<br />
die Hochebene von <strong>Gonda</strong> erreichten, lichtete sich <strong>der</strong><br />
Wald mehr und mehr, und die Anzeichen für<br />
bewirtschaftete Regionen stellten sich ein. Der Duft von<br />
Hochbl<strong>um</strong>en und opulenten Kannenpflanzen wich nach<br />
und nach dem Geruch von Torffeuern, Brandrodung und<br />
Mulchwirtschaft, die Ba<strong>um</strong>reihen wurden lichter und aus<br />
dem Wald wurde ein Forst. Inzwischen bewegten wir uns<br />
auf ausgetretenen Pfaden, und <strong>der</strong> Trak konnte den <strong>Trail</strong><br />
auch ohne den Einsatz seiner imposanten Kieferzangen<br />
voranbringen. Nach <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> war es noch mindestens<br />
eine Tagesreise, und ich wollte mir einen festen Platz zur<br />
Nacht suchen, also hielt ich Ausschau nach bestimmten<br />
Landmarken, die von Tavernenbesitzern gesetzt wurden.<br />
Hier auf <strong>der</strong> Ebene war es ratsam, die größeren<br />
Herbergen anzusteuern, <strong>der</strong>en Weideplätze während <strong>der</strong><br />
Nacht gut bewacht wurden. Eine Menge zwielichtes<br />
Gesindel schlich nächtens durch die Gegend im näheren<br />
Umkreis <strong>der</strong> Stadt.<br />
Nach einigem Suchen fand ich einen geeigneten Ort, <strong>um</strong><br />
die Nacht zu verbringen. Ein Schild am Hauptweg wies<br />
auf die Herberge „Z<strong>um</strong> Goldenen Onker“ hin, ich folgte<br />
dem Hinweis und gelangte kurz darauf zu einem<br />
ausgedehnten Gehöft, auf dem eifriges Treiben herrschte.<br />
Wie es aussah, kehrten dort drei weitere <strong>Trail</strong>s ein, davon<br />
ein großer, so dass mit meinen Tieren fast drei Dutzend<br />
Großinsekten dort warteten. Neben verschiedenen<br />
Chalais gab es dort auch Durga-, N´ghal- und Sherba-<br />
Gh<strong>um</strong>pas und einige Traks, was darauf hindeutete, dass<br />
mindestens ein <strong>Trail</strong> mit Eskorte reiste.<br />
Die fremden Trak-Ghenas waren allesamt kleiner als<br />
mein Leittier, einige waren mit kostbaren<br />
Wappenteppichen behängt und hatten metallverkleidete<br />
Kieferzangen; <strong>Kampf</strong>traks, also reiste hier jemand in<br />
militärischer Begleitung. Ich sah mich <strong>um</strong> und entdeckte<br />
neben dem Haupthaus einen geschlossenen Wagen, <strong>der</strong><br />
wahrscheinlich von den beiden kleinen Durga-Gh<strong>um</strong>pas<br />
gezogen wurde, die auf <strong>der</strong> Weide ästen. Der Wagen trug<br />
dasselbe mir unbekannte Wappen wie die Decken <strong>der</strong><br />
<strong>Kampf</strong>traks. Ich führte meinen <strong>Trail</strong> zur Weide, halfterte<br />
den Trak ab und gab dem Haushofmeister, <strong>der</strong> die<br />
Wachmannschaft befehligte, einen Zins, <strong>der</strong> höher ausfiel,<br />
als es allgemein üblich war.<br />
„Hier sind 15 Schekel Kupfer, Meister. Sag Deinen<br />
Männern, sie sollen gut auf meinen <strong>Trail</strong> Acht geben.“<br />
„Aye, Herr. Eure Fracht ist sicher hier.“<br />
Er wandte sich ab und gab den Burschen, die zwischen<br />
den Tieren Wache schoben, in Pangälisch, einer Sprache<br />
aus dem Hohen Norden, einige barsche Anweisungen und<br />
deutete dabei auf meine Tiere.<br />
Ich nahm mein persönliches Bündel und ging hinüber zur<br />
Herberge, <strong>um</strong> ein Quartier zu buchen. Als ich die schwere<br />
Eisenholztür öffnete und hindurchschritt, wurde ich von<br />
<strong>der</strong> typischen Geräusch- und Geruchskulisse einer<br />
Taverne empfangen. Das übliche Stimmgemurmel, <strong>der</strong><br />
Klang von Geschirr und Besteck, ein gäriger, süßlicher<br />
Geruch von Yark-Ale, einem starken, obergärigen Bier aus<br />
Yarka-Wurzel gebraut. Das Licht war einigermaßen hell,<br />
das Publik<strong>um</strong> gemischt. Von einer „Spelunke“ konnte<br />
man hier nicht reden, alles war sauber und gepflegt auf<br />
den ersten Blick. In <strong>der</strong> Mitte des Ra<strong>um</strong>es standen sechs<br />
große Tische, außerdem gab es an den Seitenwänden<br />
größere Nischen, in denen ebenfalls Tische und Bänke<br />
standen. Die Decke des hohen Mittelra<strong>um</strong>es wurde von<br />
gewaltigen, uralten Eisenholzstämmen getragen. An <strong>der</strong><br />
Rückwand des Ra<strong>um</strong>es stand ein imposanter<br />
Schanktresen, hinter dem ein von <strong>der</strong> Statur her ebenfalls<br />
imposanter Wirt seinen Dienst tat. Direkt über ihm gab es<br />
noch eine holzvergitterte Empore, auf <strong>der</strong> sich wohl die<br />
wappengeschmückte Reisegesellschaft aufhielt. Der<br />
Gastra<strong>um</strong> war gut gefüllt, und an allen Tischen wurde<br />
gegessen und getrunken. Der Wirt, <strong>der</strong> gerade Gläser<br />
polierte, sah kurz auf, maß mich mit Blicken ab und<br />
widmete sich seiner Tätigkeit. Ich schloß die Tür hinter<br />
mir und durchschritt den Ra<strong>um</strong>, geradewegs auf den<br />
Tresen zu. Dort angekommen, ließ ich mein Bündel zu<br />
Boden und sah den Wirt an.<br />
Seite 3
Er legte langsam sein Poliertuch zur Seite und baute sich<br />
vor mir auf. Mit fester, dunkler Stimme sprach er mich<br />
an.<br />
„Willkommen im ‚Goldenen Onker’ Herr. Was wünscht<br />
Ihr?“<br />
„Aye, Wirt. Ich brauche ein Bad, eine Schlafstatt und ein<br />
gutes Essen.“<br />
„Das sollt Ihr wohl bekommen. Eine Kammer kommt 8,<br />
das Bad 4 und das Essen 5 Schekel.“<br />
Ich zählte ihm 20 Kupferschekel hin. „Gebt mir einen<br />
guten Krug Wein z<strong>um</strong> Essen.“<br />
Er nickte und ließ das Geld in seinem Wamps<br />
verschwinden. Er grinste.<br />
Wünscht Ihr ein Mädchen für den Abend und die Nacht,<br />
Herr? Das käme 30 extra.“<br />
Ich überlegte kurz. „War<strong>um</strong> nicht? Sind Eure Houris<br />
sauber?“<br />
Er schaute bestürzt drein. „Aber selbstverständlich, Herr.<br />
Ich verbürge mich!“<br />
Ich ließ noch einmal 30 Schekel auf den Tresen rollen.<br />
„Gut, dann soll es so sein.“<br />
Der Wirt drehte sich nach hinten. „Alissia! Bereite ein<br />
Bad für diesen Dom!“ und, zu mir gewandt: „Herr,<br />
Alissia ist unser bestes Mädchen. Sie wird Euch das<br />
Zimmer zeigen und für Euch da sein nach Euren<br />
Wünschen.“<br />
Er nickte mir zu, ich nahm mein Gepäck wie<strong>der</strong> auf und<br />
wandte mich nach links zu <strong>der</strong> schweren Treppe, die nach<br />
oben führte. Einige <strong>der</strong> Gäste –die meisten waren<br />
offensichtlich durchreisende Gh<strong>um</strong>pa-Führer, ein paar<br />
waren wohl Einheimische aus <strong>der</strong> näheren Umgebunghatten<br />
kurz von mir Notiz genommen und wandten sich<br />
wie<strong>der</strong> ihren Themen zu. Am Fuß <strong>der</strong> Treppe erschien<br />
Alissia. Mich deuchte, <strong>der</strong> Wirt hatte nicht untertrieben.<br />
Das Mädchen war vielleicht zwanzig Lenze alt und eine<br />
echte Schönheit. Ihre Augen strahlten aus einem<br />
makellosen Gesicht unter langen, wallenden roten Haaren<br />
hervor. Hier in Gandri, beson<strong>der</strong>s auf <strong>der</strong> <strong>Gonda</strong>-Ebene,<br />
galten rote Haare als unschön und wurden meist mit<br />
einem Extrakt aus Hjama-Wurzel eingefärbt, aber dieses<br />
Mädchen schien ihre Haarpracht mit Stolz zu tragen. Sie<br />
trug einen Stapel Tücher bei sich und trat mit gesenktem<br />
Kopf vor mich hin.<br />
„Aye, Dom. Ich bin Alissia, Eure ergebene Houri. Bitte<br />
folgt mir, ich weise Euch eure Kammer. Während Ihr<br />
Euer Lager bereitet, werde ich ein Bad richten.“<br />
„Aye.“ Ich nickte ihr knapp zu. Sie stieg vor mir die<br />
Treppe empor, und ich genoß hinter ihr den sanften<br />
Schwung ihrer sich wiegenden Hüften. Im oberen Flur<br />
betraten wir eines <strong>der</strong> Zimmer, das erstaunlich gerä<strong>um</strong>ig<br />
und sehr gemütlich eingerichtet war. Ein großes Bett mit<br />
Daunenwäsche, hohen Pfosten und einem Himmel aus<br />
Flachstuch, davor ein weiches Onkerfell, an <strong>der</strong> Wand ein<br />
Kamin, neben dem reichlich Holz lag. Eine Tischbank mit<br />
einem Krug und einigen Bechern darauf, eine Kommode<br />
und ein Stiefelschemel. Ich war sehr zufrieden.<br />
„Ich werde das Bad für Euch bereiten, Dom. Nach einer<br />
Glase wird es bereit sein.“ Damit verschwand sie im<br />
Ba<strong>der</strong>a<strong>um</strong> nebenan, nicht ohne noch einmal einen<br />
devote-kecken Blick zu mir herüberzuwerfen. Ich warf<br />
mein Bündel vor das Bett und schlug erst einmal Feuer im<br />
Kamin, denn die Nächte auf <strong>der</strong> Ebene waren gewöhnlich<br />
kalt. Dann entledigte ich mich meiner Reitkleidung. Ich<br />
war froh, die schwere Reshtak-Le<strong>der</strong>montur einmal<br />
loszuwerden. Beim Mardukaij, es wurde auch höchste<br />
Zeit, ich stank wie ein Yamal-Onker! Ich freute mich auf<br />
das heiße Bad.<br />
Kurze Zeit später erschien Alissia wie<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Tür,<br />
eingehüllt in dampfende Nebelschwaden. Sie lud mich<br />
mit einer Geste ein, in den Nebel des Ba<strong>der</strong>a<strong>um</strong>s<br />
einzutreten. In dem Ra<strong>um</strong> stand ein großer, beheizter<br />
Zuber aus dem es wohlriechend dampfte.<br />
„Ich habe Voltai-Milch und Ribanektar in das Wasser<br />
gelassen, Dom. Es wird Eurer Haut gut tun.“ wisperte<br />
ihre zarte Stimme, die jedoch einen gewissen for<strong>der</strong>nden<br />
Unterton nicht verbarg. „Darf ich Euch mit Eurem<br />
Namen ansprechen, Dom?“<br />
Ihre Li<strong>der</strong> schlugen hoch und offenbarten das ganze<br />
Feuer ihrer Seele, das aus ihren Augen zu sprühen schien.<br />
Erst jetzt bemerkte ich, dass sie ihre Kleidung abgelegt<br />
und ihren Körper in eines <strong>der</strong> großen Tücher geschlungen<br />
hatte.<br />
„Ich bin Fela Ibn Aib Noirez, erster Schwertmeister des<br />
Hauses Beltane va Segur!“<br />
„“Ein Schwertmeister, sieh an…“ bemerkte sie keck, „Ich<br />
hoffe, Ihr versteht wahrlich, Euer Schwert zu führen,<br />
Dom Fela.“<br />
Damit ließ sie ohne erkennbare Bewegung das Tuch fallen<br />
und stand nackt vor mir. Ihre gut gebaute Figur übertraf<br />
meine Erwartungen <strong>um</strong> Einiges. Sie war von sehr<br />
schlanker Gestalt, mit wohlgeformten Hüften, straffen<br />
Schenkeln, langen Beinen und schönen Füßen. Über ihrer<br />
Taille ragte ein gera<strong>der</strong> Oberkörper mit wun<strong>der</strong>schönen,<br />
strammen Brüsten auf. Ihre Arme waren sehnig und<br />
muskulös. Flammend rote Haare fielen über ihre<br />
beinfarbenen Schultern und sie war am ganzen Körper<br />
rasiert, was ihr einen gewissen puppenhaften Ausdruck<br />
verschaffte. Sie stand da wie eine Alabasterstatue aus dem<br />
Pantheon von Nag Dschurai. Alissia war eine reine<br />
Augenweide, sie faszinierte mich. Die meisten Houris<br />
waren Weiber, Bauerntrampel, die ihren Körper für ein<br />
paar Schekel benutzen ließen, wie ein Bett. Aber sie war<br />
eine Göttin. Aus ihren giftgrünen Augen schien ein<br />
magisches Feuer aufzusteigen.<br />
Alissia legte meine Unterklei<strong>der</strong> ab, nahm meine Hand<br />
und wir stiegen in den Zuber. Das heiße, duftende Wasser<br />
reichte mir fast bis zu den Knien. Sie nahm eine Schüssel<br />
und begann, mich mit dem Badewasser zu übergießen,<br />
was für eine Wohltat. Sanft drückte sie mich herunter in<br />
das Wasser, und <strong>der</strong> Geruch des Bades vermischte sich<br />
angenehm mit dem verführerischen Duft ihrer Vulva, die<br />
sich mir entgegenreckte. Ich küsste ihre kleinen rosa<br />
Schamlippen sanft und ließ mich zwischen ihren Beinen<br />
in das Wasser gleiten. An ihrem linken Schenkel lief ein<br />
Tropfen duften<strong>der</strong>, milchiger Flüssigkeit herunter, den<br />
ich geschickt mit <strong>der</strong> Zunge einfing.<br />
Die Badezusätze und das heiße Wasser entspannten mich<br />
sofort. Das Gewicht <strong>der</strong> Reitkleidung war fort und mein<br />
Körper fühlte sich unheimlich leicht an. Alissia ging in die<br />
Hocke und begann, mich mit einem Flechtenschwamm<br />
abzureiben. Das Blut pulsierte in meiner Haut, und nicht<br />
nur dort. Sie ging weiter in die Hocke, und meine<br />
anschwellende Eichel verschwand in ihrer schlüpfrigen<br />
Leibesöffnung.<br />
Während sie mich weiter wusch, massierten die Muskeln<br />
ihrer Vulva langsam und zärtlich meinen Phallus, und ich<br />
gab mich diesem Genuß vollends hin. Beim Mardukaij,<br />
dieses Mädchen verstand ihr Handwerk, wahrlich! Sie<br />
feuerte meine Lust an, wie<strong>der</strong> und wie<strong>der</strong>, ohne mich<br />
Seite 4
über den Höhepunkt hinauszubringen. So verbrachten<br />
wir einige Glasen in entspannter Zweisamkeit, und ich<br />
muß gestehen, dass ich selten ein angenehmeres Bad<br />
hatte. Nach einer Weile erhob sie sich und stieg aus dem<br />
Waschzuber.<br />
„Dom Fela, Ihr solltet Euch jetzt ankleiden und essen; die<br />
Köchin zaubert ein hervorragendes Ra`chd hier.“<br />
Ich stieg ebenfalls aus dem Wasser und Alissia trocknete<br />
mich schnell und gekonnt ab. Dann rieb sie meinen<br />
Körper mit einer Salbe ein, <strong>der</strong>en Duft mich vage an<br />
Kannenbl<strong>um</strong>en erinnerte.<br />
„Ich bringe Eure Wäsche in das Waschhaus, Dom.<br />
Morgen früh wird sie frisch und sauber sein.“<br />
Ohne eine Antwort abzuwarten, kleidete sie sich flugs an<br />
und verschwand mit meinen von <strong>der</strong> Reise arg in<br />
Mitleidenschaft gezogenen Unterklei<strong>der</strong>n aus dem Bad.<br />
Ich ging in das Zimmer, entnahm meinem Gepäck frische<br />
Klei<strong>der</strong>, zog sie an und streifte meinen Waffenrock über.<br />
Ich überlegte kurz und entschied mich, das Langschwert<br />
im Zimmer zu lassen, lediglich den Waffengurt mit<br />
Kurzschwert, Dolchen und Wurfklingen schnallte ich <strong>um</strong>.<br />
Mein Bündel sicherte ich mit einem Stäbchenschloß vor<br />
allzu neugierigen Gästen, und so begab ich mich frisch<br />
gewaschen und sichtlich erholt in die Wirtsstube<br />
hinunter. Als <strong>der</strong> Wirt mich die Treppe herunter kommen<br />
sah, grinste er und trat hinter dem Tresen hervor. Mit<br />
einer einladenden Geste wies er mir einen Tisch in einer<br />
<strong>der</strong> seitlichen Nischen zu. Dort war es etwas separater,<br />
zurückgezogener und weniger hell. Ein guter Platz, <strong>um</strong> in<br />
angenehmer Begleitung gut zu essen und zu trinken. Ich<br />
setzte mich mit dem Rücken zur Wand und ließ den Blick<br />
durch den Ra<strong>um</strong> schweifen.<br />
Im großen Ra<strong>um</strong> in <strong>der</strong> Mitte saßen einige Gh<strong>um</strong>pa-<br />
Führer mit ihren Gehilfen, etwa zwei Dutzend Mann. Sie<br />
vergnügten sich mit Ale, Wein und einigen Houris, die in<br />
ihrer Körperfülle einem Chalais ka<strong>um</strong> nachstanden. Die<br />
Führer waren schon reichlich angetrunken und sangen –<br />
mehr laut als schön- eine Clanarie, die von heldenhaften<br />
<strong>Trail</strong>s kündete. Oben auf <strong>der</strong> Empore ging es etwas leiser<br />
zu. Durch die Gitter konnte man nur Schatten erkennen,<br />
die sich ab und an bewegten. Der Wirt kam und brachte<br />
Wein.<br />
„Alissia bringt Euch gleich das Essen, Herr. Es gibt Ra<br />
´chd, dazu Süßknollen, Lagashkohl, Gunta-Rübchen,<br />
Sepratunke und Rieselgrasbrot. Seid Ihr mit Alissia<br />
zufrieden?“<br />
Ja, Wirt. Ausgezeichnet. Ich hätte nicht gedacht, in<br />
dieser trostlosen Gegend eine solch komfortable<br />
Herberge zu finden, wie den ‚Goldenen Onker’. Respekt.“<br />
Ich deutete nickend eine Verbeugung an und übergab ihm<br />
noch einige Kupferschekel, die so etwas wie ein Lächeln<br />
in sein Gesicht zauberten.<br />
„Sagt, Herr Wirt, was ist das für eine Reisegesellschaft,<br />
die Ihr beherbergt?“ Mein Blick ging hoch zur Empore. Er<br />
folgte meinem Blick, drehte sich wie<strong>der</strong> zu mir und<br />
meinte:<br />
„Das ist die Prinzessin Chahani Askash aus dem Lande<br />
Dune-Varaq jenseits <strong>der</strong> Kulpa-Berge im Süden. Sie soll<br />
den Sohn des Barons Oman-Teg in <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> ehelichen,<br />
eine politische Heirat, wie man sagt.“<br />
In diesem Moment schepperte und klirrte es auf <strong>der</strong><br />
Empore und man konnte ziemlich deutlich vernehmen,<br />
dass <strong>der</strong> Prinzessin irgendetwas zu missfallen schien.<br />
„Sieht aus, als müsstet Ihr <strong>der</strong> hohen Herrschaft noch ein<br />
gut Teil Eures Inventars in Rechnung stellen.“ amüsierte<br />
ich mich. Der Wirt grinste und erhob sich.<br />
„Ah, Euer Essen ist bereitet, Herr. Ich hoffe, es mundet<br />
Euch.“ Damit verließ er meinen Tisch, <strong>um</strong> sich wie<strong>der</strong> den<br />
Trinkgewohnheiten seiner übrigen Gäste zu widmen.<br />
Alissia erschien mit den ersten dampfenden Schüsseln<br />
und stellte sie vor mir auf den Tisch. Sie lief gleich wie<strong>der</strong><br />
los, <strong>um</strong> mehr Essen, Besteck und Geschirr<br />
herbeizuschaffen. Als <strong>der</strong> Tisch gedeckt war, setzte sie<br />
sich zu mir und goß zwei Becher Wein ein. Dann belegte<br />
sie meinen Teller mit kleinen gebackenen Süßknollen,<br />
Schmorkohl, Sudrüben und einer guten Portion Ra´chd,<br />
einem Gemisch von Reshtak- und Saufleisch, das<br />
traditionell mit Lilienzwiebeln und Shurga-Fruchtknoten<br />
angebraten, dann mit Ale und Sal abgeschmeckt und mit<br />
etwas Honig und Käse überbacken serviert wurde. Ein<br />
Festessen, wenn man 30 volle Monde in Wald und Wüste<br />
unterwegs gewesen war. Während ich aß, saß sie da und<br />
sah mich mit einem vielsagenden Blick an, <strong>der</strong> mir<br />
bedeutete, mich besser nicht zu sehr mit Essen<br />
vollzuschlagen. So setzte ich also vorzugsweise meinen<br />
Schwerpunkt auf den Genuß, statt auf die Völlerei. Der<br />
Wein, den <strong>der</strong> Wirt gebracht hatte, mundete<br />
hervorragend und war voll und süß. Sicher nicht sein<br />
schlechtester Tropfen.<br />
Während des Essens beobachtete ich das bunte Treiben in<br />
<strong>der</strong> Schankwirtschaft. An den Tischen <strong>der</strong> <strong>Trail</strong>männer<br />
wurde gesoffen und gescherzt, angebandelt und es wurde<br />
mit wilden Geschichten geprahlt. Von einem <strong>der</strong> Tische<br />
etwas weiter links erhob sich ein grobschlächtiger Kerl,<br />
dessen schlechtsitzende Kleidung verriet, dass er kein<br />
Gh<strong>um</strong>paführer war. Er schien zwar zu einem <strong>der</strong> <strong>Trail</strong>s zu<br />
gehören, doch war er entwe<strong>der</strong> ein absoluter Neuling,<br />
o<strong>der</strong> er gab lediglich vor, ein <strong>Trail</strong>mann zu sein. Der<br />
Bursche war wohl schon etwas angetrunken, er wankte<br />
leicht, aber das machte ihn nicht eben ungefährlicher.<br />
Dass er keine guten Absichten hatte, zeigten seine<br />
verkniffenen Augen. Er kam herüber beugte sich vor und<br />
ließ seine gewaltigen Pranken auf die Tischplatte<br />
nie<strong>der</strong>sausen, <strong>um</strong> sich abzustützen.<br />
Er musterte mich mit schlecht verborgener Feindseligkeit.<br />
Ich ließ mich nicht beeindrucken und aß ruhig weiter. Der<br />
Hüne musterte Alissia, die die Augen nie<strong>der</strong>schlug und zu<br />
Boden sah. Auch ihr war die Aggressivität des Mannes<br />
nicht entgangen. Mit giftigem Blick stierte er mich an.<br />
Seine Stimme donnerte mich an wie ein Blitzsturm.<br />
„Aye, Dom.“ Mir gefiel nicht, wie verächtlich er mich<br />
ansprach. „Ihr müsst ja ein feiner Herr sein. Kommt als<br />
Letzter und erhaltet die beste Houri des Hauses.“ Ich sah<br />
kurz zu ihm auf und aß dann weiter. „Vielleicht möchte<br />
das Houri-Mäuschen ja lieber mit einem richtigen Mann<br />
ihren Spaß haben?!?“ Er sah wie<strong>der</strong> Alissia an, die auf<br />
ihrer Bank etwas zurückrutschte.<br />
„Nun,“ entgegnete ich, „<strong>der</strong> Wirt scheint mir ein kluger<br />
Mann, dass er sein bestes Pferd im Stall nicht von einem<br />
Onker reiten lässt.“<br />
Das war schon zuviel für ihn. Wütend schlug er mit<br />
beiden Handflächen auf den Tisch, so dass Schüsseln und<br />
Teller tanzten. Im Lokal verst<strong>um</strong>mten schlagartig alle<br />
Geräusche. Der Wirt griff unter den Tresen und zog eine<br />
eisenbeschlagene Keule hervor.<br />
„Was meint Ihr damit…“ setzte <strong>der</strong> besoffene Onker an.<br />
Weiter kam er nicht, denn im selben Moment flogen<br />
meine Hände an meinen Gürtel zu den Dolchen, die in<br />
Seite 5
einer wirbelnden Bewegung ihr Ziel fanden und seine<br />
Hände auf <strong>der</strong> Tischplatte festnagelten. Er starrte<br />
ungläubig auf die zitternden Messer in seinen Händen,<br />
bevor er seinen Schmerz laut herausbrüllte. Mit einem<br />
Satz war ich auf dem Tisch und die Klinge meines<br />
Kurzschwertes lag an seiner Kehle.<br />
Ich packte ihn mit <strong>der</strong> Linken beim Schopf, riß seinen<br />
Kopf zurück und sprach leise und ruhig zu ihm, die<br />
Lippen dicht an seinem ungewaschenen Ohr.<br />
„Ich schlage vor, dass Ihr Euch besser wie<strong>der</strong> zu Euren<br />
Leuten gesellt, Dom.“ Sein schmerzverzerrter Blick traf<br />
auf meine kalten blauen Augen. „Ihr macht Euren<br />
Handel, ich den Meinen. Und gut ist es. Ist es nicht?“<br />
Ich ließ ihn los und er nickte. Ich steckte das Schwert weg<br />
und zog die Dolche mit einem Ruck heraus. Er zuckte,<br />
hob die Hände und schaute auf die Wunden, die nur<br />
wenig bluteten.<br />
„Aye, Dom. Ich bitte <strong>um</strong> Verzeihung.“ Gab er<br />
zähneknirschend zurück, wandte sich ab und ging<br />
hinüber zu seinem Tisch, wo ihn die Gesellen johlend<br />
empfingen. Der Wirt verstaute seinen Totschläger<br />
grinsend wie<strong>der</strong> unter dem Tresen. Dem Raufbold<br />
wurden die Hände mit ein paar Tuchfetzen verbunden,<br />
und <strong>der</strong> Betrieb in <strong>der</strong> Wirtschaft normalisierte sich<br />
wie<strong>der</strong>.<br />
Alissia sah mich von <strong>der</strong> Seite an. „Nicht schlecht für<br />
einen <strong>Trail</strong>smann, Dom Fela…“ meinte sie.<br />
Ich sah sie fest an. „Wie ich sagte, ich bin<br />
Schwertmeister.“<br />
Sie nickte. „War<strong>um</strong> seid Ihr dann mit einem <strong>Trail</strong><br />
unterwegs, und nicht mit einer Schwadron<br />
<strong>Kampf</strong>traks?“<br />
„Meine Liebe, es gibt Dinge, die gehen vorlaute Mädchen<br />
einfach nichts an. Belassen wir es dabei.“ Ich nahm<br />
meinen Becher, stieß mit dem Rand an ihren und trank<br />
einen ordentlichen Schluck.<br />
Was hätte ich ihr auch sagen sollen? Dass meine<br />
Gh<strong>um</strong>pas bis obenhin voller Waffen geladen waren? Dass<br />
ich nach Ghonda-<strong>Lah</strong> unterwegs war, <strong>um</strong> die<br />
Rebellenarmee zu unterstützen, die den selbstherrlichen<br />
Kaiser Ninurta stürzen wollte? Wohl besser nicht.<br />
Also trank ich mit ihr, wir erfreuten uns an den Weisen<br />
eines Barden, <strong>der</strong> etwas später einkehrte und aufspielte,<br />
und wir verbrachten einen schönen Abend in <strong>der</strong> Taverne.<br />
Zu vorgerückter Stunde dann verließen wir den Gastra<strong>um</strong><br />
und gingen auf mein Zimmer, in dem das Kaminfeuer,<br />
welches diensteifrige Hände in meiner Abwesenheit<br />
immer wie<strong>der</strong> beschickt hatten, für angenehm wohlige<br />
Wärme sorgte.<br />
Ich legte den Waffenrock ab und ließ mich auf dem<br />
Onkerfell vor dem Kamin nie<strong>der</strong>. Alissia stand da im<br />
flackernden Licht des Feuers und begann langsam und<br />
gekonnt, ihre Klei<strong>der</strong> abzulegen. Knopf für Knopf öffnete<br />
sie sinnlich ihre weiße Bluse, unter <strong>der</strong> ihre Brustwarzen<br />
aufgerichtet waren, wie zwei Dendra-Rosenknospen, die<br />
im Frühjahr dem wie<strong>der</strong>erwachenden Licht <strong>der</strong> Sonnen<br />
entgegen fieberten. Ihr Haar <strong>um</strong>spülte ihre zarten<br />
Schultern, wie die Wellen an <strong>der</strong> Küste von Damique-<br />
Ilshu die vorgelagerten Riffe. Wild und ungezügelt wirkte<br />
diese Frau, genau das, wonach mir <strong>der</strong> Sinn stand.<br />
Die Bluse rutschte über ihre Schultern herunter und gab<br />
ihre herrlichen Brüste frei, <strong>der</strong>en Anblick ließ mein Blut<br />
in Wallungen geraten. Sie streifte langsam den Rock ab<br />
und präsentierte sich in ihrer wun<strong>der</strong>vollen Nacktheit,<br />
eine süße Frucht am Ba<strong>um</strong> <strong>der</strong> Lust, die zu pflücken mir<br />
gewährt war. Sie drehte sich gemächlich <strong>um</strong> ihre eigene<br />
Achse, wobei sie aufreizend mit den Händen durch ihr<br />
Haar fuhr, an den sanften Rundungen ihres Leibes<br />
herabstrich, und ihre Finger fuhren an <strong>der</strong> Innenseite<br />
ihrer Schenkel wie<strong>der</strong> hoch.<br />
Als sie mir den Rücken zudrehte, hatten die verspielten<br />
Finger den Tempel <strong>der</strong> Lust erreicht. Sie beugte sich vor<br />
und präsentierte mir frech den Eingang z<strong>um</strong> Paradies,<br />
den heiligen Gral <strong>der</strong> Sinnlichkeit. Sie spreizte die Beine<br />
und ihre freucht glänzenden Lippen schienen mir<br />
zuzurufen: ‚Komm, liebkose uns, Mann!’<br />
Ich sah, dass sich einige milchige Tropfen aus <strong>der</strong> Blüte<br />
ihrer Lenden lösten und zu Boden fielen. Der Ra<strong>um</strong> war<br />
erfüllt vom Duft ihrer Begierde. Allein dieser Anblick war<br />
in <strong>der</strong> Tat mehr als 30 Schekel wert, verhieß er doch<br />
Vereinigung, Wollust, Erfüllung. In meinem Rückgrat<br />
stieg eine heiße Feuersäule empor. Die Schönheit, die<br />
meine Augen da erblickten, verlangte nach gehöriger<br />
Würdigung.<br />
„Komm her,“ wies ich sie an, „Knie nie<strong>der</strong>.“<br />
Sie tat, wie ihr geheißen. Sie kniete vor mir mit<br />
geöffnetem Schoß, gerade und aufrecht auf den Fersen<br />
sitzend, und sah mich an. Ich ging zu meinem Bündel,<br />
öffnete es und holte Ein Seil aus weichem Onkerhaar<br />
hervor, 30 Fuß lang und Fingerdick, dazu zwei kürzere<br />
von etwa 6 Fuß. Ich legte das lange Seil in <strong>der</strong> Mitte<br />
zusammen und knotete eine Öse, die ich ihr <strong>um</strong> den Hals<br />
legte, so dass die beiden Seile zwischen ihren Brüsten<br />
lagen. Der Knoten lag auf ihrem Sonnenpunkt. Sie sah<br />
mir erwartungsvoll in die Augen. Vorsichtig tastete sich<br />
ihr Blick in meinen Augen <strong>um</strong>her, so, als teste sie, ob sie<br />
mir vertrauen könne. Dann knotete ich die Seile in<br />
<strong>der</strong>selben Weise wie zuvor noch dreimal im Abstand von<br />
je einem Fuß. Dann zog ich die Seilenden zwischen ihren<br />
Beinen hindurch, so dass sie links und rechts an ihren<br />
Schamlippen vorbeiführten, und spannte sie über den<br />
Rücken am hinteren Strang <strong>der</strong> Halsöse im Genick. Sie<br />
atmete scharf ein und ihr Geruch wurde intensiver.<br />
Schweiß lief aus ihren Achselhöhlen an ihren<br />
Körperseiten in einem dünnen Rinnsal herunter. Unter<br />
ihren Armen hindurch legte ich die Seile über ihre Brüste,<br />
fädelte sie über dem ersten Knoten durch den<br />
Doppelstrang und band sie zurück z<strong>um</strong> Mittelseil. Dies<br />
wie<strong>der</strong>holte ich mehrmals am Körper abwärts, bis ihr<br />
gesamter Oberkörper in ein Seilnetz eingehüllt war.<br />
Alissia schien diese Prozedur zu genießen, sie stöhnte mit<br />
jedem Seilzug leise und ihr Blick war verklärt.<br />
„Das fühlt sich wun<strong>der</strong>voll an, Dom Fela. Ich habe so<br />
etwas noch nie erlebt…“ hauchte ich sie behutsam auf das<br />
Fell legte. Sie ließ alles mit sich geschehen, als ich sie auf<br />
den Rücken legte, ihre Beine anwinkelte und ihr mit den<br />
beiden kürzeren Seilen die Hände an die Fußknöchel<br />
fesselte. In einer Stellung völliger Wehrlosigkeit lag sie<br />
nun vor mir, und vor Geilheit zuckte es gierig zwischen<br />
ihren Schenkeln.<br />
Ich zog mich aus und schob meinen straffen Phallus<br />
langsam zwischen den Seilen hindurch in sie hinein, bis<br />
sie sich in höchster Ekstase aufbä<strong>um</strong>te. Ihr Becken<br />
vollzog einen wilden Tanz, während sie mit <strong>der</strong> Präzision<br />
einer Maschine penetriert wurde. Aus voller Inbrunst<br />
schrie sie ihre Lust heraus und ihr Atem ging tief und<br />
synchron zu den Stößen, die sie empfing. Ihre Nässe<br />
bedeckte meine Lenden, und ich ließ meinen heißen<br />
Samen in die hinterste Nische ihrer zuckenden Vulva<br />
Seite 6
einströmen. Sie zitterte am ganzen Körper, als ich mich<br />
von ihr löste und ihr einen zarten Kuß zwischen die<br />
Schenkel hauchte.<br />
Ich löste ihre Handfesseln. Als ich die Körperfesseln lösen<br />
wollte, nahm sie meine Hände. „Bitte, Dom Fela. Lasst<br />
mich das weiter tragen.“ Ich ließ sie. Ich holte uns etwas<br />
Wein vom Tisch, und wir tranken sitzend vor dem Kamin.<br />
In dieser Nacht liebten wir uns noch zweimal mit<br />
<strong>der</strong>selben Intensität, dann entfernte ich das Seil und wir<br />
schliefen gemeinsam in dem großen Bett in den neuen<br />
Tag.<br />
An nächsten Morgen, als ich vom Kollern einiger<br />
Gh<strong>um</strong>pas geweckt wurde, war Alissia verschwunden. Ich<br />
trat z<strong>um</strong> Fenster und sah, dass <strong>der</strong> <strong>Trail</strong> <strong>der</strong> Prinzessin<br />
gerade vom Gehöft aufbrach.<br />
In diesem Moment kam Alissia mit einem Tablett ins<br />
Zimmer, dampfen<strong>der</strong> Jerka-Tee und Rieselgrasbrot mit<br />
Onkerleberwurst und Saukopfsülze war darauf. Im<br />
an<strong>der</strong>en Arm trug sie ein Bündel frisch gewaschener<br />
Wäsche. Als sie das Tablett abgestellt hatte, nickte sie,<br />
grinste mich vielsagend an und verließ das Zimmer<br />
wie<strong>der</strong>. Ich genoß das gute Frühmahl und packte meine<br />
Sachen. Dann legte ich meine Reitkleidung und den<br />
Waffengurt an, z<strong>um</strong> Schluß verstaute ich Kilm´tal, mein<br />
Langschwert, in <strong>der</strong> Rückenhalterung. Ich nahm mein<br />
Bündel, ging die Treppe herunter, am freundlich<br />
nickenden Wirt vorbei und verließ die Schänke. Ich begab<br />
mich zur Weide, halfterte den Trak auf und nahm den<br />
Tambur aus meinem Bündel. Vier kurze Stöße und ein<br />
langer, und meine Gh<strong>um</strong>pas bildeten eine Reihe, die dem<br />
Trak folgte. Im sanft wiegenden Schritt des <strong>Trail</strong>s<br />
verließen wir das Gelände und wandten uns auf dem<br />
Hauptweg in Richtung <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>. S´rath zeigte seine<br />
ersten Strahlen am Horizont, es würde ein warmer Tag<br />
werden.<br />
Kapitel 2: Die Prinzessin<br />
Mein <strong>Trail</strong> zog über den Hauptweg, <strong>der</strong> zur weniger<br />
frequentierten Ostroute gehörte. Die meisten <strong>Trail</strong>s<br />
kamen von Süden und Westen nach <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>, aus den<br />
fruchtbaren Tiefebenen. Von Osten wie von Norden hielt<br />
sich <strong>der</strong> Verkehr in überschaubaren Grenzen, so dass hier<br />
auch die Zöllner und Stadtwachen eher rar waren. Das<br />
war mir nur Recht, denn in den unteren Lagen meiner als<br />
Kerschawkerne, Malz und Werkharz deklarierten Fracht<br />
befanden sich 2000 Langschwerter, 2000 Kurzschwerter,<br />
400 Langbögen, 400 Armbrüste und einige<br />
Doppelzentner <strong>der</strong> neuesten Entwicklung <strong>der</strong><br />
segurianischen Alchymisten, ein Explosivstoff, den wir in<br />
<strong>der</strong> Heimat als „B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong>“ bezeichneten. Schon eine<br />
Handvoll davon reichte aus, <strong>um</strong> eine Festungsmauer zu<br />
zerlegen. Das B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong> war eine absolute Geheimwaffe,<br />
von <strong>der</strong>en Existenz bzw. Herkunft nur wenige<br />
eingeweihte wussten. Mein Auftrag lautete, die Waffen,<br />
getarnt als Warentrail, nach <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> zu schaffen, <strong>um</strong><br />
sie dort den im Hintergrund operierenden Rebellen<br />
zukommen zu lassen.<br />
Das segurianische Imperi<strong>um</strong> hatte gute Gründe, hier im<br />
Königreich <strong>Gonda</strong> verdeckt zu operieren. Die<br />
Expansionsbestrebungen des Kaisers bedrohten die<br />
segurianischen Grenzen, einige Fürstentümer waren<br />
bereits Ninurtas Occupationsarmeen z<strong>um</strong> Opfer gefallen.<br />
Ein offener Krieg war keine Option, so dass die<br />
segurianischen Bashars beschlossen hatten, den<br />
Wi<strong>der</strong>stand in <strong>Gonda</strong> zu unterstützen. Meine Expedition<br />
war nicht die erste dieser Art, und unsere logistische<br />
Unterstützung zeigte im Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong> Macht Ninurtas<br />
schon Erfolge. Diesmal jedoch lieferten wir z<strong>um</strong> ersten<br />
Mal B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong>, damit sollten die Rebellen dem<br />
Kaiserhaus z<strong>um</strong> ersten Mal empfindlichen Schaden<br />
zufügen.<br />
Der Explosivstoff unterschied sich im Transportzustand<br />
ka<strong>um</strong> von Riba-Harz und konnte nur durch eine<br />
bestimmte Substanz, welche die kyrillianischen<br />
Butalkäfer aus einer speziellen Drüse zur Verteidigung<br />
abson<strong>der</strong>ten, gezündet werden. Ohne das Butalinsulfat<br />
war B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong> praktisch wertlos. Die Zün<strong>der</strong> trug ich<br />
nicht bei mir, sie wurden von einem geson<strong>der</strong>ten Kurier<br />
auf einer an<strong>der</strong>en Route geliefert. So konnte ich mich im<br />
Falle einer Entdeckung als harmloser und unwissen<strong>der</strong><br />
Handlungsreisen<strong>der</strong> aus dem südöstlichen Kasak<br />
ausgeben und hatte schlimmstenfalls die Beschlagnahme<br />
<strong>der</strong> Eisenwaffen durch die kaiserlichen Garden zu<br />
befürchten. Diese jedoch kontrollierten an den<br />
Stadtgrenzen nur sporadisch, und waren oft bestechlich,<br />
sie waren es gewohnt, dass Drogenhändler ihren Weg in<br />
die Stadt mit Silberbakschisch freikauften. <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong><br />
war halt dekadent, durch und durch. Meine Chancen<br />
standen also recht gut, meine Fracht unbesehen in die<br />
Stadt zu bringen.<br />
<strong>Gonda</strong>h-<strong>Lah</strong> war, verglichen mit den an<strong>der</strong>en Städten des<br />
Kontinents, ein Moloch ungeheuren Ausmaßes. Hier<br />
trafen die verschiedensten Kulturen aufeinan<strong>der</strong>, in den<br />
Nationalitätenvierteln am Stadtrand herrschte buntes<br />
Durcheinan<strong>der</strong>. Z<strong>um</strong> zentralen Marktplatz, dem Sukh,<br />
<strong>der</strong> in seinen Ausdehnungen allein schon die Größe<br />
meiner Heimatstadt Segur Minor <strong>um</strong> einiges übertraf,<br />
führten fünf große, vierwegige Gh<strong>um</strong>pa-Alleen, auf denen<br />
Waren aus allen Län<strong>der</strong>n des Kontinents transportiert<br />
wurden. An vielen Abzweigungen führten weitere<br />
<strong>Trail</strong>wege in die verschiedenen Stadtteile wie z.B. Ars<br />
<strong>Gonda</strong>e, das Viertel <strong>der</strong> Künstler, o<strong>der</strong> Salesborough, die<br />
große Händlerstadt. Das Handwerkerviertel LaDan hatte<br />
beson<strong>der</strong>s breite <strong>Trail</strong>wege, denn hier wurden Rohstoffe<br />
und Produktionsgüter verarbeitet. Nirgendwo auf dem<br />
Kontinent sah man <strong>der</strong>art viele Gh<strong>um</strong>pa- und Trak-Arten,<br />
wie in <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>. Auch herrschten hier ein enormes<br />
Sprachgewirr, eine einzigartige Vielfalt an Trachten,<br />
Traditionen und Sitten. Ohne ortsansässigen Führer war<br />
es schwer, sich hier auf Anhieb zurechtzufinden.<br />
Mitten im Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong> Stadt, südlich des Sukh, lag Jahw<br />
Salam, <strong>der</strong> Regierungssitz des Hauses Ninurta. Hier<br />
herrschte Ninurta Apla III. tyrannisch über sein Reich, er<br />
residierte in einem Palast, <strong>der</strong> über 20 gondische Meilen<br />
lang und etwa 15 Meilen breit war. Diese historisch<br />
gewachsene Ansammlung von Residenzen, Kasernen,<br />
Magazinen und Hallen war <strong>der</strong> größte<br />
zusammenhängende Gebäudekomplex aller bekannten<br />
Welten. Jahw Salam war eine militärische Festung, <strong>der</strong>en<br />
Mauern über 300 Fuß hoch und 60 Fuß breit waren, im<br />
Fundament 100 Fuß breit und 50 Fuß tief. Die<br />
Palastgarde, etwa 20.000 Mann unter Waffen, schützte<br />
diesen gewaltigen Komplex und sorgte dafür, dass <strong>der</strong><br />
Kaiser unbehelligt von <strong>der</strong> Armut seines Volkes den<br />
Regierungsgeschäften nachgehen konnte.<br />
In <strong>Gonda</strong> herrschte seit Urzeiten eine eingeschworene<br />
Adelsclique, die ihre Pfründe nach festgelegten Regeln<br />
unter sich aufteilte. Das Volk litt sehr unter dieser<br />
Misswirtschaft. In den <strong>um</strong>liegenden Reichen hatten die<br />
Seite 7
Regenten die Notwendigkeit des Miteinan<strong>der</strong> bereits<br />
eingesehen, nur in <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> wi<strong>der</strong>setzte man sich <strong>der</strong><br />
Sozialisierung vehement. Das sollte sich än<strong>der</strong>n. Die<br />
vorsichtigen Hilferufe <strong>der</strong> Rebellen waren im Umland auf<br />
Gehör gestoßen und <strong>der</strong> große Staatsstreich war im<br />
Grunde nicht mehr abzuwenden. Die Reiche Boräal,<br />
Dulgur, Haerek, Mouzkvar und Seguria unterstützten die<br />
Rebellen mit Waffen und Propaganda, und auch die<br />
Landbewohner <strong>der</strong> gondrischen Hochebene sehnten den<br />
Wechsel herbei. Das half uns, den Waffenschmugglern,<br />
natürlich enorm, auch wenn man höllisch darauf achten<br />
musste, nicht an Spione des Kaisers o<strong>der</strong> Kollaborateure<br />
zu geraten.<br />
Meine Gh<strong>um</strong>pas wurden unruhig. Ihre feinen Sensoren<br />
hatten irgendetwas wahrgenommen, das nicht normal<br />
war. Auch <strong>der</strong> Trak-Ghena lief nicht mehr im gewohnten<br />
Trott, er begann, am Geschirr zu ziehen. Vor mir lag ein<br />
Wäldchen aus großen Gluten-Sukkulenten, durch das <strong>der</strong><br />
geschlungene <strong>Trail</strong>weg führte. Meine feine Nase<br />
signalisierte Eisengeruch, kurz darauf hörte ich Schwerter<br />
klirren, <strong>der</strong> Boden bebte leicht, zweifelsohne waren das<br />
die Erschütterungen von Gh<strong>um</strong>pas, die führungslos<br />
<strong>um</strong>herirrten. Ich stoppte den <strong>Trail</strong> und ließ die Gh<strong>um</strong>pas<br />
stehen. Dann beschleunigte ich den Trak und preschte<br />
kurz darauf in eine Lichtung, auf <strong>der</strong> heftig gekämpft<br />
wurde. Ein erster Überblick zeigte mir, dass es <strong>der</strong> <strong>Trail</strong><br />
<strong>der</strong> Prinzessin Askash war, <strong>der</strong> dort von Raubgesindel<br />
angegriffen wurde. Ich zählte acht tote und vier verletzte<br />
Soldaten, zwei tote Räuber und einen <strong>Kampf</strong>trak, dem<br />
man mit einer Quarzschnur die Beine an den unteren<br />
Segmenten abgetrennt hatte. Das Tier kroch auf den<br />
Beinstümpfen unbeholfen <strong>um</strong>her und schnappte ziellos<br />
mit den Kieferzangen in alle Richtungen. Sechs<br />
verbliebene Soldaten hatten sich <strong>um</strong> den Wagen <strong>der</strong><br />
Prinzessin geschart und versuchten, zehn Angreifer<br />
abzuwehren, die sich reiche Beute versprachen angesichts<br />
des prunkvoll ausgestatteten Wagens.<br />
Zwei <strong>der</strong> Räuber reagierten prompt auf mein Erscheinen<br />
und stürzten mit gezückten Schwertern in meine<br />
Richtung. Ich stoppte meinen Reitkäfer, sprang im Sattel<br />
hoch und hechtete mit einer Luftrolle vor den Trak. Im<br />
Flug hatte ich Kilm´tal und das Kurzschwert gezogen. Der<br />
erste Stürmer lief in die Klinge des kurzen Schwertes,<br />
dem zweiten hieb ich –noch im Fluß <strong>der</strong> Bewegung- den<br />
Kopf von den Schultern.<br />
Von den sechs Soldaten lebten in diesem Moment nur<br />
noch zwei, und ich sprintete mit wirbelnden Schwertern<br />
z<strong>um</strong> Wagen. Einem Räuber hieb ich mit Kilm´tal in den<br />
Bauch, das war sein Ende. Der nächste Angreifer musste<br />
erfahren, dass segurianische Langschwerter aus einer<br />
Legierung gemacht waren, <strong>der</strong> eine gondische Klinge<br />
nicht gewachsen war. Sein Kr<strong>um</strong>msäbel zerbrach in<br />
mehrere Teile, als dieser auf Kilm´tal traf. Ein verdutzter<br />
Blick war das Letzte, wozu er in diesem Leben fähig war.<br />
Die Räuber merkten, dass es ernst wurde. Vier von ihnen<br />
<strong>um</strong>ringten mich, während die letzten beiden die<br />
kümmerlichen Reste <strong>der</strong> Eskorte nie<strong>der</strong>metzelten. Ich<br />
konzentrierte mich auf meine vier Kombatanten. Mit<br />
gezückten Schwertern und Äxten <strong>um</strong>kreisten sie mich<br />
lauernd, während ich in <strong>der</strong> Haltung des Erhabenen<br />
Mardukaij da stand, Kilm´tal langsam in <strong>der</strong> rechten<br />
Hand rotieren lassend, das Kurzschwert hielt ich<br />
ausgestreckt vor. Hier und da täuschte einer <strong>der</strong> Vier<br />
einen Angriff vor, <strong>um</strong> meine Aufmerksamkeit auf sich zu<br />
ziehen, damit sein Gegenüber angreifen konnte, doch das<br />
funktionierte nicht bei mir.<br />
Ich diente seit über 20 Sommern in <strong>der</strong> segurianischen<br />
Armee, und was diese verlausten Bauernlümmel hier<br />
zeigten, hätte nicht einmal einen Rekruten bei uns in <strong>der</strong><br />
Heimat beeindruckt. Erstaunlich fand ich, dass die<br />
Eskorte <strong>der</strong> Prinzessin sich so einfach hatte überr<strong>um</strong>peln<br />
lassen.<br />
Einer <strong>der</strong> Angreifer machte einen Schrittfehler und<br />
strauchelte, ich nutzte die kurze Verwirrung und startete<br />
einen Ausfall. Ich wirbelte her<strong>um</strong>, auf ihn zu, und nach<br />
einem kurzen Klingenwechsel fiel er. Den Schlag seines<br />
rechten Flankenmannes wehrte ich mit dem Kurzschwert<br />
ab und unterlief ihn. Ich brach aus, drehte mich her<strong>um</strong><br />
und bog mich wie Schilfgras im Wind nach hinten.<br />
Gerade rechtzeitig, <strong>um</strong> einem Überkopfschlag<br />
auszuweichen und dem Ausführenden das Kurzschwert<br />
von hinten in die Rippen zu jagen.<br />
Die Waffe des Vierten zog waagerecht über meinen Kopf<br />
hinweg. Sofort richtete ich mich auf, griff mein<br />
Langschwert mit beiden Händen und trieb den Angreifer<br />
mit kurzen Kreuzschlägen in Richtung Wagen, wo seine<br />
beiden letzten Mitkämpfer eben mit <strong>der</strong> Eskorte<br />
aufgerä<strong>um</strong>t hatten. Die drei standen vor mir und<br />
tauschten einige unsichere Blicke aus. Ich hob Kilm´tal<br />
vor mein Gesicht und drückte einen Knopf am Griff.<br />
Daraufhin sprangen seitlich vom Kreuzsteg vier kurze<br />
Klingen heraus, die dem Schwert ein furchtbares<br />
Aussehen verliehen. Ich ging leicht in die Hocke,<br />
fe<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Stand, und wirbelte Kilm´tal in <strong>der</strong> Rechten<br />
langsam her<strong>um</strong>. Lächelnd winkte ich die Räuber mit <strong>der</strong><br />
Linken heran. Die drei ließen ihre Schwerter fallen und<br />
liefen, als wäre <strong>der</strong> leibhaftige Finsteralb hinter ihren<br />
armen Seelen her.<br />
Ich ging zu dem verstümmelten <strong>Kampf</strong>trak und stieß ihm<br />
das Schwert hinter den Kieferzangen von unten in den<br />
Kopf, mehr konnte ich für das Tier nicht tun. Der Trak<br />
brach augenblicklich tot zusammen. Ich steckte die<br />
gereinigten Schwerter weg und ging zurück z<strong>um</strong> Wagen,<br />
<strong>um</strong> nachzusehen, wie es <strong>der</strong> Prinzessin ergangen war.<br />
Ka<strong>um</strong>, dass ich den schweren Türgriff <strong>der</strong> schweren<br />
Kutsche berührt hatte, schwang die Tür auf und ich wurde<br />
von einer Furie mit erhobenem Dolch attackiert.<br />
Blitzschnell griff ich ihre Handgelenke, was sie jedoch<br />
keineswegs kampfunfähig machte. Ein d<strong>um</strong>pfer Schlag in<br />
<strong>der</strong> Leistengegend, <strong>der</strong> vom Knie <strong>der</strong> schönen Wilden<br />
herrührte, erinnerte mich daran, wie überaus nützlich es<br />
war, dass die Reitkleidung von Gh<strong>um</strong>pa-Führern mit<br />
einem festen Suspensori<strong>um</strong> versehen war. Die Prinzessin<br />
schrie auf, denn ihr Knie hatte diesen Stoß wohl weniger<br />
unbeschadet überstanden als mein Unterleib.<br />
Ich zog sie aus dem Wagen heraus und stellte sie auf die<br />
Füße. Durch einen leichten Druck meiner Linken fiel ihr<br />
Dolch zu Boden. Ich grinste ihr ins Gesicht.<br />
„Aber, aber… ist das eine Art, seinen Retter zu<br />
begrüßen?“ fragte ich scherzend. Sie sah mich verdutzt<br />
an. „Ich…ich kenne Euch, Ihr wart in <strong>der</strong> Herberge…“<br />
Zweifel war in ihrem Blick, nur langsam realisierte ihr<br />
Verstand, dass ich wohl nicht zu <strong>der</strong> Meute gehörte,<br />
welche sie überfallen hatte.<br />
Langsam wurde ihr Gesichtsausdruck freundlicher. Sie<br />
sah sich <strong>um</strong>, entdeckte die Leichen <strong>der</strong> Soldaten und <strong>der</strong><br />
Räuber. Dann sah sie mich wie<strong>der</strong> an.<br />
Seite 8
„Ich schulde Euch Dank, Dom. Wie kann ich Euch diese<br />
gute Tat vergelten? Ich führe einige Talente an Gold mit<br />
mir. Fühlt Euch frei, Euch nach Eurem Gutdünken daran<br />
zu bedienen.“<br />
Ich schüttelte den Kopf. „Ich brauche Euer Gold nicht. Es<br />
war mir eine Ehre, Euch aus dieser Not zu helfen.“ Mit<br />
einen Blick auf ihre <strong>der</strong>angierten Fortbewegungsmittel<br />
fügte ich hinzu: “Nun, wie es aussieht, werdet Ihr den<br />
Rest Eurer Reise wohl in etwas unbequemeren<br />
Umständen antreten müssen, Euer <strong>Trail</strong> wurde schwer<br />
beschädigt.“ Ich deutete mit einer ausladenden Geste im<br />
Kreis auf die Reste ihres <strong>Trail</strong>s. „Die Gh<strong>um</strong>pas sind<br />
geflohen, einen Eurer Traks musste ich von seinem Leid<br />
erlösen, <strong>der</strong> Wagen ist fahruntauglich. Bleibt lediglich<br />
ein Trak mit geringer Tragkraft. Ihr könnt einen Trak<br />
reiten?“<br />
„Sicher kann ich das.“ Meinte sie stolz „Ich bin eine<br />
Varaq-Prinzessin, eine Askash!“ Dabei setzte sie ein<br />
trotziges Gesicht auf.<br />
Ich verneigte mich vor ihr. „Ich bin Fela Ibn Aib Noirez<br />
und stamme aus dem segurianischen Imperi<strong>um</strong>, ich in<br />
erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen, Prinzessin…“ Ich<br />
sah sie fragend an.<br />
„Chahani, aus dem Hause Askash.“ Meinte sie nüchtern<br />
und kehrte zu ihrem aristokratischen Gehabe zurück.<br />
„Prinzessin Chahani, wenn Ihr es wünscht, werde ich<br />
Euch nach <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> geleiten, dies ist auch mein Weg.<br />
Ich denke, so kommt Ihr sicher ans Ziel. Allerdings<br />
werdet Ihr auf ein Großteil Eurer Habe wohl verzichten<br />
müssen. Sicherlich können wir einiges auf meine<br />
Gh<strong>um</strong>pas <strong>um</strong>laden, aber Euren geflüchteten Gh<strong>um</strong>pas<br />
nachzustellen scheint mir angesichts <strong>der</strong> momentanen<br />
Lage etwas zu risikoreich. Die Banditen waren sicherlich<br />
