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Trail - der Kampf um Gonda-Lah

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Der <strong>Kampf</strong> <strong>um</strong> <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong><br />

Kapitel 1: Der Goldene Onker<br />

Langsam erwachte ich. Die beiden Morgensonnen von<br />

Gandri, Ereshkigal und Ju'unao, tauchten die Lichtung<br />

des Churka-Waldes, auf <strong>der</strong> ich mein Lager errichtet<br />

hatte, in weiches, blasses Licht. Im Verlauf des Tages,<br />

wenn S´rath, die dritte Sonne, für kurze Zeit am Himmel<br />

aufstieg, würde das Licht gelblicher werden und die<br />

Temperaturen hochtreiben.<br />

Ich hörte auf die Geräusche des Waldes. Das feine<br />

surrende Wispern <strong>der</strong> gefie<strong>der</strong>ten Churka-Blätter im<br />

seichten Wind, das Zirpen <strong>der</strong> kleinen Gunas im Gras, das<br />

freche Keckern <strong>der</strong> Kutna-Vögel in den Wipfeln und ein<br />

leise plätschern<strong>der</strong> Bach, an dem –hoffentlich- meine<br />

Gh<strong>um</strong>pas weideten, z<strong>um</strong>indest hatte ich sie am Abend<br />

dort gelassen. Gh<strong>um</strong>pas, die verbreitetsten<br />

Verkehrsinsekten auf Gandri, neigten im Allgemeinen<br />

auch nicht dazu, sich zu verselbständigen. Das galt<br />

beson<strong>der</strong>s für die Lastengh<strong>um</strong>pas, die ich mit mir führte.<br />

Und tatsächlich, als ich mich erhob und hinüber z<strong>um</strong><br />

Bach spähte, entdeckte ich die massigen Tiere, mehr als<br />

zwei Mann hoch und vier Mann lang waren sie und<br />

wiegten sich im leicht ta<strong>um</strong>elnden Gang langsam über die<br />

Wiese vorwärts. Sie waren von <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Chalais-<br />

Gh<strong>um</strong>pa, und ihre enorme Stabilität ersparte es mir, sie<br />

nächtens abzuladen. Auf ihrem flachen Rücken konnten<br />

sie das Gewicht von über 200 Männern tragen ohne dass<br />

sie dies beeinträchtigen würde. Für lange Transporte<br />

waren sie wie geschaffen, weshalb sie sich unter den<br />

Kaufleuten des Kontinents größter Beliebtheit erfreuten.<br />

Chalais waren genügsam, belastbar und folgten ihrem<br />

Führer überall hin. Die Tiere waren intelligent und<br />

zuweilen ziemlich anhänglich, was in den Gassen enger<br />

Dörfer gelegentlich zu Problemen führen konnte. Dar<strong>um</strong><br />

waren in Gandri oft die Marktplätze den Ortschaften<br />

vorgelagert, nur in den größeren Städten, die über<br />

Gh<strong>um</strong>pa-Alleen verfügten, gab es zentral gelegene<br />

Handelsplätze.<br />

Ich hatte vier dieser Riesen bei mir und einen Trak-<br />

Ghena, einen schnellen Laufkäfer mit übergroßen<br />

Kieferzangen, <strong>der</strong> mir als Reit- und Ladetier diente. Der<br />

Trak war nichteinmal halb so groß wie die Chalais, aber<br />

überaus wendig und geschickt. Ich hatte ihn auf <strong>der</strong><br />

Lichtung gepöhlt, dadurch war seine Bewegungsfreiheit<br />

etwas eingeschränkt, was bei seiner Neugier ein lästiges<br />

Hinterhergerenne morgens überflüssig machte.<br />

Ich machte mich am Bach etwas frisch und fand dort<br />

einige Kiswa-Nester, <strong>der</strong>en Inhalt, versetzt mit Kräutern<br />

aus <strong>der</strong> Umgebung und etwas Steinsal mir ein<br />

vortreffliches Frühstück in Form von Bratei bescherte.<br />

Als ich die Mahlzeit beendet hatte, rä<strong>um</strong>te ich in aller<br />

Ruhe mein Kochgeschirr ein, brach das Lager ab und<br />

belud den Trak mit meinen Reiseutensilien, die ich<br />

sorgfältig verzurrte. Inzwischen war S´rath, die<br />

Mittagssonne, am Horizont erschienen und die<br />

Temperaturen stiegen rapide an. In den Steppen von<br />

Gandri würde es bald brütend heiß werden. Z<strong>um</strong> Glück<br />

führte mich ein Großteil meines Weges durch den<br />

ausgedehnten Churka-Wald, <strong>der</strong> die Stadt <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>,<br />

mein nächstes Etappenziel, weiträ<strong>um</strong>ig <strong>um</strong>gab. Hier im<br />

Wald blieben die Temperaturen erträglich, wenn auch die<br />

Feuchtigkeit etwas unbequem war.<br />

Ich bestieg das Reittier und hob den Tambur, den<br />

klassischen Treiberstab <strong>der</strong> Gh<strong>um</strong>pa-Führer. Er war aus<br />

einer länglichen Thula-Schote aufwändig gearbeitet, und<br />

die darin enthaltenen Samen erzeugten –je nach Anzahl<br />

und Größe- einen bestimmten, klappernden Rasselton,<br />

auf den die Chalais eines Führers abgerichtet waren. Die<br />

Chalais eines <strong>Trail</strong>s hörten einzig auf dieses spezielle<br />

Geräusch, weshalb <strong>der</strong> Tambur z<strong>um</strong> wichtigsten Besitz<br />

des Gh<strong>um</strong>paführers gehörte. Ein unter Führern oft<br />

genutzter Fluch lautete: „Möge Dein Tambur brechen<br />

und einen Samen verlieren“. Ihn zu verlieren bedeutete,<br />

die Herde zu verlieren. Dar<strong>um</strong> wurde <strong>der</strong> Verkauf eines<br />

<strong>Trail</strong>s o<strong>der</strong> einer Herde, stets mit <strong>der</strong> feierlichen<br />

Übergabe des Tamburs besiegelt.<br />

Ich erhob mich im Sattel meines Traks und schüttelte den<br />

Tambur viermal kurz und einmal lang, das Zeichen z<strong>um</strong><br />

Folgen. Der Trak setzte sich in Bewegung und auch die<br />

Chalais wankten in meine Richtung, <strong>um</strong> auf den Pfad zu<br />

gehen, den <strong>der</strong> Trak vorgab. Das tiefe, beruhigende<br />

Kollern, das aus den Chalais-Kopfhörnern vibrierte,<br />

übertönte die Geräusche des Waldes.<br />

Der Trak brach mit seinen großen Kieferzangen einen<br />

Weg durch das Unterholz. Das war nötig, denn dieser Teil<br />

des Waldes wurde selten bereist, und die Churka-Bä<strong>um</strong>e<br />

wuchsen verdammt schnell nach. Wir befanden uns<br />

abseits <strong>der</strong> viel genutzten Handelsrouten, was zwar<br />

beschwerlich, aber wesentlich sicherer war. Hier lauerten<br />

weniger Packschnei<strong>der</strong>, eine Sorte von Räubern, die sich<br />

an <strong>Trail</strong>s heranschlich und versuchte, die Ladegurte zu<br />

zerschneiden, <strong>um</strong> mit schnellen Laufkäfern Teile <strong>der</strong><br />

Beute zu schnappen und zu rauben. Da die <strong>Trail</strong>s langsam<br />

waren, machten die Packschnei<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s bei großen<br />

<strong>Trail</strong>s von über zehn Tieren oft gute Beute, bevor <strong>der</strong><br />

Gh<strong>um</strong>paführer etwas bemerkte. Meine Gh<strong>um</strong>pas waren<br />

den Waldgang gewohnt, und so zogen wir durch das zu<br />

allen Seiten berstende Gehölz, unserem Ziel entgegen.<br />

Die Gh<strong>um</strong>pas hatten über Nacht gut gefressen, das<br />

machte sich nun bemerkbar. Chalais-Gh<strong>um</strong>pas neigten<br />

aufgrund ihrer gärungsbasiernden Verdauung zur<br />

Treibgasbildung in ihren gewaltigen Mägen. Von Zeit zu<br />

Zeit lösten sie daher das Gas aus ihrer Kloake und es<br />

bildete sich dort eine Blase aus den schmierigen Liquiden<br />

ihres Gekröses, die sich bei ausreichen<strong>der</strong> Gasfüllung<br />

löste und emporstieg. Diese Blasen hoben ab und<br />

zerplatzten hoch oben in den Kronen <strong>der</strong> Churka-Bä<strong>um</strong>e,<br />

wo sie einen schmierigen Film hinterließen. Da die<br />

Verdauungssekrete <strong>der</strong> Gh<strong>um</strong>pas mit vielen Sporen,<br />

Samen und allerlei Kleinstlebewesen versetzt waren,<br />

bildete <strong>der</strong> Schmierfilm auf Blättern, Ästen und Stämmen<br />

<strong>der</strong> Churkas eine Lebensgrundlage für Flechten, Moose,<br />

Farne und Hochbl<strong>um</strong>en, so dass die Ba<strong>um</strong>kronen in<br />

schillernden Farben leuchteten, und es wimmelte dort<br />

von Leben in unzähligen symbiotischen Gemeinschaften.<br />

Die Wipfeltiere des Waldes fanden hier reichlich<br />

Nahrung, und auch die Raubinsekten fühlten sich<br />

sichtlich wohl in dem Feuchtwaldparadies. Beson<strong>der</strong>s auf<br />

<strong>der</strong> Hut sein musste man vor den Shreek, eine<br />

hundsgroße Spinnenart, die ihre Opfer mit ätzendem Gift<br />

blendete, das sie in die Augen spie, bevor sie angriff. Der<br />

Name rührte von dem grässlichen Geräusch her, das die<br />

Speispinne beim Angriff machte. Die Shreek konnten<br />

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auch einem Gh<strong>um</strong>pa-Führer gefährlich werden, wenn sie<br />

im Rudel angriffen.<br />

Der Teil des Waldes, den ich durchreiste, war berüchtigt<br />

für Shreek-Attacken, also nahm ich einen speziellen Helm<br />

aus <strong>der</strong> großen Reisekiste hinter mir, setzte ihn auf und<br />

klappte das kristallene Visier vor mein Gesicht, das mich<br />

vor dem Speigift schützen sollte. Nicht einen Moment zu<br />

spät, wie sich zeigte, denn vor mir sausten mehrere<br />

Shreek-Fäden aus <strong>der</strong> Höhe herab, an denen sich die<br />

hässlichen, haarigen Biester bereits abzuseilen begannen.<br />

Ich zückte Feuerstahl und Blendquarz, entzündete einen<br />

Fidibus und hielt die Flamme unter die Kletterfäden, die<br />

ich vom Sattel aus erreichen konnte. Die Fäden fingen<br />

sofort Feuer, das gierig an den Strängen empor leckte, die<br />

daran hängenden Shreek erfasste und diese unter<br />

markerschütternden Geschrei in einer Stichflamme<br />

zerplatzen ließ. Rings <strong>um</strong> mich her<strong>um</strong> schlugen die<br />

verkohlten, zuckenden Spinnenkadaver auf dem Boden<br />

auf.<br />

Plötzlich erschien eine Spinne wie aus dem Nichts hinter<br />

mir und landete auf dem Rücken des Trak. Ich sah ihr<br />

Spiegelbild in <strong>der</strong> Kristallscheibe meines Helms. Schon<br />

schleu<strong>der</strong>te sie ihr Gift in meinen Nacken, in <strong>der</strong> Absicht,<br />

mich mit ihrem Gift zu blenden, <strong>um</strong> mich dann<br />

gemeinsam mit ihren abscheulichen Geschwistern<br />

genüsslich auszusaugen. Z<strong>um</strong> Glück waren Shreek d<strong>um</strong>m,<br />

und so attackierte das Insekt lediglich das Gesicht, das auf<br />

dem Nackenschurz meines gandrischen Shreekhelms<br />

aufgemalt war. Die beiden Edelsteincabochons darauf<br />

hielt die Shreek für meine Augen, ein verhängnisvoller<br />

Fehler. Das Gift glitt am unempfindlichen Reshtakle<strong>der</strong><br />

des Helms wirkungslos ab. Ich zog mein Langschwert,<br />

und in einer einzigen ausladenden Bewegung hieb ich die<br />

Shreek in zwei Teile, die vom Trak abrutschten und auf<br />

dem Boden aufschlugen.<br />

Dieser begann sofort zu leben. Ka<strong>um</strong> waren die beiden<br />

stinkenden Kadaverhälften am Boden zu liegen<br />

gekommen, bewegte sich das Laub überall, und ein Heer<br />

von kleinen Aas-Formidras überflutete die<br />

Fleischkl<strong>um</strong>pen förmlich und die winzigen Insekten<br />

begannen sofort, mit ihren Beißzangen die Shreekreste zu<br />

zerlegen, das geschah in einer atemberaubenden<br />

Geschwindigkeit, weshalb man im Churka-Wald zwar<br />

Gebeine, aber niemals Kadaver fand. Ebenso geschah es<br />

mit den an<strong>der</strong>en getöteten Shreek, es war ein einziges<br />

raschelndes Gewimmel am Boden. Glücklicherweise<br />

fraßen die Formidras ausschließlich totes Fleisch. Ich<br />

streckte noch etwa ein halbes Dutzend Shreek nie<strong>der</strong>,<br />

bevor <strong>der</strong> Angriff abebbte und sich <strong>der</strong> Rest des haarigen<br />

Achtbeinerrudels aufmachte, in den Churka-Kronen nach<br />

leichterer Beute zu suchen.<br />

Im Wald stellte sich wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> normale Geräuschpegel<br />

ein, und ich setzte meine Reise fort. Als wir nach 5 Tagen<br />

die Hochebene von <strong>Gonda</strong> erreichten, lichtete sich <strong>der</strong><br />

Wald mehr und mehr, und die Anzeichen für<br />

bewirtschaftete Regionen stellten sich ein. Der Duft von<br />

Hochbl<strong>um</strong>en und opulenten Kannenpflanzen wich nach<br />

und nach dem Geruch von Torffeuern, Brandrodung und<br />

Mulchwirtschaft, die Ba<strong>um</strong>reihen wurden lichter und aus<br />

dem Wald wurde ein Forst. Inzwischen bewegten wir uns<br />

auf ausgetretenen Pfaden, und <strong>der</strong> Trak konnte den <strong>Trail</strong><br />

auch ohne den Einsatz seiner imposanten Kieferzangen<br />

voranbringen. Nach <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> war es noch mindestens<br />

eine Tagesreise, und ich wollte mir einen festen Platz zur<br />

Nacht suchen, also hielt ich Ausschau nach bestimmten<br />

Landmarken, die von Tavernenbesitzern gesetzt wurden.<br />

Hier auf <strong>der</strong> Ebene war es ratsam, die größeren<br />

Herbergen anzusteuern, <strong>der</strong>en Weideplätze während <strong>der</strong><br />

Nacht gut bewacht wurden. Eine Menge zwielichtes<br />

Gesindel schlich nächtens durch die Gegend im näheren<br />

Umkreis <strong>der</strong> Stadt.<br />

Nach einigem Suchen fand ich einen geeigneten Ort, <strong>um</strong><br />

die Nacht zu verbringen. Ein Schild am Hauptweg wies<br />

auf die Herberge „Z<strong>um</strong> Goldenen Onker“ hin, ich folgte<br />

dem Hinweis und gelangte kurz darauf zu einem<br />

ausgedehnten Gehöft, auf dem eifriges Treiben herrschte.<br />

Wie es aussah, kehrten dort drei weitere <strong>Trail</strong>s ein, davon<br />

ein großer, so dass mit meinen Tieren fast drei Dutzend<br />

Großinsekten dort warteten. Neben verschiedenen<br />

Chalais gab es dort auch Durga-, N´ghal- und Sherba-<br />

Gh<strong>um</strong>pas und einige Traks, was darauf hindeutete, dass<br />

mindestens ein <strong>Trail</strong> mit Eskorte reiste.<br />

Die fremden Trak-Ghenas waren allesamt kleiner als<br />

mein Leittier, einige waren mit kostbaren<br />

Wappenteppichen behängt und hatten metallverkleidete<br />

Kieferzangen; <strong>Kampf</strong>traks, also reiste hier jemand in<br />

militärischer Begleitung. Ich sah mich <strong>um</strong> und entdeckte<br />

neben dem Haupthaus einen geschlossenen Wagen, <strong>der</strong><br />

wahrscheinlich von den beiden kleinen Durga-Gh<strong>um</strong>pas<br />

gezogen wurde, die auf <strong>der</strong> Weide ästen. Der Wagen trug<br />

dasselbe mir unbekannte Wappen wie die Decken <strong>der</strong><br />

<strong>Kampf</strong>traks. Ich führte meinen <strong>Trail</strong> zur Weide, halfterte<br />

den Trak ab und gab dem Haushofmeister, <strong>der</strong> die<br />

Wachmannschaft befehligte, einen Zins, <strong>der</strong> höher ausfiel,<br />

als es allgemein üblich war.<br />

„Hier sind 15 Schekel Kupfer, Meister. Sag Deinen<br />

Männern, sie sollen gut auf meinen <strong>Trail</strong> Acht geben.“<br />

„Aye, Herr. Eure Fracht ist sicher hier.“<br />

Er wandte sich ab und gab den Burschen, die zwischen<br />

den Tieren Wache schoben, in Pangälisch, einer Sprache<br />

aus dem Hohen Norden, einige barsche Anweisungen und<br />

deutete dabei auf meine Tiere.<br />

Ich nahm mein persönliches Bündel und ging hinüber zur<br />

Herberge, <strong>um</strong> ein Quartier zu buchen. Als ich die schwere<br />

Eisenholztür öffnete und hindurchschritt, wurde ich von<br />

<strong>der</strong> typischen Geräusch- und Geruchskulisse einer<br />

Taverne empfangen. Das übliche Stimmgemurmel, <strong>der</strong><br />

Klang von Geschirr und Besteck, ein gäriger, süßlicher<br />

Geruch von Yark-Ale, einem starken, obergärigen Bier aus<br />

Yarka-Wurzel gebraut. Das Licht war einigermaßen hell,<br />

das Publik<strong>um</strong> gemischt. Von einer „Spelunke“ konnte<br />

man hier nicht reden, alles war sauber und gepflegt auf<br />

den ersten Blick. In <strong>der</strong> Mitte des Ra<strong>um</strong>es standen sechs<br />

große Tische, außerdem gab es an den Seitenwänden<br />

größere Nischen, in denen ebenfalls Tische und Bänke<br />

standen. Die Decke des hohen Mittelra<strong>um</strong>es wurde von<br />

gewaltigen, uralten Eisenholzstämmen getragen. An <strong>der</strong><br />

Rückwand des Ra<strong>um</strong>es stand ein imposanter<br />

Schanktresen, hinter dem ein von <strong>der</strong> Statur her ebenfalls<br />

imposanter Wirt seinen Dienst tat. Direkt über ihm gab es<br />

noch eine holzvergitterte Empore, auf <strong>der</strong> sich wohl die<br />

wappengeschmückte Reisegesellschaft aufhielt. Der<br />

Gastra<strong>um</strong> war gut gefüllt, und an allen Tischen wurde<br />

gegessen und getrunken. Der Wirt, <strong>der</strong> gerade Gläser<br />

polierte, sah kurz auf, maß mich mit Blicken ab und<br />

widmete sich seiner Tätigkeit. Ich schloß die Tür hinter<br />

mir und durchschritt den Ra<strong>um</strong>, geradewegs auf den<br />

Tresen zu. Dort angekommen, ließ ich mein Bündel zu<br />

Boden und sah den Wirt an.<br />

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Er legte langsam sein Poliertuch zur Seite und baute sich<br />

vor mir auf. Mit fester, dunkler Stimme sprach er mich<br />

an.<br />

„Willkommen im ‚Goldenen Onker’ Herr. Was wünscht<br />

Ihr?“<br />

„Aye, Wirt. Ich brauche ein Bad, eine Schlafstatt und ein<br />

gutes Essen.“<br />

„Das sollt Ihr wohl bekommen. Eine Kammer kommt 8,<br />

das Bad 4 und das Essen 5 Schekel.“<br />

Ich zählte ihm 20 Kupferschekel hin. „Gebt mir einen<br />

guten Krug Wein z<strong>um</strong> Essen.“<br />

Er nickte und ließ das Geld in seinem Wamps<br />

verschwinden. Er grinste.<br />

Wünscht Ihr ein Mädchen für den Abend und die Nacht,<br />

Herr? Das käme 30 extra.“<br />

Ich überlegte kurz. „War<strong>um</strong> nicht? Sind Eure Houris<br />

sauber?“<br />

Er schaute bestürzt drein. „Aber selbstverständlich, Herr.<br />

Ich verbürge mich!“<br />

Ich ließ noch einmal 30 Schekel auf den Tresen rollen.<br />

„Gut, dann soll es so sein.“<br />

Der Wirt drehte sich nach hinten. „Alissia! Bereite ein<br />

Bad für diesen Dom!“ und, zu mir gewandt: „Herr,<br />

Alissia ist unser bestes Mädchen. Sie wird Euch das<br />

Zimmer zeigen und für Euch da sein nach Euren<br />

Wünschen.“<br />

Er nickte mir zu, ich nahm mein Gepäck wie<strong>der</strong> auf und<br />

wandte mich nach links zu <strong>der</strong> schweren Treppe, die nach<br />

oben führte. Einige <strong>der</strong> Gäste –die meisten waren<br />

offensichtlich durchreisende Gh<strong>um</strong>pa-Führer, ein paar<br />

waren wohl Einheimische aus <strong>der</strong> näheren Umgebunghatten<br />

kurz von mir Notiz genommen und wandten sich<br />

wie<strong>der</strong> ihren Themen zu. Am Fuß <strong>der</strong> Treppe erschien<br />

Alissia. Mich deuchte, <strong>der</strong> Wirt hatte nicht untertrieben.<br />

Das Mädchen war vielleicht zwanzig Lenze alt und eine<br />

echte Schönheit. Ihre Augen strahlten aus einem<br />

makellosen Gesicht unter langen, wallenden roten Haaren<br />

hervor. Hier in Gandri, beson<strong>der</strong>s auf <strong>der</strong> <strong>Gonda</strong>-Ebene,<br />

galten rote Haare als unschön und wurden meist mit<br />

einem Extrakt aus Hjama-Wurzel eingefärbt, aber dieses<br />

Mädchen schien ihre Haarpracht mit Stolz zu tragen. Sie<br />

trug einen Stapel Tücher bei sich und trat mit gesenktem<br />

Kopf vor mich hin.<br />

„Aye, Dom. Ich bin Alissia, Eure ergebene Houri. Bitte<br />

folgt mir, ich weise Euch eure Kammer. Während Ihr<br />

Euer Lager bereitet, werde ich ein Bad richten.“<br />

„Aye.“ Ich nickte ihr knapp zu. Sie stieg vor mir die<br />

Treppe empor, und ich genoß hinter ihr den sanften<br />

Schwung ihrer sich wiegenden Hüften. Im oberen Flur<br />

betraten wir eines <strong>der</strong> Zimmer, das erstaunlich gerä<strong>um</strong>ig<br />

und sehr gemütlich eingerichtet war. Ein großes Bett mit<br />

Daunenwäsche, hohen Pfosten und einem Himmel aus<br />

Flachstuch, davor ein weiches Onkerfell, an <strong>der</strong> Wand ein<br />

Kamin, neben dem reichlich Holz lag. Eine Tischbank mit<br />

einem Krug und einigen Bechern darauf, eine Kommode<br />

und ein Stiefelschemel. Ich war sehr zufrieden.<br />

„Ich werde das Bad für Euch bereiten, Dom. Nach einer<br />

Glase wird es bereit sein.“ Damit verschwand sie im<br />

Ba<strong>der</strong>a<strong>um</strong> nebenan, nicht ohne noch einmal einen<br />

devote-kecken Blick zu mir herüberzuwerfen. Ich warf<br />

mein Bündel vor das Bett und schlug erst einmal Feuer im<br />

Kamin, denn die Nächte auf <strong>der</strong> Ebene waren gewöhnlich<br />

kalt. Dann entledigte ich mich meiner Reitkleidung. Ich<br />

war froh, die schwere Reshtak-Le<strong>der</strong>montur einmal<br />

loszuwerden. Beim Mardukaij, es wurde auch höchste<br />

Zeit, ich stank wie ein Yamal-Onker! Ich freute mich auf<br />

das heiße Bad.<br />

Kurze Zeit später erschien Alissia wie<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Tür,<br />

eingehüllt in dampfende Nebelschwaden. Sie lud mich<br />

mit einer Geste ein, in den Nebel des Ba<strong>der</strong>a<strong>um</strong>s<br />

einzutreten. In dem Ra<strong>um</strong> stand ein großer, beheizter<br />

Zuber aus dem es wohlriechend dampfte.<br />

„Ich habe Voltai-Milch und Ribanektar in das Wasser<br />

gelassen, Dom. Es wird Eurer Haut gut tun.“ wisperte<br />

ihre zarte Stimme, die jedoch einen gewissen for<strong>der</strong>nden<br />

Unterton nicht verbarg. „Darf ich Euch mit Eurem<br />

Namen ansprechen, Dom?“<br />

Ihre Li<strong>der</strong> schlugen hoch und offenbarten das ganze<br />

Feuer ihrer Seele, das aus ihren Augen zu sprühen schien.<br />

Erst jetzt bemerkte ich, dass sie ihre Kleidung abgelegt<br />

und ihren Körper in eines <strong>der</strong> großen Tücher geschlungen<br />

hatte.<br />

„Ich bin Fela Ibn Aib Noirez, erster Schwertmeister des<br />

Hauses Beltane va Segur!“<br />

„“Ein Schwertmeister, sieh an…“ bemerkte sie keck, „Ich<br />

hoffe, Ihr versteht wahrlich, Euer Schwert zu führen,<br />

Dom Fela.“<br />

Damit ließ sie ohne erkennbare Bewegung das Tuch fallen<br />

und stand nackt vor mir. Ihre gut gebaute Figur übertraf<br />

meine Erwartungen <strong>um</strong> Einiges. Sie war von sehr<br />

schlanker Gestalt, mit wohlgeformten Hüften, straffen<br />

Schenkeln, langen Beinen und schönen Füßen. Über ihrer<br />

Taille ragte ein gera<strong>der</strong> Oberkörper mit wun<strong>der</strong>schönen,<br />

strammen Brüsten auf. Ihre Arme waren sehnig und<br />

muskulös. Flammend rote Haare fielen über ihre<br />

beinfarbenen Schultern und sie war am ganzen Körper<br />

rasiert, was ihr einen gewissen puppenhaften Ausdruck<br />

verschaffte. Sie stand da wie eine Alabasterstatue aus dem<br />

Pantheon von Nag Dschurai. Alissia war eine reine<br />

Augenweide, sie faszinierte mich. Die meisten Houris<br />

waren Weiber, Bauerntrampel, die ihren Körper für ein<br />

paar Schekel benutzen ließen, wie ein Bett. Aber sie war<br />

eine Göttin. Aus ihren giftgrünen Augen schien ein<br />

magisches Feuer aufzusteigen.<br />

Alissia legte meine Unterklei<strong>der</strong> ab, nahm meine Hand<br />

und wir stiegen in den Zuber. Das heiße, duftende Wasser<br />

reichte mir fast bis zu den Knien. Sie nahm eine Schüssel<br />

und begann, mich mit dem Badewasser zu übergießen,<br />

was für eine Wohltat. Sanft drückte sie mich herunter in<br />

das Wasser, und <strong>der</strong> Geruch des Bades vermischte sich<br />

angenehm mit dem verführerischen Duft ihrer Vulva, die<br />

sich mir entgegenreckte. Ich küsste ihre kleinen rosa<br />

Schamlippen sanft und ließ mich zwischen ihren Beinen<br />

in das Wasser gleiten. An ihrem linken Schenkel lief ein<br />

Tropfen duften<strong>der</strong>, milchiger Flüssigkeit herunter, den<br />

ich geschickt mit <strong>der</strong> Zunge einfing.<br />

Die Badezusätze und das heiße Wasser entspannten mich<br />

sofort. Das Gewicht <strong>der</strong> Reitkleidung war fort und mein<br />

Körper fühlte sich unheimlich leicht an. Alissia ging in die<br />

Hocke und begann, mich mit einem Flechtenschwamm<br />

abzureiben. Das Blut pulsierte in meiner Haut, und nicht<br />

nur dort. Sie ging weiter in die Hocke, und meine<br />

anschwellende Eichel verschwand in ihrer schlüpfrigen<br />

Leibesöffnung.<br />

Während sie mich weiter wusch, massierten die Muskeln<br />

ihrer Vulva langsam und zärtlich meinen Phallus, und ich<br />

gab mich diesem Genuß vollends hin. Beim Mardukaij,<br />

dieses Mädchen verstand ihr Handwerk, wahrlich! Sie<br />

feuerte meine Lust an, wie<strong>der</strong> und wie<strong>der</strong>, ohne mich<br />

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über den Höhepunkt hinauszubringen. So verbrachten<br />

wir einige Glasen in entspannter Zweisamkeit, und ich<br />

muß gestehen, dass ich selten ein angenehmeres Bad<br />

hatte. Nach einer Weile erhob sie sich und stieg aus dem<br />

Waschzuber.<br />

„Dom Fela, Ihr solltet Euch jetzt ankleiden und essen; die<br />

Köchin zaubert ein hervorragendes Ra`chd hier.“<br />

Ich stieg ebenfalls aus dem Wasser und Alissia trocknete<br />

mich schnell und gekonnt ab. Dann rieb sie meinen<br />

Körper mit einer Salbe ein, <strong>der</strong>en Duft mich vage an<br />

Kannenbl<strong>um</strong>en erinnerte.<br />

„Ich bringe Eure Wäsche in das Waschhaus, Dom.<br />

Morgen früh wird sie frisch und sauber sein.“<br />

Ohne eine Antwort abzuwarten, kleidete sie sich flugs an<br />

und verschwand mit meinen von <strong>der</strong> Reise arg in<br />

Mitleidenschaft gezogenen Unterklei<strong>der</strong>n aus dem Bad.<br />

Ich ging in das Zimmer, entnahm meinem Gepäck frische<br />

Klei<strong>der</strong>, zog sie an und streifte meinen Waffenrock über.<br />

Ich überlegte kurz und entschied mich, das Langschwert<br />

im Zimmer zu lassen, lediglich den Waffengurt mit<br />

Kurzschwert, Dolchen und Wurfklingen schnallte ich <strong>um</strong>.<br />

Mein Bündel sicherte ich mit einem Stäbchenschloß vor<br />

allzu neugierigen Gästen, und so begab ich mich frisch<br />

gewaschen und sichtlich erholt in die Wirtsstube<br />

hinunter. Als <strong>der</strong> Wirt mich die Treppe herunter kommen<br />

sah, grinste er und trat hinter dem Tresen hervor. Mit<br />

einer einladenden Geste wies er mir einen Tisch in einer<br />

<strong>der</strong> seitlichen Nischen zu. Dort war es etwas separater,<br />

zurückgezogener und weniger hell. Ein guter Platz, <strong>um</strong> in<br />

angenehmer Begleitung gut zu essen und zu trinken. Ich<br />

setzte mich mit dem Rücken zur Wand und ließ den Blick<br />

durch den Ra<strong>um</strong> schweifen.<br />

Im großen Ra<strong>um</strong> in <strong>der</strong> Mitte saßen einige Gh<strong>um</strong>pa-<br />