nicht allein in <strong>der</strong> Gegend, vielmehr sollten wir zusehen,<br />
dass wir weiterkommen.“<br />
Die Prinzessin trat vom Wagen zurück und besah sich die<br />
Bescherung. Die Hinterachse war gebrochen und einige<br />
Gepäckstücke lagen verstreut in <strong>der</strong> Gegend. Ich meinte,<br />
in ihrem Gesicht einen etwas angewi<strong>der</strong>ten Ausdruck zu<br />
erkennen, <strong>der</strong> jedoch schnell wie<strong>der</strong> verflog. Sie sah mir<br />
ins Gesicht.<br />
„Dom Fela, ich danke Euch für Euer Angebot. Ich<br />
brauche nicht viel z<strong>um</strong> Reisen. Das da…“ sie deutete auf<br />
das Gepäck, das sich noch auf dem Wagendach türmte,<br />
„… sind nur Dinge.“ Ich fand es erstaunlich, wie<br />
verächtlich sie dieses Wort aussprach. „Diese Dinge<br />
waren eh nur dafür bestimmt, mich auszustaffieren,<br />
damit ich meinem zukünftigen Bräutigam gefalle. Sie<br />
sind also nicht wichtig. Nicht für mich jedenfalls.“<br />
Damit verschwand sie im Wagen und kehrte mit einem<br />
Bündel Klei<strong>der</strong> zurück, das nicht eben wie das einer<br />
Prinzessin aussah. Die junge Dame erstaunte mich<br />
zunehmend. Ihre Art zu sprechen und die Art wie sie sich<br />
bewegte deuteten eher auf eine Kriegerin hin, denn auf<br />
eine aristokratische Dame von Welt. Wie hatte <strong>der</strong> Wirt<br />
gesagt? ‚…eine politische Heirat…’ Ich reimte mir mein<br />
Teil zusammen. Derweil kramte die Prinzessin noch im<br />
Gepäck, wohl <strong>um</strong> einige nützliche Dinge zu bergen. Neben<br />
einigen kleineren Tornistern verzurrten wir<br />
Klei<strong>der</strong>bündel, eine Lanze, Kochgeschirr und Proviant auf<br />
einem <strong>der</strong> beiden Durga-Gh<strong>um</strong>pas, die den Wagen<br />
gezogen hatten. Vom toten <strong>Kampf</strong>trak nahmen wir das<br />
Reitgeschirr, passten es an und zä<strong>um</strong>ten das Zugtier<br />
damit auf.<br />
Inzwischen war einige Zeit verstrichen, und wir würden<br />
wohl o<strong>der</strong> übel noch eine Nachtrast auf dem Weg nach<br />
<strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> einlegen müssen, z<strong>um</strong>al wir noch meine<br />
Gh<strong>um</strong>pas heranholen mussten, bevor wir die Reise<br />
fortsetzen konnten.<br />
Als wir den <strong>Trail</strong> aufgestellt hatten, war es bereits<br />
Nachmittag. Ich schlug den Tambur und die Chalais -<br />
Gh<strong>um</strong>pas setzten sich wiegend in Bewegung. Prinzessin<br />
Chahani ritt neben mir auf dem kleinen Durga, <strong>der</strong> nur<br />
mäßig beladen war. Wir verließen den Sukkulentenwald<br />
und kamen einige Glasen später in eine halboffene<br />
Savanne, auf <strong>der</strong> große Onkerherden offen weideten.<br />
Diese riesigen Wesen waren die Haupteinnahmequelle<br />
<strong>der</strong> Hirten auf dem gesamten gandrischen<br />
Kontinentalschild. Auf drei mächtigen Säulenbeinen<br />
ruhte ein haushoher fellgekleideter Körper, aus dem ein<br />
mannshoher Hals ragte, <strong>der</strong> einen vergleichsweise<br />
winzigen Kopf trug. Ihre Gehirne waren nicht viel größer<br />
als eine Thulaschote und sie waren absolut friedlich,<br />
solange man ihren Jungen nicht zu nahe kam. Onker<br />
lieferten alles, was man für ein einfaches Leben brauchte.<br />
Ein seidenweiches Fell, Fleisch im Überfluß (das<br />
getrocknete Rauchfleisch von einem einzigen Onker<br />
konnte eine Großfamilie ohne weiteres ein Jahr lang<br />
ernähren), Sehnen (die gröberen für den Bau, die feinsten<br />
für Näharbeiten), Knochen als Ba<strong>um</strong>aterial (ich hatte<br />
ganze Farmen gesehen, die aus Onkerbein gebaut waren).<br />
Die Blasen <strong>der</strong> Tiere fassten bis zu 20 Ra<strong>um</strong>ellen und<br />
eigneten sich hervorragend als Vorratsbehälter für Wein<br />
und Wasser im Keller. Die Onker waren das<br />
wirtschaftliche Rückgrat <strong>der</strong> einfachen Menschen. Sie<br />
lebten in großen Herden und weideten in den Ebenen<br />
Gandris seit Millionen Sommern. Unbehelligt ritten wir<br />
mitten durch eine müßig dahinziehende Herde hindurch.<br />
Das Buschland war gut zu übersehen, und wie es aussah,<br />
drohte uns keinerlei Gefahr auf dem Weg. Ich sah die<br />
Prinzessin von <strong>der</strong> Seite her an. Sie sah nicht eben<br />
glücklich aus. Ihre Blicke waren leer und stachen wie<br />
Lanzen aus ihren Augen in die Ödnis. Ihr Körper wiegte<br />
sich gekonnt im Sattel und fing das Schlingern des Durga<br />
unter ihr fe<strong>der</strong>nd ab. Sie ritt nicht z<strong>um</strong> ersten Mal einen<br />
Gh<strong>um</strong>pa, stellte ich erstaunt fest. Sie bemerkte meine<br />
Blicke und sah mich direkt an.<br />
„Was gibt es zu sehen, Dom? Habt Ihr noch nie eine<br />
Prinzessin reiten sehen?“ fragte sie spröde.<br />
„Aye, Hoheit! Wahrlich, in <strong>der</strong> Tat, das habe ich noch<br />
nicht gesehen, jedenfalls nicht auf einem Gh<strong>um</strong>pa!“ gab<br />
ich amüsiert zurück. „In meiner Heimat reiten die<br />
erlauchten Damen allenfalls mal einen Zwergtrak.“<br />
Sie musste lachen, es klang glockenhell und klar. „Nun,<br />
Dom, in meiner Heimat ist es an sich auch nicht üblich,<br />
dass die Töchter des Großkönigs sich in <strong>der</strong>lei<br />
Trivialitäten ergehen. Gewöhnlich widmen sich meine<br />
Schwestern eher den häuslichen und gesellschaftlichen<br />
Gepflogenheiten. Ich bin wohl etwas … aus <strong>der</strong> Art<br />
geschlagen, wie man sagt…“ Sie lachte wie<strong>der</strong>, aber<br />
diesmal klang es verbittert. „Ihr könnt mich übrigens<br />
Chahani nennen, ich lege keinen Wert auf<br />
Förmlichkeiten, wenn ich im Sattel eines Lastkäfers<br />
sitze.“ Ihr Körper vollzog eine Bewegung, die irgendetwas<br />
zwischen einem stillen Seufzer und einem verborgenen<br />
sarkastischen Lachen andeutete.<br />
„Gehe ich Recht in <strong>der</strong> Annahme, dass Ihr Euer Reiseziel<br />
nicht selbst wähltet?“ erdreistete ich mich zu fragen. Sie<br />
sah mich lange und durchdringend an. „Aye“ bemerkte sie<br />
Seite 9
knapp und sah wie<strong>der</strong> nach vorn. Ich folgte ihrem<br />
Beispiel. Als ich sie kurz darauf aus den Augenwinkeln<br />
noch einmal ansah, bemerkte ich, wie eine kleine Träne<br />
über ihre Wange rollte, ein kleiner glitzern<strong>der</strong> Diamant,<br />
<strong>der</strong> das vergehende Licht <strong>der</strong> Mittagssonne brach.<br />
S´rath versank langsam am Horizont, und die beiden<br />
kleineren Sonnen ließen das Licht dämmrig werden. Ich<br />
hielt Ausschau nach einem geeigneten Rastplatz für die<br />
Nacht. Eine größere Felsengruppe auf einem Hügel etwas<br />
abseits vom Weg schien mir passabel. Ich informierte<br />
Chahani und wir lenkten den <strong>Trail</strong> nach Rechts, auf die<br />
Anhöhe zu. Die Vegetation war dort üppig, was auf das<br />
Vorhandensein einer Quelle hindeutete. Die Gh<strong>um</strong>pas<br />
hatten dort genug zu fressen, und auch mein Trak-Ghena<br />
würde sich mit dem vorhandenen Buschwerk begnügen.<br />
Als wir den Hügel erreichten, war S´rath vom Firmament<br />
verschwunden, die Nachtgeräusche nahmen zu. Das<br />
Konzert <strong>der</strong> Cal<strong>der</strong>a-Grillen erklang langsam, ein<br />
melodisches Sirren, das ich viele Nächte in <strong>der</strong> Savanne<br />
gehört hatte. Solange sie sangen, drohte keinerlei Gefahr<br />
durch Raubinsekten o<strong>der</strong> Nachtsturzvögel, die einen<br />
ausgewachsenen Mann ohne weiteres vom Boden<br />
fortreißen konnten.<br />
Die Wahl des Lagerplatzes erwies sich als günstig. Ein<br />
großer Steinkreis mit einem kleinen Teich, in dem es<br />
Fische zu geben schien. Feuerholz war ausreichend<br />
vorhanden und die Steine schirmten das Licht zu allen<br />
Seiten ab. So liefen wir nicht Gefahr, von Räubern und<br />
Diebsgesindel entdeckt zu werden.<br />
Wir lösten den <strong>Trail</strong> und schickten die Chalais - Gh<strong>um</strong>pas<br />
z<strong>um</strong> Weiden. Den Durga und den Trak pöhlten wir an<br />
langen Seilen und luden unsere Ausrüstung ab. Ich<br />
sammelte etwas Feuerholz und nahm Blendquarz und<br />
Feuerstahl zur Hand. Die Prinzessin sah, wie ich mich<br />
nach leichtem Zun<strong>der</strong> <strong>um</strong>sah und nahm ein kleines<br />
Fläschchen aus ihrem Gepäck. Sie schüttelte es, öffnete<br />
den Verschluß und hielt es unter das Feuerholz. Sie<br />
grinste mich an und hieb mit einem kleinen Stahl auf den<br />
Flaschenrand. Ein Funke sprang, und aus <strong>der</strong> Flasche<br />
schoß zischend eine bläuliche Flamme, die binnen<br />
kürzester Zeit das Holz entzündete. „Varaqanisches<br />
S<strong>um</strong>pfgas“ meinte sie schmunzelnd, „wir pressen es in<br />
Amphoren aus Kalil-Erz. Sehr nützlich übrigens im<br />
Regen. Dieser Feuerspen<strong>der</strong> brennt ohne Pause zwei<br />
Monde lang.“<br />
Ich zog die Augenbrauen hoch. Eine faszinierende<br />
Technik, wie ich fand.<br />
„Ich werde eine Jurte errichten“ sagte ich und ging zu<br />
meinem Trak, <strong>um</strong> das Zeltgestänge und das Tuch<br />
abzuladen. Die Prinzessing ging zu ihrem Gh<strong>um</strong>pa und<br />
nahm die Lanze an sich. „Ich werde uns etwas zu Essen<br />
besorgen“ meinte sie und nickte z<strong>um</strong> Teich hinüber. Sie<br />
wählte einen Standpunkt auf einem Felsüberhang und<br />
verharrte dort mit z<strong>um</strong> Stoß erhobener Lanze.<br />
Als ich das Zelt aufgestellt hatte, kam sie mit drei recht<br />
ansprechenden Fischen zurück z<strong>um</strong> Feuer, die wir<br />
gemeinsam zubereiteten. Ich hatte noch einige<br />
Süßknollen im Gepäck, und sie zauberte aus ein paar<br />
Kräutern, Steinsal, etwas Wasser, vermengt mit ein wenig<br />
Yarkawurzelmilch und wilden Lilienzwiebeln, die hier<br />
überall wuchsen, eine köstlich duftende Tunke. Kurze Zeit<br />
später hatten wir ein für diese Verhältnisse opulentes<br />
Mahl bereitet, das wir genüsslich verspeisten.<br />
„Das Wasser scheint gut zu sein hier, ich werde mich<br />
waschen“ meinte sie nach dem Essen, „ich stinke wie ein<br />
Onker.“ Sie redete wie ein Gh<strong>um</strong>pa-Führer, nicht wie eine<br />
Adlige. Das erstaunte mich. Es ließ sich nicht verleugnen,<br />
dass diese Prinzessin meine Neugier weckte. Sie passte so<br />
gar nicht in das Bild vom hochnäsigen Mädel, das ich in<br />
<strong>der</strong> Taverne gewonnen hatte. Unschwer zu erkennen war,<br />
dass man sie gegen ihren Willen in <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong><br />
verheiraten wollte. So konnte man in Dune-Varaq eine<br />
möglicherweise unliebsame Person loswerden und<br />
gleichzeitig einige politische Bande nach <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> an<br />
den Hof Ninurtas festigen. Ein mieses Geschäft, wie mir<br />
schien. Als Chahani vom Wasser zurückkehrte, war es<br />
bereits dunkel.<br />
Ich schürte das Feuer und setzte einen Topf Ganja-Tee an,<br />
welchen ich nach segurianischer Art zubereitete. Ich griff<br />
in die Proviantkiste und holte die Zutaten hervor. Dann<br />
zerließ ich etwas Schmalz im Topf, fügte eine Handvoll<br />
Gh<strong>um</strong>pagraszucker dazu und erhitzte beides stark auf<br />
dem Feuer. Als <strong>der</strong> braune Zucker karamellisierte und<br />
Fäden zog, fügte ich zwei Hände voll Ganjablätter hinzu<br />
und rezitierte leise das Ganjamantram. Der starke<br />
Kräuterduft schwängerte die Luft. Die Mischung musste<br />
während des Rezitierens <strong>der</strong> heiligen Silben gerührt<br />
werden, schrieb die uralte Tee-Tradition vor. Wobei das<br />
Rühren eher <strong>der</strong> Verhin<strong>der</strong>ung des Verkohlen diente<br />
denn <strong>der</strong> zeremoniellen Wichtigkeit. Einen Augenblick<br />
später goß ich Wasser auf die Mischung und begleitet von<br />
einem heftigen Zischen stieg eine wohlriechende<br />
Dampfwolke über dem Topf auf.<br />
Ich zog den Topf vom Feuer und gab aus einer Tonkruke<br />
etwas Wollsa<strong>um</strong>ilch dazu. Nun musste <strong>der</strong> Tee nur noch<br />
etwas ziehen. Chahani sah mir interessiert zu. „Das riecht<br />
gut, Dom Fela“ meinte sie und sah vom Topf auf. „Was ist<br />
das für ein Getränk?“<br />
„Das ist Ganja-Tee“ antwortete ich „Es ist ein Kraut aus<br />
meiner Heimat. Der Tee entspannt den Muskelpanzer<br />
und beruhigt den Geist, ohne zu schwächen. Und<br />
nebenbei ist er sehr schmackhaft.“<br />
Ich holte zwei Tankardkrüge aus <strong>der</strong> Backskiste und goß<br />
den Tee durch ein Siebnetz in eine Kanne, aus <strong>der</strong> ich die<br />
Tankards halbvoll schenkte. Ich reichte Chahani einen <strong>der</strong><br />
dampfenden H<strong>um</strong>pen und setzt mich wie<strong>der</strong>. Mit beiden<br />
Händen hielt ich meinen Tankard und sog gierig den Duft<br />
des Getränks ein.<br />
Erinnerungen an die Heimat wurden wach. Bil<strong>der</strong><br />
entstanden auf <strong>der</strong> Innenseite meiner geschlossenen<br />
Li<strong>der</strong>. Bil<strong>der</strong> von rauher, karstiger Landschaft in mildem<br />
Seeklima. Die charakteristischen Dolmen-Menhires, die<br />
das Heimatgut des Beltane-Clans symbolisch vom Land<br />
unserer Nachbarn abgrenzten. Die Reshtak-Herden<br />
meines Clans, die frei im Land weideten. Saftige, grüne<br />
Auwiesen mit ausgedehnten, weichen Onkergraskissen,<br />
die im Sommer von Myriaden bunter Bl<strong>um</strong>en gesprenkelt<br />
wurden. Der Duft nach Kräutern, Seeluft, <strong>der</strong> Wind im<br />
Haar. In Gedanken hörte ich den Schrei des Amarna-<br />
Falken, <strong>der</strong> schrill und laut über die Ebene klang… Kiwiitit!<br />
Kiwiit-it!!<br />
„Woran denkt Ihr?“ Chahani riß mich brutal aus dem<br />
lieblichen Tagtra<strong>um</strong>.<br />
„An die Heimat.“ Langsam öffnete ich die Augen und sah<br />
sie an. Ich bemerkte erst jetzt, dass sie an sich sehr<br />
nachdenkliche Züge hatte, keineswegs das oberflächliche<br />
Gesicht einer Aristokratentochter. Ihr Gesicht war hart<br />
und schmal, aber von einer gewissen subtilen Schönheit,<br />
die sich erst bei genauem Hinsehen voll entfaltete. Ihre<br />
Seite 10
grünen Augen blitzten linkisch und strahlten<br />
nichtdestotrotz eine enorme Wärme aus. Die Nase mit<br />
eng anliegenden Flügeln passte genau zu <strong>der</strong> Form ihres<br />
Gesichtes. Der Mund unter den hohen wangenknochen<br />
war sinnlich. Das spitze, markante Kinn verlieh ihrem<br />
Gesicht Charakter und Individualität.<br />
„Was verschlägt Euch eigentlich hierher, Dom? Ich<br />
meine, was habt Ihr geladen?“ Sie nickte in die Richtung,<br />
aus <strong>der</strong> das sanfte Kollern <strong>der</strong> Chalais zu vernehmen war.<br />
Ich nahm einen großen Schluck Tee. Heiß und süß rann<br />
es in meiner Kehle hinab. Wohin wollte die Prinzessin?<br />
Ich hatte das Gefühl, dass diese banale Frage in eine völlig<br />
an<strong>der</strong>e Richtung zielte.<br />
„Riba-Harz, Thenamelange und Hatai-Erze. Ich will in<br />
<strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> einen guten Schnitt machen“ antwortete ich<br />
tonlos.<br />
Sie sah mich beinahe verächtlich an. „Dom, Ihr wollt<br />
mich z<strong>um</strong> Narren halten. Es mag ja sein, dass ich eine<br />
Prinzessin bin und unerfahren in <strong>Trail</strong>angelegenheiten,<br />
aber ich bin sehr wohl in <strong>der</strong> Lage, einen Kaufmann von<br />
einem Krieger zu unterscheiden. Und Ihr…“ sie deutete<br />
mit dem ausgestreckten Finger auf mich „… seid kein<br />
Kaufmann! Also bitte, haltet mich nicht für d<strong>um</strong>m!“<br />
Jetzt sah sie mich herausfor<strong>der</strong>nd an. Ich steckte in einer<br />
Zwickmühle. Sie setzte nach.<br />
„Ihr bewegt Euch wie ein Krieger, Dom Fela. Ich habe<br />
Euch beobachtet. Oh, Ihr gebt Euch den Anschein eines<br />
harmlosen Gh<strong>um</strong>paführers, gewiß, und das versteht Ihr<br />
gut. Aber ich nehme Euch diesen M<strong>um</strong>menschanz nicht<br />
ab.“ Sie lächelte siegessicher, als ich nicht reagierte.<br />
„Ich denke,“ führte sie den nächsten Streich, „dass Ihr<br />
unter einen Vorwand in die Stadt geht. Doch wozu?“ Sie<br />
blickte scheinbar versonnen in die Luft, so, als suche sie<br />
nach einem Gedanken. Doch den hatte sie ja längst, sie<br />
spielte also. Doch welches Spiel war es, das sie spielte?<br />
Ich musste aus <strong>der</strong> Defensive heraus. Langsam hob ich<br />
den Blick und sah fest in Chahanis Augen.<br />
„Nun, werte Prinzessin, Ihr scheint Euch ja bereits ein<br />
Urteil über mich gebildet zu haben. Was denkt Ihr, was<br />
ich bin, hm?“<br />
„Ich denke, Ihr seid ein geübter Krieger, Dom“ gab sie<br />
ernst zurück, „und wahrscheinlich schmuggelt Ihr<br />
Waffen nach <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>, <strong>um</strong> die Rebellen zu<br />
unterstützen. Korrigiert mich, wenn ich falsch liege. Es<br />
kommt Euch sicher nicht ungelegen, dass Ihr nun in die<br />
Stadt einziehen könnt als <strong>der</strong> Retter <strong>der</strong> Braut von Galan<br />
Teg, ein Held, dessen Fracht sicherlich nicht kontrolliert<br />
wird, habe ich Recht?“ Sie grinste schnippisch. Es hatte<br />
keinen Zweck mehr, falsches Spiel zu treiben.<br />
„Nicht ganz, werte Prinzessin Chahani.“ entgegnete ich<br />
ihr und nahm noch einen Schluck Tee. „Für einen<br />
Waffenschmuggler wäre es nicht nützlich, Aufsehen zu<br />
erregen. Man hält sich in diesem Geschäft besser<br />
bedeckt. Also werdet Ihr verstehen, dass mir nicht daran<br />
gelegen ist, als Euer Retter gefeiert zu werden. Und nun,<br />
da Ihr mein kleines Geheimnis kennt, haben wir ein<br />
Problem.“ Ich trank aus und schenkte mir nach. Sie hielt<br />
mir ihren Tankard hin, ohne den Blick von mir<br />
abzuwenden. Ich schenkte ihr auch ein und fuhr fort. „Ich<br />
kann Euch nicht ohne weiteres zu Eurem Bräutigam<br />
laufen lassen, damit Ihr ihm meinen Kopf statt <strong>der</strong><br />
verlorenen Aussteuer zu Füßen legt.“<br />
„Das verstehe ich durchaus, Dom.“ meinte sie grinsend<br />
„aber wer sagt Euch, dass ich überhaupt zu meinem<br />
Bräutigam will? Vielleicht ist es ja gar nicht mein<br />
Bestreben, z<strong>um</strong> folgsamen Weibchen eines dekadenten<br />
Adelsburschen gekürt zu werden. Vielleicht hege ich<br />
sogar dieselben Sympathien für die Rebellen wie Ihr?<br />
Vielleicht bedeutet mir Freiheit mehr als Wohlstand und<br />
obskure Ränkespiele? Vielleicht…“<br />
Das Grinsen verschwand und wich einem entschlossenen<br />
Gesichtsausdruck. Ich erinnerte mich an den Vorfall auf<br />
<strong>der</strong> Empore <strong>der</strong> Taverne und daran, wie sie am Wasser<br />
gestanden hatte, den Speer in <strong>der</strong> Hand, auf Beute<br />
lauernd. So wie dieser Speer schien auch ihr Wille zu sein:<br />
Zielgerichtet und voller Kraft.<br />
„ Nehmt mich mit, Dom Fela. Ich vertraue Euch. Und Ihr<br />
könnt mir auch vertrauen.“ Sie sah mir fest und gerade in<br />
die Augen, als sie dies sagte.<br />
„Man wird Euch vermissen, Prinzessin …“ setzte ich an.<br />
„Oh, zweifelsohne!“ fiel sie mir ins Wort „Aber überlegt<br />
einmal. Spätestens in drei Tagen wird man einen<br />
Suchtrupp aussenden. Dieser wird in einem Kaktushain<br />
eine tote Eskorte finden, einen zerstörten Wagen mit<br />
hoheitlichen Abzeichen, Spuren eines <strong>Kampf</strong>es, tote<br />
Räuber. Die Prinzessin ist verschwunden. Unser bei<strong>der</strong><br />
Spuren sind auf dem <strong>Trail</strong>weg nicht ausz<strong>um</strong>achen. Man<br />
wird vermuten, ich sei von Räubern entführt worden.<br />
Wenn nach ein paar Tagen keine Auslösefor<strong>der</strong>ung<br />
erhoben wird, werden mein Vater und <strong>der</strong> fette Baron<br />
Teg annehmen, ich sei tot o<strong>der</strong> ein Spielzeug <strong>der</strong> Räuber.<br />
Das wird meinen Vater nicht allzu sehr betrüben, er<br />
wird eine meiner Schwestern an meiner Stelle zu Galan<br />
Teg ins Bett schicken. Das wie<strong>der</strong><strong>um</strong> betrübt mich nicht<br />
beson<strong>der</strong>s. Das versteht Ihr doch, o<strong>der</strong>?“ Sie grinste<br />
wie<strong>der</strong>.<br />
Ich überlegte. In <strong>der</strong> Tat waren ihre Schlussfolgerungen<br />
nicht von <strong>der</strong> Hand zu weisen. Und so, wie es aussah,<br />
wollte sie tatsächlich ihre Chance, in die Freiheit zu<br />
kommen, nutzen. Es war ihre letzte, allerletzte Chance.<br />
„Nehmt mich mit, Dom Fela. Ich werde euch nicht im<br />
Weg sein, im Gegenteil, ich werde an Eurer Seite<br />
kämpfen. Ich lege mein Leben in Eure Hände.“<br />
Ich trank aus und rä<strong>um</strong>te das Teegeschirr weg. „Es ist<br />
Zeit für die Nachtruhe“ sagte ich und erhob mich vom<br />
Feuer, das heruntergebrannt war. Ich schürte die Glut für<br />
die Nacht und legte ein paar Stücke Eisenholz auf, damit<br />
am Morgen noch Glut übrig sein würde. Wir gingen z<strong>um</strong><br />
Zelt und traten ein. Auf dem Boden hatte ich Teppiche<br />
und Reshtak-Felle ausgelegt, für ein bequemes Nachlager.<br />
Ich streifte meine Reitkleidung ab und legte sie mit dem<br />
Waffengurt an das Kopfende meines Lagers. Chahani<br />
stand vor mir und sah mich fragend an.<br />
„Ihr vertraut mir nicht, ist es wahr? Ich werde Euch<br />
beweisen, dass es mir Ernst ist, Dom.“<br />
Sie legte ihre Klei<strong>der</strong> ab und stand kurz darauf nackt vor<br />
mir. Ich begriff. Um den Sohn des Barons heiraten zu<br />
können, musste sie Jungfrau sein. Man würde sie<br />
daraufhin untersuchen, und <strong>der</strong> fette Baron selbst würde<br />
ihr die Unschuld nehmen, bevor er sie seinem Sohn zur<br />
Frau gab. Nun wollte sie die Brücke hinter sich<br />
verbrennen. In dieser Nacht brannten alle Brücken<br />
lichterloh, und als <strong>der</strong> Morgen dämmerte, war aus<br />
Prinzessin Chahani eine Rebellin geworden.<br />
Nach dem Frühmahl schnitten wir ihre langen Haare ab<br />
und rasierten ihr den Schädel. So gut es ging passten wir<br />
ihr einen meiner Reserve-Reitanzüge an und hüllten sie<br />
in ein Cape. Wir stellten den <strong>Trail</strong> zusammen und<br />
brachen auf in Richtung <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>. Als wir so<br />
Seite 11
dahinritten, sah ich sie von <strong>der</strong> Seite an. Ihr Blick traf den<br />
meinen, und mich überkam eine überraschende<br />
Erkenntnis. Ich hatte mich in Chahani, die<br />
Rebellenkriegerin, verliebt. Der Tag machte Anstalten,<br />
heiß und trocken zu werden. Die Gh<strong>um</strong>pas kollerten<br />
leise…<br />
Kapitel 3: <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong><br />
Am späten Nachmittag erreichten wir die Außenbezirke<br />
von <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>. Mit über einer Million Einwohner war sie<br />
die größte Stadt des gandrischen Kontinentalschilds, und<br />
hier brodelte das Leben. Aus allen Richtungen zogen<br />
<strong>Trail</strong>s in die komplett aus Lehm, Steinen und Holz<br />
erbaute Stadt und aus ihr heraus, es war ein überaus<br />
beeindruckendes Bild, wenn man –wie ich- aus einer eher<br />
ländlichen Gegend kam. Ich kannte <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> zwar,<br />
aber es war jedes Mal wie<strong>der</strong> ein Erlebnis, hier<br />
aufzuschlagen. Wir kamen über die große Westallee<br />
herein, auf <strong>der</strong> vorwiegend Industriegüter transportiert<br />
wurden. Bereits im äußeren Stadtring waren wir gegen<br />
Zahlung eines Obolus nur sporadisch kontrolliert worden<br />
und führten nun Passierscheine mit uns. Weit voraus<br />
zeichnete sich die Shilouette <strong>der</strong> Hauptstadt mit ihren<br />
Türmen, Minaretten, Kuppeldächern und <strong>der</strong> Mauer von<br />
Jahw Salam am Horizont ab. Hier in den Randbezirken<br />
wurde ein Großteil <strong>der</strong> Güter <strong>um</strong>geschlagen.<br />
Wir reihten uns auf <strong>der</strong> linken äußeren Spur des<br />
eingehenden <strong>Trail</strong>wegs ein. Noch weiter links waren die<br />
Staatswege, die von gewerblichen <strong>Trail</strong>s nicht genutzt<br />
werden durften. Dort, auf dem Heerweg zog ein<br />
Militärtrail aus <strong>der</strong> Stadt, <strong>der</strong> ein imposantes Bild bot und<br />
die wahre Stärke des Feindes andeutete. Der riesige <strong>Trail</strong><br />
bestand zuerst aus einer Kompanie berittener<br />
<strong>Kampf</strong>traks, <strong>der</strong>en Kieferzangen metallisch glänzten und<br />
mit gefährlichen Zacken versehen waren. Die gewaltigen<br />
Käfer waren erheblich größer als mein Trak-Ghena. Sie<br />
marschierten im Gleichschritt und die Sonnen ließen ihre<br />
Panzer metallisch glänzen. Doch die Traks waren bei<br />
weitem nicht das Gefährlichste, was Ninurtas Armee zu<br />
bieten hatte. Hinter ihnen ragten immense<br />
<strong>Kampf</strong>maschinen auf, die es nur in <strong>Gonda</strong> gab:<br />
gigantische Arachnopoden schoben sich uns entgegen;<br />
<strong>Kampf</strong>taranteln, höher als ein zweistöckiges Haus, mit<br />
furchtbaren Beißwerkzeugen. Sie waren mit je 7 Soldaten,<br />
Katapulten, Lanzenwerfern und an<strong>der</strong>er<br />
Kriegsmaschinerie besetzt. Diese Monster konnten im<br />
Feld ihre fingerdicken giftigen Hinterleibshaare wie ein<br />
Pfeilhaqel abschießen und damit ein ganzes<br />
Infanterieregiment komplett ausradieren, ihre Klebfäden<br />
vermochten jeden Trak und jeden Gh<strong>um</strong>pa kampfunfähig<br />
zu machen. Für ihre langen, starken Beine gab es kein<br />
Hin<strong>der</strong>nis, sie überwanden mit Leichtigkeit jeden<br />
Festungswall. Diese <strong>Kampf</strong>spinnen waren mit Abstand<br />
die gefährlichste Waffe Ninurtas, denn sie waren fast<br />
unbesiegbar.<br />
In Gedanken überschlug ich kurz, welche Menge an B<strong>um</strong>-<br />
G<strong>um</strong> nötig war, <strong>um</strong> eines dieser Ungeheuer z<strong>um</strong> Platzen<br />
zu bringen und analysierte die gewaltigen Körper auf ihre<br />
Schwachstellen hin. Da sie dicht vorbeizogen, konnte ich<br />
sie in Ruhe besehen, ohne aufzufallen, denn alle<br />
Gh<strong>um</strong>paführer starrten wie gebannt auf die<br />
<strong>Kampf</strong>taranteln. Die beste Möglichkeit, eine wirksame<br />
Sprengladung zu platzieren, bot aller Wahrscheinlichkeit<br />
nach das erste Brustsegment. Hier waren zusätzliche<br />
Stahlpanzer angebracht, was auf Verletzlichkeit schließen<br />
ließ.<br />
Ich schätzte ihre Zahl auf weit über Fünfzig Tiere, dann<br />
folgten die Geschützkäfer o<strong>der</strong> Donnergh<strong>um</strong>pas, wie man<br />
sie auch nannte. Diese Tiere hatten es in sich. In ihrem<br />
Hinterleib besaßen sie ein beson<strong>der</strong>es<br />
Ausscheidungsorgan, das brennbare Plasmacluster<br />
erzeugte, welche die Käfer mittels einer starken<br />
Hinterleibskontraktion ausstoßen und über 400 Fuß weit<br />
schleu<strong>der</strong>n konnten. Diese Brandgeschosse, die sich bei<br />
Luftkontakt selbst entzündeten, wurden vorwiegend bei<br />
Belagerungen eingesetzt, <strong>um</strong> feindliche Stellungen<br />
einzuäschern. Das brennende Plasma <strong>der</strong><br />
Donnergh<strong>um</strong>pas ließ sich nicht löschen und entwickelte<br />
eine enorme Hitze. 24 <strong>der</strong> rot-schwarzen Käfer zählte ich.<br />
Dann folgte eine <strong>um</strong>fangreiche Abteilung von Chalais-<br />
Gh<strong>um</strong>pas, die mit Soldaten besetzt waren;<br />
Truppentransporter.<br />
Der Militärtrail hatte insgesamt Divisionsstärke, und wie<br />
es aussah, handelte es sich dabei lediglich <strong>um</strong> eine<br />
Verstärkungseinheit. Ungeachtet des Umstandes, dass wir<br />
diesen <strong>Trail</strong> entgegen zogen, dauerte es fast 5 Glasen, bis<br />
<strong>der</strong> Konvoi an uns vorübergezogen war. Unter den Beinen<br />
<strong>der</strong> Käfer und Riesenspinnen bebte die Erde. Das<br />
Ermessen, wie groß wohl die zugehörige<br />
Hauptstreitmacht sein mochte, zu <strong>der</strong> dieser <strong>Trail</strong><br />
aufschloß, ließ mich nachdenklich werden. Eine offene<br />
Feldschlacht gegen eine solche Armee war undenkbar,<br />
nicht zu gewinnen, glatter Selbstmord. Die gondischen<br />
Rebellen taten gut daran, sich bedeckt zu halten und mit<br />
Nadelstichen und Guerillataktik zu operieren.<br />
Chahani schien mein Grübeln zu bemerken. Sie ritt<br />
dichter an mich heran und beugte sich zu mir herüber.<br />
„Das ist nur eine Division, Dom Fela. Eine Division. Zwei<br />
Dutzend Divisionen bilden eine Legion, und zwei dutzend<br />
Legionen eine Armee. Ninurta hat sechs Armeen zu<br />
Lande.“<br />
„Still!“ raunzte ich sie an und machte das Zeichen für<br />
Lippenleser. Sie verstand und schwieg.<br />
Die Lippenleser <strong>der</strong> gondischen Geheimpolizei konnten<br />
überall sein, getarnt als Bettler, Händler, Waschweiber,<br />
Trunkenbolde o<strong>der</strong> Wachsoldaten. Sie verstanden es<br />
ausgezeichnet, Lippenbewegungen, Mimik, Gestik und<br />
Körperhaltung einer Zielperson zu einer sinnvollen<br />
Aussage zu kombinieren. Manch ein Schmuggler wurde<br />
wegen einiger unbedacht geflüsterter Worte von Soldaten<br />
<strong>der</strong> Stadtgarde aus dem Fluß <strong>der</strong> <strong>Trail</strong>s herausgezogen<br />
und verschwand sang- und klanglos ohne großes<br />
Aufhebens in Ninurtas Folterkellern und Kerkern.<br />
Wir gaben uns Mühe, unbeteiligt zu wirken und<br />
wechselten hin und wie<strong>der</strong> ein paar unverfängliche<br />
Worte, die sich <strong>um</strong> guten Handel und gute Unterkunft<br />
drehten. Ich war noch nie über die Ostallee in die Stadt<br />
eingezogen, und so sah ich mir das bunte Treiben längs<br />
des Weges an. Es roch nach allerlei Spezereien, Schweiß,<br />
Käfermist, und die Luft war staubig. Viele Gewerbliche<br />
hatten sich hier, quasi „in <strong>der</strong> ersten Reihe“ angesiedelt<br />
und zahlten dafür sicherlich einen horrenden Pachtzins<br />
an die Stadtoberen. Da gab es halboffene Stellmacher-<br />
Werkstätten, Sattlereien und Läden von Packmachern.<br />
Der Klang von Schmiedehämmern erzeugte eine<br />
eigenartige, aber nicht unmelodische Geräuschkulisse,<br />
untermalt vom Scharren und Schleifen <strong>der</strong> Gh<strong>um</strong>pas.<br />
Irgendwo spielte jemand auf einer Bershwa-Flöte. Ferner<br />
Seite 12
gab es Holzmacherbetriebe, Seilereien und Grossisten, die<br />
alles für den <strong>Trail</strong>bedarf führten, von Reitkleidung bis hin<br />
zu Reisegeschirr. Daneben gab es Obst- und<br />
Gemüsehändler, Bäcker, Schlachter und Suppenküchen,<br />
Tavernen, Bordelle und Rauchhäuser, in denen man<br />
gegen Bares lizensierte Drogen kons<strong>um</strong>ieren konnte.<br />
Viele fliegende Kleinhändler unterschiedlichster<br />
Abstammungen liefen neben den <strong>Trail</strong>s her und boten<br />
Wasser, Wein und Waren feil. Die Geschäfte wurden<br />
hektisch im Laufen getätigt, denn auf <strong>der</strong> Allee einen <strong>Trail</strong><br />
anzuhalten, <strong>um</strong> ein paar Dendra-Feigen o<strong>der</strong> turkesische<br />
Honigkuchen zu erwerben, war so gut wie unmöglich. Um<br />
eine <strong>der</strong> Werkstätten o<strong>der</strong> ein festes Ladengeschäft zu<br />
frequentieren, musste <strong>der</strong> <strong>Trail</strong> seitlich in eine<br />
Dalbenweiche ausscheren, wo er bis z<strong>um</strong> Abschluß eines<br />
Handels geparkt werden durfte.<br />
Mit einem Mal nahm das Kollern <strong>der</strong> Gh<strong>um</strong>pas in unserer<br />
Spur zu und ein lautes, d<strong>um</strong>pfes Trompeten schallte vor<br />
uns durch die Reihen. Ein rot-gelb gesteifter Signalkäfer<br />
<strong>der</strong> Stadtgarde hatte es abgegeben und es bedeutete, dass<br />
unsere gesamte Spur anhalten musste. Die Signalkäfer<br />
liefen auf den seitlichen Staatswegen und wurden<br />
eingesetzt, <strong>um</strong> den <strong>Trail</strong>weg zu überwachen und<br />
gegebenenfalls in den Verkehrsfluß regulierend<br />
einzugreifen. Je<strong>der</strong> Gh<strong>um</strong>paführer hatte auf die<br />
Signalgaste zu hören und ihren Anweisungen zu folgen.<br />
Die Signalkäfer und ihre Reiter waren z<strong>um</strong> Beispiel –wie<br />
jetzt gerade- dafür da, <strong>um</strong> den Vorwärtstrieb <strong>der</strong> <strong>Trail</strong>s<br />
für einen Stop schrittweise zu verlangsamen, <strong>um</strong> Aufläufe<br />
und Karambolagen zu verhin<strong>der</strong>n. So konnte <strong>der</strong> Verkehr<br />
geordnet z<strong>um</strong> Stehen gebracht werden, Chaos wurde<br />
vermieden. Der Signalkäfer kam trompetend an uns<br />
vorbei, während ich den Trak und die Chalais<br />
verlangsamte, den Abstand z<strong>um</strong> Vor<strong>der</strong>mann nicht aus<br />
den Augen lassend. Der Signalgast hatte eine Rote Fahne<br />
mit weißen Kreisen darauf am Mast auf dem Rücken des<br />
Käfers gehisst, das bedeutete: Eiablage. Das war für die<br />
Behörden durchaus ein Grund, die <strong>Trail</strong>s zu stoppen.<br />
In <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> herrschte das Gesetz, dass alles, was auf<br />
öffentlichen Boden fiel, dem Staat und damit dem Kaiser<br />
gehörte und unverzüglich von <strong>der</strong> Stadtverwaltung zu<br />
konfiszieren war. Das galt für Waren, an<strong>der</strong>e Dinge je<strong>der</strong><br />
Art, und letztlich sogar für Gh<strong>um</strong>pa-Eier. Wenn also eine<br />
Gh<strong>um</strong>pa-Kuh auf dem <strong>Trail</strong>sweg beschloß, ihre Eier<br />
abzusetzen, dann gehörten diese –so sie den Boden<br />
berührten- dem Staat und wurden in staatliche Brut- und<br />
Zuchtanstalten verbracht. Dar<strong>um</strong> sah man hier und da<br />
immer wie<strong>der</strong> Gh<strong>um</strong>pas, die seltsam geformte Schlitten<br />
hinter sich herzogen, die schnabelförmig bis unter <strong>der</strong>en<br />
Kloake reichten. Damit wurden die Eier im Falle einer<br />
ungewollten Ablage aufgefangen und daran gehin<strong>der</strong>t,<br />
den Boden zu berühren. Im konkreten Fall sah es so aus,<br />
als habe ein Gh<strong>um</strong>paführer weiter vorn die Zeichen nicht<br />
recht gedeutet und den Schlitten nicht angehängt. O<strong>der</strong><br />
eine seiner Kühe hatte sich spontan entschlossen, ihre<br />
Eier abzustoßen.<br />
Zwei o<strong>der</strong> drei <strong>Trail</strong>s voraus wurde es hektisch. Geschrei<br />
und Gezeter, ein ordentlicher Lärm war zu hören und es<br />
sah aus, als würde die Strecke eine Weile dicht bleiben.<br />
Solche Geschehnisse waren eher selten, doch wenn es<br />
passierte, waren die Stadtbüttel mit ihren Traks schnell<br />
zur Stelle, denn ein Gh<strong>um</strong>pagelege war äußerst wertvoll.<br />
Eine Gh<strong>um</strong>pa-Eiablage konnte mitunter fünf bis zehn<br />
Glasen dauern, und es brauchte viele Hände, <strong>um</strong> die bis<br />
zu 300 schweren, kopfgroßen Eier aufzulesen und<br />
wegzutransportieren.<br />
Chahani und ich stiegen ab und gingen zu einer<br />
Suppenküche, die sich am Wegesrand auf unserer Höhe<br />
befand. An einem großen runden torfbefeuerten Kessel<br />
stand inmitten von Dunstschwaden eine nicht min<strong>der</strong><br />
runde Mamsell und rührte mit einen großen Holzlöffel in<br />
ihrem Kessel her<strong>um</strong>. Die Dämpfe, die dem Kochzuber<br />
entstiegen, rochen verführerisch.<br />
„Aye, was gibt es bei Euch Gutes?“ rief ich ihr zu, als wir<br />
uns ihrem Höllenkessel näherten. Sie sah mich an und<br />
grinste breit.<br />
„Schnappschinellen-Eintopf, Jungchen! Heiß, scharf und<br />
lecker! Iß davon, und es wird Deiner Süßen in <strong>der</strong> Nacht<br />
Freude bereiten!“ Sie lachte laut und <strong>der</strong>be, ebenso wie<br />
die Leute, die <strong>um</strong> ihren Stand her<strong>um</strong>lungerten.<br />
Schnappschinellen waren gondische Flussmuscheln,<br />
<strong>der</strong>en Muskelfleisch sehr proteinreich war und etwas<br />
streng schmeckte. Aber wie es roch, waren sie mit<br />
reichlich syrillianischen K´rbaschoten eingekocht. Da<br />
würde man den Eigengeschmack <strong>der</strong> Muscheln wohl<br />
ka<strong>um</strong> bemerken. Ich sah Chahani an, und sie nickte mir<br />
zu.<br />
„Dann gib uns zwei Portionen, Mamsell. Und<br />
Rieselgrasbrot dazu und Ale!“ Ich warf ihr drei große<br />
Kupferschekel mit gondrischer Prägung zu, die sie<br />
geschickt auffing. Für ihre Körperfülle war sie reichlich<br />
beweglich, fand ich. Wir setzten uns an einen <strong>der</strong> roh<br />
gezimmerten Tische und ihr Helfer tischte uns das Essen<br />
in einfachen Holzschüsseln auf.<br />
Ebenso roh geschnitzt waren die Gegenstände, welche<br />
wohl Löffel darstellen sollten. Naja, z<strong>um</strong>indest waren sie<br />
geeignet, zwei hungrigen Mün<strong>der</strong>n das zu geben, was in<br />
den Schüsseln schwamm. Das Brot kam, ein Viertel Laib,<br />
<strong>der</strong> recht hart war und gewiß nicht am heutigen Tag<br />
gebacken. Das Ale war auch schon etwas schal. Aber <strong>der</strong><br />
Eintopf war besser, als <strong>der</strong> erste Eindruck verhieß. Er<br />
schmeckte scharf, aber auch sehr fruchtig, und das<br />
Muschelfleisch war zart. Ich ertappte mich bei <strong>der</strong><br />
Vorstellung, dass die Alte da mit dem<br />
Rauchkrautst<strong>um</strong>mel im Mund die Muscheln vielleicht<br />
vorkaute, bevor sie diese in die Suppe warf und musste<br />
grinsen.<br />
„Was erheitert Euch, Dom?“ fragte Chahani.<br />
„Es ist nichts, nur ein amüsanter Gedanke.“ entgegnete<br />
ich. Sie sah mich fragend an, überging dann aber die<br />
weitere Nachfrage.<br />
„Wie geht es weiter, Dom Fela?“ fragte Chahani<br />
„Wenn die Strecke wie<strong>der</strong> freigegeben ist, werden wir<br />
uns z<strong>um</strong> Entladeplatz in <strong>der</strong> Hauptstadt begeben und<br />
unsere Ware verhökern. Ich hoffe, wir schaffen es bis zur<br />
Tageswende.“ Ebenso hoffte ich, dass Chahani noch an<br />
die Lippenleser dachte. Aber z<strong>um</strong> Glück blieb sie<br />
unverfänglich.<br />
„Aye! Ich hoffe, <strong>der</strong> Preis für die Ware entspricht den<br />
Erwartungen des Hauses, Dom. Nicht, dass uns <strong>der</strong><br />
Haushofmeister nach unserer Rückkehr noch<br />
Schwierigkeiten macht.“ Sie schmatzte und rülpste beim<br />
Essen wie ein echter Gh<strong>um</strong>paführer und sprach mit<br />
vollem Mund. Es gab nichts an diesem kahlrasierten<br />
Weib, das an ihre aristokratische Herkunft erinnerte. Sie<br />
hatte eine komplette Wandlung durchgemacht. Aber so,<br />
wie sie jetzt war, gefiel sie mir weitaus besser, als vorher.<br />
Ihre Mimikri war nahezu perfekt.<br />
Seite 13
Ich sah hinüber zur Allee, wo noch immer Trouble wegen<br />
des Geleges herrschte. Chahani folgte meinem Blick. Mir<br />
fiel ein zerl<strong>um</strong>ptes junges Mädchen in unserer Nähe auf,<br />
das ein Bündel im Arm trug. Sie ging am <strong>Trail</strong>weg<br />
entlang. In ungelenker Arbeiter rempelte sie an, und das<br />
Bündel fiel zu Boden. Gerade als sie sich bückte, <strong>um</strong> es<br />
aufzuheben, trat eine Gruppe Wachsoldaten hinzu und<br />
<strong>um</strong>ringte sie. Der Mann, <strong>der</strong> offensichtlich das<br />
Kommando innehatte, tippte mit seiner Hellebarde auf<br />
das Bündel. Sie sah zu ihm auf.<br />
„Halt!“ herrschte er sie an. „Eigent<strong>um</strong> des Staates!“<br />
„Herr“, setzte sie flehend an, „darin sind keine<br />
Wertsachen, bitte. Es ist mein Kind.“<br />
„Du kennst das Gesetz. Was den Grund berührt, gehört<br />
dem Staat. Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist.“ Meinte<br />
er ungerührt.<br />
„Aber Herr, edler Dom“ wimmerte sie „es ist mein eigen<br />
Fleisch und Blut, mein Kind! Bitte…<br />
Der Wachsoldat hielt weiter die Spitze <strong>der</strong> Hellebarde auf<br />
das Bündel gerichtet, das sich ein wenig bewegte.<br />
„Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen Fleisch und<br />
Sachen. Tritt zurück, Weib, und gib den Weg frei.“ Damit<br />
bückte er sich, <strong>um</strong> das Bündel aufzunehmen. Das<br />
Mädchen begann furchtbar zu weinen und flehte weiter<br />
dar<strong>um</strong>, ihr Kind zurückzubekommen. Zwei Soldaten<br />
zerrten sie mit Gewalt auf die Seite und <strong>der</strong> Hauptmann<br />
nahm das Bündel an sich. Die junge Frau wehrte sich und<br />
kreischte verzweifelt, rief <strong>um</strong> Hilfe. Die Wachen führten<br />
das Mädchen ab und warfen sie in den Straßengraben an<br />
<strong>der</strong> Allee. Die Wache zog weiter. Heulend und verdreckt<br />
saß das Mädchen im versifften Straßengraben. Niemand<br />
rührte sich. Ka<strong>um</strong> einer nahm Notiz von <strong>der</strong><br />
Angelegenheit.<br />
Ich sah, wie sich Chahanis Muskeln anspannten. Ich legte<br />
meinen Arm auf ihren und drückte sanft zu.<br />
„Nicht, Chahani“, flüsterte ich, „Du kannst hier nichts<br />
tun.“<br />
Sie sah mich verständnislos an. „Aber… was geschieht<br />
nun mit dem Kind? Das können wir doch nicht<br />
zulassen…“ Ich sah sie mit einem beschwörenden Blick<br />
an. „Das Kind wird wahrscheinlich in <strong>der</strong> kaiserlichen<br />
Sklavenschule erzogen. Es ist nicht unsere Aufgabe,<br />
solche Dinge zu regeln. Wir sind für etwas an<strong>der</strong>es<br />
hergekommen. Also, iß Deine Suppe und denk nicht<br />
darüber nach, was Du eben gesehen hast.“<br />
„Ja, natürlich, Dom.“ Sagte sie und setzte sich wie<strong>der</strong>.<br />
„Wir reden später“ sagte ich zu ihr und blickte ihr in die<br />
Augen. Sie nickte und entspannte sich. Über ihre Lippen<br />
kam ein leiser Fluch in ihrem Heimatdialekt, den ich<br />
nicht zu verstehen brauchte, <strong>um</strong> ihn zu deuten. Aber wir<br />
konnten hier keinen Ärger gebrauchen. Nicht mit einem<br />
<strong>Trail</strong> voller hochbrisanter <strong>Kampf</strong>mittel. Sie sah es wohl<br />
ein und widmete sich wie<strong>der</strong> ihrem Essen.<br />
Inzwischen war <strong>der</strong> <strong>Kampf</strong> <strong>um</strong> die Gh<strong>um</strong>pa-Eier wohl<br />
beendet, denn das Gezeter auf dem <strong>Trail</strong>sweg wurde<br />
weniger. Von unserem Platz aus hatte ich gesehen, dass<br />
<strong>der</strong> Gh<strong>um</strong>paführer etwa ein dutzend Eier vor dem Fall auf<br />
den Boden gerettet hatte und diese nun in einer<br />
Bruttasche auf einem seiner Käfer verstaute. Er machte<br />
kein sehr fröhliches Gesicht dabei.<br />
Wir erhoben uns und gingen hinüber zu unsrem <strong>Trail</strong>,<br />
nicht ohne <strong>der</strong> Alten noch einen Schekel zuzuwerfen.<br />
„Gutes Essen!“ rief ich ihr im Gehen zu. „Sehr zu<br />
empfehlen.“ Sie grinste über das ganze Gesicht. Z<strong>um</strong><br />
Abschied winkte sie uns mit ihrem überdimensionalen<br />
Rührlöffel. Ich war sicher, <strong>der</strong> zusätzliche Schekel ließ sie<br />
vergessen, dass wir überhaupt da gewesen waren.<br />
Wir kamen gerade rechtzeitig, <strong>um</strong> das Wie<strong>der</strong>anlaufen<br />
<strong>der</strong> <strong>Trail</strong>s noch bequem mitz<strong>um</strong>achen, so dass wir nicht<br />
aus <strong>der</strong> Reihe fielen. An uns vorbei ritten die Signalgaste<br />
und schwenkten grüne Fahnen, das Aufbruchsignal. Die<br />
Reise ging weiter über die große Allee bis zu einer<br />
Abzweigung kurz vor Nag H´mas Algr, einem Stadtteil,<br />
<strong>der</strong> dicht am Zentr<strong>um</strong> lag und vorwiegend von kleineren<br />
Gewerbetreibenden genutzt wurde. Die Wohnhäuser hier<br />
waren meist zweigeschossig und wirkten allesamt etwas<br />
heruntergekommen. Der Glanz vergangener Zeiten<br />
blätterte von den Fassaden, und verwitterte Fresken und<br />
Wandmalereien zeugten von einer Ära, in <strong>der</strong> es diesem<br />
Stadtteil deutlich besser gegangen war. Vor mehr als<br />
zwanzig S´rathzyklen war Nag H´mas Algr Heimat für die<br />
intellektuelle Oberschicht gewesen. Dichter, Denker,<br />
Philosophen, Maler und an<strong>der</strong>e bildende Künstler hatten<br />
hier gewirkt und diesen Stadtteil weit über die Grenzen<br />
<strong>der</strong> gondischen Hochebene hinaus bekannt gemacht.<br />
Doch die restriktive Politik des Kaiserhauses, die Satire,<br />
Kritik und offene Rede nicht eben för<strong>der</strong>te, hatte dafür<br />
gesorgt, dass diese Leute <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> nach und nach<br />
verlassen hatten. Der Klang von Schalmeizimbeln,<br />
Balisetten, Tubenflöten und Rasseln war dem monotonen<br />
Hämmern von Kupferschmieden, dem kreischenden<br />
Sägen von Zerlegebetrieben und dem üblichen<br />
Verkehrslärm gewichen. Staub und Schmutz lagerten sich<br />
auf den Fassaden und Straßen ab, und man konnte<br />
meinen, auch auf den Menschen, die hier lebten.<br />
Nirgends sah man fröhliche Gesichter, die vielen<br />
Gestalten in den Gassen hetzten geschäftig <strong>um</strong>her, den<br />
Blick gesenkt, <strong>um</strong> nur ja nicht den Stadtwachen<br />
aufzufallen und <strong>der</strong>en Willkür ausgeliefert zu sein.<br />
Ich wusste, dass das Leben aus diesem Stadtteil nicht<br />
vollends gewichen war, noch nicht. In den zahlreichen<br />
unübersichtlichen und verwinkelten Hinterhöfen gab es<br />
viele kleine Oasen, Orte <strong>der</strong> Kunst und <strong>der</strong> Liebe,<br />
wun<strong>der</strong>bare kleine Gärten, in denen rankende<br />
Kannenbl<strong>um</strong>en, Rieselgrasteppiche und das bunte Laub<br />
<strong>der</strong> Schulgi-Sträucher <strong>der</strong> Einöde trotzten und das Leben<br />
für die wenigen verbliebenen denkenden Menschen<br />
z<strong>um</strong>indest einigermaßen erträglich machten. Hinter den<br />
Werkstätten, Ladengeschäften und Fassaden <strong>der</strong><br />
Mietskasernen gab es einladende kleine Schänken,<br />
Amüsierschuppen und einige freie Theater, die sich<br />
mutig, aber dennoch vorsichtig <strong>der</strong> allgemeinen Zensur<br />
wi<strong>der</strong>setzten. Manche dieser Etablissements<br />
verschwanden über Nacht, wenn <strong>der</strong> Eigner es zu weit<br />
o<strong>der</strong> zu laut trieb und damit die Obrigkeit auf sich<br />
aufmerksam machte. Manch ein Wirt schmierte die<br />
Stadtwachen, <strong>um</strong> in Ruhe seinen Zins zu machen.<br />
Wir verließen den Alleezubringer und lenkten den <strong>Trail</strong> in<br />
eine <strong>der</strong> überfüllten Seitengassen, was sich dramatisch<br />
auf unser Tempo auswirkte. Nun ging es nur noch im<br />
Menschen-Schrittempo voran. Die gesamte Umgebung<br />
roch nach menschlichen Ausdünstungen, ab und an<br />
unterbrochen von leichten Fahnen Essensgeruch. So<br />
zogen wir etwa ein Dutzend Glasen lang durch das<br />
Getümmel, bis wir schließlich vor den Toren eines<br />
mittleren Warenlagers angekommen waren. Davor<br />
standen zwei Guardians, <strong>der</strong>en Aufgabe es war, Bettler,<br />
Diebsgesindel und Hin<strong>der</strong>nisse von dem Torweg<br />
fernzuhalten. Wir hielten an und einer <strong>der</strong> beiden, ein<br />
Seite 14
stämmiger Bursche mit langen, blonden Haaren und<br />
einer Vogelnase, trat zu mir heran und sah mich grimmig<br />
an.<br />
„Aye! Was ist Euer Begehr, Dom?“ fragte er ohne<br />
übertriebene Höflichkeit.<br />
Ich sah ihn an und antwortete ruhig: „Ich bin im Auftrag<br />
Deines Herrn hier. Ich bringe das Ribaharz für Beth<br />
Sharia.“<br />
„Zeigt mir Euren Passierschein und nennt das<br />
Calimdrom.“<br />
Das Calimdrom war ein bestimmter Code, <strong>der</strong> bei<br />
Abschluß eines Vertrages zwischen Verkäufer und<br />
Abnehmer vereinbart wurde und sicherstellen sollte, dass<br />
es auch tatsächlich <strong>der</strong> legitimerte Lieferant war, <strong>der</strong> da<br />
Zutritt z<strong>um</strong> Lager begehrte. Oft genug kam es vor, dass<br />
illoyale Angestellte des Abnehmers ihre Verwandschaft<br />
benachrichtigten, wenn eine Lieferung erwartet wurde,<br />
und diese lieferten dann min<strong>der</strong>wertige Ware, während<br />
ihre Schergen den <strong>Trail</strong> des Lieferanten plün<strong>der</strong>ten, <strong>um</strong><br />
die hochwertige Ware zu verschachern. Auf diese Weise<br />
waren einige zwielichte Clans in <strong>der</strong> Stadt zu<br />
beachtlichem Reicht<strong>um</strong> gekommen.<br />
Ich nannte ihm das korrekte Calimdrom und er<br />
verschwand mit meinem Passierschein durch eine<br />
Seitentür im Inneren des Warenlagers. Sein Kollege<br />
behielt uns genau im Auge. Eine Weile geschah nichts.<br />
Dann öffneten sich langsam und knarrend die Flügel des<br />
großen Tores nach innen und gaben uns den Weg frei in<br />
das Gebäude.<br />
Im Innern war das Gebäude wesentlich gerä<strong>um</strong>iger, als es<br />
von außen den Anschein hatte. Es erstreckte sich in <strong>der</strong><br />
Länge über mindestens drei, in <strong>der</strong> Breite über<br />
wenigstens zwei Blocks. Wir ritten ein und hielten in<br />
einem Innenhof, <strong>der</strong> einmal von einem Kristalldach<br />
überdeckt gewesen war. Reste <strong>der</strong> Dachverkleidung<br />
hingen noch in den Eisenholzrahmen, die sie einst<br />
getragen hatte. Nun war es ein offener, lichter Innenhof,<br />
<strong>der</strong> zu beiden Seiten von lehmziegelgedeckten Hallen<br />
gesä<strong>um</strong>t wurde.<br />
Hinter uns schlossen sich die Tore wie<strong>der</strong> und mit einem<br />
d<strong>um</strong>pfen Geräusch rastete <strong>der</strong> starke Eisenholzriegel ein,<br />
<strong>der</strong> wohl selbst dem Ansturm einer <strong>Kampf</strong>spinne<br />
standgehalten hätte. Schlagartig nahm auch <strong>der</strong><br />
Geräuschpegel ab, in <strong>der</strong> Halle war es fast still. Die<br />
Gh<strong>um</strong>pas kollerten leise.<br />
Der Stauerviez kam aus seiner Baracke und h<strong>um</strong>pelte auf<br />
uns zu. Sein rechtes Bein zog er etwas ach, was auf einen<br />
Arbeitsunfall hindeutete.<br />
Die Stauervieze <strong>der</strong> Großhändler waren oft altgediente<br />
Packer und Stauer, die schwere körperliche Arbeit nicht<br />
mehr verrichten konnten, aber <strong>der</strong>en Erfahrung im<br />
Umgang mit Waren und Gütern für den Händler<br />
unverzichtbar waren, sie genossen stets eine<br />
Vertrauensposition im Betrieb. Der Viez überwachte das<br />
Lager, versah die Eingangskontrolle und war quasi <strong>der</strong><br />
Vorarbeiter <strong>der</strong> Packer und Stauer. Die Packerkolonnen<br />
hatten die Aufgabe, einen <strong>Trail</strong> möglichst schnell zu<br />
entladen, während die Stauer dann die gekennzeichneten<br />
und portionierten Waren in die Regallager verfrachteten,<br />
<strong>um</strong> sie platzsparend und logisch sortiert zu lagern.<br />
Der Stauerviez sah mich an und fragte: “Aye,Dom. Seid<br />
Ihr <strong>der</strong>, welcher von Beth Sharia erwartet wird?“<br />
Aye. Ich bin <strong>der</strong> aus dem Westen, <strong>der</strong> von Osten kommt<br />
und nicht fürchtet, den Norden zu durchreiten, <strong>um</strong> im<br />
Süden das Ziel zu finden.“<br />
Das war <strong>der</strong> vereinbarte Geheimcode, Parole und<br />
Gegenparole. Der Viez nickte und ging zurück zu seinem<br />
Verschlag Er hantierte hinter <strong>der</strong> Kristallscheibe an<br />
irgendwelchen Hebeln, die er in einer scheinbar<br />
willkürlichen Art und Weise hin- und herbewegte.<br />
Ein knirschendes Geräusch lenkte meine Aufmerksamkeit<br />
wie<strong>der</strong> in die Mitte <strong>der</strong> großen Halle. Dort senkte sich ein<br />
Teil des Bodens langsam ab, so dass sich eine Rampe<br />
öffnete, die in ein geheimes Untergeschoß führte. Mit<br />
einem d<strong>um</strong>pfen Geräusch setzte die gewaltige Steinplatte<br />
im Keller auf und <strong>der</strong> Viez nickte mir von seiner Baracke<br />
aus zu. Der Weg war groß genug, einem <strong>Trail</strong> Platz zu<br />
bieten. Ich schüttelte den Tambur, und meine Gh<strong>um</strong>pas<br />
folgten mir in das dämmrige Kellergewölbe. Im<br />
Untergeschoß war die Halle nur halb so breit wie <strong>der</strong><br />
ebenerdige Teil, aber die Ausmaße dieser Gruft waren<br />
immer noch imposant. Ich war mir sicher, dass dieser<br />
Ra<strong>um</strong> auf keinem offiziellen Bauplan verzeichnet war und<br />
er war mit Sicherheit älter als das darüber stehende<br />
Gebäude.<br />
Allem Anschein nach handelte es sich hierbei <strong>um</strong> ein altes<br />
Zahnwalbecken, wie sie vor über 300 Zyklen noch in<br />
dieser Gegend üblich waren, z<strong>um</strong>indestens deuteten die<br />
verwaschenen Wandbemalungen in diese Richtung. Die<br />
Herrscher des antiken <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> hatten überall in <strong>der</strong><br />
Stadt pompöse Gärten und zoologische Anlagen errichten<br />
lassen, in denen sie die seltenen Spezies des Planeten zu<br />
ihrem Vergnügen gehalten hatten, so auch die inzwischen<br />
ausgerotteten mannslangen Zahnwale <strong>der</strong> veltrischen See,<br />
<strong>der</strong>en betören<strong>der</strong> Gesang einzigartig in den Meeren<br />
gewesen war. Ausgedehnte botanische Gärten, durchsetzt<br />
von Gehegen, Corrals und künstlichen Wasserbecken<br />
waren in späteren Zeiten <strong>der</strong> wachsenden Industrie und<br />
Besiedelung gewichen. Der Clan, dem dieses Gelände<br />
schon seit Generationen gehörte, hatte die Gunst <strong>der</strong><br />
Stunde geschickt zu nutzen gewußt und das alte Becken<br />
zu einem Kellergewölbe <strong>um</strong>funktioniert, indem es einfach<br />
mit riesigen Steinplatten abgedeckt wurde und darüber<br />
ein Warenhaus errichtet worden war. Ich hatte die Rampe<br />
vorher nicht ausmachen können, ähnlich ging es wohl<br />
auch den Eintreibern des Kaisers, so dass sich in diesem<br />
Gewölbe wohl einige gute Geschäfte tätigen ließen, ohne<br />
dass dafür <strong>der</strong> Staatszins gezahlt wurde. Ein einträgliches<br />
Nebengeschäftchen, wie es schien.<br />
Als wir den <strong>Trail</strong> in dem gerä<strong>um</strong>igen Keller manövriert<br />
hatten, schloß sich über uns die Rampe wie<strong>der</strong>. Nun<br />
wurde <strong>der</strong> Ra<strong>um</strong> ausschließlich von großen gläsernen<br />
Behältern erhellt, in denen große Myzel von Leuchtpilzen<br />
gezüchtet wurden. Die biologischen Reaktionen im Myzel<br />
tauchten das Geheimlager in ein bläuliches Licht, und<br />
kein durch irgendwelche Ritzen dringen<strong>der</strong> Öldunst o<strong>der</strong><br />
Rauch verriet das Versteck. Es war angenehm kühl hier<br />
unten und es roch etwas mulchig, was wohl von den<br />
Pilzen herrührte. Ich brachte den <strong>Trail</strong> mit dem Tambur<br />
z<strong>um</strong> stehen und sah mich <strong>um</strong>. Zu meiner Linken gab es<br />
ein großes Krukenlager, wahrscheinlich Weine und<br />
Spirituosen, die <strong>der</strong> Händler vor den Staatseintreibern<br />
versteckte. Interessanter wurde es im rechten Bereich,<br />
dort lagerten Kisten mit Metallbeschlägen, die<br />
wahrscheinlich Waffen beinhalteten. Ich erkannte die<br />
Form <strong>der</strong> Beschläge, es waren segurianische <strong>Trail</strong>kisten,<br />
von denen man die üblichen Händlerglyphen entfernt<br />
hatte. Schmugglerware, kein Zweifel.<br />
Ich sah Chahani an und nickte ihr zu, das Zeichen z<strong>um</strong><br />
Absitzen.<br />
Seite 15
„Wo sind wir hier, Dom?“ fragte sie.<br />
„Bei Freunden, Chahani, bei Freunden.“ entgegnete ich<br />
und sah mich <strong>um</strong>.<br />
„Gewiß seid Ihr das, Schwertmeister!“ donnerte eine<br />
Stimme von achteraus, und ein beleibter Mann mit<br />
segurianischen Zügen trat aus dem Schatten einer großen<br />
Säule hervor. Er kam zu uns herüber und wir <strong>um</strong>armten<br />
uns.<br />
„Tenebra, alter Freund. Schön, Euch wie<strong>der</strong>zusehen.“ ich<br />
klopfte ihm auf die Schultern.<br />
„Ich freue mich ebenfalls, Fela. Lang ist es her.“ meinte er<br />
und mit einem fragenden Blick zu Chahani: „Wer ist die<br />
Schöne an Eurer Seite? Euer Liebchen etwa?“ er grinste<br />
unverschämt.<br />
„Das ist Chahani, eine Begleiterin. Seht Euch vor, sie<br />
vermag ausgezeichnet mit Waffen <strong>um</strong>zugehen“ sagte ich<br />
schnippisch. Er verbeugte sich vor ihr und wandte sich<br />
wie<strong>der</strong> zu mir <strong>um</strong>. „Seid meine Gäste heute Abend, es gibt<br />
viel zu besprechen. Ich habe Euch in meinem Haus ein<br />
Nachtlager bereiten lassen, allerdings befürchte ich,<br />
dass ihr euch ein Zimmer teilen müsst. Ich hatte nicht<br />
mit Begleitung gerechnet, Fela. Ich bin begierig auf<br />
Geschichten aus <strong>der</strong> Heimat, Ihr müsst mir alles<br />
erzählen.“<br />
Mit einer Handbewegung bedeutete er uns, ihm zu folgen.<br />
Wir holten unsere Bündel von den Reittieren, und<br />
geschäftige Hände kümmerten sich sogleich <strong>um</strong> Tiere und<br />
Ladung.<br />
Wir folgten Tenebra durch die Halle, an <strong>der</strong>en Ende wir<br />
über eine steinerne Wendeltreppe nach oben gelangten.<br />
Durch eine Falltür gelangten wir in ein kleines<br />
Gartenhaus, das mit Gerätschaften vollgestellt war. Wir<br />
verließen den Geräteschuppen und gingen durch den<br />
üppig bepflanzten Garten z<strong>um</strong> Haupthaus, das wir durch<br />
einen Seiteneingang betraten. Tenebra führte uns in das<br />
Obergeschoß und wies uns ein großes Zimmer, das<br />
ausreichend eingerichtet war, <strong>um</strong> zwei Gästen eine<br />
bequeme Übernachtungsmöglichkeit zu bieten.<br />
„Ich denke, wir essen in etwa zehn Glasen, Ihr könnt<br />
Euch noch etwas frisch machen. Ich lasse Euch dann<br />
z<strong>um</strong> Essen rufen.“ Damit schloß er die Tür hinter uns und<br />
ich hörte seine Schritte auf <strong>der</strong> Treppe nach unten<br />
poltern.<br />
Chahani und ich legten unsere schwere Reitkleidung ab<br />
und wuschen uns den Staub vom Leib. Da das nicht allzu<br />
lange dauerte, hatten wir bis z<strong>um</strong> Essen noch etwas Zeit.<br />
Ich setzte mich an den Tisch und goß uns aus <strong>der</strong><br />
bereitstehenden Karaffe Wein ein.<br />
„War<strong>um</strong> sind wir nicht eingeschritten vorhin auf <strong>der</strong><br />
Straße?“ kam sie ohne weitere Umschweife zur Sache. Sie<br />
sah mich herausfor<strong>der</strong>nd an. In ihren Augen blitzte<br />
Streitwut.<br />
„Chahani, ich wäre <strong>der</strong> jungen Mutter gern zur Hilfe<br />
geeilt, ich bin kein Unmensch. Aber ich habe einen<br />
Auftrag zu erfüllen, <strong>der</strong> wichtiger ist als das Leben<br />
dieser Frau.“<br />
Ich machte mir nicht die Mühe, zu glauben, dass diese<br />
Antwort sie befriedigen würde.<br />
„Wie? Was kann wichtiger sein, als das Leben einer<br />
liebenden Mutter?“ Ihr Blick wurde verächtlich.<br />
„Die Leben von einer Million Menschen!“ erwi<strong>der</strong>te ich<br />
trocken. „Ich konnte dieser Frau nicht helfen, ohne die<br />
Mission zu gefährden. Wenn aber die Mission erfolgreich<br />
ist, wird ihr Kind vielleicht in Kürze zu ihr zurückkehren<br />
können o<strong>der</strong> z<strong>um</strong>indest als freier Mensch aufwachsen<br />
dürfen.“<br />
„Die Mission? Was ist das für eine Mission? Ich bin mir<br />
sicher, dass die Gh<strong>um</strong>pas bis obenhin mit Waffen<br />
beladen waren. Aber was macht es so wichtig, etwas<br />
Eisen über das Leben eines Kindes zu stellen? Wir hätten<br />
die Wachen ohne weiteres fertig machen können.<br />
Verlorenes Eisen kann man ersetzen, Leben nicht.“<br />
Eigentlich hatte sie ja Recht. Aber, ich hatte eben nicht<br />
nur Eisen geladen. Ich sah Chahani an. Ihr wilde,<br />
ungezügelte Art, Ihr Zorn, das Temperament machten sie<br />
noch schöner, als sie ohnehin schon war. Ihre Augen<br />
funkelten böse, und an ihren Schläfen pochte es. Was für<br />
ein Weib! Ich hätte mich zu gern zu ihr hinübergebeugt,<br />
und sie leidenschaftlich geküsst.<br />
„Chahani, ich bitte Dich, zu verstehen, dass meine<br />
Ladung von höchster Wichtigkeit ist für die Rebellion.<br />
Sie kann dazu beitragen, dass dieses sinnlose Morden,<br />
die Willkür und die Korruption endlich aus diesem Land<br />
verschwinden. Ich bitte Dich, mir zu vertrauen, denn ich<br />
vertraue Dir auch.“<br />
„Vertrauen… vertraust Du mir wirklich, Fela?“ Sie sah<br />
mich fragend an.<br />
„Würde ich das nicht tun, wärst Du tot.“ Entgegnete ich<br />
nüchtern. Das entsprach <strong>der</strong> Wahrheit.<br />
Sie nickte, denn sie wusste, dass es so war. Sie hob den<br />
Kopf und schüttelte den Kopf. Eine Geste, die mit ihren<br />
vormals langen Haaren sicherlich stets beeindruckend<br />
gewesen war, nun aber etwas deplatziert wirkte. Ich<br />
grinste sie an, und wir mussten beide Lachen. Sie stand<br />
auf, kam <strong>um</strong> den Tisch her<strong>um</strong> und setzte sich zu mir auf<br />
die Bank. Sie sah mir tief in die Augen.<br />
„Du bist in mich verliebt, nicht wahr?“ sagte sie mit<br />
einem Mal völlig unvermittelt.<br />
„Ja.“<br />
„Nun, dann beruht das wohl auf Gegenseitigkeit, schätze<br />
ich. Ich habe mich schon in <strong>der</strong> Taverne in Dich verliebt,<br />
Fela. Ich weiß nicht, was es ist, aber es ist etwas Starkes,<br />
Magnetisches, das mich zu Dir hin zieht, seit ich Dich das<br />
erste Mal sah. Ich liebe Dich, mein Schwertmeister.“<br />
Damit legte sie ihre Arme <strong>um</strong> meinen Hals und drückte<br />
ihre Lippen auf die Meinen. Wir küssten uns lang und<br />
intensiv, bis es an <strong>der</strong> Türe klopfte. Wir lösten uns<br />
voneinan<strong>der</strong> und ich rief zu Tür: „Ja, herein!“<br />
Die Türe öffnete sich, und herein kam ein Hausdiener, ein<br />
schmächtiger Jüngling von vielleicht 15 Zyklen mit<br />
neonubischen Zügen. Er wirkte etwas schüchtern, als er<br />
uns mit gesenktem Kopf leise ansprach.<br />
„Der Majordomus lässt ausrichten, dass ein Nachtmahl<br />
bereitet ist. Er lädt euch ein, ihm Gesellschaft zu leisten.“<br />
Ich antwortete ihm. „Geh und sag dem Majordomus,<br />
dass wir gleich kommen. Ich kenne den Weg.“<br />
Die Tür schloß sich wie<strong>der</strong>. Wir erhoben uns und gingen<br />
nach unten in die große Empfangshalle, in <strong>der</strong> ein<br />
gewaltiger Kamin in <strong>der</strong> Stirnwand angenehme Wärme<br />
spendete. Ein großer Tisch füllte ein gut Teil <strong>der</strong> Halle<br />
aus, er war üppig mit köstlichen Speisen belegt. Tenebra<br />
stand mit drei weiteren Männern am Kamin. Sie waren in<br />
ein Gespräch vertieft und tranken. Der Ra<strong>um</strong> war in<br />
teuerstem gondrischen Alabaster gekleidet, filigraner<br />
Stuck zierte die gewölbte Decke, von <strong>der</strong> ein imposanter<br />
Lüster herab hing. An <strong>der</strong> Seite gab es eine Fensterfront<br />
mit bunten Kristallglaseinlagen, die Jagdszenen aus <strong>der</strong><br />
segurianischen Pampa zeigten. An <strong>der</strong><br />
gegenüberliegenden Wand hing eine eindrucksvolle<br />
Seite 16
Sammlung historischer segurianischer Hieb- und<br />
Stichwaffen. Ein heimatliches Gefühl überkam mich, als<br />
wir die Halle betraten.<br />
Tenebra, <strong>der</strong> hier unter dem Namen Beth Sharia<br />
residierte, sah uns hereinkommen und winkte uns z<strong>um</strong><br />
Kamin heran.<br />
„Ah, Dom Fela, Doma Chahani! Nur herein, herein!<br />
Leistet uns Gesellschaft!“ Offensichtlich war Tenebra<br />
bester Stimmung. Auch seine Gesprächspartner sahen zu<br />
uns herüber. Sie waren gondrischer Abstammung, wie<br />
unschwer zu erkennen war.<br />
„Das Essen ist gleich soweit, nehmt Euch einen guten<br />
segurianischen Calva-Meth, Dom Fela. Der hier ist mehr<br />
als 30 S´rathzyklen gelagert, ein feiner obergäriger<br />
Tropfen.“ Er schwenkte seinen fein ziselierten Becher, <strong>der</strong><br />
im Vol<strong>um</strong>en durchaus Tenebras Statur entsprach. An<strong>der</strong>e<br />
Leute wuschen sich wohl die Hände in solchen Gefäßen,<br />
mutmaßte ich. Leise, versteht sich.<br />
Wir gingen z<strong>um</strong> Kamin, füllten uns je<strong>der</strong> einen Becher<br />
und gesellten uns zu <strong>der</strong> Gruppe am Kamin. Die Nächte<br />
waren kalt hier in <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>, und die wohlige Wärme<br />
des Feuers tat gut.<br />
„Darf ich vorstellen, meine Herren,“ begann Tenebra an<br />
seine Gäste gewandt, „Dom Fela Ibn Aib Noirez, <strong>der</strong> wohl<br />
beste Schwertmeister des segurianischen Reiches. Und<br />
seine entzückende Begleitung, Doma Chahani.“ Die drei<br />
Männer nickten mir zu und deuteten vor Chahani eine<br />
leichte Verbeugung an. Tenebra stellte seine Gäste vor.<br />
„Das hier…“ er deutete auf den hochgewachsenen<br />
Hageren zu seiner Rechten, „…ist Tulkman Donahai,<br />
erster Ratsherr <strong>der</strong> Gilde <strong>der</strong> Freihändler von Gandri.“<br />
Ich nickte dem Mann zu. „ Hier …“ er deutete nach links,<br />
wo ein untersetzter, gut gekleideter Mann mittleren Alters<br />
stand, dessen Haarpracht langsam arg an Dichte verlor,<br />
„…haben wir Guldur Chan, den zweiten stellvertretenden<br />
Haushofmeister des Kaisers Ninurta. Ein guter Freund<br />
unseres Hauses.“ Ich nickte diesem ebenfalls zu.<br />
Dann ging er zwei Schritte zu <strong>der</strong> dritten Person, die<br />
etwas verdeckt im Schatten einer Kriegerstatue stand und<br />
ihm nun zwei Schritte entgegekam. Nun fiel das Licht auf<br />
ein kantiges, windgegerbtes Gesicht, in dem eine nicht<br />
geringe Anzahl von Narben auf so einige überstandene<br />
Kämpfe schließen ließ. Der Teint des Mannes war dunkel,<br />
seine Augen standen nah beieinan<strong>der</strong> unter buschigen<br />
Brauen, und lange schwarze Haare <strong>um</strong>rahmten das<br />
Gesicht. Er war von kräftiger Statur, sehnig und<br />
muskelbepackt. Er mochte vielleicht so alt sein, wie<br />
Tenebras Calva-Meth, aber seine wachen und<br />
leuchtenden Augen zeugten davon, dass er gewiß kein<br />
Jungspund o<strong>der</strong> D<strong>um</strong>mkopf war.<br />
„Das ist unser beson<strong>der</strong>er Gast“, bemerkte Tenebra<br />
grinsend, „es ist mir eine Ehre, Euch Mah´di Shazbaken<br />
vorzustellen.“<br />
„Der Khan…“ murmelte ich. Chahanis Kopf ruckte zu mir<br />
her<strong>um</strong> und sie sah mich überrascht an. Mah´di Khan war<br />
<strong>der</strong> Führer <strong>der</strong> Rebellentruppen und damit <strong>der</strong><br />
meistgesuchte Mann in ganz <strong>Gonda</strong>. Auf seinen Kopf<br />
hatte <strong>der</strong> Kaiser 100.000 Goldschekel ausgesetzt, eine<br />
horrende S<strong>um</strong>me, die angesichts <strong>der</strong> Popularität des<br />
charismatischen Renegaten sicherlich angemessen war.<br />
Mah´di Khan kam auf mich zu und verbeugte sich höflich<br />
vor Chahani und mir.<br />
„Ja, <strong>der</strong> Khan. Ich bin erfreut, Eure Bekanntschaft zu<br />
machen, Dom Fela. Tenebra hat viel Gutes über Euch zu<br />
berichten gewusst. Ich muß gestehen, ich war sehr<br />
neugierig, den Mann zu treffen, <strong>der</strong> allein mit den<br />
Schwertern eine wilde <strong>Kampf</strong>spinne zu besiegen wusste.“<br />
Da hatte <strong>der</strong> gute alte Tenebra wohl reichlich<br />
Vorschußlorbeeren verteilt…<br />
„Und ich bin erfreut, den Mann kennenzulernen, <strong>der</strong> es<br />
schafft, die gesamte kaiserliche Armee nur durch seinen<br />
Namen in Furcht und Schrecken zu versetzen“ gab ich<br />
grinsend zurück. Er sah mich ernst an.<br />
„Dom Fela, ich bin ein Diener meines Volkes, es spricht<br />
durch meinen Mund. Die Furcht, die <strong>der</strong> Kaiser<br />
empfindet, ist die vor seinen eigenen Untaten. Die Armee<br />
fürchtet nicht mich, sie fürchtet ihre eigene Feigheit. All<br />
diesen Dingen gaben sie meinen Namen, <strong>um</strong> sich <strong>der</strong><br />
eigenen Furcht nicht stellen zu müssen. Diese Furcht<br />
tötet ihr Bewusstsein und macht sie gefügig, willenlos<br />
und zu Werkzeugen des Bösen. Die Furcht führt zu<br />
völliger Zerstörung des freien Willens. Ich sehe ihr ins<br />
Gesicht. Sie soll mich völlig durchdringen. Und wenn sie<br />
von mir gegangen ist, bleibt nichts zurück. Nichts außer<br />
mir. Dar<strong>um</strong> bin ich <strong>der</strong> Khan, das Eidolon ihrer Furcht.“<br />
„Wohl gesprochen, Khan. Die Stimme Eures Volkes<br />
spricht mit weiser Zunge.“ Entgegnete ich und prostete<br />
ihm zu. Er erwi<strong>der</strong>te die Geste und leerte seinen Becher in<br />
einem Zug.<br />
Am an<strong>der</strong>en ende des Ra<strong>um</strong>es öffnete sich eine Tür, und<br />
die Bediensteten trugen die warmen Speisen herein. Auf<br />
einen Wink Tenebras verschwanden sie so schnell und<br />
lautlos, wie sie gekommen waren.<br />
„Nun denn, lasst uns essen, liebe Freunde!“ Tenebra<br />
klatsche in die Hände und schritt zur Tafel. Er setze sich<br />
an den Kopf des Tisches. Wir an<strong>der</strong>en suchten uns Plätze<br />
an den Flanken und setzten uns ebenfalls. Chahani und<br />
ich nahmen an <strong>der</strong> linken Flanke Platz, die an<strong>der</strong>en Gäste<br />
saßen uns gegenüber. Der zweite stellvertretende<br />
Haushofmeister sprach ein gondrisches Tischgebet,<br />
während Tebenra schon in den Schüsseln rührte.<br />
Daß Tenebra ein Mann des guten Geschmacks war,<br />
wusste ich seit langem. Doch was er uns hier auftischte,<br />
war schier unglaublich. Ich vermutete, <strong>der</strong> Kaiser selbst<br />
aß nicht so gut wie wir an diesem Abend. Ich zog die<br />
verführerischen Düfte in meine Nase ein und ließ den<br />
Blick über die Tafel schweifen.<br />
Da waren drei verschiedene Sorten Ra´chd, gedünsteter<br />
Flugfisch, <strong>der</strong> köstlich nach Rimpinellkraut duftete,<br />
Reshtak-Brühklopse in einer scharf riechenden roten<br />
Tunke von Gappaschoten, am Feuer gegrillte<br />
Onkerfleischspießchen, ein gerösteter Shinga-Vogel mit<br />
Honigkruste und Moorlandkrabben in Lake. Dazu gab es<br />
Süßknollen, junge Sudrübchen, gestoften Frostkohl,<br />
Fen<strong>der</strong>krautmus und songenannte Onkeraugen, kleine<br />
Pfannkuchen aus Rieselgras mit einem Klecks<br />
Pintabeerenpürree darauf. Zwei Körbe mit verschiedenen<br />
Sorten Rieselgrasbrot standen bereit und eine große<br />
Schale mit Früchten <strong>der</strong> Saison.<br />
Wir langten alle ordentlich zu, und es wurde geschmaust.<br />
Die segurianischen Tischsitten schrieben vor, dass<br />
während des Hauptmahls nicht gesprochen werden<br />
durfte, und alle Anwesenden respektierten dies. Nach<br />
etwa 45 Glasen war das große Mahl beendet und Tenebra<br />
läutete mit einer Glocke nach den Dienern, welche sofort<br />
herbeieilten und das Essen abrä<strong>um</strong>ten. Einige kleine<br />
Süßspeisen, Konfekt, Backwerk und Getränke wurden<br />
aufgetragen, und die dienstbaren Geister verschwanden<br />
wie<strong>der</strong>. Nun begann <strong>der</strong> gemütliche Teil des Abends. Wir<br />
füllten unsere Becher und kosteten von den Spezereien.<br />
Seite 17
„Was gibt es Neues aus <strong>der</strong> Heimat, Dom Fela?“ Tenebra<br />
sah mich fröhlich und gutgelaunt an „Ist <strong>der</strong> alte Teg Aib<br />
Noirez noch am Leben und malträtiert die Kadetten?<br />
Wie geht es auf dem Gut, laufen die Geschäfte?<br />
„Danke <strong>der</strong> Nachfrage, die Geschäfte gehen gut. Der alte<br />
Teg ist tatsächlich noch am Leben und sein<br />
Temperament und seine Stimmgewalt scheinen mit den<br />
Zyklen noch zuzunehmen. Der imperiale Rat ist<br />
allerdings etwas in Sorge wegen <strong>der</strong> aktuellen Lage in<br />
<strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>. Es heißt, die Rebellen hätten einige Verluste<br />
hinnehmen müssen und die Position des kaiserlichen<br />
Hauses sei in letzter Zeit gestärkt worden.“<br />
Der Haushofmeister Guldur Chan antwortete mir “Das ist<br />
richtig, die kaiserliche Geheimpolizei hat einige Erfolge<br />
verbuchen können, und das geknechtete Volk erliegt nur<br />
allzu oft <strong>der</strong> Versuchung, sich ein Kopfgeld zu verdienen.<br />
Wir sehen darin ein großes Problem, zu dessen Lösung<br />
Ihr hoffentlich beitragen könnt. Eure Lieferung ist<br />
jedenfalls ein großer Schritt vorwärts in Richtung<br />
Umsturz. Die Splittergruppen sind noch zerstritten. Der<br />
Khan muß diese kleinen Grüppchen vereinen, <strong>um</strong> einen<br />
Marsch auf <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> wagen zu können. Doch wir sind<br />
nicht genug. Wir brauchen Unterstützung, massive<br />
Unterstützung, Dom.“<br />
„Aber die <strong>um</strong>liegenden Reiche unterstützen Euch doch<br />
nach Kräften, die Gilde p<strong>um</strong>pt hunterttausende Schekel<br />
jeden Zyklus in die Bewegung.“ entgegnete ich.<br />
Der hagere Gildenmann beugte sich über den Tisch. „Es<br />
geht nicht <strong>um</strong> Geld, Dom Fela. Waffen besitzen wir<br />
genug, nicht zuletzt durch Euren wagemutigen <strong>Trail</strong><br />
sogar in einer Form, <strong>der</strong> Ninurta nichts<br />
entgegenzusetzen hat. Nur das reicht eben nicht. Wir<br />
haben nur einen einzigen Versuch, <strong>um</strong> <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> zu<br />
erobern, wenn wir fehl gehen, war die Anstrengung <strong>der</strong><br />
letzten Zyklen <strong>um</strong>sonst. Was wir brauchen, sind Krieger,<br />
die unsere Waffen zu führen verstehen. Mah´di Khan ist<br />
ein exzellenter Anführer, ein brillianter Stratege, ein<br />
wahrlich großer Mann. Aber seine Truppe reicht nicht<br />
aus, Ninurtas gewaltige Armeen zu schlagen, selbst<br />
wenn wir mit B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong> die ganze Stadt in Schutt und<br />
Asche legen, was zweifelsohne möglich ist. Ninurtas<br />
Legionen würden uns überrennen.“<br />
„Was Ihr braucht, ist also ein anständiger Plan, ja? Und<br />
natürlich Söldner.“ Der Einwurf kam von Chahani, die<br />
<strong>der</strong> Unterhaltung aufmerksam gelauscht hatte.<br />
Tenebra mischt sich ein. „Dom Fela, ich habe über meine<br />
Routen Kontakt z<strong>um</strong> Kriegervolk <strong>der</strong> Mandraken<br />
aufgenommen. Sie wären unter Umständen bereit, uns<br />
mit Söldnern zu unterstützen. Allerdings müsste <strong>der</strong><br />
Khan den Warlord <strong>der</strong> Mandraken aufsuchen und ihm<br />
unser Angebot persönlich unterbreiten.“<br />
Ich blickte Tenebra nachdenklich an. „Xul Eisenbeisser,<br />
<strong>der</strong> Warlord <strong>der</strong> Mandraken … er ist ein<br />
unberechenbarer Typ. Fraglich, ob ein Handel mit<br />
diesem Berserks Bestand hat, mein Ihr nicht auch? Die<br />
Mandraken sind unzuverlässig, engstirnig, unzivilisiert<br />
und ihre Disziplin lässt sehr zu wünschen übrig. Wie<br />
wollt Ihr Xul dazu bringen, seine Leute in diesen <strong>Kampf</strong><br />
zu schicken?“<br />
„Das ist meine Aufgabe, Dom Fela.“ warf Mah´di Khan<br />
ein. „Wichtig ist, dass ich die schwebenden Inseln sicher<br />
erreiche, <strong>um</strong> mit Xul zu reden. Ich bin <strong>der</strong> Khan, und ich<br />
denke, ich werde ihn überzeugen können. Eure Aufgabe<br />
soll es sein, mir sicheres Geleit zu den Mandraken zu<br />
geben.“<br />
Damit war die Katze aus dem Sack. Ich hatte mich<br />
eigentlich darauf eingerichtet, morgen meine Gh<strong>um</strong>pas<br />
wie<strong>der</strong> nach Seguria zu führen, <strong>um</strong> mich dort <strong>um</strong> die<br />
nächste Lieferung zu kümmern. Genau das sagte ich<br />
Tenebra.<br />
„Sorgt Euch nicht <strong>um</strong> Euren <strong>Trail</strong>, Dom Fela. Die Tiere<br />
werden hier gut versorgt sein, bis Ihr wie<strong>der</strong>kehrt und<br />
<strong>der</strong> Taifunkampf vorüber ist. Wenn es uns gelingt, die<br />
Mandraken von <strong>der</strong> Notwendigkeit dieses <strong>Kampf</strong>es zu<br />
überzeugen, ist mehr gewonnen als mit zehn weiteren<br />
Waffenlieferungen. In diesem Moment werden die B<strong>um</strong>-<br />
G<strong>um</strong> Ladungen an den strategisch wichtigen Positionen<br />
deponiert und die Sprengmeister warten nur auf das<br />
Zeichen. Sorgt ihr nur dafür, dass wir eine aggressive<br />
Offensivstreitmacht aufstellen können, dann ist <strong>der</strong><br />
Sache gut gedient.“<br />
Ich überlegte kurz.<br />
„Eine Reise zu den äußeren Kontinentalringen erfor<strong>der</strong>t<br />
an<strong>der</strong>e Reittiere. Ich brauche drei gut ausgebildete und<br />
flugfähige <strong>Kampf</strong>traks, am besten Djiati-Ghenas. Und<br />
Proviant für einen Mondzyklus. Könnt Ihr einen<br />
<strong>Kampf</strong>trak in <strong>der</strong> Luft reiten, Khan?“ Ich sah ihn an.<br />
Er nickte „Sicher.“<br />
Tenebra sicherte zu, dass drei voll ausgebildete und gut<br />
konditionierte <strong>Kampf</strong>traks <strong>der</strong> gewünschten Gattung bis<br />
z<strong>um</strong> übernächsten Tag bereit stehen würden. Und wir<br />
wurden uns einig, wie die Reise von statten gehen sollte.<br />
Ein Ausflug zu den „schwebenden Inseln“ war kein<br />
Spaziergang. Auf dem Weg in dieses Areal gab es reichlich<br />
Gefahrenherde, und die Inseln selbst zu durchreisen war<br />
gewiss kein Pappenstiel. Die Mandraken wan<strong>der</strong>ten über<br />
die Inseln, und wir würden den Kernstamm erst ausfindig<br />
machen müssen. Bis dahin waren wir stets willkommene<br />
Ziele für die verstreut lebenden Krieger.<br />
Im Laufe des Abends erörterten wir noch weitere<br />
Einzelheiten und diskutierten die aktuelle Lage. Fest<br />
stand, dass <strong>der</strong> Befreiungsschlag gegen das Regime von<br />
Ninurta binnen innerhalb <strong>der</strong> nächsten sechs Mondzyklen<br />
geführt werden musste, da seine Macht durch die<br />
ständigen Eroberungskriege ständig anwuchs. Ich sagte<br />
den Anwesenden zu, während <strong>der</strong> Reise mit dem Khan<br />
einige strategische Gedanken zu diskutieren und erklärte<br />
mich bereit, eine Armee <strong>der</strong> Rebellen in die offene<br />
Feldschlacht vor <strong>der</strong> Stadt zu führen. Tenebra versicherte<br />
mir, dass er in <strong>der</strong> Lage sei, mein Offizierskorps aus<br />
Seguria in den nächsten zwei Monzyklen unauffällig zu<br />
den Schlüsselpositionen auf <strong>der</strong> gondrischen Hochebene<br />
durchzuschleusen. Bei meiner Rückkehr würden mir<br />
meine Bashars zur Seite stehen. Ich musste mir nur noch<br />
ein Heer aufstellen.<br />
Wir konnten nicht erwarten, dass unsere Streitmacht<br />
unbemerkt aufziehen können würde. Die Armeen des<br />
Kaisers würden uns also auf dem großen Schlachtfeld<br />
erwarten. Die grobe Taktik sah vor, in <strong>der</strong> Stadt durch<br />
starke Explosionen und gezielte Aufstände Terror zu<br />
verbreiten, während wir in zwei Keilen Ninurtas Armeen<br />
draußen spalten würden, <strong>um</strong> die Formation zu<br />
schwächen. Dann würden wir konzertiert an allen<br />
Punkten gleichzeitig zuschlagen, <strong>um</strong> Ninurta zu besiegen.<br />
Je mehr ich überlegte, desto mehr wuchs in mir die<br />
Erkenntnis, dass wir mit unkonventionellen Methoden<br />
und antizyklischen Strategien würden operieren müssen,<br />
Seite 18
<strong>um</strong> Ninurtas gewaltige Armee zu bezwingen. Der Plan war<br />
bislang alles an<strong>der</strong>e als durchführbar.<br />
Am späten Abend gingen wir auseinan<strong>der</strong> und <strong>der</strong> Khan<br />
und ich verabredeten uns für den Nachmittag des<br />
übernächsten Tages hier vor Ort. So hatten Chahani und<br />
ich noch einen ganzen Tag zusammen, was mir sehr gut<br />
gefiel. Wir gingen auf unser Zimmer, in dem ein<br />
Hausdiener den Kamin entfacht hatte, so dass uns<br />
wohlige Wärme erwartete. Müde vom anstrengend Tag<br />
fielen wir in das große Bett und schliefen schon nach<br />
wenigen Momenten tief und fest.<br />
Kapitel 4: Der Alte vom Berg<br />
In den frühen Morgenstunden erwachte ich, als ich<br />
Chahanis weiche Lippen zwischen meinen Schenkeln<br />
spürte. Sie liebkoste mich zärtlich, was schnell die von ihr<br />
erwünschte Reaktion zeigte. Sanft und weich massierte<br />
sie meine Männlichkeit, die sich pulsierend mit Blut<br />
füllte. Sie kam über mich und setzte sich auf mich.<br />
Wi<strong>der</strong>standslos nahm ihre Yoni mich in sich auf und ihre<br />
Beckenmuskulatur schloss sich fest <strong>um</strong> den Schaft meines<br />
Lingam. Zuerst langsam, dann immer schneller werdend<br />
ritt sie mich wie einen <strong>Kampf</strong>trak. Nach kurzer Zeit waren<br />
wir beide schweißgebadet und erfüllten unser Lust mit<br />
voller Hingabe. Der Ra<strong>um</strong> roch intensiv nach <strong>der</strong><br />
Vereinigung unserer dampfenden Körper. Ich bä<strong>um</strong>te<br />
mich auf und warf sie auf den Rücken. Meine Arme<br />
wan<strong>der</strong>ten unter ihren Schenkeln hindurch und mit den<br />
Händen hielt ich ihre Arme. Wie ein wehrloser Gh<strong>um</strong>pa<br />
lag sie vor mir auf dem Rücken und bot mir ihre weit<br />
geöffnete Vulva an. Gierig stieß ich tief in sie hinein, bis<br />
sie vor Lust laut aufstöhnte. Wie<strong>der</strong> und wie<strong>der</strong> trieb ich<br />
mein Fleisch in das ihre, und sie schrie wollüstig in hohen<br />
Tönen. Mit einem Mal wurde ihr Inneres weich und<br />
öffnete sich mir vollständig, so dass ich noch tiefer in sie<br />
Eindringen konnte. In ekstatischen Zuckungen feierte sie<br />
in ihrem inneren Tempel eine Freudenfest <strong>der</strong> Geilheit<br />
und erklomm langsam den Höhepunkt <strong>der</strong> Lust. Mitten in<br />
das Inferno ihre Orgasmus p<strong>um</strong>pte ich den heißen Saft,<br />
<strong>der</strong> meinen Lenden entströmte. Eng <strong>um</strong>klammert rollten<br />
wir über das Lager, küssten uns innig und ließen uns im<br />
Feuerwerk <strong>der</strong> Gefühle treiben. Als wir etwas zur Ruhe<br />
gekommen waren, sah sie mir tief in die Augen und<br />
hauchte „Ich will mehr, Fela. Mehr.“ Und sie bekam<br />
mehr. Mehr als vier Dutzend Glasen lang ließen wir Welt<br />
<strong>um</strong> uns her<strong>um</strong> egal sein, erlebten wir die mystische<br />
Vereinigung und das Feuer im Rücken, das uns den<br />
Göttern gleich machte.<br />
Wir schliefen noch dreißig Glasen lang und machten uns<br />
dann frisch für den Tag. Als wir fertig angekleidet waren<br />
begaben wir uns nach unten in die Halle, dort war <strong>der</strong><br />
Tisch gut gedeckt z<strong>um</strong> Frühmahl. Wir tranken Malzkaffe,<br />
aßen etwas Brot und Tauben und ließen den Tag ruhig<br />
angehen. Wir genossen die Errungenschaften <strong>der</strong><br />
Zivilisation, denn in nächster Zeit würde es damit erst<br />
einmal wie<strong>der</strong> vorbei sein. Viele Tageszyklen voller<br />
Entbehrungen, Unannehmlichkeiten und Gefahren<br />
warteten auf uns.<br />
„Ich liebe Dich, Fela“ sagte sie unvermittelt. „Ich will<br />
Deine Gefährtin sein. Nimm mich zur Frau. Du bist doch<br />
nicht ehelich gebunden, o<strong>der</strong>? Ich heirate nämlich keinen<br />
Gebundenen.“ Ihre Frage war wohl rhetorischer Natur,<br />
denn ich trug keinen Familienreif am Arm, <strong>der</strong> Auskunft<br />
über Frauen und Kin<strong>der</strong> gegeben hätte. Ich sah sie an,<br />
und mir wurde klar, dass Chahani die einzige Frau an<br />
meiner Seite sein würde. Wohl stellte das segurianische<br />
Recht mir frei, so viele Frauen zu nehmen, wie ich<br />
ernähren konnte, aber diese Eine war mehr Wert als ein<br />
Dutzend an<strong>der</strong>e.<br />
„Ich liebe Dich auch, Chahani, von Herzen. Und ich will<br />
Dich als Gefährtin und Frau an meiner Seite wissen. Du<br />
bist die Eine.“ Ich nahm ihr Kinn in die Hand und führte<br />
ihre Lippen zu meinen. Dieser Kuß besiegelte unser<br />
zukünftiges gemeinsames Leben.<br />
In diesem Moment kam Tenebra zur Tür herein. Er sah<br />
uns und grinste unverhohlen.<br />
„Na, Ihr beiden Turteltäubchen… sieht so aus, als habe<br />
Symbion, <strong>der</strong> Liebesgott, hier gründlich zugeschlagen.<br />
Hach, wie mich das freut! Junge Leute auf dem Wege,<br />
die Zukunft des Reiches zu fundamentieren. Ich wünsche<br />
Euch viele kleine Krieger und viele schöne Töchter!<br />
Fthagn!“<br />
„Dom Tenebra“ erwi<strong>der</strong>te Chahani mit fester Stimme<br />
„sagt, ist es möglich, noch heute eine Hochzeit zu<br />
arrangieren? Hier, in Eurem ehrwürdigen Haus?“<br />
„Na, aber sicher ist das möglich!“ frohlockte <strong>der</strong><br />
Majordomus „Ich werde sofort alles herrichten lassen!<br />
Er stürzte förmlich aus dem Zimmer und man hörte ihn<br />
im Gang laut in die Hände klatschen und mit<br />
militärischer Präzision Anweisungen an sein Personal<br />
austeilen. Ich grinste Chahani an. Dieses Weib ließ<br />
wahrlich nichts anbrennen.<br />
„Ich will, dass wir als Mann und Frau in den Krieg<br />
ziehen, mein Liebster. Gemeinsam sind wir stark…“<br />
„Ja, Liebste, das werden wir tun. Ich bin geehrt, Dich im<br />
Clan aufnehmen zu dürfen. Ich freue mich.“<br />
Ein langer Kuß beendete mein Reden. Seit langer Zeit war<br />
ich endlich wie<strong>der</strong> glücklich. Der ganze Krieg, die Gefahr,<br />
die vor uns lag, das alles war heute völlig unbedeutend.<br />
Heute war <strong>der</strong> Tag <strong>der</strong> ehelichen Verbindung, und<br />
entsprechend wollten wir ihn begehen.<br />
Das ganze Haus Tenebra –o<strong>der</strong> Beth Sharia, wie es hier in<br />
Goda genannt wurde- war in heller Aufregung. Überall<br />
wurde geputzt, ausstaffiert, dekoriert und eifrig<br />
gewerkelt. Die Zimmerleute errichteten draußen im<br />
Garten einen segurianischen Hochzeitsbogen, <strong>der</strong> mit<br />
Bl<strong>um</strong>en in allen Farben geschmückt wurde. Auch unser<br />
Zimmer wurde dekoriert, und Tenebra war in dringen<strong>der</strong><br />
Mission zu seinem Leibschnei<strong>der</strong> aufgebrochen. Er hatte<br />
gemeint, es werde kein Problem geben, hier einen<br />
segurianischen Tempelmeister aufzutreiben, <strong>der</strong> die<br />
Zeremonie durchführen konnte. Während Chahani und<br />
ich uns in <strong>der</strong> Stadt etwas <strong>um</strong>sahen, wurde das Haus in<br />
einen Hochzeitstempel verwandelt. Tenebra scheute<br />
we<strong>der</strong> Kosten noch Mühen, unser Fest standesgemäß<br />
auszurichten. Das ließ er sich nicht nehmen. Als Gäste<br />
waren Vertraute und einige segurianische Freunde des<br />
Hauses geladen, und <strong>der</strong> Khan sollte unseren Bund<br />
bezeugen.<br />
Den Tag verbrachten Chahani und ich in <strong>der</strong> Unterstadt<br />
von Nag H´mas Algr. Wir b<strong>um</strong>melten durch die Gassen<br />
und beobachteten das Treiben in den stilleren Winkeln,<br />
den Hintergässchen und Höfen. Wir besuchten ein<br />
Gartencafe in einem malerischen Hinterhof, <strong>der</strong> etwas<br />
abseits von allen Hauptstrassen versteckt zwischen zwei<br />
Häuseblöcken lag. Hier gab es leise Balisettmusik, einen<br />
Brunnen, welcher ein kleines Bächlein speiste, das sich<br />
durch den Garten schlängelte, und eine sehr freundliche<br />
Seite 19
Bedienung, die uns einen ausgezeichneten Ganja-Tee und<br />
kandierte Präriegrillen servierte. Diese unbeschwerte Zeit<br />
mit Chahani war wun<strong>der</strong>bar, wir lebten den Tag in einer<br />
Leichtigkeit, wie ich sie selten verspürt hatte.<br />
Gegen frühen Abend kehrten wir zu Tenebras Haus<br />
zurück. Ein Bediensteter empfing uns am Haupteingang<br />
und führte uns auf unser Zimmer, das mit Bl<strong>um</strong>en und<br />
Girlanden geschmückt war. Überall roch es nach<br />
Moschusrosen und die Nachmittagssonnen schienen<br />
durch das Fenster. Wir legten unsere Reitkleidung an und<br />
gürteten uns mit Waffen. So war es Brauch und so sollte<br />
es sein. Kurz darauf kam ein Bediensteter und gab uns<br />
höflich zu verstehen, dass unten alles vorbereitet war. Wir<br />
gingen die große Treppe herunter und schon auf halber<br />
Höhe hörte ich das d<strong>um</strong>pfe Br<strong>um</strong>men mehrerer Gh<strong>um</strong>pa-<br />
Tunes. Diese schwer zu beherrschenden Blasinstr<strong>um</strong>ente<br />
wurden aus den Kopfhörnern von Chalais-Gh<strong>um</strong>pas in<br />
einem aufwändigen Verfahren hergestellt und –richtig<br />
gespielt- erzeugten sie schwere und tiefe Basstöne, die<br />
man eigentlich mehr fühlen als hören konnte.<br />
Wir gingen durch den Flur z<strong>um</strong> Hinterausgang, <strong>der</strong> in<br />
den Garten führte. Als wir durch die Torflügel schritten,<br />
sahen wir vor uns ein Spalier aus Menschen, die<br />
applaudierten. Nicht alle Personen waren mir bekannt,<br />
doch einige <strong>der</strong> Gesichter erkannte ich. Da war Kaleb<br />
Undr´h, ein segurianischer Viehzüchter und alter Freund<br />
meines Vaters, Lady Shiga Danhai, die Witwe des<br />
ehemaligen Ratsvorsitzenden Lord Bela Danhai, <strong>der</strong><br />
<strong>der</strong>zeitige Botschafter Segurias am Hofe von Ninurta,<br />
Tublai Braham, <strong>der</strong> Großmuffdi von K´aleb Vitram,<br />
Scheich Ol Sonuf Veradschi und einige segurianische<br />
<strong>Trail</strong>smänner, die ich vom Sehen kannte. Es waren auch<br />
einige Männer und Frauen in gondrischer Tracht<br />
anwesend, die Gäste von gestern Abend und ein paar<br />
urbane Würdenträger, die wohl zu Tenebras<br />
Freundeskreis zählten. Alles in allem waren es wohl an<br />
die zwei dutzend Menschen, die uns hier die Ehre gaben.<br />
Am Ende des Spaliers standen <strong>der</strong> Hohepriester<br />
Klarkashton Vermii, Leiter des hiesigen L´viath´n<br />
Tempels, und Mah´di Khan unter dem segurianischen<br />
Bogen, <strong>der</strong> den Zimmerleuten sehr gut gelungen war. Er<br />
zeigte zwei ineinan<strong>der</strong> verschlungen Drachen, die<br />
Lotusblüten entsprangen. Unter dem Bogen brannte in<br />
einer Bronzeschale ein Feuer.<br />
Langsam schritten wir auf den Bogen zu und machten<br />
kurz vor <strong>der</strong> Empore, auf <strong>der</strong> er errichtet war, halt. Ich<br />
hatte Chahani in die Grundzüge einer segurianischen<br />
Hochzeit eingeweiht, und so verharrten wir am Fuße des<br />
Bogens.<br />
Ich sah Chahani an. Sie war wun<strong>der</strong>schön, ihre straffe<br />
Gestalt in dem le<strong>der</strong>nen Reiteranzug wirkte anmutig und<br />
auch ein bißchen gefährlich. Unsere verliebten Blicke<br />
begegneten sich und schienen ein Feuer zwischen uns zu<br />
entfachen. Es war ein wun<strong>der</strong>barer Rausch, untermalt<br />
von den archaischen Tönen <strong>der</strong> Tunes, Schellen und<br />
Trommeln, die <strong>um</strong> uns her<strong>um</strong> die Luft vibrieren ließen.<br />
Der Priester, <strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Empore bei dem Feuerbecken<br />
stand, begann das Hochzeitsritual. Mit einer ausladenden<br />
Handbewegung brachte er die Musiker und alle<br />
Anwesenden z<strong>um</strong> Schweigen. Laut und mit fester Stimme<br />
verkündete er:<br />
„Hört! Hört! Hört! Zeit <strong>der</strong> Zusammenkuft! Die<br />
ehrenwerte Gesellschaft hat sich versammelt, <strong>um</strong> Dom<br />
Fela Ibn Aib Noirez und Doma Chahani Akash von<br />
Varaq in den heiligen Stand <strong>der</strong> Ehe zu geleiten. Kommt<br />
zu mir, Kin<strong>der</strong> <strong>der</strong> Drachen.“<br />
Der letzt Satz hatte uns gegolten, und wir stiegen die<br />
Stufen zur Empore hinauf. Wir positionierten uns rechts<br />
und Links vom Zeremonienmeister, die Glut aus <strong>der</strong><br />
Feuerschale hinter uns wärmte mir den Rücken. Eine<br />
leichte Brise zog durch den Garten und trug den Duft von<br />
Burd´sch-Orchideen heran. Der Priester hob die Arme<br />
und hielt die Hände wie zur Segnung über unsere Köpfe,<br />
was ihm keine Schwierigkeiten bereitete, da er einen<br />
guten Kopf größer war als Chahani und ich.<br />
„Ich, Klarkashton Vermii, Hoher Priester des L´viath´n,<br />
gebiete den Himmeln und <strong>der</strong> Erde, zu schweigen. Ich<br />
rufe den Magna Draconis, uns in dieser Stunde des<br />
Glücks seinen Segen zu gewähren: Lanahtaio!<br />
Olunhetai! Iolnetaah! Aiwalanhata! Taivelonah!<br />
Hataiolon! Nahataiwala! Sodire Mosod Iada! Sodire<br />
Rore Iaida! Amifesodi Koraxo Abaivoninu Micalsodo<br />
Levithamonuga dool!“<br />
Er drehte sich zur Feuerschale <strong>um</strong>, nahm etwas<br />
Rauchharz und streute es in die Glut. Eine blutrote<br />
Stichflamme erhob sich und <strong>der</strong> Duft des Rauchharzes<br />
hüllte uns alle ein. Als nächstes goß er einen Schluck Ale<br />
in die Glut, <strong>der</strong> zischend verdampfte. Dann folgten<br />
Rieselgraskörner und etwas Salz. Er nahm unsere rechten<br />
Hände und führte sie zusammen. Dann sah er mich an.<br />
„Fela Ibn Aib Noirez! Bist Du gewillt, die hier anwesende<br />
Chahani Akash zu Deinem Weib zu nehmen, sie zu<br />
beschützen und zu ernähren, ihren Kin<strong>der</strong>n ein guter<br />
Vater zu sein und ihren Willen stets zu achten?“<br />
„Ja, das ist mein freier Wille.“<br />
Obwohl <strong>der</strong> Passus mit dem „Beschützen“ eher obsolet<br />
war; meine Frau konnte ganz gut auf sich selbst<br />
aufpassen, wie ich fand. Aber es war nunmal Tradition,<br />
und so wurde es gemacht. Der Priester wandte sich nun<br />
an Chahani:<br />
„Chahani Akash von Varaq! Bist Du gewillt, den hier<br />
anwesenden Fela Ibn Aib Noirez zu Deinem Manne zu<br />
nehmen, ihm zu folgen, ihn zu unterstützen und seinen<br />
Willen stets zu achten, sowie dem Clan, zu dem Du nun<br />
gehörst, stets zur Ehre zu gereichen?“<br />
Ja, das ist mein freier Wille.“<br />
„Dom Fela, was opferst Du im Feuer, das Euch<br />
zusammenschweißen soll?“<br />
„Ich opfere ein Scheffel Briah-Harz.“<br />
Damit warf ich ein Binsenpäckchen in das Feuer, das<br />
seltenes Briah-Harz enthielt und dessen Wert den<br />
Monatsverdienst eines Gh<strong>um</strong>pa-Führers bei weitem<br />
überstieg. Zischend verdampfte das Harz in dicken,<br />
blauen Schwaden, die z<strong>um</strong> Himmel aufstiegen. Der<br />
Priester wandte sich an Chahani:<br />
„Doma Chahani, was opferst Du im Feuer, das Euch<br />
zusammenschweißen soll?“<br />
„Ich opfere das Band meiner Vergangenheit.“<br />
Damit nahm sie ein kostbares Pektoral vom Hals, das aus<br />
Horn, Holz und Sehnen aufwändig gewirkt war, und das<br />
ihr altes Familienwappen darstellte, den Komodo-Reiher<br />
des Askash-Clans. Knisternd und qualmend verbrannte<br />
das Schmuckstück in gelblich-grünen Flammen.<br />
Wir drehten uns zusammen mit dem Priester <strong>um</strong> und<br />
sahen in die Runde. Überall fröhliche und glückliche<br />
Gesichter, Tenebra grinste fast im Kreis. Der Priester trat<br />
einen Schritt zurück, und Chahani und ich traten und<br />
Seite 20
gegenüber und sahen uns an. Klarkashton erhob erneut<br />
die Stimme.<br />
„Vor den Himmeln und <strong>der</strong> Erde bezeuge ich die Ehe<br />
dieser beiden Menschen. Sie wurde geschlossen im<br />
Angesicht des Magna Draconis, er soll ewig über ihr<br />
Glück wachen und seine Schwingen schützend über sie<br />
breiten. Tauscht die Armreife!“<br />
Chahani streifte mir einen Hochzeitsring über das<br />
Handgelenk und ließ den Verschluß einschnappen. Ich tat<br />