Führer mit ihren Gehilfen, etwa zwei Dutzend Mann. Sie<br />

vergnügten sich mit Ale, Wein und einigen Houris, die in<br />

ihrer Körperfülle einem Chalais ka<strong>um</strong> nachstanden. Die<br />

Führer waren schon reichlich angetrunken und sangen –<br />

mehr laut als schön- eine Clanarie, die von heldenhaften<br />

<strong>Trail</strong>s kündete. Oben auf <strong>der</strong> Empore ging es etwas leiser<br />

zu. Durch die Gitter konnte man nur Schatten erkennen,<br />

die sich ab und an bewegten. Der Wirt kam und brachte<br />

Wein.<br />

„Alissia bringt Euch gleich das Essen, Herr. Es gibt Ra<br />

´chd, dazu Süßknollen, Lagashkohl, Gunta-Rübchen,<br />

Sepratunke und Rieselgrasbrot. Seid Ihr mit Alissia<br />

zufrieden?“<br />

Ja, Wirt. Ausgezeichnet. Ich hätte nicht gedacht, in<br />

dieser trostlosen Gegend eine solch komfortable<br />

Herberge zu finden, wie den ‚Goldenen Onker’. Respekt.“<br />

Ich deutete nickend eine Verbeugung an und übergab ihm<br />

noch einige Kupferschekel, die so etwas wie ein Lächeln<br />

in sein Gesicht zauberten.<br />

„Sagt, Herr Wirt, was ist das für eine Reisegesellschaft,<br />

die Ihr beherbergt?“ Mein Blick ging hoch zur Empore. Er<br />

folgte meinem Blick, drehte sich wie<strong>der</strong> zu mir und<br />

meinte:<br />

„Das ist die Prinzessin Chahani Askash aus dem Lande<br />

Dune-Varaq jenseits <strong>der</strong> Kulpa-Berge im Süden. Sie soll<br />

den Sohn des Barons Oman-Teg in <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> ehelichen,<br />

eine politische Heirat, wie man sagt.“<br />

In diesem Moment schepperte und klirrte es auf <strong>der</strong><br />

Empore und man konnte ziemlich deutlich vernehmen,<br />

dass <strong>der</strong> Prinzessin irgendetwas zu missfallen schien.<br />

„Sieht aus, als müsstet Ihr <strong>der</strong> hohen Herrschaft noch ein<br />

gut Teil Eures Inventars in Rechnung stellen.“ amüsierte<br />

ich mich. Der Wirt grinste und erhob sich.<br />

„Ah, Euer Essen ist bereitet, Herr. Ich hoffe, es mundet<br />

Euch.“ Damit verließ er meinen Tisch, <strong>um</strong> sich wie<strong>der</strong> den<br />

Trinkgewohnheiten seiner übrigen Gäste zu widmen.<br />

Alissia erschien mit den ersten dampfenden Schüsseln<br />

und stellte sie vor mir auf den Tisch. Sie lief gleich wie<strong>der</strong><br />

los, <strong>um</strong> mehr Essen, Besteck und Geschirr<br />

herbeizuschaffen. Als <strong>der</strong> Tisch gedeckt war, setzte sie<br />

sich zu mir und goß zwei Becher Wein ein. Dann belegte<br />

sie meinen Teller mit kleinen gebackenen Süßknollen,<br />

Schmorkohl, Sudrüben und einer guten Portion Ra´chd,<br />

einem Gemisch von Reshtak- und Saufleisch, das<br />

traditionell mit Lilienzwiebeln und Shurga-Fruchtknoten<br />

angebraten, dann mit Ale und Sal abgeschmeckt und mit<br />

etwas Honig und Käse überbacken serviert wurde. Ein<br />

Festessen, wenn man 30 volle Monde in Wald und Wüste<br />

unterwegs gewesen war. Während ich aß, saß sie da und<br />

sah mich mit einem vielsagenden Blick an, <strong>der</strong> mir<br />

bedeutete, mich besser nicht zu sehr mit Essen<br />

vollzuschlagen. So setzte ich also vorzugsweise meinen<br />

Schwerpunkt auf den Genuß, statt auf die Völlerei. Der<br />

Wein, den <strong>der</strong> Wirt gebracht hatte, mundete<br />

hervorragend und war voll und süß. Sicher nicht sein<br />

schlechtester Tropfen.<br />

Während des Essens beobachtete ich das bunte Treiben in<br />

<strong>der</strong> Schankwirtschaft. An den Tischen <strong>der</strong> <strong>Trail</strong>männer<br />

wurde gesoffen und gescherzt, angebandelt und es wurde<br />

mit wilden Geschichten geprahlt. Von einem <strong>der</strong> Tische<br />

etwas weiter links erhob sich ein grobschlächtiger Kerl,<br />

dessen schlechtsitzende Kleidung verriet, dass er kein<br />

Gh<strong>um</strong>paführer war. Er schien zwar zu einem <strong>der</strong> <strong>Trail</strong>s zu<br />

gehören, doch war er entwe<strong>der</strong> ein absoluter Neuling,<br />

o<strong>der</strong> er gab lediglich vor, ein <strong>Trail</strong>mann zu sein. Der<br />

Bursche war wohl schon etwas angetrunken, er wankte<br />

leicht, aber das machte ihn nicht eben ungefährlicher.<br />

Dass er keine guten Absichten hatte, zeigten seine<br />

verkniffenen Augen. Er kam herüber beugte sich vor und<br />

ließ seine gewaltigen Pranken auf die Tischplatte<br />

nie<strong>der</strong>sausen, <strong>um</strong> sich abzustützen.<br />

Er musterte mich mit schlecht verborgener Feindseligkeit.<br />

Ich ließ mich nicht beeindrucken und aß ruhig weiter. Der<br />

Hüne musterte Alissia, die die Augen nie<strong>der</strong>schlug und zu<br />

Boden sah. Auch ihr war die Aggressivität des Mannes<br />

nicht entgangen. Mit giftigem Blick stierte er mich an.<br />

Seine Stimme donnerte mich an wie ein Blitzsturm.<br />

„Aye, Dom.“ Mir gefiel nicht, wie verächtlich er mich<br />

ansprach. „Ihr müsst ja ein feiner Herr sein. Kommt als<br />

Letzter und erhaltet die beste Houri des Hauses.“ Ich sah<br />

kurz zu ihm auf und aß dann weiter. „Vielleicht möchte<br />

das Houri-Mäuschen ja lieber mit einem richtigen Mann<br />

ihren Spaß haben?!?“ Er sah wie<strong>der</strong> Alissia an, die auf<br />

ihrer Bank etwas zurückrutschte.<br />

„Nun,“ entgegnete ich, „<strong>der</strong> Wirt scheint mir ein kluger<br />

Mann, dass er sein bestes Pferd im Stall nicht von einem<br />

Onker reiten lässt.“<br />

Das war schon zuviel für ihn. Wütend schlug er mit<br />

beiden Handflächen auf den Tisch, so dass Schüsseln und<br />

Teller tanzten. Im Lokal verst<strong>um</strong>mten schlagartig alle<br />

Geräusche. Der Wirt griff unter den Tresen und zog eine<br />

eisenbeschlagene Keule hervor.<br />

„Was meint Ihr damit…“ setzte <strong>der</strong> besoffene Onker an.<br />

Weiter kam er nicht, denn im selben Moment flogen<br />

meine Hände an meinen Gürtel zu den Dolchen, die in<br />

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einer wirbelnden Bewegung ihr Ziel fanden und seine<br />

Hände auf <strong>der</strong> Tischplatte festnagelten. Er starrte<br />

ungläubig auf die zitternden Messer in seinen Händen,<br />

bevor er seinen Schmerz laut herausbrüllte. Mit einem<br />

Satz war ich auf dem Tisch und die Klinge meines<br />

Kurzschwertes lag an seiner Kehle.<br />

Ich packte ihn mit <strong>der</strong> Linken beim Schopf, riß seinen<br />

Kopf zurück und sprach leise und ruhig zu ihm, die<br />

Lippen dicht an seinem ungewaschenen Ohr.<br />

„Ich schlage vor, dass Ihr Euch besser wie<strong>der</strong> zu Euren<br />

Leuten gesellt, Dom.“ Sein schmerzverzerrter Blick traf<br />

auf meine kalten blauen Augen. „Ihr macht Euren<br />

Handel, ich den Meinen. Und gut ist es. Ist es nicht?“<br />

Ich ließ ihn los und er nickte. Ich steckte das Schwert weg<br />

und zog die Dolche mit einem Ruck heraus. Er zuckte,<br />

hob die Hände und schaute auf die Wunden, die nur<br />

wenig bluteten.<br />

„Aye, Dom. Ich bitte <strong>um</strong> Verzeihung.“ Gab er<br />

zähneknirschend zurück, wandte sich ab und ging<br />

hinüber zu seinem Tisch, wo ihn die Gesellen johlend<br />

empfingen. Der Wirt verstaute seinen Totschläger<br />

grinsend wie<strong>der</strong> unter dem Tresen. Dem Raufbold<br />

wurden die Hände mit ein paar Tuchfetzen verbunden,<br />

und <strong>der</strong> Betrieb in <strong>der</strong> Wirtschaft normalisierte sich<br />

wie<strong>der</strong>.<br />

Alissia sah mich von <strong>der</strong> Seite an. „Nicht schlecht für<br />

einen <strong>Trail</strong>smann, Dom Fela…“ meinte sie.<br />

Ich sah sie fest an. „Wie ich sagte, ich bin<br />

Schwertmeister.“<br />

Sie nickte. „War<strong>um</strong> seid Ihr dann mit einem <strong>Trail</strong><br />

unterwegs, und nicht mit einer Schwadron<br />

<strong>Kampf</strong>traks?“<br />

„Meine Liebe, es gibt Dinge, die gehen vorlaute Mädchen<br />

einfach nichts an. Belassen wir es dabei.“ Ich nahm<br />

meinen Becher, stieß mit dem Rand an ihren und trank<br />

einen ordentlichen Schluck.<br />

Was hätte ich ihr auch sagen sollen? Dass meine<br />

Gh<strong>um</strong>pas bis obenhin voller Waffen geladen waren? Dass<br />

ich nach Ghonda-<strong>Lah</strong> unterwegs war, <strong>um</strong> die<br />

Rebellenarmee zu unterstützen, die den selbstherrlichen<br />

Kaiser Ninurta stürzen wollte? Wohl besser nicht.<br />

Also trank ich mit ihr, wir erfreuten uns an den Weisen<br />

eines Barden, <strong>der</strong> etwas später einkehrte und aufspielte,<br />

und wir verbrachten einen schönen Abend in <strong>der</strong> Taverne.<br />

Zu vorgerückter Stunde dann verließen wir den Gastra<strong>um</strong><br />

und gingen auf mein Zimmer, in dem das Kaminfeuer,<br />

welches diensteifrige Hände in meiner Abwesenheit<br />

immer wie<strong>der</strong> beschickt hatten, für angenehm wohlige<br />

Wärme sorgte.<br />

Ich legte den Waffenrock ab und ließ mich auf dem<br />

Onkerfell vor dem Kamin nie<strong>der</strong>. Alissia stand da im<br />

flackernden Licht des Feuers und begann langsam und<br />

gekonnt, ihre Klei<strong>der</strong> abzulegen. Knopf für Knopf öffnete<br />

sie sinnlich ihre weiße Bluse, unter <strong>der</strong> ihre Brustwarzen<br />

aufgerichtet waren, wie zwei Dendra-Rosenknospen, die<br />

im Frühjahr dem wie<strong>der</strong>erwachenden Licht <strong>der</strong> Sonnen<br />

entgegen fieberten. Ihr Haar <strong>um</strong>spülte ihre zarten<br />

Schultern, wie die Wellen an <strong>der</strong> Küste von Damique-<br />

Ilshu die vorgelagerten Riffe. Wild und ungezügelt wirkte<br />

diese Frau, genau das, wonach mir <strong>der</strong> Sinn stand.<br />

Die Bluse rutschte über ihre Schultern herunter und gab<br />

ihre herrlichen Brüste frei, <strong>der</strong>en Anblick ließ mein Blut<br />

in Wallungen geraten. Sie streifte langsam den Rock ab<br />

und präsentierte sich in ihrer wun<strong>der</strong>vollen Nacktheit,<br />

eine süße Frucht am Ba<strong>um</strong> <strong>der</strong> Lust, die zu pflücken mir<br />

gewährt war. Sie drehte sich gemächlich <strong>um</strong> ihre eigene<br />

Achse, wobei sie aufreizend mit den Händen durch ihr<br />

Haar fuhr, an den sanften Rundungen ihres Leibes<br />

herabstrich, und ihre Finger fuhren an <strong>der</strong> Innenseite<br />

ihrer Schenkel wie<strong>der</strong> hoch.<br />

Als sie mir den Rücken zudrehte, hatten die verspielten<br />

Finger den Tempel <strong>der</strong> Lust erreicht. Sie beugte sich vor<br />

und präsentierte mir frech den Eingang z<strong>um</strong> Paradies,<br />

den heiligen Gral <strong>der</strong> Sinnlichkeit. Sie spreizte die Beine<br />

und ihre freucht glänzenden Lippen schienen mir<br />

zuzurufen: ‚Komm, liebkose uns, Mann!’<br />

Ich sah, dass sich einige milchige Tropfen aus <strong>der</strong> Blüte<br />

ihrer Lenden lösten und zu Boden fielen. Der Ra<strong>um</strong> war<br />

erfüllt vom Duft ihrer Begierde. Allein dieser Anblick war<br />

in <strong>der</strong> Tat mehr als 30 Schekel wert, verhieß er doch<br />

Vereinigung, Wollust, Erfüllung. In meinem Rückgrat<br />

stieg eine heiße Feuersäule empor. Die Schönheit, die<br />

meine Augen da erblickten, verlangte nach gehöriger<br />

Würdigung.<br />

„Komm her,“ wies ich sie an, „Knie nie<strong>der</strong>.“<br />

Sie tat, wie ihr geheißen. Sie kniete vor mir mit<br />

geöffnetem Schoß, gerade und aufrecht auf den Fersen<br />

sitzend, und sah mich an. Ich ging zu meinem Bündel,<br />

öffnete es und holte Ein Seil aus weichem Onkerhaar<br />

hervor, 30 Fuß lang und Fingerdick, dazu zwei kürzere<br />

von etwa 6 Fuß. Ich legte das lange Seil in <strong>der</strong> Mitte<br />

zusammen und knotete eine Öse, die ich ihr <strong>um</strong> den Hals<br />

legte, so dass die beiden Seile zwischen ihren Brüsten<br />

lagen. Der Knoten lag auf ihrem Sonnenpunkt. Sie sah<br />

mir erwartungsvoll in die Augen. Vorsichtig tastete sich<br />

ihr Blick in meinen Augen <strong>um</strong>her, so, als teste sie, ob sie<br />

mir vertrauen könne. Dann knotete ich die Seile in<br />

<strong>der</strong>selben Weise wie zuvor noch dreimal im Abstand von<br />

je einem Fuß. Dann zog ich die Seilenden zwischen ihren<br />

Beinen hindurch, so dass sie links und rechts an ihren<br />

Schamlippen vorbeiführten, und spannte sie über den<br />

Rücken am hinteren Strang <strong>der</strong> Halsöse im Genick. Sie<br />

atmete scharf ein und ihr Geruch wurde intensiver.<br />

Schweiß lief aus ihren Achselhöhlen an ihren<br />

Körperseiten in einem dünnen Rinnsal herunter. Unter<br />

ihren Armen hindurch legte ich die Seile über ihre Brüste,<br />

fädelte sie über dem ersten Knoten durch den<br />

Doppelstrang und band sie zurück z<strong>um</strong> Mittelseil. Dies<br />

wie<strong>der</strong>holte ich mehrmals am Körper abwärts, bis ihr<br />

gesamter Oberkörper in ein Seilnetz eingehüllt war.<br />

Alissia schien diese Prozedur zu genießen, sie stöhnte mit<br />

jedem Seilzug leise und ihr Blick war verklärt.<br />

„Das fühlt sich wun<strong>der</strong>voll an, Dom Fela. Ich habe so<br />

etwas noch nie erlebt…“ hauchte ich sie behutsam auf das<br />

Fell legte. Sie ließ alles mit sich geschehen, als ich sie auf<br />

den Rücken legte, ihre Beine anwinkelte und ihr mit den<br />

beiden kürzeren Seilen die Hände an die Fußknöchel<br />

fesselte. In einer Stellung völliger Wehrlosigkeit lag sie<br />

nun vor mir, und vor Geilheit zuckte es gierig zwischen<br />

ihren Schenkeln.<br />

Ich zog mich aus und schob meinen straffen Phallus<br />

langsam zwischen den Seilen hindurch in sie hinein, bis<br />

sie sich in höchster Ekstase aufbä<strong>um</strong>te. Ihr Becken<br />

vollzog einen wilden Tanz, während sie mit <strong>der</strong> Präzision<br />

einer Maschine penetriert wurde. Aus voller Inbrunst<br />

schrie sie ihre Lust heraus und ihr Atem ging tief und<br />

synchron zu den Stößen, die sie empfing. Ihre Nässe<br />

bedeckte meine Lenden, und ich ließ meinen heißen<br />

Samen in die hinterste Nische ihrer zuckenden Vulva<br />

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einströmen. Sie zitterte am ganzen Körper, als ich mich<br />

von ihr löste und ihr einen zarten Kuß zwischen die<br />

Schenkel hauchte.<br />

Ich löste ihre Handfesseln. Als ich die Körperfesseln lösen<br />

wollte, nahm sie meine Hände. „Bitte, Dom Fela. Lasst<br />

mich das weiter tragen.“ Ich ließ sie. Ich holte uns etwas<br />

Wein vom Tisch, und wir tranken sitzend vor dem Kamin.<br />

In dieser Nacht liebten wir uns noch zweimal mit<br />

<strong>der</strong>selben Intensität, dann entfernte ich das Seil und wir<br />

schliefen gemeinsam in dem großen Bett in den neuen<br />

Tag.<br />

An nächsten Morgen, als ich vom Kollern einiger<br />

Gh<strong>um</strong>pas geweckt wurde, war Alissia verschwunden. Ich<br />

trat z<strong>um</strong> Fenster und sah, dass <strong>der</strong> <strong>Trail</strong> <strong>der</strong> Prinzessin<br />

gerade vom Gehöft aufbrach.<br />

In diesem Moment kam Alissia mit einem Tablett ins<br />

Zimmer, dampfen<strong>der</strong> Jerka-Tee und Rieselgrasbrot mit<br />

Onkerleberwurst und Saukopfsülze war darauf. Im<br />

an<strong>der</strong>en Arm trug sie ein Bündel frisch gewaschener<br />

Wäsche. Als sie das Tablett abgestellt hatte, nickte sie,<br />

grinste mich vielsagend an und verließ das Zimmer<br />

wie<strong>der</strong>. Ich genoß das gute Frühmahl und packte meine<br />

Sachen. Dann legte ich meine Reitkleidung und den<br />

Waffengurt an, z<strong>um</strong> Schluß verstaute ich Kilm´tal, mein<br />

Langschwert, in <strong>der</strong> Rückenhalterung. Ich nahm mein<br />

Bündel, ging die Treppe herunter, am freundlich<br />

nickenden Wirt vorbei und verließ die Schänke. Ich begab<br />

mich zur Weide, halfterte den Trak auf und nahm den<br />

Tambur aus meinem Bündel. Vier kurze Stöße und ein<br />

langer, und meine Gh<strong>um</strong>pas bildeten eine Reihe, die dem<br />

Trak folgte. Im sanft wiegenden Schritt des <strong>Trail</strong>s<br />

verließen wir das Gelände und wandten uns auf dem<br />

Hauptweg in Richtung <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>. S´rath zeigte seine<br />

ersten Strahlen am Horizont, es würde ein warmer Tag<br />

werden.<br />

Kapitel 2: Die Prinzessin<br />

Mein <strong>Trail</strong> zog über den Hauptweg, <strong>der</strong> zur weniger<br />

frequentierten Ostroute gehörte. Die meisten <strong>Trail</strong>s<br />

kamen von Süden und Westen nach <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>, aus den<br />

fruchtbaren Tiefebenen. Von Osten wie von Norden hielt<br />

sich <strong>der</strong> Verkehr in überschaubaren Grenzen, so dass hier<br />

auch die Zöllner und Stadtwachen eher rar waren. Das<br />

war mir nur Recht, denn in den unteren Lagen meiner als<br />

Kerschawkerne, Malz und Werkharz deklarierten Fracht<br />

befanden sich 2000 Langschwerter, 2000 Kurzschwerter,<br />

400 Langbögen, 400 Armbrüste und einige<br />

Doppelzentner <strong>der</strong> neuesten Entwicklung <strong>der</strong><br />

segurianischen Alchymisten, ein Explosivstoff, den wir in<br />

<strong>der</strong> Heimat als „B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong>“ bezeichneten. Schon eine<br />

Handvoll davon reichte aus, <strong>um</strong> eine Festungsmauer zu<br />

zerlegen. Das B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong> war eine absolute Geheimwaffe,<br />

von <strong>der</strong>en Existenz bzw. Herkunft nur wenige<br />

eingeweihte wussten. Mein Auftrag lautete, die Waffen,<br />

getarnt als Warentrail, nach <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> zu schaffen, <strong>um</strong><br />

sie dort den im Hintergrund operierenden Rebellen<br />

zukommen zu lassen.<br />

Das segurianische Imperi<strong>um</strong> hatte gute Gründe, hier im<br />

Königreich <strong>Gonda</strong> verdeckt zu operieren. Die<br />

Expansionsbestrebungen des Kaisers bedrohten die<br />

segurianischen Grenzen, einige Fürstentümer waren<br />

bereits Ninurtas Occupationsarmeen z<strong>um</strong> Opfer gefallen.<br />

Ein offener Krieg war keine Option, so dass die<br />

segurianischen Bashars beschlossen hatten, den<br />

Wi<strong>der</strong>stand in <strong>Gonda</strong> zu unterstützen. Meine Expedition<br />

war nicht die erste dieser Art, und unsere logistische<br />

Unterstützung zeigte im Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong> Macht Ninurtas<br />

schon Erfolge. Diesmal jedoch lieferten wir z<strong>um</strong> ersten<br />

Mal B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong>, damit sollten die Rebellen dem<br />

Kaiserhaus z<strong>um</strong> ersten Mal empfindlichen Schaden<br />

zufügen.<br />

Der Explosivstoff unterschied sich im Transportzustand<br />

ka<strong>um</strong> von Riba-Harz und konnte nur durch eine<br />

bestimmte Substanz, welche die kyrillianischen<br />

Butalkäfer aus einer speziellen Drüse zur Verteidigung<br />

abson<strong>der</strong>ten, gezündet werden. Ohne das Butalinsulfat<br />

war B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong> praktisch wertlos. Die Zün<strong>der</strong> trug ich<br />

nicht bei mir, sie wurden von einem geson<strong>der</strong>ten Kurier<br />

auf einer an<strong>der</strong>en Route geliefert. So konnte ich mich im<br />

Falle einer Entdeckung als harmloser und unwissen<strong>der</strong><br />

Handlungsreisen<strong>der</strong> aus dem südöstlichen Kasak<br />

ausgeben und hatte schlimmstenfalls die Beschlagnahme<br />

<strong>der</strong> Eisenwaffen durch die kaiserlichen Garden zu<br />

befürchten. Diese jedoch kontrollierten an den<br />

Stadtgrenzen nur sporadisch, und waren oft bestechlich,<br />

sie waren es gewohnt, dass Drogenhändler ihren Weg in<br />

die Stadt mit Silberbakschisch freikauften. <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong><br />

war halt dekadent, durch und durch. Meine Chancen<br />

standen also recht gut, meine Fracht unbesehen in die<br />

Stadt zu bringen.<br />

<strong>Gonda</strong>h-<strong>Lah</strong> war, verglichen mit den an<strong>der</strong>en Städten des<br />

Kontinents, ein Moloch ungeheuren Ausmaßes. Hier<br />

trafen die verschiedensten Kulturen aufeinan<strong>der</strong>, in den<br />

Nationalitätenvierteln am Stadtrand herrschte buntes<br />

Durcheinan<strong>der</strong>. Z<strong>um</strong> zentralen Marktplatz, dem Sukh,<br />

<strong>der</strong> in seinen Ausdehnungen allein schon die Größe<br />

meiner Heimatstadt Segur Minor <strong>um</strong> einiges übertraf,<br />

führten fünf große, vierwegige Gh<strong>um</strong>pa-Alleen, auf denen<br />

Waren aus allen Län<strong>der</strong>n des Kontinents transportiert<br />

wurden. An vielen Abzweigungen führten weitere<br />

<strong>Trail</strong>wege in die verschiedenen Stadtteile wie z.B. Ars<br />

<strong>Gonda</strong>e, das Viertel <strong>der</strong> Künstler, o<strong>der</strong> Salesborough, die<br />

große Händlerstadt. Das Handwerkerviertel LaDan hatte<br />

beson<strong>der</strong>s breite <strong>Trail</strong>wege, denn hier wurden Rohstoffe<br />

und Produktionsgüter verarbeitet. Nirgendwo auf dem<br />

Kontinent sah man <strong>der</strong>art viele Gh<strong>um</strong>pa- und Trak-Arten,<br />

wie in <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>. Auch herrschten hier ein enormes<br />

Sprachgewirr, eine einzigartige Vielfalt an Trachten,<br />

Traditionen und Sitten. Ohne ortsansässigen Führer war<br />

es schwer, sich hier auf Anhieb zurechtzufinden.<br />

Mitten im Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong> Stadt, südlich des Sukh, lag Jahw<br />

Salam, <strong>der</strong> Regierungssitz des Hauses Ninurta. Hier<br />

herrschte Ninurta Apla III. tyrannisch über sein Reich, er<br />

residierte in einem Palast, <strong>der</strong> über 20 gondische Meilen<br />

lang und etwa 15 Meilen breit war. Diese historisch<br />

gewachsene Ansammlung von Residenzen, Kasernen,<br />

Magazinen und Hallen war <strong>der</strong> größte<br />

zusammenhängende Gebäudekomplex aller bekannten<br />

Welten. Jahw Salam war eine militärische Festung, <strong>der</strong>en<br />

Mauern über 300 Fuß hoch und 60 Fuß breit waren, im<br />

Fundament 100 Fuß breit und 50 Fuß tief. Die<br />

Palastgarde, etwa 20.000 Mann unter Waffen, schützte<br />

diesen gewaltigen Komplex und sorgte dafür, dass <strong>der</strong><br />

Kaiser unbehelligt von <strong>der</strong> Armut seines Volkes den<br />

Regierungsgeschäften nachgehen konnte.<br />

In <strong>Gonda</strong> herrschte seit Urzeiten eine eingeschworene<br />

Adelsclique, die ihre Pfründe nach festgelegten Regeln<br />

unter sich aufteilte. Das Volk litt sehr unter dieser<br />

Misswirtschaft. In den <strong>um</strong>liegenden Reichen hatten die<br />

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Regenten die Notwendigkeit des Miteinan<strong>der</strong> bereits<br />

eingesehen, nur in <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> wi<strong>der</strong>setzte man sich <strong>der</strong><br />

Sozialisierung vehement. Das sollte sich än<strong>der</strong>n. Die<br />

vorsichtigen Hilferufe <strong>der</strong> Rebellen waren im Umland auf<br />

Gehör gestoßen und <strong>der</strong> große Staatsstreich war im<br />

Grunde nicht mehr abzuwenden. Die Reiche Boräal,<br />

Dulgur, Haerek, Mouzkvar und Seguria unterstützten die<br />

Rebellen mit Waffen und Propaganda, und auch die<br />

Landbewohner <strong>der</strong> gondrischen Hochebene sehnten den<br />

Wechsel herbei. Das half uns, den Waffenschmugglern,<br />

natürlich enorm, auch wenn man höllisch darauf achten<br />

musste, nicht an Spione des Kaisers o<strong>der</strong> Kollaborateure<br />

zu geraten.<br />

Meine Gh<strong>um</strong>pas wurden unruhig. Ihre feinen Sensoren<br />

hatten irgendetwas wahrgenommen, das nicht normal<br />

war. Auch <strong>der</strong> Trak-Ghena lief nicht mehr im gewohnten<br />

Trott, er begann, am Geschirr zu ziehen. Vor mir lag ein<br />

Wäldchen aus großen Gluten-Sukkulenten, durch das <strong>der</strong><br />

geschlungene <strong>Trail</strong>weg führte. Meine feine Nase<br />

signalisierte Eisengeruch, kurz darauf hörte ich Schwerter<br />

klirren, <strong>der</strong> Boden bebte leicht, zweifelsohne waren das<br />

die Erschütterungen von Gh<strong>um</strong>pas, die führungslos<br />

<strong>um</strong>herirrten. Ich stoppte den <strong>Trail</strong> und ließ die Gh<strong>um</strong>pas<br />

stehen. Dann beschleunigte ich den Trak und preschte<br />

kurz darauf in eine Lichtung, auf <strong>der</strong> heftig gekämpft<br />

wurde. Ein erster Überblick zeigte mir, dass es <strong>der</strong> <strong>Trail</strong><br />

<strong>der</strong> Prinzessin Askash war, <strong>der</strong> dort von Raubgesindel<br />

angegriffen wurde. Ich zählte acht tote und vier verletzte<br />

Soldaten, zwei tote Räuber und einen <strong>Kampf</strong>trak, dem<br />

man mit einer Quarzschnur die Beine an den unteren<br />

Segmenten abgetrennt hatte. Das Tier kroch auf den<br />

Beinstümpfen unbeholfen <strong>um</strong>her und schnappte ziellos<br />

mit den Kieferzangen in alle Richtungen. Sechs<br />

verbliebene Soldaten hatten sich <strong>um</strong> den Wagen <strong>der</strong><br />

Prinzessin geschart und versuchten, zehn Angreifer<br />

abzuwehren, die sich reiche Beute versprachen angesichts<br />

des prunkvoll ausgestatteten Wagens.<br />

Zwei <strong>der</strong> Räuber reagierten prompt auf mein Erscheinen<br />

und stürzten mit gezückten Schwertern in meine<br />

Richtung. Ich stoppte meinen Reitkäfer, sprang im Sattel<br />

hoch und hechtete mit einer Luftrolle vor den Trak. Im<br />

Flug hatte ich Kilm´tal und das Kurzschwert gezogen. Der<br />

erste Stürmer lief in die Klinge des kurzen Schwertes,<br />

dem zweiten hieb ich –noch im Fluß <strong>der</strong> Bewegung- den<br />

Kopf von den Schultern.<br />

Von den sechs Soldaten lebten in diesem Moment nur<br />

noch zwei, und ich sprintete mit wirbelnden Schwertern<br />

z<strong>um</strong> Wagen. Einem Räuber hieb ich mit Kilm´tal in den<br />

Bauch, das war sein Ende. Der nächste Angreifer musste<br />

erfahren, dass segurianische Langschwerter aus einer<br />

Legierung gemacht waren, <strong>der</strong> eine gondische Klinge<br />

nicht gewachsen war. Sein Kr<strong>um</strong>msäbel zerbrach in<br />

mehrere Teile, als dieser auf Kilm´tal traf. Ein verdutzter<br />

Blick war das Letzte, wozu er in diesem Leben fähig war.<br />

Die Räuber merkten, dass es ernst wurde. Vier von ihnen<br />

<strong>um</strong>ringten mich, während die letzten beiden die<br />

kümmerlichen Reste <strong>der</strong> Eskorte nie<strong>der</strong>metzelten. Ich<br />

konzentrierte mich auf meine vier Kombatanten. Mit<br />

gezückten Schwertern und Äxten <strong>um</strong>kreisten sie mich<br />

lauernd, während ich in <strong>der</strong> Haltung des Erhabenen<br />

Mardukaij da stand, Kilm´tal langsam in <strong>der</strong> rechten<br />

Hand rotieren lassend, das Kurzschwert hielt ich<br />

ausgestreckt vor. Hier und da täuschte einer <strong>der</strong> Vier<br />

einen Angriff vor, <strong>um</strong> meine Aufmerksamkeit auf sich zu<br />

ziehen, damit sein Gegenüber angreifen konnte, doch das<br />

funktionierte nicht bei mir.<br />

Ich diente seit über 20 Sommern in <strong>der</strong> segurianischen<br />

Armee, und was diese verlausten Bauernlümmel hier<br />

zeigten, hätte nicht einmal einen Rekruten bei uns in <strong>der</strong><br />

Heimat beeindruckt. Erstaunlich fand ich, dass die<br />

Eskorte <strong>der</strong> Prinzessin sich so einfach hatte überr<strong>um</strong>peln<br />

lassen.<br />

Einer <strong>der</strong> Angreifer machte einen Schrittfehler und<br />

strauchelte, ich nutzte die kurze Verwirrung und startete<br />

einen Ausfall. Ich wirbelte her<strong>um</strong>, auf ihn zu, und nach<br />

einem kurzen Klingenwechsel fiel er. Den Schlag seines<br />

rechten Flankenmannes wehrte ich mit dem Kurzschwert<br />

ab und unterlief ihn. Ich brach aus, drehte mich her<strong>um</strong><br />

und bog mich wie Schilfgras im Wind nach hinten.<br />

Gerade rechtzeitig, <strong>um</strong> einem Überkopfschlag<br />

auszuweichen und dem Ausführenden das Kurzschwert<br />

von hinten in die Rippen zu jagen.<br />

Die Waffe des Vierten zog waagerecht über meinen Kopf<br />

hinweg. Sofort richtete ich mich auf, griff mein<br />

Langschwert mit beiden Händen und trieb den Angreifer<br />

mit kurzen Kreuzschlägen in Richtung Wagen, wo seine<br />

beiden letzten Mitkämpfer eben mit <strong>der</strong> Eskorte<br />

aufgerä<strong>um</strong>t hatten. Die drei standen vor mir und<br />

tauschten einige unsichere Blicke aus. Ich hob Kilm´tal<br />

vor mein Gesicht und drückte einen Knopf am Griff.<br />

Daraufhin sprangen seitlich vom Kreuzsteg vier kurze<br />

Klingen heraus, die dem Schwert ein furchtbares<br />

Aussehen verliehen. Ich ging leicht in die Hocke,<br />

fe<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Stand, und wirbelte Kilm´tal in <strong>der</strong> Rechten<br />

langsam her<strong>um</strong>. Lächelnd winkte ich die Räuber mit <strong>der</strong><br />

Linken heran. Die drei ließen ihre Schwerter fallen und<br />

liefen, als wäre <strong>der</strong> leibhaftige Finsteralb hinter ihren<br />

armen Seelen her.<br />

Ich ging zu dem verstümmelten <strong>Kampf</strong>trak und stieß ihm<br />

das Schwert hinter den Kieferzangen von unten in den<br />

Kopf, mehr konnte ich für das Tier nicht tun. Der Trak<br />

brach augenblicklich tot zusammen. Ich steckte die<br />

gereinigten Schwerter weg und ging zurück z<strong>um</strong> Wagen,<br />

<strong>um</strong> nachzusehen, wie es <strong>der</strong> Prinzessin ergangen war.<br />

Ka<strong>um</strong>, dass ich den schweren Türgriff <strong>der</strong> schweren<br />

Kutsche berührt hatte, schwang die Tür auf und ich wurde<br />

von einer Furie mit erhobenem Dolch attackiert.<br />

Blitzschnell griff ich ihre Handgelenke, was sie jedoch<br />

keineswegs kampfunfähig machte. Ein d<strong>um</strong>pfer Schlag in<br />

<strong>der</strong> Leistengegend, <strong>der</strong> vom Knie <strong>der</strong> schönen Wilden<br />

herrührte, erinnerte mich daran, wie überaus nützlich es<br />

war, dass die Reitkleidung von Gh<strong>um</strong>pa-Führern mit<br />

einem festen Suspensori<strong>um</strong> versehen war. Die Prinzessin<br />

schrie auf, denn ihr Knie hatte diesen Stoß wohl weniger<br />

unbeschadet überstanden als mein Unterleib.<br />

Ich zog sie aus dem Wagen heraus und stellte sie auf die<br />

Füße. Durch einen leichten Druck meiner Linken fiel ihr<br />

Dolch zu Boden. Ich grinste ihr ins Gesicht.<br />

„Aber, aber… ist das eine Art, seinen Retter zu<br />

begrüßen?“ fragte ich scherzend. Sie sah mich verdutzt<br />

an. „Ich…ich kenne Euch, Ihr wart in <strong>der</strong> Herberge…“<br />

Zweifel war in ihrem Blick, nur langsam realisierte ihr<br />

Verstand, dass ich wohl nicht zu <strong>der</strong> Meute gehörte,<br />

welche sie überfallen hatte.<br />

Langsam wurde ihr Gesichtsausdruck freundlicher. Sie<br />

sah sich <strong>um</strong>, entdeckte die Leichen <strong>der</strong> Soldaten und <strong>der</strong><br />

Räuber. Dann sah sie mich wie<strong>der</strong> an.<br />

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„Ich schulde Euch Dank, Dom. Wie kann ich Euch diese<br />

gute Tat vergelten? Ich führe einige Talente an Gold mit<br />

mir. Fühlt Euch frei, Euch nach Eurem Gutdünken daran<br />

zu bedienen.“<br />

Ich schüttelte den Kopf. „Ich brauche Euer Gold nicht. Es<br />

war mir eine Ehre, Euch aus dieser Not zu helfen.“ Mit<br />

einen Blick auf ihre <strong>der</strong>angierten Fortbewegungsmittel<br />

fügte ich hinzu: “Nun, wie es aussieht, werdet Ihr den<br />

Rest Eurer Reise wohl in etwas unbequemeren<br />

Umständen antreten müssen, Euer <strong>Trail</strong> wurde schwer<br />

beschädigt.“ Ich deutete mit einer ausladenden Geste im<br />

Kreis auf die Reste ihres <strong>Trail</strong>s. „Die Gh<strong>um</strong>pas sind<br />

geflohen, einen Eurer Traks musste ich von seinem Leid<br />

erlösen, <strong>der</strong> Wagen ist fahruntauglich. Bleibt lediglich<br />

ein Trak mit geringer Tragkraft. Ihr könnt einen Trak<br />

reiten?“<br />

„Sicher kann ich das.“ Meinte sie stolz „Ich bin eine<br />

Varaq-Prinzessin, eine Askash!“ Dabei setzte sie ein<br />

trotziges Gesicht auf.<br />

Ich verneigte mich vor ihr. „Ich bin Fela Ibn Aib Noirez<br />

und stamme aus dem segurianischen Imperi<strong>um</strong>, ich in<br />

erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen, Prinzessin…“ Ich<br />

sah sie fragend an.<br />

„Chahani, aus dem Hause Askash.“ Meinte sie nüchtern<br />

und kehrte zu ihrem aristokratischen Gehabe zurück.<br />

„Prinzessin Chahani, wenn Ihr es wünscht, werde ich<br />

Euch nach <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> geleiten, dies ist auch mein Weg.<br />

Ich denke, so kommt Ihr sicher ans Ziel. Allerdings<br />

werdet Ihr auf ein Großteil Eurer Habe wohl verzichten<br />

müssen. Sicherlich können wir einiges auf meine<br />

Gh<strong>um</strong>pas <strong>um</strong>laden, aber Euren geflüchteten Gh<strong>um</strong>pas<br />

nachzustellen scheint mir angesichts <strong>der</strong> momentanen<br />

Lage etwas zu risikoreich. Die Banditen waren sicherlich<br />

nicht allein in <strong>der</strong> Gegend, vielmehr sollten wir zusehen,<br />

dass wir weiterkommen.“<br />

Die Prinzessin trat vom Wagen zurück und besah sich die<br />

Bescherung. Die Hinterachse war gebrochen und einige<br />

Gepäckstücke lagen verstreut in <strong>der</strong> Gegend. Ich meinte,<br />

in ihrem Gesicht einen etwas angewi<strong>der</strong>ten Ausdruck zu<br />

erkennen, <strong>der</strong> jedoch schnell wie<strong>der</strong> verflog. Sie sah mir<br />

ins Gesicht.<br />

„Dom Fela, ich danke Euch für Euer Angebot. Ich<br />

brauche nicht viel z<strong>um</strong> Reisen. Das da…“ sie deutete auf<br />

das Gepäck, das sich noch auf dem Wagendach türmte,<br />

„… sind nur Dinge.“ Ich fand es erstaunlich, wie<br />

verächtlich sie dieses Wort aussprach. „Diese Dinge<br />

waren eh nur dafür bestimmt, mich auszustaffieren,<br />

damit ich meinem zukünftigen Bräutigam gefalle. Sie<br />

sind also nicht wichtig. Nicht für mich jedenfalls.“<br />

Damit verschwand sie im Wagen und kehrte mit einem<br />

Bündel Klei<strong>der</strong> zurück, das nicht eben wie das einer<br />

Prinzessin aussah. Die junge Dame erstaunte mich<br />

zunehmend. Ihre Art zu sprechen und die Art wie sie sich<br />

bewegte deuteten eher auf eine Kriegerin hin, denn auf<br />

eine aristokratische Dame von Welt. Wie hatte <strong>der</strong> Wirt<br />

gesagt? ‚…eine politische Heirat…’ Ich reimte mir mein<br />

Teil zusammen. Derweil kramte die Prinzessin noch im<br />

Gepäck, wohl <strong>um</strong> einige nützliche Dinge zu bergen. Neben<br />

einigen kleineren Tornistern verzurrten wir<br />

Klei<strong>der</strong>bündel, eine Lanze, Kochgeschirr und Proviant auf<br />

einem <strong>der</strong> beiden Durga-Gh<strong>um</strong>pas, die den Wagen<br />

gezogen hatten. Vom toten <strong>Kampf</strong>trak nahmen wir das<br />

Reitgeschirr, passten es an und zä<strong>um</strong>ten das Zugtier<br />

damit auf.<br />

Inzwischen war einige Zeit verstrichen, und wir würden<br />

wohl o<strong>der</strong> übel noch eine Nachtrast auf dem Weg nach<br />

<strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> einlegen müssen, z<strong>um</strong>al wir noch meine<br />

Gh<strong>um</strong>pas heranholen mussten, bevor wir die Reise<br />

fortsetzen konnten.<br />

Als wir den <strong>Trail</strong> aufgestellt hatten, war es bereits<br />

Nachmittag. Ich schlug den Tambur und die Chalais -<br />

Gh<strong>um</strong>pas setzten sich wiegend in Bewegung. Prinzessin<br />

Chahani ritt neben mir auf dem kleinen Durga, <strong>der</strong> nur<br />

mäßig beladen war. Wir verließen den Sukkulentenwald<br />

und kamen einige Glasen später in eine halboffene<br />

Savanne, auf <strong>der</strong> große Onkerherden offen weideten.<br />

Diese riesigen Wesen waren die Haupteinnahmequelle<br />

<strong>der</strong> Hirten auf dem gesamten gandrischen<br />

Kontinentalschild. Auf drei mächtigen Säulenbeinen<br />

ruhte ein haushoher fellgekleideter Körper, aus dem ein<br />

mannshoher Hals ragte, <strong>der</strong> einen vergleichsweise<br />

winzigen Kopf trug. Ihre Gehirne waren nicht viel größer<br />

als eine Thulaschote und sie waren absolut friedlich,<br />

solange man ihren Jungen nicht zu nahe kam. Onker<br />

lieferten alles, was man für ein einfaches Leben brauchte.<br />

Ein seidenweiches Fell, Fleisch im Überfluß (das<br />

getrocknete Rauchfleisch von einem einzigen Onker<br />

konnte eine Großfamilie ohne weiteres ein Jahr lang<br />

ernähren), Sehnen (die gröberen für den Bau, die feinsten<br />

für Näharbeiten), Knochen als Ba<strong>um</strong>aterial (ich hatte<br />

ganze Farmen gesehen, die aus Onkerbein gebaut waren).<br />

Die Blasen <strong>der</strong> Tiere fassten bis zu 20 Ra<strong>um</strong>ellen und<br />

eigneten sich hervorragend als Vorratsbehälter für Wein<br />

und Wasser im Keller. Die Onker waren das<br />

wirtschaftliche Rückgrat <strong>der</strong> einfachen Menschen. Sie<br />

lebten in großen Herden und weideten in den Ebenen<br />

Gandris seit Millionen Sommern. Unbehelligt ritten wir<br />

mitten durch eine müßig dahinziehende Herde hindurch.<br />

Das Buschland war gut zu übersehen, und wie es aussah,<br />

drohte uns keinerlei Gefahr auf dem Weg. Ich sah die<br />

Prinzessin von <strong>der</strong> Seite her an. Sie sah nicht eben<br />

glücklich aus. Ihre Blicke waren leer und stachen wie<br />

Lanzen aus ihren Augen in die Ödnis. Ihr Körper wiegte<br />

sich gekonnt im Sattel und fing das Schlingern des Durga<br />

unter ihr fe<strong>der</strong>nd ab. Sie ritt nicht z<strong>um</strong> ersten Mal einen<br />

Gh<strong>um</strong>pa, stellte ich erstaunt fest. Sie bemerkte meine<br />

Blicke und sah mich direkt an.<br />

„Was gibt es zu sehen, Dom? Habt Ihr noch nie eine<br />

Prinzessin reiten sehen?“ fragte sie spröde.<br />

„Aye, Hoheit! Wahrlich, in <strong>der</strong> Tat, das habe ich noch<br />

nicht gesehen, jedenfalls nicht auf einem Gh<strong>um</strong>pa!“ gab<br />

ich amüsiert zurück. „In meiner Heimat reiten die<br />

erlauchten Damen allenfalls mal einen Zwergtrak.“<br />

Sie musste lachen, es klang glockenhell und klar. „Nun,<br />

Dom, in meiner Heimat ist es an sich auch nicht üblich,<br />

dass die Töchter des Großkönigs sich in <strong>der</strong>lei<br />

Trivialitäten ergehen. Gewöhnlich widmen sich meine<br />

Schwestern eher den häuslichen und gesellschaftlichen<br />

Gepflogenheiten. Ich bin wohl etwas … aus <strong>der</strong> Art<br />

geschlagen, wie man sagt…“ Sie lachte wie<strong>der</strong>, aber<br />

diesmal klang es verbittert. „Ihr könnt mich übrigens<br />

Chahani nennen, ich lege keinen Wert auf<br />

Förmlichkeiten, wenn ich im Sattel eines Lastkäfers<br />

sitze.“ Ihr Körper vollzog eine Bewegung, die irgendetwas<br />

zwischen einem stillen Seufzer und einem verborgenen<br />

sarkastischen Lachen andeutete.<br />

„Gehe ich Recht in <strong>der</strong> Annahme, dass Ihr Euer Reiseziel<br />

nicht selbst wähltet?“ erdreistete ich mich zu fragen. Sie<br />

sah mich lange und durchdringend an. „Aye“ bemerkte sie<br />

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knapp und sah wie<strong>der</strong> nach vorn. Ich folgte ihrem<br />

Beispiel. Als ich sie kurz darauf aus den Augenwinkeln<br />

noch einmal ansah, bemerkte ich, wie eine kleine Träne<br />

über ihre Wange rollte, ein kleiner glitzern<strong>der</strong> Diamant,<br />

<strong>der</strong> das vergehende Licht <strong>der</strong> Mittagssonne brach.<br />

S´rath versank langsam am Horizont, und die beiden<br />

kleineren Sonnen ließen das Licht dämmrig werden. Ich<br />

hielt Ausschau nach einem geeigneten Rastplatz für die<br />

Nacht. Eine größere Felsengruppe auf einem Hügel etwas<br />

abseits vom Weg schien mir passabel. Ich informierte<br />

Chahani und wir lenkten den <strong>Trail</strong> nach Rechts, auf die<br />

Anhöhe zu. Die Vegetation war dort üppig, was auf das<br />

Vorhandensein einer Quelle hindeutete. Die Gh<strong>um</strong>pas<br />

hatten dort genug zu fressen, und auch mein Trak-Ghena<br />

würde sich mit dem vorhandenen Buschwerk begnügen.<br />

Als wir den Hügel erreichten, war S´rath vom Firmament<br />

verschwunden, die Nachtgeräusche nahmen zu. Das<br />

Konzert <strong>der</strong> Cal<strong>der</strong>a-Grillen erklang langsam, ein<br />

melodisches Sirren, das ich viele Nächte in <strong>der</strong> Savanne<br />

gehört hatte. Solange sie sangen, drohte keinerlei Gefahr<br />

durch Raubinsekten o<strong>der</strong> Nachtsturzvögel, die einen<br />

ausgewachsenen Mann ohne weiteres vom Boden<br />

fortreißen konnten.<br />

Die Wahl des Lagerplatzes erwies sich als günstig. Ein<br />

großer Steinkreis mit einem kleinen Teich, in dem es<br />

Fische zu geben schien. Feuerholz war ausreichend<br />

vorhanden und die Steine schirmten das Licht zu allen<br />

Seiten ab. So liefen wir nicht Gefahr, von Räubern und<br />

Diebsgesindel entdeckt zu werden.<br />

Wir lösten den <strong>Trail</strong> und schickten die Chalais - Gh<strong>um</strong>pas<br />

z<strong>um</strong> Weiden. Den Durga und den Trak pöhlten wir an<br />

langen Seilen und luden unsere Ausrüstung ab. Ich<br />

sammelte etwas Feuerholz und nahm Blendquarz und<br />

Feuerstahl zur Hand. Die Prinzessin sah, wie ich mich<br />

nach leichtem Zun<strong>der</strong> <strong>um</strong>sah und nahm ein kleines<br />

Fläschchen aus ihrem Gepäck. Sie schüttelte es, öffnete<br />

den Verschluß und hielt es unter das Feuerholz. Sie<br />

grinste mich an und hieb mit einem kleinen Stahl auf den<br />

Flaschenrand. Ein Funke sprang, und aus <strong>der</strong> Flasche<br />

schoß zischend eine bläuliche Flamme, die binnen<br />

kürzester Zeit das Holz entzündete. „Varaqanisches<br />

S<strong>um</strong>pfgas“ meinte sie schmunzelnd, „wir pressen es in<br />

Amphoren aus Kalil-Erz. Sehr nützlich übrigens im<br />

Regen. Dieser Feuerspen<strong>der</strong> brennt ohne Pause zwei<br />

Monde lang.“<br />

Ich zog die Augenbrauen hoch. Eine faszinierende<br />

Technik, wie ich fand.<br />

„Ich werde eine Jurte errichten“ sagte ich und ging zu<br />

meinem Trak, <strong>um</strong> das Zeltgestänge und das Tuch<br />

abzuladen. Die Prinzessing ging zu ihrem Gh<strong>um</strong>pa und<br />

nahm die Lanze an sich. „Ich werde uns etwas zu Essen<br />

besorgen“ meinte sie und nickte z<strong>um</strong> Teich hinüber. Sie<br />

wählte einen Standpunkt auf einem Felsüberhang und<br />

verharrte dort mit z<strong>um</strong> Stoß erhobener Lanze.<br />

Als ich das Zelt aufgestellt hatte, kam sie mit drei recht<br />

ansprechenden Fischen zurück z<strong>um</strong> Feuer, die wir<br />

gemeinsam zubereiteten. Ich hatte noch einige<br />

Süßknollen im Gepäck, und sie zauberte aus ein paar<br />

Kräutern, Steinsal, etwas Wasser, vermengt mit ein wenig<br />

Yarkawurzelmilch und wilden Lilienzwiebeln, die hier<br />

überall wuchsen, eine köstlich duftende Tunke. Kurze Zeit<br />

später hatten wir ein für diese Verhältnisse opulentes<br />

Mahl bereitet, das wir genüsslich verspeisten.<br />

„Das Wasser scheint gut zu sein hier, ich werde mich<br />

waschen“ meinte sie nach dem Essen, „ich stinke wie ein<br />

Onker.“ Sie redete wie ein Gh<strong>um</strong>pa-Führer, nicht wie eine<br />

Adlige. Das erstaunte mich. Es ließ sich nicht verleugnen,<br />

dass diese Prinzessin meine Neugier weckte. Sie passte so<br />

gar nicht in das Bild vom hochnäsigen Mädel, das ich in<br />

<strong>der</strong> Taverne gewonnen hatte. Unschwer zu erkennen war,<br />

dass man sie gegen ihren Willen in <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong><br />

verheiraten wollte. So konnte man in Dune-Varaq eine<br />

möglicherweise unliebsame Person loswerden und<br />

gleichzeitig einige politische Bande nach <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> an<br />

den Hof Ninurtas festigen. Ein mieses Geschäft, wie mir<br />

schien. Als Chahani vom Wasser zurückkehrte, war es<br />

bereits dunkel.<br />

Ich schürte das Feuer und setzte einen Topf Ganja-Tee an,<br />

welchen ich nach segurianischer Art zubereitete. Ich griff<br />

in die Proviantkiste und holte die Zutaten hervor. Dann<br />

zerließ ich etwas Schmalz im Topf, fügte eine Handvoll<br />

Gh<strong>um</strong>pagraszucker dazu und erhitzte beides stark auf<br />

dem Feuer. Als <strong>der</strong> braune Zucker karamellisierte und<br />

Fäden zog, fügte ich zwei Hände voll Ganjablätter hinzu<br />

und rezitierte leise das Ganjamantram. Der starke<br />

Kräuterduft schwängerte die Luft. Die Mischung musste<br />

während des Rezitierens <strong>der</strong> heiligen Silben gerührt<br />

werden, schrieb die uralte Tee-Tradition vor. Wobei das<br />

Rühren eher <strong>der</strong> Verhin<strong>der</strong>ung des Verkohlen diente<br />

denn <strong>der</strong> zeremoniellen Wichtigkeit. Einen Augenblick<br />

später goß ich Wasser auf die Mischung und begleitet von<br />

einem heftigen Zischen stieg eine wohlriechende<br />

Dampfwolke über dem Topf auf.<br />

Ich zog den Topf vom Feuer und gab aus einer Tonkruke<br />

etwas Wollsa<strong>um</strong>ilch dazu. Nun musste <strong>der</strong> Tee nur noch<br />

etwas ziehen. Chahani sah mir interessiert zu. „Das riecht<br />

gut, Dom Fela“ meinte sie und sah vom Topf auf. „Was ist<br />

das für ein Getränk?“<br />

„Das ist Ganja-Tee“ antwortete ich „Es ist ein Kraut aus<br />

meiner Heimat. Der Tee entspannt den Muskelpanzer<br />

und beruhigt den Geist, ohne zu schwächen. Und<br />

nebenbei ist er sehr schmackhaft.“<br />

Ich holte zwei Tankardkrüge aus <strong>der</strong> Backskiste und goß<br />

den Tee durch ein Siebnetz in eine Kanne, aus <strong>der</strong> ich die<br />

Tankards halbvoll schenkte. Ich reichte Chahani einen <strong>der</strong><br />

dampfenden H<strong>um</strong>pen und setzt mich wie<strong>der</strong>. Mit beiden<br />

Händen hielt ich meinen Tankard und sog gierig den Duft<br />

des Getränks ein.<br />

Erinnerungen an die Heimat wurden wach. Bil<strong>der</strong><br />

entstanden auf <strong>der</strong> Innenseite meiner geschlossenen<br />

Li<strong>der</strong>. Bil<strong>der</strong> von rauher, karstiger Landschaft in mildem<br />

Seeklima. Die charakteristischen Dolmen-Menhires, die<br />

das Heimatgut des Beltane-Clans symbolisch vom Land<br />

unserer Nachbarn abgrenzten. Die Reshtak-Herden<br />

meines Clans, die frei im Land weideten. Saftige, grüne<br />

Auwiesen mit ausgedehnten, weichen Onkergraskissen,<br />

die im Sommer von Myriaden bunter Bl<strong>um</strong>en gesprenkelt<br />

wurden. Der Duft nach Kräutern, Seeluft, <strong>der</strong> Wind im<br />

Haar. In Gedanken hörte ich den Schrei des Amarna-<br />

Falken, <strong>der</strong> schrill und laut über die Ebene klang… Kiwiitit!<br />

Kiwiit-it!!<br />

„Woran denkt Ihr?“ Chahani riß mich brutal aus dem<br />

lieblichen Tagtra<strong>um</strong>.<br />

„An die Heimat.“ Langsam öffnete ich die Augen und sah<br />

sie an. Ich bemerkte erst jetzt, dass sie an sich sehr<br />

nachdenkliche Züge hatte, keineswegs das oberflächliche<br />

Gesicht einer Aristokratentochter. Ihr Gesicht war hart<br />

und schmal, aber von einer gewissen subtilen Schönheit,<br />

die sich erst bei genauem Hinsehen voll entfaltete. Ihre<br />

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grünen Augen blitzten linkisch und strahlten<br />

nichtdestotrotz eine enorme Wärme aus. Die Nase mit<br />

eng anliegenden Flügeln passte genau zu <strong>der</strong> Form ihres<br />

Gesichtes. Der Mund unter den hohen wangenknochen<br />

war sinnlich. Das spitze, markante Kinn verlieh ihrem<br />

Gesicht Charakter und Individualität.<br />

„Was verschlägt Euch eigentlich hierher, Dom? Ich<br />

meine, was habt Ihr geladen?“ Sie nickte in die Richtung,<br />

aus <strong>der</strong> das sanfte Kollern <strong>der</strong> Chalais zu vernehmen war.<br />

Ich nahm einen großen Schluck Tee. Heiß und süß rann<br />

es in meiner Kehle hinab. Wohin wollte die Prinzessin?<br />

Ich hatte das Gefühl, dass diese banale Frage in eine völlig<br />

an<strong>der</strong>e Richtung zielte.<br />

„Riba-Harz, Thenamelange und Hatai-Erze. Ich will in<br />

<strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> einen guten Schnitt machen“ antwortete ich<br />

tonlos.<br />

Sie sah mich beinahe verächtlich an. „Dom, Ihr wollt<br />

mich z<strong>um</strong> Narren halten. Es mag ja sein, dass ich eine<br />

Prinzessin bin und unerfahren in <strong>Trail</strong>angelegenheiten,<br />

aber ich bin sehr wohl in <strong>der</strong> Lage, einen Kaufmann von<br />

einem Krieger zu unterscheiden. Und Ihr…“ sie deutete<br />

mit dem ausgestreckten Finger auf mich „… seid kein<br />

Kaufmann! Also bitte, haltet mich nicht für d<strong>um</strong>m!“<br />

Jetzt sah sie mich herausfor<strong>der</strong>nd an. Ich steckte in einer<br />

Zwickmühle. Sie setzte nach.<br />

„Ihr bewegt Euch wie ein Krieger, Dom Fela. Ich habe<br />

Euch beobachtet. Oh, Ihr gebt Euch den Anschein eines<br />

harmlosen Gh<strong>um</strong>paführers, gewiß, und das versteht Ihr<br />

gut. Aber ich nehme Euch diesen M<strong>um</strong>menschanz nicht<br />

ab.“ Sie lächelte siegessicher, als ich nicht reagierte.<br />

„Ich denke,“ führte sie den nächsten Streich, „dass Ihr<br />

unter einen Vorwand in die Stadt geht. Doch wozu?“ Sie<br />

blickte scheinbar versonnen in die Luft, so, als suche sie<br />

nach einem Gedanken. Doch den hatte sie ja längst, sie<br />

spielte also. Doch welches Spiel war es, das sie spielte?<br />

Ich musste aus <strong>der</strong> Defensive heraus. Langsam hob ich<br />

den Blick und sah fest in Chahanis Augen.<br />

„Nun, werte Prinzessin, Ihr scheint Euch ja bereits ein<br />

Urteil über mich gebildet zu haben. Was denkt Ihr, was<br />

ich bin, hm?“<br />

„Ich denke, Ihr seid ein geübter Krieger, Dom“ gab sie<br />

ernst zurück, „und wahrscheinlich schmuggelt Ihr<br />

Waffen nach <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>, <strong>um</strong> die Rebellen zu<br />

unterstützen. Korrigiert mich, wenn ich falsch liege. Es<br />

kommt Euch sicher nicht ungelegen, dass Ihr nun in die<br />

Stadt einziehen könnt als <strong>der</strong> Retter <strong>der</strong> Braut von Galan<br />

Teg, ein Held, dessen Fracht sicherlich nicht kontrolliert<br />

wird, habe ich Recht?“ Sie grinste schnippisch. Es hatte<br />

keinen Zweck mehr, falsches Spiel zu treiben.<br />

„Nicht ganz, werte Prinzessin Chahani.“ entgegnete ich<br />

ihr und nahm noch einen Schluck Tee. „Für einen<br />

Waffenschmuggler wäre es nicht nützlich, Aufsehen zu<br />

erregen. Man hält sich in diesem Geschäft besser<br />

bedeckt. Also werdet Ihr verstehen, dass mir nicht daran<br />

gelegen ist, als Euer Retter gefeiert zu werden. Und nun,<br />

da Ihr mein kleines Geheimnis kennt, haben wir ein<br />

Problem.“ Ich trank aus und schenkte mir nach. Sie hielt<br />

mir ihren Tankard hin, ohne den Blick von mir<br />

abzuwenden. Ich schenkte ihr auch ein und fuhr fort. „Ich<br />

kann Euch nicht ohne weiteres zu Eurem Bräutigam<br />

laufen lassen, damit Ihr ihm meinen Kopf statt <strong>der</strong><br />

verlorenen Aussteuer zu Füßen legt.“<br />

„Das verstehe ich durchaus, Dom.“ meinte sie grinsend<br />

„aber wer sagt Euch, dass ich überhaupt zu meinem<br />

Bräutigam will? Vielleicht ist es ja gar nicht mein<br />

Bestreben, z<strong>um</strong> folgsamen Weibchen eines dekadenten<br />

Adelsburschen gekürt zu werden. Vielleicht hege ich<br />

sogar dieselben Sympathien für die Rebellen wie Ihr?<br />

Vielleicht bedeutet mir Freiheit mehr als Wohlstand und<br />

obskure Ränkespiele? Vielleicht…“<br />

Das Grinsen verschwand und wich einem entschlossenen<br />

Gesichtsausdruck. Ich erinnerte mich an den Vorfall auf<br />

<strong>der</strong> Empore <strong>der</strong> Taverne und daran, wie sie am Wasser<br />

gestanden hatte, den Speer in <strong>der</strong> Hand, auf Beute<br />

lauernd. So wie dieser Speer schien auch ihr Wille zu sein:<br />

Zielgerichtet und voller Kraft.<br />

„ Nehmt mich mit, Dom Fela. Ich vertraue Euch. Und Ihr<br />

könnt mir auch vertrauen.“ Sie sah mir fest und gerade in<br />

die Augen, als sie dies sagte.<br />

„Man wird Euch vermissen, Prinzessin …“ setzte ich an.<br />

„Oh, zweifelsohne!“ fiel sie mir ins Wort „Aber überlegt<br />

einmal. Spätestens in drei Tagen wird man einen<br />

Suchtrupp aussenden. Dieser wird in einem Kaktushain<br />

eine tote Eskorte finden, einen zerstörten Wagen mit<br />

hoheitlichen Abzeichen, Spuren eines <strong>Kampf</strong>es, tote<br />

Räuber. Die Prinzessin ist verschwunden. Unser bei<strong>der</strong><br />

Spuren sind auf dem <strong>Trail</strong>weg nicht ausz<strong>um</strong>achen. Man<br />

wird vermuten, ich sei von Räubern entführt worden.<br />

Wenn nach ein paar Tagen keine Auslösefor<strong>der</strong>ung<br />

erhoben wird, werden mein Vater und <strong>der</strong> fette Baron<br />

Teg annehmen, ich sei tot o<strong>der</strong> ein Spielzeug <strong>der</strong> Räuber.<br />

Das wird meinen Vater nicht allzu sehr betrüben, er<br />

wird eine meiner Schwestern an meiner Stelle zu Galan<br />

Teg ins Bett schicken. Das wie<strong>der</strong><strong>um</strong> betrübt mich nicht<br />

beson<strong>der</strong>s. Das versteht Ihr doch, o<strong>der</strong>?“ Sie grinste<br />

wie<strong>der</strong>.<br />

Ich überlegte. In <strong>der</strong> Tat waren ihre Schlussfolgerungen<br />

nicht von <strong>der</strong> Hand zu weisen. Und so, wie es aussah,<br />

wollte sie tatsächlich ihre Chance, in die Freiheit zu<br />

kommen, nutzen. Es war ihre letzte, allerletzte Chance.<br />

„Nehmt mich mit, Dom Fela. Ich werde euch nicht im<br />

Weg sein, im Gegenteil, ich werde an Eurer Seite<br />

kämpfen. Ich lege mein Leben in Eure Hände.“<br />

Ich trank aus und rä<strong>um</strong>te das Teegeschirr weg. „Es ist<br />

Zeit für die Nachtruhe“ sagte ich und erhob mich vom<br />

Feuer, das heruntergebrannt war. Ich schürte die Glut für<br />

die Nacht und legte ein paar Stücke Eisenholz auf, damit<br />

am Morgen noch Glut übrig sein würde. Wir gingen z<strong>um</strong><br />

Zelt und traten ein. Auf dem Boden hatte ich Teppiche<br />

und Reshtak-Felle ausgelegt, für ein bequemes Nachlager.<br />

Ich streifte meine Reitkleidung ab und legte sie mit dem<br />

Waffengurt an das Kopfende meines Lagers. Chahani<br />

stand vor mir und sah mich fragend an.<br />

„Ihr vertraut mir nicht, ist es wahr? Ich werde Euch<br />

beweisen, dass es mir Ernst ist, Dom.“<br />

Sie legte ihre Klei<strong>der</strong> ab und stand kurz darauf nackt vor<br />

mir. Ich begriff. Um den Sohn des Barons heiraten zu<br />

können, musste sie Jungfrau sein. Man würde sie<br />

daraufhin untersuchen, und <strong>der</strong> fette Baron selbst würde<br />

ihr die Unschuld nehmen, bevor er sie seinem Sohn zur<br />

Frau gab. Nun wollte sie die Brücke hinter sich<br />

verbrennen. In dieser Nacht brannten alle Brücken<br />

lichterloh, und als <strong>der</strong> Morgen dämmerte, war aus<br />

Prinzessin Chahani eine Rebellin geworden.<br />

Nach dem Frühmahl schnitten wir ihre langen Haare ab<br />

und rasierten ihr den Schädel. So gut es ging passten wir<br />

ihr einen meiner Reserve-Reitanzüge an und hüllten sie<br />

in ein Cape. Wir stellten den <strong>Trail</strong> zusammen und<br />

brachen auf in Richtung <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>. Als wir so<br />