es ihr nach und zog sie zu mir heran. Leise flüsterte ich in<br />
ihr Ohr:<br />
„Ich begrüße Dich im Haus meines Vaters, Geliebte.“<br />
Dann küssten wir uns, und die Gäste brachen in Jubel<br />
aus. Man applaudierte, lachte, und die Musik setzte ein.<br />
Dröhnend verkündeten die Gh<strong>um</strong>pa-Tunes das freudige<br />
Ereignis im Umkreis mehrerer Häuserblocks.<br />
Die ausgelassene Feier dauerte noch einige Stunden an,<br />
und Tenebra versicherte mir, dass er den Hochzeitsbogen<br />
mit dem nächsten <strong>Trail</strong> unversehrt in meine Heimat<br />
senden würde, damit er vor meinem Haus aufgestellt<br />
werden konnte. Spät in <strong>der</strong> Nacht gingen Chahani und ich<br />
zu Bett und feierten unsere Hochzeitsnacht nach alter<br />
segurianischer Sitte, indem sie mich am Bett fesselte und<br />
sich nahm, was sie wollte. Die Nacht wurde lang, und am<br />
nächsten Morgen fühlte ich mich wie gerä<strong>der</strong>t. Meiner<br />
Frau ging es auch nicht besser, doch nach einem<br />
ausgiebigen Bad und anschließendem Frühmal waren wir<br />
fit für den Tag. Gegen Mittag hatten wir gepackt und<br />
trugen unsere Bündel und Kisten hinunter in die Halle,<br />
wo unsere Reisebegleitung und die Reittiere bereits<br />
warteten.<br />
Mein <strong>Trail</strong> war bereits wie<strong>der</strong> auf dem Weg in die Heimat,<br />
beladen mit unauffälligen Gütern und dem zerlegten<br />
hölzernen Bogen, über den sich meine Familie sicherlich<br />
sehr freuen würde. Ich grüßte die Anwesenden kurz mit<br />
einem Nicken und begutachtete unsere <strong>Kampf</strong>traks. Es<br />
waren drei Djiati-Trak-Ghenas von beson<strong>der</strong>s robuster<br />
Statur. Sie waren etwa zwanzig Fuß lang und trugen<br />
jeweils drei beachtliche, mit Wi<strong>der</strong>haken versehene<br />
Stirnhörner. Unter den Flügeln lugten am Hinterteil die<br />
giftigen Stacheln heraus, eine gefürchtete Waffe, welche<br />
die Djiati-Ghenas erbarmungslos gegen ihre Feinde<br />
einsetzten. Das Gift aus den Kanälen dieser Stacheln<br />
lähmte sofort und zerstörte binnen weniger Augenblicke<br />
das Nervensystem Des Gestochenen. Ihre Panzerung war<br />
fast undurchdringlich, denn diese Käfer nahmen sehr<br />
viele Erze auf, die zusammen mit dem Chitin einen<br />
mineralischen Panzer ausbildeteten. Diese <strong>Kampf</strong>traks<br />
waren schwer, aber unglaublich stark, so dass sie<br />
trotzdem sehr wendig blieben. Djiati-Ghenas waren sehr<br />
selten und es mußte Tenebra ein Vermögen gekostet<br />
haben, diese Tiere zu besorgen. Es würde nicht einfach<br />
werden, mit diesen auffälligen Tieren aus <strong>der</strong> Stadt zu<br />
kommen. Das sagte ich auch zu Tenebra, während wir die<br />
Tiere beluden und unsere Habe festzurrten.<br />
„Macht Euch keine Sorgen, Dom Fela. Ich habe mir da<br />
etwas einfallen lassen.“ Er grinste breit und klatschte in<br />
die Hände. Sofort eilten Bedienstete herbei und fingen an,<br />
unsere Traks mit allerlei Staffagen, Teppichen, Kisten,<br />
Körben und Amphoren zu behängen. Die Stirnhörner<br />
wurden mit Ketten behängt, an denen Haken und Rollen<br />
ba<strong>um</strong>elten. Als die Aktion beendet war, sah Tenebra<br />
sichtlich zufrieden zu den Tieren hinüber und nickte.<br />
„Man wird Eure Ghenas ka<strong>um</strong> von skirrilianischen<br />
Werftgh<strong>um</strong>pas unterscheiden können. Ich gebe Euch<br />
einen Eskorttrail mit. Ihr nehmt Seitenwege, so dass Ihr<br />
den Haupteinheiten <strong>der</strong> Garde nicht über den Weg lauft.<br />
Draußen vor <strong>der</strong> Stadt könnt Ihr die Tarnung dann<br />
ablegen und meinem <strong>Trail</strong> mit zurück geben.“<br />
Er sah mich fest an. Drückte mich und schlug mir fest auf<br />
die Schultern. Dann meinte er: „Möge <strong>der</strong> große Drachen<br />
Euch immer beschützen, Dom Fela. Von Euch dreien<br />
hängt nun <strong>der</strong> Ausgang des Krieges ab. Viele Völker<br />
setzen ihre Hoffnungen in den Kahn, also: Habt Erfolg<br />
und bringt ihn uns lebend zurück.“<br />
Er drückte auch Chahani und den Khan, und wir<br />
bestiegen die Tiere. Je<strong>der</strong> von uns hatte für sein Tier<br />
einen eigenen kleinen Tambur, wir nahmen die Zügel und<br />
schüttelten die Stäbe. Das geheime Tor senkte sich und<br />
wir verließen den Keller über die Rampe zu Hof, wo uns<br />
bereits zwei große Gh<strong>um</strong>pas erwarteten. Ich ritt voran,<br />
Chahani folgte, und <strong>der</strong> Khan ritt als Dritter. Vor und<br />
hinter uns zog ein Gh<strong>um</strong>pa, und so verließ <strong>der</strong> kleine <strong>Trail</strong><br />
das Gehöft. Ich sah mich nicht noch einmal <strong>um</strong>.<br />
Auf <strong>der</strong> Via Kandahar, die am Gehöft Tenebras<br />
vorbeiführte, reihten wir uns in den Verkehr ein, <strong>der</strong> zur<br />
Stadtmauer nach Süden führte. Dort war ein kleines Tor,<br />
dessen Wachen mehr mit <strong>der</strong> Kontrolle des eingehenden<br />
Verkehrs beschäftigt waren, als mit den <strong>Trail</strong>s, die aus <strong>der</strong><br />
Stadt heraus wollten. So kam es, dass wir bereits am<br />
frühen Nachmittag die Stadt hinter uns gelassen hatten<br />
und in Richtung Norden unterwegs waren. Wir ritten<br />
schweigend und machten erst in <strong>der</strong> Dämmerung Rast.<br />
Ein kleines Wäldchen etwas abseits des Weges bot uns<br />
Deckung, und so enttarnten wir unsere <strong>Kampf</strong>traks,<br />
beluden Tenebras Gh<strong>um</strong>pas, und die Bediensteten<br />
lenkten ihre Tiere wie<strong>der</strong> zurück in Richtung Stadt. Um<br />
nach Mandrask zu gelangen, mussten wir uns durch<br />
unwirkliche Gelände im oberen Tel-Rek kämpfen, wobei<br />
wir uns am Rande <strong>der</strong> großen Sanddünen <strong>der</strong> nördlichen<br />
Tamarkan Wüste bewegen würden.<br />
Wir beschlossen, hier zu nächtigen, obwohl mir bei dem<br />
Gedanken nicht ganz wohl war. Zu dicht an <strong>der</strong> Stadt, ich<br />
hatte ein ungutes Gefühl. Und es sollte sich bewahrheiten.<br />
In den frühen Morgenstunden, als die erste Sonne über<br />
den Horizont aufstieg, wurden die Ghenas unruhig. Wir<br />
waren sofort wach, griffen zu den Waffen und sahen uns<br />
<strong>um</strong>. Chahani stand neben mir, <strong>der</strong> Khan schlich seitlich<br />
durchs Unterholz. Die Geräusche von <strong>Kampf</strong>traks und<br />
kaiserlichen Waffenröcken ließen keinen Zweifel zu, wir<br />
waren <strong>um</strong>zingelt. Wahrscheinlich ein gutes Dutzend<br />
Traks und doppelt soviele Wachen. Mah´di Khan kam zu<br />
uns zurück und flüsterte: „Eine Patrouille. Was sollen wir<br />
tun?“<br />
Ich sah ihn an und lauchte nochmals.<br />
„Keine Patrouille. Zuviele.“<br />
„Ihr meint...“ er sah mich zweifelnd an, Chahani ebenfalls.<br />
„Verrat, ja. Schätze, man hat unseren Begleittrail<br />
aufgebracht. Löst die Ghenas, nehmt nur das Nötigste<br />
mit, wir machen einen Ausfall.“<br />
Vorsichtig und leise lösten wir unsere <strong>Kampf</strong>traks von<br />
den Pflöcken, packten einge Dinge aus dem Lager und<br />
zurrten sie nötdürftig fest. Die Lagerausrüstung, Töpfe,<br />
Pfannen, Geschirr und an<strong>der</strong>es ließen wir liegen. Darüber<br />
würden sich sicherlich vorbeiziehende Wan<strong>der</strong>er freuen,<br />
wenn sie in das Wäldchen kamen. Wir hatten einfach<br />
Seite 21
keine Zeit, alles einzupacken. Ich war froh, dass wir die<br />
Tiere nicht abgehalftert hatten, so dass wir schnell im<br />
Sattel saßen. Die Geräusche, die uns bedrohten, kamen<br />
immer näher. Es waren keine fliegenden Einheiten in <strong>der</strong><br />
Luft, das konnte einen Vorteil bedeuten. Aus dem<br />
Dickicht erscholl eine Stimme.<br />
„Mah´di Khan! Hier spricht Vultur Camino, kaiserliche<br />
Stadtwache! Ihr seid <strong>um</strong>stellt! Wi<strong>der</strong>stand ist zwecklos!<br />
Kommt ohne Waffen und mit erhobenen Händen heraus,<br />
Ihr seid festgenommen!“<br />
Ja, wir waren verraten worden. Ich hoffte inbrünstig, dass<br />
es Tenebra gut ging, obwohl zu befürchten war, dass die<br />
Garde sein Gehöft gerade schleifte. Die Unterstützer des<br />
Khan wurden mit aller Härte bestraft, die Angst des<br />
Kaisers vor den Rebellen wurde dabei nur von seiner<br />
Rachsucht übertroffen. Möglicherweise war <strong>der</strong> alte<br />
Freund bereits tot. Wie<strong>der</strong> die Stimme des Schergen:<br />
„Mah´di Khan! Dies ist Eure letzte Chance! Ergebt Euch,<br />
o<strong>der</strong> wir werden Euch nie<strong>der</strong>strecken. Kommt heraus!“<br />
Den Gefallen taten wir ihm. Auf mein Zeichen stiegen<br />
unsere Traks auf. Meine Annahme, die Wache habe keine<br />
Lufteinheiten, erwies sich als Täuschung. Die<br />
Stadtwachen hatten Dharana-Ghenas, schnelle und<br />
wendige Traks, die für den Luftkampf ausgebildet waren.<br />
Die Wachen starteten ebenfalls durch und griffen uns<br />
sofort an. Zwei Dharanas kamen frontal auf mich<br />
zugeflogen, ihre Reiter hielten lange Lanzen in meine<br />
Richtung. Ich schwenkte nach rechts ab, und ihre Lanzen<br />
barsten an <strong>der</strong> Panzerung meines <strong>Kampf</strong>traks. Der erste<br />
wurde vom Stachel meines Reittieres erwischt, er fiel wie<br />
ein Stein vom Himmel. Den zweiten unterflogen wir in<br />
einem Wendemanöver, und die Stirnhörner meines Traks<br />
schlitzen seinen gesamten Unterleib auf. Die Innereien<br />
quollen heraus und regneten auf die Erde hinab, <strong>der</strong> Rest<br />
des Käfers folgte sogleich.<br />
Ich trieb den Djiati an, <strong>um</strong> Chahani zur Hilfe zu eilen, die<br />
sich im Nahkampf mit einem an<strong>der</strong>en Reiter <strong>der</strong> Wache<br />
befand. Ihr Trak bohrte gerade den Stachel in den<br />
Brustkorb eines Reiters, <strong>der</strong> sein Tier unter ihr<br />
heransteuerte, <strong>um</strong> sie von unten zu attackieren. Ich hieb<br />
dem Nahkämpfer im Vorbeiflug mit dem Schwert den<br />
erhobenen Waffenarm ab, sein Blut spritzte aus dem<br />
Armst<strong>um</strong>pf, während er schreiend vornüber vom Trak in<br />
die Tiefe fiel.<br />
Der Khan kam mit seinen Angreifern ganz gut zurecht. Er<br />
führte zwei Schwerter, die wie Rotoren vor ihm wirbelten.<br />
Er wurde von drei Seiten angegriffen, doch er hielt sich<br />
gut. Seite an Seite attackierten Chahani und ich nun die<br />
Reste <strong>der</strong> Truppe. Unsere Djiatis zogen Schleifen, Loops<br />
und jagten in wilden Sturzflügen hinter den flüchtenden<br />
Wachen her. Ihre Traks wurden von unseren Tieren auf<br />
die Hörner genommen, aufgespießt, abgestochen und<br />
vergiftet, die Reiter <strong>der</strong> gegnerischen Tiere fielen alle in<br />
die Tiefe und schlugen hart auf den Boden auf. Nicht<br />
einer überlebte.<br />
Auf mein Zeichen setzten wir uns zunächst nach Süden<br />
ab. Niemand sollte unsere tatsächliche Flugroute sehen.<br />
Nach einer Weile kreuzten wir östlich und begaben uns in<br />
die Steppe von Baik´Nur, dort war das Gras hoch, es gab<br />
ka<strong>um</strong> Wege, und es wäre schwierig, uns hier zu<br />
beobachten. Wir ließen die Traks landen und arbeiteten<br />
uns im Laufschritt weiter voran. Das war für die Tiere, die<br />
später noch lang genug zu fliegen hatten, eine Entlastung.<br />
Ohne eine Spur von Verfolgung zu bemerken, zogen wir<br />
in <strong>der</strong> Steppe südlich in Richtung des H`Taih Gebirges<br />
am Tulkman-Graben, das wir nach drei Tagen erreichten.<br />
Dieser Gebirgszug war steil, unwirtlich und schwer zu<br />
erklimmen. Er bildete die nördliche Grenze des Tel-Rek<br />
Reiches. Irgendwo hier war die Porta Angelica, das Tor zu<br />
den schwebenden Inseln. Auf den Berghängen tobte ein<br />
ziemlich schwerer Sturm.<br />
Vor dem Aufstieg ins Gebirge entschieden wir uns, bis<br />
z<strong>um</strong> Abflauen des Sturms Rast zu machen. Wir suchten<br />
uns ein geschütztes Plätzchen am Fuße <strong>der</strong> Berge und<br />
ließen die Traks ausruhen. Wir halfterten sie ab, nahmen<br />
die Sättel herunter und auch das gesamte Reisegepäck.<br />
Die Djiatis zogen sich auf eine Wiese in <strong>der</strong> näheren<br />
Umgebung zurück und begannen zu fressen. Während <strong>der</strong><br />
Khan sich mit Pfeil und Bogen auf die Jagd machte,<br />
errichteten Chahani und ich eine Jurte und bereiteten die<br />
Feuerstelle vor. Glücklicherweise hatte ich meine große<br />
Kiste bei unserer letzten Rast nicht abgeladen, und so<br />
verfügten wir z<strong>um</strong>indest über eine rudimentäre<br />
Lagereinrichtung. In <strong>der</strong> Jurte richtete ich drei<br />
gemütliche Schlafplätze ein, denn es sah so aus, als ob <strong>der</strong><br />
Sturm noch ein paar Tage anhalten könne. Es wäre<br />
Unsinn, mit den Djiatis in diese Böen zu fliegen, und so<br />
wollten wir die Zwangspause nutzen, <strong>um</strong> Kraft zu<br />
sammeln. Der Ritt durch die schwebenden Inseln würde<br />
anstrengend und gefährlich werden, es hatte keinen<br />
Zweck, ihn geschwächt und unkonzentriert in Angriff zu<br />
nehmen.<br />
Als ich aus <strong>der</strong> Jurte kam, hatte Chahani schon einen<br />
hervorragenden Ganja-Tee zubereitet, <strong>der</strong> herrlich<br />
duftete. Sie war in <strong>der</strong> näheren Umgebung unterwegs, <strong>um</strong><br />
Süßknollen auszugraben. Ich nahm mir einen Krug vom<br />
Tee und sah mich etwas in unserem Lager <strong>um</strong>. Es lag<br />
geschützt in einer Mulde, die von großen Poltern<br />
<strong>um</strong>geben war. Polter waren Steine, die aus den großen<br />
Höhen bei Felsstürzen herabrollten. Sie waren rundlich<br />
und drangen oft tief in die Täler vor, wo sie beim Abgang<br />
schwerste Schäden anrichteten. Hier hatten sie einen<br />
natürlichen Kraal gebildet, <strong>der</strong> uns vor Wind und Wetter<br />
gut schützte. Die riesigen schwarzen Felsen waren von<br />
fingerdicken weißen Quarza<strong>der</strong>n durchzogen, in denen<br />
hier und da dünne Golda<strong>der</strong>n glänzten. Die Vegetation<br />
war spärlich, zwischen den Poltern und dem Geröll<br />
behaupteten sich Shirga-Gräser, Thuna-Sukkulenten und<br />
einige kleine Bi´altannen, <strong>der</strong>en struppiges Nadelkleid in<br />
dieser Gegend, die vorwiegend von Rundungen<br />
beherrscht war, irgendwie deplatziert wirkte. Der Wind<br />
rauschte über unsere Köpfe und bewegte knatternd das<br />
gespannte Jurtentuch.<br />
Nach einer Weile kam <strong>der</strong> Kahn aus <strong>der</strong> tieferliegenden<br />
Steppe zurück. Er hatte drei Beutelshants geschossen, Ihr<br />
Fleisch würde für zwei Tage reichen. Wir zogen<br />
gemeinsam das Fell ab und spannten es z<strong>um</strong> Trocknen<br />
über unserem kleinen Herdfeuer auf ein Gestell, das wir<br />
aus Tannenästen zusammensetzten. Eigentlich unsinnig,<br />
denn wir konnten die Felle nicht weiterbearbeiten,<br />
mußten sie also zurücklassen. Aber in unüblichen<br />
Situationen wie diesen war es manchmal nützlich, absolut<br />
übliche Tätigkeiten zu verrichten. Chahani kam zurück,<br />
sie hatte einen Beutel mit Süßknollen dabei. Ihr Gesicht<br />
wirkte besorgt.<br />
Seite 22
„Da kommt jemand vom Berg. Ein alter Zausel mit<br />
einem kleinen Bergtrak. Ich denke, er wird bald hier<br />
sein. Leute wie wir fallen hier wohl auf, schätze ich. Soll<br />
ich ihn töten?“<br />
Sie sah mich fragend an.<br />
„Nein, das halte ich für unnötig. Womöglich erregt sein<br />
Verschwinden nur Aufmerksamkeit, wo wir es nicht<br />
brauchen. Laß uns erst einmal schauen, was er für einer<br />
ist. Töten können wir ihn immer noch, wenn er eine<br />
Gefahr darstellt. Vielleicht nimmt er ja auch einen<br />
an<strong>der</strong>en Weg.“<br />
Das tat er nicht. Einige Glasen später, als zwei <strong>der</strong><br />
erlegten Beutelshants über dem Feuer brutzelten,<br />
verrieten uns die aufgeregten Grunzlaute unserer<br />
<strong>Kampf</strong>traks die Annäherung des Fremden. Er gab sich<br />
keine Mühe, sich zu verstecken und kam direkt auf unser<br />
Lager in <strong>der</strong> Mulde zu. Unser Feuer konnte er vom Berg<br />
aus nicht gesehen haben, es brannte in einer Feuerkuhle<br />
völlig rauchlos. Der Wind kam aus seiner Richtung, also<br />
konnte er unser Lager nicht gerochen haben, und unsere<br />
Reittiere grasten ebenfalls in einer sichtgeschützten<br />
Mulde. Sein relativ kleiner Trak konnte nicht fliegen, also<br />
war es unmöglich, dass er uns aus <strong>der</strong> Luft angepeilt<br />
haben konnte. Ich war einigermaßen gespannt auf den<br />
abendlichen Besucher, die Messer und die Schwerter<br />
saßen bei uns dreien locker. Etwa eine Glase dauerte es<br />
noch, bis ein kleiner, hutzeliger alter Mann im Schein des<br />
Feuers auftauchte und sich höflich verbeugte. Er hatte<br />
langes, graues Haar, einen ebenso langen grauen Bart,<br />
und seine Augen lagen in tiefen Höhlen, die sich weit in<br />
das ausgemergelte Gesicht gruben. Vom Rest seines<br />
Gesichts war unter <strong>der</strong> Felldecke nicht zu erkennen, aber<br />
dieser Mann hatte mit ziemlicher Sicherheit sein<br />
gesamtes Leben in <strong>der</strong> lebensfeindlichen Bergwelt<br />
zugebracht.<br />
„Verzeiht mein Eindringen in Euer Lager, verehrte<br />
Doms, verehrte Doma“ Er verneigte sich noch einmal vor<br />
Chahani. Ich machte eine freundliche Geste, die in allen<br />
Reichen bekannt war und lud ihn an das Feuer.<br />
„Wer seid Ihr?“<br />
„Ich bin Ushtar Bin-Rog, '<strong>der</strong> Alte vom Berg'. Ich<br />
durchreise den H´Taih seit langer, langer Zeit. Einst<br />
war ich erster Geomant am Hofe des Kaisers, doch<br />
nunmehr bin ich ein Teil <strong>der</strong> Berge. Ich suche ein<br />
sicheres Plätzchen im Sturm, und frage, ob ich bei Euch<br />
meinen Hunger ein wenig stillen kann und ein wenig<br />
ruhen...“<br />
„Ushtar?“ Der Khan war sichtlich überrascht. „Ushtar<br />
Bin-Rog? Ich kenne die Legende des Alten vom Berg. Es<br />
ist eine sehr alte Geschichte...“ er betonte das Wort<br />
„sehr“ auf eine Art, die mich aufhorchen ließ. Der Alte<br />
kicherte.<br />
„Ja, Dom. Die Geschichte ist sehr alt. Ich bin auch sehr<br />
alt.“ wie<strong>der</strong> kicherte er. Dann fuhr er fort. „Vor drei<br />
Generationen diente ich am Hofe Bendru-Netzach des<br />
Dritten, <strong>der</strong> Ur-Großvater des heutigen Tyrannen, doch<br />
ich entschloß mich, seine Projekte nicht zu unterstützen.<br />
Ich ging in die Berge und fand meine Berufung.“<br />
Er setzte sich auf einen Stein am Feuer und lächelte. Die<br />
Art, wie er das Wort „Tyrann“ aussprach ließ mich wissen,<br />
dass wir hier möglicherweise einen Verbündeten hatten.<br />
O<strong>der</strong> einen sehr klugen Spion. Der Alte wandte sich vom<br />
Khan ab sah mich durchdringend an, dabei grinste er.<br />
„Ihr misstraut mir, Segurianer? Das solltet Ihr auch. Das<br />
liegt in Eurer Natur und lässt Euch überleben. Ihr<br />
Segurianer seid vorsichtig, handelt mit Bedacht und<br />
könnt Euch auf das Wesentliche konzentrieren. Eine<br />
Tugend.“<br />
Wie<strong>der</strong> grinste er frech. Ich grinste nicht. Ich überlegte<br />
und beobachtete ihn genau. Konnte es sein, dass <strong>der</strong> Alte<br />
da vor mir wirklich über 100 Zyklen alt war? Alt war er<br />
zweifelsfrei, aber so alt? Er schien meine Gedanken zu<br />
kennen.<br />
„Ja, grübelt nur. Fragt Euch, wie es sein kann, dass ein<br />
alter Narr wie ich so lange in dieser unwirtlichen<br />
Gegend überlebt. Und vor allem: Fragt Euch, war<strong>um</strong> ich<br />
Euch in dieser Einöde aufsuche, wo ich doch droben auf<br />
dem Berg in meiner kleinen Hütte sitzen könnte, <strong>um</strong> dem<br />
Wind zuzuhören...“<br />
Wie es schien, kam er langsam zur Sache.<br />
„Und?“ wollte ich wissen.<br />
Ushtar schielte auf die knusprigen Fleischstücke auf den<br />
Spießen. „Wollt Ihr einem armen, alten Wan<strong>der</strong>er nicht<br />
eine Kleinigkeit zur Stärkung anbieten, Dom? Das sieht<br />
lecker aus.“ Er schmatzte übertrieben. Ich mußte lachen.<br />
„Natürlich, wo sind nur meine Manieren geblieben,<br />
Dom. Bitte sehr, bedient Euch.“ Ich reichte ihm mein<br />
Messer, mit dem er sich etwas vom Braten abtrennte und<br />
vor sich auf einen Stein legte. Als er mir das Messer<br />
wie<strong>der</strong>gab, schaute er sich die Gravuren auf <strong>der</strong> Klinge<br />
genau an. Er legte die Stirn in tiefe Falten. Dann reichte<br />
er mir das Messer und meinte:<br />
„Diese Symbole erkenne ich, Dom. Ihr seid vom Clan <strong>der</strong><br />
Noirez vom Haus Beltane, nicht wahr? Ein stolzes Haus,<br />
ich erinnere mich. Es brachte eine Reihe hervorragen<strong>der</strong><br />
Bashars hervor. Ihr seid Bashar, Dom?“<br />
„Schwertmeister.“<br />
„Oh, ein segurianischer Schwertmeister. Zwei<br />
Schwerter?“<br />
„Alle Disziplinen.“<br />
Jetzt wirkte <strong>der</strong> Alte wirklich erstaunt. Er sah mich sehr<br />
eindringlich an, seine Augen schienen mich zu<br />
durchbohren. Er nahm meine Hand und strich mit dem<br />
Finger über ihre Linien, dabei murmelte er<br />
unverständlich. Wie<strong>der</strong> sah er mich von unten herauf<br />
zweifelnd an.<br />
„Ihr seid <strong>der</strong> aus dem Westen, welcher kommen wird von<br />
Osten und nicht fürchtet, den Norden zu durchreiten, <strong>um</strong><br />
im Süden das Ziel zu finden. Ihr bringt uns die Freiheit,<br />
Dom. Generationen warteten auf Euch...“ er deutete eine<br />
devote Verneigung an, was mich sichtlich irritierte.<br />
Woher kannte <strong>der</strong> komische Kauz mein Paßwort für<br />
Tenebras Hof? Ich zog meine Hand weg.<br />
„Ihr müßt Euch irren, Ushtar. Ich bin nur ein einfacher<br />
Krieger. Vielleicht ist er es, den Ihr erwartet.“ Ich deutete<br />
auf den Khan, <strong>der</strong> die Szenerie gebannt verfolgte..<br />
Der Alte sah ihn gar nicht erst an.<br />
„Ich weiß, was ich sehe, Dom. Ushtar irrt niemals. Es<br />
steht geschrieben in <strong>der</strong> großen Agonie von Sh´m<br />
Hallah: 'Drei kommen, zwei gehen, einer wird<br />
siegen. Der Zajin Jihad, <strong>der</strong> das As <strong>der</strong><br />
Schwerter trägt, dessen Wille ist ein Fanal <strong>der</strong><br />
Freiheit, er wird kommen, uns in das Licht zu<br />
führen. Ihr findet ihn nicht in den Betten <strong>der</strong><br />
Houris, nicht in den Zählstuben <strong>der</strong> Geldmacher,<br />
nicht in den Tempeln <strong>der</strong> falschen Götter. Ihr<br />
werdet ihn auf dem Berge finden, am Kailash.<br />
Und sein Zeichen ist das Digamma, das Kreuz<br />
Seite 23
des Erlösers.' - so steht es geschrieben.“ meinte <strong>der</strong> Alte<br />
und sah z<strong>um</strong> Bergmassiv hinauf. „Ich nehme an, Ihr wißt,<br />
wie dieser Berg heißt, an dessen Flanke ihr kampiert?“<br />
„Sicher, wir sind am H´Taih-Massiv.“<br />
„So heißt dieses Gebirge, ja. Aber wie heißt <strong>der</strong> Berg, auf<br />
dem Ihr sitzt, Dom?“<br />
„Chung´n Chiitza.“<br />
Der Alte kicherte. „Und in <strong>der</strong> Sprache <strong>der</strong> Bergvölker<br />
heißt er 'Großer weißer Vater – Bin Kailash'.“<br />
„Und das hier“ <strong>der</strong> Alte griff unvermittelt und mit<br />
erstaunlicher Flinkheit und Kraft nach meinem rechten<br />
Arm und schob dem Ärmel meines Le<strong>der</strong>hemdes hoch, so<br />
dass meine Kriegertättowierung zu sehen war, „ist das<br />
Digamma! Ihr seid Zajin Jihad, das Schwert des heiligen<br />
Krieges“<br />
Das Licht des Feuers fiel auf das geheime Kriegerzeichen,<br />
das ich am Unterarm trug. Es war ein siebenzackiger<br />
Stern, in desen Mitte eine doppelte Wolfsangel<br />
angebracht war. Ich hatte das Zeichen mit dem Erreichen<br />
<strong>der</strong> Schwertmeisterwürde in meinem Kriegerorden<br />
erhalten und trug es stets verborgen. Woher wußte <strong>der</strong><br />
Alte davon? Ich entriss ihm den Arm und starrte ihn<br />
feindselig an. Der Khan und Chahani waren<br />
aufgesprungen, die Hände an den Schwertern.<br />
Der Alte warf sich vor mir in den Staub.<br />
„Verehrung, werter Khan, Verehrung! Ich bin unwürdig.<br />
Vergebt mir, aber es musste sein. Der Geist musste<br />
geweckt werden!“<br />
Ich sah zu Chahani und dem Mah´di hinüber, <strong>der</strong> Khan<br />
wirkte äußerst irritiert, Chahani war aufmerksam und ließ<br />
den Alten nicht aus den Augen.<br />
Ich hob den Alten aus dem Staub und wies hinüber z<strong>um</strong><br />
Mah´di. Mein Tonm war streng und ernst.<br />
„Das ist <strong>der</strong> Khan, Alter. Mah´di Khan, <strong>der</strong> Führer <strong>der</strong><br />
Rebellen von <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>.“<br />
Der Alte schüttelte den Kopf.<br />
„Nein, Dom. Das ist <strong>der</strong> Khan, <strong>der</strong> ging. Doch Ihr seid<br />
<strong>der</strong> Khan, <strong>der</strong> kommt.“<br />
„Was soll das Gerede? Drück Dich gefälligst deutlich<br />
aus!“<br />
„Das kann ich nicht, Dom. Es ist, wie ich sage. Ihr könnt<br />
Eurer Bestimmung nicht entkommen. Niemand kann<br />
das.“<br />
Ich zog mein Schwert und ließ es bedrohlich über dem<br />
Haupt des Alten kreisen. „Ich hätte nicht übel Lust, Euch<br />
für Eure Unverfrorenheit in zwei Hälften zu teilen!“<br />
herrschte ich ihn an.<br />
„Sicher, das könnt Ihr tun, Dom. Doch das würde nichts<br />
an Eurem Schicksal än<strong>der</strong>n. Ihr seid <strong>der</strong>, <strong>der</strong> Ihr<br />
seid.Meine Aufgabe war es, Euch zu erwecken. Ich werde<br />
nicht länger gebraucht.“<br />
Damit verschwand er einfach. Er lief nicht weg o<strong>der</strong> floh.<br />
Er löste sich schlichtweg in meinen Händen auf, wurde<br />
durchscheinend und verschwand dann völlig. Sein Essen<br />
lag noch unberührt auf dem Stein.<br />
Wir drei sahen uns an. Keiner von uns war fähig, ein Wort<br />
zu sagen. Chahani brach die Stille und meinte:<br />
„Wir sollten essen und uns hinlegen. Morgen ist ein<br />
harter und langer Tag.“<br />
So taten wir es. Wir aßen schweigend und schliefen<br />
unruhig. Am nächsten Morgen war <strong>der</strong> Sturm abgeflaut<br />
und wir konnten unsere Reise früher als erwartet<br />
fortsetzen. Ein blauer Himmel und milde Temperaturen<br />
erwarteten uns, als wir aus <strong>der</strong> Jurte kamen. Wir bauten<br />
das Lager ab, beluden unsere Traks und machten uns auf<br />
den Weg, die schwebenden Inseln zu finden.<br />
Kapitel 5: Die schwebenden Inseln<br />
Gerade, als wir aufsitzen wollten, kam <strong>der</strong> Mah´di zu mir.<br />
Er wirkte irgendwie bedrückt, als er mich ansprach.<br />
„Dom Fela, auf ein Wort. Die Worte des Alten gestern...“<br />
„... waren nur das Gewäsch eines alten Kauzes, <strong>der</strong> sich<br />
zu wichtig nimmt. Ihr solltet dem nicht allzu viel<br />
Beachtung schenken, Khan.“ unterbrach ich ihn kühl<br />
Er sah mich in einer Mischung aus Bestürzung und<br />
Verzweiflung an. Als er weitersprach, wirkte er etwas<br />
fahrig.<br />
„Dom Fela, ich bitte Euch, nehmt das nicht auf die leichte<br />
Schulter. Es ist mir ernst. Ich hatte einen Tra<strong>um</strong> heut<br />
Nacht, in dieser Tra<strong>um</strong>zeit sind Dinge geschehen, von<br />
denen ich Euch nicht detailliert berichten kann und darf.<br />
Aber ich möchte Euch <strong>um</strong> eines bitten. Sollte mir auf<br />
unserer Reise etwas zustoßen, so wäre ich geehrt, wenn<br />
Ihr mein Werk fortsetzen könntet. Ich weiß tief in<br />
meinem Herzen, dass Ihr <strong>der</strong> Richtige dafür seid, Dom<br />
Fela. Einer muss es tun.“<br />
Ich sah ihn ernst an.<br />
„Ihr seid <strong>der</strong> Mah´di Khan. Ich bin nur ein<br />
segurianischer Krieger. Wie könnte ich mir anmaßen,<br />
Eure Arbeit zu tun? Das ist absurd. Aber ich respektiere<br />
Eure Bitte. Sollte Euch etwas zustoßen, so werde ich<br />
mein Möglichstes tun.“<br />
„Dom Fela, schwört mir, dass Ihr die Rebellion führen<br />
werdet, sollte ich ausfallen. Schwört es!“<br />
Er war fast in Rage, es schien ihm ernst zu sein. Ich<br />
überlegte kurz, sah zu Boden. War<strong>um</strong> drängte er so sehr<br />
darauf? Hatten die Worte des Alten in ihm so viel<br />
bewirkt? Es war lediglich eine d<strong>um</strong>me Prophezeihung,<br />
davon gab es tausende, die sich nie erfüllten o<strong>der</strong><br />
missinterpretiert waren. Was hatten die obskuren Worte<br />
des Alte bei diesem Gerechtigkeitskämpfer, <strong>der</strong> den<br />
Willen und das Herz eines Bergbasilisken hatte, bewirkt?<br />
Ich sah ihm tief in die Augen, dort war Furcht.<br />
„Mah´di Khan. Sollte Euch auf unserer reise etwas<br />
zustoßen, so schwöre ich bei meinem Schwert, dass ich<br />
alles in meiner Macht stehende tun werde, <strong>um</strong> Euer<br />
Werk zu beenden.“<br />
Der Khan nickte und bestieg sichtlich erleichtert sein<br />
Reittier. Chahani und ich wechselten noch einige Blicke<br />
und saßen ebenfalls auf. Wir schlugen unsere Tamburs<br />
und die Traks erhoben sich in die Lüfte. Wir stiegen<br />
schnell auf und glitten in einer Höhe von etwa 800 Faden<br />
durch die Berglandschaft. Wir ließen uns im B´L Shirok<br />
treiben, ein permanenter leichter Aufwind mit warmen<br />
Strömungen, auf dem auch die schwebenden Inseln<br />
trieben. Diese Inseln waren merkwürdige Gebilde. Die<br />
Legende besagte, dass sie uralt waren, noch aus <strong>der</strong> ersten<br />
Hochzeit.<br />
Vor über 1.000.000 Zyklen soll es bereits eine hohe<br />
Zivilisation gegeben haben, mit mächtigen Reichen,<br />
wun<strong>der</strong>samen Techniken, Denkmaschinen und<br />
Apparaten, die sich von selbst bewegten. Das Leben <strong>der</strong><br />
Menschen war leicht, die Arbeit ging gut von <strong>der</strong> Hand,<br />
und Gewerbe und Handel blühten. Zu dieser Zeit hatte<br />
Gaia Assiah, unsere Muttererde, noch einen Mond, Ultar<br />
genant. Er war dicht bewaldet und <strong>um</strong>kreiste uns in<br />
Seite 24
einem nicht allzu geringen Abstand. Die Herren <strong>der</strong><br />
ersten Hochzeit besaßen Flugmaschinen, mit denen sie<br />
ohne Traks und Gh<strong>um</strong>pas nach Ultar aufsteigen konnten,<br />
<strong>um</strong> dort Schätze zu bergen. Gaia Assiah war weitgehend<br />
ausgebeutet, und so strebten die Händler in die Ferne. Sie<br />
hatten Flugmaschinen, mit denen sie schnell wie ein<br />
Sturmwind waren und durch die Schwärze des Inbetween<br />
z<strong>um</strong> Mond Ultar tauchten. Irgendwann, sagt die Legende,<br />
begannen heftige Ressourcenkriege <strong>um</strong> Ultar, die Reiche<br />
kämpften auf Gaia, im Inbetwen und auf Ultar<br />
gegeneinan<strong>der</strong> mit Waffen, von denen heute keiner mehr<br />
etwas weiß. Ihre Vernichtungswaffen konnten binnen<br />
weniger Momente ganze Städte ausradieren, so stand es<br />
geschrieben. Die „Glutbohrer“ waren beson<strong>der</strong>s<br />
gefürchtet, sie gruben sich in die Erde und entflammten<br />
selbst das härteste Gestein. So wurde die erste Hochzeit in<br />
einem gigantischen Fluß aus glühendem Gestein ertränkt.<br />
Alle Städte versanken darin, alle Län<strong>der</strong>eien wurden<br />
verbrannt, die Erde wurde wüst und leer. Es gab kein<br />
Leben mehr auf Gaia Assiah. Nur auf Ultar gab es noch<br />
Leben, dort waren kein Glutbohrer z<strong>um</strong> Einsatz<br />
gekommen. Die Reste <strong>der</strong> versprengten Truppen <strong>der</strong><br />
assiahtischen Reiche formierten sich auf Ultar neu und<br />
bildeten Siedlungen. Der Krieg war vorbei, ihre<br />
Maschinen versagten mit <strong>der</strong> Zeit, und man lebte viele<br />
Generationen in Frieden.<br />
Dann eines Tages geschah etwas Unerwartetes. Ein<br />
gewaltiger Komet zog an Gaia Assiah vorbei und<br />
destabilisierte Ultar, so dass <strong>der</strong> Mond ins Trudeln geriet<br />
und drohte, auf Gaia aufzuschlagen. Kurz vor dem Impakt<br />
jedoch zersplitterte <strong>der</strong> Mond in abertausende Teile, von<br />
denen die meisten sich in die Kruste von Gaia bohrten, so<br />
wurden die großen Hochebenen und die Gebirge<br />
erschaffen. Viele Menschen, Tiere und Pflanzen<br />
überlebten die Aufschläge, und so wurde Gaia Assiah<br />
wie<strong>der</strong> mit Leben besiedelt. Der erste Großkaiser, Kyrion<br />
Nebukadnezar, erließ ein Edikt, das es jedem Menschen<br />
untersagte, Maschinen zu erfinden, zu bauen und zu<br />
nutzen. Es wurde DER CODEX genannt und besaß noch<br />
heute Gültigkeit. Es sollte nie wie<strong>der</strong> zu einem so großen<br />
Krieg kommen, wie dem, <strong>der</strong> Gaia Asiah entleibt hatte.<br />
Wer sich dennoch mit Maschinen abgab, wurde sofort mit<br />
dem Tode bestraft. Die Menschen hatten erkannt, dass es<br />
die Maschinen gewesen waren, die das Ausmaß <strong>der</strong><br />
Verwüstung ermöglicht hatten. Maschinen galten fortan<br />
als „Böswerk“ und wurden geächtet.<br />
Einige Teile von Ultar schlugen damals nicht auf Gaia<br />
Assiah auf. Es waren die Wäl<strong>der</strong> von Ganima, in <strong>der</strong>en<br />
Tiefen sich gewaltige Magnetit-A<strong>der</strong>n befanden. Bein<br />
Eintritt in die Atmosphäre von Gaia bremsten die<br />
Magnetitvorkommen die Schollen, als sie über dem H<br />
´Taih-Areal herunterkamen. Im H´taih gab es<br />
Thelluri<strong>um</strong>, ein hochmagnetisches Erz, das den Fall<br />
abbremste und die gewaltigen Schollen in 500 bis 1.000<br />
Faden Höhe stabilisierte. Zigtausende größere und kleine<br />
Fraktale trieben dort nun seit Urzeiten auf dem<br />
magnetischen Fluß, <strong>der</strong> sie eingefangen hatte, dahin.<br />
Flora, Fauna und Kultur entwickelten sich dort völlig<br />
unberührt vom restlichen Geschehen auf Gaia Assiah. Die<br />
schwebenden Inseln waren erst vor 1.500 Zyklen von<br />
gondrischen Forschern entdeckt worden, von den<br />
zahlreichen Expeditionen dorthin kehrten nur wenige<br />
zurück. Es kam die Kunde, dass dort ein wildes<br />
Kriegervolk lebte, das unbeherrschbar war, und das jeden<br />
Eindringling tötete. Als die Reiche sich auf Gaia Assiah<br />
formierten, hatte es mehrere Versuche gegeben, mit<br />
Invasionen das Volk <strong>der</strong> schwebenden Inseln zu<br />
unterwerfen, nicht einer dieser Kriege wurde gewonnen.<br />
Die Mandraken waren wild, unbeugsam, und sie<br />
vermochten sich ihrer dichtbewaldteten Umgebung<br />
hervorragend anzupassen. Sie waren im Dickicht<br />
praktisch unsichtbar, und mit ihren Guerillataktiken<br />
konnten sie hun<strong>der</strong>tfach überlegene Heere schlagen,<br />
weshalb man sie auch „die bösen Waldgeister“ nannte.<br />
Auf den Randinseln gab es einige Handelsplätze, welche<br />
die Mandraken duldeten, <strong>um</strong> sich mit Waren zu<br />
versorgen, die sie auf den Inseln nicht herstellen konnten.<br />
Sie tauschten im Gegenzug Arzneien, die sie aus <strong>der</strong> fast<br />
unberührten Natur ihres Reiches gewannen. Nur auf den<br />
Inseln wuchs ein Schimmelpilz, <strong>der</strong> unter obskuren<br />
Ritualen zur Herstellung einer Medizin gegen das<br />
gefürchtete Knochenfieber verarbeitet wurde. Die<br />
Rezeptur kannten nur die Shamani <strong>der</strong> Mandraken, und<br />
sie wurde gut behütet. In früher Zeit wurde einst ein<br />
Mandrakenshamane entführt, <strong>um</strong> ihm die Rezeptur<br />
abzupressen. Als <strong>der</strong> gondrische Stoßtrupp den<br />
Heimatwald des Shamanen verließ, war er tot.<br />
Derzeit wurden die fünf bekannten Mandrakenstämme<br />
mit ihren zahlreichen Clans vom Warlord Xul<br />
Eisenbeisser angeführt, einem Hünen, dessen Anblick<br />
selbst einen erfahrenen Krieger erschauern ließ. Die<br />
Mandraken waren von <strong>der</strong> Statur her durchschnittlich<br />
größer als je<strong>der</strong> Kontinentalmensch, sie hatten<br />
grobschlächtige Gesichter und Reißzähne wie Raubkatzen<br />
und sie waren muskelbepackt wie <strong>Kampf</strong>ringer. Zu diesen<br />
Berserks also führte uns unsere Mission, und mir war<br />
nicht eben wohl bei <strong>der</strong> Sache. Es war fraglich, ob wir<br />
überhaupt ins Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong> Stämme würden vorrücken<br />
können, denn z<strong>um</strong> Einen mußten wir uns in<br />
unbekanntem Gebiet durch mehrere Verteidigungsringe<br />
arbeiten, z<strong>um</strong> An<strong>der</strong>en war das Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong> Macht stets<br />
in Bewegung. Die schwebenden Inseln waren nirgends<br />
vollständig kartographiert, und mit Techniken, die uns<br />
unbekannt waren, konnten die Mandraken die Position<br />
einer Insel im Schwarm verän<strong>der</strong>n. Aus verschiedenen,<br />
relativ authentischen Berichten war bekannt, dass es<br />
z<strong>um</strong>indest eine zentrale Insel gab, in <strong>der</strong>en<br />
Dschungeldickicht einige uralte Ruinen aus <strong>der</strong> ersten<br />
Hochzeit lagen, und dass dort <strong>der</strong> Warlord herrschte. Die<br />
Clans und Stämme wechselten ihren Aufenthaltsort<br />
ständig und waren schwer zu lokalisieren. Wir würden<br />
also buchstäblich im Nebel des Feuchtwaldes stochern.<br />
Ich steuerte meinen Djiati näher an den des Khan heran<br />
und fragte ihn nach seiner Strategie.<br />
„Nun, ich denke, im Grunde ihres Herzens sind die<br />
Mandraken gute Leute...“ meinte er „ ... sie sind -wie wirgut<br />
zu ihren Frauen, gut zu ihren Kin<strong>der</strong>n und gut zu<br />
ihren Tieren. Sie sind kriegerisch, weil man sie immer<br />
wie<strong>der</strong> angegriffen hat, weil man versucht hat, sie<br />
auszulöschen und zu unterdrücken. Ich muss versuchen,<br />
Xul Eisenbeiser von <strong>der</strong> Notwendigkeit einer Allianz zu<br />
überzeugen.“<br />
Ich sah ihn skeptisch an.<br />
„Ich bin sehr gespannt, wie Ihr das anstellen wollt,<br />
Khan. Ich glaube, diese Wilden verstehen nur eine<br />
einzige Sprache.“ Dabei tippte ich an den Griff meines<br />
Seite 25
Schwertes. „Aber erstmal wollen wir sehen, dass wir das<br />
Nest dieser Tiere überhaupt finden.“<br />
„Diese Tiere, wie Ihr sie nennt, sind unsere letzte<br />
Hoffnung, Dom Fela. Gelingt es uns nicht, sie auf unsere<br />
Seite zu bringen, ist die Sache verloren.“<br />
Ich grinste. „Gelingt es uns nicht, sie auf unsere Seite zu<br />
bringen, sind wir verloren, fürchte ich.“ Ich lachte laut.<br />
„Gastfreundschaft ist so ziemlich das Letzte, wofür die<br />
Mandraken bekannt sind. Wenn Ihr nicht überzeugend<br />
seid, Khan, werden sie uns wahrscheinlich in ihre<br />
Kochtöpfe stecken und schmoren, bis unser Fleisch von<br />
den Knochen fällt.“<br />
Ich fing mir von Chahani einen giftigen Blick ein.<br />
Unsere Traks schwebten auf dem warmen Aufwind durch<br />
die Schluchten des weiträ<strong>um</strong>igen H´Taih-Areals. Gegen<br />
Mittag passierten wir den Arrakhpass, ein mittelhoher<br />
Grat, <strong>der</strong> sich schnurgerade über eine Länge von gut<br />
50.000 Fuß erstreckte und eine Wetterbarriere bildete. Es<br />
war ein beindruckendes Schauspiel, wie sich im Lichte<br />
<strong>der</strong> Sonnen die Wolken über den Rand des Passes<br />
schoben und auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite einem Wasserfall<br />
gleich in die Tiefe abstürzten. Hier trafen verschiedene<br />
Luftschichten aufeinan<strong>der</strong>, und die Wolken wurden am<br />
Hang hinuntergedrückt. So floß das Wolkenmeer seit<br />
Urzeiten hier den Berg hinab und stürzte zu Tal, wo es<br />
sich erwärmte und dampfend wie<strong>der</strong> aufstieg. Der Kessel<br />
von Arrakh, wie das große Tal genannt wurde, war ein<br />
maßgeblicher Motor für das gondrische<br />
Kontinentalklima, hier wuchsen die Regenwolken, welche<br />
die Hochebenen <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>s befruchteten. Im Talkessel<br />
wucherte ein undurchdringlicher Regenwald, <strong>der</strong> die<br />
seltsamsten Kreaturen hervorbrachte. Dieser riesige Wald<br />
nicht zu einem Bruchteil erforscht, aber die Gelehrten<br />
gingen davon aus, dass nach <strong>der</strong> ersten Hochzeit an dieser<br />
Stelle die Wie<strong>der</strong>belebung des Planeten stattgefunden<br />
hatte. Nur in diesem Wald existierten die Ur-Gh<strong>um</strong>pas,<br />
die nicht mehr als kniehoch waren. Aus ihrer Gattung<br />
waren die gewaltigen Lastengh<strong>um</strong>pas gezüchtet worden,<br />
die heute alle schweren Transportarbeiten verrichteten.<br />
Hier im Wald gab es auch den handtellergroßen Elkkäfer,<br />
den Urahnen <strong>der</strong> Traks. Aus ihm waren alle Ghenakäfer<br />
hervorgegangen, die Trak-Ghena, die verschiedenen<br />
<strong>Kampf</strong>traks, Hebekäfer und alle Nutzinsekten, die nicht<br />
zur Gattung <strong>der</strong> Gh<strong>um</strong>pa gehörten. Über tausende von<br />
Zyklen hinweg waren die Zuchttiere selektiert worden,<br />
immer neue Arten, in Größe und Ausprägung<br />
verschieden, wurden zielsicher gezüchtet. So kam es, dass<br />
die Nutzinsekten nun die Arbeit von Maschinen<br />
verrichteten, was nicht dem Technikverbot wi<strong>der</strong>sprach.<br />
Unsere Zivilisationen flogen zwar nicht zu fernen<br />
Gestirnen, wie es in <strong>der</strong> ersten Hochzeit <strong>der</strong> Fall gewesen<br />
war, aber das war auch nicht wichtig. Auch wenn unsere<br />
Gesellschaften <strong>der</strong> zweiten Hochzeit nicht ohne Fehler<br />
waren, so lebten wir dennoch mehr im Einklang mit <strong>der</strong><br />
Natur, als das unsere Vorfahren taten. Das Leben ohne<br />
die Denkmaschinen und Apparate war sicherlich<br />
beschwerlich, gefährlich und es gab auch ohne Maschinen<br />
durchaus Grund, Kriege zu führen. Aber die heiligen<br />
Codices <strong>der</strong> zweiten Hochzeit besagten, dass Kriege nur<br />
zwischen militärischen Einheiten ausgefochten werden<br />
durften. Die zivile Bevölkerung war davon fernzuhalten.<br />
Im Großen und Ganzen hielten sich die Völker auch<br />
daran, nur <strong>der</strong> Tyrann Ninurta verstieß immer öfter gegen<br />
die Codices. Das war auch einer <strong>der</strong> Gründe, war<strong>um</strong> die<br />
Nachbarvölker von <strong>Gonda</strong> die Rebellen in ihrem <strong>Kampf</strong><br />
gegen den Kaiser heimlich unterstützten.<br />
Wir überflogen die Wiege <strong>der</strong> Zivilisation fast ohne<br />
Zwischenfälle. Nur einmal wurden wir von einem<br />
Schwarm Blasenquallen attackiert, die versuchten, uns<br />
mit ihren Nesselfäden zu betäuben. Sie waren zwar nicht<br />
beson<strong>der</strong>s schnell und keineswegs intelligent, aber ihre<br />
Zahl konnte in einem Schwarm schnell in die<br />
Hun<strong>der</strong>tausende gehen. Ihre gasgefüllten Körper konnten<br />
sie durch Gasausstoß vertikal navigieren, horizontal<br />
jedoch waren sie auf den Wind angewiesen. Allerdings<br />
stieg <strong>der</strong> Schwarm hinter uns auf, so dass wir gezwungen<br />
waren, ihnen durch ein zeitraubendes Manöver<br />
auszuweichen. Wir flogen eine meilenweite Ostkurve und<br />
gingen vierhun<strong>der</strong>t Faden höher, in eine kalte<br />
Luftschicht, in <strong>der</strong> die Blasenquallen den Zellinnendruck<br />
nicht halten konnten. S´rath, die Mittagssone, brannte<br />
erbarmungslos auf uns herab, und wir entschlossen uns,<br />
auf einer Bergflanke zu rasten, die frei von Ba<strong>um</strong>bestand<br />
war, aber im Schatten eines großen Felsüberhanges lag.<br />
Wir landeten die Djiatis und Chahani bereitete uns einen<br />
köstlichen Tee, <strong>der</strong> die müden Lebensgeister wie<strong>der</strong><br />
weckte. Als wir <strong>um</strong> das kleine Feuerchen her<strong>um</strong>saßen,<br />
berieten wir unsere weitere Route. Ich holte eine le<strong>der</strong>ne<br />
Karte heraus, die seit über einhun<strong>der</strong>tfünfzig Zyklen im<br />
Besitz meiner Familie war. Sie war Teil eines<br />
Kartensatzes, <strong>der</strong> die gesamte Kontinentalplatte<br />
abbildete, doch die Karte war verschlüsselt. Sie zeigte ein<br />
scheinbar wirres Muster aus Linien und Punkten. Ich<br />
breitete die Karte aus und legte einige Spiegelkristalle an<br />
bestimmte Punkte auf dem Le<strong>der</strong>. Dann setzte ich in die<br />
Mitte <strong>der</strong> Karte einen sidellianischen Flammenopal, <strong>der</strong><br />
wie eine Pyramide geformt war. Er leuchtete stark in<br />
floureszierenden Farben, und die an<strong>der</strong>en Kristalle<br />
reflektierten sein Licht. Die Lichstrahlen wurden hin und<br />
her geworfen, verbanden und kreuzten sich, und schon<br />
nach wenigen Momenten baute sich etwa drei Handbreit<br />
über <strong>der</strong> Karte ein Lichtgebilde auf, das die Umrisse des<br />
H´Taih Gebirges zeigte. Darin fanden sich einige Dutzend<br />
Lichtpunkte in verschiedenen Farben.<br />
Chahani stutzte. „Was ist das?“<br />
„Das ist eine Partitur aus <strong>der</strong> ewigen Route des Lichts<br />
von Segur.“ antwortete ich, während ich mir die<br />
Konstellationen sorgsam einprägte. „Meine Familie hütet<br />
diese Karte seit vielen Generationen, sie <strong>um</strong>fasst 22<br />
Teile: 7 Doppelte, 12 Einfache und 3 Mutterpartituren.<br />
Alle zusammen bilden den gesamten Planeten ab. Einst<br />
wurde die Route von den Magiern Segurias in <strong>der</strong><br />
Tra<strong>um</strong>zeit erforscht, und in den Partituren verschlüsselt.<br />
So ist es uns möglich, auch das unentdeckte Land zu<br />
bereisen.“<br />
Der Mah´di sah interessiert zu. Er konnte sein Erstaunen<br />
nicht verbergen, macht auch keine Anstalten<br />
diesbezüglich.<br />
„Faszinierend, Dom Fela. Eine solche Karte ist für sich<br />
genommen schon eine Waffe, bedenkt man den<br />
strategischen Vorteil, den sie zu verschaffen in <strong>der</strong> Lage<br />
ist. Ich sehe es doch richtig, dass sie in <strong>der</strong> Lage ist, den<br />
tatsächlichen Standort eines Objektes zu zeigen? Auch<br />
einer Truppe, nicht wahr?“<br />
„In <strong>der</strong> Tat. Wenn ich die Karte fokussiere, kann ich<br />
sogar unseren Standort in Relation z<strong>um</strong> Xul zeigen.“<br />
Seite 26
Ich erarbeitete ein Mentalbild meines Zieles und schon<br />
verän<strong>der</strong>ten sich die Lichtbögen über <strong>der</strong> Karte. Sie zeigte<br />
nun unser Lager als kleinen gelben Punkt, von dem ein<br />
Lichtbogen hinüberzeigte zu einem an<strong>der</strong>en, violetten<br />
Punkt, <strong>der</strong> von einem blassen Schein <strong>um</strong>geben war. Ich<br />
zeigte darauf.<br />
„Dort ist Xul mit seinem Clan. Etwa zwei Tagesreisen<br />
entfernt auf <strong>der</strong> Insel Terroknoir. Wir müssen uns durch<br />
den äußeren Schutzwall arbeiten, <strong>der</strong> aus einer Reihe<br />
kleinerer Inseln besteht. Das sollte nicht allzu schwierig<br />
sein. Aber auf Terroknoir werden wir unsere Traks nicht<br />
gebrauchen können, fürchte ich. Zu dicht bewaldet. Wir<br />
werden uns auf einen längeren Fußmarsch einrichten<br />
müssen. Und <strong>der</strong> wird alles an<strong>der</strong>e als ein Spaziergang<br />
werden, fürchte ich.“<br />
Der Mah´di zog die Augenbrauen hoch. „Mögen die<br />
Götter K´bals uns beistehen“ murmelte er. „Ein wirklich<br />
beeindruckendes Navigationsmittel...“ fügte er noch leise<br />
hinzu.<br />
Nachdem ich die Karte wie<strong>der</strong> in meiner Kiste verstaut<br />
hatte, legten wir uns etwas nie<strong>der</strong> und rasteten, bis die<br />
Mittagssonne etwas nachließ und die Temperaturen<br />
erträglicher wurden. Am frühen Nachmittag bestiegen wir<br />
wir wie<strong>der</strong> unsere Reittiere und zogen weiter Richtung<br />
Norden, den schwebenden Inseln folgend. Wir überflogen<br />
sanfte Hügel, die abrupt zu steilen Graten aufschossen,<br />