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dahinritten, sah ich sie von <strong>der</strong> Seite an. Ihr Blick traf den<br />

meinen, und mich überkam eine überraschende<br />

Erkenntnis. Ich hatte mich in Chahani, die<br />

Rebellenkriegerin, verliebt. Der Tag machte Anstalten,<br />

heiß und trocken zu werden. Die Gh<strong>um</strong>pas kollerten<br />

leise…<br />

Kapitel 3: <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong><br />

Am späten Nachmittag erreichten wir die Außenbezirke<br />

von <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>. Mit über einer Million Einwohner war sie<br />

die größte Stadt des gandrischen Kontinentalschilds, und<br />

hier brodelte das Leben. Aus allen Richtungen zogen<br />

<strong>Trail</strong>s in die komplett aus Lehm, Steinen und Holz<br />

erbaute Stadt und aus ihr heraus, es war ein überaus<br />

beeindruckendes Bild, wenn man –wie ich- aus einer eher<br />

ländlichen Gegend kam. Ich kannte <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> zwar,<br />

aber es war jedes Mal wie<strong>der</strong> ein Erlebnis, hier<br />

aufzuschlagen. Wir kamen über die große Westallee<br />

herein, auf <strong>der</strong> vorwiegend Industriegüter transportiert<br />

wurden. Bereits im äußeren Stadtring waren wir gegen<br />

Zahlung eines Obolus nur sporadisch kontrolliert worden<br />

und führten nun Passierscheine mit uns. Weit voraus<br />

zeichnete sich die Shilouette <strong>der</strong> Hauptstadt mit ihren<br />

Türmen, Minaretten, Kuppeldächern und <strong>der</strong> Mauer von<br />

Jahw Salam am Horizont ab. Hier in den Randbezirken<br />

wurde ein Großteil <strong>der</strong> Güter <strong>um</strong>geschlagen.<br />

Wir reihten uns auf <strong>der</strong> linken äußeren Spur des<br />

eingehenden <strong>Trail</strong>wegs ein. Noch weiter links waren die<br />

Staatswege, die von gewerblichen <strong>Trail</strong>s nicht genutzt<br />

werden durften. Dort, auf dem Heerweg zog ein<br />

Militärtrail aus <strong>der</strong> Stadt, <strong>der</strong> ein imposantes Bild bot und<br />

die wahre Stärke des Feindes andeutete. Der riesige <strong>Trail</strong><br />

bestand zuerst aus einer Kompanie berittener<br />

<strong>Kampf</strong>traks, <strong>der</strong>en Kieferzangen metallisch glänzten und<br />

mit gefährlichen Zacken versehen waren. Die gewaltigen<br />

Käfer waren erheblich größer als mein Trak-Ghena. Sie<br />

marschierten im Gleichschritt und die Sonnen ließen ihre<br />

Panzer metallisch glänzen. Doch die Traks waren bei<br />

weitem nicht das Gefährlichste, was Ninurtas Armee zu<br />

bieten hatte. Hinter ihnen ragten immense<br />

<strong>Kampf</strong>maschinen auf, die es nur in <strong>Gonda</strong> gab:<br />

gigantische Arachnopoden schoben sich uns entgegen;<br />

<strong>Kampf</strong>taranteln, höher als ein zweistöckiges Haus, mit<br />

furchtbaren Beißwerkzeugen. Sie waren mit je 7 Soldaten,<br />

Katapulten, Lanzenwerfern und an<strong>der</strong>er<br />

Kriegsmaschinerie besetzt. Diese Monster konnten im<br />

Feld ihre fingerdicken giftigen Hinterleibshaare wie ein<br />

Pfeilhaqel abschießen und damit ein ganzes<br />

Infanterieregiment komplett ausradieren, ihre Klebfäden<br />

vermochten jeden Trak und jeden Gh<strong>um</strong>pa kampfunfähig<br />

zu machen. Für ihre langen, starken Beine gab es kein<br />

Hin<strong>der</strong>nis, sie überwanden mit Leichtigkeit jeden<br />

Festungswall. Diese <strong>Kampf</strong>spinnen waren mit Abstand<br />

die gefährlichste Waffe Ninurtas, denn sie waren fast<br />

unbesiegbar.<br />

In Gedanken überschlug ich kurz, welche Menge an B<strong>um</strong>-<br />

G<strong>um</strong> nötig war, <strong>um</strong> eines dieser Ungeheuer z<strong>um</strong> Platzen<br />

zu bringen und analysierte die gewaltigen Körper auf ihre<br />

Schwachstellen hin. Da sie dicht vorbeizogen, konnte ich<br />

sie in Ruhe besehen, ohne aufzufallen, denn alle<br />

Gh<strong>um</strong>paführer starrten wie gebannt auf die<br />

<strong>Kampf</strong>taranteln. Die beste Möglichkeit, eine wirksame<br />

Sprengladung zu platzieren, bot aller Wahrscheinlichkeit<br />

nach das erste Brustsegment. Hier waren zusätzliche<br />

Stahlpanzer angebracht, was auf Verletzlichkeit schließen<br />

ließ.<br />

Ich schätzte ihre Zahl auf weit über Fünfzig Tiere, dann<br />

folgten die Geschützkäfer o<strong>der</strong> Donnergh<strong>um</strong>pas, wie man<br />

sie auch nannte. Diese Tiere hatten es in sich. In ihrem<br />

Hinterleib besaßen sie ein beson<strong>der</strong>es<br />

Ausscheidungsorgan, das brennbare Plasmacluster<br />

erzeugte, welche die Käfer mittels einer starken<br />

Hinterleibskontraktion ausstoßen und über 400 Fuß weit<br />

schleu<strong>der</strong>n konnten. Diese Brandgeschosse, die sich bei<br />

Luftkontakt selbst entzündeten, wurden vorwiegend bei<br />

Belagerungen eingesetzt, <strong>um</strong> feindliche Stellungen<br />

einzuäschern. Das brennende Plasma <strong>der</strong><br />

Donnergh<strong>um</strong>pas ließ sich nicht löschen und entwickelte<br />

eine enorme Hitze. 24 <strong>der</strong> rot-schwarzen Käfer zählte ich.<br />

Dann folgte eine <strong>um</strong>fangreiche Abteilung von Chalais-<br />

Gh<strong>um</strong>pas, die mit Soldaten besetzt waren;<br />

Truppentransporter.<br />

Der Militärtrail hatte insgesamt Divisionsstärke, und wie<br />

es aussah, handelte es sich dabei lediglich <strong>um</strong> eine<br />

Verstärkungseinheit. Ungeachtet des Umstandes, dass wir<br />

diesen <strong>Trail</strong> entgegen zogen, dauerte es fast 5 Glasen, bis<br />

<strong>der</strong> Konvoi an uns vorübergezogen war. Unter den Beinen<br />

<strong>der</strong> Käfer und Riesenspinnen bebte die Erde. Das<br />

Ermessen, wie groß wohl die zugehörige<br />

Hauptstreitmacht sein mochte, zu <strong>der</strong> dieser <strong>Trail</strong><br />

aufschloß, ließ mich nachdenklich werden. Eine offene<br />

Feldschlacht gegen eine solche Armee war undenkbar,<br />

nicht zu gewinnen, glatter Selbstmord. Die gondischen<br />

Rebellen taten gut daran, sich bedeckt zu halten und mit<br />

Nadelstichen und Guerillataktik zu operieren.<br />

Chahani schien mein Grübeln zu bemerken. Sie ritt<br />

dichter an mich heran und beugte sich zu mir herüber.<br />

„Das ist nur eine Division, Dom Fela. Eine Division. Zwei<br />

Dutzend Divisionen bilden eine Legion, und zwei dutzend<br />

Legionen eine Armee. Ninurta hat sechs Armeen zu<br />

Lande.“<br />

„Still!“ raunzte ich sie an und machte das Zeichen für<br />

Lippenleser. Sie verstand und schwieg.<br />

Die Lippenleser <strong>der</strong> gondischen Geheimpolizei konnten<br />

überall sein, getarnt als Bettler, Händler, Waschweiber,<br />

Trunkenbolde o<strong>der</strong> Wachsoldaten. Sie verstanden es<br />

ausgezeichnet, Lippenbewegungen, Mimik, Gestik und<br />

Körperhaltung einer Zielperson zu einer sinnvollen<br />

Aussage zu kombinieren. Manch ein Schmuggler wurde<br />

wegen einiger unbedacht geflüsterter Worte von Soldaten<br />

<strong>der</strong> Stadtgarde aus dem Fluß <strong>der</strong> <strong>Trail</strong>s herausgezogen<br />

und verschwand sang- und klanglos ohne großes<br />

Aufhebens in Ninurtas Folterkellern und Kerkern.<br />

Wir gaben uns Mühe, unbeteiligt zu wirken und<br />

wechselten hin und wie<strong>der</strong> ein paar unverfängliche<br />

Worte, die sich <strong>um</strong> guten Handel und gute Unterkunft<br />

drehten. Ich war noch nie über die Ostallee in die Stadt<br />

eingezogen, und so sah ich mir das bunte Treiben längs<br />

des Weges an. Es roch nach allerlei Spezereien, Schweiß,<br />

Käfermist, und die Luft war staubig. Viele Gewerbliche<br />

hatten sich hier, quasi „in <strong>der</strong> ersten Reihe“ angesiedelt<br />

und zahlten dafür sicherlich einen horrenden Pachtzins<br />

an die Stadtoberen. Da gab es halboffene Stellmacher-<br />

Werkstätten, Sattlereien und Läden von Packmachern.<br />

Der Klang von Schmiedehämmern erzeugte eine<br />

eigenartige, aber nicht unmelodische Geräuschkulisse,<br />

untermalt vom Scharren und Schleifen <strong>der</strong> Gh<strong>um</strong>pas.<br />

Irgendwo spielte jemand auf einer Bershwa-Flöte. Ferner<br />

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gab es Holzmacherbetriebe, Seilereien und Grossisten, die<br />

alles für den <strong>Trail</strong>bedarf führten, von Reitkleidung bis hin<br />

zu Reisegeschirr. Daneben gab es Obst- und<br />

Gemüsehändler, Bäcker, Schlachter und Suppenküchen,<br />

Tavernen, Bordelle und Rauchhäuser, in denen man<br />

gegen Bares lizensierte Drogen kons<strong>um</strong>ieren konnte.<br />

Viele fliegende Kleinhändler unterschiedlichster<br />

Abstammungen liefen neben den <strong>Trail</strong>s her und boten<br />

Wasser, Wein und Waren feil. Die Geschäfte wurden<br />

hektisch im Laufen getätigt, denn auf <strong>der</strong> Allee einen <strong>Trail</strong><br />

anzuhalten, <strong>um</strong> ein paar Dendra-Feigen o<strong>der</strong> turkesische<br />

Honigkuchen zu erwerben, war so gut wie unmöglich. Um<br />

eine <strong>der</strong> Werkstätten o<strong>der</strong> ein festes Ladengeschäft zu<br />

frequentieren, musste <strong>der</strong> <strong>Trail</strong> seitlich in eine<br />

Dalbenweiche ausscheren, wo er bis z<strong>um</strong> Abschluß eines<br />

Handels geparkt werden durfte.<br />

Mit einem Mal nahm das Kollern <strong>der</strong> Gh<strong>um</strong>pas in unserer<br />

Spur zu und ein lautes, d<strong>um</strong>pfes Trompeten schallte vor<br />

uns durch die Reihen. Ein rot-gelb gesteifter Signalkäfer<br />

<strong>der</strong> Stadtgarde hatte es abgegeben und es bedeutete, dass<br />

unsere gesamte Spur anhalten musste. Die Signalkäfer<br />

liefen auf den seitlichen Staatswegen und wurden<br />

eingesetzt, <strong>um</strong> den <strong>Trail</strong>weg zu überwachen und<br />

gegebenenfalls in den Verkehrsfluß regulierend<br />

einzugreifen. Je<strong>der</strong> Gh<strong>um</strong>paführer hatte auf die<br />

Signalgaste zu hören und ihren Anweisungen zu folgen.<br />

Die Signalkäfer und ihre Reiter waren z<strong>um</strong> Beispiel –wie<br />

jetzt gerade- dafür da, <strong>um</strong> den Vorwärtstrieb <strong>der</strong> <strong>Trail</strong>s<br />

für einen Stop schrittweise zu verlangsamen, <strong>um</strong> Aufläufe<br />

und Karambolagen zu verhin<strong>der</strong>n. So konnte <strong>der</strong> Verkehr<br />

geordnet z<strong>um</strong> Stehen gebracht werden, Chaos wurde<br />

vermieden. Der Signalkäfer kam trompetend an uns<br />

vorbei, während ich den Trak und die Chalais<br />

verlangsamte, den Abstand z<strong>um</strong> Vor<strong>der</strong>mann nicht aus<br />

den Augen lassend. Der Signalgast hatte eine Rote Fahne<br />

mit weißen Kreisen darauf am Mast auf dem Rücken des<br />

Käfers gehisst, das bedeutete: Eiablage. Das war für die<br />

Behörden durchaus ein Grund, die <strong>Trail</strong>s zu stoppen.<br />

In <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> herrschte das Gesetz, dass alles, was auf<br />

öffentlichen Boden fiel, dem Staat und damit dem Kaiser<br />

gehörte und unverzüglich von <strong>der</strong> Stadtverwaltung zu<br />

konfiszieren war. Das galt für Waren, an<strong>der</strong>e Dinge je<strong>der</strong><br />

Art, und letztlich sogar für Gh<strong>um</strong>pa-Eier. Wenn also eine<br />

Gh<strong>um</strong>pa-Kuh auf dem <strong>Trail</strong>sweg beschloß, ihre Eier<br />

abzusetzen, dann gehörten diese –so sie den Boden<br />

berührten- dem Staat und wurden in staatliche Brut- und<br />

Zuchtanstalten verbracht. Dar<strong>um</strong> sah man hier und da<br />

immer wie<strong>der</strong> Gh<strong>um</strong>pas, die seltsam geformte Schlitten<br />

hinter sich herzogen, die schnabelförmig bis unter <strong>der</strong>en<br />

Kloake reichten. Damit wurden die Eier im Falle einer<br />

ungewollten Ablage aufgefangen und daran gehin<strong>der</strong>t,<br />

den Boden zu berühren. Im konkreten Fall sah es so aus,<br />

als habe ein Gh<strong>um</strong>paführer weiter vorn die Zeichen nicht<br />

recht gedeutet und den Schlitten nicht angehängt. O<strong>der</strong><br />

eine seiner Kühe hatte sich spontan entschlossen, ihre<br />

Eier abzustoßen.<br />

Zwei o<strong>der</strong> drei <strong>Trail</strong>s voraus wurde es hektisch. Geschrei<br />

und Gezeter, ein ordentlicher Lärm war zu hören und es<br />

sah aus, als würde die Strecke eine Weile dicht bleiben.<br />

Solche Geschehnisse waren eher selten, doch wenn es<br />

passierte, waren die Stadtbüttel mit ihren Traks schnell<br />

zur Stelle, denn ein Gh<strong>um</strong>pagelege war äußerst wertvoll.<br />

Eine Gh<strong>um</strong>pa-Eiablage konnte mitunter fünf bis zehn<br />

Glasen dauern, und es brauchte viele Hände, <strong>um</strong> die bis<br />

zu 300 schweren, kopfgroßen Eier aufzulesen und<br />

wegzutransportieren.<br />

Chahani und ich stiegen ab und gingen zu einer<br />

Suppenküche, die sich am Wegesrand auf unserer Höhe<br />

befand. An einem großen runden torfbefeuerten Kessel<br />

stand inmitten von Dunstschwaden eine nicht min<strong>der</strong><br />

runde Mamsell und rührte mit einen großen Holzlöffel in<br />

ihrem Kessel her<strong>um</strong>. Die Dämpfe, die dem Kochzuber<br />

entstiegen, rochen verführerisch.<br />

„Aye, was gibt es bei Euch Gutes?“ rief ich ihr zu, als wir<br />

uns ihrem Höllenkessel näherten. Sie sah mich an und<br />

grinste breit.<br />

„Schnappschinellen-Eintopf, Jungchen! Heiß, scharf und<br />

lecker! Iß davon, und es wird Deiner Süßen in <strong>der</strong> Nacht<br />

Freude bereiten!“ Sie lachte laut und <strong>der</strong>be, ebenso wie<br />

die Leute, die <strong>um</strong> ihren Stand her<strong>um</strong>lungerten.<br />

Schnappschinellen waren gondische Flussmuscheln,<br />

<strong>der</strong>en Muskelfleisch sehr proteinreich war und etwas<br />

streng schmeckte. Aber wie es roch, waren sie mit<br />

reichlich syrillianischen K´rbaschoten eingekocht. Da<br />

würde man den Eigengeschmack <strong>der</strong> Muscheln wohl<br />

ka<strong>um</strong> bemerken. Ich sah Chahani an, und sie nickte mir<br />

zu.<br />

„Dann gib uns zwei Portionen, Mamsell. Und<br />

Rieselgrasbrot dazu und Ale!“ Ich warf ihr drei große<br />

Kupferschekel mit gondrischer Prägung zu, die sie<br />

geschickt auffing. Für ihre Körperfülle war sie reichlich<br />

beweglich, fand ich. Wir setzten uns an einen <strong>der</strong> roh<br />

gezimmerten Tische und ihr Helfer tischte uns das Essen<br />

in einfachen Holzschüsseln auf.<br />

Ebenso roh geschnitzt waren die Gegenstände, welche<br />

wohl Löffel darstellen sollten. Naja, z<strong>um</strong>indest waren sie<br />

geeignet, zwei hungrigen Mün<strong>der</strong>n das zu geben, was in<br />

den Schüsseln schwamm. Das Brot kam, ein Viertel Laib,<br />

<strong>der</strong> recht hart war und gewiß nicht am heutigen Tag<br />

gebacken. Das Ale war auch schon etwas schal. Aber <strong>der</strong><br />

Eintopf war besser, als <strong>der</strong> erste Eindruck verhieß. Er<br />

schmeckte scharf, aber auch sehr fruchtig, und das<br />

Muschelfleisch war zart. Ich ertappte mich bei <strong>der</strong><br />

Vorstellung, dass die Alte da mit dem<br />

Rauchkrautst<strong>um</strong>mel im Mund die Muscheln vielleicht<br />

vorkaute, bevor sie diese in die Suppe warf und musste<br />

grinsen.<br />

„Was erheitert Euch, Dom?“ fragte Chahani.<br />

„Es ist nichts, nur ein amüsanter Gedanke.“ entgegnete<br />

ich. Sie sah mich fragend an, überging dann aber die<br />

weitere Nachfrage.<br />

„Wie geht es weiter, Dom Fela?“ fragte Chahani<br />

„Wenn die Strecke wie<strong>der</strong> freigegeben ist, werden wir<br />

uns z<strong>um</strong> Entladeplatz in <strong>der</strong> Hauptstadt begeben und<br />

unsere Ware verhökern. Ich hoffe, wir schaffen es bis zur<br />

Tageswende.“ Ebenso hoffte ich, dass Chahani noch an<br />

die Lippenleser dachte. Aber z<strong>um</strong> Glück blieb sie<br />

unverfänglich.<br />

„Aye! Ich hoffe, <strong>der</strong> Preis für die Ware entspricht den<br />

Erwartungen des Hauses, Dom. Nicht, dass uns <strong>der</strong><br />

Haushofmeister nach unserer Rückkehr noch<br />

Schwierigkeiten macht.“ Sie schmatzte und rülpste beim<br />

Essen wie ein echter Gh<strong>um</strong>paführer und sprach mit<br />

vollem Mund. Es gab nichts an diesem kahlrasierten<br />

Weib, das an ihre aristokratische Herkunft erinnerte. Sie<br />

hatte eine komplette Wandlung durchgemacht. Aber so,<br />

wie sie jetzt war, gefiel sie mir weitaus besser, als vorher.<br />

Ihre Mimikri war nahezu perfekt.<br />

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Ich sah hinüber zur Allee, wo noch immer Trouble wegen<br />

des Geleges herrschte. Chahani folgte meinem Blick. Mir<br />

fiel ein zerl<strong>um</strong>ptes junges Mädchen in unserer Nähe auf,<br />

das ein Bündel im Arm trug. Sie ging am <strong>Trail</strong>weg<br />

entlang. In ungelenker Arbeiter rempelte sie an, und das<br />

Bündel fiel zu Boden. Gerade als sie sich bückte, <strong>um</strong> es<br />

aufzuheben, trat eine Gruppe Wachsoldaten hinzu und<br />

<strong>um</strong>ringte sie. Der Mann, <strong>der</strong> offensichtlich das<br />

Kommando innehatte, tippte mit seiner Hellebarde auf<br />

das Bündel. Sie sah zu ihm auf.<br />

„Halt!“ herrschte er sie an. „Eigent<strong>um</strong> des Staates!“<br />

„Herr“, setzte sie flehend an, „darin sind keine<br />

Wertsachen, bitte. Es ist mein Kind.“<br />

„Du kennst das Gesetz. Was den Grund berührt, gehört<br />

dem Staat. Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist.“ Meinte<br />

er ungerührt.<br />

„Aber Herr, edler Dom“ wimmerte sie „es ist mein eigen<br />

Fleisch und Blut, mein Kind! Bitte…<br />

Der Wachsoldat hielt weiter die Spitze <strong>der</strong> Hellebarde auf<br />

das Bündel gerichtet, das sich ein wenig bewegte.<br />

„Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen Fleisch und<br />

Sachen. Tritt zurück, Weib, und gib den Weg frei.“ Damit<br />

bückte er sich, <strong>um</strong> das Bündel aufzunehmen. Das<br />

Mädchen begann furchtbar zu weinen und flehte weiter<br />

dar<strong>um</strong>, ihr Kind zurückzubekommen. Zwei Soldaten<br />

zerrten sie mit Gewalt auf die Seite und <strong>der</strong> Hauptmann<br />

nahm das Bündel an sich. Die junge Frau wehrte sich und<br />

kreischte verzweifelt, rief <strong>um</strong> Hilfe. Die Wachen führten<br />

das Mädchen ab und warfen sie in den Straßengraben an<br />

<strong>der</strong> Allee. Die Wache zog weiter. Heulend und verdreckt<br />

saß das Mädchen im versifften Straßengraben. Niemand<br />

rührte sich. Ka<strong>um</strong> einer nahm Notiz von <strong>der</strong><br />

Angelegenheit.<br />

Ich sah, wie sich Chahanis Muskeln anspannten. Ich legte<br />

meinen Arm auf ihren und drückte sanft zu.<br />

„Nicht, Chahani“, flüsterte ich, „Du kannst hier nichts<br />

tun.“<br />

Sie sah mich verständnislos an. „Aber… was geschieht<br />

nun mit dem Kind? Das können wir doch nicht<br />

zulassen…“ Ich sah sie mit einem beschwörenden Blick<br />

an. „Das Kind wird wahrscheinlich in <strong>der</strong> kaiserlichen<br />

Sklavenschule erzogen. Es ist nicht unsere Aufgabe,<br />

solche Dinge zu regeln. Wir sind für etwas an<strong>der</strong>es<br />

hergekommen. Also, iß Deine Suppe und denk nicht<br />

darüber nach, was Du eben gesehen hast.“<br />

„Ja, natürlich, Dom.“ Sagte sie und setzte sich wie<strong>der</strong>.<br />

„Wir reden später“ sagte ich zu ihr und blickte ihr in die<br />

Augen. Sie nickte und entspannte sich. Über ihre Lippen<br />

kam ein leiser Fluch in ihrem Heimatdialekt, den ich<br />

nicht zu verstehen brauchte, <strong>um</strong> ihn zu deuten. Aber wir<br />

konnten hier keinen Ärger gebrauchen. Nicht mit einem<br />

<strong>Trail</strong> voller hochbrisanter <strong>Kampf</strong>mittel. Sie sah es wohl<br />

ein und widmete sich wie<strong>der</strong> ihrem Essen.<br />

Inzwischen war <strong>der</strong> <strong>Kampf</strong> <strong>um</strong> die Gh<strong>um</strong>pa-Eier wohl<br />

beendet, denn das Gezeter auf dem <strong>Trail</strong>sweg wurde<br />

weniger. Von unserem Platz aus hatte ich gesehen, dass<br />

<strong>der</strong> Gh<strong>um</strong>paführer etwa ein dutzend Eier vor dem Fall auf<br />

den Boden gerettet hatte und diese nun in einer<br />

Bruttasche auf einem seiner Käfer verstaute. Er machte<br />

kein sehr fröhliches Gesicht dabei.<br />

Wir erhoben uns und gingen hinüber zu unsrem <strong>Trail</strong>,<br />

nicht ohne <strong>der</strong> Alten noch einen Schekel zuzuwerfen.<br />

„Gutes Essen!“ rief ich ihr im Gehen zu. „Sehr zu<br />

empfehlen.“ Sie grinste über das ganze Gesicht. Z<strong>um</strong><br />

Abschied winkte sie uns mit ihrem überdimensionalen<br />

Rührlöffel. Ich war sicher, <strong>der</strong> zusätzliche Schekel ließ sie<br />

vergessen, dass wir überhaupt da gewesen waren.<br />

Wir kamen gerade rechtzeitig, <strong>um</strong> das Wie<strong>der</strong>anlaufen<br />

<strong>der</strong> <strong>Trail</strong>s noch bequem mitz<strong>um</strong>achen, so dass wir nicht<br />

aus <strong>der</strong> Reihe fielen. An uns vorbei ritten die Signalgaste<br />

und schwenkten grüne Fahnen, das Aufbruchsignal. Die<br />

Reise ging weiter über die große Allee bis zu einer<br />

Abzweigung kurz vor Nag H´mas Algr, einem Stadtteil,<br />

<strong>der</strong> dicht am Zentr<strong>um</strong> lag und vorwiegend von kleineren<br />

Gewerbetreibenden genutzt wurde. Die Wohnhäuser hier<br />

waren meist zweigeschossig und wirkten allesamt etwas<br />

heruntergekommen. Der Glanz vergangener Zeiten<br />

blätterte von den Fassaden, und verwitterte Fresken und<br />

Wandmalereien zeugten von einer Ära, in <strong>der</strong> es diesem<br />

Stadtteil deutlich besser gegangen war. Vor mehr als<br />

zwanzig S´rathzyklen war Nag H´mas Algr Heimat für die<br />

intellektuelle Oberschicht gewesen. Dichter, Denker,<br />

Philosophen, Maler und an<strong>der</strong>e bildende Künstler hatten<br />

hier gewirkt und diesen Stadtteil weit über die Grenzen<br />

<strong>der</strong> gondischen Hochebene hinaus bekannt gemacht.<br />

Doch die restriktive Politik des Kaiserhauses, die Satire,<br />

Kritik und offene Rede nicht eben för<strong>der</strong>te, hatte dafür<br />

gesorgt, dass diese Leute <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> nach und nach<br />

verlassen hatten. Der Klang von Schalmeizimbeln,<br />

Balisetten, Tubenflöten und Rasseln war dem monotonen<br />

Hämmern von Kupferschmieden, dem kreischenden<br />

Sägen von Zerlegebetrieben und dem üblichen<br />

Verkehrslärm gewichen. Staub und Schmutz lagerten sich<br />

auf den Fassaden und Straßen ab, und man konnte<br />

meinen, auch auf den Menschen, die hier lebten.<br />

Nirgends sah man fröhliche Gesichter, die vielen<br />

Gestalten in den Gassen hetzten geschäftig <strong>um</strong>her, den<br />

Blick gesenkt, <strong>um</strong> nur ja nicht den Stadtwachen<br />

aufzufallen und <strong>der</strong>en Willkür ausgeliefert zu sein.<br />

Ich wusste, dass das Leben aus diesem Stadtteil nicht<br />

vollends gewichen war, noch nicht. In den zahlreichen<br />

unübersichtlichen und verwinkelten Hinterhöfen gab es<br />

viele kleine Oasen, Orte <strong>der</strong> Kunst und <strong>der</strong> Liebe,<br />

wun<strong>der</strong>bare kleine Gärten, in denen rankende<br />

Kannenbl<strong>um</strong>en, Rieselgrasteppiche und das bunte Laub<br />

<strong>der</strong> Schulgi-Sträucher <strong>der</strong> Einöde trotzten und das Leben<br />

für die wenigen verbliebenen denkenden Menschen<br />

z<strong>um</strong>indest einigermaßen erträglich machten. Hinter den<br />

Werkstätten, Ladengeschäften und Fassaden <strong>der</strong><br />

Mietskasernen gab es einladende kleine Schänken,<br />

Amüsierschuppen und einige freie Theater, die sich<br />

mutig, aber dennoch vorsichtig <strong>der</strong> allgemeinen Zensur<br />

wi<strong>der</strong>setzten. Manche dieser Etablissements<br />

verschwanden über Nacht, wenn <strong>der</strong> Eigner es zu weit<br />

o<strong>der</strong> zu laut trieb und damit die Obrigkeit auf sich<br />

aufmerksam machte. Manch ein Wirt schmierte die<br />

Stadtwachen, <strong>um</strong> in Ruhe seinen Zins zu machen.<br />

Wir verließen den Alleezubringer und lenkten den <strong>Trail</strong> in<br />

eine <strong>der</strong> überfüllten Seitengassen, was sich dramatisch<br />

auf unser Tempo auswirkte. Nun ging es nur noch im<br />

Menschen-Schrittempo voran. Die gesamte Umgebung<br />

roch nach menschlichen Ausdünstungen, ab und an<br />

unterbrochen von leichten Fahnen Essensgeruch. So<br />

zogen wir etwa ein Dutzend Glasen lang durch das<br />

Getümmel, bis wir schließlich vor den Toren eines<br />

mittleren Warenlagers angekommen waren. Davor<br />

standen zwei Guardians, <strong>der</strong>en Aufgabe es war, Bettler,<br />

Diebsgesindel und Hin<strong>der</strong>nisse von dem Torweg<br />

fernzuhalten. Wir hielten an und einer <strong>der</strong> beiden, ein<br />

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stämmiger Bursche mit langen, blonden Haaren und<br />

einer Vogelnase, trat zu mir heran und sah mich grimmig<br />

an.<br />

„Aye! Was ist Euer Begehr, Dom?“ fragte er ohne<br />

übertriebene Höflichkeit.<br />

Ich sah ihn an und antwortete ruhig: „Ich bin im Auftrag<br />

Deines Herrn hier. Ich bringe das Ribaharz für Beth<br />

Sharia.“<br />

„Zeigt mir Euren Passierschein und nennt das<br />

Calimdrom.“<br />

Das Calimdrom war ein bestimmter Code, <strong>der</strong> bei<br />

Abschluß eines Vertrages zwischen Verkäufer und<br />

Abnehmer vereinbart wurde und sicherstellen sollte, dass<br />

es auch tatsächlich <strong>der</strong> legitimerte Lieferant war, <strong>der</strong> da<br />

Zutritt z<strong>um</strong> Lager begehrte. Oft genug kam es vor, dass<br />

illoyale Angestellte des Abnehmers ihre Verwandschaft<br />

benachrichtigten, wenn eine Lieferung erwartet wurde,<br />

und diese lieferten dann min<strong>der</strong>wertige Ware, während<br />

ihre Schergen den <strong>Trail</strong> des Lieferanten plün<strong>der</strong>ten, <strong>um</strong><br />

die hochwertige Ware zu verschachern. Auf diese Weise<br />

waren einige zwielichte Clans in <strong>der</strong> Stadt zu<br />

beachtlichem Reicht<strong>um</strong> gekommen.<br />

Ich nannte ihm das korrekte Calimdrom und er<br />

verschwand mit meinem Passierschein durch eine<br />

Seitentür im Inneren des Warenlagers. Sein Kollege<br />

behielt uns genau im Auge. Eine Weile geschah nichts.<br />

Dann öffneten sich langsam und knarrend die Flügel des<br />

großen Tores nach innen und gaben uns den Weg frei in<br />

das Gebäude.<br />

Im Innern war das Gebäude wesentlich gerä<strong>um</strong>iger, als es<br />

von außen den Anschein hatte. Es erstreckte sich in <strong>der</strong><br />

Länge über mindestens drei, in <strong>der</strong> Breite über<br />

wenigstens zwei Blocks. Wir ritten ein und hielten in<br />

einem Innenhof, <strong>der</strong> einmal von einem Kristalldach<br />

überdeckt gewesen war. Reste <strong>der</strong> Dachverkleidung<br />

hingen noch in den Eisenholzrahmen, die sie einst<br />

getragen hatte. Nun war es ein offener, lichter Innenhof,<br />

<strong>der</strong> zu beiden Seiten von lehmziegelgedeckten Hallen<br />

gesä<strong>um</strong>t wurde.<br />

Hinter uns schlossen sich die Tore wie<strong>der</strong> und mit einem<br />

d<strong>um</strong>pfen Geräusch rastete <strong>der</strong> starke Eisenholzriegel ein,<br />

<strong>der</strong> wohl selbst dem Ansturm einer <strong>Kampf</strong>spinne<br />

standgehalten hätte. Schlagartig nahm auch <strong>der</strong><br />

Geräuschpegel ab, in <strong>der</strong> Halle war es fast still. Die<br />

Gh<strong>um</strong>pas kollerten leise.<br />

Der Stauerviez kam aus seiner Baracke und h<strong>um</strong>pelte auf<br />

uns zu. Sein rechtes Bein zog er etwas ach, was auf einen<br />

Arbeitsunfall hindeutete.<br />

Die Stauervieze <strong>der</strong> Großhändler waren oft altgediente<br />

Packer und Stauer, die schwere körperliche Arbeit nicht<br />

mehr verrichten konnten, aber <strong>der</strong>en Erfahrung im<br />

Umgang mit Waren und Gütern für den Händler<br />

unverzichtbar waren, sie genossen stets eine<br />

Vertrauensposition im Betrieb. Der Viez überwachte das<br />

Lager, versah die Eingangskontrolle und war quasi <strong>der</strong><br />

Vorarbeiter <strong>der</strong> Packer und Stauer. Die Packerkolonnen<br />

hatten die Aufgabe, einen <strong>Trail</strong> möglichst schnell zu<br />

entladen, während die Stauer dann die gekennzeichneten<br />

und portionierten Waren in die Regallager verfrachteten,<br />

<strong>um</strong> sie platzsparend und logisch sortiert zu lagern.<br />

Der Stauerviez sah mich an und fragte: “Aye,Dom. Seid<br />

Ihr <strong>der</strong>, welcher von Beth Sharia erwartet wird?“<br />

Aye. Ich bin <strong>der</strong> aus dem Westen, <strong>der</strong> von Osten kommt<br />

und nicht fürchtet, den Norden zu durchreiten, <strong>um</strong> im<br />

Süden das Ziel zu finden.“<br />

Das war <strong>der</strong> vereinbarte Geheimcode, Parole und<br />

Gegenparole. Der Viez nickte und ging zurück zu seinem<br />

Verschlag Er hantierte hinter <strong>der</strong> Kristallscheibe an<br />

irgendwelchen Hebeln, die er in einer scheinbar<br />

willkürlichen Art und Weise hin- und herbewegte.<br />

Ein knirschendes Geräusch lenkte meine Aufmerksamkeit<br />

wie<strong>der</strong> in die Mitte <strong>der</strong> großen Halle. Dort senkte sich ein<br />

Teil des Bodens langsam ab, so dass sich eine Rampe<br />

öffnete, die in ein geheimes Untergeschoß führte. Mit<br />

einem d<strong>um</strong>pfen Geräusch setzte die gewaltige Steinplatte<br />

im Keller auf und <strong>der</strong> Viez nickte mir von seiner Baracke<br />

aus zu. Der Weg war groß genug, einem <strong>Trail</strong> Platz zu<br />

bieten. Ich schüttelte den Tambur, und meine Gh<strong>um</strong>pas<br />

folgten mir in das dämmrige Kellergewölbe. Im<br />

Untergeschoß war die Halle nur halb so breit wie <strong>der</strong><br />

ebenerdige Teil, aber die Ausmaße dieser Gruft waren<br />

immer noch imposant. Ich war mir sicher, dass dieser<br />

Ra<strong>um</strong> auf keinem offiziellen Bauplan verzeichnet war und<br />

er war mit Sicherheit älter als das darüber stehende<br />

Gebäude.<br />

Allem Anschein nach handelte es sich hierbei <strong>um</strong> ein altes<br />

Zahnwalbecken, wie sie vor über 300 Zyklen noch in<br />

dieser Gegend üblich waren, z<strong>um</strong>indestens deuteten die<br />

verwaschenen Wandbemalungen in diese Richtung. Die<br />

Herrscher des antiken <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> hatten überall in <strong>der</strong><br />

Stadt pompöse Gärten und zoologische Anlagen errichten<br />

lassen, in denen sie die seltenen Spezies des Planeten zu<br />

ihrem Vergnügen gehalten hatten, so auch die inzwischen<br />

ausgerotteten mannslangen Zahnwale <strong>der</strong> veltrischen See,<br />

<strong>der</strong>en betören<strong>der</strong> Gesang einzigartig in den Meeren<br />

gewesen war. Ausgedehnte botanische Gärten, durchsetzt<br />

von Gehegen, Corrals und künstlichen Wasserbecken<br />

waren in späteren Zeiten <strong>der</strong> wachsenden Industrie und<br />

Besiedelung gewichen. Der Clan, dem dieses Gelände<br />

schon seit Generationen gehörte, hatte die Gunst <strong>der</strong><br />

Stunde geschickt zu nutzen gewußt und das alte Becken<br />

zu einem Kellergewölbe <strong>um</strong>funktioniert, indem es einfach<br />

mit riesigen Steinplatten abgedeckt wurde und darüber<br />

ein Warenhaus errichtet worden war. Ich hatte die Rampe<br />

vorher nicht ausmachen können, ähnlich ging es wohl<br />

auch den Eintreibern des Kaisers, so dass sich in diesem<br />

Gewölbe wohl einige gute Geschäfte tätigen ließen, ohne<br />

dass dafür <strong>der</strong> Staatszins gezahlt wurde. Ein einträgliches<br />

Nebengeschäftchen, wie es schien.<br />

Als wir den <strong>Trail</strong> in dem gerä<strong>um</strong>igen Keller manövriert<br />

hatten, schloß sich über uns die Rampe wie<strong>der</strong>. Nun<br />

wurde <strong>der</strong> Ra<strong>um</strong> ausschließlich von großen gläsernen<br />

Behältern erhellt, in denen große Myzel von Leuchtpilzen<br />

gezüchtet wurden. Die biologischen Reaktionen im Myzel<br />

tauchten das Geheimlager in ein bläuliches Licht, und<br />

kein durch irgendwelche Ritzen dringen<strong>der</strong> Öldunst o<strong>der</strong><br />

Rauch verriet das Versteck. Es war angenehm kühl hier<br />

unten und es roch etwas mulchig, was wohl von den<br />

Pilzen herrührte. Ich brachte den <strong>Trail</strong> mit dem Tambur<br />

z<strong>um</strong> stehen und sah mich <strong>um</strong>. Zu meiner Linken gab es<br />

ein großes Krukenlager, wahrscheinlich Weine und<br />

Spirituosen, die <strong>der</strong> Händler vor den Staatseintreibern<br />

versteckte. Interessanter wurde es im rechten Bereich,<br />

dort lagerten Kisten mit Metallbeschlägen, die<br />

wahrscheinlich Waffen beinhalteten. Ich erkannte die<br />

Form <strong>der</strong> Beschläge, es waren segurianische <strong>Trail</strong>kisten,<br />

von denen man die üblichen Händlerglyphen entfernt<br />

hatte. Schmugglerware, kein Zweifel.<br />

Ich sah Chahani an und nickte ihr zu, das Zeichen z<strong>um</strong><br />

Absitzen.<br />

Seite 15


„Wo sind wir hier, Dom?“ fragte sie.<br />

„Bei Freunden, Chahani, bei Freunden.“ entgegnete ich<br />

und sah mich <strong>um</strong>.<br />

„Gewiß seid Ihr das, Schwertmeister!“ donnerte eine<br />

Stimme von achteraus, und ein beleibter Mann mit<br />

segurianischen Zügen trat aus dem Schatten einer großen<br />

Säule hervor. Er kam zu uns herüber und wir <strong>um</strong>armten<br />

uns.<br />

„Tenebra, alter Freund. Schön, Euch wie<strong>der</strong>zusehen.“ ich<br />

klopfte ihm auf die Schultern.<br />

„Ich freue mich ebenfalls, Fela. Lang ist es her.“ meinte er<br />

und mit einem fragenden Blick zu Chahani: „Wer ist die<br />

Schöne an Eurer Seite? Euer Liebchen etwa?“ er grinste<br />

unverschämt.<br />

„Das ist Chahani, eine Begleiterin. Seht Euch vor, sie<br />

vermag ausgezeichnet mit Waffen <strong>um</strong>zugehen“ sagte ich<br />

schnippisch. Er verbeugte sich vor ihr und wandte sich<br />

wie<strong>der</strong> zu mir <strong>um</strong>. „Seid meine Gäste heute Abend, es gibt<br />

viel zu besprechen. Ich habe Euch in meinem Haus ein<br />

Nachtlager bereiten lassen, allerdings befürchte ich,<br />

dass ihr euch ein Zimmer teilen müsst. Ich hatte nicht<br />

mit Begleitung gerechnet, Fela. Ich bin begierig auf<br />

Geschichten aus <strong>der</strong> Heimat, Ihr müsst mir alles<br />

erzählen.“<br />

Mit einer Handbewegung bedeutete er uns, ihm zu folgen.<br />

Wir holten unsere Bündel von den Reittieren, und<br />

geschäftige Hände kümmerten sich sogleich <strong>um</strong> Tiere und<br />

Ladung.<br />

Wir folgten Tenebra durch die Halle, an <strong>der</strong>en Ende wir<br />

über eine steinerne Wendeltreppe nach oben gelangten.<br />

Durch eine Falltür gelangten wir in ein kleines<br />

Gartenhaus, das mit Gerätschaften vollgestellt war. Wir<br />

verließen den Geräteschuppen und gingen durch den<br />

üppig bepflanzten Garten z<strong>um</strong> Haupthaus, das wir durch<br />

einen Seiteneingang betraten. Tenebra führte uns in das<br />

Obergeschoß und wies uns ein großes Zimmer, das<br />

ausreichend eingerichtet war, <strong>um</strong> zwei Gästen eine<br />

bequeme Übernachtungsmöglichkeit zu bieten.<br />

„Ich denke, wir essen in etwa zehn Glasen, Ihr könnt<br />

Euch noch etwas frisch machen. Ich lasse Euch dann<br />

z<strong>um</strong> Essen rufen.“ Damit schloß er die Tür hinter uns und<br />

ich hörte seine Schritte auf <strong>der</strong> Treppe nach unten<br />

poltern.<br />

Chahani und ich legten unsere schwere Reitkleidung ab<br />

und wuschen uns den Staub vom Leib. Da das nicht allzu<br />

lange dauerte, hatten wir bis z<strong>um</strong> Essen noch etwas Zeit.<br />

Ich setzte mich an den Tisch und goß uns aus <strong>der</strong><br />

bereitstehenden Karaffe Wein ein.<br />

„War<strong>um</strong> sind wir nicht eingeschritten vorhin auf <strong>der</strong><br />

Straße?“ kam sie ohne weitere Umschweife zur Sache. Sie<br />

sah mich herausfor<strong>der</strong>nd an. In ihren Augen blitzte<br />

Streitwut.<br />

„Chahani, ich wäre <strong>der</strong> jungen Mutter gern zur Hilfe<br />

geeilt, ich bin kein Unmensch. Aber ich habe einen<br />

Auftrag zu erfüllen, <strong>der</strong> wichtiger ist als das Leben<br />

dieser Frau.“<br />

Ich machte mir nicht die Mühe, zu glauben, dass diese<br />

Antwort sie befriedigen würde.<br />

„Wie? Was kann wichtiger sein, als das Leben einer<br />

liebenden Mutter?“ Ihr Blick wurde verächtlich.<br />

„Die Leben von einer Million Menschen!“ erwi<strong>der</strong>te ich<br />

trocken. „Ich konnte dieser Frau nicht helfen, ohne die<br />

Mission zu gefährden. Wenn aber die Mission erfolgreich<br />

ist, wird ihr Kind vielleicht in Kürze zu ihr zurückkehren<br />

können o<strong>der</strong> z<strong>um</strong>indest als freier Mensch aufwachsen<br />

dürfen.“<br />

„Die Mission? Was ist das für eine Mission? Ich bin mir<br />

sicher, dass die Gh<strong>um</strong>pas bis obenhin mit Waffen<br />

beladen waren. Aber was macht es so wichtig, etwas<br />

Eisen über das Leben eines Kindes zu stellen? Wir hätten<br />

die Wachen ohne weiteres fertig machen können.<br />

Verlorenes Eisen kann man ersetzen, Leben nicht.“<br />

Eigentlich hatte sie ja Recht. Aber, ich hatte eben nicht<br />

nur Eisen geladen. Ich sah Chahani an. Ihr wilde,<br />

ungezügelte Art, Ihr Zorn, das Temperament machten sie<br />

noch schöner, als sie ohnehin schon war. Ihre Augen<br />

funkelten böse, und an ihren Schläfen pochte es. Was für<br />

ein Weib! Ich hätte mich zu gern zu ihr hinübergebeugt,<br />

und sie leidenschaftlich geküsst.<br />

„Chahani, ich bitte Dich, zu verstehen, dass meine<br />

Ladung von höchster Wichtigkeit ist für die Rebellion.<br />

Sie kann dazu beitragen, dass dieses sinnlose Morden,<br />

die Willkür und die Korruption endlich aus diesem Land<br />

verschwinden. Ich bitte Dich, mir zu vertrauen, denn ich<br />

vertraue Dir auch.“<br />

„Vertrauen… vertraust Du mir wirklich, Fela?“ Sie sah<br />

mich fragend an.<br />

„Würde ich das nicht tun, wärst Du tot.“ Entgegnete ich<br />

nüchtern. Das entsprach <strong>der</strong> Wahrheit.<br />

Sie nickte, denn sie wusste, dass es so war. Sie hob den<br />

Kopf und schüttelte den Kopf. Eine Geste, die mit ihren<br />

vormals langen Haaren sicherlich stets beeindruckend<br />

gewesen war, nun aber etwas deplatziert wirkte. Ich<br />

grinste sie an, und wir mussten beide Lachen. Sie stand<br />

auf, kam <strong>um</strong> den Tisch her<strong>um</strong> und setzte sich zu mir auf<br />

die Bank. Sie sah mir tief in die Augen.<br />

„Du bist in mich verliebt, nicht wahr?“ sagte sie mit<br />

einem Mal völlig unvermittelt.<br />

„Ja.“<br />

„Nun, dann beruht das wohl auf Gegenseitigkeit, schätze<br />

ich. Ich habe mich schon in <strong>der</strong> Taverne in Dich verliebt,<br />

Fela. Ich weiß nicht, was es ist, aber es ist etwas Starkes,<br />

Magnetisches, das mich zu Dir hin zieht, seit ich Dich das<br />

erste Mal sah. Ich liebe Dich, mein Schwertmeister.“<br />

Damit legte sie ihre Arme <strong>um</strong> meinen Hals und drückte<br />

ihre Lippen auf die Meinen. Wir küssten uns lang und<br />

intensiv, bis es an <strong>der</strong> Türe klopfte. Wir lösten uns<br />

voneinan<strong>der</strong> und ich rief zu Tür: „Ja, herein!“<br />

Die Türe öffnete sich, und herein kam ein Hausdiener, ein<br />

schmächtiger Jüngling von vielleicht 15 Zyklen mit<br />

neonubischen Zügen. Er wirkte etwas schüchtern, als er<br />

uns mit gesenktem Kopf leise ansprach.<br />

„Der Majordomus lässt ausrichten, dass ein Nachtmahl<br />

bereitet ist. Er lädt euch ein, ihm Gesellschaft zu leisten.“<br />

Ich antwortete ihm. „Geh und sag dem Majordomus,<br />

dass wir gleich kommen. Ich kenne den Weg.“<br />

Die Tür schloß sich wie<strong>der</strong>. Wir erhoben uns und gingen<br />

nach unten in die große Empfangshalle, in <strong>der</strong> ein<br />

gewaltiger Kamin in <strong>der</strong> Stirnwand angenehme Wärme<br />

spendete. Ein großer Tisch füllte ein gut Teil <strong>der</strong> Halle<br />

aus, er war üppig mit köstlichen Speisen belegt. Tenebra<br />

stand mit drei weiteren Männern am Kamin. Sie waren in<br />

ein Gespräch vertieft und tranken. Der Ra<strong>um</strong> war in<br />

teuerstem gondrischen Alabaster gekleidet, filigraner<br />

Stuck zierte die gewölbte Decke, von <strong>der</strong> ein imposanter<br />

Lüster herab hing. An <strong>der</strong> Seite gab es eine Fensterfront<br />

mit bunten Kristallglaseinlagen, die Jagdszenen aus <strong>der</strong><br />

segurianischen Pampa zeigten. An <strong>der</strong><br />

gegenüberliegenden Wand hing eine eindrucksvolle<br />

Seite 16


Sammlung historischer segurianischer Hieb- und<br />

Stichwaffen. Ein heimatliches Gefühl überkam mich, als<br />

wir die Halle betraten.<br />

Tenebra, <strong>der</strong> hier unter dem Namen Beth Sharia<br />

residierte, sah uns hereinkommen und winkte uns z<strong>um</strong><br />

Kamin heran.<br />

„Ah, Dom Fela, Doma Chahani! Nur herein, herein!<br />

Leistet uns Gesellschaft!“ Offensichtlich war Tenebra<br />

bester Stimmung. Auch seine Gesprächspartner sahen zu<br />

uns herüber. Sie waren gondrischer Abstammung, wie<br />

unschwer zu erkennen war.<br />

„Das Essen ist gleich soweit, nehmt Euch einen guten<br />

segurianischen Calva-Meth, Dom Fela. Der hier ist mehr<br />

als 30 S´rathzyklen gelagert, ein feiner obergäriger<br />

Tropfen.“ Er schwenkte seinen fein ziselierten Becher, <strong>der</strong><br />

im Vol<strong>um</strong>en durchaus Tenebras Statur entsprach. An<strong>der</strong>e<br />

Leute wuschen sich wohl die Hände in solchen Gefäßen,<br />

mutmaßte ich. Leise, versteht sich.<br />

Wir gingen z<strong>um</strong> Kamin, füllten uns je<strong>der</strong> einen Becher<br />

und gesellten uns zu <strong>der</strong> Gruppe am Kamin. Die Nächte<br />

waren kalt hier in <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>, und die wohlige Wärme<br />

des Feuers tat gut.<br />

„Darf ich vorstellen, meine Herren,“ begann Tenebra an<br />

seine Gäste gewandt, „Dom Fela Ibn Aib Noirez, <strong>der</strong> wohl<br />

beste Schwertmeister des segurianischen Reiches. Und<br />

seine entzückende Begleitung, Doma Chahani.“ Die drei<br />

Männer nickten mir zu und deuteten vor Chahani eine<br />

leichte Verbeugung an. Tenebra stellte seine Gäste vor.<br />

„Das hier…“ er deutete auf den hochgewachsenen<br />

Hageren zu seiner Rechten, „…ist Tulkman Donahai,<br />

erster Ratsherr <strong>der</strong> Gilde <strong>der</strong> Freihändler von Gandri.“<br />

Ich nickte dem Mann zu. „ Hier …“ er deutete nach links,<br />

wo ein untersetzter, gut gekleideter Mann mittleren Alters<br />

stand, dessen Haarpracht langsam arg an Dichte verlor,<br />

„…haben wir Guldur Chan, den zweiten stellvertretenden<br />

Haushofmeister des Kaisers Ninurta. Ein guter Freund<br />

unseres Hauses.“ Ich nickte diesem ebenfalls zu.<br />

Dann ging er zwei Schritte zu <strong>der</strong> dritten Person, die<br />

etwas verdeckt im Schatten einer Kriegerstatue stand und<br />

ihm nun zwei Schritte entgegekam. Nun fiel das Licht auf<br />

ein kantiges, windgegerbtes Gesicht, in dem eine nicht<br />

geringe Anzahl von Narben auf so einige überstandene<br />

Kämpfe schließen ließ. Der Teint des Mannes war dunkel,<br />

seine Augen standen nah beieinan<strong>der</strong> unter buschigen<br />

Brauen, und lange schwarze Haare <strong>um</strong>rahmten das<br />

Gesicht. Er war von kräftiger Statur, sehnig und<br />

muskelbepackt. Er mochte vielleicht so alt sein, wie<br />

Tenebras Calva-Meth, aber seine wachen und<br />

leuchtenden Augen zeugten davon, dass er gewiß kein<br />

Jungspund o<strong>der</strong> D<strong>um</strong>mkopf war.<br />

„Das ist unser beson<strong>der</strong>er Gast“, bemerkte Tenebra<br />

grinsend, „es ist mir eine Ehre, Euch Mah´di Shazbaken<br />

vorzustellen.“<br />

„Der Khan…“ murmelte ich. Chahanis Kopf ruckte zu mir<br />

her<strong>um</strong> und sie sah mich überrascht an. Mah´di Khan war<br />

<strong>der</strong> Führer <strong>der</strong> Rebellentruppen und damit <strong>der</strong><br />

meistgesuchte Mann in ganz <strong>Gonda</strong>. Auf seinen Kopf<br />

hatte <strong>der</strong> Kaiser 100.000 Goldschekel ausgesetzt, eine<br />

horrende S<strong>um</strong>me, die angesichts <strong>der</strong> Popularität des<br />

charismatischen Renegaten sicherlich angemessen war.<br />

Mah´di Khan kam auf mich zu und verbeugte sich höflich<br />

vor Chahani und mir.<br />

„Ja, <strong>der</strong> Khan. Ich bin erfreut, Eure Bekanntschaft zu<br />

machen, Dom Fela. Tenebra hat viel Gutes über Euch zu<br />

berichten gewusst. Ich muß gestehen, ich war sehr<br />

neugierig, den Mann zu treffen, <strong>der</strong> allein mit den<br />

Schwertern eine wilde <strong>Kampf</strong>spinne zu besiegen wusste.“<br />

Da hatte <strong>der</strong> gute alte Tenebra wohl reichlich<br />

Vorschußlorbeeren verteilt…<br />

„Und ich bin erfreut, den Mann kennenzulernen, <strong>der</strong> es<br />

schafft, die gesamte kaiserliche Armee nur durch seinen<br />

Namen in Furcht und Schrecken zu versetzen“ gab ich<br />

grinsend zurück. Er sah mich ernst an.<br />

„Dom Fela, ich bin ein Diener meines Volkes, es spricht<br />

durch meinen Mund. Die Furcht, die <strong>der</strong> Kaiser<br />

empfindet, ist die vor seinen eigenen Untaten. Die Armee<br />

fürchtet nicht mich, sie fürchtet ihre eigene Feigheit. All<br />

diesen Dingen gaben sie meinen Namen, <strong>um</strong> sich <strong>der</strong><br />

eigenen Furcht nicht stellen zu müssen. Diese Furcht<br />

tötet ihr Bewusstsein und macht sie gefügig, willenlos<br />

und zu Werkzeugen des Bösen. Die Furcht führt zu<br />

völliger Zerstörung des freien Willens. Ich sehe ihr ins<br />

Gesicht. Sie soll mich völlig durchdringen. Und wenn sie<br />

von mir gegangen ist, bleibt nichts zurück. Nichts außer<br />

mir. Dar<strong>um</strong> bin ich <strong>der</strong> Khan, das Eidolon ihrer Furcht.“<br />

„Wohl gesprochen, Khan. Die Stimme Eures Volkes<br />

spricht mit weiser Zunge.“ Entgegnete ich und prostete<br />

ihm zu. Er erwi<strong>der</strong>te die Geste und leerte seinen Becher in<br />

einem Zug.<br />

Am an<strong>der</strong>en ende des Ra<strong>um</strong>es öffnete sich eine Tür, und<br />

die Bediensteten trugen die warmen Speisen herein. Auf<br />

einen Wink Tenebras verschwanden sie so schnell und<br />

lautlos, wie sie gekommen waren.<br />

„Nun denn, lasst uns essen, liebe Freunde!“ Tenebra<br />

klatsche in die Hände und schritt zur Tafel. Er setze sich<br />

an den Kopf des Tisches. Wir an<strong>der</strong>en suchten uns Plätze<br />

an den Flanken und setzten uns ebenfalls. Chahani und<br />

ich nahmen an <strong>der</strong> linken Flanke Platz, die an<strong>der</strong>en Gäste<br />

saßen uns gegenüber. Der zweite stellvertretende<br />

Haushofmeister sprach ein gondrisches Tischgebet,<br />

während Tebenra schon in den Schüsseln rührte.<br />

Daß Tenebra ein Mann des guten Geschmacks war,<br />

wusste ich seit langem. Doch was er uns hier auftischte,<br />

war schier unglaublich. Ich vermutete, <strong>der</strong> Kaiser selbst<br />

aß nicht so gut wie wir an diesem Abend. Ich zog die<br />

verführerischen Düfte in meine Nase ein und ließ den<br />

Blick über die Tafel schweifen.<br />

Da waren drei verschiedene Sorten Ra´chd, gedünsteter<br />

Flugfisch, <strong>der</strong> köstlich nach Rimpinellkraut duftete,<br />

Reshtak-Brühklopse in einer scharf riechenden roten<br />

Tunke von Gappaschoten, am Feuer gegrillte<br />

Onkerfleischspießchen, ein gerösteter Shinga-Vogel mit<br />

Honigkruste und Moorlandkrabben in Lake. Dazu gab es<br />

Süßknollen, junge Sudrübchen, gestoften Frostkohl,<br />

Fen<strong>der</strong>krautmus und songenannte Onkeraugen, kleine<br />

Pfannkuchen aus Rieselgras mit einem Klecks<br />

Pintabeerenpürree darauf. Zwei Körbe mit verschiedenen<br />

Sorten Rieselgrasbrot standen bereit und eine große<br />

Schale mit Früchten <strong>der</strong> Saison.<br />

Wir langten alle ordentlich zu, und es wurde geschmaust.<br />

Die segurianischen Tischsitten schrieben vor, dass<br />

während des Hauptmahls nicht gesprochen werden<br />

durfte, und alle Anwesenden respektierten dies. Nach<br />

etwa 45 Glasen war das große Mahl beendet und Tenebra<br />

läutete mit einer Glocke nach den Dienern, welche sofort<br />

herbeieilten und das Essen abrä<strong>um</strong>ten. Einige kleine<br />

Süßspeisen, Konfekt, Backwerk und Getränke wurden<br />

aufgetragen, und die dienstbaren Geister verschwanden<br />

wie<strong>der</strong>. Nun begann <strong>der</strong> gemütliche Teil des Abends. Wir<br />

füllten unsere Becher und kosteten von den Spezereien.<br />

Seite 17


„Was gibt es Neues aus <strong>der</strong> Heimat, Dom Fela?“ Tenebra<br />

sah mich fröhlich und gutgelaunt an „Ist <strong>der</strong> alte Teg Aib<br />

Noirez noch am Leben und malträtiert die Kadetten?<br />

Wie geht es auf dem Gut, laufen die Geschäfte?<br />

„Danke <strong>der</strong> Nachfrage, die Geschäfte gehen gut. Der alte<br />

Teg ist tatsächlich noch am Leben und sein<br />

Temperament und seine Stimmgewalt scheinen mit den<br />

Zyklen noch zuzunehmen. Der imperiale Rat ist<br />

allerdings etwas in Sorge wegen <strong>der</strong> aktuellen Lage in<br />

<strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>. Es heißt, die Rebellen hätten einige Verluste<br />

hinnehmen müssen und die Position des kaiserlichen<br />

Hauses sei in letzter Zeit gestärkt worden.“<br />

Der Haushofmeister Guldur Chan antwortete mir “Das ist<br />

richtig, die kaiserliche Geheimpolizei hat einige Erfolge<br />

verbuchen können, und das geknechtete Volk erliegt nur<br />

allzu oft <strong>der</strong> Versuchung, sich ein Kopfgeld zu verdienen.<br />

Wir sehen darin ein großes Problem, zu dessen Lösung<br />

Ihr hoffentlich beitragen könnt. Eure Lieferung ist<br />

jedenfalls ein großer Schritt vorwärts in Richtung<br />

Umsturz. Die Splittergruppen sind noch zerstritten. Der<br />

Khan muß diese kleinen Grüppchen vereinen, <strong>um</strong> einen<br />

Marsch auf <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> wagen zu können. Doch wir sind<br />

nicht genug. Wir brauchen Unterstützung, massive<br />

Unterstützung, Dom.“<br />

„Aber die <strong>um</strong>liegenden Reiche unterstützen Euch doch<br />

nach Kräften, die Gilde p<strong>um</strong>pt hunterttausende Schekel<br />

jeden Zyklus in die Bewegung.“ entgegnete ich.<br />

Der hagere Gildenmann beugte sich über den Tisch. „Es<br />

geht nicht <strong>um</strong> Geld, Dom Fela. Waffen besitzen wir<br />

genug, nicht zuletzt durch Euren wagemutigen <strong>Trail</strong><br />

sogar in einer Form, <strong>der</strong> Ninurta nichts<br />

entgegenzusetzen hat. Nur das reicht eben nicht. Wir<br />

haben nur einen einzigen Versuch, <strong>um</strong> <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> zu<br />

erobern, wenn wir fehl gehen, war die Anstrengung <strong>der</strong><br />

letzten Zyklen <strong>um</strong>sonst. Was wir brauchen, sind Krieger,<br />

die unsere Waffen zu führen verstehen. Mah´di Khan ist<br />

ein exzellenter Anführer, ein brillianter Stratege, ein<br />

wahrlich großer Mann. Aber seine Truppe reicht nicht<br />

aus, Ninurtas gewaltige Armeen zu schlagen, selbst<br />

wenn wir mit B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong> die ganze Stadt in Schutt und<br />

Asche legen, was zweifelsohne möglich ist. Ninurtas<br />

Legionen würden uns überrennen.“<br />

„Was Ihr braucht, ist also ein anständiger Plan, ja? Und<br />

natürlich Söldner.“ Der Einwurf kam von Chahani, die<br />

<strong>der</strong> Unterhaltung aufmerksam gelauscht hatte.<br />

Tenebra mischt sich ein. „Dom Fela, ich habe über meine<br />

Routen Kontakt z<strong>um</strong> Kriegervolk <strong>der</strong> Mandraken<br />

aufgenommen. Sie wären unter Umständen bereit, uns<br />

mit Söldnern zu unterstützen. Allerdings müsste <strong>der</strong><br />

Khan den Warlord <strong>der</strong> Mandraken aufsuchen und ihm<br />

unser Angebot persönlich unterbreiten.“<br />

Ich blickte Tenebra nachdenklich an. „Xul Eisenbeisser,<br />

<strong>der</strong> Warlord <strong>der</strong> Mandraken … er ist ein<br />

unberechenbarer Typ. Fraglich, ob ein Handel mit<br />

diesem Berserks Bestand hat, mein Ihr nicht auch? Die<br />

Mandraken sind unzuverlässig, engstirnig, unzivilisiert<br />

und ihre Disziplin lässt sehr zu wünschen übrig. Wie<br />

wollt Ihr Xul dazu bringen, seine Leute in diesen <strong>Kampf</strong><br />

zu schicken?“<br />

„Das ist meine Aufgabe, Dom Fela.“ warf Mah´di Khan<br />

ein. „Wichtig ist, dass ich die schwebenden Inseln sicher<br />

erreiche, <strong>um</strong> mit Xul zu reden. Ich bin <strong>der</strong> Khan, und ich<br />

denke, ich werde ihn überzeugen können. Eure Aufgabe<br />

soll es sein, mir sicheres Geleit zu den Mandraken zu<br />

geben.“<br />

Damit war die Katze aus dem Sack. Ich hatte mich<br />

eigentlich darauf eingerichtet, morgen meine Gh<strong>um</strong>pas<br />

wie<strong>der</strong> nach Seguria zu führen, <strong>um</strong> mich dort <strong>um</strong> die<br />

nächste Lieferung zu kümmern. Genau das sagte ich<br />

Tenebra.<br />

„Sorgt Euch nicht <strong>um</strong> Euren <strong>Trail</strong>, Dom Fela. Die Tiere<br />

werden hier gut versorgt sein, bis Ihr wie<strong>der</strong>kehrt und<br />

<strong>der</strong> Taifunkampf vorüber ist. Wenn es uns gelingt, die<br />

Mandraken von <strong>der</strong> Notwendigkeit dieses <strong>Kampf</strong>es zu<br />