<strong>der</strong>en Kämme wie mit dem Maßstock gezogen in den<br />
Himmel aufragten. Nirgends war auch nur die Spur einer<br />
Siedlung ausz<strong>um</strong>achen. An den Flanken <strong>der</strong> Berge<br />
wucherten ausgedehnte Wäl<strong>der</strong> von unförmigen<br />
Zwergkoniferen, die <strong>der</strong> Gegend ein mystisch, skurriles<br />
Aussehen verliehen. An den Berghängen krochen diesige<br />
Nebel durch die verkrüppelten Wäl<strong>der</strong>, und in den<br />
Nie<strong>der</strong>ungen sammelte sich <strong>der</strong> Gestank gäriger Sümpfe.<br />
Eine völlig unwirtliche Gegend, in <strong>der</strong> kein Mensch leben<br />
wollte. Auf einer Hochebene, die mit spärlichem, wilden<br />
Rieselgras bewachsen war, machten wir eine große<br />
Chalais-Gh<strong>um</strong>pa Herde aus. Gemächlich trotteten die<br />
riesigen Insekten über die Steppe, etwa zehn Dutzend<br />
Tiere waren es, ein Leitbulle, mehrere Kühe und etliche<br />
Jungtiere. Der Panzerzeichnung nach kamen sie aus<br />
gondrischen Beständen, wahrscheinlich handelte es sich<br />
<strong>um</strong> entlaufene und verwil<strong>der</strong>te Tiere, die sich zu einer<br />
Herde zusammengefunden hatten. Hier oben in den<br />
Bergen kamen große Gh<strong>um</strong>pas nur sehr selten vor, und<br />
sie lebten gefährlich hier. Es gab viele Raubtiere, denen<br />
die behäbigen Käfer nur wenig entgegenzusetzen hatten.<br />
Sie waren zwar gepanzert, aber es gab Räuber, die sich auf<br />
das Erbeuten von Insekten spezialisiert hatten.<br />
Es dauerte nicht lange, bis wir eben dieses Schauspiel<br />
verfolgen konnten. Eine <strong>der</strong> größeren Kühe hatte sich<br />
etwas von <strong>der</strong> Herde gelöst, <strong>um</strong> sich einer grünen Insel zu<br />
nähern, die im Steppengras leuchtete. Das war ihr Fehler.<br />
Diese grünen Flecken in ansonsten dürren<br />
Steppenreiselgras waren trügerische Fallen. Sie wurden<br />
genährt von den Ausscheidungen einer armlangen<br />
Wurmart, die dicht unter <strong>der</strong> Oberfläche in senkrechten<br />
Röhren hauste. Wenn sich nun ein Tier dem<br />
vermeindlichen Freßplatz näherte, schossen sie aus ihren<br />
Röhren und durchschlugen den Panzer an <strong>der</strong><br />
verwundbaren Unterseite. Dazu preßten sie das Gas aus<br />
ihrem Verdauungstrakt in die Röhre, in <strong>der</strong> sie saßen, und<br />
entzündeten es mit einem biochemischen Funken. So<br />
wurden sie aus <strong>der</strong> Röhre herauskatapultiert, und die<br />
hornartigen Dornen an <strong>der</strong> Kopfseite bohrten sich durch<br />
den Panzer.<br />
So war es auch in diesem Fall. Die Gh<strong>um</strong>pakuh wan<strong>der</strong>te<br />
z<strong>um</strong> Grün, und mit zischenden und knackenden<br />
Geräuschen durchschlugen die Kassimwürmer den<br />
Bauchpanzer <strong>der</strong> Kuh, die mit lautem Tröten aus ihrem<br />
Horn ihren Schmerz bekundete. Die Kassimwürmer<br />
waren in ihren Leib eingedrungen und begannen sofort,<br />
die Weichteile zu fressen. Die Kuh ta<strong>um</strong>elte, rannte noch<br />
ein paar Fuß weit und brach zusammen. Nun kamen<br />
immer mehr dieser metallisch glänzenden Würmer aus<br />
<strong>der</strong> Erde gekrochen und zogen in einer makaberen<br />
Prozession z<strong>um</strong> Kadaver, in den sie eindrangen, <strong>um</strong> sich<br />
satt zu fressen. Um das tote Tier her<strong>um</strong> schien <strong>der</strong> Boden<br />
zu leben. Tausende Würmer in allen Größen fielen<br />
darüber her, und bereits nach wenigen Momenten waren<br />
nur noch die Hartschalenpanzer übrig. Die Würmer<br />
gruben sich wie<strong>der</strong> in den Boden ein, und an <strong>der</strong> Stelle, an<br />
<strong>der</strong> das große Fressen stattgefunden hatte, würde in<br />
wenigen Tagen die nächste kleine grüne Insel entstehen.<br />
Die Herde <strong>der</strong> Gh<strong>um</strong>pas zeigte sich unbeeindruckt und<br />
zog stupide weiter. Ich sinnierte noch kurz über das<br />
Werden-Sein-Vergehen, doch dann verlangte es<br />
an<strong>der</strong>norts nach Konzentration.<br />
„Da!“ Der Ruf Chahanis holte mich aus meiner<br />
Beobachtung heraus und ließ mich in die Richtung<br />
schauen, in die sie deutete. Einige hun<strong>der</strong>t Fuß vor uns<br />
tauchte im seitlichen Licht <strong>der</strong> tiefstehenden Sonne S<br />
´rath die Shilouette <strong>der</strong> ersten schwebenden Insel auf.<br />
Rein technisch gesehen handelte es sich dabei <strong>um</strong> einen<br />
Felsbruch, dessen Spitze nach unten zeigte, und <strong>der</strong> an<br />
<strong>der</strong> Oberfläche belebt war. Optisch jedoch war dieser<br />
Anblick ein echtes Erlebnis. Da schwebte ein <strong>um</strong>gedrehter<br />
Berg etwa zweihun<strong>der</strong>t Faden über dem Boden daher, wie<br />
an unsichtbaren Fäden aufgehängt. Gemächlich trieb<br />
diese gewaltige Galeone im Magnetstrom des H´taih-<br />
Gebirges. Der graubraune Felskeil wurde gekrönt von<br />
einer dichten Perücke aus üppigem Grün, über <strong>der</strong> Vögel<br />
und Insekten verschiedenster Art flatterten. Dies war <strong>der</strong><br />
Ursprung des neuen Lebens, von hier aus war in <strong>der</strong><br />
neuen Zeit Gaia Assiah wie<strong>der</strong> belebt worden. Fasziniert<br />
betrachtete ich dieses schwebende Eiland. Es gab<br />
tausende davon. Größere, kleinere, flache und spitze,<br />
einige schwebten höher, einige, <strong>der</strong>en Magnetita<strong>der</strong>n<br />
schwächer waren, schwebten nur einige hun<strong>der</strong>t Faden<br />
über dem Boden. Wir hatten unser Ziel fast erreicht. Jetzt<br />
mußten wir nur noch die Hauptinsel finden, und z<strong>um</strong><br />
Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong> Madrakenstämme vordringen. Hier in <strong>der</strong><br />
Luft drohte uns wenig Gefahr, denn die Mandraken<br />
stiegen nur selten mit Fluginsekten auf. Sie zogen es vor,<br />
im Schutz <strong>der</strong> Urwäl<strong>der</strong> zu operieren. Ab und an<br />
überwanden sie die Distanz zu einer Nachbarinsel mit<br />
Trak-Ghenas, aber viele <strong>der</strong> Inseln waren auch mit<br />
abenteuerlich konstruierten Brücken verbunden. Als wir<br />
näher herankamen, tauchten weitere Inseln auf und man<br />
konnte hier und da die flexiblen Holzbrücken erkennen,<br />
mit denen eng benachbarte Inseln verbunden waren. Im<br />
Prinzip handelte es sich dabei <strong>um</strong> Hängeseilbrücken, die<br />
jedoch in <strong>der</strong> Art von Glie<strong>der</strong>tunneln konstruiert waren.<br />
Dazu fertigten die Mandraken große, elliptische Segmente<br />
aus Valtra-Balsaholz, mannshoch und doppelt so breit. In<br />
den Boden lagerten sie dünne Schichten aus Magnetiterz<br />
Seite 27
ein, und die Lianenseile, mit denen sie die Segmente<br />
verbanden, wurden in einer öligen Magnetitbeize<br />
getränkt. So bekamen die Brücken in etwa dieselben<br />
Eigenschaften wie die Inseln, sie hingen nur mäßig durch<br />
und schwebten ebenfalls auf dem magnetischen Strom.<br />
Jede Brücke hatte zwei oberschenkeldicke zentrale<br />
Halteseile, die unter <strong>der</strong> Laufläche verliefen und fest mit<br />
den Inseln verbunden waren. In Brusthöhe und über dem<br />
Dach liefen noch drei Führungsseile, in die jeweils die<br />
Tunnelsegmente eingehängt wurden. So blieben die<br />
Verbindungstunnel stabil, behielten jedoch die<br />
erfor<strong>der</strong>liche Flexibilität, <strong>um</strong> Kursschwankungen <strong>der</strong><br />
Inseln auszugleichen. Die Tunnelbrücken waren über und<br />
über mit Epiphyten, Moosen und Flechten überwachsen,<br />
die in tausend und mehr Zyklen einen dichten grünen<br />
Teppich auf den Dächern gebildet hatten und wie skurrile<br />
Tropfengebilde an den Seiten herunterhingen. Dieser<br />
botanische Mantel hielt die Temperaturen in den Röhren<br />
erträglich und schützte die Konstruktion vor<br />
Ausbleichung und Versprödung. Es gab hun<strong>der</strong>te dieser<br />
Tunnelbrücken, die von den Mandraken im Kriegsfall<br />
auch als Schützenstellungen gebraucht wurden.<br />
Gegen Abend waren wir schon relativ weit in das Inselfeld<br />
vorgedrungen, es gab keine beson<strong>der</strong>en Vorkommnisse zu<br />
verzeichnen. Wir suchten uns eine sehr kleine,<br />
offensichtlich unbewohnte Insel für die Nachtruhe aus,<br />
ein kleines, flaches Oval mit niedrigem Buschbestand, das<br />
ziemlich tief schwebte. Am äußeren Rand befand sich ein<br />
natürlicher Kraal aus Felsen, den wir als geeigneten<br />
Lagerplatz identifizierten. Wir steuerten unsere Käfer<br />
herunter, kreisten ein paar Mal über <strong>der</strong> Insel, die nicht<br />
größer war als ein durchschnittlicher Rieselgrasschlag in<br />
<strong>der</strong> Segurianischen Börde, und landeten im Kraal. Wir<br />
sicherten das Gelände und errichteten in Ruhe einen<br />
gemütlichen Lagerplatz. Wasser gab es hier nicht, aber<br />
wir hatten z<strong>um</strong> Glück noch einige Kalebassen<br />
Frischwasser dabei. Ich schnitt etwas Dörrfleisch auf, gab<br />
es mit Klustabohnen, Süßknollen und Lauchblättern in<br />
einen Topf und stellte ihn auf das fast rauchlose Feuer,<br />
das <strong>der</strong> Khan entfacht hatte. Chahani bereitete uns Tee,<br />
und während die Mahlzeit vor sich hin köchelte, bereitete<br />
<strong>der</strong> Khan einen Stockbrotteig, den er mit gelbem<br />
Curc<strong>um</strong>a, Salz und einigen Kräutern würzte. Wir<br />
schnitten und Stöcke zurecht, drapierten eine Portion<br />
Teig darauf und hielten sie über das Feuer. Es duftete<br />
herrlich. Der Teig war wohl gelungen und ging gut auf.<br />
Kurz darauf hatten wir drei ein einfaches, aber<br />
schmackhaftes Mahl zubereitet, das unseren Hunger und<br />
Durst vorzüglich stillte. Der Fleischtopf schmeckte deftig,<br />
pikant und leicht süßsauer, dazu paßte das gewürzte<br />
Stockbrot hervorragend. Chahanis Tee war süß und<br />
schmeckte sehr fruchtig. Es wurde ka<strong>um</strong> gesprochen, bis<br />
wir fertig gegessen hatten. Um uns her<strong>um</strong> zirpte und<br />
trällerte es leise, die Geräusche <strong>der</strong> abendlichen Steppe<br />
wurden nur ab und an vom Gekreisch eines si<strong>der</strong>ischen<br />
Schreivogels unterbrochen, <strong>der</strong> irgendwo in <strong>der</strong> Nähe auf<br />
Jagd nach Insekten und kleinen Reptilien war.<br />
Nach dem Essen holte ich meine Wurzelholzpfeife heraus,<br />
stopfte sie mit einem aromatischen Kräutergemisch und<br />
entzündete sie mit einen Glutspan aus dem Feuer. Bereits<br />
die ersten Züge brachten eine wohlige Entspannung, die<br />
sich im ganzen Körper ausbreitete. Ich ließ die Pfeife<br />
her<strong>um</strong>gehen. Nach einigen Momenten sprach ich den Ma<br />
´dhi Khan an.<br />
„Sagt, wie genau habt Ihr nun die Mandraken in Euren<br />
Revolutionsplan eingesetzt? Ich meine, dass dies kein<br />
leichtes Unterfangen wird, sollte Euch klar sein...“<br />
„Ich weiß,“ gab <strong>der</strong> Khan nachdenklich zurück, „aber es<br />
muß einfach gelingen, die Völker gegen Ninurta zu<br />
vereinen. Seine unterdrückerische Herrschaft gewinnt<br />
täglich an Macht und Einfluss, und ich fürchte, es steht<br />
in seiner Absicht, den gesamten Planeten zu<br />
beherrschen.“<br />
„Das sieht das segurianische Imperi<strong>um</strong> ähnlich,“<br />
pflichtete ich ihm bei, „nicht <strong>um</strong>sonst unterstützen wir<br />
die gondrische Wi<strong>der</strong>standsbewegung. Das ist für uns<br />
nicht ohne Risiko. Ninurta ahnt es, aber wenn er es uns<br />
beweisen könnte, hätten wir schnell seine Legionen in<br />
unserem Reich.“<br />
Ich stocherte sinnierend im Feuer und fuhr fort.<br />
„Aber nun ist <strong>der</strong> Zeitpunkt <strong>der</strong> großen Schlacht nahe.<br />
Dieser Krieg wird unglaublich hart werden für alle<br />
Beteiligten. Die Altvor<strong>der</strong>en Segurias verlegen bereits<br />
seit mehr als 15 Zyklen in aller Heimlichkeit Soldaten<br />
und Material an die Grenzen. Die Neusiedler in den<br />
Outbacks sind nicht Farmer und Viehzüchter, wie man<br />
meinen könnte. Wir haben über 200.000 Mann an den<br />
Grenzen unauffällig stationiert. Diese Armee wartet nur<br />
auf den Befehl, in Waffen zu gehen.“<br />
Ich sah den Khan an. Er war sichtlich verdutzt. Seinem<br />
Gesicht war anzusehen, dass er damit nicht gerechnet<br />
hatte. Dann entspannten sich seine Gesichtszüge und er<br />
lachte.<br />
„Ist das wahr? Unglaublich. Ich versichere Euch, Dom<br />
Fela, das keiner das gemerkt hat. Nicht in unserem<br />
Lagern, nicht im Befehlsstand von Ninurtas Armeen. Ihr<br />
Segurianer seid sehr geschickt in militärischen Dingen,<br />
das muss ich neidlos zugestehen. Meine Hochachtung. Es<br />
ist eine erstaunliche militärische Leistung, ein solches<br />
Kontingent völlig unbemerkt zu positionieren. Und die<br />
Art, wie Ihr dies bewerkstelligt hat, zeugt von <strong>der</strong><br />
strategischen Weitsicht Eurer Führer. Meinen<br />
außerordentlichen Respekt, Schwertmeister!“ Er<br />
verneigte sich und sprach weiter.<br />
„Das verän<strong>der</strong>t natürlich einiges. Wenn <strong>der</strong> <strong>Kampf</strong> <strong>um</strong><br />
<strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> entbrennt, wird Ninurta sich auf einige<br />
Überraschungen gefasst machen müssen, dessen bin ich<br />
mir sicher. Aber dennoch, ich bin nicht sicher, ob wir<br />
obsiegen werden. Der Kaiser hat gewaltige Mengen Gold<br />
und Edelsteine in Waffen verwandelt, und seine<br />
<strong>Kampf</strong>taranteln sind vielen an<strong>der</strong>en Waffengattungen<br />
weit überlegen. Ich will ehrlich sein: Ich fürchte mich vor<br />
diesem Krieg. Denn wenn es uns nicht gelingt, Ninurta<br />
im ersten Anlauf zu schlagen, dann hat diese Welt<br />
verloren. Wir brauchen die entschlossene Kooperation<br />
aller Völker, <strong>um</strong> diesen mächtigen Feind zu schlagen.<br />
Wir müssen Xul Eisenbeisser davon überzeugen, dass er<br />
nur an unserer Seite eine Chance z<strong>um</strong> Überleben hat.“<br />
„Und? Wie wollt Ihr das anstellen?“ hakte ich nach.<br />
„Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.<br />
Nun war ich es, <strong>der</strong> lachte. „Ein trefflicher Plan, Mah´di<br />
Khan!“<br />
Er sah mich an und meinte leise: „Manche Brücken kann<br />
man erst überschreiten, wenn man sie erreicht hat...“<br />
Ich nickte ihm zu und sah wie<strong>der</strong> ins Feuer. Nach einer<br />
Weile <strong>der</strong> Stille begaben wir uns in unsere Nachtlager.<br />
Der Khan übernahm die erste Wache, dann übernahm<br />
Seite 28
Chahani die zweite und ich die dritte Wache. Die Nacht<br />
verlief ohne Zwischenfälle, und am nächsten Morgen<br />
machten wir uns zeitig auf, das Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong> Mandraken-<br />
Kultur ausfindig zu machen.<br />
Wir flogen bis z<strong>um</strong> Mittag durch das ausgedehnte Feld<br />
<strong>der</strong> schwebenden Inseln. Erstaunlicherweise bekamen wir<br />
nicht einen einzigen Mandraken zu Gesicht, obwohl ich<br />
sicher war, dass uns hun<strong>der</strong>te, wenn nicht tausende<br />
Augenpaare aus dem Dickicht <strong>der</strong> Inselwäl<strong>der</strong><br />
beobachteten. Als Krieger entwickelt man einen<br />
beson<strong>der</strong>en Sinn, <strong>der</strong> es ermöglicht, Bedrohungen<br />
wahrzunehmen und einzuschätzen. Und, obwohl ich die<br />
Beobachter deutlich wahrnahm, gab es keinen Anlaß, in<br />
Alarmbereitschaft zu verfallen. Die Stimmung, die mir im<br />
Äther entgegenkam, war eher neugierig als feindselig, was<br />
mich angesichts <strong>der</strong> Dinge, die man sich über die<br />
Mandraken erzählte, wirklich verwun<strong>der</strong>te. Ich genoss<br />
also den Flug durch das Reich des Warlords Xul<br />
Eisenbeisser, bewun<strong>der</strong>te die Architektur <strong>der</strong><br />
Tunnelbrücken und ließ die Mittagssonne meinen Leib<br />
erwärmen. Die Brücken waren das einzige Anzeichen<br />
einer Zivilisation in diesem unglaublichen Haufen<br />
fliegen<strong>der</strong> Steine. Das Gewirr an Verbindungen zwischen<br />
den Inseln wurde immer dichter, je näher wir dem<br />
Zentr<strong>um</strong> kamen. Einige <strong>der</strong> Brücken schienen weit über<br />
1000 Zyklen alt zu sein, sie unterschieden sich ka<strong>um</strong> noch<br />
von <strong>der</strong> natürlichen Umgebung, so sehr waren sie<br />
bewachsen. Wie ein A<strong>der</strong>netz verbanden sie die inneren<br />
Inseln zu einem gigantischen Cluster, <strong>der</strong> wahrscheinlich<br />
von zigtausenden von Mandraken bewohnt wurde.<br />
„Dort!“ Es war <strong>der</strong> Khan, <strong>der</strong> meine Blicke mit einem<br />
Fingerzeig nach unten lenkte. Etwa 200 Faden unter uns<br />
schwebte eine gigantische Insel, die größte von allen, die<br />
wir bisher gesehen hatten. Sie war fast komplett von<br />
einem dunkelgrünen Wald bestanden. Nur in <strong>der</strong> Mitte<br />
<strong>der</strong> Insel gähnte ein Loch in dem grünen Meer. Ein großer<br />
See war dort zu sehen, mit klarem, türkisfarbenen<br />
Wasser, <strong>der</strong> aus zwei großen Wasserfällen gespeist wurde,<br />
die von einem nördlich gelegenen Sichelkranzgebirge<br />
herabstürzten. Zwischen den brodelnden Stürzen konnte<br />
man unter einen großen Felsplateau große Gebäude<br />
ausmachen, erbaut in <strong>der</strong> Technik <strong>der</strong> vorapokalyptischen<br />
Monlithkultur. Wir hatten unser Ziel erreicht: Mandra-<br />
Ghora, das Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong> mandrakischen Zivilisation. In<br />
immer enger werdenden Spiralen sanken wir langsam<br />
z<strong>um</strong> Rand <strong>der</strong> Insel herab, dort gab es einige Wiesen, auf<br />
denen wir unsere Reittiere zurücklassen konnten. Sich<br />
<strong>der</strong> Stadt im direkten Anflug zu nähern, wäre mehr als<br />
unklug gewesen, wir wollten uns langsam zu Fuß<br />
annähern, <strong>um</strong> den Mandraken Gelegenheit zu geben, uns<br />
zu studieren. Das erhöhte die Chancen, lebend vor Xul<br />
Eisenbeissers Thron zu erscheinen.<br />
Kapitel 6: Der lange Marsch<br />
Wir landeten unbehelligt auf einer Rieselgraswiese am<br />
südlichen Rand <strong>der</strong> Insel und verstauten unser Gepäck in<br />
einer Felshöhle am Waldrand. Hier gab es keine<br />
Beobachter. Wahrscheinlich hatte man erwartet, dass wir<br />
näher an <strong>der</strong> Stadt landen würden. Sorgsam tarnten wir<br />
den Eingang des Verstecks, nachdem wir das Nötigste für<br />
den Marsch an uns genommen hatten. Chahani sprach<br />
noch einen magischen Bann über die Höhle, <strong>um</strong> sie<br />
unsichtbar zu machen. Natürlich wurde die Höhle<br />
dadurch nicht wirklich unsichtbar, aber durch den Zauber<br />
entging sie gewissermaßen <strong>der</strong> Aufmerksamkeit eines<br />
Betrachters.<br />
Ich hatte mich für meine drei Schwerter entschieden. Auf<br />
meinem Rücken hingen zwei gekreuzte Kurzschwerter,<br />
<strong>der</strong>en Griffe links und rechts in Nierenhöhe seitlich<br />
abstanden, und senkrecht hing mein Langschwert Kilm<br />
´tal zwischen ihnen, <strong>der</strong> mächtige Schwertgriff mit den<br />
Drachenzähnen lag in meinem Genick. Ich befestigte noch<br />
einige kleine Transporttaschen an meinen Gürteln, die<br />
allerlei nützliche Dinge enthielten, z.B. kleine B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong>-<br />
Bomben mit Aufschlagzün<strong>der</strong>n. An den Unterschenkeln<br />
hatte ich je einen Cathlan-Dolch in gut gefetteten<br />
le<strong>der</strong>nenen Schnellzughalftern, und an den Gürteln<br />
mehrere Sharikan-Wurfsterne. Ich überprüfte alle Waffen<br />
und fand, ich war abmarschbereit.<br />
Chahani hatte sich ebenfalls mit einem Schwert und<br />
einigen Dolchen eingedeckt, sie sah im Kriegeroutfit<br />
ausgesprochen sexy aus, wie ich fand. Der Khan hatte sich<br />
<strong>um</strong>gezogen. Er trug die traditionelle Rebellenuniform, ein<br />
schwarz-grauer Le<strong>der</strong>kombi mit braunem Umhang. Den<br />
Staubschutz für das Gesicht hatte er nicht aufgezogen, er<br />
hing lose unter seinem Kinn. Auf seiner Brust prangte ein<br />
Metallschild, das ein unicursales Hexagramm in einem<br />
Heptagramm zeigte. Das Schild war emailliert, in den<br />
Farben schwarz, weiß und rot gehalten und wurde mit<br />
kleinen Karabinern an <strong>der</strong> Brustwehr seines Anzugs<br />
gehalten. Es war das Emblem des Khan, des Anführers<br />
<strong>der</strong> Rebellenarmee. Außer einer mannslangen<br />
<strong>Kampf</strong>lanze trug er keinerlei Waffen, z<strong>um</strong>indest konnte<br />
man an ihm keine sehen. Ich ging davon aus, dass <strong>der</strong><br />
<strong>Kampf</strong>anzug aber die eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Überraschung für<br />
einen potentiellen Angreifer bereithielt. Der Mah´di Khan<br />
bot in seiner Montur in <strong>der</strong> Tat einen beeindruckenden<br />
Anblick.<br />
Wir schlugen uns ins Dickicht und marschierten Richtung<br />
Norden, auf das Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong> Insel zu. Der Wald war<br />
dicht, voller Geräusche und irgendwie an<strong>der</strong>s. Die<br />
Vegetation unterschied sich deutlich von den Churka-<br />
Wäl<strong>der</strong>n des gondischen Kontinentalshelfs, hier roch es<br />
auch an<strong>der</strong>s. Ein träger, süßlicher Geruch hing in <strong>der</strong><br />
Luft, leicht gärig und allgegenwärtig. Die Bä<strong>um</strong>e, <strong>der</strong>en<br />
Art ich nicht kannte, ragten hoch in den Himmel, wo sich<br />
ihre ausladenden Kronen zu einem dichten Blätterdach<br />
verbanden, das nur gedämpft das Licht <strong>der</strong> Sonnen<br />
durchließ. Die Wurzeln <strong>der</strong> Urwaldriesen waren<br />
brettartig, weit gefächert, und wir mussten oft Umwege<br />
<strong>um</strong> diese gewaltigen Wurzelstöcke machen. Ich schätzte,<br />
dass ein Stamm dieser Bä<strong>um</strong>e ausreichen würde, <strong>um</strong><br />
mein Haus in Seguria 5 Jahre zu beheizen. Die Luft im<br />
Wald war schwül und stickig, an den zwei Mann hohen<br />
Riesenfarnen kondensierte die Luftfeuchte und tropfte zu<br />
Boden, wo das Wasser ölige Pfützen bildete. Überall gab<br />
es Epiphyten, Orchideen, Kannenbl<strong>um</strong>en und allerlei<br />
wucherndes Grünzeug, das ich noch nie zuvor gesehen<br />
hatte.<br />
Ebenfalls seltsam waren die Geräusche dieses Waldes. Er<br />
war wesentlich lauter als je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Wald, den ich<br />
bislang durchquert hatte. Überall quietschte, trällerte,<br />
s<strong>um</strong>mte und zirpte es, dazwischen hörte man immer<br />
Seite 29
wie<strong>der</strong> eigenartig langgezogene, kollernde Schreie von<br />
Tieren, die man nicht zu Gesicht bekam. Wenn man<br />
genau hinsah, konnte man an den Unterseiten <strong>der</strong> großen<br />
Farnwedel kleine bunte Amphibien sehen, von denen<br />
einige Arten zwei Köpfe hatten. Vor uns tanzten<br />
Riesenmotten, <strong>der</strong>en Flügel mehr als handtellergroß<br />
waren, sie wurden von Flugechsen gejagt, die sich aus den<br />
Wipfeln <strong>der</strong> Bä<strong>um</strong>e herabstürzten und im Segelflug jedes<br />
Tier griffen, dessen sie habhaft werden konnten. Ich<br />
hoffte, dass es hier keine Shreeks gab, denn ich hatten<br />
meinen Helm beim Gepäck gelassen und <strong>der</strong> <strong>Kampf</strong><br />
gegen ein Spinnenrudel wäre hier am Boden sicherlich<br />
von ungewissem Ausgang. Ziemlich lästig waren die<br />
Stechfliegen, die hier in kleinen Schwärmen<br />
<strong>um</strong>herschwirrten. Chahani suchte einige Wurzeln<br />
zusammen, zerquetschte sie mit einem Stein und wir<br />
rieben unsere Gesichter mit dem Saft <strong>der</strong> Pflanzen ein.<br />
Der Erfolg ließ nicht auf sich warten, die Stechfliegen<br />
hielten nun gebührenden Abstand zu uns ein.<br />
Mühsam kämpften wir uns durch den dichten Dschungel<br />
auf unserem Weg nach Norden. Immer wie<strong>der</strong> bemerkte<br />
ich Schatten, die im Dickicht davonhuschten, stille<br />
Beobachter, die unseren Marsch verfolgten, aber nicht<br />
behin<strong>der</strong>ten. Nach den Dingen, die man sich von den<br />
Mandraken zu erzählen wußte, hatte ich damit gerechnet,<br />
dass wir schon mindestens dreimal angegriffen worden<br />
wären. Wir hatten schon Plätze erreicht, an denen man<br />
uns ohne Schwierigkeiten hätte attackieren können. Doch<br />
nichts geschah. Das verwun<strong>der</strong>te mich zutiefst. Der Khan,<br />
<strong>der</strong> einige Schritte voraus an <strong>der</strong> Spitze unseres kleinen<br />
Trupps ging, schien das zu bemerken, denn er drehte sich<br />
zu mir <strong>um</strong> und meinte:<br />
„Nun, Dom Fela? Was meint Ihr? Unsere Mission scheint<br />
unter einem guten Stern zu...“<br />
Weiter kam er nicht. Ohne Vorwarnung sackte er mit<br />
beiden Beinen in den Boden ein. Ich blieb ruckartig<br />
stehen und hielt Chahani fest. Binnen kürzester Zeit<br />
bildete sich <strong>um</strong> den Khan her<strong>um</strong> ein Sandtrichter, in den<br />
er langsam einsackte. Wir schnitten schnell einige Lianen,<br />
die wir ihm zuwarfen. Er schlang einen Lianenstrang <strong>um</strong><br />
seinen Brustkorb und hielt sich daran fest, wir begannen<br />
zu zweit, daran zu ziehen. Ich hoffte, dass <strong>der</strong> Strang<br />
halten würde.<br />
„Beeilt Euch!“ brüllte <strong>der</strong> Khan „Da ist etwas an meinem<br />
Bein!“ Dann ertönte ein markerschüttern<strong>der</strong> Schrei aus<br />
seiner Kehle, <strong>der</strong> nicht abreißen wollte. Wir beeilten uns,<br />
zogen mit aller Kraft, und langsam konnten wir den Khan<br />
aus dem Sandstrudel befreien. Als wir den immer noch<br />
schreienden Khan aus dem Gefahrenbereich gezogen<br />
hatten, kam Bewegung in den Sand. Etwas tauchte darin<br />
auf. Etwas, das ich noch nie gesehen hatte. Es war ein<br />
etwa 8 Fuß langer Glie<strong>der</strong>füßler mit einem segmentierten<br />
Hornplattenkörper, <strong>der</strong> zwei schrecklicke Kieferzangen<br />
besaß, mit denen man problemlos einen vierjährigen<br />
Churka-Ba<strong>um</strong> hätte durchschneiden können. In <strong>der</strong><br />
Erscheinung glich es einer langgezogenen Kalebasse,<br />
<strong>der</strong>en dickeres Ende <strong>der</strong> Kopf war. Zwischen den<br />
Kieferzangen malmte ein gediegener, dicker Schnabel, wie<br />
ich ihn von Kalmaren kannte, er war blutverschmiert. Ich<br />
blickte z<strong>um</strong> Khan zurück, <strong>der</strong> in Chahanis Armen lag, und<br />
sah, dass ihm <strong>der</strong> linke Fuß fehlte. Er blutete stark.<br />
„Stopp die Blutung!“ rief ich zu Chahani hinüber.<br />
Überflüssig, denn sie war bereits dabei, ebendies zu tun.<br />
Mit einem Kletterseil, das sie am Gürtel mitgeführt hatte,<br />
band sie das Bein stramm ab. Noch im Her<strong>um</strong>drehen zog<br />
ich das Langschwert, <strong>um</strong> mich <strong>der</strong> Bestie aus dem<br />
Untergrund entgegenzustellen. Ich musterte meinen<br />
Gegner genau, <strong>um</strong> seine Schwachstellen zu entdecken.<br />
Das Tier besaß keine Augen, dafür aber sechs Fühler, die<br />
unabhängig voneinan<strong>der</strong> suchend in alle Richtungen<br />
tasteten. Die Fühler hatten uns ausgemacht, das Tier<br />
steuerte in unsere Richtung, wobei es sich auf einer Art<br />
Flossen fortbewegte, die sich an Ringsegmenten <strong>um</strong> den<br />
Körper drehten. Auf diese skurrile Weise schraubte sich<br />
diese Ausgeburt <strong>der</strong> Erdtiefen langsam, aber zielgerichtet<br />
in unsere Richtung. Einige Momente später fand ich, was<br />
ich gesucht hatte. Die Schädelplatte, welche man mit<br />
Mühe als eine Art Stirnregion bezeichnen konnte, hatte<br />
eine kleine Wulst, hinter <strong>der</strong> die rotierenden<br />
Ringsegmente begannen. Dort mußte es eine flexible<br />
Stelle geben, durch die das Schwert dringen konnte. Ich<br />
stürmte auf das Ungeheuer los, und seine Zangen<br />
schnappten mit einem harten, klackenden Geräusch nach<br />
mir. Ich sprang zur Seite, und im Sprung hieb ich <strong>der</strong><br />
Kreatur drei Fühler mit einem Streich ab. Die Bestie<br />
heulte auf. Ein undefinierbares, schrilles Geräusch, eine<br />
Mischung aus Kreischen und Pfeifen entrann dem<br />
gebogenen Schnabel. Ich vollzog im Sprung eine Luftrolle<br />
und landete links neben dem Tier. Es wandte seinen Kopf<br />
mit weit geöffneten Zangen zu mir <strong>um</strong>, und im nächsten<br />
Sprung trennte ich die an<strong>der</strong>en drei Fühler ab. Damit war<br />
das Monstr<strong>um</strong> blind, hoffte ich und wechselte schnell die<br />
Position. Die Rotation <strong>der</strong> Ringsegmente stoppte, und das<br />
Tier blieb stehen. Scheinbar versuchte es, Witterung o<strong>der</strong><br />
die Bodenschwingungen aufzunehmen. Ich sprang auf<br />
seinen Leib, hob das Schwert mit beiden Händen weit<br />
hoch und rammte es bis z<strong>um</strong> Steg in die Spalte hinter <strong>der</strong><br />
Stirnplatte. Das Monster brach sofort tot zusammen.<br />
Mein Plan war aufgegangen, ich hatte sein<br />
Zentralnervensystem zerstört.<br />
Sofort eilte ich zu Chahani und dem Khan. Seine Wunde<br />
sah böse aus. Eine Handbreit über dem Knöchel war <strong>der</strong><br />
Linke Fuß abgetrennt, <strong>der</strong> blutige, verschmutzte St<strong>um</strong>p<br />
zuckte. Chahani hatte dem Khan ein Holz zwischen die<br />
Zähne gelegt, auf das er fest biß. Sie holte aus ihren<br />
Gürteltaschen verschiedene Blätter, zerrieb sie mit zwei<br />
Steinen und schmierte die Paste auf den St<strong>um</strong>pf.<br />
„Wir werden die Wunde ausbrennen müssen“ meinte sie,<br />
„sonst überlebt er das hier nicht.“<br />
Ich nickte und nahm eine B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong>-Bombe aus meinem<br />
Arsenal, die ich vorsichtig öffnete. Ich entnahm dem<br />
Päckchen etwas von dem hochentzündlichen Pu<strong>der</strong> und<br />
streute es auf die wunde. Dann aktivierte ich den Zün<strong>der</strong><br />
und hielt ihn an den Beinst<strong>um</strong>pf. Sofort fing das B<strong>um</strong>-<br />
G<strong>um</strong> Feuer und brannte zischend und qualmend ab. Er<br />
Khan schrie seinen Schmerz heraus und wurde<br />
ohnmächtig. Die Luft roch nach versengtem Fleisch.<br />
Chahani beschmierte die verkohlte Wunde nochmal mit<br />
dem Blätterbrei und verband sie mit Stofffetzen, die sie<br />
aus ihrer Weste riß.<br />
Danach fertigten wir aus Ästen, Lianen und großen<br />
Farnwedeln eine behelfsmäßige Trage, auf die wir den<br />
bewußtlosen Khan legten. Wir setzten uns erschöpft<br />
nie<strong>der</strong> und tranken etwas Wasser. Chahani sah mich<br />
fragend an.<br />
„Was sollen wir jetzt tun, Fela?“<br />
Seite 30
„Wir müssen ihn z<strong>um</strong> Zentr<strong>um</strong> transportieren. Die<br />
mandrakischen Schamani sollen sehr gute Heiler sein,<br />
vielleicht können sie ihm helfen.“<br />
„Wenn sie das überhaupt wollen... Immerhin war er es,<br />
<strong>der</strong> die Mandraken kontaktieren sollte. Nun ist er ohne<br />
Bewußtsein, und wir beide stehen alleine vor diesem Xul<br />
Eisenbeisser. Wenn wir dort überhaupt noch<br />
hingelangen, heißt das.“<br />
Nicht nur Chahani hatte es bemerkt, ich auch. Um uns<br />
her<strong>um</strong> raschelte es im Gebüsch, an gut einem Dutzend<br />
Stellen. Mandraken, ohne Zweifel. Wir waren <strong>um</strong>zingelt.<br />
Ich erhob mich langsam, breitete die Arme seitlich aus,<br />
mit den Handflächen nach oben, und drehte mich einmal<br />
langsam <strong>um</strong> meine Achse.<br />
„Pas Jamal!“ rief ich in <strong>der</strong> alten Sprache <strong>der</strong> Vorzeit.<br />
Dies war <strong>der</strong> universelle Gruß des Friedens, von dem ich<br />
hoffte, dass er auch den Mandraken geläufig war. Das<br />
Rascheln im Gebüsch nahm zu, die Krieger näherten sich<br />
uns. Sie waren zu sechst, das war sicher nicht einmal die<br />
Hälfte <strong>der</strong> im Unterholz positionierten Krieger.<br />
Diese Krieger waren von einer beeindruckenden Statur,<br />
sie waren gut sechs Fuß hoch und hatten enorm breite<br />
Schultern. Gewaltige Muskelpakete klebten an ihren<br />
Knochen, ihre Arme waren ziemlich lang, fand ich. Die<br />
Nahkampfdistanz zu einem solchen Berserk zu erreichen,<br />
würde wohl nicht einfach sein. Ihre Haut war irgendwie<br />
grau, mit einem leicht grünen Schimmer. Perfekte<br />
Tarnfarbe hier im Dschungel. Die Augen in den finsteren<br />
Gesichtern lagen weit auseinan<strong>der</strong>, die Nasen waren breit<br />
und platt, und <strong>der</strong> Mund <strong>der</strong> Hünen war breit und voll<br />
mit spitzen, scharfen Zähnen. Diese Wesen erinnerten<br />
eher an Raubtiere, denn an menschliche Wesen. Sie<br />
trugen le<strong>der</strong>ne Kleidung und allerlei Hieb- und<br />
Stichwaffen: Seltsam wellig geformte Kr<strong>um</strong>mdolche,<br />
stachelige Keulen, Eisenholzspeere und Streitäxte mit<br />
Obsidianklingen. An ihren Gürteln konnte ich Blasrohre<br />
aus Rohrba<strong>um</strong>holz erkennen und kleine Säckchen, in<br />
denen wahrscheinlich vergiftete Pfeile steckten. Ich nahm<br />
an, dass einige dieser Blasrohre aus dem Dickicht auf uns<br />
gerichtet waren. Einer von ihnen, wahrscheinlich <strong>der</strong><br />
Zugführer, trug ein Schwert mit gandrischer<br />
Klingengravur, dessen Klinge mehrfach faltgeschmiedet<br />
war. Ich vermutete, dass es sich dabei <strong>um</strong> ein Beutestück<br />
o<strong>der</strong> Tauschware handelte. Der Krieger kam auf mich zu<br />
und baute sich vor mir auf.<br />
„Pas Jamal!“ wie<strong>der</strong>holte ich. Er sah mich an, und sein<br />
Blick glitt an mir auf und nie<strong>der</strong>.<br />
„Segurianer?“ Seine Stimme war knurrend, dröhnte<br />
bedrohlich. Wenigstens schien er Gandri zu sprechen.<br />
„Ich bin Dom Fela Ibn Aib Noirez, erster Schwertmeister<br />
von Segur Major. Ich komme in Frieden. Bring uns zu<br />
Deinem Anführer.“<br />
Er musterte mich erneut.<br />
„Ich bin Tork. Meister des Mordes von Mandrak. Mein<br />
Herr erwartet Dich, Segurianer. Folgen.“<br />
Ich war erstaunt. Sein Herr erwartete mich? Nun, das<br />
Vorsprechen bei Xul Eisenbeisser würde sicherlich<br />
Aufklärung bringen. Ich nickte also. Tork nickte zweien<br />
seiner Männer zu, und sie nahmen die Trage auf. Chahani<br />
kam dicht an mich heran. Tork schnüffelte an ihr. Sie<br />
wollte sich wegdrehen, doch ein Blick von mir ließ sie<br />
regungslos verharren. Er sah mich wie<strong>der</strong> an.<br />
„Dein Weibchen?“<br />
„Ja.“<br />
„Gutes Weibchen.“ knurrte er, „Trägt ein Balg.“<br />
Damit drehte er sich ohne weiteren Kommentar <strong>um</strong> und<br />
schritt in den Urwald. Die Träger folgten ihm. Ich sah<br />
Chahani an, es schien, als hätte <strong>der</strong> Mandrake ihr eins mit<br />
seiner Keule übergezogen. Sie stand völlig verdutzt da<br />
und schaute drein, wie ein Onkerkälbchen. Ich lachte und<br />
folgte dem Trek, Chahani schloß sich wortlos an. Wir<br />
durchstreiften den Wald auf ka<strong>um</strong> wahrzunehmenden<br />
Pfaden in Richtung Norden. Chahani sah ab und an nach<br />
dem Khan, <strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Trage ordentlich durchgeschüttelt<br />
wurde, da es auch über ziemlich unwegsames Gelände<br />
ging. Nach etwa dreissig Glasen rasteten wir an einem<br />
Bach. Chahani kam von <strong>der</strong> Trage zu mir herüber.<br />
„Er fiebert stark. Ich weiß nicht, war<strong>um</strong>, aber meine<br />
Medizin hilft nicht gegen das Fieber. Wenn nicht bald<br />
etwas passiert, wird er sterben, fürchte ich.“<br />
„Ja. Ich hoffe, die Mandraken können uns helfen.“<br />
Chahani kühlte die Stirn des Khan, <strong>der</strong> noch immer<br />
bewußtlos war und träufelte etwas Wasser auf seine<br />
Lippen. Mehr konnten wir z<strong>um</strong> gegenwärtigen Zeitpunkt<br />
nicht für ihn tun. Nach einer Weile brachen wir wie<strong>der</strong><br />
auf und marschierten weiter. Gegen Abend erreichten wir<br />
den See im Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong> Insel, an dessen<br />
gegenüberliegendem Ufer die Festungsstadt Mandra-<br />
Ghora lag.<br />
Das Ufer war seicht und hatte einen kleinen,<br />
schilfrohrbestandenen Strand, an dem vier mit Auslegern<br />
versehene Boote lagen. Wir bestiegen eines <strong>der</strong> Boote mit<br />
Tork und zwei weiteren Kriegern, die drei an<strong>der</strong>en<br />
schafften die Trage mit dem Khan auf das zweite Boot. Je<br />
zwei Mann nahmen die Stechru<strong>der</strong> und stießen die Boote<br />
ab. Sie glitten sanft ins Wasser und die Ru<strong>der</strong>leute<br />
paddelten seicht und nicht hektisch. Vorsichtig tauchten<br />
sie die Ru<strong>der</strong> ein und bewegten die Boote geräuschlos<br />
über das Wasser. Tork stellte sich an den Bug des Bootes<br />
und nahm eine lange Lanze zur Hand, die er einsatzbereit<br />
hielt. Sein Blick schweifte über das Wasser vor uns. Auf<br />
dem an<strong>der</strong>en Boot tat es ihm <strong>der</strong> dritte Krieger nach.<br />
„Gibt es Gefahren auf den See?“ wollte ich wissen.<br />
Tork drehte sich zu mir her<strong>um</strong> und legte den Finger an<br />
die Lippen. Als er antwortete, flüsterte er fast.<br />
„Gefahr. Nicht sprechen.“<br />
Schlag auf Schlag brachten die Ru<strong>der</strong>er unsere Boote<br />
weiter in die Mitte des Sees, ich schätze, dass die<br />
Überfahrt etwa zehn Glasen dauern würde. Wenn nichts<br />
dazwischen kam. Es kam etwas dazwischen.<br />
Wir waren etwa in <strong>der</strong> Mitte des Sees angelangt, als Tork<br />
dem Speermann im Nachbarboot mit Kopfbewegungen zu<br />
verstehen gab, dass er etwas gesehen hatte. Ich kniff die<br />
Augen zusammen und sah es ebenfalls. Etwa sechzig Fuß<br />
voraus kräuselte sich das Wasser ein wenig und wurde zu<br />
einer seichten Welle aufgeworfen. Etwas zog dort dicht<br />
unter <strong>der</strong> Oberfläche seine Bahn und begann, uns<br />
einzukreisen. Als es <strong>um</strong> uns her<strong>um</strong> zog, traf Torks Blick<br />
auf meine fragenden Augen.<br />
„Ein Antrak. Hat uns gehört. Wird angreifen.“ Er gab<br />
sich keine Mühe mehr, leise zu sprechen.<br />
Reflexartig überprüfte ich schnell meine Waffen. Ich hatte<br />
keine Ahnung, womit wir es zu tun hatten, entschied mich<br />
jedoch für die verfügbaren Distanzwaffen.<br />
„Was ist das, ein Antrak?“ fragte Chahani. Tork sah sie<br />
kurz an, schaute dann aber sofort wie<strong>der</strong> auf den kleinen<br />
Seite 31
Wellenkamm, <strong>der</strong> uns in immer enger werdenden Bahnen<br />
<strong>um</strong>rundete.<br />
„ Antrak ist große Seeschlange. Gefährlich.“<br />
Ich richtete mich ebenfalls auf, schärfte eine B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong>-<br />
Bombe und löste meine Sharikan-Wurfsterne im Holster.<br />
Auch das Langschwert löste ich aus <strong>der</strong> Arrettierung.<br />
Die kleine Welle verschwand links von unserem Boot.<br />
„Achtung!“ rief Tork. „Angriff!“<br />
Nur einen Lidschlag später brach die Wasseroberfläche<br />
auf und das Antrak tauchte auf. Mehr als zehn Fuß hoch<br />
hob sich <strong>der</strong> Leib des Tieres aus dem Wasser. Das Antrak<br />
war eine Mischung aus Basilisk und Fisch, es hatte einen<br />
schlangenähnlichen, beschuppten Körper, an dem einige<br />
Steuerflossen zu sehen waren. Eine lange, kammartige<br />
Rückenflosse zog sich von Kopf über den Rücken. Der<br />
Kopf des Tieres hatte etwas Drachenartiges. Er war breit,<br />
behornt und zwei große, mandelförmige Augen lagen<br />
seitlich in tiefen Höhlen. Es hatte das Maul weit<br />
aufgerissen und bleckte eine Viererreihe dolchartiger,<br />
spitzer Zähne, zwischen denen eine gespaltene Zunge<br />
herausschnellte. Das Tier brüllte und zischte laut,<br />
krümmte sich nach hinten und spannte seinen<br />
muskulösen Leib z<strong>um</strong> Stoß nach vorn.<br />
„Die Augen!“ brüllte Tork, „Die Augen!“<br />
Um das Antrak her<strong>um</strong> brodelte das Wasser. Ich schätzte,<br />
dass etwa zwei Drittel seines Leibes noch unter Wasser<br />
waren und dort durch starke Ru<strong>der</strong>bewegungen für<br />
Auftrieb sorgten. Unsere Boote schwankten bedenklich.<br />
Ich warf einen Sharikan, doch dieser verfehlte sein Ziel,<br />
das Antrak ruckte blitzartig den Kopf nach links. Das Boot<br />
neben uns wurde durch einen Schlag erschüttert, <strong>der</strong> den<br />
Speermann über Bord gehen ließ. Er landete mit lautem<br />
Klatschen im Wasser, und das Antrak wandte den Kopf zu<br />
ihm. Wie<strong>der</strong> setzte es zu seinem lauten Gebrüll an. Ich<br />
nutzte den Moment, drückte den Zün<strong>der</strong> <strong>der</strong> ersten B<strong>um</strong>-<br />
G<strong>um</strong>-Bombe, und schleu<strong>der</strong>te das faustgroße Paket tief in<br />
den Rachen des Ungeheuers. Tork sah kurz zu mir<br />
herüber, dann wie<strong>der</strong> zu <strong>der</strong> Seeschlange.<br />
Einen Moment später zündete die Bombe im Schlund des<br />
Antrak und zerriss es in tausende Fetzen, die blutig in den<br />
See klatschten. Sofort brodelte das Wasser. Aus <strong>der</strong> Tiefe<br />
waren unzählige kleine Messerfische heraufgestiegen,<br />
welche die Antrak stets in großen Schwärmen begleiteten.<br />
Sie stürzten sich auf die Fleischfetzen und zersägten sie<br />
mit ihren kleinen, scharfen Zähnen in klitzekleine Teile,<br />
die sie gierig verschlangen. Für den zweiten Speermann<br />
kam je<strong>der</strong> Rettungsversuch zu spät, auch er wurde von<br />
tausenden <strong>der</strong> kleinen Fische attackiert und binnen<br />
weniger Lidschläge zerlegt. Seine Schmerzensschreie<br />
waren markerschütternd, er starb im scha<strong>um</strong>igen,<br />
blutigen Wasser.<br />
Tork schrie den Männern im zweiten Boot etwas zu, das<br />
ich nicht verstand, und die Ru<strong>der</strong>leute begannen, mit<br />
starken und weit ausholenden Schlägen, die Boote schnell<br />
voranzutreiben. Er sah zu mir herüber und meinte:<br />
„Schnell weg, mehr Antrak kommen. Das war ein<br />
Jungtier. Muttertier wird angreifen.“<br />
Ich nickte und setzte mich wie<strong>der</strong>.<br />
Trotzdem ich die Mandraken als sehr kräftig eingeschätzt<br />
hatte, war ich von <strong>der</strong> Wucht ihrer Stärke überrascht.<br />
Blitzartig beschleunigten die Boote so sehr, dass sie eine<br />
Bugwelle warfen. Die vier Ru<strong>der</strong>leute verfielen in eine Art<br />
Mantram, dass sie als Schlaggeber nutzten.<br />
„Hung! Hung! Hung!“ ging es im Stakkato, und jedesmal<br />
tauchten die vier Ru<strong>der</strong> synchron ins Wasser, wurden<br />
durchgerissen, und waren beim nächsten „Hung!“ schon<br />
wie<strong>der</strong> im Anschlag. Die Muskeln <strong>der</strong> Männer spannten<br />
sich, Schweiß tropfte von ihren Stirnen. Ich schätzte die<br />
Fahrtzeitverkürzung aufgrund <strong>der</strong> Beschleunigung auf gut<br />
die Hälfte ein, wir würden die Feste also wesentlich früher<br />
erreichen, als gedacht. Als wir <strong>um</strong> eine ausgedehnte<br />
Landzunge her<strong>um</strong> fuhren, kam Mandra-Ghora in Sicht.<br />
Es war ein beindrucken<strong>der</strong> Anblick, <strong>der</strong> sich uns bot, als<br />
wir <strong>um</strong> das Horn <strong>der</strong> Landzunge her<strong>um</strong> waren. Wir<br />
hatten die Sonnen im Rücken, so dass die Festung und<br />
das Felsmassiv in vollem Licht erstrahlten.<br />
Vor uns erhob sich eine wenigstens 300 Faden hohe steile<br />
Felswand, die mehr o<strong>der</strong> weniger waagerecht von<br />
zahlreichen farbigen A<strong>der</strong>n durchzogen war. Es gab darin<br />
senkrechte Klüfte und Spalten, aus denen es üppig grün<br />
wucherte. Am linken und rechten Ende <strong>der</strong> Felswand<br />
brandeten 2 mächtige Sturzwasser in die Tiefe.<br />
Dazwischen lag die Feste Mandra-Ghora, ich schätzte ihre<br />
Breite auf etwa 3000 Fuß, sie bedeckte wahrscheinlich<br />
eine Fläche von 600 segurianischen Tonnen Land. Die<br />
großen Sandsteingebäude schmiegten sich an den Fels,<br />
und es war davon auszugehen, dass es im Gebirgsmassiv<br />
zahlreiche Höhlen gab, denen die Feste vorgelagert war.<br />
Aus <strong>der</strong> Luft hatten wir erkennen können, dass alle<br />
Straßen, Wege und Gebäude rechtwinklig angelegt waren,<br />
mit Ausnahme eines großen runden Platzes in <strong>der</strong> Mitte<br />
<strong>der</strong> Vorburg. Der Schildwall war etwa 30 Faden hoch und<br />
aus massivem Pentoritgestein errichtet. Die Steinblöcke<br />
fügten sich nahtlos aneinan<strong>der</strong>, mörtellos waren sie so<br />
eng zusammengefügt, dass nicht ein Haar in die Fugen<br />
paßte. Die größten Blöcke hatten das Vol<strong>um</strong>en eines<br />
großen Gh<strong>um</strong>pa-Käfers, die kleineren etwa das eines<br />
Trak-Ghena. Mandra-Ghora war ein Relikt aus <strong>der</strong><br />
Maschinenzeit, uralt und noch immer sah die Feste aus,<br />
als sei sie erst kürzlich erbaut worden. Der Schildwall<br />
reicht bis in den See, wo es eine Durchfahrt gab, die mit<br />
einem schweren Falltor aus Eisenholz gesichert werden<br />
konnte. Als wir darauf zusteuerten, sahen wir viele<br />
Mandrakenkrieger oben auf den Wehrgängen.<br />
Als wir die Durchfahrt passiert hatten, rasselten schwere<br />
Ketten, und das massive, ellendicke Tor donnerte hinter<br />
uns ins Wasser. Der Hafen war gesichert, und die vier<br />
Ru<strong>der</strong>leute unserer Boote verlangsamten das Tempo. Sie<br />
steuerten die Boote an einen Steg, <strong>der</strong> zur Hauptmole<br />
gehörte und machten fest. Erst jetzt zeigte sich die alte<br />
Stadt uns in ihrer vollen Pracht. Die Gebäude am Hafen<br />
waren mit prunkvollen Arkaden versehen, fein behauene<br />
Säulen stützten prachtvolle Erker und Balkone, die<br />
Straßen waren eben gepflastert und wie mit dem<br />
Maßstock gezogen. Sie waren viel enger als die<br />
Verkehrswege <strong>der</strong> postmaschinellen Zivilisation. Zu<br />
früheren Zeiten waren hier Wagen gefahren, die keine<br />
Zugtiere benötigten, kleine, wendige Lastenträger und<br />
Carryalls. Die Geschichten <strong>der</strong> Alten erzählten, dass<br />
dampfende Maschinen Lasten durch die Luft getragen<br />
hatten, und in <strong>der</strong> Tat entdeckte ich auf vielen Gebäuden<br />
Plattformen mit Rampen, die in das Innere <strong>der</strong> Gebäude<br />
führten. Es gab auch seltsame Türme mit vielen Fenstern,<br />
welche die meisten Häuser überragten. Viele <strong>der</strong> Gebäude<br />
waren mit freitragenden Brücken versehen, die so zart<br />
Seite 32
und fragil aussahen, dass ich mir nicht vorstellen konnte,<br />
was sie einst getragen haben sollten.<br />
Überall herrschte geschäftiges Treiben. Ich hatte die Zahl<br />
<strong>der</strong> Mandraken gründlich unterschätzt, hier wimmelte es<br />
nur so vor Leben. Wenn man den Geschichten glauben<br />
konnte, lebten nur die wenigsten Mandraken in <strong>der</strong><br />
Zentralfeste, die meisten waren auf alle Inseln verstreut.<br />
Wenn das stimmte, musste es Millionen von ihnen geben.<br />
Und die vielen Seilbrücken, die wir unterwegs gesehen<br />
hatten, sprachen deutlich dafür, dass es auch so war. Die<br />
Brückenbauten <strong>der</strong> Mandraken unterschieden sich<br />
deutlich von dem Baustil, den wir hier vor Augen hatten.<br />
Welch begabte Ba<strong>um</strong>eister mußten hier am Werk<br />
gewesen sein. Voller Bewun<strong>der</strong>ung ließ ich meinen Blick<br />
schweifen, bis wir von Bord gingen.<br />
Chahani eilte sofort hinüber z<strong>um</strong> an<strong>der</strong>en Boot, wo die<br />
beiden Ru<strong>der</strong>männer gerade die Trage aufnahmen und<br />
auf den Steg legten. Sie blickte sehr besorgt auf und<br />
meinte:<br />
„Das Fieber steigt. Meine Medizin wirkt nicht. Ich<br />
fürchte, er stirbt, wenn wir nicht bald Hilfe bekommen.“<br />
Ich ging zu Tork hinüber.<br />
„Tork. Wir brauchen Hilfe für unseren Freund. Er hat<br />
ein starkes Fieber in sich. Kannst Du uns zu einem Heiler<br />
bringen?“<br />
Tork sah mich ungerührt an.<br />
„Ich bringe Euch z<strong>um</strong> Führer.“<br />
„Wir brauchen erst einen Heiler. Der Mann braucht<br />
dringend Hilfe.“<br />
„Der Heiler kann nicht helfen. Speichel des Shrinta ist<br />
giftig. Keine Medizin. Dein Freund wird sterben. Bald.“<br />
„Ihr könnt nichts tun?“ fragte ich noch einmal.<br />
„Nein. Keine Heilung. Nur Tod.“<br />
Das war eine nie<strong>der</strong>schmetternde Antwort. Chahani hatte<br />
Torks Worte gehört und blickte ins Leere. Zärtlich strich<br />
sie über die verschwitzte Stirn des Khan.<br />
Tork setzte sich in Bewegung, die Ru<strong>der</strong>männer nahmen<br />
die Trage, und wir schlossen uns an. Wir zogen so durch<br />
die Stadt, neugierig bestaunt von den ansässigen<br />
Mandraken. Ich sah keine Frauen und Kin<strong>der</strong>. Nur<br />
männliche Krieger sä<strong>um</strong>ten unseren Weg. Wir gingen<br />
über eine relativ breite Straße auf den zentralen Platz zu.<br />
Eine viertel Glase später öffnete sich vor uns <strong>der</strong><br />
großzügig bemessene Platz, an dessen an<strong>der</strong>em Ende ein<br />
Palastgebäude lag, das mit <strong>der</strong> Rückwand an den Fels<br />
grenzte.<br />
Wir hatten unser ziel erreicht. Den Palast des<br />
gefürchteten Mandraken-Warlords Xul Eisenbeisser. Ich<br />
hatte keine Ahnung, was uns erwarten würde. Unser<br />
Unterhändler lag im Sterben, ich kannte seinen Plan nur<br />
in Teilen und die Mandraken waren furchtbare Krieger,<br />
die das Eindringen in ihr Revier stets hart sanktionierten.<br />
Es konnte gut angehen, dass unser Weg hier zu Ende sein<br />
würde. Chahani sah meinen besorgten Blick und drückte<br />
sanft meinen Arm. Sie lächelte etwas gezwungen, aber sie<br />
hatte Recht. Irgendwie würden wir es schon schaffen.<br />
Ich wusste nur noch nicht, wie...<br />
Kapitel 7: Abschied<br />
Der Palast war außerordentlich prächtig in <strong>der</strong><br />
Bauausführung. Ein acht Stockwerke hoher Stufenbau,<br />
etwa 300 Fuß breit und ebenso tief, und über und über<br />
mit steingehauenen Abbildungen aus <strong>der</strong> Vorzeit<br />
dekoriert. Z<strong>um</strong> ersten Mal in meinem Leben sah ich<br />
Abbildungen von Maschinen. Da waren verschiedene<br />
Wagen mit kleinen Rä<strong>der</strong>n, Flugmaschinen, die aussahen,<br />
wie Heuschrecken mit langen Schwänzen, große Boote<br />
mit Ladekränen, aus ihren Kaminen quoll Rauch. Da gab<br />
es auch viele Abbildungen, die ich nicht verstand:<br />
Menschen, die vor qua<strong>der</strong>förmigen Kästen hockten und<br />
mit den Händen auf kleine Vierecke deuteten, die auf<br />
Brettern angebracht waren und durch Schnüre mit den<br />
Kästen verbunden waren. Da gab es seltsame<br />
Gerätschaften, welche die Menschen in Händen hielten<br />
und damit irgendwelche Tätigkeiten verrichteten. Ich<br />
fand es schade, dass <strong>der</strong> Zahn <strong>der</strong> Zeit die Farbe von den<br />
Bil<strong>der</strong>n genagt hatte, aber auch die farblosen Reliefs<br />
waren noch beeindruckend. Was musste das für eine Welt<br />
gewesen sein, als dieses Fleckchen noch Teil von Ultar,<br />
dem bewohnten Mond Gaia Assiahs, war und hier ein<br />
imposantes Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong> Zivilisation etabliert war. Dies<br />
alles war durch den Maschinenkrieg verloren gegangen.<br />
Wir erstiegen die breiten Stufen zur ersten Porta, die etwa<br />
20 Fuß über dem Boden lag, und auf einigen Dutzend<br />
qua<strong>der</strong>förmigen Säulen das Vordach trug. In <strong>der</strong> Mitte<br />
war <strong>der</strong> vierflügelige Haupteingang z<strong>um</strong> Palast eines<br />
Königs, dessen Namen man heute nicht mehr kannte.<br />
Überall an den Wänden prangten fremdartige<br />
Schriftzeichen einer Sprache, die man heute nicht mehr<br />
sprach. Es gab Hinweisschil<strong>der</strong>, in Stein gehauen, die mit<br />
Pfeilen zu Orten zeigten, die heute niemand mehr<br />
aufsuchte.<br />
Als wir die erste Halle betraten, stockte Chahani und mir<br />
<strong>der</strong> Atem. Sie war rund, gut 150 Fuß im Durchmesser und<br />
von einer Säulenreihe <strong>um</strong>zäunt, die ein gewaltiges<br />
steinernes Dach trug. Der Boden bestand aus schwarzen<br />
Vulkanit, ein Gestein, das jedes Licht schluckte. In den<br />
Fußboden waren kleine, reflektierende Pyridion-Kristalle<br />
eingelassen, die den Nachthimmel abbildeten. Die<br />
Sternbil<strong>der</strong> waren etwas verzerrt, was ich darauf<br />
zurückführte, dass dieser Palast früher auf einem Mond<br />
gelegen hatte und die Himmelsprozession sowieso über<br />
die Jahrtausende alle Sternkonstellationen verschoben<br />
hatte. Ein guter Sterndeuter könnte anhand dieses Muster<br />
sicher den Zeitpunkt <strong>der</strong> Erbauung dieses Bauwerkes<br />
bestimmen, dachte ich mir. In <strong>der</strong> Halle gab es so gut wie<br />
keine Geräusche, zahlreiche Fackeln spendeten warmes<br />
Licht. Wir durchschritten die Halle und blieben vor einem<br />
etwa 15 Fuß hohen Portal stehen, das mit einer<br />
metallenen, zweiflügeligen Tür verschlossen war. Darauf<br />
gab es Abbildungen von Tieren, die ich nie zuvor gesehen<br />
hatte, sie hatten lange Hälse, schlauchartige Nasen o<strong>der</strong><br />
sahen aus wie vierbeinige Onker, nur viel kleiner und<br />
weniger massiv. Einige Tiere sahen aus wie<br />
Säbelzahnkatzen, nur dass sie einen gewaltigen<br />
Fellkragen trugen. Vier mandrakische Krieger standen<br />
vor dem Tor Wache. Auf einen Wink Torks traten sie zur<br />
Seite, und das schwere Tor öffnete sich, wie von<br />
Geisterhand bewegt.<br />
Seite 33
Durch das Tor gelangten wir in den Thronsaal, <strong>der</strong> noch<br />
pompöser war, als die Vorhalle. Er maß über 250 Fuß in<br />
<strong>der</strong> Länge, schätzte ich, und reichte damit schon weit in<br />
das Felsmassiv hinein, das sich über <strong>der</strong> Stadt auftürmte.<br />
Er war drei Stockwerke hoch und beherbergte eine<br />
Galerie gewaltiger, überlebensgroßer Statuen, die schon<br />
seit ewigen Zeiten hier standen. Die vergoldeten Abbil<strong>der</strong><br />
zeigten Menschen <strong>der</strong> Vorzeit in abson<strong>der</strong>lichen<br />
Kostümen. Viele davon waren ohne Frage Krieger, sie<br />
trugen fremdartige Waffen, die nichts mit dem gemein<br />
hatten, was mir bekannt war. An ihren Waffengurten<br />
waren kleine, spitze Dinge befestigt, wie Pfeile, nur eben<br />
an<strong>der</strong>s. Sie trugen auch Dolche und Maschinen, die vorn<br />
aussahen wie Blasrohre und hinten verschiedene Kästen<br />
hatten. Die abgebildeten Krieger trugen diese Dinge mit<br />
Stolz, also mussten es mächtige Waffen gewesen sein.<br />
Manche <strong>der</strong> Krieger hatten geschlossene Helme auf,<br />
an<strong>der</strong>e wie<strong>der</strong><strong>um</strong> nicht. An <strong>der</strong> Decke des Saales sah man<br />
Reste von Fresken, Abbildungen von Flugmaschinen, die<br />
meisten dreieckig, in verschiedenen Posen. Aus ihren<br />
hinteren Rohren züngelten Flammen und Rauch. Alles<br />
wirkte so fremd hier, und mich erfasste eine tiefe<br />
Ehrfurcht vor den Leistungen <strong>der</strong> Vorvölker, auch wenn<br />
ihr Maschinenwahn sie in den Untergang geführt hatte.<br />
Wenn man diese Relikte <strong>der</strong> Vergangenheit betrachtete,<br />
kam einem das hiesige Leben unendlich langsam und<br />
träge vor. Um wie vieles leichter musste das Leben <strong>der</strong><br />
ersten Hochzeit gewesen sein mit all diesen Maschinen,<br />
die einem die schwere Arbeit abnahmen. Es sollte sogar<br />
Maschinen gegeben haben, die denken konnten. An<br />
keinem zweiten Ort auf unserem Planeten gab es einen<br />
Platz, an den das uralte Leben so z<strong>um</strong> Greifen nah war,<br />
wie hier.<br />
Unser Zug bewegte sich im gemäßigten Tempo durch die<br />
gewaltige Halle, auf den Thron zu. Dort saß <strong>der</strong> Führer<br />
<strong>der</strong> Mandraken, Xul Eisenbeisser. Der Thron stand auf<br />
einer Empore, zu <strong>der</strong> zahlreiche Stufen hinaufführten. Er<br />
war aus einem einzigen Stein geschnitten und stellte ein<br />
Wun<strong>der</strong>werk <strong>der</strong> Steinhauerkunst dar. Über <strong>der</strong><br />
Sitzfläche wandelte sich die Rücklehne in einen riesigen<br />
siebenköpfigen Drachen, <strong>der</strong> seine Schwingen über dem<br />
Thron ausbreitete. Der Stein, aus dem <strong>der</strong> Thron<br />
geschnitten war, hatte bestimmt das Gewicht von drei<br />
Dutzend Onkern, er war aus reinem Vulkanit gefertigt.<br />
Die Augen <strong>der</strong> Drachenköpfe waren funkelnde<br />
Blutkristalle, die im Licht <strong>der</strong> Fackeln bedrohlich<br />
schimmerten.<br />
Der Herrscher <strong>der</strong> Mandraken war ein furchteinflößen<strong>der</strong><br />
Krieger. Ich schätzte seine Größe auf etwa acht Fuß, er<br />
war selbst unter Seinesgleichen ein Hüne. Sein Gesicht<br />
war kantig, das hohe Jochbein und die breite Nase<br />
stachen daraus hervor. Er trug ein metallenes Wamps,<br />
einen breiten Waffengurt und seinen Kopf zierte eine<br />
stählerne Krone, die zwei im <strong>Kampf</strong> ineinan<strong>der</strong><br />
verschlungene Drachen symbolisierte. Seine zotteligen<br />
Haare hingen darunter hervor und waren z<strong>um</strong> Teil zu<br />
dünnen Zöpfen geflochten, an <strong>der</strong>en Enden Edelsteine<br />
eingeflochten waren. Um seinen Hals hing eine<br />
grobgliedrige Kette, an <strong>der</strong> ein goldener Drachenschädel<br />
von bestimmt drei Pfund Gewicht ba<strong>um</strong>elte.<br />
Vor dem Thron, am Ende <strong>der</strong> Stufen legten die<br />
Ru<strong>der</strong>leute die Bahre nie<strong>der</strong> und Chahani und ich bauten<br />
uns neben unserem Kameraden auf. Der Warlord <strong>der</strong><br />
Mandraken sah uns eindringlich an, er musterte uns<br />
genau. Bedrohlich wan<strong>der</strong>ten seine fast schwarzen Augen<br />
in den Höhlen hin und her, dabei wiegte er den massiven<br />
Schädel leicht, wie ein kleines Kind, das interessiert ein<br />
Insekt betrachtet. Mit einem deutlich vernehmbaren<br />
knurrenden Laut hob er den Kopf und sah mich an.<br />
Seine Stimme war dröhnen und erfüllte den Ra<strong>um</strong>, als er<br />
mich ansprach.<br />
„Ich bin XUL.“<br />
Die Art, wie er das Wort ausprach, ließ den Ra<strong>um</strong><br />
erzittern. In den alten Sprachen hatte dieses Wort eine<br />
Bedeutung, Xul war das Gegenteil des Lichtes <strong>der</strong><br />
Schöpfung. Das Böse.<br />
„Ich bin <strong>der</strong> erste Warlord von Mandrak. Wer wagt es,<br />
in mein Reich einzudringen?“<br />
Ich trat zwei Schritte vor und machte mit <strong>der</strong> Rechten<br />
eine versöhnliche Geste in <strong>der</strong> Zeichensprache <strong>der</strong><br />
<strong>Trail</strong>smänner und nannte meinen Namen und Titel, wie<br />
es die Höflichkeit verlangte. Ich stellte auch meine<br />
Begleiter vor.<br />
„Schwertmeister, eh?“ äffte er verächtlich. „Wir werden<br />
sehen...“ Das klang nicht gut. Ich ging in die Offensive.<br />
„Lord Xul, unser Begleiter hier ist schwer krank. Er<br />
wurde von einem Shrinta gebissen. Er braucht dringend<br />
Hilfe.“<br />
„Er wird sterben, Schwertmeister. Bald. So sah es das<br />
Orakel.“<br />
Ein Orakel... ich brannte darauf, zu erfahren, was dieses<br />
Mandraken-Orakel noch alles prophezeit hatte.<br />
„Der Khan wird sterben.“ stellte Xul emotionslos fest.<br />
„Dann war alles <strong>um</strong>sont.“ merkte ich dazu an.<br />
„Nichts ist <strong>um</strong>sonst, Segurianer. Bringt den Khan in den<br />
Ra<strong>um</strong>, den man Euch weisen wird. Bringt ihn über die<br />
Brücke. Heute Abend werden wir seinen Tod feiern. Er<br />
soll in unserer Mitte bleiben als ein Held.“<br />
„Ich danke Euch aufrichtig für die Ehre, die Ihr einem<br />
großen Krieger zuteil werden lasst, Lord Xul.“ Ich<br />
verneigte mich.<br />
Eine Wache trat heran und wies uns in Richtung des<br />
großen Tores. Die Audienz war beendet. Wir wandten uns<br />
<strong>um</strong>, nahmen die Trage und wollten zur Tür gehen, als <strong>der</strong><br />
Warlord uns zurückhielt. Ich drehte ihm gerade den<br />
Rücken zu, als er mich ansprach.<br />
„Ein feines Schwert habt Ihr da, Segurianer. Gebt es<br />
mir.“<br />
Ich drehte mich nicht <strong>um</strong>, als ich gelassen zurückgab:<br />
„Ihr müßtet mich töten, <strong>um</strong> es zu bekommen.“<br />
Ein donnerndes Lachen aus Richtung des Thrones erfüllte<br />
die mächtige Halle. Xul hatte offensichtlich Gefallen an<br />
meiner Antwort gefunden.<br />
„Ja, vermutlich müsste ich das, Schwertmeister.“ meinte<br />
er amüsiert. „Belassen wir es dabei. Morgen reden wir<br />
über das Geschäft. Gebt Eurem Kameraden das letzte<br />
Geleit.“<br />
Wir folgten <strong>der</strong> Wache, bewegten uns in Richtung<br />
Ausgang und bogen dann unvermittelt nach rechts ab. Es<br />
ging durch einige von Fackeln erleuchtete Korridore in<br />
den östlichen Flügel des Palastes. Dort gab es große<br />
Treppenaufgänge, die <strong>um</strong> viereckige Schächte her<strong>um</strong><br />
nach oben führten. Wir stiegen einige Stufen empor, bis<br />
wir eines <strong>der</strong> oberen Geschosse erreichten, wo wir auf<br />
einen langen Flur einschwenkten. Die Schächte im<br />
Treppenaufgang waren leer, und auf je<strong>der</strong> Ebene gab es<br />
Seite 34
Öffnungen zu den Schächten. Möglicherweise handelte es<br />
sich <strong>um</strong> ein Belüftungssystem o<strong>der</strong> ähnliche<br />
Einrichtungen, vielleicht waren früher auch Maschinen<br />
darin gewesen. An je<strong>der</strong> Öffnung war die N<strong>um</strong>mer <strong>der</strong><br />
Ebene in Stein gehauen und es gab in den Wänden<br />
Aussparungen, wie für Griffe o<strong>der</strong> so. Die alte Architektur<br />
war merkwürdig. Aber letztlich hatte vieles die Zeiten<br />
nicht überdauert, im Grunde waren nur die Steinbauten<br />
aus <strong>der</strong> ersten Hochzeit geblieben. Alles an<strong>der</strong>e war<br />
zerstört worden, gestohlen o<strong>der</strong> schlichtweg verrottet. Die<br />
Wache wies uns eine Tür, die zu einem großen,<br />
ausladenden Zimmer mit Balkon führte. Dies war also <strong>der</strong><br />
Ort, an dem <strong>der</strong> Mah´di Khan, <strong>der</strong> Führer <strong>der</strong><br />
gondrischen Rebellen, sterben sollte. Ich fühlte mich<br />
nie<strong>der</strong>geschlagen.<br />
Wir betteten den Khan auf eine groß, fellbespannte Liege,<br />
die in <strong>der</strong> Mitte des Ra<strong>um</strong>es aufgestellt war. Chahani ging<br />
zu einem in die Wand eingelassenen Waschtisch und kam<br />
mit einer Schüssel klaren Wassers und einigen Lappen<br />
zurück. Sie wusch vorsichtig das Gesicht und den Hals des<br />
Khan, dann entledigte sie ihn seiner <strong>Kampf</strong>uniform,<br />
wickelte ihn in Laken, die dort bereit lagen und versorgte<br />
seine Wunde. Der St<strong>um</strong>pf des abgetrennten<br />
Unterschenkels sah übel aus. Das Fleisch war grau und<br />
roch nicht gut. Man konnte sehen, dass das Gift des<br />
Shrinta in seinen A<strong>der</strong>n schwarz emporgekrochen war,<br />
sein gesamtes Bein war von einem schwarzen Netz<br />
zerstörter A<strong>der</strong>n durchzogen. Chahani versorgte ihn, so<br />
gut es eben ging. Dann begann sie, verschiedene Stellen<br />
seines Körpers mit einer Chi´ii-Massage vom Schmerz zu<br />
befreien. Ich kannte diese Technik aus meiner Heimat,<br />
dort wurde sie angewendet, wenn verletzten Kriegern<br />
Gliedmaßen abgenommen werden mußten. Man betäubte<br />
die betreffenden Stellen vollständig, indem man<br />
bestimmte Knotenpunkte fest drückte und so die Chi´ii-<br />
Energiekanäle unterbrach. In <strong>der</strong> segurianischen<br />
Nahkampfausbildung hatte ich gelernt, durch bestimmte<br />
Fingerstöße den Gegner außer Gefecht zu setzen, indem<br />
ich seine Knotenpunkte lähmte. Auf diese Weise konnte<br />
man sogar völlig lautlos einen Gegner töten.<br />
Als Chahani fertig war, gingen wir zusammen auf den<br />
Balkon hinaus.<br />
„Wie steht es <strong>um</strong> ihn?“ fragte ich besorgt.<br />
„Nicht gut. Ich konnte die Vergiftung nicht stoppen, nur<br />
sein Leiden etwas lin<strong>der</strong>n. Das Fieber steigt, er wird<br />
bald sterben, Fela. Was sollen wir jetzt tun?“<br />
Ich sah hinaus auf die Stadt, die sich zu unseren Füßen<br />
ausbreitete. Der Abend zog auf, die Sonnen sanken dem<br />
Horizont entgegen. In den Gassen und Straßen herrschte<br />
rege Betriebsamkeit. Direkt unter unserem Balkon bot ein<br />
Händler seine waren unter einem bunten Baldachin feil,<br />
es wurde gefeilscht und gehandelt, was in <strong>der</strong> recht<br />
gutturalen Sprache <strong>der</strong> Mandraken bisweilen bedrohlich<br />
klang. Der Duft des Marktes stieg zu uns herauf, Obst,<br />
Gemüse, Gewürze. Aus den Stockwerken unter uns<br />
verbreitete sich <strong>der</strong> Geruch verschiedener Räucherharze,<br />
irgendwo erklang ein Zupfinstr<strong>um</strong>ent, das eine<br />
schwermütige Melodie von sich gab. Hier oben wehte eine<br />
leichte Brise. Die Schatten <strong>der</strong> vor ewigen Zeiten<br />
kunstvoll gearbeiteten Türme wurden länger und<br />
wan<strong>der</strong>ten über das Dächermeer.<br />
„Schwer zu sagen“ entgegnete ich, „Wir sollten die Dinge<br />
auf uns zukommen lassen, denke ich. Wenn Xul uns<br />
feindlich gesonnen wäre, würden wir nicht hier sein,<br />
son<strong>der</strong>n tot o<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Flucht. Xul hat etwas vor, und<br />
ich schätze, er wird uns seinen Plan morgen mitteilen.<br />
Heute sollten wir für unseren Freund das tun, was wir<br />
noch tun können. Bei ihm sein und ihm ein gutes letztes<br />
Geleit geben.“<br />
Chahani nickte wortlos. Sie drückte sich an mich, und ich<br />
nahm sie in die Arme. Ihr Kuß schmeckte wun<strong>der</strong>bar, ich<br />
genoss es, wenn sich unsere Energien so verbanden. Als<br />
wir unsere Lippen voneinan<strong>der</strong> lösten, sah sie mich ernst<br />
an.<br />
„Was immer auch geschieht, Fela. Ich liebe Dich. Auf<br />
ewig.“<br />
„Ich liebe Dich auch, Chahani. Auf ewig.“<br />
In <strong>der</strong> Dämmerung verließen wir den Balkon wie<strong>der</strong>,<br />
wissend, dass nun die unangenehmen Dinge zu regeln<br />
waren Wir gingen wie<strong>der</strong> in das Zimmer, hin zur Liege,<br />
auf <strong>der</strong> unser Kamerad z<strong>um</strong> Sterben lag. Sein Gesicht<br />
hatte bereits eine fahle Färbung, und <strong>der</strong> Leib zitterte<br />
leicht. Seine Augen waren geöffnet, es schien, er sei bei<br />
Bewußtsein. Chahani nahm seine Hand, die kraftlos und<br />
kalt war, und drückte sie. Eine Träne lief über ihre<br />
Wangen. Als ich sah, dass sich die Lippen des Khan leicht<br />
bewegten, ging ich z<strong>um</strong> Kopfende des Lager und kam nah<br />
an sein Gesicht. In <strong>der</strong> Tat, er flüsterte. Seine Stimme war<br />
flach und ausdruckslos, als er zu mir sprach.<br />
„Fela“ hauchte er gebrochen, „führe den Krieg an meiner<br />
Stelle. Nimm mein Amulett, trage es in die Schlacht.“<br />
Ich sah ihm tief in die Augen, die seltsam leer wirkten. Da<br />
war nichts mehr vom Feuer des Mah´di Khan, des<br />
Bezwingers von <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>. Ich sah in die Augen eines<br />
Sterbenden, Augen, in denen das Feuer langsam erlosch.<br />
„Ich habe Euch mein Wort gegeben, Khan.“ entgegnete<br />
ich. „Ich werde Euer Werk im Rahmen meiner<br />
Möglichkeiten fortsetzen. Eure Anhänger werden Euch<br />
schmerzlich missen, Khan. Ich werde Euch niemals<br />
vollständig ersetzen können. Aber ich werde mein Bestes<br />
tun.“<br />
Er versuchte zu lachen, heraus kam jedoch nur ein<br />
heiseres Krächzen. Er keuchte schwächelnd:<br />
„Segurianer. Du hast es immer noch nicht verstanden.<br />
Ich war nur ein Kelch <strong>der</strong> Götter, in den sie ihren Wein<br />
gegossen haben. Du jedoch,“ ein Hustenanfall unterbrach<br />
ihn, „Du jedoch hast soviel mehr. Du bist das Schwert des<br />
heiligen Krieges. Du wirst die Stämme einen und in die<br />
letzte Schlacht führen. Tritt nun an meine Stelle, Fela. Es<br />
ist an <strong>der</strong> Zeit ... Ich bin so müde...“<br />
Er hustete erneut, und Chahani richtet ihn in den Kissen<br />
etwas auf Noch einmal glühte ein letzter Rest des Feuers<br />
in seinen Augen. Mit letzter Kraft setzte er seine Rede<br />
fort.<br />
„Schwertmeister von Seguria, verstehst Du nicht? DU<br />
bist <strong>der</strong> Khan. Ich hatte nur die Aufgabe, das Banner bis<br />
hierher zu tragen. Nimm meinen <strong>Kampf</strong>anzug, Dein<br />
Schwert und das Siegel. In diesem Zeichen wirst Du<br />
siegen.“<br />
Dies waren seine letzten Worte. Sein Kopf sackte zur<br />
Seite, und sein Herz hörte auf zu schlagen. Der Mah´di<br />
Khan war tot. Ich zog mein Schwert, richtete mich auf<br />
und erwies ihm den Gruß <strong>der</strong> Sonnenkrieger. Chahani<br />
legte seine Hände über <strong>der</strong> Brust verschränkt zusammen<br />
Seite 35
und ging zur Tür. Sie informierte die Wache und trug ihr<br />
auf, den Warlord zu informieren.<br />
Einige Glasen später kamen die Bediensteten, <strong>um</strong> den<br />
Leichnam des Khan zu waschen und zu ölen. Vom Dach<br />
des Palastes hörten wir große Kriegstrommeln einen<br />
monotonen, d<strong>um</strong>pfen Klang verbreiten. Das Fest des<br />
Todes hatte begonnen. Von überall her strömten die<br />
Mandraken herbei, <strong>um</strong> dieser Zeremonie beizuwohnen.<br />
Ich fragte einen <strong>der</strong> Leichenwäscher, ob das hier so üblich<br />
sei. Er erklärte mir, dass nur die hochrangisten Krieger<br />
auf diese Weise ins Az´gaart, das Jenseits, geleitet<br />
wurden. Der Leib des verstorbenen Kriegers würde auf<br />
dem Dach des Palastes verbrannt werden, <strong>um</strong> seine Seele<br />
zu den Göttern zu geleiten. Wir sollten uns bereithalten.<br />
Chahani und ich gingen in ein Nebenzimmer, <strong>um</strong> uns<br />
etwas frisch zu machen für die Feuerbestattung. Nachdem<br />
wir unsere Kleidung gerichtet hatten, nahm ich das<br />
Brustamulett des Khan an mich und verstaute es in einer<br />
Gürteltasche. Dann gingen wir mit einer Wache auf das<br />
Dach des Gebäudes, von dem aus man in die ganze Stadt<br />
sehen konnte. Auf den großen Platz, in allen Straßen und<br />
Gassen, selbst auf den Dächern <strong>der</strong> Häuser hatten sich<br />
Mandraken versammelt. Es waren abertausende. Ein<br />
Meer von Kriegern stand bereit, <strong>um</strong> unserem Gefährten<br />
die letzte Ehre zu erweisen. Ich war beeindruckt und<br />
ergriffen von <strong>der</strong> Szene.<br />
In <strong>der</strong> Mitte des Daches stand ein gewaltiger<br />
Scheiterhaufen, auf dem die Leichenwäscher den<br />
gesalbten Leichnam des Mah´di Khan ablegten. Offenbar<br />
hatte man seit unserer Ankunft hier gewisse<br />
Vorbereitungen getroffen. Inzwischen war die Stadt in<br />
Dunkelheit gehüllt, <strong>der</strong> Platz über den Dächern <strong>der</strong> Stadt<br />
wurde von zahlreichen Fackeln erhellt, die von den<br />
Kriegern <strong>der</strong> Leibgarde des Warlords gehalten wurden.<br />
Die Trommeln dröhnten ihr gewaltiges Stakkato, es<br />
waren sieben große Kriegstrommeln, vor denen je ein<br />
Trommler kniete und mit schweren Holzschlegeln auf die<br />
gespannten Häute schlug. Die Trommeln waren mächtig,<br />
und sie waren laut. Ich schätzte, dass man sie sogar auf<br />
den benachbarten Inseln hören konnte. Die Kohorte <strong>der</strong><br />
Krieger, die die Fackeln hielten, stand in vollen Waffen,<br />
und auch <strong>der</strong> Warlord war im Waffenrock gekommen, <strong>um</strong><br />
<strong>der</strong> Zeremonie beizuwohnen. Er stand vor dem<br />
Scheiterhaufen, und wir wurden zu ihm geführt. Ich<br />
verneigte mich vor Xul und grüßte ihn nach<br />
segurianischer Militärsitte, indem ich die rechte Faust auf<br />
die Brust schlug. Auch Chahani verneigte sich. Der<br />
Warlord hob die Arme und breitete sie aus. Schlagartig<br />
verst<strong>um</strong>mten die Trommeln.<br />
Mit tiefer Stimme sprach er.<br />
„Fhtagn!“<br />
„Der Leib dieses Kriegers vergeht. Der Mah´di Khan von<br />
<strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> geht in das Az´gaart, mögen die Götter und<br />
Helden ihn Willkommen heißen!“<br />
Er senkte die Arme und die Trommeln setzten wie<strong>der</strong> ein.<br />
Langsam, schleppend, dröhnend. Wie ein Herzschlag, <strong>der</strong><br />
Puls, <strong>der</strong> aus dem Leib des Khan gewichen war, sollte ihn<br />
nun über die Brücke zur jenseitigen Welt führen, in das<br />
Reich <strong>der</strong> Götter. Einer <strong>der</strong> Krieger trat vor und reichte<br />
dem Warlord seine Fackel. Dieser reichte sie an mich<br />
weiter. Ich trat an den nach Carbonöl riechenden<br />
Scheiterhaufen heran und stieß die Fackel hinein. Sofort<br />
leckten die Flammen gierig an dem ölgetränkten Holz<br />
empor, und binnen weniger Augenblicke stand <strong>der</strong><br />
Scheiterhaufen in Flammen. Wir traten wegen <strong>der</strong><br />
enormen Hitze etwas zurück und schauten zu, wie die<br />
Flammen den Leichnam erfassten, <strong>der</strong> kurz darauf in eine<br />
Rauchwolke gehüllt war, die senkrecht in den Himmel<br />
stieg.<br />
Wie<strong>der</strong> hob <strong>der</strong> Warlord seine Arme, und die Trommeln<br />
wurden leiser, hörten jedoch nicht auf zu w<strong>um</strong>mern. Xul<br />
wandte sich mir zu und sprach mich mit fester Stimme<br />
an.<br />
„Segurianer! Die Prophezeiung bewahrheitet sich. Das<br />
Orakel hat gesprochen:<br />
'Es wird einer kommen. Aus <strong>der</strong> Festwelt. Aus keinem<br />
erwarteten Haus wird er kommen. Er wird die Stämme<br />
Mandraks in einen großen Krieg <strong>der</strong> Taifune führen.<br />
Und <strong>der</strong> Sieg wird bei ihm sein. Nach ihm kommt <strong>der</strong><br />
Friede.'<br />
Du bist gekommen, <strong>um</strong> die Armee von Mandrak zu<br />
befehligen. Nun erweise Dich als würdig, ein Führer <strong>der</strong><br />
Mandraken zu sein. Du mußt im <strong>Kampf</strong> einen meiner<br />
Generäle besiegen, damit auch nur ein Krieger Dir folgt<br />
in Deine Schlacht. Zieh Dein Schwert, Segurianer und<br />
kämpfe.“<br />
Auf seinen Wink trat ein großer, bulliger Krieger aus den<br />
Reihen vor. Er trug ein großes gondrisches<br />
Kr<strong>um</strong>mschwert. Der Warlord stellte ihn vor.<br />
„General Szandor von Grendel. Erster Kommandant<br />
meiner Leibgarde. Er wird gegen Dich antreten,<br />
Segurianer.“<br />
Grundgütiger! Der Mann war einen guten Kopf größer als<br />
ich, wog fast das doppelte und schien erpicht darauf, mich<br />
dem Khan ins Jenseits hinterher zu schicken. Er grinste<br />
breit, als er auf mich zu trat. Da standen wir uns nun im<br />
Schein des brennenden Scheiterhaufens gegenüber, das<br />
Dach des Palastes war in oranges Licht gehüllt, es<br />
knisterte und knackte, und die Trommeln än<strong>der</strong>ten den<br />
Rhythmus. Die Schläge waren jetzt hart und kurz, an<strong>der</strong>s<br />
als die weichen, dröhnenen Schläge von eben. Die<br />
Atmosphäre war z<strong>um</strong> Zerreißen gespannt.<br />
Nach und nach verfielen die Krieger in ein Mantram, das<br />
mir schon von den Ru<strong>der</strong>leuten geläufig war. Einer nach<br />
dem an<strong>der</strong>en fiel in den Chor ein.<br />
„Hung! Hung! Hung!“<br />
Der Chor brandete über die Mauern und flutete die Stadt.<br />
Nun erklang es aus tausenden von Kehlen.<br />
„Hung! Hung! Hung!“<br />
Die Horden waren in Ekstase. Aus voller Brust feuerten<br />
sie ihren Favoriten an, <strong>der</strong> nun begann, mich langsam zu<br />
<strong>um</strong>runden. Ich regte mich nicht. Völlig entspannt stand<br />
ich da, alle meine Sinne waren aktiv. Ich konnte jede<br />
seiner Bewegungen spüren, fühlte, wie sich sein<br />
Körpermagnetismus verän<strong>der</strong>te, ich hatte sein geistiges<br />
Abbild exakt vor Augen, egal, wo er gerade war. Er würde<br />
nicht von hinten angreifen, das wäre unehrenhaft. Er<br />
wollte jedoch einen taktischen Vorteil herausholen, <strong>um</strong><br />
meine Reaktionen zu testen. Also würde er von <strong>der</strong> Seite<br />
angreifen. Ganz langsam spannten sich meine Muskeln.<br />
Mit dem schweren Langschwert hatte ich keine Chance,<br />
die zur Verfügung stehende Reaktionszeit war zu kurz.<br />
Also entschied ich mich für die beiden leichten Schwerter,<br />
<strong>der</strong>en Griffe näher bei meinen Händen waren. Ich fühlte,<br />
Seite 36
wir er hinter mir das Schwert leicht anhob, seine<br />
Muskelspannung ließ auf einen schweren Hieb schließen.<br />
Dann ging alles sehr schnell. Er schlug schräg von rechts<br />
oben zu. Ohne Gegenwehr hätte er meinen Körper<br />
wahrscheinlich mit einem Hieb zerteilt. Meine Hände<br />
flogen zielsicher zu den Schwertgriffen, zogen sie und<br />
rissen die Waffen hoch. Ich parierte seinen Hieb mit<br />
einem Schwertkreuz und lenkte durch eine seitliche<br />
Ausfallbewegung die Kraft seines Schwerthiebes ab. Er<br />
geriet etwas ins Schleu<strong>der</strong>n, ich schritt zur Seite und ließ<br />
seine Klinge aus meinem Schwertkreuz auf den Boden<br />
abgleiten. Das metallische Klirren heizte die Menge an.<br />
„Hung! Hung! Hung!“<br />
Der General fing sich schnell und versuchte, von unten<br />
nachzusetzen, indem er das Schwert in meine Richtung<br />
hochriss. Ich lenkte es mit einem Schwert ab, drehte mich<br />
blitzschnell <strong>um</strong> meine eigene Achse und verpasste ihm<br />
einen Schnitt am linken Oberarm, <strong>der</strong> seinen<br />
Le<strong>der</strong>wamps durchtrennte. Blut quoll aus dem Schnitt<br />
hervor. Mein Gegner beachtete dies nicht, und stürmte<br />
nun schwertschwingend unter Kriegsgebrüll auf mich ein.<br />
Er führte harte, kurze Schläge auf mich aus, die ich<br />
wechselseitig parierte. In seinen Schlägen lag große Kraft,<br />
und ich hoffte, dass <strong>der</strong> segurianische Fe<strong>der</strong>stahl meiner<br />
Waffen diesem Ansturm standhalten konnte. Wir gingen<br />
nun in den Nahkampf über, in schneller Folge klirrten<br />
unsere Waffen aneinan<strong>der</strong>, ich bemühte mich stets, seine<br />
Angriffsenergie in Richtung Boden abzulenken. So<br />
kämpfte ich etwa eine Glase lang in <strong>der</strong> Defensive, bis ich<br />
bemerkte, dass die Schläge und Stöße des Generals leicht<br />
unkoordinierter wurden. Sein Energiebedarf für diesen<br />
<strong>Kampf</strong> musste gewaltig sein, er würde das nicht mehr<br />
allzu lange so durchhalten können. Ich würde ihn noch<br />
einigen Momente durch kontrolliertes Zurückweichen in<br />
dem Glauben lassen, er beherrsche das Gefecht. Dann,<br />
z<strong>um</strong> rechten Zeitpunkt, wollte ich zuschlagen. Die Menge<br />
genoss den <strong>Kampf</strong>.<br />
„Hung! Hung! Hung!“<br />
Der General trieb mich mit seinen ausladenden Hieben<br />
förmlich über den Platz. Der Warlord grinste. Aber er<br />
grinste nicht gehässig. Er war ein erfahrener Krieger, und<br />
er hatte meine Taktik erkannt. 'Wenn Du einen Onker<br />
fangen willst, lass ihn laufen' hatte mein Ausbil<strong>der</strong> mir<br />
gesagt. Und ich ließ ihn laufen, bis er vor Wut schä<strong>um</strong>te<br />
und schnaubte. Ich erweckte den Anschein, vor dem<br />
General zu flüchten. Ich duckte mich unter seinen<br />
Querhieben, ließ mich von seinen Schlägen zurücktreiben,<br />
strauchelte vermeintlich. Er missdeutete diese Signale<br />
erwartungsgemäß und sonnte sich im Beifall seiner Leute.<br />
Er hob die Arme und ließ sich feiern. Doch <strong>der</strong> Moment<br />
seines Tri<strong>um</strong>phes sollte seinen Untergang besiegeln.<br />
Ich richtete mich langsam auf und ließ die Schwerter<br />
fallen. Der General wandte sich <strong>um</strong> und sah mich fragend<br />
an. Dann hob ich die Rechte, fasste hinter mich und zog<br />
betont langsam mein Langschwert, Kilm´tal aus <strong>der</strong><br />
Halterung auf meinem Rücken. Ich ließ es langsam in <strong>der</strong><br />
rechten Hand rotieren. Den linken Arm streckte ich aus<br />
und winkte ihn mit <strong>der</strong> Hand heran. Sein Blick wurde<br />
ernst und zornig. Sein Verstand wurde ausgeschaltet.<br />
Mein Angriffsmuster stand fest. Ich würde das Rashith-<br />
Ha-Gilgalim einsetzen, den Beginn <strong>der</strong> wirbelnden<br />
Bewegung. Diese Taktik verlange, sie bis z<strong>um</strong> Ende<br />
durchzuführen, ungeachtet <strong>der</strong> gegnerischen<br />
Bewegungen. Dabei wurde das Schwert mit großer<br />
Geschwindigkeit in einer liegenden Acht bewegt und auf<br />
den Gegner eingedroschen.<br />
„Hung! Hung! Hung!“<br />
Im nächsten Moment startete ich meinen Angriff. Ich<br />
schwang das Schwert, stürmte los und hieb auf meinen<br />
Gegner ein. Ich hatte das Ziel des Sieges fest vor Augen,<br />
und die Gegenwehr des Generals brach in sich zusammen.<br />
Hieb <strong>um</strong> Hieb traf ihn, er blutete schnell aus zahlreichen<br />
Wunden. Ein beson<strong>der</strong>s starker Hieb von mir kam im<br />
richtigen Winkel, und sein mächtiges Schwert<br />
zersplitterte. Explosiv entlud sich die Angriffsenergie, und<br />
er flog rückwärts, strauchelte und fiel auf den Rücken, in<br />
<strong>der</strong> Hand den kümmerlichen Rest seines Schwertes. Wie<br />
<strong>der</strong> Wind war ich über ihm, trat das halbe Schwert aus<br />
seiner Hand und richtete die Spitze meines Schwertes auf<br />
seine Kehle. Die Trommeln verst<strong>um</strong>mten. Auch die<br />
Anfeuerungsrufe <strong>der</strong> Krieger verebbten. Ich sah Xul an.<br />
„War<strong>um</strong> zögerst Du? Töte ihn. Vollende es.“<br />
Ich schüttelte den Kopf.<br />
„Nein, My Lord. Es wäre falsch, einen Eurer besten<br />
Krieger zu töten. Er hat tapfer gekämpft, und ein solcher<br />
Krieger ist in <strong>der</strong> Schlacht besser aufgehoben, als auf<br />
einem Scheiterhaufen.“<br />
„So soll es sein. Ich erkläre Dich z<strong>um</strong> Sieger, Segurianer.<br />
Der <strong>Kampf</strong> ist beendet.“<br />
Ich nahm das Schwert zurück und fügte es wie<strong>der</strong> in seine<br />
Halterung ein. Dann hob ich meine beiden an<strong>der</strong>en<br />
Schwerter auf und arrettierte sie ebenfalls. Der General<br />
erhob sich und baute sich vor mir auf. Dann sank er<br />
nie<strong>der</strong>, beugte ein Knie und sprach:<br />
„Ich stehe in Eurer Schuld, Segurianer. Mein Leben für<br />
Euch.“<br />
Ich nickte und grüßte ihn militärisch. Dann trat ich an<br />
den noch brennenden Scheiterhaufen heran, zog das<br />
Amulett des Khan aus meiner Gürteltasche und legte es<br />
an. Ich drehte mich langsam <strong>um</strong> und blickte in die Reihen<br />
<strong>der</strong> mandrakischen Krieger. Diese fielen wie<strong>der</strong> in ihren<br />
Chor ein, und die Trommeln dröhnten laut.<br />
„Hung! Hung! Hung!“<br />
Meine Armee war bereit z<strong>um</strong> <strong>Kampf</strong>, <strong>der</strong> neue Mah´di<br />
Khan würde sie in eine glorreiche Schlacht führen.<br />
Kapitel 8: Die F´Dayk´n<br />
Am nächsten Morgen rief uns <strong>der</strong> Warlord zur Audienz.<br />
Ich hatte dar<strong>um</strong> gebeten, <strong>um</strong> die erfor<strong>der</strong>lichen Schritte<br />
für den bevorstehenden <strong>Kampf</strong> zu regeln. Nachdem<br />
Chahani und ich in unserem Gemach im Obergeschoß ein<br />
ausgezeichnetes Frühmal genossen und uns für den Tag<br />
vorbereitet hatten, folgten wir <strong>der</strong> Wache in die<br />
Audienzhalle, die im westlichen Flügel des Gebäudes an<br />
den Thronsaal grenzte. Auf dem Weg dorthin bewun<strong>der</strong>te<br />
ich die schlichte, aber dennoch ehrfurchteinflössende<br />
Architektur dieses Kriegervolkes. Die Gänge, die uns zur<br />
Audienzhalle führten, waren aus grauem Sandstein<br />
gemeißelt, sie waren mit Reliefs von teilweise<br />
anson<strong>der</strong>lichen, tentakelbewehrten Kreaturen verziert.<br />
Wir bogen nach links, und <strong>der</strong> Gang öffnete sich zu einem<br />
mächtigen Portal hin, das wir eilig durchschritten, <strong>um</strong> in<br />
die große Halle zu gelangen. Xul Eisenbeisser und sein<br />
innerster Stab waren dort <strong>um</strong> einen Kartentisch<br />
Seite 37
versammelt. Als wir dazu kamen, salutierten die<br />
Heerführer. Ich erwi<strong>der</strong>te den Gruß, und <strong>der</strong> Warlord<br />
stellte mir seine Generäle vor. Das mandrakische Heer<br />
hatte sechs Generäle, die jeweils über eine Heeresgruppe<br />
von 125.000 Mann geboten. Ich war über die tatsächliche<br />
Truppenstärke <strong>der</strong> mandrakischen Armee überrascht.<br />
Bislang waren unsere Späher davon ausgegangen, dass<br />
die Mandraken lediglich über etwa 200.000 Mann unter<br />
Waffen verfügten, doch diese Informationen erwiesen<br />
sich als völlig falsch. Zu unserem Glück, denn Xul<br />
Eisenbeisser erklärte sich bereit, mir vier seiner<br />
Heeresgruppen anzuvertrauen. Das bedeutete, ich würde<br />
in den Krieg gegen Ninurta mit einer Million Soldaten<br />
ziehen. Die einzigen Fragen, die nun noch zu klären<br />
waren, betrafen Transportlogistik, Strategie und Taktik.<br />
Ninurta verfügte über ca. 3 Millionen Soldaten zuzüglich<br />
<strong>Kampf</strong>insekten, wovon im Schlachtfeld sicher weit mehr<br />
als zwei Drittel verfügbar sein würden. Die Rebellen<br />
waren nur etwa Hun<strong>der</strong>ttausend, dazu kamen noch etwa<br />
500.000 Mann aus <strong>der</strong> fö<strong>der</strong>alen Allianz <strong>der</strong> <strong>um</strong>liegenden<br />
Reiche. Mit <strong>der</strong> Streitmacht <strong>der</strong> Mandraken würden diese<br />
deutliche zahlenmäßige Unterlegenheit sicher etwas<br />
ausgleichen können, doch das Problem war Ninurtas<br />
Artillerie und die <strong>Kampf</strong>taranteln. Mein Bru<strong>der</strong> Thet<br />
würde, wenn <strong>der</strong> Sturm auf <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> begann, das<br />
segurianische Kontingent ins Herz <strong>der</strong> gondrischen<br />
Tiefebene führen, und aus Norden und Süden würden<br />
noch zwei gewaltige Verbände auf <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong><br />
marschieren. Das Schlachtfeld würde sich wohl etwas<br />
südlich <strong>der</strong> Stadt auftun, auf dem großen Plateau von<br />
<strong>Gonda</strong>-Nag-H´mad. Der Terror <strong>der</strong> Rebellen in <strong>der</strong> Stadt<br />
sollte für Ablenkung sorgen und einen Teil von Ninurtas<br />
Kräften binden. Wir mussten versuchen, seine<br />
Streitmacht zu teilen und möglichst viele Fronten zu<br />
eröffnen. Der mandrakische Tross sollte die Spaltung <strong>der</strong><br />
Hauptstreitmacht erwirken, <strong>um</strong> es Ninurta zu<br />
erschweren, die schwere Artillerie effektiv einzusetzen.<br />
Auf meine Frage nach dem Truppentransport meinte <strong>der</strong><br />
Warlord:<br />
„Ihr werdet überrascht sein, Khan. Wir Mandraken sind<br />
keineswegs so rückständig, wie die Festweltler<br />
glauben...“ Dabei grinste er vielsagend. General Traban<br />
zu seiner Rechten führte den Dialog fort.<br />
„Auf Fünf unserer Inseln gibt es unterirdische Hangare,<br />
in denen unsere Luftschiffe verborgen sind. Wir verfügen<br />
über 600 Holks <strong>der</strong> Imperator-Klasse, die je 2.000<br />
Mann tragen. Die Holks sind freischwebende Einheiten,<br />
ausgerüstet mit Maschinentechnologie, die wir aus<br />
historischen Aufzeichnungen rekonstruiert haben. Wir<br />
werden alle Holks einsetzen, <strong>um</strong> die Truppen und das<br />
Material zu transportieren.“<br />
„Ihr benutzt Maschinen?“ fragte ich sichtlich angewi<strong>der</strong>t<br />
„Das wi<strong>der</strong>spricht dem Codex.“<br />
Der Warlord lächelte und meinte gelassen:<br />
„Die Mandraken haben keinen Kontrakt unterzeichnet,<br />
Khan. Und darüber hinaus könnt Ihr froh sein, dass wir<br />
diese Maschinen haben. Hätten wir sie nicht, könntet Ihr<br />
zu Fuß z<strong>um</strong> Schlachtfeld ziehen. Es steht Euch natürlich<br />
frei, auf die Holks zu verzichten...“<br />
Verdammt, er hatte Recht. Wir brauchten die<br />
mandrakischen Maschinen. Ich nickte.<br />
„Gut,“ meinte Xul, „dann habe ich noch eine<br />
Überraschung für Euch. Unsere Spähtrupps fanden vor<br />
einigen Zyklen ein verborgenes Gangsystem im Innern<br />
einer unserer Inseln. Dort fanden wir, völlig<br />
abgeschlossen und unversehrt, ein Laboratori<strong>um</strong>. Die<br />
Apparate waren weitgehend unbrauchbar. Aber als wir<br />
die Kalkschichten von einer Tür entfernten, entdeckten<br />
wir dahinter etwas, das diesen Krieg möglicherweise<br />
entscheidend beeinflussen wird. In einem Lager fanden<br />
wir Teile von Glutbohrern. Es ist unseren<br />
Waffenschmieden gelungen, einen davon wie<strong>der</strong><br />
funktionsfähig zu machen. Dieser steht uns nun an Bord<br />
eines eigens dafür <strong>um</strong>gerüsteten Holks zur Verfügung.“<br />
Das war in <strong>der</strong> tat eine Überraschung. Der Umstand, dass<br />
die Mandraken Flugboote rekonstruiert hatten, war schon<br />
eine Sache, die schwer zu glauben war. Aber dass eine<br />
Waffe tausend mal tausend Zyklen überstanden hatte,<br />
grenzte an ein Wun<strong>der</strong>. Ich war geneigt, dieses Wun<strong>der</strong><br />
als ein Zeichen zu sehen.<br />
„Seid Ihr sicher, dass er funktioniert?“ wollte ich wissen.<br />
„Absolut sicher“ bestätigte Xul.<br />
Ich schaute suchend auf den Kartentisch.<br />
„Hier.“ meinte <strong>der</strong> Warlord und legte den Finger auf<br />
einen Punkt, etwa drei Tagesritte von <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong><br />
entfernt. Dort lief <strong>der</strong> Tulkman-Graben von Nord nach<br />
Süd über das Plateau von <strong>Gonda</strong>-Nag-H´mad. Es war<br />
anzunehmen, dass <strong>der</strong> Hauptkampf hier stattfinden<br />
würde, denn Ninurta zog dort seit gera<strong>um</strong>er Zeit immense<br />
Verbände zusammen. Der Kaiser wusste, dass <strong>der</strong> <strong>Kampf</strong><br />
unausweichlich war, und er wollte den Aufstand mit allen<br />
Mitteln nie<strong>der</strong>schlagen.<br />
Der Abwurf des Glutbohrers in dem Graben sollte<br />
bewirken, dass dieser aufriss und sich in einen gewaltigen<br />
Lavastrom verwandeln würde. Es war wichtig, den<br />
richtigen Zeitpunkt zu erwischen, wenn die<br />
Taranteldivisionen den Graben auf ihrem Vormarsch<br />
durchquert hatten, und das Heer noch im nordöstlichen<br />
Teil <strong>der</strong> Ebene marschierte. Ninurta schickte immer<br />
zuerst seine Taranteln in die Schlacht, und unser<br />
südwestliches Kontingent sollte für ihn Verlockung genug<br />
sein, einen Sturmangriff zu versuchen. Gelang es uns,<br />
seine Streitmacht zu teilen, würde es leichter werden, sein<br />
Heer anzugreifen, das dann ohne Artillerie und<br />
<strong>Kampf</strong>spinnen z<strong>um</strong> <strong>Kampf</strong> Mann gegen Mann gezwungen<br />
sein würde. Die Generäle versicherten mir, dass die Holks<br />
trotz ihrer enormen Größe schnell und wendig wären. So<br />
beschlossen wir, die Truppentransporter bis z<strong>um</strong> Abwurf<br />
des Glutbohrers hinter dem Nyarla-Gebirgsmassiv in den<br />
tiefliegenden Wolken zu verstecken. Wenn <strong>der</strong> Graben<br />
entzündet war, sollten sie das Gebirge überqueren und<br />
direkt ins <strong>Kampf</strong>gebiet einfliegen. Das<br />
Überraschungsmoment könnte so zu unserem Vorteil<br />
gereichen. Wenn Ninurtas Späher die Holks entdeckten,<br />
würde dem Kaiser nicht genug Zeit bleiben, Truppenteile<br />
<strong>um</strong> den langen Graben her<strong>um</strong> zu führen und seine<br />
Verteidigung neu zu strukturieren. Wir mussten den<br />
Kaiser vom Zeitpunkt des Glutbohrerabwurfes an ständig<br />
unter Druck halten, er durfte nicht zur Ruhe kommen, bis<br />
die Schlacht geschlagen war. Der <strong>Kampf</strong> war<br />
risikobewehrt, und nicht leicht zu gewinnen. Vieles<br />
konnte schief gehen. Aber wenn uns das Wohlwollen <strong>der</strong><br />
Götter zuteil würde, konnten wir einen großen Sieg<br />
einfahren und Ninurtas Schreckensherrschaft ein für alle<br />
Mal beenden.<br />
Die Besprechung ging nun ins Detail, und dreizehn<br />
Glasen später standen unsere Strategien und Taktiken<br />
weitgehend fest. Es gab Reservepläne, Ausweichmanöver<br />
Seite 38
und antizyklische Variablen in <strong>der</strong> Planung, selbst für den<br />
Fall einer etwaigen Nie<strong>der</strong>lage unserer Truppen hatten<br />
wir Szenarien entwickelt. Wir waren bereit z<strong>um</strong> Krieg.<br />
Für die Zeit dieser Schlacht berief Xul Eisenbeisser mich<br />
formell auf den Posten des ersten Imperators <strong>der</strong><br />
mandrakischen Streitkräfte, da er selbst das Heer nicht<br />
führen konnte. Sein Platz war mit den verbliebenen<br />
Soldaten auf den Inseln, <strong>um</strong> im Falle einer Nie<strong>der</strong>lage die<br />
Heimat und Kultur Mandraks zu verteidigen. Die<br />
Generäle leisteten vor ihrem Führer einen Treueeid auf<br />
mich. Kein mandrakischer Krieger würde es wagen,<br />
meinem Befehl nicht zu gehorchen. Sie würden für mich<br />
kämpfen, für mich bluten und für mich sterben.<br />
Am Abend dann gab es im Thronsaal ein großes<br />
Festbankett, zu dem viele mandrakische Würdenträger<br />
geladen waren, wir sahen nun z<strong>um</strong> ersten Mal auch<br />
mandrakische Frauen. Sie waren wesentlich zierlicher als<br />
die Krieger, aber ebenso erstaunlich muskulös. Es wurde<br />
geschmaust, gelacht und getrunken. Wir genossen ein<br />
hervorragendes Ra´hd-Geschnetzeltes, verschiedene<br />
knusprig frittierte Insekten in Tunke, Rieselgrasboller mit<br />
Honigstippe, und ausgezeichnete Weine, die aus dem<br />
Nektar <strong>der</strong> Riesenbä<strong>um</strong>e vergoren wurden. Bei den in<br />
Lehm gebackenen Spinnen mußte ich allerdings passen,<br />
auch Chahani winkte dankend ab. Das Festmahl mundete<br />
vorzüglich, und auch die Musik- und Tanzeinlagen waren<br />
unterhaltsam. Bei den Mandraken gab es nur drei<br />
Grundinstr<strong>um</strong>ente: Trommel, Zitar und Blasholz.<br />
Trommeln gab es in allen Größen und Ausführungen, das<br />
Zitar war von <strong>der</strong> Konstruktion her ein vierzehnsaitiges<br />
Zupfinstr<strong>um</strong>ent mit langem Hals und einem Klangkörper,<br />
<strong>der</strong> in mehreren Ausbuchtungen für interessante, weich<br />
verzerrte Tonerzeugung sorgte. Das Zitar klang stets<br />
etwas melancholisch, doch wurde diese Grundstimmung<br />
durch die verschiedenen Blashölzer, die man kurz und<br />
hart spielte, aufgebrochen. Die Lie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mandraken<br />