überzeugen, ist mehr gewonnen als mit zehn weiteren<br />

Waffenlieferungen. In diesem Moment werden die B<strong>um</strong>-<br />

G<strong>um</strong> Ladungen an den strategisch wichtigen Positionen<br />

deponiert und die Sprengmeister warten nur auf das<br />

Zeichen. Sorgt ihr nur dafür, dass wir eine aggressive<br />

Offensivstreitmacht aufstellen können, dann ist <strong>der</strong><br />

Sache gut gedient.“<br />

Ich überlegte kurz.<br />

„Eine Reise zu den äußeren Kontinentalringen erfor<strong>der</strong>t<br />

an<strong>der</strong>e Reittiere. Ich brauche drei gut ausgebildete und<br />

flugfähige <strong>Kampf</strong>traks, am besten Djiati-Ghenas. Und<br />

Proviant für einen Mondzyklus. Könnt Ihr einen<br />

<strong>Kampf</strong>trak in <strong>der</strong> Luft reiten, Khan?“ Ich sah ihn an.<br />

Er nickte „Sicher.“<br />

Tenebra sicherte zu, dass drei voll ausgebildete und gut<br />

konditionierte <strong>Kampf</strong>traks <strong>der</strong> gewünschten Gattung bis<br />

z<strong>um</strong> übernächsten Tag bereit stehen würden. Und wir<br />

wurden uns einig, wie die Reise von statten gehen sollte.<br />

Ein Ausflug zu den „schwebenden Inseln“ war kein<br />

Spaziergang. Auf dem Weg in dieses Areal gab es reichlich<br />

Gefahrenherde, und die Inseln selbst zu durchreisen war<br />

gewiss kein Pappenstiel. Die Mandraken wan<strong>der</strong>ten über<br />

die Inseln, und wir würden den Kernstamm erst ausfindig<br />

machen müssen. Bis dahin waren wir stets willkommene<br />

Ziele für die verstreut lebenden Krieger.<br />

Im Laufe des Abends erörterten wir noch weitere<br />

Einzelheiten und diskutierten die aktuelle Lage. Fest<br />

stand, dass <strong>der</strong> Befreiungsschlag gegen das Regime von<br />

Ninurta binnen innerhalb <strong>der</strong> nächsten sechs Mondzyklen<br />

geführt werden musste, da seine Macht durch die<br />

ständigen Eroberungskriege ständig anwuchs. Ich sagte<br />

den Anwesenden zu, während <strong>der</strong> Reise mit dem Khan<br />

einige strategische Gedanken zu diskutieren und erklärte<br />

mich bereit, eine Armee <strong>der</strong> Rebellen in die offene<br />

Feldschlacht vor <strong>der</strong> Stadt zu führen. Tenebra versicherte<br />

mir, dass er in <strong>der</strong> Lage sei, mein Offizierskorps aus<br />

Seguria in den nächsten zwei Monzyklen unauffällig zu<br />

den Schlüsselpositionen auf <strong>der</strong> gondrischen Hochebene<br />

durchzuschleusen. Bei meiner Rückkehr würden mir<br />

meine Bashars zur Seite stehen. Ich musste mir nur noch<br />

ein Heer aufstellen.<br />

Wir konnten nicht erwarten, dass unsere Streitmacht<br />

unbemerkt aufziehen können würde. Die Armeen des<br />

Kaisers würden uns also auf dem großen Schlachtfeld<br />

erwarten. Die grobe Taktik sah vor, in <strong>der</strong> Stadt durch<br />

starke Explosionen und gezielte Aufstände Terror zu<br />

verbreiten, während wir in zwei Keilen Ninurtas Armeen<br />

draußen spalten würden, <strong>um</strong> die Formation zu<br />

schwächen. Dann würden wir konzertiert an allen<br />

Punkten gleichzeitig zuschlagen, <strong>um</strong> Ninurta zu besiegen.<br />

Je mehr ich überlegte, desto mehr wuchs in mir die<br />

Erkenntnis, dass wir mit unkonventionellen Methoden<br />

und antizyklischen Strategien würden operieren müssen,<br />

Seite 18


<strong>um</strong> Ninurtas gewaltige Armee zu bezwingen. Der Plan war<br />

bislang alles an<strong>der</strong>e als durchführbar.<br />

Am späten Abend gingen wir auseinan<strong>der</strong> und <strong>der</strong> Khan<br />

und ich verabredeten uns für den Nachmittag des<br />

übernächsten Tages hier vor Ort. So hatten Chahani und<br />

ich noch einen ganzen Tag zusammen, was mir sehr gut<br />

gefiel. Wir gingen auf unser Zimmer, in dem ein<br />

Hausdiener den Kamin entfacht hatte, so dass uns<br />

wohlige Wärme erwartete. Müde vom anstrengend Tag<br />

fielen wir in das große Bett und schliefen schon nach<br />

wenigen Momenten tief und fest.<br />

Kapitel 4: Der Alte vom Berg<br />

In den frühen Morgenstunden erwachte ich, als ich<br />

Chahanis weiche Lippen zwischen meinen Schenkeln<br />

spürte. Sie liebkoste mich zärtlich, was schnell die von ihr<br />

erwünschte Reaktion zeigte. Sanft und weich massierte<br />

sie meine Männlichkeit, die sich pulsierend mit Blut<br />

füllte. Sie kam über mich und setzte sich auf mich.<br />

Wi<strong>der</strong>standslos nahm ihre Yoni mich in sich auf und ihre<br />

Beckenmuskulatur schloss sich fest <strong>um</strong> den Schaft meines<br />

Lingam. Zuerst langsam, dann immer schneller werdend<br />

ritt sie mich wie einen <strong>Kampf</strong>trak. Nach kurzer Zeit waren<br />

wir beide schweißgebadet und erfüllten unser Lust mit<br />

voller Hingabe. Der Ra<strong>um</strong> roch intensiv nach <strong>der</strong><br />

Vereinigung unserer dampfenden Körper. Ich bä<strong>um</strong>te<br />

mich auf und warf sie auf den Rücken. Meine Arme<br />

wan<strong>der</strong>ten unter ihren Schenkeln hindurch und mit den<br />

Händen hielt ich ihre Arme. Wie ein wehrloser Gh<strong>um</strong>pa<br />

lag sie vor mir auf dem Rücken und bot mir ihre weit<br />

geöffnete Vulva an. Gierig stieß ich tief in sie hinein, bis<br />

sie vor Lust laut aufstöhnte. Wie<strong>der</strong> und wie<strong>der</strong> trieb ich<br />

mein Fleisch in das ihre, und sie schrie wollüstig in hohen<br />

Tönen. Mit einem Mal wurde ihr Inneres weich und<br />

öffnete sich mir vollständig, so dass ich noch tiefer in sie<br />

Eindringen konnte. In ekstatischen Zuckungen feierte sie<br />

in ihrem inneren Tempel eine Freudenfest <strong>der</strong> Geilheit<br />

und erklomm langsam den Höhepunkt <strong>der</strong> Lust. Mitten in<br />

das Inferno ihre Orgasmus p<strong>um</strong>pte ich den heißen Saft,<br />

<strong>der</strong> meinen Lenden entströmte. Eng <strong>um</strong>klammert rollten<br />

wir über das Lager, küssten uns innig und ließen uns im<br />

Feuerwerk <strong>der</strong> Gefühle treiben. Als wir etwas zur Ruhe<br />

gekommen waren, sah sie mir tief in die Augen und<br />

hauchte „Ich will mehr, Fela. Mehr.“ Und sie bekam<br />

mehr. Mehr als vier Dutzend Glasen lang ließen wir Welt<br />

<strong>um</strong> uns her<strong>um</strong> egal sein, erlebten wir die mystische<br />

Vereinigung und das Feuer im Rücken, das uns den<br />

Göttern gleich machte.<br />

Wir schliefen noch dreißig Glasen lang und machten uns<br />

dann frisch für den Tag. Als wir fertig angekleidet waren<br />

begaben wir uns nach unten in die Halle, dort war <strong>der</strong><br />

Tisch gut gedeckt z<strong>um</strong> Frühmahl. Wir tranken Malzkaffe,<br />

aßen etwas Brot und Tauben und ließen den Tag ruhig<br />

angehen. Wir genossen die Errungenschaften <strong>der</strong><br />

Zivilisation, denn in nächster Zeit würde es damit erst<br />

einmal wie<strong>der</strong> vorbei sein. Viele Tageszyklen voller<br />

Entbehrungen, Unannehmlichkeiten und Gefahren<br />

warteten auf uns.<br />

„Ich liebe Dich, Fela“ sagte sie unvermittelt. „Ich will<br />

Deine Gefährtin sein. Nimm mich zur Frau. Du bist doch<br />

nicht ehelich gebunden, o<strong>der</strong>? Ich heirate nämlich keinen<br />

Gebundenen.“ Ihre Frage war wohl rhetorischer Natur,<br />

denn ich trug keinen Familienreif am Arm, <strong>der</strong> Auskunft<br />

über Frauen und Kin<strong>der</strong> gegeben hätte. Ich sah sie an,<br />

und mir wurde klar, dass Chahani die einzige Frau an<br />

meiner Seite sein würde. Wohl stellte das segurianische<br />

Recht mir frei, so viele Frauen zu nehmen, wie ich<br />

ernähren konnte, aber diese Eine war mehr Wert als ein<br />

Dutzend an<strong>der</strong>e.<br />

„Ich liebe Dich auch, Chahani, von Herzen. Und ich will<br />

Dich als Gefährtin und Frau an meiner Seite wissen. Du<br />

bist die Eine.“ Ich nahm ihr Kinn in die Hand und führte<br />

ihre Lippen zu meinen. Dieser Kuß besiegelte unser<br />

zukünftiges gemeinsames Leben.<br />

In diesem Moment kam Tenebra zur Tür herein. Er sah<br />

uns und grinste unverhohlen.<br />

„Na, Ihr beiden Turteltäubchen… sieht so aus, als habe<br />

Symbion, <strong>der</strong> Liebesgott, hier gründlich zugeschlagen.<br />

Hach, wie mich das freut! Junge Leute auf dem Wege,<br />

die Zukunft des Reiches zu fundamentieren. Ich wünsche<br />

Euch viele kleine Krieger und viele schöne Töchter!<br />

Fthagn!“<br />

„Dom Tenebra“ erwi<strong>der</strong>te Chahani mit fester Stimme<br />

„sagt, ist es möglich, noch heute eine Hochzeit zu<br />

arrangieren? Hier, in Eurem ehrwürdigen Haus?“<br />

„Na, aber sicher ist das möglich!“ frohlockte <strong>der</strong><br />

Majordomus „Ich werde sofort alles herrichten lassen!<br />

Er stürzte förmlich aus dem Zimmer und man hörte ihn<br />

im Gang laut in die Hände klatschen und mit<br />

militärischer Präzision Anweisungen an sein Personal<br />

austeilen. Ich grinste Chahani an. Dieses Weib ließ<br />

wahrlich nichts anbrennen.<br />

„Ich will, dass wir als Mann und Frau in den Krieg<br />

ziehen, mein Liebster. Gemeinsam sind wir stark…“<br />

„Ja, Liebste, das werden wir tun. Ich bin geehrt, Dich im<br />

Clan aufnehmen zu dürfen. Ich freue mich.“<br />

Ein langer Kuß beendete mein Reden. Seit langer Zeit war<br />

ich endlich wie<strong>der</strong> glücklich. Der ganze Krieg, die Gefahr,<br />

die vor uns lag, das alles war heute völlig unbedeutend.<br />

Heute war <strong>der</strong> Tag <strong>der</strong> ehelichen Verbindung, und<br />

entsprechend wollten wir ihn begehen.<br />

Das ganze Haus Tenebra –o<strong>der</strong> Beth Sharia, wie es hier in<br />

Goda genannt wurde- war in heller Aufregung. Überall<br />

wurde geputzt, ausstaffiert, dekoriert und eifrig<br />

gewerkelt. Die Zimmerleute errichteten draußen im<br />

Garten einen segurianischen Hochzeitsbogen, <strong>der</strong> mit<br />

Bl<strong>um</strong>en in allen Farben geschmückt wurde. Auch unser<br />

Zimmer wurde dekoriert, und Tenebra war in dringen<strong>der</strong><br />

Mission zu seinem Leibschnei<strong>der</strong> aufgebrochen. Er hatte<br />

gemeint, es werde kein Problem geben, hier einen<br />

segurianischen Tempelmeister aufzutreiben, <strong>der</strong> die<br />

Zeremonie durchführen konnte. Während Chahani und<br />

ich uns in <strong>der</strong> Stadt etwas <strong>um</strong>sahen, wurde das Haus in<br />

einen Hochzeitstempel verwandelt. Tenebra scheute<br />

we<strong>der</strong> Kosten noch Mühen, unser Fest standesgemäß<br />

auszurichten. Das ließ er sich nicht nehmen. Als Gäste<br />

waren Vertraute und einige segurianische Freunde des<br />

Hauses geladen, und <strong>der</strong> Khan sollte unseren Bund<br />

bezeugen.<br />

Den Tag verbrachten Chahani und ich in <strong>der</strong> Unterstadt<br />

von Nag H´mas Algr. Wir b<strong>um</strong>melten durch die Gassen<br />

und beobachteten das Treiben in den stilleren Winkeln,<br />

den Hintergässchen und Höfen. Wir besuchten ein<br />

Gartencafe in einem malerischen Hinterhof, <strong>der</strong> etwas<br />

abseits von allen Hauptstrassen versteckt zwischen zwei<br />

Häuseblöcken lag. Hier gab es leise Balisettmusik, einen<br />

Brunnen, welcher ein kleines Bächlein speiste, das sich<br />

durch den Garten schlängelte, und eine sehr freundliche<br />

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Bedienung, die uns einen ausgezeichneten Ganja-Tee und<br />

kandierte Präriegrillen servierte. Diese unbeschwerte Zeit<br />

mit Chahani war wun<strong>der</strong>bar, wir lebten den Tag in einer<br />

Leichtigkeit, wie ich sie selten verspürt hatte.<br />

Gegen frühen Abend kehrten wir zu Tenebras Haus<br />

zurück. Ein Bediensteter empfing uns am Haupteingang<br />

und führte uns auf unser Zimmer, das mit Bl<strong>um</strong>en und<br />

Girlanden geschmückt war. Überall roch es nach<br />

Moschusrosen und die Nachmittagssonnen schienen<br />

durch das Fenster. Wir legten unsere Reitkleidung an und<br />

gürteten uns mit Waffen. So war es Brauch und so sollte<br />

es sein. Kurz darauf kam ein Bediensteter und gab uns<br />

höflich zu verstehen, dass unten alles vorbereitet war. Wir<br />

gingen die große Treppe herunter und schon auf halber<br />

Höhe hörte ich das d<strong>um</strong>pfe Br<strong>um</strong>men mehrerer Gh<strong>um</strong>pa-<br />

Tunes. Diese schwer zu beherrschenden Blasinstr<strong>um</strong>ente<br />

wurden aus den Kopfhörnern von Chalais-Gh<strong>um</strong>pas in<br />

einem aufwändigen Verfahren hergestellt und –richtig<br />

gespielt- erzeugten sie schwere und tiefe Basstöne, die<br />

man eigentlich mehr fühlen als hören konnte.<br />

Wir gingen durch den Flur z<strong>um</strong> Hinterausgang, <strong>der</strong> in<br />

den Garten führte. Als wir durch die Torflügel schritten,<br />

sahen wir vor uns ein Spalier aus Menschen, die<br />

applaudierten. Nicht alle Personen waren mir bekannt,<br />

doch einige <strong>der</strong> Gesichter erkannte ich. Da war Kaleb<br />

Undr´h, ein segurianischer Viehzüchter und alter Freund<br />

meines Vaters, Lady Shiga Danhai, die Witwe des<br />

ehemaligen Ratsvorsitzenden Lord Bela Danhai, <strong>der</strong><br />

<strong>der</strong>zeitige Botschafter Segurias am Hofe von Ninurta,<br />

Tublai Braham, <strong>der</strong> Großmuffdi von K´aleb Vitram,<br />

Scheich Ol Sonuf Veradschi und einige segurianische<br />

<strong>Trail</strong>smänner, die ich vom Sehen kannte. Es waren auch<br />

einige Männer und Frauen in gondrischer Tracht<br />

anwesend, die Gäste von gestern Abend und ein paar<br />

urbane Würdenträger, die wohl zu Tenebras<br />

Freundeskreis zählten. Alles in allem waren es wohl an<br />

die zwei dutzend Menschen, die uns hier die Ehre gaben.<br />

Am Ende des Spaliers standen <strong>der</strong> Hohepriester<br />

Klarkashton Vermii, Leiter des hiesigen L´viath´n<br />

Tempels, und Mah´di Khan unter dem segurianischen<br />

Bogen, <strong>der</strong> den Zimmerleuten sehr gut gelungen war. Er<br />

zeigte zwei ineinan<strong>der</strong> verschlungen Drachen, die<br />

Lotusblüten entsprangen. Unter dem Bogen brannte in<br />

einer Bronzeschale ein Feuer.<br />

Langsam schritten wir auf den Bogen zu und machten<br />

kurz vor <strong>der</strong> Empore, auf <strong>der</strong> er errichtet war, halt. Ich<br />

hatte Chahani in die Grundzüge einer segurianischen<br />

Hochzeit eingeweiht, und so verharrten wir am Fuße des<br />

Bogens.<br />

Ich sah Chahani an. Sie war wun<strong>der</strong>schön, ihre straffe<br />

Gestalt in dem le<strong>der</strong>nen Reiteranzug wirkte anmutig und<br />

auch ein bißchen gefährlich. Unsere verliebten Blicke<br />

begegneten sich und schienen ein Feuer zwischen uns zu<br />

entfachen. Es war ein wun<strong>der</strong>barer Rausch, untermalt<br />

von den archaischen Tönen <strong>der</strong> Tunes, Schellen und<br />

Trommeln, die <strong>um</strong> uns her<strong>um</strong> die Luft vibrieren ließen.<br />

Der Priester, <strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Empore bei dem Feuerbecken<br />

stand, begann das Hochzeitsritual. Mit einer ausladenden<br />

Handbewegung brachte er die Musiker und alle<br />

Anwesenden z<strong>um</strong> Schweigen. Laut und mit fester Stimme<br />

verkündete er:<br />

„Hört! Hört! Hört! Zeit <strong>der</strong> Zusammenkuft! Die<br />

ehrenwerte Gesellschaft hat sich versammelt, <strong>um</strong> Dom<br />

Fela Ibn Aib Noirez und Doma Chahani Akash von<br />

Varaq in den heiligen Stand <strong>der</strong> Ehe zu geleiten. Kommt<br />

zu mir, Kin<strong>der</strong> <strong>der</strong> Drachen.“<br />

Der letzt Satz hatte uns gegolten, und wir stiegen die<br />

Stufen zur Empore hinauf. Wir positionierten uns rechts<br />

und Links vom Zeremonienmeister, die Glut aus <strong>der</strong><br />

Feuerschale hinter uns wärmte mir den Rücken. Eine<br />

leichte Brise zog durch den Garten und trug den Duft von<br />

Burd´sch-Orchideen heran. Der Priester hob die Arme<br />

und hielt die Hände wie zur Segnung über unsere Köpfe,<br />

was ihm keine Schwierigkeiten bereitete, da er einen<br />

guten Kopf größer war als Chahani und ich.<br />

„Ich, Klarkashton Vermii, Hoher Priester des L´viath´n,<br />

gebiete den Himmeln und <strong>der</strong> Erde, zu schweigen. Ich<br />

rufe den Magna Draconis, uns in dieser Stunde des<br />

Glücks seinen Segen zu gewähren: Lanahtaio!<br />

Olunhetai! Iolnetaah! Aiwalanhata! Taivelonah!<br />

Hataiolon! Nahataiwala! Sodire Mosod Iada! Sodire<br />

Rore Iaida! Amifesodi Koraxo Abaivoninu Micalsodo<br />

Levithamonuga dool!“<br />

Er drehte sich zur Feuerschale <strong>um</strong>, nahm etwas<br />

Rauchharz und streute es in die Glut. Eine blutrote<br />

Stichflamme erhob sich und <strong>der</strong> Duft des Rauchharzes<br />

hüllte uns alle ein. Als nächstes goß er einen Schluck Ale<br />

in die Glut, <strong>der</strong> zischend verdampfte. Dann folgten<br />

Rieselgraskörner und etwas Salz. Er nahm unsere rechten<br />

Hände und führte sie zusammen. Dann sah er mich an.<br />

„Fela Ibn Aib Noirez! Bist Du gewillt, die hier anwesende<br />

Chahani Akash zu Deinem Weib zu nehmen, sie zu<br />

beschützen und zu ernähren, ihren Kin<strong>der</strong>n ein guter<br />

Vater zu sein und ihren Willen stets zu achten?“<br />

„Ja, das ist mein freier Wille.“<br />

Obwohl <strong>der</strong> Passus mit dem „Beschützen“ eher obsolet<br />

war; meine Frau konnte ganz gut auf sich selbst<br />

aufpassen, wie ich fand. Aber es war nunmal Tradition,<br />

und so wurde es gemacht. Der Priester wandte sich nun<br />

an Chahani:<br />

„Chahani Akash von Varaq! Bist Du gewillt, den hier<br />

anwesenden Fela Ibn Aib Noirez zu Deinem Manne zu<br />

nehmen, ihm zu folgen, ihn zu unterstützen und seinen<br />

Willen stets zu achten, sowie dem Clan, zu dem Du nun<br />

gehörst, stets zur Ehre zu gereichen?“<br />

Ja, das ist mein freier Wille.“<br />

„Dom Fela, was opferst Du im Feuer, das Euch<br />

zusammenschweißen soll?“<br />

„Ich opfere ein Scheffel Briah-Harz.“<br />

Damit warf ich ein Binsenpäckchen in das Feuer, das<br />

seltenes Briah-Harz enthielt und dessen Wert den<br />

Monatsverdienst eines Gh<strong>um</strong>pa-Führers bei weitem<br />

überstieg. Zischend verdampfte das Harz in dicken,<br />

blauen Schwaden, die z<strong>um</strong> Himmel aufstiegen. Der<br />

Priester wandte sich an Chahani:<br />

„Doma Chahani, was opferst Du im Feuer, das Euch<br />

zusammenschweißen soll?“<br />

„Ich opfere das Band meiner Vergangenheit.“<br />

Damit nahm sie ein kostbares Pektoral vom Hals, das aus<br />

Horn, Holz und Sehnen aufwändig gewirkt war, und das<br />

ihr altes Familienwappen darstellte, den Komodo-Reiher<br />

des Askash-Clans. Knisternd und qualmend verbrannte<br />

das Schmuckstück in gelblich-grünen Flammen.<br />

Wir drehten uns zusammen mit dem Priester <strong>um</strong> und<br />

sahen in die Runde. Überall fröhliche und glückliche<br />

Gesichter, Tenebra grinste fast im Kreis. Der Priester trat<br />

einen Schritt zurück, und Chahani und ich traten und<br />

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gegenüber und sahen uns an. Klarkashton erhob erneut<br />

die Stimme.<br />

„Vor den Himmeln und <strong>der</strong> Erde bezeuge ich die Ehe<br />

dieser beiden Menschen. Sie wurde geschlossen im<br />

Angesicht des Magna Draconis, er soll ewig über ihr<br />

Glück wachen und seine Schwingen schützend über sie<br />

breiten. Tauscht die Armreife!“<br />

Chahani streifte mir einen Hochzeitsring über das<br />

Handgelenk und ließ den Verschluß einschnappen. Ich tat<br />

es ihr nach und zog sie zu mir heran. Leise flüsterte ich in<br />

ihr Ohr:<br />

„Ich begrüße Dich im Haus meines Vaters, Geliebte.“<br />

Dann küssten wir uns, und die Gäste brachen in Jubel<br />

aus. Man applaudierte, lachte, und die Musik setzte ein.<br />

Dröhnend verkündeten die Gh<strong>um</strong>pa-Tunes das freudige<br />

Ereignis im Umkreis mehrerer Häuserblocks.<br />

Die ausgelassene Feier dauerte noch einige Stunden an,<br />

und Tenebra versicherte mir, dass er den Hochzeitsbogen<br />

mit dem nächsten <strong>Trail</strong> unversehrt in meine Heimat<br />

senden würde, damit er vor meinem Haus aufgestellt<br />

werden konnte. Spät in <strong>der</strong> Nacht gingen Chahani und ich<br />

zu Bett und feierten unsere Hochzeitsnacht nach alter<br />

segurianischer Sitte, indem sie mich am Bett fesselte und<br />

sich nahm, was sie wollte. Die Nacht wurde lang, und am<br />

nächsten Morgen fühlte ich mich wie gerä<strong>der</strong>t. Meiner<br />

Frau ging es auch nicht besser, doch nach einem<br />

ausgiebigen Bad und anschließendem Frühmal waren wir<br />

fit für den Tag. Gegen Mittag hatten wir gepackt und<br />

trugen unsere Bündel und Kisten hinunter in die Halle,<br />

wo unsere Reisebegleitung und die Reittiere bereits<br />

warteten.<br />

Mein <strong>Trail</strong> war bereits wie<strong>der</strong> auf dem Weg in die Heimat,<br />

beladen mit unauffälligen Gütern und dem zerlegten<br />

hölzernen Bogen, über den sich meine Familie sicherlich<br />

sehr freuen würde. Ich grüßte die Anwesenden kurz mit<br />

einem Nicken und begutachtete unsere <strong>Kampf</strong>traks. Es<br />

waren drei Djiati-Trak-Ghenas von beson<strong>der</strong>s robuster<br />

Statur. Sie waren etwa zwanzig Fuß lang und trugen<br />

jeweils drei beachtliche, mit Wi<strong>der</strong>haken versehene<br />

Stirnhörner. Unter den Flügeln lugten am Hinterteil die<br />

giftigen Stacheln heraus, eine gefürchtete Waffe, welche<br />

die Djiati-Ghenas erbarmungslos gegen ihre Feinde<br />

einsetzten. Das Gift aus den Kanälen dieser Stacheln<br />

lähmte sofort und zerstörte binnen weniger Augenblicke<br />

das Nervensystem Des Gestochenen. Ihre Panzerung war<br />

fast undurchdringlich, denn diese Käfer nahmen sehr<br />

viele Erze auf, die zusammen mit dem Chitin einen<br />

mineralischen Panzer ausbildeteten. Diese <strong>Kampf</strong>traks<br />

waren schwer, aber unglaublich stark, so dass sie<br />

trotzdem sehr wendig blieben. Djiati-Ghenas waren sehr<br />

selten und es mußte Tenebra ein Vermögen gekostet<br />

haben, diese Tiere zu besorgen. Es würde nicht einfach<br />

werden, mit diesen auffälligen Tieren aus <strong>der</strong> Stadt zu<br />

kommen. Das sagte ich auch zu Tenebra, während wir die<br />

Tiere beluden und unsere Habe festzurrten.<br />

„Macht Euch keine Sorgen, Dom Fela. Ich habe mir da<br />

etwas einfallen lassen.“ Er grinste breit und klatschte in<br />

die Hände. Sofort eilten Bedienstete herbei und fingen an,<br />

unsere Traks mit allerlei Staffagen, Teppichen, Kisten,<br />

Körben und Amphoren zu behängen. Die Stirnhörner<br />

wurden mit Ketten behängt, an denen Haken und Rollen<br />

ba<strong>um</strong>elten. Als die Aktion beendet war, sah Tenebra<br />

sichtlich zufrieden zu den Tieren hinüber und nickte.<br />

„Man wird Eure Ghenas ka<strong>um</strong> von skirrilianischen<br />

Werftgh<strong>um</strong>pas unterscheiden können. Ich gebe Euch<br />

einen Eskorttrail mit. Ihr nehmt Seitenwege, so dass Ihr<br />

den Haupteinheiten <strong>der</strong> Garde nicht über den Weg lauft.<br />

Draußen vor <strong>der</strong> Stadt könnt Ihr die Tarnung dann<br />

ablegen und meinem <strong>Trail</strong> mit zurück geben.“<br />

Er sah mich fest an. Drückte mich und schlug mir fest auf<br />

die Schultern. Dann meinte er: „Möge <strong>der</strong> große Drachen<br />

Euch immer beschützen, Dom Fela. Von Euch dreien<br />

hängt nun <strong>der</strong> Ausgang des Krieges ab. Viele Völker<br />

setzen ihre Hoffnungen in den Kahn, also: Habt Erfolg<br />

und bringt ihn uns lebend zurück.“<br />

Er drückte auch Chahani und den Khan, und wir<br />

bestiegen die Tiere. Je<strong>der</strong> von uns hatte für sein Tier<br />

einen eigenen kleinen Tambur, wir nahmen die Zügel und<br />

schüttelten die Stäbe. Das geheime Tor senkte sich und<br />

wir verließen den Keller über die Rampe zu Hof, wo uns<br />

bereits zwei große Gh<strong>um</strong>pas erwarteten. Ich ritt voran,<br />

Chahani folgte, und <strong>der</strong> Khan ritt als Dritter. Vor und<br />

hinter uns zog ein Gh<strong>um</strong>pa, und so verließ <strong>der</strong> kleine <strong>Trail</strong><br />

das Gehöft. Ich sah mich nicht noch einmal <strong>um</strong>.<br />

Auf <strong>der</strong> Via Kandahar, die am Gehöft Tenebras<br />

vorbeiführte, reihten wir uns in den Verkehr ein, <strong>der</strong> zur<br />

Stadtmauer nach Süden führte. Dort war ein kleines Tor,<br />

dessen Wachen mehr mit <strong>der</strong> Kontrolle des eingehenden<br />

Verkehrs beschäftigt waren, als mit den <strong>Trail</strong>s, die aus <strong>der</strong><br />

Stadt heraus wollten. So kam es, dass wir bereits am<br />

frühen Nachmittag die Stadt hinter uns gelassen hatten<br />

und in Richtung Norden unterwegs waren. Wir ritten<br />

schweigend und machten erst in <strong>der</strong> Dämmerung Rast.<br />

Ein kleines Wäldchen etwas abseits des Weges bot uns<br />

Deckung, und so enttarnten wir unsere <strong>Kampf</strong>traks,<br />

beluden Tenebras Gh<strong>um</strong>pas, und die Bediensteten<br />

lenkten ihre Tiere wie<strong>der</strong> zurück in Richtung Stadt. Um<br />

nach Mandrask zu gelangen, mussten wir uns durch<br />

unwirkliche Gelände im oberen Tel-Rek kämpfen, wobei<br />

wir uns am Rande <strong>der</strong> großen Sanddünen <strong>der</strong> nördlichen<br />

Tamarkan Wüste bewegen würden.<br />

Wir beschlossen, hier zu nächtigen, obwohl mir bei dem<br />

Gedanken nicht ganz wohl war. Zu dicht an <strong>der</strong> Stadt, ich<br />

hatte ein ungutes Gefühl. Und es sollte sich bewahrheiten.<br />

In den frühen Morgenstunden, als die erste Sonne über<br />

den Horizont aufstieg, wurden die Ghenas unruhig. Wir<br />

waren sofort wach, griffen zu den Waffen und sahen uns<br />

<strong>um</strong>. Chahani stand neben mir, <strong>der</strong> Khan schlich seitlich<br />

durchs Unterholz. Die Geräusche von <strong>Kampf</strong>traks und<br />

kaiserlichen Waffenröcken ließen keinen Zweifel zu, wir<br />

waren <strong>um</strong>zingelt. Wahrscheinlich ein gutes Dutzend<br />

Traks und doppelt soviele Wachen. Mah´di Khan kam zu<br />

uns zurück und flüsterte: „Eine Patrouille. Was sollen wir<br />

tun?“<br />

Ich sah ihn an und lauchte nochmals.<br />

„Keine Patrouille. Zuviele.“<br />

„Ihr meint...“ er sah mich zweifelnd an, Chahani ebenfalls.<br />

„Verrat, ja. Schätze, man hat unseren Begleittrail<br />

aufgebracht. Löst die Ghenas, nehmt nur das Nötigste<br />

mit, wir machen einen Ausfall.“<br />

Vorsichtig und leise lösten wir unsere <strong>Kampf</strong>traks von<br />

den Pflöcken, packten einge Dinge aus dem Lager und<br />

zurrten sie nötdürftig fest. Die Lagerausrüstung, Töpfe,<br />

Pfannen, Geschirr und an<strong>der</strong>es ließen wir liegen. Darüber<br />

würden sich sicherlich vorbeiziehende Wan<strong>der</strong>er freuen,<br />

wenn sie in das Wäldchen kamen. Wir hatten einfach<br />

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keine Zeit, alles einzupacken. Ich war froh, dass wir die<br />

Tiere nicht abgehalftert hatten, so dass wir schnell im<br />

Sattel saßen. Die Geräusche, die uns bedrohten, kamen<br />

immer näher. Es waren keine fliegenden Einheiten in <strong>der</strong><br />

Luft, das konnte einen Vorteil bedeuten. Aus dem<br />

Dickicht erscholl eine Stimme.<br />

„Mah´di Khan! Hier spricht Vultur Camino, kaiserliche<br />

Stadtwache! Ihr seid <strong>um</strong>stellt! Wi<strong>der</strong>stand ist zwecklos!<br />