waren mal langsam, episch und balladenhaft, ein an<strong>der</strong>es<br />
Mal verspielt, schnell, fröhlich. Zu einigen Stücken wurde<br />
gesungen, lei<strong>der</strong> verstand ich die alten Texte nicht gut.<br />
Aber letztlich musste man sie auch nicht verstehen, <strong>um</strong><br />
das Thema eines Liedes zu begreifen, denn die Stücke<br />
waren harmonisch und stimmungsvoll arrangiert. Dazu<br />
bewegten sich akrobatische Tanzgruppen, so dass diese<br />
Unterhaltung rundweg annehmbar war. Wir genossen das<br />
Bankett in vollen Zügen.<br />
Da am nächsten Tag die Mobilmachung beginnen sollte,<br />
war dies gewissermaßen unsere Henkersmahlzeit. Die<br />
Spione und Zuträger des Warlords hatten berichtet, dass<br />
Ninurta z<strong>um</strong> <strong>Kampf</strong> bereit war, und bereits erste Feldzüge<br />
gegen aufständische Städte in <strong>Gonda</strong> unternahm. Er<br />
wollte die Rebellen z<strong>um</strong> Handeln zwingen, und die finale<br />
Schlacht war unaufschiebbar. Die Truppenverbände <strong>der</strong><br />
fö<strong>der</strong>alen Allianz waren offen in Marsch gesetzt worden,<br />
Ninurta wußte also, dass <strong>der</strong> Tanz begonnen hatte. Auch<br />
die segurianischen Einheiten hatten ihre Tarnung<br />
aufgegeben und marschierten offen unter Waffen gen<br />
<strong>Gonda</strong>. Wie es hieß, gab es bereits erste Gefechte mit<br />
Ninurtas Grenztruppen. Überraschend waren über dem<br />
Plateau von <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> verschiedene boräalische<br />
Verbände aus mehreren Schwadronen Trak-Ghenas<br />
gesichtet worden, die Ninurtas Artillerie bereits<br />
beschäftigten. Ich hatte mit einem Eingreifen <strong>der</strong><br />
Herrscher des südlichen Boräal eigentlich nicht in dieser<br />
Stärke gerechnet. Hauptsache war, dass sie nicht den<br />
Kaiser dazu bewegten, seinen Vormarsch auf das<br />
segurianische Angreiferheer zu stoppen. Im Osten<br />
verhielten sich die Truppen noch ruhig, und es schien, als<br />
ginge unser Plan einigermaßen auf. Die Scouts<br />
berichteten, dass die großen Arachnopoden-Divisionen<br />
deutlich nach Südosten zogen, und den Graben schon fast<br />
erreicht hatten. In etwa zwei Tagen würden sie ihn<br />
durchquert haben. Die südlichen Sturmtruppen würden<br />
ein großes Opfer bringen müssen, damit unsere Taktik<br />
erfolgreich angewendet werden konnte. Die Schlacht war<br />
also schon in vollem Gange, es wurde höchste Zeit, die<br />
Kräfte zusammenzuziehen.<br />
Inzwischen war die Dämmerung vorüber, das Licht <strong>der</strong><br />
Sonnen schwand, und <strong>der</strong> Warlord lud uns ein, die<br />
Hangare <strong>der</strong> Holks zu besichtigen. In einen Zug aus etwa<br />
fünfzig Personen wan<strong>der</strong>ten wir im Licht <strong>der</strong> Fackeln<br />
über einen gewundenen Pfad ostwärts durch den Wald,<br />
hin z<strong>um</strong> Rand <strong>der</strong> Insel. In <strong>der</strong> Nacht war <strong>der</strong> Wald noch<br />
gespenstischer als am Tage. Es war kühl, knietiefer Nebel<br />
stieg vom Boden auf. Die Geräusche des Tages waren<br />
verst<strong>um</strong>mt, <strong>der</strong> Wald war leise. Nur hier und da hörte<br />
man die Geräusche <strong>der</strong> Nachtjäger im Dickicht, und ab<br />
und an schrie ein Vogel, wenn er im Schlaf zur Beute<br />
geworden war. Nach etwa zwanzig Glasen Fußmarsch, <strong>der</strong><br />
ohne nennenswerte Zwischenfälle verlief, erreichten wir<br />
den östlichen Rand <strong>der</strong> Insel. Dort kamen wir zu einer <strong>der</strong><br />
beeindruckenden Schwebebrücken, welche die Inseln in<br />
einem verzweigten Netz miteinan<strong>der</strong> verbanden. Nun<br />
hatte ich die Gelegenheit, diese architektonischen<br />
Meisterwerke aus <strong>der</strong> Nähe zu betrachten. Ich<br />
bewun<strong>der</strong>te die Baukunst <strong>der</strong> Mandraken, denn <strong>um</strong> ein<br />
solches Bauwerk zu errichten gehörte mehr dazu, als nur<br />
Stein auf Stein zu setzen, wie es in unseren Städten <strong>der</strong><br />
Fall war. Um eine Schwebebrücke zu errichten, musste<br />
zunächst ein Führungsseil zwischen den Inseln gespannt<br />
werden, wobei ich vermutete, dass dies mit Trak-Ghenas<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Fluginsekten bewerkstelligt wurde.<br />
An<strong>der</strong>erseits konnte ich mir auch vorstellen, dass die<br />
Mandraken hierfür ihre Flugboote einsetzten. Am<br />
Führungsseil entlang wurden dann die Tragseile<br />
montiert, an denen dann Schritt für Schritt die<br />
Brückenkonstruktion montiert wurde. Z<strong>um</strong> Schluss<br />
wurde die Wetterschutz-Verkleidungen angebracht, die<br />
den Brücken die spezifische Tunnelform verliehen.<br />
Die Brücke, die vor uns lag, überspannte eine Entfernung<br />
von rund eintausendfünfhun<strong>der</strong>t Fuß, und sie bestand<br />
schon seit Generationen, wie <strong>der</strong> üppige Bewuchs<br />
erkennen ließ. Sie war über und über bewachsen, an den<br />
Seiten hingen meterlange Flechten herunter, wie<br />
überdimensionale Haarzöpfe. Mit <strong>der</strong> Zeit hatten sich<br />
allerlei Arten von Kriechgetier auf diesen Brücken<br />
angesammelt und dort neuen Lebensra<strong>um</strong> für sich<br />
erobert. Insekten, Glie<strong>der</strong>füßler, Reptilien und Vögel<br />
hausten zwischen den vielen verschiedenen<br />
Pflanzenarten, die auf den Brücken Fuß gefasst hatten.<br />
Damit sorgten Die Brücken, die nicht nur den Mandraken<br />
als Überweg dienten, auch in <strong>der</strong> Tier- und Pflanzenwelt<br />
<strong>der</strong> Inseln für regen Austausch, so dass dieses spezielle<br />
Ökosystem ein einzigartiges Refugi<strong>um</strong> bildete, das trotz<br />
seiner Isolation nicht verkümmerte. Hier hatten sich aus<br />
den Ur-Spezies völlig an<strong>der</strong>e Arten entwickelt als auf dem<br />
kontinentalen Festland. Die Insekten waren hier<br />
Seite 39
durchweg wesentlich kleiner als auf dem Festland, aber<br />
wesentlich zahlreicher. Die Gh<strong>um</strong>pas hier waren<br />
handtellergroß, nicht wie bei uns so groß wie ein Haus.<br />
Auch kleine Ghenas waren zu sehen, sie waren wirklich<br />
winzig im Vergleich zu den Reittieren, die ich aus <strong>der</strong><br />
Heimat kannte. Faszinierend, sich vorzustellen, wie aus<br />
so kleinen Käferchen im Laufe <strong>der</strong> Zyklen nach und nach<br />
große Packtiere und <strong>Kampf</strong>läufer gezüchtet worden<br />
waren.<br />
Wir betraten das kunstvoll gestaltete Brückenportal, das<br />
uns wie ein riesiger Schlund erwartete. Am Eingang gab<br />
es viele schöne Schnitzereien; Dämonen, Fabelgestalten<br />
und allerlei skurrile Fratzen waren in das Holz geschnitzt.<br />
Im Tunnel selbst war es schmucklos und wesentlich<br />
gerä<strong>um</strong>iger, als ich angenommen hatte. Vier Mann hatten<br />
bequem nebeneinan<strong>der</strong> Platz, es wehte ein leichter<br />
Luftzug durch den Gang, da die Ummantelung nicht völlig<br />
dicht war. Es gab Licht- und Luftdurchlässe, durch welche<br />
die seichte Abendbrise hereinzog. Am Tage herrschte hier<br />
wahrscheinlich ein diffuses Licht, doch nun war es<br />
stockfinster, so dass unsere Fackeln die einzigen<br />
Lichtquellen waren. Die Decke war rußgeschwärzt von<br />
Generationen, die sich im Dunkel hier von Insel zu Insel<br />
bewegt hatten. Ich war mir sicher, dass man den<br />
Fackelzug von außen nicht sehen konnte, denn die<br />
Öffnungen in den Seitenwänden waren sehr geschickt<br />
montiert worden, so dass Licht zwar hinein, aber nicht<br />
hinaus drang. Schließlich waren die Brücken nicht nur<br />
Transportweg, son<strong>der</strong>n auch Wehranlagen. Im<br />
dämmrigen Licht konnte ich verschiedene Ansitze,<br />
Schießscharten und kleine Kammern entdecken, von<br />
denen ich annahm, dass es sich <strong>um</strong> Waffenlager handelte.<br />
Etwa fünf Glasen später hatten wir die Brücke durchquert<br />
und waren auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Insel angekommen, von <strong>der</strong><br />
ich erfuhr, dass sie den Namen Holkhavn 3 trug und eine<br />
von zehn solcher Inseln war, die im Innern fast völlig hohl<br />
waren. Wir traten aus dem Brückenportal heraus und<br />
wendeten und nach Rechts. Etwa fünfhun<strong>der</strong>t Fuß weiter<br />
war ein kleines Gebäude, in das wir eintraten. Wir<br />
befanden uns in einem Ra<strong>um</strong>, dessen Wände glatt und<br />
schmucklos waren, bis auf ein kleines Kachelmuster an<br />
einer Seitenwand, das verschiedene Tiere auf 25 Fel<strong>der</strong>n<br />
zeigte. An <strong>der</strong> Decke des Ra<strong>um</strong>es gab es seltsame,<br />
milchige Leuchtkristalle von beachtlicher Größe, so dass<br />
wir die Fackeln löschen konnten. Xul Eisenbeisser drehte<br />
sich zu mir her<strong>um</strong> und sagte:<br />
„Khan. Das, was Ihr nun zu sehen bekommt, hat vor<br />
Euch noch kein Sterblicher gesehen, <strong>der</strong> nicht z<strong>um</strong><br />
inneren Kriegerkreis <strong>der</strong> Mandraken gehört. Es ist das<br />
größte Geheimnis unseres Volkes, gehütet seit<br />
Generationen, bewahrt für diesen Tag.“<br />
„Verehrter Warlord, ich weiß diese Ehre durchaus zu<br />
schätzen. Und ich bin mir <strong>der</strong> Verantwortung, die in den<br />
Entscheidungen dieses Tages liegt, voll bewusst. Ich<br />
fühle mich durch das Vertrauen, welches das<br />
mandrakische Volk in mich setzt, geehrt.“<br />
Der Mandrake nickte und wandte sich einem seiner Leute<br />
zu. Dieser trat an die Wand heran und drückte eine<br />
bestimmte Bil<strong>der</strong>folge auf <strong>der</strong> Tafel an <strong>der</strong> Wand. Ein<br />
Code, <strong>der</strong> eine geheime Tür öffnen würde, mutmaßte ich.<br />
Und so war es auch. Gegenüber <strong>der</strong> Tür, durch die wir<br />
hereingekommen waren, schob sich die Wand wie von<br />
Geisterhand betätigt zur Seite und gab den Weg in einen<br />
breiten Treppengang frei, <strong>der</strong> nach unten in das Massiv<br />
<strong>der</strong> Insel führte. Wir betraten den Gang und stiegen hinab<br />
in das Innere <strong>der</strong> Insel, wo das geheime Waffenarsenal<br />
<strong>der</strong> Mandraken verborgen lag. Der Abstieg dauerte lange,<br />
Stufe <strong>um</strong> Stufe ging es auf den gewundenen Treppen<br />
hinab, bis wir nach meiner Vermutung genau im inneren<br />
Kern <strong>der</strong> Insel angekommen waren. Nachdem wir eine<br />
weitere schwere Tür passiert hatten, betraten wir einen<br />
Balkon, <strong>der</strong> in etwa vierzig Fuß Höhe über eine Halle<br />
angebracht war, <strong>der</strong>en Ausdehnung gewaltig war. Unten<br />
in <strong>der</strong> Halle waren schätzungsweise zehntausend<br />
mandrakische Krieger versammelt, die in die Knie gingen<br />
und ihr Haupt beugten, als Xul und ich an die Brüstung<br />
des Balkons traten. Der Warlord sah mich an, machte<br />
eine ausladende Geste in Richtung <strong>der</strong> Krieger und<br />
meinte:<br />
„Mah´di Khan, dies ist Eure persönliche Leibgarde, wie<br />
es einem Heerführer geziemt. Elftausend Mann,<br />
ausgewählt aus den besten mandrakischen Kriegern:<br />
Die F´Dayk´n! Diese Krieger sind Berserks, ihre<br />
Aufgabe ist es, Euer Leben zu schützen. Sie folgen allein<br />
Eurem Befehl, und es gibt nichts, das sie aufhalten<br />
könnte. Außerdem sind hier die Heerführer <strong>der</strong><br />
mandrakischen Armee versammelt, <strong>um</strong> Euer Wort zu<br />
hören.“<br />
Ich war sichtlich gerührt. Die Mandraken hatten ein sehr<br />
hohes Kriegerethos, und die Bereitstellung einer solch<br />
gewaltigen Leibgarde zeigte, welch immens wichtige<br />
Position man mir hier zubilligte. Ich trat dicht an die<br />
Brüstung, das Siegel des Khan blitzte auf meiner Brust<br />
auf. Die Krieger erhoben sich synchron und nahmen<br />
Haltung an. Der Antritt erzeugte ein lautes und<br />
eindringliches Geräusch, das durch den großen Ra<strong>um</strong><br />
hallte. Elftausend Mann in Waffen standen stramm, <strong>um</strong><br />
ihrem Führer in die Schlacht zu folgen. Ich erhob die<br />
Stimme und sprach zu meinen Soldaten.<br />
„F´Dayk´n! Heute ist <strong>der</strong> Tag gekommen, auf den unser<br />
Planet lange Zeit gewartet hat. Der Kaiser von <strong>Gonda</strong><br />
hat seine Armen in Bewegung gesetzt, <strong>um</strong> die freie Welt<br />
zu unterwerfen. Viele Männer aus <strong>der</strong> freien Welt stehen<br />
bereit, gegen ihn anzutreten, doch ihre Waffen sind zu<br />
schwach, ihre Zahl ist zu gering, <strong>um</strong> die Legionen des<br />
Kaisers zu bezwingen. Und hier steht das Heer von<br />
Mandrak. Gerüstet und willens, die<br />
Schreckensherrschaft des Hauses Ninurta ein für alle<br />
Mal zu beenden. Wir werden über das Land ziehen wie<br />
ein Sturm, <strong>der</strong> selbst die stärksten Bä<strong>um</strong>e knicken wird.<br />
Wir werden das Reich des Kaisers verheeren und seine<br />
Tyrannei in Schutt und Asche verschwinden lassen. Vor<br />
uns liegt das Goldene Zeitalter, eine Ära des Friedens<br />
und <strong>der</strong> Völkerverständigung. Unsere Aufgabe ist es,<br />
dem Weg des Friedens mit dem Schwert aus Feuer einen<br />
Weg zu bahnen. Wenn unsere Arbeit getan ist, wenn das<br />
Große Werk vollbracht wurde, wird es ein friedliches<br />
Miteinan<strong>der</strong> aller Völker auf unserem Planeten geben<br />
können. Viele von Euch werden heute bluten, viele von<br />
Euch werden heute sterben, meine Krieger. Aber das<br />
große Opfer, welches das Volk von Mandrak heute<br />
bringt, wird in die Annalen <strong>der</strong> Geschichte eingehen als<br />
<strong>der</strong> Preis <strong>der</strong> Freiheit, den wir entrichteten, <strong>um</strong> unsere<br />
Welt lebenswert zu machen. Dieser Krieg, in den wir<br />
ziehen, ist <strong>der</strong> größte, den es seit dem Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong><br />
ersten Hochzeit gegeben hat. Sorgen wir gemeinsam<br />
dafür, dass es <strong>der</strong> Letzte bleibt. Nach uns kommen<br />
Seite 40
Generationen, die in ihren Lie<strong>der</strong>n den Heldenmut <strong>der</strong><br />
vereinten Armeen besingen werden, die stets die<br />
Erinnerung an das hoch halten werden an das, was Ihr<br />
heute getan habt. Ich, Mah´di Khan, bin erfüllt von<br />
großem Stolz, Euch in diese Schlacht führen zu dürfen.<br />
Und sollte dies mein letzter Tag auf Gaia werden, so war<br />
dies <strong>der</strong> schönste, den ich erleben durfte. F´Dayk´n!<br />
Heute ist ein guter Tag z<strong>um</strong> Sterben!“<br />
Ich zog mein Langschwert und riss die Arme hoch.<br />
Frenetischer Jubel brandete mir aus <strong>der</strong> Halle entgegen,<br />
<strong>der</strong> in ein infernalisches Kriegsgeheul überging. Die<br />
Krieger waren bereit. Es begann.<br />
Kapitel 9: Die Armada<br />
Wir zogen uns vom Balkon zurück, und <strong>der</strong> Warlord<br />
führte Chahani und mich nun in einen seitlichen Gang,<br />
<strong>der</strong> uns nach rechts führte zu einer weiteren Tür, vor <strong>der</strong><br />
zwei Wachen postiert waren. Die Wachen salutierten und<br />
traten zur Seite. Einer <strong>der</strong> Wachhabenden drückte auf<br />
einen leuchtenden Kistall in <strong>der</strong> Wand, und die<br />
zweiflügelige Tür öffnete sich lautlos. Ein<br />
durchdringen<strong>der</strong> Geruch von Schweröl und Metall<br />
strömte uns entgegen, und die Geräuschkulisse nahm<br />
deutlich zu. Sichtlich zufrieden meinte Xul:<br />
„Und nun, Mah´di Khan, erlaubt mir, Euch den Stolz <strong>der</strong><br />
mandrakischen Armee vorzustellen. Dies hier ist Holk-<br />
Hangar 13. In jedem unserer 20 Hangare sind<br />
normalerweise 30 Holks stationiert. Hangar 13 ist<br />
insofern etwas Beson<strong>der</strong>es, als dass hier auch <strong>der</strong><br />
Spezialholk stationiert ist, <strong>der</strong> den Glutbohrer tragen<br />
wird. Tretet ein und staunt.“<br />
Er grinste frech. War<strong>um</strong>, das sollte ich gleich sehen...<br />
Wir traten in die Halle ein, und ich hörte, wie Chahani<br />
scharf die Luft einsog. Und in <strong>der</strong> Tat, was ich sah,<br />
verschlug auch mir die Sprache.<br />
Der „Hangar“ (wie Xul den Ra<strong>um</strong> bezeichnet hatte) war<br />
von gigantischen Ausmaßen. Wir betraten den Ra<strong>um</strong><br />
seitlich ungefähr in <strong>der</strong> Mitte, und er dehnte sich nach<br />
beiden Seiten noch etwa 1000 Fuß aus. An den Seiten sah<br />
ich Konstruktionen, die den Eindruck riesiger Tore<br />
erweckten. Die uns gegenüberliegende Wand konnte man<br />
nicht mehr sehen, so weit war sie entfernt. In <strong>der</strong> Halle<br />
standen etwa zwei Dutzend dieser seltsamen Geräte,<br />
welche die Mandraken als Holk bezeichneten. Der<br />
Anblick war überwältigend. Die Flugmaschinen maßen in<br />
<strong>der</strong> Länge etwa sechshun<strong>der</strong>t Fuß, in <strong>der</strong> Höhe bestimmt<br />
fast hun<strong>der</strong>t, ebenso in <strong>der</strong> Breite. Auf den ersten Blick<br />
sahen die Holks aus wie etwas zu groß geratene<br />
Lastkähne, solcherart, wie man sie auch in den<br />
segurianischen Seehäfen vorfand, nur dass diese Schiffe<br />
keine Segel hatten. Der fensterlose R<strong>um</strong>pf war aus Metall<br />
gefertigt, und die Decksaufbauten bestanden<br />
weitestgehend aus Holz. Ich betrachtete eines dieser<br />
Fahrzeuge genauer, es lag direkt vor uns linker Hand. Die<br />
Aufbauten waren kunstvoll verziert und besaßen viele<br />
Fenster, man konnte <strong>der</strong> gesamten Konstruktion ansehen,<br />
dass sie nicht in Eile gefertigt worden war, son<strong>der</strong>n dass<br />
hieran Generationen mandrakischer Ba<strong>um</strong>eister<br />
gewerkelt hatten. Allein <strong>der</strong> Bug <strong>der</strong> Flugmaschine<br />
unterschied sich von herkömmlichen Schiffen. Er lief<br />
nicht spitz zu, son<strong>der</strong>n war gerade mit einer großen<br />
Ladeluke. Ein Holk daneben hatte die Luke geöffnet, und<br />
ein Bataillon mandrakischer Krieger marschierte über die<br />
Luke gerade in den Bauch des Schiffes. Das ganze vollzog<br />
sich im Gleichschritt geordnet und dennoch recht zügig.<br />
Ich mutmaßte, dass bei <strong>der</strong> Landung im <strong>Kampf</strong>gebiet,<br />
wenn alles etwas schneller ging, <strong>der</strong> Holk binnen<br />
kürzester Zeit entladen werden konnte. Wie würden<br />
unsere Truppen also bei <strong>der</strong> Landung zügig aufgestellt<br />
haben, denkbar war sogar ein Sturmangriff aus den Holks<br />
heraus.<br />
Die Flugboote hatten an den Seiten je sechs Paar<br />
mehrgliedrige Schwingen, die eigentlich proportional zu<br />
klein waren, eine solche Last zu tragen. Ich fragte mich<br />
still, wie <strong>um</strong> alles in <strong>der</strong> welt diese unförmigen Kästen<br />
z<strong>um</strong> Fliegen gebracht werden sollten. Aber das sollte<br />
nicht mein Problem sein. Wenn <strong>der</strong> Warlord meinte,<br />
diese Maschinen seien einsatzbereit und zweckmäßig,<br />
dann würde es auch so sein. Mich faszinierte <strong>der</strong><br />
Gedanke, dass dieses Volk, von dem wir so wenig wußten,<br />
das wir für wilde Waldmenschen gehalten hatten,<br />
<strong>der</strong>artige technische Errungenschaften über<br />
Generationen hinweg im Stillen erbaut hatte, allein auf<br />
das Wort einer uralten Prophezeihung hin. Und <strong>der</strong><br />
Kaiser in <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> hatte nicht die geringste Ahnung,<br />
was hier in den Höhlen <strong>der</strong> schwebenden Inseln über die<br />
Zeiten geschehen war. Das amüsierte mich. Wir hatten<br />
eindeutig einen strategischen Vorteil.<br />
Ich trat an den Holk, <strong>der</strong> links von uns lag heran und<br />
betrachtete ihn genauer. Die Nähe machte dieses Ding<br />
noch imposanter. Vor mir erhob sich eine riesige<br />
Eisenwand, <strong>der</strong>en Platten mit schweren Nieten an <strong>der</strong><br />
Stützkonstruktion befestigt waren. Ich berührte das<br />
Metall und fühlte seine Stärke. Kein Insekt auf unserem<br />
Planeten war <strong>der</strong>art stark gepanzert, ich war sicher, dass<br />
diese Panzerung sogar dem Beschuss durch<br />
Donnergh<strong>um</strong>pas standhalten würde. Man konnte im<br />
Innern <strong>der</strong> Maschine ein leichtes Vibrieren spüren, das<br />
z<strong>um</strong> Heck hin stärker zu werden schien. Ich schritt am<br />
R<strong>um</strong>pf entlang z<strong>um</strong> Heck des Holk und bestaunte die<br />
Maschinenteile, die ich dort sah. Es gab ein Leitwerk, das<br />
aussah, wie die <strong>um</strong>gedrehte Ru<strong>der</strong>anlage eines<br />
Lastenseglers, links und rechts davon gab es je zwei<br />
kreisrunde Öffnungen, die aussahen wie die Feuerrohre<br />
<strong>der</strong> riesigen Schmelzöfen in den Tellurminen von Beka-<br />
Iozid. Der Warlord schien meine Gedanken zu lesen, er<br />
trat von hinten an mich heran und meinte:<br />
„Das sind Aargon-Gasbrenner, sie wurden von unseren<br />
Maschinisten nach uralten Plänen rekonstruiert, sie<br />
wurden lediglich für den Gasantrieb modifiziert. Die<br />
Originale liefen mit Öl<strong>der</strong>ivaten. Damit beschleunigen<br />
wir die Holks auf 2000 Fuß in <strong>der</strong> Glase. So schnell fliegt<br />
kein Ghena, wir sind wie <strong>der</strong> Blitz im Unwetter. Das<br />
Aargon gewinnen wir aus den Sümpfen bestimmter<br />
Inseln, es ist in unterirdischen Reservoirs gespeichert.<br />
Je<strong>der</strong> Holk kann mit dem Inhalt seiner Tanks voll<br />
beladen 6 Tageszyklen ununterbrochen fliegen. Der<br />
Antrieb ist nahezu geräuschlos und rauchfrei. Die Holks<br />
sind leichter, als Ihr glaubt. Allein die Panzerung ist aus<br />
einer Telluri<strong>um</strong>legierung gefertigt. Der Rest besteht aus<br />
ultraleichten Karbonitholzfasern, die mit Shreekfäden<br />
verklebt wurden. Das reduziert das Gewicht des<br />
Materials auf ein Fünfzigstel bei einer zehnfachen<br />
Stahlhärte und gleichzeitiger Flexibilität. Die ältesten<br />
Seite 41
dieser Holks sind dreihun<strong>der</strong>t Zyklen alt und sehen aus<br />
wie am Tag <strong>der</strong> Fertigstellung. Wir haben die gesamte<br />
Flotte für diesen einen Tag gebaut, Khan.<br />
Alle Luftschiffe sind bewaffnet, sie tragen B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong>-<br />
Kanonen und haben Abwurfschächte für B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong>-<br />
Bomben bis einhun<strong>der</strong>t Pfund. Die runden Öffnungen,<br />
die Ihr sicherlich für Fenster hieltet, sind Schießscharten<br />
für unsere Sniperguns. Je<strong>der</strong> unserer Holks ist eine<br />
fliegende Festung, die nur sehr schwer zu Fall zu bringen<br />
ist. Der Kaiser wird sich wun<strong>der</strong>n, welches Unwetter da<br />
über ihn hereinbricht.“<br />
Er lachte sichtlich amüsiert. Als ich mir das d<strong>um</strong>me<br />
Gesicht des Kaisers vorstellte, wenn diese gewaltigen<br />
<strong>Kampf</strong>maschinen über die Bergkämme des Nyarla-<br />
Massivs kommen würden, musste ich ebenfalls lachen.<br />
Der Warlord wurde wie<strong>der</strong> formell. Mit ernster Miene<br />
meinte er zu mir gewandt:<br />
Und hier haben wir unser stolzes Flaggschiff, den<br />
Nexhagus!“<br />
Er ging <strong>um</strong> den ersten Holk her<strong>um</strong>, bog nach links in<br />
einen Steitenflügel <strong>der</strong> riesigen Halle ab und blieb stehen,<br />
die Hände zu einer präsentierenden Geste erhoben. Dort<br />
lag in einer abgetrennten Bucht <strong>der</strong> mächtige Holk,<br />
welcher den Glutbohrer in seinem Innern trug. Ein<br />
gewaltiges Luftschiff, das die an<strong>der</strong>en Holks noch <strong>um</strong><br />
einiges an Größe übertraf und sich auch in <strong>der</strong> Bauweise<br />
von den Truppentransportern unterschied. Der Nexhagus<br />
hatte einen scharfen Spitzbug, war schmaler gebaut, aber<br />
deutlich länger als die Transporter. Sein gesamter R<strong>um</strong>pf<br />
war mit größeren und kleineren Schießscharten gespickt,<br />
und in <strong>der</strong> Mitte gab es einen turmartigen Aufbau, in den<br />
gerade ein riesiges Metallgerät eingeladen wurde, das die<br />
Form einer Fahrwassertonne aufwies. Unten besaß es<br />
einen Spitzkegelbohrkopf, dann folgte ein Stahlzylin<strong>der</strong>,<br />
darüber ein Gestänge mit verschiedenen Leitwerken<br />
daran. Mit einer riesigen Kettenglie<strong>der</strong>winsch wurde das<br />
Teil in den Turm abgesenkt. Das Gerät maß etwa 60 Fuß<br />
in <strong>der</strong> Länge und hatte án <strong>der</strong> dicksten Stelle einen<br />
Durchmesser von ungefähr 20 Fuß. Überall blinkte es an<br />
<strong>der</strong> Maschine in verschiedenen Farben, und an <strong>der</strong> Seite<br />
war in mandrakischen Runen das Wort Shin-Golachab<br />
aufgemalt, was soviel bedeutete wie „flammendes Feuer“.<br />
Ich vermutete, dass es sich bei <strong>der</strong> Maschine <strong>um</strong> den<br />
Glutbohrer handelte. Dieses Gerät also sollte bald auf <strong>der</strong><br />
gondrischen Hochebene den Tulkman-Graben in einen<br />
Fluß aus flüssigem Gestein verwandeln. Der Warlord sah<br />
mich an und deutete auf den Glutbohrer.<br />
„Dies, Mah´di Khan, ist <strong>der</strong> Finger Gottes. Er wurde<br />
geschaffen, <strong>um</strong> die Gläubigen von Gaia Assiah zu<br />
unterweisen. Wenn er nie<strong>der</strong>geht, schweigen die Wäl<strong>der</strong><br />
Mandraks und <strong>der</strong> Taifunkrieg beginnt. Ihr seid <strong>der</strong><br />
Bringer.“<br />
Chahani stand neben mir mit offenem Mund und war zu<br />
keiner Äußerung fähig. Sie glaubte sich in einem Tra<strong>um</strong>,<br />
niemals hätte sie es für möglich gehalten, dass so etwas,<br />
das sie hier sah, existieren könnte. Mit dieser Technologie<br />
hätten die Mandraken je<strong>der</strong>zeit riesige Gebiete Gaias<br />
erobern können, sie hätten Völker in die Knie zwingen<br />
und sich <strong>der</strong>en Reiche aneignen können. Aber sie hatten<br />
es nie getan. Aber eine Frage brannte dann doch noch auf<br />
ihren Lippen...<br />
„Was geschieht, wenn diese Schlacht gewonnen ist?“<br />
fragte sie in den Ra<strong>um</strong> und blickte weiter auf das<br />
Flaggschiff.<br />
Xul Eisenbeisser grinste. Er hatte die Frage erwartet.<br />
„My Lady. Wenn <strong>der</strong> Krieg gewonnen wurde, ist es nicht<br />
mehr nötig, gegen den Codex zu verstoßen. Für diesen<br />
Fall ist gesorgt, seid Euch dessen sicher. Diese Flotte<br />
wurde nur für eine einzige Schlacht konzipiert und<br />
gebaut. Wenn <strong>der</strong> Taifun-Krieg vorüber ist, werden auch<br />
die letzten Maschinen von diesem Planeten<br />
verschwunden sein. Alle Baupläne, jede technische<br />
Aufzeichnung ist in die Brennkammer des Glutbohrers<br />
eingelegt worden. Es gibt keine Kopien, und die<br />
Techniker, die all dies hier erbauten, werden in<br />
vor<strong>der</strong>ster Reihe für unsere Sache fallen. Es war diesen<br />
Mandraken eine Ehre, ihr Leben in den Dienst <strong>der</strong><br />
heiligen Sache zu stellen. Beantwortet das auch eure<br />
ungestellten Fragen?“<br />
Chahani nickte wortlos und blickte zu Boden. Sie war<br />
beschämt, dass sie, ohne es auszusprechen, den Warlord<br />
beleidigt hatte. Dieser jedoch lächelte mild, eine Mimik,<br />
die man diesem monströsen Krieger gar nicht zutrauen<br />
würde. Er wandte sich wie<strong>der</strong> mir zu und lud mich ein,<br />
den Holk zu betreten.<br />
„Kommt an Bord, Khan. Dies ist Euer Flaggschiff, es soll<br />
Eure Armee z<strong>um</strong> Sieg führen.“<br />
Wir betraten das Schiff durch eine <strong>der</strong> hinteren<br />
Ladeluken und durchwan<strong>der</strong>ten ein Gewirr von Gängen,<br />
die uns quer durch das gewaltige Schiff zur<br />
Kommandozentrale führten. Die Kommandobrücke des<br />
Holks lag im vor<strong>der</strong>en mittleren Teil des Luftschiffes auf<br />
zweidrittel Höhe des Deckshauses. Große Scheiben<br />
gewährten einen fast vollständigen Rund<strong>um</strong>blick, an den<br />
Seiten gab es offene Nockausleger, die über die<br />
Schiffsbreite hinausgingen. Der Ra<strong>um</strong> war sehr groß und<br />
seine Einrichtung war für uns Festweltler völlig fremd. In<br />
<strong>der</strong> Mitte des Ra<strong>um</strong>es gab es eine große senkrechte<br />
Scheibe, auf <strong>der</strong> Punkte und Linien leuchteten und<br />
blinkten. Ich erkannte in den Linien die Topographie<br />
unseres Einsatzgebietes. An <strong>der</strong> Karte waren einige<br />
Offiziere damit beschäftigt, die Absetzorte für die<br />
Sturmtruppen zu markieren. Als wir den Ra<strong>um</strong> betraten,<br />
salutierte ein Offizier nie<strong>der</strong>en Ranges, <strong>der</strong> uns am<br />
nächsten stand und rief: „Aaaachtung! Warlord und<br />
Imperator auf Brücke!“<br />
Sofort stellten alle Anwesenden ihre Tätigkeiten ein und<br />
salutierten. Nachdem Xul und ich ebenfalls salutiert<br />
hatten, setzte die Brückenmannschaft ihre Tätigkeiten<br />
fort, <strong>der</strong> erste Offizier trat an uns heran, er salutierte noch<br />
einmal vor mir.<br />
„Imperator. Ich bin Marshall H´Atakh, erster Offizier an<br />
Bord, zu Ihren Diensten. Holk Nexhagus ist in vier<br />
Glasen bereit z<strong>um</strong> Auslaufen. Mannschaft und Ladung<br />
vollständig. Alle Systeme einsatzbereit. Wir erwarten<br />
Ihre Befehle. Erlauben Sie mir, die Brückenmannschaft<br />
vorzustellen.“<br />
Ohne eine Antwort abzuwarten begann er, die<br />
anwesenden Offiziere in Rang, Namen und Funktion<br />
vorzustellen. Ich prägte mir die Daten ein. Als er geendet<br />
hatte entließ ich ihn<br />
„Danke, Marshall H´Atakh. Weitermachen.“<br />
Der Offizier salutierte und begab sich zurück an seinen<br />
Platz neben dem etwas erhöhten Kommandeurssitz. Er<br />
bellte eine Reihe von Befehlen in die Gruppe von<br />
Offizieren, die mit den mir völlig fremden Instr<strong>um</strong>enten<br />
beschäftigt waren.<br />
Seite 42
Tja, Imperator,“ meinte Xul gelassen, „dies wird nun die<br />
Stätte Eures Wirkens sein. Ich werde mich nun in den<br />
Tempel zurückziehen und für Euren Sieg beten. Wenn die<br />
Flotte bereit ist, lauft Ihr aus und zieht gegen den Feind.<br />
Bis dahin machen Eure Offiziere Euch noch mit den<br />
wichtigsten Dingen, die Technik betreffend, vertraut.“<br />
Er legte seine riesigen Pranken auf meine Schultern und<br />
sah mich fest an.<br />
„Das Schicksal <strong>der</strong> Welt liegt nun in Euren Händen, Mah<br />
´di Khan, Schwertmeister Segurias und Imperatzor <strong>der</strong><br />
mandrakischen Armee. Trefft Eure Entscheidungen mit<br />
Mut und Verstand. Möge Euch <strong>der</strong> große Geist des<br />
Waldes den Willen geben, die Dinge zu än<strong>der</strong>n, die Ihr<br />
än<strong>der</strong>n könnt, die Gelassenheit, die Dinge zu ertragen,<br />
die Ihr nicht än<strong>der</strong>n könnt, und die Weisheit, das Eine<br />
vom An<strong>der</strong>en zu scheiden. Möge das Kriegsglück auf<br />
Eurer Seite sein. Fhtagn!“<br />
Er salutierte ein letztes Mal und wandte sich <strong>um</strong>. Raschen<br />
Schrittes verließ er die Brücke des Flaggschiffes, und<br />
einige Momente später sah ich ihn mit seinen Beratern<br />
den Hangar verlassen.<br />
Ich nahm mir die Zeit, die Brücke gründlich zu<br />
inspizieren. Es gab große Tische mit vielen bunten<br />
Knöpfen, die ab und an blinkten, einige Offiziere saßen<br />
vor kleinen Fenstern, auf denen Schriften, Bil<strong>der</strong> und<br />
Zahlen in verschiedenen Farben angezeigt wurden, und<br />
die Offiziere drückten kleine Knöpfe, auf denen<br />
Buchstaben abgebildet waren. Marshall H´Atakh<br />
erklärten mir, dass es sich dabei <strong>um</strong> Schreibautomaten<br />
handelte, mittels <strong>der</strong>er die Steuerbefehle in<br />
Maschinensprache übersetzt und an die<br />
Antriebsaggregate übermittelt wurden. An<strong>der</strong>e<br />
Schreibautomaten zeigten Karten, auf denen man die<br />
Bewegungen <strong>der</strong> feindlichen Truppen aus weiter<br />
Entfernung bereits erkennen konnte, wie mir <strong>der</strong><br />
Marshall erklärte. An <strong>der</strong> linken Seite des Ra<strong>um</strong>es gab es<br />
eine Phalanx, die <strong>der</strong> Kontrolle <strong>der</strong> Bordwaffen diente,<br />
damit konnten die Geschütze exakt ausgerichtet werden,<br />
<strong>um</strong> die Waffeneffizienz möglichst hoch zu fahren. An <strong>der</strong><br />
rechten Seite des Ra<strong>um</strong>es gab es eine weitere Anordnung<br />
von „screens“ und „tables“. Dort saßen vier Offiziere, die<br />
mit den vielen bunten Knöpfen, Reglern und Bildtafeln<br />
den Glutbohrer kontrollierten. Ich erfuhr, dass die Waffe<br />
während des Transportes gekühlt wurde, und nach dem<br />
Abwurf, wenn sich <strong>der</strong> Bohrer in die Erde gefressen hatte,<br />
durch ein elektrisches Signal gezündet wurde. Diese<br />
Signale wurden durch an<strong>der</strong>e Maschinen erzeugt, die den<br />
Geheimcode zur Aktivierung <strong>der</strong> Waffe durch den Äther<br />
übertrugen. Ich fragte nicht jedes Detail nach, nur so viel,<br />
dass ich mir ein Bild von den Abläufen machen konnte.<br />
Die Fremdartigkeit <strong>der</strong> technischen Einrichtungen hier an<br />
Bord des Holk führte mir deutlich vor Augen, woran die<br />
Zivilisationen <strong>der</strong> ersten Hochzeit zerbrochen waren. Alle<br />
Arbeit wurde von Maschinen verrichtet, es gab damals<br />
Waffen, die in <strong>der</strong> Lage gewesen waren, ganze Kontinente<br />
in <strong>der</strong> Erdkruste zu versenken. Unser Glutbohrer, wurde<br />
mir versichert, sei ein sehr kleines Exemplar, man hatte<br />
in den Katakomben <strong>der</strong> Überreste von Ultar Pläne für<br />
wesentlich gewaltigere Apparate gefunden. Ich<br />
schau<strong>der</strong>te. Niemals wie<strong>der</strong> sollte es eine solche Welt<br />
geben, und ich hoffte inständig, dass es uns gelang, nach<br />
<strong>der</strong> Schlacht wirklich alle Reste dieser destruktiven Kultur<br />
zu beseitigen. Ich befand mich im Zweispalt. Einerseits<br />
verdammte ich diese zerstörerischen Waffen, an<strong>der</strong>erseits<br />
brauchte ich den Glutbohrer, <strong>um</strong> diese Schlacht gewinnen<br />
zu können. Es war eine vertrackte Situation, in <strong>der</strong> ich<br />
mich befand. Selbst wenn wir nach dem Krieg alle Pläne<br />
vernichtet hatten, wer konnte sagen, ob nicht doch in<br />
irgendeinem Winkel <strong>der</strong> schwebenden Inseln weitere<br />
verborgene Höhlen existierten, die irgendwer eines Tages<br />
entdeckte und dort weitere Technologien z<strong>um</strong> Vorschein<br />
bringen würde?<br />
Ich wischte den Zweifel fort. Die augenblickliche Situation<br />
erfor<strong>der</strong>te nun mal den Einsatz <strong>der</strong> mächtigen Waffe aus<br />
<strong>der</strong> Vergangenheit. Wir mussten diesen Krieg gewinnen,<br />
<strong>um</strong> jeden Preis. Was danach kam, nun, dafür waren die<br />
folgenden Generationen verantwortlich.<br />
Ich wandte mich an den ersten Offizier.<br />
„Marshall H´Atakh, was werden Sie tun, wenn <strong>der</strong> Krieg<br />
vorbei ist?“<br />
Er drehte sich langsam zu mir <strong>um</strong>, und ich sah in ein<br />
völlig ungerührtes Mandrakengesicht.<br />
„Nun, mein Imperator, für mich gibt es nichts nach<br />
diesem Krieg. Alle Männer in den Kommandosektionen<br />
<strong>der</strong> Holks sind ein Leben lang auf die vor uns liegende<br />
Aufgabe vorbereitet worden. Je<strong>der</strong> meiner Offiziere<br />
besitzt großes technisches Wissen, das gegen die Regeln<br />
des Codex verstößt. Wenn die Schlacht erfolgreich<br />
bestritten wurde, haben wir die Pflicht, die Holks zu<br />
zerstören und unser Leben zu beenden. Das, was wir tun,<br />
ist <strong>der</strong> letzte Dienst unserer Brigade an dem Volk von<br />
Mandrak. Die Technologie muss nach dem Einsatz<br />
vernichtet werden, <strong>um</strong> dem Codex Genüge zu tun. Und<br />
das Wissen <strong>um</strong> die Maschinen muss ebenfalls<br />
ausgelöscht werden. Die Mannschaften, welche die<br />
Holks gebaut haben, sterben in diesem Augenblick als<br />
Helden vor den Augen des Warlords im großen Tempel.<br />
Es ist ein großes fest des Todes, und ihre Namen und die<br />
ihrer Ahnen werden niemals aus den Annalen Mandraks<br />
verschwinden. Noch in Generationen wird man Lie<strong>der</strong><br />
über sie singen.“<br />
Ich sah ihn ein wenig verständnislos an.<br />
„Das, mein Imperator, ist <strong>der</strong> Lauf <strong>der</strong> Dinge. Es ist<br />
unsere Bestimmung. Wir alle wurden geboren, <strong>um</strong> zu<br />
sterben, auf die eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Weise. Wir sterben als<br />
Helden <strong>der</strong> großen Schlacht <strong>um</strong> <strong>Gonda</strong>. Es ist ein gutes<br />
Schicksal.“<br />
Ich nickte. Letztenendes hatte er Recht. Das Wissen <strong>um</strong><br />
diese Waffen musste verschwinden, so o<strong>der</strong> so. Chahani,<br />
die in <strong>der</strong> ganzen Zeit an Bord nicht ein Wort gesprochen<br />
hatte, sah ziemlich verstört aus. Das war kein Wun<strong>der</strong>,<br />
immerhin befand sie sich an Bord eines<br />
Himmelfahrtskommandos.<br />
Wir verbrachten noch einige Glasen damit, strategische<br />
Erwägungen durchzuspielen, uns mit <strong>der</strong><br />
Kommandstruktur vertraut zu machen und wie<strong>der</strong> und<br />
wie<strong>der</strong> unsere Schlachtpläne durchzugehen. Einer <strong>der</strong><br />
Adjudanten wies uns zu später Stunde eine Kabine, in <strong>der</strong><br />
wir einige Glasen ruhten. Als wir erwachten, küßte<br />
Chahani mich innig. Wir liebten uns, als sei es das Letzte<br />
Mal. War es möglicherweise ja auch. Ich liebte es,<br />
langsam und zärtlich, doch for<strong>der</strong>nd in sie einzudringen,<br />
wenn sie mir ihr Becken gierig entgegenschob. Die Form<br />
ihres Hinterteils brachte mich jedesmal wie<strong>der</strong> <strong>um</strong> den<br />
Verstand. Ich dankte den Göttern, dass sie ein solches<br />
Weib erschaffen hatten. Wie<strong>der</strong> und wie<strong>der</strong> schob ich<br />
Seite 43
mein Fleisch in das ihre, brachte sie durch Meine Stöße<br />
z<strong>um</strong> Weinen. Die Intensität unserer Verbindung war<br />
unglaublich, es war, als wären wir ein Körper, <strong>der</strong> sich<br />
selbst liebte. Als wir völlig erschöpft und verschwitzt im<br />
Rausch <strong>der</strong> abklingenden Ekstase nebeneinan<strong>der</strong> lagen,<br />
die Körper noch zitternd von unserem innigen Liebesakt,<br />
meinte sie plötzlich:<br />
„Was denkst Du, Fela? Wird unser Kind eine Zukunft<br />
haben?“<br />
Ja, meine Geliebte. Es wird eine Zukunft geben. Ich habe<br />
sie gesehen. Unser Kind wird in einer Gesellschaft<br />
aufwachsen, in <strong>der</strong> es keine Unterdrückung gibt.<br />
Babalonuda, unsere Herrin <strong>der</strong> Sterne, soll die<br />
Gedanken <strong>der</strong> Menschen regieren, die Liebe unter Willen<br />
wird z<strong>um</strong> Gesetz werden. Respekt, Anerkennung und <strong>der</strong><br />
freie Wille sollen z<strong>um</strong> höchsten Gut <strong>der</strong> Menschheit<br />
werden. Unser Kind wird ein tanzen<strong>der</strong> Stern werden,<br />
geboren aus dem Chaos, aufgewachsen im Aufbruch.<br />
Unsere Welt wird sich verän<strong>der</strong>n. In <strong>der</strong> neuen Welt<br />
wird es Krieger wie mich nicht brauchen. Der Mensch<br />
steht an <strong>der</strong> Schwelle zur Überwindung aller<br />
menschlichen Fehler. Unsere Schlacht wird <strong>der</strong> letzte<br />
große Krieg auf diesem Planeten sein, davon bin ich<br />
überzeugt. Das Goldene Zeitalter naht, und das kleine<br />
Kind im blauen Ei steht an <strong>der</strong> Schwelle, die Kin<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Menschen zu begrüßen. Das Leben wird ein Spiel<br />
werden, ein leichter Tanz von Sternen unter Sternen.“<br />
„Ach, wenn es doch nur schon soweit wäre...“ sinnierte<br />
sie seufzend. Ich strich ihr liebevoll über das Haar und<br />
küsste ihre Stirn. Mein Herz wurde schwer. Ich strich<br />
sanft über ihren Bauch.<br />
„Chahani, meine Geliebte. Jetzt ist <strong>der</strong> Moment<br />
gekommen, <strong>der</strong> mich am meisten trübt. Du wirst mich<br />
jetzt verlassen müssen. Ich möchte, dass Du den<br />
Ausgang <strong>der</strong> Schlacht an einem sicheren Ort erwartest.<br />
Man wird veranlassen, dass Du <strong>um</strong>gehend in den<br />
Tempel von Mandra-Ghora gebracht wirst. Dort seid ihr<br />
beide sicher.“<br />
Sie fuhr ruckartig hoch und starrte mich zornig an.<br />
„Nein! Ich bin Deine Frau. Ich werde an Deiner Seite<br />
kämpfen und siegen o<strong>der</strong> untergehen! Du kannst nicht<br />
von mir erwarten, dass ich Dich in diesem wichtigen<br />
Moment verlasse! Das kann nicht Dein Ernst sein, Fela!“<br />
„Chahani, mein über alles geliebtes Weib. Es muß sein.<br />
Du trägst den Fortbestand des Hauses Noirez in Dir.<br />
Egal, wie dieser Krieg ausgeht, Du mußt dafür Sorge<br />
tragen, dass unser Kind behütet aufwachsen kann und<br />
dass es die Tugenden <strong>der</strong> großen Göttin erlernt.<br />
Versprich es mir!<br />
Sie sah mich aus großen Augen an, Tränen lösten sich und<br />
liefen über ihre Wangen. Aber sie sah ein, dass dieser<br />
Schritt nötig war. Sie fügte sich ihrem Schicksal, wenn<br />
auch wi<strong>der</strong>willig. Nachdem sie noch einige Zeit in meinen<br />
Armen gelegen hatte, standen wir auf und kleideten uns<br />
an. Ich legte die Uniform des Khan an, die repariert und<br />
bereitgelegt worden war. Sie passte perfekt. Als wir aus<br />
<strong>der</strong> Kabine traten, erwartete uns ein Adjudant. Ich<br />
instruierte ihn.<br />
„Sorgt dafür, dass Lady Chahani schnellstmöglich z<strong>um</strong><br />
Tempel gebracht wird.<br />
„Imperator, ich verbürge mich mit meinem Leben für<br />
Lady Chahani. Ich werde sie persönlich schützen und<br />
geleiten.“<br />
„Gut, so sei es.“<br />
Ich drehte mich zu Chahani <strong>um</strong>, küsste sie noch einmal<br />
innig und wandte mich ohne ein weiteres Wort ab. Ich<br />
ging forschen Schrittes zur Brücke hinauf, mein Herz war<br />
von Trauer schwer, doch auch erleichtert, dass Chahani<br />
und das Kind nun in Sicherheit waren. Ich rezitierte<br />
innerlich ein Mantram, <strong>um</strong> die Gefühle beiseite zu stellen.<br />
Was nun kam, bedurfte meiner vollen Aufmerksamkeit.<br />
Als ich auf <strong>der</strong> Brücke ankam, sah ich, wie zwei kleine,<br />
schnelle Ghenas mit verm<strong>um</strong>mten Gestalten darauf in<br />
Richtung eines kleinen Tores in <strong>der</strong> Seitenwand des<br />
Hangars trabten, wobei sie schon ihre Flügel lüfteten. Das<br />
schienen mir in <strong>der</strong> Tat sehr schnelle Flugkäfer zu sein,<br />
Chahani würde rechtzeitig in Sicherheit sein. Ich<br />
kümmerte mich nun <strong>um</strong> die Geschäfte des Krieges.<br />
Marshall H´Atakh informierte mich, dass für den<br />
Sturmangriff ein beson<strong>der</strong>er <strong>Kampf</strong>trak für mich<br />
bereitgestellt war. Das Tier wartete im La<strong>der</strong>a<strong>um</strong> des<br />
Holks. Ich machte mich sofort auf den Weg nach unten,<br />
<strong>um</strong> das Tier kennenzulernen. Man hatte mir versichert,<br />
dass <strong>der</strong> Käfer hoch ausgebildet war und alle<br />
<strong>Kampf</strong>kommandos explizit beherrschte. Als ich im<br />
La<strong>der</strong>a<strong>um</strong> ankam, sah ich dort einen Trak, <strong>der</strong> einem<br />
Ghena zwar ähnelte, aber dennoch völlig an<strong>der</strong>s war. Für<br />
einen Trak war das Tier riesig, doppelt so groß wie<br />
normal. Es hatte zwar auch die typischen Trak-<br />
Kieferzangen, aber darüber hinaus noch zahlreiche spitze<br />
Hornfortsätze auf dem Schädel, die in eisernen Spitzen<br />
endeten. Außerdem besaß es noch eine Hornpanzerung<br />
im Nacken, die wie ein Schild vor dem Sattel lag. Der Leib<br />
des Tieres war länglich, und an den Seiten hatte er<br />
messerscharfe Zacken, die in drei Reihen <strong>um</strong> den<br />
gesamten Rückenpanzer liefen. Der Trak war schwarz,<br />
weiß und rot in den segurianischen Reichsfarben<br />
pigmentiert, und er trug ein Stirnschild, das dem Siegel<br />
des Khan nachempfunden war. Es war ein rund<strong>um</strong><br />
prachtvolles, starkes Tier, eines Heerführers absolut<br />
würdig. Als ich mich dem Käfer näherte, kollerte er in<br />
einem tiefen Basston, <strong>der</strong> durch Mark und ein ging. Über<br />
seine Fühler nahm er meine Witterung auf. Seine<br />
schwarzen Augen musterten mich, und er erkannte mich<br />
als seinen Herrn, offensichtlich hatte man ihm meine<br />
abgelegte Kleidung z<strong>um</strong> Wittern gegeben. Er beugte seine<br />
Beine, <strong>um</strong> mich aufsitzen zu lassen. Ich schwang mich in<br />
den Sattel hinter dem Nackenschild und nahm die Zügel<br />
auf. Der mächtige Käfer erhob sich und ließ ein<br />
infernalisches Gebrüll ertönen. Was für ein Reittier! Ich<br />
schnalzte das Zeichen z<strong>um</strong> Ablegen, und <strong>der</strong> Trak legte<br />
sich nie<strong>der</strong>. Dann stieg ich ab und klopfte ihm sanft auf<br />
die linke Kieferzange.<br />
„Bald, bald mein Großer, kannst Du zeigen, was in Dir<br />
steckt...“<br />
Ich machte mich auf den Weg zurück zur Brücke, wo<br />
fleißig und <strong>um</strong>triebig gearbeitet wurde. Der Glutbohrer<br />
war verstaut, und überall in den Hangaren <strong>der</strong><br />
Mandraken bestiegen die letzten Brigaden die<br />
Transportholks. Nun sollte es bald losgehen, wir waren<br />
z<strong>um</strong> <strong>Kampf</strong> bereit. Von überall kamen<br />
Vollzugsmeldungen herein, die Armee war aufgestellt und<br />
<strong>der</strong> Abmarsch stand unmittelbar bevor. Einige Glasen<br />
später wurde es hektisch an Bord.<br />
Seite 44
Kapitel 10: Operation Golachab<br />
Über die Nachrichteneinrichtungen kamen Meldungen<br />
herein, dass <strong>der</strong> Krieg <strong>um</strong> <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> in vollem Gange<br />
war. Aus <strong>der</strong> Stadt wurden schwere Explosionen<br />
gemeldet, die Mauer <strong>um</strong> Jahw Salam war gefallen, und<br />
die Rebellen stürmten auf den Palast des Kaisers. Die<br />
Feldschlachten im Norden und Süden hatte begonnen,<br />
und Ninurtas Armen waren auf dem Vormarsch. Seine<br />
Artillerie und die <strong>Kampf</strong>taranteln sollten dort ein<br />
Exempel statuieren. Sie hatten den Tulkman-Graben<br />
bereits erreicht und durchquerten ihn in breiter Front.<br />
Ich begab mich z<strong>um</strong> Kommandeurssitz, und die Offiziere<br />
bereiteten den Holk auf das Auslaufen vor. Die<br />
Triebwerke wurden hochgefahren, Gasgemisch in die<br />
Brennkammern geleitet und von außen wurden die<br />
Verbindungsleitungen gekappt. Von allen Luftschiffen <strong>der</strong><br />
Flotte kam die Meldung: Grün bei allen Systemen. Der<br />
erste Offizier sah mich an, und ich gab den Startbefehl.<br />
„Marshall H´Atakh, setzen Sie die Flotte in Marsch. Wir<br />
laufen aus.“<br />
„Jawohl, Imperator, Zu Befehl.“<br />
Der erste Offizier drehte sich <strong>um</strong>, ging nach vorn und<br />
baute sich hinter den Navigatoren auf. Er hatte ein<br />
kleines Gerät am Kragen seiner Uniform, in das er<br />