Kommt ohne Waffen und mit erhobenen Händen heraus,<br />

Ihr seid festgenommen!“<br />

Ja, wir waren verraten worden. Ich hoffte inbrünstig, dass<br />

es Tenebra gut ging, obwohl zu befürchten war, dass die<br />

Garde sein Gehöft gerade schleifte. Die Unterstützer des<br />

Khan wurden mit aller Härte bestraft, die Angst des<br />

Kaisers vor den Rebellen wurde dabei nur von seiner<br />

Rachsucht übertroffen. Möglicherweise war <strong>der</strong> alte<br />

Freund bereits tot. Wie<strong>der</strong> die Stimme des Schergen:<br />

„Mah´di Khan! Dies ist Eure letzte Chance! Ergebt Euch,<br />

o<strong>der</strong> wir werden Euch nie<strong>der</strong>strecken. Kommt heraus!“<br />

Den Gefallen taten wir ihm. Auf mein Zeichen stiegen<br />

unsere Traks auf. Meine Annahme, die Wache habe keine<br />

Lufteinheiten, erwies sich als Täuschung. Die<br />

Stadtwachen hatten Dharana-Ghenas, schnelle und<br />

wendige Traks, die für den Luftkampf ausgebildet waren.<br />

Die Wachen starteten ebenfalls durch und griffen uns<br />

sofort an. Zwei Dharanas kamen frontal auf mich<br />

zugeflogen, ihre Reiter hielten lange Lanzen in meine<br />

Richtung. Ich schwenkte nach rechts ab, und ihre Lanzen<br />

barsten an <strong>der</strong> Panzerung meines <strong>Kampf</strong>traks. Der erste<br />

wurde vom Stachel meines Reittieres erwischt, er fiel wie<br />

ein Stein vom Himmel. Den zweiten unterflogen wir in<br />

einem Wendemanöver, und die Stirnhörner meines Traks<br />

schlitzen seinen gesamten Unterleib auf. Die Innereien<br />

quollen heraus und regneten auf die Erde hinab, <strong>der</strong> Rest<br />

des Käfers folgte sogleich.<br />

Ich trieb den Djiati an, <strong>um</strong> Chahani zur Hilfe zu eilen, die<br />

sich im Nahkampf mit einem an<strong>der</strong>en Reiter <strong>der</strong> Wache<br />

befand. Ihr Trak bohrte gerade den Stachel in den<br />

Brustkorb eines Reiters, <strong>der</strong> sein Tier unter ihr<br />

heransteuerte, <strong>um</strong> sie von unten zu attackieren. Ich hieb<br />

dem Nahkämpfer im Vorbeiflug mit dem Schwert den<br />

erhobenen Waffenarm ab, sein Blut spritzte aus dem<br />

Armst<strong>um</strong>pf, während er schreiend vornüber vom Trak in<br />

die Tiefe fiel.<br />

Der Khan kam mit seinen Angreifern ganz gut zurecht. Er<br />

führte zwei Schwerter, die wie Rotoren vor ihm wirbelten.<br />

Er wurde von drei Seiten angegriffen, doch er hielt sich<br />

gut. Seite an Seite attackierten Chahani und ich nun die<br />

Reste <strong>der</strong> Truppe. Unsere Djiatis zogen Schleifen, Loops<br />

und jagten in wilden Sturzflügen hinter den flüchtenden<br />

Wachen her. Ihre Traks wurden von unseren Tieren auf<br />

die Hörner genommen, aufgespießt, abgestochen und<br />

vergiftet, die Reiter <strong>der</strong> gegnerischen Tiere fielen alle in<br />

die Tiefe und schlugen hart auf den Boden auf. Nicht<br />

einer überlebte.<br />

Auf mein Zeichen setzten wir uns zunächst nach Süden<br />

ab. Niemand sollte unsere tatsächliche Flugroute sehen.<br />

Nach einer Weile kreuzten wir östlich und begaben uns in<br />

die Steppe von Baik´Nur, dort war das Gras hoch, es gab<br />

ka<strong>um</strong> Wege, und es wäre schwierig, uns hier zu<br />

beobachten. Wir ließen die Traks landen und arbeiteten<br />

uns im Laufschritt weiter voran. Das war für die Tiere, die<br />

später noch lang genug zu fliegen hatten, eine Entlastung.<br />

Ohne eine Spur von Verfolgung zu bemerken, zogen wir<br />

in <strong>der</strong> Steppe südlich in Richtung des H`Taih Gebirges<br />

am Tulkman-Graben, das wir nach drei Tagen erreichten.<br />

Dieser Gebirgszug war steil, unwirtlich und schwer zu<br />

erklimmen. Er bildete die nördliche Grenze des Tel-Rek<br />

Reiches. Irgendwo hier war die Porta Angelica, das Tor zu<br />

den schwebenden Inseln. Auf den Berghängen tobte ein<br />

ziemlich schwerer Sturm.<br />

Vor dem Aufstieg ins Gebirge entschieden wir uns, bis<br />

z<strong>um</strong> Abflauen des Sturms Rast zu machen. Wir suchten<br />

uns ein geschütztes Plätzchen am Fuße <strong>der</strong> Berge und<br />

ließen die Traks ausruhen. Wir halfterten sie ab, nahmen<br />

die Sättel herunter und auch das gesamte Reisegepäck.<br />

Die Djiatis zogen sich auf eine Wiese in <strong>der</strong> näheren<br />

Umgebung zurück und begannen zu fressen. Während <strong>der</strong><br />

Khan sich mit Pfeil und Bogen auf die Jagd machte,<br />

errichteten Chahani und ich eine Jurte und bereiteten die<br />

Feuerstelle vor. Glücklicherweise hatte ich meine große<br />

Kiste bei unserer letzten Rast nicht abgeladen, und so<br />

verfügten wir z<strong>um</strong>indest über eine rudimentäre<br />

Lagereinrichtung. In <strong>der</strong> Jurte richtete ich drei<br />

gemütliche Schlafplätze ein, denn es sah so aus, als ob <strong>der</strong><br />

Sturm noch ein paar Tage anhalten könne. Es wäre<br />

Unsinn, mit den Djiatis in diese Böen zu fliegen, und so<br />

wollten wir die Zwangspause nutzen, <strong>um</strong> Kraft zu<br />

sammeln. Der Ritt durch die schwebenden Inseln würde<br />

anstrengend und gefährlich werden, es hatte keinen<br />

Zweck, ihn geschwächt und unkonzentriert in Angriff zu<br />

nehmen.<br />

Als ich aus <strong>der</strong> Jurte kam, hatte Chahani schon einen<br />

hervorragenden Ganja-Tee zubereitet, <strong>der</strong> herrlich<br />

duftete. Sie war in <strong>der</strong> näheren Umgebung unterwegs, <strong>um</strong><br />

Süßknollen auszugraben. Ich nahm mir einen Krug vom<br />

Tee und sah mich etwas in unserem Lager <strong>um</strong>. Es lag<br />

geschützt in einer Mulde, die von großen Poltern<br />

<strong>um</strong>geben war. Polter waren Steine, die aus den großen<br />

Höhen bei Felsstürzen herabrollten. Sie waren rundlich<br />

und drangen oft tief in die Täler vor, wo sie beim Abgang<br />

schwerste Schäden anrichteten. Hier hatten sie einen<br />

natürlichen Kraal gebildet, <strong>der</strong> uns vor Wind und Wetter<br />

gut schützte. Die riesigen schwarzen Felsen waren von<br />

fingerdicken weißen Quarza<strong>der</strong>n durchzogen, in denen<br />

hier und da dünne Golda<strong>der</strong>n glänzten. Die Vegetation<br />

war spärlich, zwischen den Poltern und dem Geröll<br />

behaupteten sich Shirga-Gräser, Thuna-Sukkulenten und<br />

einige kleine Bi´altannen, <strong>der</strong>en struppiges Nadelkleid in<br />

dieser Gegend, die vorwiegend von Rundungen<br />

beherrscht war, irgendwie deplatziert wirkte. Der Wind<br />

rauschte über unsere Köpfe und bewegte knatternd das<br />

gespannte Jurtentuch.<br />

Nach einer Weile kam <strong>der</strong> Kahn aus <strong>der</strong> tieferliegenden<br />

Steppe zurück. Er hatte drei Beutelshants geschossen, Ihr<br />

Fleisch würde für zwei Tage reichen. Wir zogen<br />

gemeinsam das Fell ab und spannten es z<strong>um</strong> Trocknen<br />

über unserem kleinen Herdfeuer auf ein Gestell, das wir<br />

aus Tannenästen zusammensetzten. Eigentlich unsinnig,<br />

denn wir konnten die Felle nicht weiterbearbeiten,<br />

mußten sie also zurücklassen. Aber in unüblichen<br />

Situationen wie diesen war es manchmal nützlich, absolut<br />

übliche Tätigkeiten zu verrichten. Chahani kam zurück,<br />

sie hatte einen Beutel mit Süßknollen dabei. Ihr Gesicht<br />

wirkte besorgt.<br />

Seite 22


„Da kommt jemand vom Berg. Ein alter Zausel mit<br />

einem kleinen Bergtrak. Ich denke, er wird bald hier<br />

sein. Leute wie wir fallen hier wohl auf, schätze ich. Soll<br />

ich ihn töten?“<br />

Sie sah mich fragend an.<br />

„Nein, das halte ich für unnötig. Womöglich erregt sein<br />

Verschwinden nur Aufmerksamkeit, wo wir es nicht<br />

brauchen. Laß uns erst einmal schauen, was er für einer<br />

ist. Töten können wir ihn immer noch, wenn er eine<br />

Gefahr darstellt. Vielleicht nimmt er ja auch einen<br />

an<strong>der</strong>en Weg.“<br />

Das tat er nicht. Einige Glasen später, als zwei <strong>der</strong><br />

erlegten Beutelshants über dem Feuer brutzelten,<br />

verrieten uns die aufgeregten Grunzlaute unserer<br />

<strong>Kampf</strong>traks die Annäherung des Fremden. Er gab sich<br />

keine Mühe, sich zu verstecken und kam direkt auf unser<br />

Lager in <strong>der</strong> Mulde zu. Unser Feuer konnte er vom Berg<br />

aus nicht gesehen haben, es brannte in einer Feuerkuhle<br />

völlig rauchlos. Der Wind kam aus seiner Richtung, also<br />

konnte er unser Lager nicht gerochen haben, und unsere<br />

Reittiere grasten ebenfalls in einer sichtgeschützten<br />

Mulde. Sein relativ kleiner Trak konnte nicht fliegen, also<br />

war es unmöglich, dass er uns aus <strong>der</strong> Luft angepeilt<br />

haben konnte. Ich war einigermaßen gespannt auf den<br />

abendlichen Besucher, die Messer und die Schwerter<br />

saßen bei uns dreien locker. Etwa eine Glase dauerte es<br />

noch, bis ein kleiner, hutzeliger alter Mann im Schein des<br />

Feuers auftauchte und sich höflich verbeugte. Er hatte<br />

langes, graues Haar, einen ebenso langen grauen Bart,<br />

und seine Augen lagen in tiefen Höhlen, die sich weit in<br />

das ausgemergelte Gesicht gruben. Vom Rest seines<br />

Gesichts war unter <strong>der</strong> Felldecke nicht zu erkennen, aber<br />

dieser Mann hatte mit ziemlicher Sicherheit sein<br />

gesamtes Leben in <strong>der</strong> lebensfeindlichen Bergwelt<br />

zugebracht.<br />

„Verzeiht mein Eindringen in Euer Lager, verehrte<br />

Doms, verehrte Doma“ Er verneigte sich noch einmal vor<br />

Chahani. Ich machte eine freundliche Geste, die in allen<br />

Reichen bekannt war und lud ihn an das Feuer.<br />

„Wer seid Ihr?“<br />

„Ich bin Ushtar Bin-Rog, '<strong>der</strong> Alte vom Berg'. Ich<br />

durchreise den H´Taih seit langer, langer Zeit. Einst<br />

war ich erster Geomant am Hofe des Kaisers, doch<br />

nunmehr bin ich ein Teil <strong>der</strong> Berge. Ich suche ein<br />

sicheres Plätzchen im Sturm, und frage, ob ich bei Euch<br />

meinen Hunger ein wenig stillen kann und ein wenig<br />

ruhen...“<br />

„Ushtar?“ Der Khan war sichtlich überrascht. „Ushtar<br />

Bin-Rog? Ich kenne die Legende des Alten vom Berg. Es<br />

ist eine sehr alte Geschichte...“ er betonte das Wort<br />

„sehr“ auf eine Art, die mich aufhorchen ließ. Der Alte<br />

kicherte.<br />

„Ja, Dom. Die Geschichte ist sehr alt. Ich bin auch sehr<br />

alt.“ wie<strong>der</strong> kicherte er. Dann fuhr er fort. „Vor drei<br />

Generationen diente ich am Hofe Bendru-Netzach des<br />

Dritten, <strong>der</strong> Ur-Großvater des heutigen Tyrannen, doch<br />

ich entschloß mich, seine Projekte nicht zu unterstützen.<br />

Ich ging in die Berge und fand meine Berufung.“<br />

Er setzte sich auf einen Stein am Feuer und lächelte. Die<br />

Art, wie er das Wort „Tyrann“ aussprach ließ mich wissen,<br />

dass wir hier möglicherweise einen Verbündeten hatten.<br />

O<strong>der</strong> einen sehr klugen Spion. Der Alte wandte sich vom<br />

Khan ab sah mich durchdringend an, dabei grinste er.<br />

„Ihr misstraut mir, Segurianer? Das solltet Ihr auch. Das<br />

liegt in Eurer Natur und lässt Euch überleben. Ihr<br />

Segurianer seid vorsichtig, handelt mit Bedacht und<br />

könnt Euch auf das Wesentliche konzentrieren. Eine<br />

Tugend.“<br />

Wie<strong>der</strong> grinste er frech. Ich grinste nicht. Ich überlegte<br />

und beobachtete ihn genau. Konnte es sein, dass <strong>der</strong> Alte<br />

da vor mir wirklich über 100 Zyklen alt war? Alt war er<br />

zweifelsfrei, aber so alt? Er schien meine Gedanken zu<br />

kennen.<br />

„Ja, grübelt nur. Fragt Euch, wie es sein kann, dass ein<br />

alter Narr wie ich so lange in dieser unwirtlichen<br />

Gegend überlebt. Und vor allem: Fragt Euch, war<strong>um</strong> ich<br />

Euch in dieser Einöde aufsuche, wo ich doch droben auf<br />

dem Berg in meiner kleinen Hütte sitzen könnte, <strong>um</strong> dem<br />

Wind zuzuhören...“<br />

Wie es schien, kam er langsam zur Sache.<br />

„Und?“ wollte ich wissen.<br />

Ushtar schielte auf die knusprigen Fleischstücke auf den<br />

Spießen. „Wollt Ihr einem armen, alten Wan<strong>der</strong>er nicht<br />

eine Kleinigkeit zur Stärkung anbieten, Dom? Das sieht<br />

lecker aus.“ Er schmatzte übertrieben. Ich mußte lachen.<br />

„Natürlich, wo sind nur meine Manieren geblieben,<br />

Dom. Bitte sehr, bedient Euch.“ Ich reichte ihm mein<br />

Messer, mit dem er sich etwas vom Braten abtrennte und<br />

vor sich auf einen Stein legte. Als er mir das Messer<br />

wie<strong>der</strong>gab, schaute er sich die Gravuren auf <strong>der</strong> Klinge<br />

genau an. Er legte die Stirn in tiefe Falten. Dann reichte<br />

er mir das Messer und meinte:<br />

„Diese Symbole erkenne ich, Dom. Ihr seid vom Clan <strong>der</strong><br />

Noirez vom Haus Beltane, nicht wahr? Ein stolzes Haus,<br />

ich erinnere mich. Es brachte eine Reihe hervorragen<strong>der</strong><br />

Bashars hervor. Ihr seid Bashar, Dom?“<br />

„Schwertmeister.“<br />

„Oh, ein segurianischer Schwertmeister. Zwei<br />

Schwerter?“<br />

„Alle Disziplinen.“<br />

Jetzt wirkte <strong>der</strong> Alte wirklich erstaunt. Er sah mich sehr<br />

eindringlich an, seine Augen schienen mich zu<br />

durchbohren. Er nahm meine Hand und strich mit dem<br />

Finger über ihre Linien, dabei murmelte er<br />

unverständlich. Wie<strong>der</strong> sah er mich von unten herauf<br />

zweifelnd an.<br />

„Ihr seid <strong>der</strong> aus dem Westen, welcher kommen wird von<br />

Osten und nicht fürchtet, den Norden zu durchreiten, <strong>um</strong><br />

im Süden das Ziel zu finden. Ihr bringt uns die Freiheit,<br />

Dom. Generationen warteten auf Euch...“ er deutete eine<br />

devote Verneigung an, was mich sichtlich irritierte.<br />

Woher kannte <strong>der</strong> komische Kauz mein Paßwort für<br />

Tenebras Hof? Ich zog meine Hand weg.<br />

„Ihr müßt Euch irren, Ushtar. Ich bin nur ein einfacher<br />

Krieger. Vielleicht ist er es, den Ihr erwartet.“ Ich deutete<br />

auf den Khan, <strong>der</strong> die Szenerie gebannt verfolgte..<br />

Der Alte sah ihn gar nicht erst an.<br />

„Ich weiß, was ich sehe, Dom. Ushtar irrt niemals. Es<br />

steht geschrieben in <strong>der</strong> großen Agonie von Sh´m<br />

Hallah: 'Drei kommen, zwei gehen, einer wird<br />

siegen. Der Zajin Jihad, <strong>der</strong> das As <strong>der</strong><br />

Schwerter trägt, dessen Wille ist ein Fanal <strong>der</strong><br />

Freiheit, er wird kommen, uns in das Licht zu<br />

führen. Ihr findet ihn nicht in den Betten <strong>der</strong><br />

Houris, nicht in den Zählstuben <strong>der</strong> Geldmacher,<br />

nicht in den Tempeln <strong>der</strong> falschen Götter. Ihr<br />

werdet ihn auf dem Berge finden, am Kailash.<br />

Und sein Zeichen ist das Digamma, das Kreuz<br />

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des Erlösers.' - so steht es geschrieben.“ meinte <strong>der</strong> Alte<br />

und sah z<strong>um</strong> Bergmassiv hinauf. „Ich nehme an, Ihr wißt,<br />

wie dieser Berg heißt, an dessen Flanke ihr kampiert?“<br />

„Sicher, wir sind am H´Taih-Massiv.“<br />

„So heißt dieses Gebirge, ja. Aber wie heißt <strong>der</strong> Berg, auf<br />

dem Ihr sitzt, Dom?“<br />

„Chung´n Chiitza.“<br />

Der Alte kicherte. „Und in <strong>der</strong> Sprache <strong>der</strong> Bergvölker<br />

heißt er 'Großer weißer Vater – Bin Kailash'.“<br />

„Und das hier“ <strong>der</strong> Alte griff unvermittelt und mit<br />

erstaunlicher Flinkheit und Kraft nach meinem rechten<br />

Arm und schob dem Ärmel meines Le<strong>der</strong>hemdes hoch, so<br />

dass meine Kriegertättowierung zu sehen war, „ist das<br />

Digamma! Ihr seid Zajin Jihad, das Schwert des heiligen<br />

Krieges“<br />

Das Licht des Feuers fiel auf das geheime Kriegerzeichen,<br />

das ich am Unterarm trug. Es war ein siebenzackiger<br />

Stern, in desen Mitte eine doppelte Wolfsangel<br />

angebracht war. Ich hatte das Zeichen mit dem Erreichen<br />

<strong>der</strong> Schwertmeisterwürde in meinem Kriegerorden<br />

erhalten und trug es stets verborgen. Woher wußte <strong>der</strong><br />

Alte davon? Ich entriss ihm den Arm und starrte ihn<br />

feindselig an. Der Khan und Chahani waren<br />

aufgesprungen, die Hände an den Schwertern.<br />

Der Alte warf sich vor mir in den Staub.<br />

„Verehrung, werter Khan, Verehrung! Ich bin unwürdig.<br />

Vergebt mir, aber es musste sein. Der Geist musste<br />

geweckt werden!“<br />

Ich sah zu Chahani und dem Mah´di hinüber, <strong>der</strong> Khan<br />

wirkte äußerst irritiert, Chahani war aufmerksam und ließ<br />

den Alten nicht aus den Augen.<br />

Ich hob den Alten aus dem Staub und wies hinüber z<strong>um</strong><br />

Mah´di. Mein Tonm war streng und ernst.<br />

„Das ist <strong>der</strong> Khan, Alter. Mah´di Khan, <strong>der</strong> Führer <strong>der</strong><br />

Rebellen von <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>.“<br />

Der Alte schüttelte den Kopf.<br />

„Nein, Dom. Das ist <strong>der</strong> Khan, <strong>der</strong> ging. Doch Ihr seid<br />

<strong>der</strong> Khan, <strong>der</strong> kommt.“<br />

„Was soll das Gerede? Drück Dich gefälligst deutlich<br />

aus!“<br />

„Das kann ich nicht, Dom. Es ist, wie ich sage. Ihr könnt<br />

Eurer Bestimmung nicht entkommen. Niemand kann<br />

das.“<br />

Ich zog mein Schwert und ließ es bedrohlich über dem<br />

Haupt des Alten kreisen. „Ich hätte nicht übel Lust, Euch<br />

für Eure Unverfrorenheit in zwei Hälften zu teilen!“<br />

herrschte ich ihn an.<br />

„Sicher, das könnt Ihr tun, Dom. Doch das würde nichts<br />

an Eurem Schicksal än<strong>der</strong>n. Ihr seid <strong>der</strong>, <strong>der</strong> Ihr<br />

seid.Meine Aufgabe war es, Euch zu erwecken. Ich werde<br />

nicht länger gebraucht.“<br />

Damit verschwand er einfach. Er lief nicht weg o<strong>der</strong> floh.<br />

Er löste sich schlichtweg in meinen Händen auf, wurde<br />

durchscheinend und verschwand dann völlig. Sein Essen<br />

lag noch unberührt auf dem Stein.<br />

Wir drei sahen uns an. Keiner von uns war fähig, ein Wort<br />

zu sagen. Chahani brach die Stille und meinte:<br />

„Wir sollten essen und uns hinlegen. Morgen ist ein<br />

harter und langer Tag.“<br />

So taten wir es. Wir aßen schweigend und schliefen<br />

unruhig. Am nächsten Morgen war <strong>der</strong> Sturm abgeflaut<br />

und wir konnten unsere Reise früher als erwartet<br />

fortsetzen. Ein blauer Himmel und milde Temperaturen<br />

erwarteten uns, als wir aus <strong>der</strong> Jurte kamen. Wir bauten<br />

das Lager ab, beluden unsere Traks und machten uns auf<br />

den Weg, die schwebenden Inseln zu finden.<br />

Kapitel 5: Die schwebenden Inseln<br />

Gerade, als wir aufsitzen wollten, kam <strong>der</strong> Mah´di zu mir.<br />

Er wirkte irgendwie bedrückt, als er mich ansprach.<br />

„Dom Fela, auf ein Wort. Die Worte des Alten gestern...“<br />

„... waren nur das Gewäsch eines alten Kauzes, <strong>der</strong> sich<br />

zu wichtig nimmt. Ihr solltet dem nicht allzu viel<br />

Beachtung schenken, Khan.“ unterbrach ich ihn kühl<br />

Er sah mich in einer Mischung aus Bestürzung und<br />

Verzweiflung an. Als er weitersprach, wirkte er etwas<br />

fahrig.<br />

„Dom Fela, ich bitte Euch, nehmt das nicht auf die leichte<br />

Schulter. Es ist mir ernst. Ich hatte einen Tra<strong>um</strong> heut<br />

Nacht, in dieser Tra<strong>um</strong>zeit sind Dinge geschehen, von<br />

denen ich Euch nicht detailliert berichten kann und darf.<br />

Aber ich möchte Euch <strong>um</strong> eines bitten. Sollte mir auf<br />

unserer Reise etwas zustoßen, so wäre ich geehrt, wenn<br />

Ihr mein Werk fortsetzen könntet. Ich weiß tief in<br />

meinem Herzen, dass Ihr <strong>der</strong> Richtige dafür seid, Dom<br />

Fela. Einer muss es tun.“<br />

Ich sah ihn ernst an.<br />

„Ihr seid <strong>der</strong> Mah´di Khan. Ich bin nur ein<br />

segurianischer Krieger. Wie könnte ich mir anmaßen,<br />

Eure Arbeit zu tun? Das ist absurd. Aber ich respektiere<br />

Eure Bitte. Sollte Euch etwas zustoßen, so werde ich<br />

mein Möglichstes tun.“<br />

„Dom Fela, schwört mir, dass Ihr die Rebellion führen<br />

werdet, sollte ich ausfallen. Schwört es!“<br />

Er war fast in Rage, es schien ihm ernst zu sein. Ich<br />

überlegte kurz, sah zu Boden. War<strong>um</strong> drängte er so sehr<br />

darauf? Hatten die Worte des Alten in ihm so viel<br />

bewirkt? Es war lediglich eine d<strong>um</strong>me Prophezeihung,<br />

davon gab es tausende, die sich nie erfüllten o<strong>der</strong><br />

missinterpretiert waren. Was hatten die obskuren Worte<br />

des Alte bei diesem Gerechtigkeitskämpfer, <strong>der</strong> den<br />

Willen und das Herz eines Bergbasilisken hatte, bewirkt?<br />

Ich sah ihm tief in die Augen, dort war Furcht.<br />

„Mah´di Khan. Sollte Euch auf unserer reise etwas<br />

zustoßen, so schwöre ich bei meinem Schwert, dass ich<br />

alles in meiner Macht stehende tun werde, <strong>um</strong> Euer<br />

Werk zu beenden.“<br />

Der Khan nickte und bestieg sichtlich erleichtert sein<br />

Reittier. Chahani und ich wechselten noch einige Blicke<br />

und saßen ebenfalls auf. Wir schlugen unsere Tamburs<br />

und die Traks erhoben sich in die Lüfte. Wir stiegen<br />

schnell auf und glitten in einer Höhe von etwa 800 Faden<br />

durch die Berglandschaft. Wir ließen uns im B´L Shirok<br />

treiben, ein permanenter leichter Aufwind mit warmen<br />

Strömungen, auf dem auch die schwebenden Inseln<br />

trieben. Diese Inseln waren merkwürdige Gebilde. Die<br />

Legende besagte, dass sie uralt waren, noch aus <strong>der</strong> ersten<br />

Hochzeit.<br />

Vor über 1.000.000 Zyklen soll es bereits eine hohe<br />

Zivilisation gegeben haben, mit mächtigen Reichen,<br />

wun<strong>der</strong>samen Techniken, Denkmaschinen und<br />

Apparaten, die sich von selbst bewegten. Das Leben <strong>der</strong><br />

Menschen war leicht, die Arbeit ging gut von <strong>der</strong> Hand,<br />

und Gewerbe und Handel blühten. Zu dieser Zeit hatte<br />

Gaia Assiah, unsere Muttererde, noch einen Mond, Ultar<br />

genant. Er war dicht bewaldet und <strong>um</strong>kreiste uns in<br />

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einem nicht allzu geringen Abstand. Die Herren <strong>der</strong><br />

ersten Hochzeit besaßen Flugmaschinen, mit denen sie<br />

ohne Traks und Gh<strong>um</strong>pas nach Ultar aufsteigen konnten,<br />

<strong>um</strong> dort Schätze zu bergen. Gaia Assiah war weitgehend<br />

ausgebeutet, und so strebten die Händler in die Ferne. Sie<br />

hatten Flugmaschinen, mit denen sie schnell wie ein<br />

Sturmwind waren und durch die Schwärze des Inbetween<br />

z<strong>um</strong> Mond Ultar tauchten. Irgendwann, sagt die Legende,<br />

begannen heftige Ressourcenkriege <strong>um</strong> Ultar, die Reiche<br />

kämpften auf Gaia, im Inbetwen und auf Ultar<br />

gegeneinan<strong>der</strong> mit Waffen, von denen heute keiner mehr<br />

etwas weiß. Ihre Vernichtungswaffen konnten binnen<br />

weniger Momente ganze Städte ausradieren, so stand es<br />

geschrieben. Die „Glutbohrer“ waren beson<strong>der</strong>s<br />

gefürchtet, sie gruben sich in die Erde und entflammten<br />

selbst das härteste Gestein. So wurde die erste Hochzeit in<br />

einem gigantischen Fluß aus glühendem Gestein ertränkt.<br />

Alle Städte versanken darin, alle Län<strong>der</strong>eien wurden<br />

verbrannt, die Erde wurde wüst und leer. Es gab kein<br />

Leben mehr auf Gaia Assiah. Nur auf Ultar gab es noch<br />

Leben, dort waren kein Glutbohrer z<strong>um</strong> Einsatz<br />

gekommen. Die Reste <strong>der</strong> versprengten Truppen <strong>der</strong><br />

assiahtischen Reiche formierten sich auf Ultar neu und<br />

bildeten Siedlungen. Der Krieg war vorbei, ihre<br />

Maschinen versagten mit <strong>der</strong> Zeit, und man lebte viele<br />

Generationen in Frieden.<br />

Dann eines Tages geschah etwas Unerwartetes. Ein<br />

gewaltiger Komet zog an Gaia Assiah vorbei und<br />

destabilisierte Ultar, so dass <strong>der</strong> Mond ins Trudeln geriet<br />

und drohte, auf Gaia aufzuschlagen. Kurz vor dem Impakt<br />

jedoch zersplitterte <strong>der</strong> Mond in abertausende Teile, von<br />

denen die meisten sich in die Kruste von Gaia bohrten, so<br />

wurden die großen Hochebenen und die Gebirge<br />

erschaffen. Viele Menschen, Tiere und Pflanzen<br />

überlebten die Aufschläge, und so wurde Gaia Assiah<br />

wie<strong>der</strong> mit Leben besiedelt. Der erste Großkaiser, Kyrion<br />

Nebukadnezar, erließ ein Edikt, das es jedem Menschen<br />

untersagte, Maschinen zu erfinden, zu bauen und zu<br />

nutzen. Es wurde DER CODEX genannt und besaß noch<br />

heute Gültigkeit. Es sollte nie wie<strong>der</strong> zu einem so großen<br />

Krieg kommen, wie dem, <strong>der</strong> Gaia Asiah entleibt hatte.<br />

Wer sich dennoch mit Maschinen abgab, wurde sofort mit<br />

dem Tode bestraft. Die Menschen hatten erkannt, dass es<br />

die Maschinen gewesen waren, die das Ausmaß <strong>der</strong><br />

Verwüstung ermöglicht hatten. Maschinen galten fortan<br />

als „Böswerk“ und wurden geächtet.<br />

Einige Teile von Ultar schlugen damals nicht auf Gaia<br />

Assiah auf. Es waren die Wäl<strong>der</strong> von Ganima, in <strong>der</strong>en<br />