sprechen konnte, und seine Worte wurden an bestimmte<br />
Positionen weitergeleitet. Damit ließ sich die Bewegung<br />
jedes einzelnen Holks von <strong>der</strong> Brücke des Nexhagus aus<br />
koordinieren. Die Mandraken nannten diese Technologie<br />
Sprechfunk.<br />
„1-O an Leitstand 1. Hangartore öffnen. Klar z<strong>um</strong><br />
Auslaufen.“<br />
Aus einem kleinen Kasten an <strong>der</strong> Decke kam eine quäkige<br />
Stimme<br />
„Leitstand Hangar 13 bestätigt. Öffnen Hangartore 1-4.“<br />
Nacheinan<strong>der</strong> bestätigten auch alle an<strong>der</strong>en Hangare den<br />
Befehl.<br />
Ein laut surrendes, rollendes Beben brachte die Halle z<strong>um</strong><br />
Zittern. Überall blinkten rote und gelbe Lampen<br />
abwechselnd auf. Die gewaltigen Tore, die von außen<br />
aussahen wie Felsgestein, wurden langsam abgesenkt,<br />
und Tageslicht flutete die riesige Halle. Die ersten <strong>der</strong> in<br />
Hangar 13 stationierten Holks fuhren ihre Antriebe hoch<br />
und hoben vom Boden ab. Ein tiefes, dröhnendes<br />
W<strong>um</strong>mern erfüllte die Halle, als die Luftschiffe langsam<br />
in Richtung <strong>der</strong> offenen Tore drehten. Dasselbe passierte<br />
jetzt auch in 19 an<strong>der</strong>en Hagaren, die auf verschiedene<br />
Inseln verteilt waren. Der Nexhagus würde zuletzt<br />
starten, da er in <strong>der</strong> Spezialbucht in einer Seitenkammer<br />
des Hangars lag. Als <strong>der</strong> erste Holk langsam seinen Bug<br />
aus dem Hangartor schob, gab <strong>der</strong> 1-O an Bord des<br />
Nexhagus die Startkommandos.<br />
„Maschine: Vorbrenner zünden. Ein Drittel auf zwei<br />
Kammern voraus. Hauptkammern vorheizen und fluten,<br />
klarmachen zur Zündung. Navigator: Andockklammern<br />
lösen. Bringen Sie uns langsam raus.“<br />
Die Stationen bestätigten, und kurz darauf hob <strong>der</strong><br />
Nexhagus vom Boden ab. Ab Bord war davon nichts zu<br />
spüren, die Trägheitsdämpfer fingen jede Vibration und<br />
alle Fliehkräfte ab. Als letzte verließen wir mit dem<br />
Kommandoschiff nun den Hangar und glitten in den<br />
Himmel, <strong>der</strong> uns empfing, wie die große See.<br />
„Navigator: Ru<strong>der</strong> 290, Kurs Rendevouz 0-70-0.<br />
Hauptkammer zünden, Alle Triebwerke ein Drittel<br />
voraus.“<br />
Der Holk drehte nach links zur Seite weg und nahm Fahrt<br />
auf. Der spitze Bug schnitt sich durch die tiefhängenden<br />
Wolken, die in Fetzen an den Fenstern vorbeiflogen. Wir<br />
wurden von zwei Holks eskortiert, welche die F´Dayk´n<br />
an Bord hatten, alle an<strong>der</strong>en Holks waren bereits am<br />
Sammelpunkt angekommen o<strong>der</strong> unterwegs dorthin.<br />
Als wir am Sammelpunkt ankamen, bot sich mir ein<br />
beeindruckendes Bild. Sechshun<strong>der</strong>t Holks verschiedener<br />
Bauart waren dort versammelt, sie bildeten ein gewaltiges<br />
Rechteck, dessen Fläche größer war, als manch ein<br />
Fürstent<strong>um</strong> auf dem Festland. Die Luftschiffe lagen in<br />
einer Anordnung von 20 x 30 Holks. Ich hatte noch in<br />
meinem Leben eine solche Armada gesehen. Und es<br />
würde eine solche Flotte auch nie wie<strong>der</strong> geben auf<br />
unserem Planeten. Der Nexhagus und seine Begleitschiffe<br />
legten sich vor die Flotte, und an Bord aller Einheiten<br />
wurden die letzten Überprüfungen <strong>der</strong> Systeme<br />
vorgenommen. Auf meine Bitte reichte <strong>der</strong> 1-O mir ein<br />
Funksprechgerät und schaltete es so, dass meine Worte in<br />
jedem Ra<strong>um</strong> auf jedem Holk zu hören waren. Ich richtete<br />
meine Worte an alle, die diesen Feldzug begleiteten.<br />
„Krieger von Mandrak! Hier spricht <strong>der</strong> Imperator.<br />
Heute ist ein denkwürdiger Tag für alle Völker von Gaia<br />
Assiah va Gandri! Wir alle sind angetreten, unseren<br />
Planeten von einer existenziellen Bedrohung zu befreien,<br />
und die mandrakische Nation hat sich entschlossen, dazu<br />
einen großen Teil beizutragen. Die Entscheidung des<br />
Warlords Xul Eisenbeisser, seine Streitkräfte in die<br />
Allianz gegen Ninurta einzubringen, ist ein bedeuten<strong>der</strong><br />
Schritt für die Völkerverständigung, und ich bin geehrt,<br />
Euch in diese Schlacht führen zu dürfen. Der große<br />
Taifunkrieg, von dem die Orakel kündeten, ist nun<br />
gekommen. Unser <strong>Kampf</strong> wird sehr hart werden, viele<br />
von Euch werden nicht aus <strong>der</strong> Schlacht zurückkehren.<br />
Doch, seid gewiss, Ihr Krieger von Mandrak, euer Opfer<br />
wird nicht <strong>um</strong>sonst gewesen sein. Die kommenden<br />
Generationen werden in ihren Lie<strong>der</strong>n und Geschichten<br />
von <strong>der</strong> tapferen mandrakischen Armee künden, die<br />
unseren Planeten vor <strong>der</strong> Tyrannei des Ninurta gerettet<br />
hat. Nun lasst uns aufbrechen, unser Handwerk zu<br />
verrichten. Einmal noch stürmt, Kameraden! Einmal<br />
noch, meine Waffenbrü<strong>der</strong>, einmal noch ertränkt unsere<br />
Feinde in ihrem eigenen Blute! FHTAGN!“<br />
Ein Moment <strong>der</strong> Stille verstrich, und dann brandete<br />
frenetischer Jubel und Kriegsgeschrei aus einer Million<br />
kehlen durch die stählernen Rümpfe <strong>der</strong> Holks, so laut,<br />
dass man meinen konnte, es wäre bis <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> zu<br />
hören, <strong>um</strong> den Kaiser das Fürchten zu lehren.<br />
Doch <strong>der</strong> wusste von alledem nichts. Selbstgefällig und<br />
fettgefressen saß dieser in seinem Sessel in <strong>der</strong><br />
Einsatzzentrale <strong>der</strong> gondrischen Streitkräfte in einem<br />
Bunker tief unter den Mauern von Jahw Salam und<br />
amüsierte sich über die Versuche <strong>der</strong> Rebellen, seiner<br />
habhaft zu werden. Die Palastgarde kämpfte gegen die<br />
Rebellen, das B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong> sprengte Löcher in die Mauern,<br />
aber den Bunker erreichte <strong>der</strong> <strong>Kampf</strong> nicht. Ninurtas<br />
Generäle waren durch den Einsatz des B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong><br />
überrascht worden. Es gab Gerüchte, dass die Segurianer<br />
einen Sprengstoff besaßen. Diese wurden nun zur<br />
Seite 45
Gewißheit. Ninurta war außer sich. Er beor<strong>der</strong>te einen<br />
Teil seiner Streitkräfte in Richtung Seguria, <strong>um</strong> dort ein<br />
Exempel zu statuieren. Er ließ ein Kontingent von etwa<br />
150.000 Mann abdrehen und auf Seguria marschieren.<br />
Was <strong>der</strong> Kaiser nicht wußte, war, dass dort bereits<br />
200.000 segurianische Krieger in Waffen standen und<br />
seinem Heer entgegen kamen. Im Süden rückten<br />
Ninurtas schwere Einheiten vor und verwüsteten das<br />
Land. Die Artillerie und die großen <strong>Kampf</strong>spinnen ließen<br />
nicht einen Stein auf dem an<strong>der</strong>en. Die Bevölkerung <strong>der</strong><br />
südlichen Gefilde musste große Opfer bringen, es gab dort<br />
hun<strong>der</strong>tausende von Toten zu beklagen, denn Ninurtas<br />
Legionen machten keinen Unterschied zwischen Soldaten<br />
und Zivilisten. Sie töteten alles, was sich bewegte.<br />
Auf <strong>der</strong> Brücke des Nexhagus wurden nun die<br />
Vorbereitungen für den Anflug auf die gondrische<br />
Hochebene getroffen. Der 1-O bellte seine Befehle durch<br />
den Sprechfunk in die Sektionen.<br />
„Maschine: Actron-Generatoren anfahren, auf volle<br />
Leistung gehen. Aargon einleiten und alle<br />
Brennkammern befeuern, vorbereiten für<br />
Hochgeschwindigkeitsflug. Vibrationskompensatoren<br />
aktivieren, Stabilisatoren kalibrieren und fließend<br />
beischalten. Navigator: Kurs 0-42-0, auf<br />
Hochgeschwindigkeit gehen bei 3000 Faden.<br />
Formationsvektoren beachten. Schildwache: Aktivieren<br />
<strong>der</strong> DOR-Schilde vorbereiten. Feuerleitstand: Alle<br />
Bordwaffen aktivieren, ständige Systemchecks. An alle<br />
Stationen: Schiff klar z<strong>um</strong> Gefecht.“<br />
Da es auf den an<strong>der</strong>en Holks zur selben Zeit ähnlich<br />
zuging, kam nun Bewegung in die Formation. Die<br />
gesamte mächtige Flotte <strong>der</strong> Mandraken bewegte sich<br />
vorwärts, und die Geschwindigkeit nahm rasant zu. Die<br />
große Wolkenbank, in <strong>der</strong> wir lagen, wurde förmlich<br />
zerfetzt, und unsere Luftschiffe stießen in breiter Front<br />
aus ihr heraus. So schnell, wie die Schiffe flogen, konnten<br />
es nur wenige Glasen sein, bis wir unseren Einsatzort<br />
erreichen würden. Gedeckt durch das Nyarla-Massiv<br />
würden wir uns unentdeckt <strong>der</strong> <strong>Kampf</strong>zone nähern<br />
können. Die Holks sollten im Absetzgebiet in<br />
Fünfzigerstaffeln landen, <strong>um</strong> die Sturmtruppen auf das<br />
Schlachtfeld zu entlassen, während die restlichen Holks<br />
jeweils Angriffswellen fliegen bzw. das Landemanöver<br />
decken sollten. Der Nexhagus würde mit den<br />
Begleitschiffen über das Absetzgebiet hinausschießen, <strong>um</strong><br />
den schweren Einheiten des Kaisers am Tulkman-Graben<br />
den Rückmarsch z<strong>um</strong> Schlachtfeld durch den Einsatz des<br />
Glutbohrers zu verbauen.<br />
Der Marshall trat z<strong>um</strong> mir heran und brachte<br />
beunruhigende Nachrichten.<br />
„Imperator, es sieht so aus, als habe <strong>der</strong> Kaiser seine<br />
Taktik geän<strong>der</strong>t. Unsere Nachrichtengeber berichten,<br />
dass 10 Legionen <strong>der</strong> sechsten Armee den Tulkman-<br />
Graben erreicht haben und nach Norden ziehen.<br />
Möglicherweise sollen die Einheiten eine<br />
Zangenbewegung ausführen und zur Verstärkung des<br />
Kontingents an <strong>der</strong> segurianischen Grenze<br />
herangezogen werden.“<br />
„Schwere Einheiten?“<br />
„Jawohl, Imperator. Einun<strong>der</strong>tzwanzig Divisionen in<br />
voller Bewaffnung. 678 <strong>Kampf</strong>taranteln, über 2.000<br />
Donnergh<strong>um</strong>pas, 2.500 Traks, unzählige Onker-<br />
Schleu<strong>der</strong>n, Pechwerfer, Wehrtürme, viele Soldaten.“<br />
„Die an<strong>der</strong>en Armeen?“<br />
„Marschieren weiter gen Süden.“<br />
„Wann könnten sie im <strong>Kampf</strong>gebiet sein?“<br />
„Frühestens in drei Tageszyklen.“<br />
„Gut. Dann müssen wir unseren Plan än<strong>der</strong>n.<br />
Stabsoffiziere zur Besprechung.“<br />
Ich erhob mich und trat vor die große gläserne Karte, auf<br />
<strong>der</strong> bunte Lichter die Positionen des Feindes markierten.<br />
Ich schaute lange und eindringlich darauf, bis ich einen<br />
Entschluß faßte. Inzwischen waren die Stabsoffiziere<br />
eingetroffen.<br />
Mit ernster Miene setzte ich sie von meiner Entscheidung<br />
in Kenntnis. Ich deutete mit dem Finger auf die Karte,<br />
dort, wo eine blaue Linie den Tulkman-Graben markierte.<br />
„Meine Herren, es gibt eine Än<strong>der</strong>ung des Planes. Da<br />
Ninurta seine Armeen geteilt hat und schweres Gerät<br />
durch das <strong>Kampf</strong>gebiet transportiert, ist er im Falle<br />
unseres Angriffs zur Gegenwehr bereit. Die Entzündung<br />
des Grabens ist also von wesentlich geringerer Wirkung,<br />
als ursprünglich angenommen. Wir werden also sehr<br />
hart auf <strong>der</strong> Ebene zu kämpfen haben. Ich habe daher<br />
beschlossen, den Glutbohrer nicht hier einzusetzen,<br />
son<strong>der</strong>n hier.“<br />
Mein Finger wan<strong>der</strong>te über die Karte zu einem Punkt<br />
westlich des Grabens. Die Gesichter <strong>der</strong> Offiziere sahen<br />
aus, als hätte ich sie geschlagen. Der 1-O blickte mich<br />
völlig entgeistert an.<br />
„Verzeihung, Imperator. Das ist <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>...“<br />
„Das ist mir durchaus bewußt, Marshall H´Atakh.“<br />
„Aber... es wird sehr viele Tote unter den Zivilisten<br />
geben. Diese Stadt wird völlig zerstört, wenn wir den<br />
Glutbohrer dort abwerfen. <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> wird mit DOR<br />
überflutet und auf tausende Zyklen unbewohnbar sein.“<br />
„Das ist mir klar. Ich habe die Nachrichten studiert. Die<br />
meisten Zivilisten sind aus <strong>der</strong> Stadt geflohen. Nur die<br />
Kaisertreuen halten zu ihrem Tyrannen. Die<br />
kämpfenden Rebellen wissen, dass sie so o<strong>der</strong> so den Tod<br />
in <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> finden, Ninurtas Garde metzelt sie gerade<br />
nie<strong>der</strong>. Wenn wir <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> zerstören, wird Ninurta<br />
und mit ihm sein gesamter Hofstaat vernichtet. Das<br />
demoralisiert seine Truppen, und verschafft uns Ra<strong>um</strong><br />
für einen Überraschungsangriff. Bevor seine Armeen<br />
wie<strong>der</strong> nach Norden marschieren können, haben wir die<br />
Chance das Schlachtfeld zu rä<strong>um</strong>en. Der Nexhagus wird<br />
also nach <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> fliegen, dort den Glutbohrer<br />
einsetzen und von Nordwesten in das Schlachtfeld<br />
einrücken. Die ersten zweihun<strong>der</strong>t Holks, die<br />
Sturmtruppen abgesetzt haben, sollen unverzüglich nach<br />
Süden abdrehen und Ninurtas schwere Verbände aus<br />
<strong>der</strong> Luft angreifen, <strong>um</strong> sie zu schwächen. In <strong>der</strong> zweiten<br />
Welle folgen die nächsten zweihun<strong>der</strong>t Holks. Es wird<br />
gefeuert, bis die Magazine leer sind. Die restlichen Holks<br />
bleiben am Graben, <strong>um</strong> die Nachschublinien zu stören.<br />
Alle Holks, die ihre Reserven verbraucht haben, werden<br />
laut Plan vernichtet. Den Rest entscheiden wir dann am<br />
Boden.“<br />
Einen Moment lang herrschte betretenes Schweigen unter<br />
den Offizieren. Wie<strong>der</strong> war es <strong>der</strong> 1-O, <strong>der</strong> das Schweigen<br />
brach.<br />
„Jawohl, Imperator. Zu Befehl.“ und er bellte in den<br />
Brückenra<strong>um</strong>: „Also, was ist? Ihr habt den Imperator<br />
gehört! Funkoffizier! Verständigen Sie den Rest <strong>der</strong><br />
Seite 46
Flotte über die Än<strong>der</strong>ung. Navigator: Kurs setzen auf<br />
<strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>.“ Und in sein Funksprechgerät raunzte er:<br />
„Maschine: Ich brauche jetzt alles, was drin ist. Gehen<br />
Sie auf Effizienz 1.25! AK voraus! Waffenkammer: Den<br />
Glutbohrer rekalibrieren, Eindringtiefe neu justieren<br />
und Detonationsvektoren für Streuwirkung berechnen.“<br />
Der Nexhagus drehte sacht nach links weg und lief nun<br />
unter Volldampf auf <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> zu. Wir brauchten uns<br />
nun nicht mehr hinter den Gebirgen verstecken, son<strong>der</strong>n<br />
konnten aus großer Höhe direkt auf unsere Ziele<br />
herabstoßen. Unsere Eskortschiffe folgten uns. Die<br />
an<strong>der</strong>en Holks teilten sich in drei Gruppen auf, <strong>um</strong> ihre<br />
neuen Einsatzgebiete anzusteuern. Operation Golachab<br />
hatte begonnen.<br />
Nach etwa fünfzehn Glasen kam <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> als ein<br />
brauner Fleck im grünen Rieselgrasmeer tief unter uns in<br />
Sicht. Noch immer zogen die Flüchtlinge in einem<br />
riesigen <strong>Trail</strong> aus <strong>der</strong> Stadt, für viele von ihnen würde es<br />
zu spät sein. Aber dieses Opfer musste gebracht werden,<br />
<strong>um</strong> Ninurtas Reich zu Fall zu bringen. Die verän<strong>der</strong>te<br />
Lage machte es nötig, dass das gesamte Kaiserhaus mit<br />
einem Schlag ausgelöscht wurde. Aus <strong>der</strong> Stadt stieg eine<br />
dunkle Rauchwolke hoch in den Himmel empor, die<br />
B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong> Einsätze hatte ihre Wirkung entfaltet. Unter<br />
uns sahen wir vom Stadtwall her das Feuer von<br />
zahlreichen Donnergh<strong>um</strong>pas aufblitzen, doch wir flogen<br />
zu hoch, als dass ihre Feuerbälle uns erreichen konnten.<br />
Die Donnergh<strong>um</strong>pas waren nicht für die Luftabwehr<br />
gezüchtet worden, und die Soldaten in den Stellungen vor<br />
<strong>der</strong> Stadt staunten nicht schlecht über das, was sich ihnen<br />
da in großer Höhe näherte. Die Richtschützen des<br />
Nexhagus feuerten nun auf die Stellungen, und auf den<br />
Begleitholks tat man es uns nach. Systematisch wurde das<br />
Stadtgebiet bombardiert, <strong>um</strong> uns eine sichere Schneise in<br />
das Stadtzentr<strong>um</strong> zu schlagen. Wir flogen ein und<br />
verharrten genau über dem Bezirk Jahw Salam, <strong>der</strong><br />
Festung des Kaisers. In etwa einer Glase würde Ninurta<br />
Geschichte sein. Als <strong>der</strong> Glutbohrer einsatzbereit war,<br />
sanken wir auf 300 Faden herab und die Abwurfprozedur<br />
wurde initiiert. Unter dem großen Turm mittschiffs<br />
öffneten sich große Schotts, und die<br />
Versorgungsleitungen z<strong>um</strong> Projektil wurden<br />
nacheinan<strong>der</strong> gekappt. Zuletzt fielen die Kühlschläuche<br />
und das Steuerkabel ab, jetzt lief <strong>der</strong> Countdown. Der 1-O<br />
sah mich fragend an, und ich nickte.<br />
„Abwurf. Jetzt.“ befahl er.<br />
Mit einem scharfen, metallischen Geräusch lösten sich die<br />
Halteklammern, und <strong>der</strong> Glutbohrer löste sich aus seiner<br />
Verankerung. Er fiel senkrecht aus dem Schacht <strong>der</strong> Erde<br />
entgegen.<br />
„Navigator: Abdrehen! Kurs 180-0-35! Höchste<br />
Beschleunigung!“ bellte H´Atakh.<br />
Langsam drehte <strong>der</strong> Holk <strong>um</strong> 180 Grad und nahm zügig<br />
Fahrt auf.<br />
„Bei allen Dämonen! Was ist hier los?“ Der Kaiser war<br />
außer sich vor Wut. In seinem Befehlsstand ging es<br />
drunter und drüber. Der Putz fiel von <strong>der</strong> Decke,<br />
Schränke stürzten <strong>um</strong>, Menschen wurden durch<br />
herunterfallende Mauerbrocken verletzt. Ein gewaltiger<br />
Schlag hatte den Kommandobunker getroffen. Ein<br />
heilloses Durcheinan<strong>der</strong> herrschte, und die Nachrichten,<br />
die herein kamen, waren wi<strong>der</strong>sprüchlich. Seine Generäle<br />
plapperten durcheinan<strong>der</strong>.<br />
„Ruhe, verdammt nochmal! General Dijin, was ist los?“<br />
Die Laune des Kaisers wurde immer schlechter angesichts<br />
<strong>der</strong> beunruhigenden Nachrichten, die hereingekommen<br />
waren. Das Heer war durch das unvermutete Auftreten<br />
segurianischer Truppen aufgespalten worden, Im Süden<br />
hatten sich starke feindliche Verbände gesammelt, und<br />
sogar nubitropische Verbände hatten sich erdreistet, in<br />
den gondrischen Ra<strong>um</strong> einzudringen. Die Rebellen<br />
warfen oben in <strong>der</strong> Stadt mit einem Sprengstoff <strong>um</strong> sich,<br />
und nun dieser Schlag. Hatte es ein Erdbeben gegeben?<br />
Kurze Zeit später salutierte <strong>der</strong> angesprochene General<br />
mit demütiger Miene.<br />
„Mein Kaiser, die Späher berichten, dass am Himmel<br />
seltsame Fluggeräte erschienen sind, die eine Maschine<br />
abgeworfen haben. Eine Waffe, möglicherweise ein<br />
altertümlicher Glutbohrer.“<br />
Sie haben WAS???“<br />
„Ein Glutbohrer, wahrscheinlich. Majestät sollten diesen<br />
Ort so schnell es geht verlassen.“<br />
In diesem Moment wurde das gondrische Zentralplateau<br />
von einer gigantischen Explosion erschüttert.<br />
„Atomschlag. Jetzt.“ Der 1-O sah auf die abgelaufene<br />
Zünduhr, und <strong>der</strong> Offiziersstab sah durch die<br />
Rauchglasscheiben nach Achteraus. Dort wurden,<br />
inmitten <strong>der</strong> einst stolzen Stadt <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>, die<br />
Urgewalten des Kosmos entfesselt. Der Glutbohrer hatte<br />
sich etwa 100 Faden tief in den Boden gebohrt, und <strong>der</strong><br />
Zün<strong>der</strong> hatte die Kernspaltung eingeleitet. Eine gewaltige<br />
Detonation erschütterte die Stadt, Staub wurde<br />
aufgewirbelt. Nur einen Moment später breitete sich eine<br />
ringartige Druckwelle aus, die alles dem Erdboden<br />
gleichmachte, auf das sie traf. Es sah aus, als hätte ein<br />
Riese einen Stein in das Meer geworfen. Der Boden wurde<br />
in Wellen vom Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong> Explosion weggedrückt, er<br />
bockte dabei wie ein junger Ghena, <strong>der</strong> zugeritten wird.<br />
Entlang <strong>der</strong> Bruchkanten <strong>der</strong> Scholle schossen gewaltige<br />
Staubfontänen in bizarren Mustern gen Himmel. Dann<br />
kam <strong>der</strong> Wind. Ein glutheißer Wind fegte über die<br />
zerstörte Stadt und äscherte alles ein, was bis dahin noch<br />
nicht von <strong>der</strong> Druckwelle pulverisiert worden war. Und<br />
dann kam die Wolke.<br />
Aus dem Chaos <strong>der</strong> Explosion erhob sich eine feuerrote<br />
Wolke, wie ein Chijuba-Pilz, <strong>der</strong> den Waldboden<br />
durchbricht, <strong>um</strong> seinen Schirm zu entfalten. Nur, dass<br />
dieser Pilz viele, viele Millionen mal größer war als ein<br />
Chijuba, und viele, viele Millionen mal tödlicher. Jetzt<br />
wurde unten am Boden die Energie freigesetzt, welche das<br />
Gestein entzünden und es in einen tiefen Glutsee<br />
verwandeln würde. Die Wolke stieg hoch in den Himmel<br />
empor, über 5.000 Faden hoch, und wurde aus dem<br />
Innern heraus immer größer. Mit <strong>der</strong> Energie, die hier<br />
gerade freigesetzt wurde, konnte man eine Stadt wie<br />
<strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> hun<strong>der</strong>tausend Zyklen lang beheizen. Das<br />
Höllenmonster aus Sternenfeuer fraß sich brüllend in den<br />
Himmel, es machte vor nichts halt. Die Verheerung unten<br />
am Boden war ka<strong>um</strong> zu beschreiben. Die Druckwelle, die<br />
am Boden , ausgehen vom Explosionsherd, alles in eine<br />
einzigen, tödlichen Sturmbö <strong>um</strong>gerissen und<br />
zertrümmert hatte, kehrte nun <strong>um</strong>, und <strong>der</strong> ganze Schutt<br />
und Asche wurden zurück in Richtung Epizentr<strong>um</strong><br />
gerissen. Es war ein skurriler Anblick, Abertausende<br />
Tonnen von Gestein, Eisen und Holz wiegten sich wie<br />
Seite 47
Blätter im Herbstwind hin und her, bevor sie ruckartig in<br />
Richtung <strong>der</strong> Pilzwolke fortgerissen wurden. Die Wolke<br />
stieg ganz langsam in den Himmel auf, und unter Ihr<br />
konnte man nun die totale Verwüstung erkennen, welche<br />
die Explosion hinterlassen hatte. Da, wo einst die<br />
blühende Metropole <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> gewesen war, gähnte nun<br />
ein schreckliches, kraterartiges Maul, das die Zivilisation<br />
an dieser Stelle verschlungen hatte. Dies war die<br />
Oberflächenwirkung des Glutbohrers, die erste Stufe <strong>der</strong><br />
Vernichtung. Bei dem Anblick stiegen in meinem<br />
Bewußtsein Bil<strong>der</strong> auf, wie es nach den großen Krieg <strong>der</strong><br />
ersten Hochzeit auf dem Planeten wohl ausgesehen haben<br />
mochte, und mir wurde klar, wie es möglich war, dass <strong>der</strong><br />
Mond Ulthar auseinan<strong>der</strong>gerissen worden war. Das<br />
Projektil, das wir eingesetzt hatten, war, wie mir <strong>der</strong> 1-O<br />
versicherte, klein. Aus den Aufzeichnungen, die die<br />
Mandraken gefunden hatten, ging hervor, dass es<br />
Glutbohrer mit <strong>der</strong> tausendfachen Vernichtungskraft<br />
gegeben hatte. Im Herzen trauerte ich <strong>um</strong> die<br />
Unschuldigen, die dem Einsatz unserer Waffe z<strong>um</strong> Opfer<br />
gefallen waren. Aber eines war sicher: Ihr Opfer war nicht<br />
<strong>um</strong>sonst, denn das Haus Ninurta existierte nicht mehr.<br />
Und mit dem Kaiser war die Stätte seiner Macht<br />
verschwunden, <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> existierte nicht mehr und<br />
würde auch nie mehr existieren.<br />
Jetzt entfaltete <strong>der</strong> Glutbohrer seine volle Wirkung, er<br />
begann, das Gestein zu schmelzen. Im Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong><br />
ehemaligen Stadt brodelte ein rotglühen<strong>der</strong> See aus Lava<br />
empor, und das Schicksal wollte es, dass die geologischen<br />
Verhältnisse günstig für uns waren. Unter <strong>der</strong> Stadt hatte<br />
es seit jeher eine Magmaa<strong>der</strong> gegeben, <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> lag auf<br />
einer riesigen cal<strong>der</strong>ischen Kaverne, die zu einem<br />
vergessenen Supervulkan gehört hatte. Das also war <strong>der</strong><br />
Grund, war<strong>um</strong> in <strong>der</strong> Stadt stets ein warmes Klima<br />
geherrscht hatte, dar<strong>um</strong> also gab es dort früher große<br />
Thermen und Dampfbä<strong>der</strong>. Und wir hatten mit unserem<br />
Glutbohrer diese Kaverne neu entzündet.<br />
Was das bedeutete, sollten wir sogleich zu sehen<br />
bekommen. Aus den Tiefen <strong>der</strong> Erdkruste erhob sich eine<br />
monströse Feuersäule, und glühendes, flüssiges Gestein<br />
schoss hoch in den Himmel empor. Wie eine<br />
Heißwasserfontäne von den Thermen des Ant´hai<br />
sprudelte es aus dem Boden hervor, nur dass es hier kein<br />
Brühwasser war, das da aufstieg, son<strong>der</strong>n Glutgestein.<br />
Mit einen hohen Pfeifen und Donnergrollen schoß die in<br />
sämtliche Rot- und Orangetöne gefärbte zähe Flüssigkeit<br />
über 3000 Faden hoch und plätscherte dann in<br />
gewaltigen Strömen zurück auf die Erde. Es war ein<br />
beeindruckendes Schauspiel, das trotz seiner<br />
Zerstörungskraft nicht einer gewissen Ästhetik entbehrte.<br />
Auf <strong>der</strong> Brücke schauten alle gebannt auf das Schauspiel,<br />
das sich uns da bot, als es plötzlich zu erheblichen<br />
Erschütterungen in <strong>der</strong> Erdkruste kam, die wir bis an<br />
Bord spürten. Beginnend vom Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong> Eruption<br />
brach die Erdkruste ringförmig nach unten weg, immer<br />
größer wurde das Loch, das sich dort auftat. Binnen<br />
kürzester zeit bildete sich ein Krater von schätzungsweise<br />
30 Meilen Durchmesser, und darin glühte es bedrohlich<br />
rot. Die gesamte Cal<strong>der</strong>a brach ein und füllte sich mit<br />
Magma. Hellrot bis gelb waren die Farben <strong>der</strong> brodelnden<br />
Masse, das flüssige Gestein musste Temperaturen haben,<br />
die weit jenseits <strong>der</strong> Schmelzgrenze von Thelluri<strong>um</strong>erz<br />
lagen. Und <strong>der</strong> Pegel in dem riesigen Loch stieg ständig in<br />
beängstigen<strong>der</strong> Geschwindigkeit an. Die Oberfläche<br />
wölbte sich dramatisch, als eine Magmablase von <strong>der</strong><br />
Größe eines Gebirges aufstieg. Die Oberfläche des großen<br />
Magmasees hob sich in einem Augeblick <strong>um</strong> 200 Faden,<br />
und dann riß die Blase. In einem gigantischen Strom<br />
schoß die Lava über den Kraterrand und ergoß sich<br />
östlich in den Tulkman-Graben, <strong>der</strong> nahe <strong>der</strong> ehemaligen<br />
Stadt vorbeilief. Die Feuerwalze schoß in den Graben und<br />
füllte ihn in wenigen Augenblicken bis z<strong>um</strong> Rand.<br />
Nachströmene Lava drückte das Glutgestein nach Norden<br />
und Süden vorwärts, und mit schätzungsweise 400<br />
Meilen in <strong>der</strong> Glase schoß <strong>der</strong> rote Pfeil im Graben durch<br />
das Land und teilte es.<br />
Wir hatten unser Ziel trotz <strong>der</strong> Umdisponierung erreicht.<br />
Der Graben stand lichterloh in Flammen, die schwere<br />
Artillerie würde unsere Truppen nicht mehr erreichen.<br />
Die Götter schienen uns gewogen.<br />
Kapitel 11: Die Schlacht <strong>um</strong> <strong>Gonda</strong><br />
Die Generäle <strong>der</strong> sechsten Armee des kaiserlichen Heeres<br />
hatten nicht die geringste Ahnung, was gerade eben<br />
geschehen war. Sie folgten ihrem Befehl und<br />
durchquerten gerade in nordwestlicher Richtung den<br />
großen Tulkman-Graben, <strong>um</strong> die segurianischen<br />
Einheiten zu vernichten, die sich erdreisteten, auf<br />
gondrisches Territori<strong>um</strong> vorzurücken. Die Erde dröhnte<br />
unter den schweren Tritten <strong>der</strong> riesigen <strong>Kampf</strong>taranteln,<br />
die in den Graben hineinliefen, und einige Meilen weiter<br />
wie<strong>der</strong> herauszukommen. Die behäbigen Donnergh<strong>um</strong>pas<br />
folgten wiegend, ihr dickes, birnenförmiges Hinterteil<br />
schwankte im Rhythmus ihrer Schritte. Dazwischen liefen<br />
Heerscharen von Lanzenträgern, Bogenschützen,<br />
Schwertkämpfern und Kriegern mit allerlei an<strong>der</strong>en<br />
Waffen. Ihre Rüstungen klirrten und schepperten, und<br />
<strong>der</strong> Vormarsch dieses Heeres wirbelte eine große<br />
Staubwolke auf. Fünf Meilen lang war <strong>der</strong> Heertross, an<br />
dessen Ende dann fahrbare Belagerungstürme,<br />
Versorgungstrails und Nachschubbataillone vorrückten.<br />
Allein dieser Tross hatte eine Stärke von über 600.000<br />
Mann, und die Leiber strömten und strömten in nicht<br />
enden wollen<strong>der</strong> Masse in den Graben. An <strong>der</strong> Anklamm-<br />
Furt marschierte die Legion in den Graben und sollte<br />
etwa dreißig Meilen weiter an <strong>der</strong> Chunguskisenke die<br />
Nordwand ersteigen. Es gab nur wenige Senken und<br />
Abstiege, und stets patrouillierte eine halbe Division<br />
berittener Krieger auf Trak-Ghenas am Rand des<br />
Grabens, dessen Wände teilweise über 200 Faden tief<br />
schroff abfielen, <strong>um</strong> Hinterhalte zu vermeiden, denn<br />
wenn die Armee erst einmal im Graben war, kam sie vor<br />
<strong>der</strong> nächsten Furt nicht wie<strong>der</strong> hinaus, Umdrehen war<br />
unmöglich, es ging nur voran.<br />
Das schwere Poltern <strong>der</strong> Felsbrocken, welche die riesigen<br />
Spinnen beim Laufen wie Kieselsteinchen wegkickten,<br />
erfüllte den Graben, und das d<strong>um</strong>pfe W<strong>um</strong>mern <strong>der</strong><br />
Spinnen- und Käferbeine mischte sich mit dem Schlurfen<br />
<strong>der</strong> Soldaten und dem Bollern <strong>der</strong> Wagenrä<strong>der</strong>. Doch da<br />
war noch ein an<strong>der</strong>es Geräusch, das sich langsam, aber<br />
stetig näherte. Erst war es nur ein subtiles, entferntes<br />
R<strong>um</strong>peln, doch es wurde immer deutlicher und lauter. In<br />
ka<strong>um</strong> merklichen Vibrationen begann <strong>der</strong> Boden zu<br />
zittern, und die Spinnen wurden unruhig. Die Reiter<br />
konnten die massigen Tiere nicht mehr halten, sie wurden<br />
schneller. Sie begannen zu rennen und trampelten alles,<br />
was sich in ihrer Bahn befand, einfach nie<strong>der</strong>. Mann und<br />
Seite 48
Geschirr, selbst größere Wagen und die langsamen<br />
Gh<strong>um</strong>pas wurden gnadenlos überrannt. Für die Generäle<br />
bestand kein Zweifel: Die mächtigen, angstlosen Wesen,<br />
die ohne zu zögern in jede Schlacht gingen, flüchteten vor<br />
irgendetwas. Da näherte sich irgendetwas aus Richtung<br />
<strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>, etwas Gefährliches, Bedrohliches. Die<br />
Spinnen, und nun auch die Käfer, flohen hastig nach<br />
vorn, die Formation war aufgelöst, Reiter fielen von ihren<br />
Tieren und wurden unter den ba<strong>um</strong>starken Beinen<br />
zermalmt. Schrille schreie von Sterbenden mischten sich<br />
mit dem angsterfüllten Gekreisch <strong>der</strong> Tiere. Einige <strong>der</strong><br />
großen Spinnen versuchten, seitlich auszubrechen und an<br />
den Wänden emporzuklettern. Dabei stürzten sie immer<br />
wie<strong>der</strong> herunter in den Graben und begruben ihre Reiter<br />
und hun<strong>der</strong>te von Soldaten unter sich. Es war ein<br />
heilloses Durcheinan<strong>der</strong>, Chaos machte sich breit. Die<br />
Reiter <strong>der</strong> Patrouille oben am Rand <strong>der</strong> Klippen schrien<br />
etwas herunter, die Signalgaste schwenkten ihre Fahnen<br />
und übermittelten nur ein Wort: FEUER.<br />
Den Generälen blieb nicht viel Zeit, darüber<br />
nachzusinnen, woher in dieser Wüstenei Feuer kommen<br />
sollte, das die Spinnen veranlasste, <strong>der</strong>art durchzudrehen.<br />
Und dann sahen sie es. Hinter ihnen flimmerte die Luft.<br />
Eine gewaltige orange Wand schob sich mit<br />
unvorstellbarer Geschwindigkeit durch den Kanal, in dem<br />
8 Legionen <strong>der</strong> sechsten Armee gefangen waren. Es gab<br />
kein Entkommen. Die Feuerwand aus flüssigem Gestein<br />
brach in Augenblicken über sie herein, Männer und Tiere<br />
standen in Flammen, bevor sie von <strong>der</strong> zähflüssigen<br />
Masse bedeckt wurden. Die Glutflüssigkeit war so heiß,<br />
dass nicht einmal mehr Knochen übrig bleiben würden.<br />
Binnen weniger Momente wurden über eine hlabe Million<br />
Mann, hun<strong>der</strong>te <strong>Kampf</strong>taranteln und Donnergh<strong>um</strong>pas<br />
und noch einmal hun<strong>der</strong>te von Trak-Ghenas ausgelöscht.<br />
Zurück blieb ein reißen<strong>der</strong>, rotglühen<strong>der</strong> Strom, <strong>der</strong> die<br />
Überquerung des Grabens auf absehbare Zeit unmöglich<br />
machte. Das kaiserliche Heer war schwer getroffen<br />
worden, und dazu noch in zwei Teile gespalten, die<br />
einan<strong>der</strong> nicht erreichen konnten. Ninurtas großer Sieg<br />
über die Armeen <strong>der</strong> Welt ging buchstäblich in Schutt und<br />
Asche unter. Und die Soldaten wussten nicht, dass es<br />
keinen Kaiser und kein Reich mehr gab, für das sie<br />
starben. Unsere Holks erreichten nun das <strong>Kampf</strong>gebiet<br />
und setzten planmäßig ihre Einheiten ab. Gruppenweise<br />
landeten die mächtigen Luftschiffe und ließen ihre großen<br />
Bugrampen herunterklappen. Sofort stürmten die<br />
Soldaten über die Rampen heraus und bildeten die<br />
vorgeschriebenen Formationen. Nach den Feldkriegern<br />
kamen die Traks und die Gh<strong>um</strong>pas. Die eiserne Flotte<br />
ejakulierte vierzig Glasen lang Mensch und Material ins<br />
Schlachtfeld, ein unaufhörlicher Strom von Soldaten<br />
ergoss sich auf die Ebene. Sofort nach dem Absetzen<br />
starteten die Holks wie<strong>der</strong> durch, <strong>um</strong> ihre Aufgaben im<br />
Luft-Boden-<strong>Kampf</strong> zu versehen. Noch im Aufsteigen<br />
donnerten die mächtigen Geschütze <strong>der</strong> Holks los und<br />
spien ihr todbringendes Feuer den Feinden entgegen.<br />
Unsere Truppen formierten sich und strömten ins Tal<br />
hinab. Über die Südflanke kamen Ninurtas Armeen, bzw.<br />
das, was davon übrig war. Wie eine große, schwarze Woge<br />
schwappten die Gegner über den südlichen Klamm, ihre<br />
Donnergh<strong>um</strong>pas feuerten schon aus viel zu großer<br />
Entfernung auf unsere Phalanx. Sie waren nervös,<br />
unaufmerksam und hastig. Weit vor unseren Reihen<br />
schlugen die Projektile ein und verpufften wirkungslos.<br />
Unsere Reihen standen fest geschlossen. Dicht an Dicht<br />
standen Männer und Insekten, fast regungslos, wie eine<br />
gewaltige Wand aus Fleisch und Chitin. Ein leichter Wind<br />
zog über das Schlachtfeld, <strong>der</strong> unsere Banner auf den<br />
Standarten leicht wiegend bewegte. Der schwere, süße<br />
Duft von Burna-Bl<strong>um</strong>en zog aus <strong>der</strong> Talebene herauf und<br />
kitzelte unsere Nasen. Ich hatte schon als Kind ein Faible<br />
für diese Bl<strong>um</strong>e entwickelt. Die Onker-Weiden auf<br />
unserem Besitz waren übersät mit diesen kurzstieligen,<br />
gelben Doldenblüten, die im Sommer stets von großen<br />
Schwärmen Gunt-Faltern belagert wurden. Mein Bru<strong>der</strong><br />
und ich waren oft mit feinen Netzen unterwegs, <strong>um</strong> die<br />
Falter zu fangen und unsere Reptilien damit zu füttern.<br />
Seit ich denken konnte, hatten wir Kin<strong>der</strong> Nashdaken als<br />
Haustiere, kleine, dornige Echsen, die lustige gurrende<br />
Laute von sich gaben, wenn man ihnen zu nahe kam. Ich<br />
sah das Haupthaus unserer Farm vor mir, sah, wie ich<br />
durch die Wiesen lief, darauf zu, meine Mutter stand dort<br />
auf <strong>der</strong> Veranda und rief nach mir...<br />
„Mein Imperator. Es ist soweit.“<br />
Die Stimme eines Offiziers holte mich in die Wirklichkeit<br />
zurück. Ich begab mich zu meinem Kapmftrak, saß auf<br />
und flog in das Schlachtfeld hinein, passierte die grosse<br />
Phalanx <strong>der</strong> Krieger Mandraks und positionierte mich<br />
ungefähr in <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> Meilen breiten Front. Ich zog<br />
mein Langschwert und hob es über den Kopf. Dann ließ<br />
ich es herabsausen, das Zeichen z<strong>um</strong> Angriff. Nun würde<br />
sich nichts mehr <strong>um</strong>kehren lassen, die Schlacht hatte<br />
begonnen. In unseren Reihen erhob sich ein gewaltiger,<br />
markerschüttern<strong>der</strong> Kriegsschrei, den die Mandraken<br />
unseren Feinden entgegen schleu<strong>der</strong>ten. Er war trotz des<br />
Stakkatos, das die abertausend Füße in den Boden<br />
hämmerten und das die Erde erbeben ließ, deutlich zu<br />
vernehmen. Die Krieger schlugen mit den Waffen auf ihre<br />
Schilde und erzeugten so einen infernalischen Lärm, <strong>der</strong><br />
einem das Blut in den A<strong>der</strong>n gefrieren lassen konnte.<br />
„Hung! Hung! Hung!“ klang es rhythmisch aus ihren<br />
Reihen. Von irgendwo hinter mir erklangen schrille Töne<br />
aus blechernen Instr<strong>um</strong>enten, Trommeln wurden<br />
geschlagen. Die <strong>Kampf</strong>traks murrten ungeduldig,<br />
Metallgeschirr schepperte. Die Sonnen rückten den<br />
Schauplatz in ein unwirkliches oranges Licht und <strong>der</strong><br />
aufgewirbelte Staub verwischte die Konturen. Sand<br />
knirschte zwischen meinen Zähnen. Unsere untere<br />
Phalanx rückte geschlossen im Schritttempo vor, <strong>der</strong><br />
holpernden, geifernden Menge entgegen. Ich hielt meine<br />
Stoßtrupps noch etwas zurück, <strong>um</strong> später in die Flanken<br />
einzufallen. Aus <strong>der</strong> Vogelperspektive musste es<br />
aussehen, als würden zwei dunkle Flutwellen<br />
aufeinan<strong>der</strong>treffen. Näher und näher rückte die erste<br />
Reihe <strong>der</strong> Feinde, und als unsere Krieger auf sie trafen,<br />
brandeten unsere wogendenden Heere aneinan<strong>der</strong> auf<br />
wie die Wasser <strong>der</strong> Ozeane an <strong>der</strong> Wellenscheide tief im<br />
Süden an <strong>der</strong> Küste von Cal<strong>der</strong>an. Ich trieb unsere<br />
Truppen in drei Keilen in die breite Front des Gegners,<br />
rechts und links von unseren Flanken fielen die Feinde zu<br />
Hun<strong>der</strong>ten. Der Lärm <strong>der</strong> Schlacht, SHAVN JIHAD,<br />
erhob sich und spielte das alte Lied vom Werden und<br />
Vergehen. Von überall hörte man die gellenden Schreie<br />
Verwundeter, über die unser Heer einfach hinweg<br />
marschierte.<br />
Nun ließ ich meine Trak-Ghenas anlaufen, in schnellem<br />
Galopp stürmten wir in eine geschwächte Flanke des<br />
Feindes. Unsere Keilformation trieb eine breite Öffnung<br />
Seite 49
in die Flanke, unser Ziel waren die Geschützkäfer, die von<br />
schweren Verbänden <strong>der</strong> Infanterie geschützt wurden.<br />
Unser Stoßtrupp trieb die Feinde auseinan<strong>der</strong> wie ein<br />
Phallus, <strong>der</strong> den Schoß einer geilen Houri spaltete. Immer<br />
tiefer drängte unsere Spitze in das Innerste des<br />
feindlichen Heeres. Enthauptete, zerstückelte Leiber<br />
fielen an unseren Flanken herab, und die Mandraken<br />
kämpften <strong>der</strong>art hart und unnachgiebig, dass sie ka<strong>um</strong><br />
Verluste erlitten. Der Boden färbte sich schnell rot vom<br />
Blut und wurde rutschig. Dann trafen wir auf die<br />
mittleren Reihen, in denen Ninurtas Feldherren die<br />
<strong>Kampf</strong>traks postiert hatten. Krachend fuhren die Geweihe<br />
<strong>der</strong> mächtigen Insekten ineinan<strong>der</strong>, schillernde,<br />
gepanzerte Körper wurden durch die Luft gewirbelt und<br />
verursachten beim Aufprall dichte Staubwolken. Man<br />
konnte berstende Panzer hören und das schmerzverzerrte<br />
Ausblasen verletzter Traks und Gh<strong>um</strong>pas. Es gab ein<br />
heilloses Durcheinan<strong>der</strong>. Einige <strong>der</strong> Donnergh<strong>um</strong>pas<br />
waren <strong>der</strong>art verängstigt, dass sie zwischenzeitlich blind<br />
in alle Richtungen schossen, sogar in die eigenen Reihen.<br />
Ihre Führer hatten sie nicht mehr im Griff, und seitlich<br />
von mir explodierte gerade ein Geschützkäfer, <strong>der</strong> von<br />
freundlichem Feuer getroffen war, in einer blauen Lohe.<br />
Seine Panzer barsten und flogen im hohen Bogen davon,<br />
während eine blaue Feuerzunge unter lautem Zischen aus<br />
dem Hinterleib des gewaltigen Tieres leckte. Dann knallte<br />
es ohrenbetäubend, und <strong>der</strong> Geschützkäfer war<br />
verschwunden. Inzwischen hatte es in <strong>der</strong> ersten Phase<br />
<strong>der</strong> Schlacht bereits abertausende von Toten gegeben,<br />
mehr und mehr Soldaten des Kaisers fielen unter unseren<br />
Waffen. Natürlich hatten auch wir mittlerweile einige<br />
Verluste, doch diese standen im Verhältnis 1:300, und die<br />
Armeen des Kaisers fielen wie die Fliegen. Glase <strong>um</strong> Glase<br />
schlugen wir auf Ninurtas Soldaten ein, ich war von Blut<br />
und Schweiß überströmt.Mein Langschwert hielt bittere<br />
Ernte unter den Soldaten des Feindes. Und endlich, als<br />
<strong>der</strong> Tag sich schon langsam dem Ende näherte, wurde <strong>der</strong><br />
Wi<strong>der</strong>stand schwächer. Zwei Drittel <strong>der</strong> uns<br />
gegenüberstehenden Soldaten hatten wir getötet, im Tal<br />
würde es wohl für Vögel und Gewürm ein Festmahl. Doch<br />
die Feldherren des Gegners sahen ein, dass es keinen Sinn<br />
mehr machte, etwas zu verteidigen, das es nicht mehr<br />
gab. Die Kunde von <strong>der</strong> Zerstörung <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>s war<br />
inzwischen verbreitet worden, das Reich des<br />
exzentrischen Kaisers Ninurta hatte aufgehört zu<br />
existieren. Wir hatten die Schlacht und den Krieg<br />
gewonnen. Nach und nach ebbten die <strong>Kampf</strong>handlungen<br />
ab, eine Kohorte nach <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en ergab sich unseren<br />
Kriegern. Sie wurden entwaffnet und in einem Seitental<br />
zusammengepfercht. Dort bewachten sie grimmige<br />
Krieger <strong>der</strong> Mandraken, sie ließen keinen Zweifel daran,<br />
dass ein Fluchtversuch tödlich enden würde.<br />
Überall auf dem Schlachtfeld lagen tote Menschen, Käfer<br />
und an<strong>der</strong>e Tiere. Hier und da bewegte sich noch etwas,<br />
doch unsere „Putzer“ waren bereits unterwegs, <strong>um</strong> die<br />
Verwundeten von <strong>der</strong> Qual zu erlösen. Dazwischen<br />
Waffen, Uniformteile und Ausrüstungsgegenstände,<br />
soweit das Auge reichte. Noch in vielen Zyklen würde<br />
man Relikte <strong>der</strong> großen Schlacht hier finden, und in<br />
einigen Tagen würden geschäftige Fled<strong>der</strong>er kommen, <strong>um</strong><br />
Souvenirs zu bergen, die sie dann in den Städten<br />
verkaufen würden. Und manch ein Schmok würde dann<br />
später vor <strong>der</strong> (gekauften) Waffensammlung am<br />
Kaminfeuer sitzen und seinen Nachkommen von seinem<br />
heldenhaften <strong>Kampf</strong> am Tulkman-Graben berichten. Und<br />
alles würde sein, wie es immer war. Ich gab zwei Majoren<br />
den Befehl, eine große Tuppe zusammenzustellen, die<br />
verirrte Gh<strong>um</strong>pas einfangen sollte. Ich trug ihnen auf, alle<br />
Leichen und Gegenstände, die sie fanden, jeden einzelnen<br />
Schuh, jeden einzelnen Finger, auf Lastschlitten zu laden<br />
und samt und son<strong>der</strong>s in den Magmagraben zu werfen.<br />
Wenn unser Heer abzog, sollte dieses Tal wie<strong>der</strong> so<br />
aussehen, wie es vor <strong>der</strong> Schlacht gewesen war. An<br />
diesem Krieg sollten die Fled<strong>der</strong>er nichts verdienen. Ich<br />
sorgte dafür, dass die Kunde von dieser gewaltigen<br />
Feuerbestattung überall im Reich verbreitet wurde, <strong>um</strong> es<br />
auch den Souvenirfälschern etwas schwerer zu machen.<br />
Unsere Männer begannen nun mit ausschweifenden<br />
Siegesfeiern, wie ein Mühlstein fiel die Last des <strong>Kampf</strong>es<br />
von ihren Schultern. Überall brannten lo<strong>der</strong>nd große<br />
Siegesfeuer, es wurde gesungen, gegrölt, gesoffen und<br />
gefressen. Doch die hohen Offiziere und ich hatten noch<br />
etwas zu erledigen. Wir bestiegen unsere Traks und ritten<br />
in Richtung Nyarla-Paß davon. Nach Einbruch <strong>der</strong><br />
Dämmerung kamen wir oben am Grat an, zurrten unsere<br />
Reittiere fest und gingen hinauf z<strong>um</strong> Gipfel. Vier<br />
Soldaten, die einen Donnergh<strong>um</strong>pa geführt hatten,<br />
nahmen Aufstellung und bereiteten das Tier vor. Der<br />
Gipfel war gut 700 Schritte höher als das Gratplateau,<br />
dort pflante einer <strong>der</strong> Generäle das <strong>Kampf</strong>banner auf, <strong>um</strong><br />
das wir uns versammelten. Dort standen wir mit einem<br />
guten Dutzend Leute, die versinkende zweite Sonne in<br />
unserem Rücken tauchte die wolkenverhangenen Gipfel<br />
in feuriges Rot. Und da kamen sie. Aus Richtung Osten<br />
sahen wir eine Reihe von Holks auf uns zu fliegen. 600<br />
<strong>der</strong> mächtigen fliegenden Festungen zogen da in Reih und<br />
Glied über den Himmel.<br />
General H´Atakh warf eine kleine Brandkerze hinunter<br />
z<strong>um</strong> Plateau, und <strong>der</strong> Donnerghmupa hob kurz darauf das<br />
Hinterteil. Der Generalstab nahm Haltung an.<br />
Vorschriftsmäßig grüßten wir die Flotte militärisch, und<br />
<strong>der</strong> Donnergh<strong>um</strong>pa begann, Salutsalven zu feuern. Der<br />
Troß <strong>der</strong> Luftschiffe zog gemächlich am uns vorbei und<br />
nahm Kurs auf den Punkt, wo früher <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> gewesen<br />
war. Über dem Kraterrand kippten die mächtigen<br />
Flugapparate und steuerten im Sturzflug in den Krater,<br />
wo sie, eines nach dem an<strong>der</strong>en, explodierten und<br />
verglühten. Im selben Moment begingen in den<br />
Katakomben des Tempels von Mandra-Ghora über 2.000<br />
mandrakische Techniker Selbstmord, mit ihnen starb das<br />
letzte Geheimnis. Gewaltige Explosionen erschütterten<br />
die Hangare, in denen zuvor die Holks gelegen hatten,<br />
alles wurde zerstört. Nichts blieb, alle Reste <strong>der</strong> alten<br />
Zeiten waren nun vom Angesicht des Planeten getilgt.<br />
Als wir we<strong>der</strong> vom Berg herabstiegen taten wir dies in<br />
Stille. Bis wir wie<strong>der</strong> im Lager ankamen, sagte niemand<br />
ein Wort. Der große Krieg war vorbei, und nun galt es,<br />
eine neue Ordnung zu errichten. Bereits zwei Zyklen nach<br />
dem Ende des Krieges wurde <strong>der</strong> große Thing einberufen,<br />
zu dem alle Völker ihre Delegationen sandten, <strong>um</strong> die<br />
neue Weltordnung zu beraten. Das Kaiserreich Ninurtas<br />
war gefallen, und an dessen Stelle rückte eine<br />
parlamentarische Monarchie, die in ihren jungen Jahren<br />
noch so manche Erschütterung zu vertragen hatte.<br />
Seite 50
Seite 51