Tiefen sich gewaltige Magnetit-A<strong>der</strong>n befanden. Bein<br />

Eintritt in die Atmosphäre von Gaia bremsten die<br />

Magnetitvorkommen die Schollen, als sie über dem H<br />

´Taih-Areal herunterkamen. Im H´taih gab es<br />

Thelluri<strong>um</strong>, ein hochmagnetisches Erz, das den Fall<br />

abbremste und die gewaltigen Schollen in 500 bis 1.000<br />

Faden Höhe stabilisierte. Zigtausende größere und kleine<br />

Fraktale trieben dort nun seit Urzeiten auf dem<br />

magnetischen Fluß, <strong>der</strong> sie eingefangen hatte, dahin.<br />

Flora, Fauna und Kultur entwickelten sich dort völlig<br />

unberührt vom restlichen Geschehen auf Gaia Assiah. Die<br />

schwebenden Inseln waren erst vor 1.500 Zyklen von<br />

gondrischen Forschern entdeckt worden, von den<br />

zahlreichen Expeditionen dorthin kehrten nur wenige<br />

zurück. Es kam die Kunde, dass dort ein wildes<br />

Kriegervolk lebte, das unbeherrschbar war, und das jeden<br />

Eindringling tötete. Als die Reiche sich auf Gaia Assiah<br />

formierten, hatte es mehrere Versuche gegeben, mit<br />

Invasionen das Volk <strong>der</strong> schwebenden Inseln zu<br />

unterwerfen, nicht einer dieser Kriege wurde gewonnen.<br />

Die Mandraken waren wild, unbeugsam, und sie<br />

vermochten sich ihrer dichtbewaldteten Umgebung<br />

hervorragend anzupassen. Sie waren im Dickicht<br />

praktisch unsichtbar, und mit ihren Guerillataktiken<br />

konnten sie hun<strong>der</strong>tfach überlegene Heere schlagen,<br />

weshalb man sie auch „die bösen Waldgeister“ nannte.<br />

Auf den Randinseln gab es einige Handelsplätze, welche<br />

die Mandraken duldeten, <strong>um</strong> sich mit Waren zu<br />

versorgen, die sie auf den Inseln nicht herstellen konnten.<br />

Sie tauschten im Gegenzug Arzneien, die sie aus <strong>der</strong> fast<br />

unberührten Natur ihres Reiches gewannen. Nur auf den<br />

Inseln wuchs ein Schimmelpilz, <strong>der</strong> unter obskuren<br />

Ritualen zur Herstellung einer Medizin gegen das<br />

gefürchtete Knochenfieber verarbeitet wurde. Die<br />

Rezeptur kannten nur die Shamani <strong>der</strong> Mandraken, und<br />

sie wurde gut behütet. In früher Zeit wurde einst ein<br />

Mandrakenshamane entführt, <strong>um</strong> ihm die Rezeptur<br />

abzupressen. Als <strong>der</strong> gondrische Stoßtrupp den<br />

Heimatwald des Shamanen verließ, war er tot.<br />

Derzeit wurden die fünf bekannten Mandrakenstämme<br />

mit ihren zahlreichen Clans vom Warlord Xul<br />

Eisenbeisser angeführt, einem Hünen, dessen Anblick<br />

selbst einen erfahrenen Krieger erschauern ließ. Die<br />

Mandraken waren von <strong>der</strong> Statur her durchschnittlich<br />

größer als je<strong>der</strong> Kontinentalmensch, sie hatten<br />

grobschlächtige Gesichter und Reißzähne wie Raubkatzen<br />

und sie waren muskelbepackt wie <strong>Kampf</strong>ringer. Zu diesen<br />

Berserks also führte uns unsere Mission, und mir war<br />

nicht eben wohl bei <strong>der</strong> Sache. Es war fraglich, ob wir<br />

überhaupt ins Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong> Stämme würden vorrücken<br />

können, denn z<strong>um</strong> Einen mußten wir uns in<br />

unbekanntem Gebiet durch mehrere Verteidigungsringe<br />

arbeiten, z<strong>um</strong> An<strong>der</strong>en war das Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong> Macht stets<br />

in Bewegung. Die schwebenden Inseln waren nirgends<br />

vollständig kartographiert, und mit Techniken, die uns<br />

unbekannt waren, konnten die Mandraken die Position<br />

einer Insel im Schwarm verän<strong>der</strong>n. Aus verschiedenen,<br />

relativ authentischen Berichten war bekannt, dass es<br />

z<strong>um</strong>indest eine zentrale Insel gab, in <strong>der</strong>en<br />

Dschungeldickicht einige uralte Ruinen aus <strong>der</strong> ersten<br />

Hochzeit lagen, und dass dort <strong>der</strong> Warlord herrschte. Die<br />

Clans und Stämme wechselten ihren Aufenthaltsort<br />

ständig und waren schwer zu lokalisieren. Wir würden<br />

also buchstäblich im Nebel des Feuchtwaldes stochern.<br />

Ich steuerte meinen Djiati näher an den des Khan heran<br />

und fragte ihn nach seiner Strategie.<br />

„Nun, ich denke, im Grunde ihres Herzens sind die<br />

Mandraken gute Leute...“ meinte er „ ... sie sind -wie wirgut<br />

zu ihren Frauen, gut zu ihren Kin<strong>der</strong>n und gut zu<br />

ihren Tieren. Sie sind kriegerisch, weil man sie immer<br />

wie<strong>der</strong> angegriffen hat, weil man versucht hat, sie<br />

auszulöschen und zu unterdrücken. Ich muss versuchen,<br />

Xul Eisenbeiser von <strong>der</strong> Notwendigkeit einer Allianz zu<br />

überzeugen.“<br />

Ich sah ihn skeptisch an.<br />

„Ich bin sehr gespannt, wie Ihr das anstellen wollt,<br />

Khan. Ich glaube, diese Wilden verstehen nur eine<br />

einzige Sprache.“ Dabei tippte ich an den Griff meines<br />

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Schwertes. „Aber erstmal wollen wir sehen, dass wir das<br />

Nest dieser Tiere überhaupt finden.“<br />

„Diese Tiere, wie Ihr sie nennt, sind unsere letzte<br />

Hoffnung, Dom Fela. Gelingt es uns nicht, sie auf unsere<br />

Seite zu bringen, ist die Sache verloren.“<br />

Ich grinste. „Gelingt es uns nicht, sie auf unsere Seite zu<br />

bringen, sind wir verloren, fürchte ich.“ Ich lachte laut.<br />

„Gastfreundschaft ist so ziemlich das Letzte, wofür die<br />

Mandraken bekannt sind. Wenn Ihr nicht überzeugend<br />

seid, Khan, werden sie uns wahrscheinlich in ihre<br />

Kochtöpfe stecken und schmoren, bis unser Fleisch von<br />

den Knochen fällt.“<br />

Ich fing mir von Chahani einen giftigen Blick ein.<br />

Unsere Traks schwebten auf dem warmen Aufwind durch<br />

die Schluchten des weiträ<strong>um</strong>igen H´Taih-Areals. Gegen<br />

Mittag passierten wir den Arrakhpass, ein mittelhoher<br />

Grat, <strong>der</strong> sich schnurgerade über eine Länge von gut<br />

50.000 Fuß erstreckte und eine Wetterbarriere bildete. Es<br />

war ein beindruckendes Schauspiel, wie sich im Lichte<br />

<strong>der</strong> Sonnen die Wolken über den Rand des Passes<br />

schoben und auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite einem Wasserfall<br />

gleich in die Tiefe abstürzten. Hier trafen verschiedene<br />

Luftschichten aufeinan<strong>der</strong>, und die Wolken wurden am<br />

Hang hinuntergedrückt. So floß das Wolkenmeer seit<br />

Urzeiten hier den Berg hinab und stürzte zu Tal, wo es<br />

sich erwärmte und dampfend wie<strong>der</strong> aufstieg. Der Kessel<br />

von Arrakh, wie das große Tal genannt wurde, war ein<br />

maßgeblicher Motor für das gondrische<br />

Kontinentalklima, hier wuchsen die Regenwolken, welche<br />

die Hochebenen <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>s befruchteten. Im Talkessel<br />

wucherte ein undurchdringlicher Regenwald, <strong>der</strong> die<br />

seltsamsten Kreaturen hervorbrachte. Dieser riesige Wald<br />

nicht zu einem Bruchteil erforscht, aber die Gelehrten<br />

gingen davon aus, dass nach <strong>der</strong> ersten Hochzeit an dieser<br />

Stelle die Wie<strong>der</strong>belebung des Planeten stattgefunden<br />

hatte. Nur in diesem Wald existierten die Ur-Gh<strong>um</strong>pas,<br />

die nicht mehr als kniehoch waren. Aus ihrer Gattung<br />

waren die gewaltigen Lastengh<strong>um</strong>pas gezüchtet worden,<br />

die heute alle schweren Transportarbeiten verrichteten.<br />

Hier im Wald gab es auch den handtellergroßen Elkkäfer,<br />

den Urahnen <strong>der</strong> Traks. Aus ihm waren alle Ghenakäfer<br />

hervorgegangen, die Trak-Ghena, die verschiedenen<br />

<strong>Kampf</strong>traks, Hebekäfer und alle Nutzinsekten, die nicht<br />

zur Gattung <strong>der</strong> Gh<strong>um</strong>pa gehörten. Über tausende von<br />

Zyklen hinweg waren die Zuchttiere selektiert worden,<br />

immer neue Arten, in Größe und Ausprägung<br />

verschieden, wurden zielsicher gezüchtet. So kam es, dass<br />

die Nutzinsekten nun die Arbeit von Maschinen<br />

verrichteten, was nicht dem Technikverbot wi<strong>der</strong>sprach.<br />

Unsere Zivilisationen flogen zwar nicht zu fernen<br />

Gestirnen, wie es in <strong>der</strong> ersten Hochzeit <strong>der</strong> Fall gewesen<br />

war, aber das war auch nicht wichtig. Auch wenn unsere<br />

Gesellschaften <strong>der</strong> zweiten Hochzeit nicht ohne Fehler<br />

waren, so lebten wir dennoch mehr im Einklang mit <strong>der</strong><br />

Natur, als das unsere Vorfahren taten. Das Leben ohne<br />

die Denkmaschinen und Apparate war sicherlich<br />

beschwerlich, gefährlich und es gab auch ohne Maschinen<br />

durchaus Grund, Kriege zu führen. Aber die heiligen<br />

Codices <strong>der</strong> zweiten Hochzeit besagten, dass Kriege nur<br />

zwischen militärischen Einheiten ausgefochten werden<br />

durften. Die zivile Bevölkerung war davon fernzuhalten.<br />

Im Großen und Ganzen hielten sich die Völker auch<br />

daran, nur <strong>der</strong> Tyrann Ninurta verstieß immer öfter gegen<br />

die Codices. Das war auch einer <strong>der</strong> Gründe, war<strong>um</strong> die<br />

Nachbarvölker von <strong>Gonda</strong> die Rebellen in ihrem <strong>Kampf</strong><br />

gegen den Kaiser heimlich unterstützten.<br />

Wir überflogen die Wiege <strong>der</strong> Zivilisation fast ohne<br />

Zwischenfälle. Nur einmal wurden wir von einem<br />

Schwarm Blasenquallen attackiert, die versuchten, uns<br />

mit ihren Nesselfäden zu betäuben. Sie waren zwar nicht<br />

beson<strong>der</strong>s schnell und keineswegs intelligent, aber ihre<br />

Zahl konnte in einem Schwarm schnell in die<br />

Hun<strong>der</strong>tausende gehen. Ihre gasgefüllten Körper konnten<br />

sie durch Gasausstoß vertikal navigieren, horizontal<br />

jedoch waren sie auf den Wind angewiesen. Allerdings<br />

stieg <strong>der</strong> Schwarm hinter uns auf, so dass wir gezwungen<br />

waren, ihnen durch ein zeitraubendes Manöver<br />

auszuweichen. Wir flogen eine meilenweite Ostkurve und<br />

gingen vierhun<strong>der</strong>t Faden höher, in eine kalte<br />

Luftschicht, in <strong>der</strong> die Blasenquallen den Zellinnendruck<br />

nicht halten konnten. S´rath, die Mittagssone, brannte<br />

erbarmungslos auf uns herab, und wir entschlossen uns,<br />

auf einer Bergflanke zu rasten, die frei von Ba<strong>um</strong>bestand<br />

war, aber im Schatten eines großen Felsüberhanges lag.<br />

Wir landeten die Djiatis und Chahani bereitete uns einen<br />

köstlichen Tee, <strong>der</strong> die müden Lebensgeister wie<strong>der</strong><br />

weckte. Als wir <strong>um</strong> das kleine Feuerchen her<strong>um</strong>saßen,<br />

berieten wir unsere weitere Route. Ich holte eine le<strong>der</strong>ne<br />

Karte heraus, die seit über einhun<strong>der</strong>tfünfzig Zyklen im<br />

Besitz meiner Familie war. Sie war Teil eines<br />

Kartensatzes, <strong>der</strong> die gesamte Kontinentalplatte<br />

abbildete, doch die Karte war verschlüsselt. Sie zeigte ein<br />

scheinbar wirres Muster aus Linien und Punkten. Ich<br />

breitete die Karte aus und legte einige Spiegelkristalle an<br />

bestimmte Punkte auf dem Le<strong>der</strong>. Dann setzte ich in die<br />

Mitte <strong>der</strong> Karte einen sidellianischen Flammenopal, <strong>der</strong><br />

wie eine Pyramide geformt war. Er leuchtete stark in<br />

floureszierenden Farben, und die an<strong>der</strong>en Kristalle<br />

reflektierten sein Licht. Die Lichstrahlen wurden hin und<br />

her geworfen, verbanden und kreuzten sich, und schon<br />

nach wenigen Momenten baute sich etwa drei Handbreit<br />

über <strong>der</strong> Karte ein Lichtgebilde auf, das die Umrisse des<br />

H´Taih Gebirges zeigte. Darin fanden sich einige Dutzend<br />

Lichtpunkte in verschiedenen Farben.<br />

Chahani stutzte. „Was ist das?“<br />

„Das ist eine Partitur aus <strong>der</strong> ewigen Route des Lichts<br />

von Segur.“ antwortete ich, während ich mir die<br />

Konstellationen sorgsam einprägte. „Meine Familie hütet<br />

diese Karte seit vielen Generationen, sie <strong>um</strong>fasst 22<br />

Teile: 7 Doppelte, 12 Einfache und 3 Mutterpartituren.<br />

Alle zusammen bilden den gesamten Planeten ab. Einst<br />

wurde die Route von den Magiern Segurias in <strong>der</strong><br />

Tra<strong>um</strong>zeit erforscht, und in den Partituren verschlüsselt.<br />

So ist es uns möglich, auch das unentdeckte Land zu<br />

bereisen.“<br />

Der Mah´di sah interessiert zu. Er konnte sein Erstaunen<br />

nicht verbergen, macht auch keine Anstalten<br />

diesbezüglich.<br />

„Faszinierend, Dom Fela. Eine solche Karte ist für sich<br />

genommen schon eine Waffe, bedenkt man den<br />

strategischen Vorteil, den sie zu verschaffen in <strong>der</strong> Lage<br />

ist. Ich sehe es doch richtig, dass sie in <strong>der</strong> Lage ist, den<br />

tatsächlichen Standort eines Objektes zu zeigen? Auch<br />

einer Truppe, nicht wahr?“<br />

„In <strong>der</strong> Tat. Wenn ich die Karte fokussiere, kann ich<br />

sogar unseren Standort in Relation z<strong>um</strong> Xul zeigen.“<br />

Seite 26


Ich erarbeitete ein Mentalbild meines Zieles und schon<br />

verän<strong>der</strong>ten sich die Lichtbögen über <strong>der</strong> Karte. Sie zeigte<br />

nun unser Lager als kleinen gelben Punkt, von dem ein<br />

Lichtbogen hinüberzeigte zu einem an<strong>der</strong>en, violetten<br />

Punkt, <strong>der</strong> von einem blassen Schein <strong>um</strong>geben war. Ich<br />

zeigte darauf.<br />

„Dort ist Xul mit seinem Clan. Etwa zwei Tagesreisen<br />

entfernt auf <strong>der</strong> Insel Terroknoir. Wir müssen uns durch<br />

den äußeren Schutzwall arbeiten, <strong>der</strong> aus einer Reihe<br />

kleinerer Inseln besteht. Das sollte nicht allzu schwierig<br />

sein. Aber auf Terroknoir werden wir unsere Traks nicht<br />

gebrauchen können, fürchte ich. Zu dicht bewaldet. Wir<br />

werden uns auf einen längeren Fußmarsch einrichten<br />

müssen. Und <strong>der</strong> wird alles an<strong>der</strong>e als ein Spaziergang<br />

werden, fürchte ich.“<br />

Der Mah´di zog die Augenbrauen hoch. „Mögen die<br />

Götter K´bals uns beistehen“ murmelte er. „Ein wirklich<br />

beeindruckendes Navigationsmittel...“ fügte er noch leise<br />

hinzu.<br />

Nachdem ich die Karte wie<strong>der</strong> in meiner Kiste verstaut<br />

hatte, legten wir uns etwas nie<strong>der</strong> und rasteten, bis die<br />

Mittagssonne etwas nachließ und die Temperaturen<br />

erträglicher wurden. Am frühen Nachmittag bestiegen wir<br />

wir wie<strong>der</strong> unsere Reittiere und zogen weiter Richtung<br />

Norden, den schwebenden Inseln folgend. Wir überflogen<br />

sanfte Hügel, die abrupt zu steilen Graten aufschossen,<br />

<strong>der</strong>en Kämme wie mit dem Maßstock gezogen in den<br />

Himmel aufragten. Nirgends war auch nur die Spur einer<br />

Siedlung ausz<strong>um</strong>achen. An den Flanken <strong>der</strong> Berge<br />

wucherten ausgedehnte Wäl<strong>der</strong> von unförmigen<br />

Zwergkoniferen, die <strong>der</strong> Gegend ein mystisch, skurriles<br />

Aussehen verliehen. An den Berghängen krochen diesige<br />

Nebel durch die verkrüppelten Wäl<strong>der</strong>, und in den<br />

Nie<strong>der</strong>ungen sammelte sich <strong>der</strong> Gestank gäriger Sümpfe.<br />

Eine völlig unwirtliche Gegend, in <strong>der</strong> kein Mensch leben<br />

wollte. Auf einer Hochebene, die mit spärlichem, wilden<br />

Rieselgras bewachsen war, machten wir eine große<br />

Chalais-Gh<strong>um</strong>pa Herde aus. Gemächlich trotteten die<br />

riesigen Insekten über die Steppe, etwa zehn Dutzend<br />

Tiere waren es, ein Leitbulle, mehrere Kühe und etliche<br />

Jungtiere. Der Panzerzeichnung nach kamen sie aus<br />

gondrischen Beständen, wahrscheinlich handelte es sich<br />

<strong>um</strong> entlaufene und verwil<strong>der</strong>te Tiere, die sich zu einer<br />

Herde zusammengefunden hatten. Hier oben in den<br />

Bergen kamen große Gh<strong>um</strong>pas nur sehr selten vor, und<br />

sie lebten gefährlich hier. Es gab viele Raubtiere, denen<br />

die behäbigen Käfer nur wenig entgegenzusetzen hatten.<br />

Sie waren zwar gepanzert, aber es gab Räuber, die sich auf<br />

das Erbeuten von Insekten spezialisiert hatten.<br />

Es dauerte nicht lange, bis wir eben dieses Schauspiel<br />

verfolgen konnten. Eine <strong>der</strong> größeren Kühe hatte sich<br />

etwas von <strong>der</strong> Herde gelöst, <strong>um</strong> sich einer grünen Insel zu<br />

nähern, die im Steppengras leuchtete. Das war ihr Fehler.<br />

Diese grünen Flecken in ansonsten dürren<br />

Steppenreiselgras waren trügerische Fallen. Sie wurden<br />

genährt von den Ausscheidungen einer armlangen<br />

Wurmart, die dicht unter <strong>der</strong> Oberfläche in senkrechten<br />

Röhren hauste. Wenn sich nun ein Tier dem<br />

vermeindlichen Freßplatz näherte, schossen sie aus ihren<br />

Röhren und durchschlugen den Panzer an <strong>der</strong><br />

verwundbaren Unterseite. Dazu preßten sie das Gas aus<br />

ihrem Verdauungstrakt in die Röhre, in <strong>der</strong> sie saßen, und<br />

entzündeten es mit einem biochemischen Funken. So<br />

wurden sie aus <strong>der</strong> Röhre herauskatapultiert, und die<br />

hornartigen Dornen an <strong>der</strong> Kopfseite bohrten sich durch<br />

den Panzer.<br />

So war es auch in diesem Fall. Die Gh<strong>um</strong>pakuh wan<strong>der</strong>te<br />

z<strong>um</strong> Grün, und mit zischenden und knackenden<br />

Geräuschen durchschlugen die Kassimwürmer den<br />

Bauchpanzer <strong>der</strong> Kuh, die mit lautem Tröten aus ihrem<br />

Horn ihren Schmerz bekundete. Die Kassimwürmer<br />

waren in ihren Leib eingedrungen und begannen sofort,<br />

die Weichteile zu fressen. Die Kuh ta<strong>um</strong>elte, rannte noch<br />

ein paar Fuß weit und brach zusammen. Nun kamen<br />

immer mehr dieser metallisch glänzenden Würmer aus<br />

<strong>der</strong> Erde gekrochen und zogen in einer makaberen<br />

Prozession z<strong>um</strong> Kadaver, in den sie eindrangen, <strong>um</strong> sich<br />

satt zu fressen. Um das tote Tier her<strong>um</strong> schien <strong>der</strong> Boden<br />

zu leben. Tausende Würmer in allen Größen fielen<br />

darüber her, und bereits nach wenigen Momenten waren<br />

nur noch die Hartschalenpanzer übrig. Die Würmer<br />

gruben sich wie<strong>der</strong> in den Boden ein, und an <strong>der</strong> Stelle, an<br />

<strong>der</strong> das große Fressen stattgefunden hatte, würde in<br />

wenigen Tagen die nächste kleine grüne Insel entstehen.<br />

Die Herde <strong>der</strong> Gh<strong>um</strong>pas zeigte sich unbeeindruckt und<br />

zog stupide weiter. Ich sinnierte noch kurz über das<br />

Werden-Sein-Vergehen, doch dann verlangte es<br />

an<strong>der</strong>norts nach Konzentration.<br />

„Da!“ Der Ruf Chahanis holte mich aus meiner<br />

Beobachtung heraus und ließ mich in die Richtung<br />

schauen, in die sie deutete. Einige hun<strong>der</strong>t Fuß vor uns<br />

tauchte im seitlichen Licht <strong>der</strong> tiefstehenden Sonne S<br />

´rath die Shilouette <strong>der</strong> ersten schwebenden Insel auf.<br />

Rein technisch gesehen handelte es sich dabei <strong>um</strong> einen<br />

Felsbruch, dessen Spitze nach unten zeigte, und <strong>der</strong> an<br />

<strong>der</strong> Oberfläche belebt war. Optisch jedoch war dieser<br />

Anblick ein echtes Erlebnis. Da schwebte ein <strong>um</strong>gedrehter<br />

Berg etwa zweihun<strong>der</strong>t Faden über dem Boden daher, wie<br />

an unsichtbaren Fäden aufgehängt. Gemächlich trieb<br />

diese gewaltige Galeone im Magnetstrom des H´taih-<br />

Gebirges. Der graubraune Felskeil wurde gekrönt von<br />

einer dichten Perücke aus üppigem Grün, über <strong>der</strong> Vögel<br />

und Insekten verschiedenster Art flatterten. Dies war <strong>der</strong><br />

Ursprung des neuen Lebens, von hier aus war in <strong>der</strong><br />

neuen Zeit Gaia Assiah wie<strong>der</strong> belebt worden. Fasziniert<br />

betrachtete ich dieses schwebende Eiland. Es gab<br />

tausende davon. Größere, kleinere, flache und spitze,<br />

einige schwebten höher, einige, <strong>der</strong>en Magnetita<strong>der</strong>n<br />

schwächer waren, schwebten nur einige hun<strong>der</strong>t Faden<br />

über dem Boden. Wir hatten unser Ziel fast erreicht. Jetzt<br />

mußten wir nur noch die Hauptinsel finden, und z<strong>um</strong><br />

Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong> Madrakenstämme vordringen. Hier in <strong>der</strong><br />

Luft drohte uns wenig Gefahr, denn die Mandraken<br />

stiegen nur selten mit Fluginsekten auf. Sie zogen es vor,<br />

im Schutz <strong>der</strong> Urwäl<strong>der</strong> zu operieren. Ab und an<br />

überwanden sie die Distanz zu einer Nachbarinsel mit<br />

Trak-Ghenas, aber viele <strong>der</strong> Inseln waren auch mit<br />

abenteuerlich konstruierten Brücken verbunden. Als wir<br />

näher herankamen, tauchten weitere Inseln auf und man<br />

konnte hier und da die flexiblen Holzbrücken erkennen,<br />

mit denen eng benachbarte Inseln verbunden waren. Im<br />

Prinzip handelte es sich dabei <strong>um</strong> Hängeseilbrücken, die<br />

jedoch in <strong>der</strong> Art von Glie<strong>der</strong>tunneln konstruiert waren.<br />

Dazu fertigten die Mandraken große, elliptische Segmente<br />

aus Valtra-Balsaholz, mannshoch und doppelt so breit. In<br />

den Boden lagerten sie dünne Schichten aus Magnetiterz<br />

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ein, und die Lianenseile, mit denen sie die Segmente<br />

verbanden, wurden in einer öligen Magnetitbeize<br />

getränkt. So bekamen die Brücken in etwa dieselben<br />

Eigenschaften wie die Inseln, sie hingen nur mäßig durch<br />

und schwebten ebenfalls auf dem magnetischen Strom.<br />

Jede Brücke hatte zwei oberschenkeldicke zentrale<br />

Halteseile, die unter <strong>der</strong> Laufläche verliefen und fest mit<br />

den Inseln verbunden waren. In Brusthöhe und über dem<br />

Dach liefen noch drei Führungsseile, in die jeweils die<br />

Tunnelsegmente eingehängt wurden. So blieben die<br />

Verbindungstunnel stabil, behielten jedoch die<br />

erfor<strong>der</strong>liche Flexibilität, <strong>um</strong> Kursschwankungen <strong>der</strong><br />

Inseln auszugleichen. Die Tunnelbrücken waren über und<br />

über mit Epiphyten, Moosen und Flechten überwachsen,<br />

die in tausend und mehr Zyklen einen dichten grünen<br />

Teppich auf den Dächern gebildet hatten und wie skurrile<br />

Tropfengebilde an den Seiten herunterhingen. Dieser<br />

botanische Mantel hielt die Temperaturen in den Röhren<br />

erträglich und schützte die Konstruktion vor<br />

Ausbleichung und Versprödung. Es gab hun<strong>der</strong>te dieser<br />

Tunnelbrücken, die von den Mandraken im Kriegsfall<br />

auch als Schützenstellungen gebraucht wurden.<br />

Gegen Abend waren wir schon relativ weit in das Inselfeld<br />

vorgedrungen, es gab keine beson<strong>der</strong>en Vorkommnisse zu<br />

verzeichnen. Wir suchten uns eine sehr kleine,<br />

offensichtlich unbewohnte Insel für die Nachtruhe aus,<br />

ein kleines, flaches Oval mit niedrigem Buschbestand, das<br />

ziemlich tief schwebte. Am äußeren Rand befand sich ein<br />

natürlicher Kraal aus Felsen, den wir als geeigneten<br />

Lagerplatz identifizierten. Wir steuerten unsere Käfer<br />

herunter, kreisten ein paar Mal über <strong>der</strong> Insel, die nicht<br />

größer war als ein durchschnittlicher Rieselgrasschlag in<br />

<strong>der</strong> Segurianischen Börde, und landeten im Kraal. Wir<br />

sicherten das Gelände und errichteten in Ruhe einen<br />

gemütlichen Lagerplatz. Wasser gab es hier nicht, aber<br />

wir hatten z<strong>um</strong> Glück noch einige Kalebassen<br />

Frischwasser dabei. Ich schnitt etwas Dörrfleisch auf, gab<br />

es mit Klustabohnen, Süßknollen und Lauchblättern in<br />

einen Topf und stellte ihn auf das fast rauchlose Feuer,<br />

das <strong>der</strong> Khan entfacht hatte. Chahani bereitete uns Tee,<br />

und während die Mahlzeit vor sich hin köchelte, bereitete<br />

<strong>der</strong> Khan einen Stockbrotteig, den er mit gelbem<br />

Curc<strong>um</strong>a, Salz und einigen Kräutern würzte. Wir<br />

schnitten und Stöcke zurecht, drapierten eine Portion<br />

Teig darauf und hielten sie über das Feuer. Es duftete<br />

herrlich. Der Teig war wohl gelungen und ging gut auf.<br />

Kurz darauf hatten wir drei ein einfaches, aber<br />

schmackhaftes Mahl zubereitet, das unseren Hunger und<br />

Durst vorzüglich stillte. Der Fleischtopf schmeckte deftig,<br />

pikant und leicht süßsauer, dazu paßte das gewürzte<br />

Stockbrot hervorragend. Chahanis Tee war süß und<br />

schmeckte sehr fruchtig. Es wurde ka<strong>um</strong> gesprochen, bis<br />

wir fertig gegessen hatten. Um uns her<strong>um</strong> zirpte und<br />

trällerte es leise, die Geräusche <strong>der</strong> abendlichen Steppe<br />

wurden nur ab und an vom Gekreisch eines si<strong>der</strong>ischen<br />

Schreivogels unterbrochen, <strong>der</strong> irgendwo in <strong>der</strong> Nähe auf<br />

Jagd nach Insekten und kleinen Reptilien war.<br />

Nach dem Essen holte ich meine Wurzelholzpfeife heraus,<br />

stopfte sie mit einem aromatischen Kräutergemisch und<br />

entzündete sie mit einen Glutspan aus dem Feuer. Bereits<br />

die ersten Züge brachten eine wohlige Entspannung, die<br />

sich im ganzen Körper ausbreitete. Ich ließ die Pfeife<br />

her<strong>um</strong>gehen. Nach einigen Momenten sprach ich den Ma<br />

´dhi Khan an.<br />

„Sagt, wie genau habt Ihr nun die Mandraken in Euren<br />

Revolutionsplan eingesetzt? Ich meine, dass dies kein<br />

leichtes Unterfangen wird, sollte Euch klar sein...“<br />

„Ich weiß,“ gab <strong>der</strong> Khan nachdenklich zurück, „aber es<br />

muß einfach gelingen, die Völker gegen Ninurta zu<br />

vereinen. Seine unterdrückerische Herrschaft gewinnt<br />

täglich an Macht und Einfluss, und ich fürchte, es steht<br />

in seiner Absicht, den gesamten Planeten zu<br />

beherrschen.“<br />

„Das sieht das segurianische Imperi<strong>um</strong> ähnlich,“<br />

pflichtete ich ihm bei, „nicht <strong>um</strong>sonst unterstützen wir<br />

die gondrische Wi<strong>der</strong>standsbewegung. Das ist für uns<br />

nicht ohne Risiko. Ninurta ahnt es, aber wenn er es uns<br />

beweisen könnte, hätten wir schnell seine Legionen in<br />

unserem Reich.“<br />

Ich stocherte sinnierend im Feuer und fuhr fort.<br />

„Aber nun ist <strong>der</strong> Zeitpunkt <strong>der</strong> großen Schlacht nahe.<br />

Dieser Krieg wird unglaublich hart werden für alle<br />

Beteiligten. Die Altvor<strong>der</strong>en Segurias verlegen bereits<br />

seit mehr als 15 Zyklen in aller Heimlichkeit Soldaten<br />

und Material an die Grenzen. Die Neusiedler in den<br />

Outbacks sind nicht Farmer und Viehzüchter, wie man<br />

meinen könnte. Wir haben über 200.000 Mann an den<br />

Grenzen unauffällig stationiert. Diese Armee wartet nur<br />

auf den Befehl, in Waffen zu gehen.“<br />

Ich sah den Khan an. Er war sichtlich verdutzt. Seinem<br />

Gesicht war anzusehen, dass er damit nicht gerechnet<br />

hatte. Dann entspannten sich seine Gesichtszüge und er<br />

lachte.<br />

„Ist das wahr? Unglaublich. Ich versichere Euch, Dom<br />

Fela, das keiner das gemerkt hat. Nicht in unserem<br />

Lagern, nicht im Befehlsstand von Ninurtas Armeen. Ihr<br />

Segurianer seid sehr geschickt in militärischen Dingen,<br />

das muss ich neidlos zugestehen. Meine Hochachtung. Es<br />

ist eine erstaunliche militärische Leistung, ein solches<br />

Kontingent völlig unbemerkt zu positionieren. Und die<br />

Art, wie Ihr dies bewerkstelligt hat, zeugt von <strong>der</strong><br />

strategischen Weitsicht Eurer Führer. Meinen<br />

außerordentlichen Respekt, Schwertmeister!“ Er<br />

verneigte sich und sprach weiter.<br />

„Das verän<strong>der</strong>t natürlich einiges. Wenn <strong>der</strong> <strong>Kampf</strong> <strong>um</strong><br />

<strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> entbrennt, wird Ninurta sich auf einige<br />

Überraschungen gefasst machen müssen, dessen bin ich<br />

mir sicher. Aber dennoch, ich bin nicht sicher, ob wir<br />

obsiegen werden. Der Kaiser hat gewaltige Mengen Gold<br />

und Edelsteine in Waffen verwandelt, und seine<br />

<strong>Kampf</strong>taranteln sind vielen an<strong>der</strong>en Waffengattungen<br />

weit überlegen. Ich will ehrlich sein: Ich fürchte mich vor<br />

diesem Krieg. Denn wenn es uns nicht gelingt, Ninurta<br />

im ersten Anlauf zu schlagen, dann hat diese Welt<br />

verloren. Wir brauchen die entschlossene Kooperation<br />

aller Völker, <strong>um</strong> diesen mächtigen Feind zu schlagen.<br />

Wir müssen Xul Eisenbeisser davon überzeugen, dass er<br />

nur an unserer Seite eine Chance z<strong>um</strong> Überleben hat.“<br />

„Und? Wie wollt Ihr das anstellen?“ hakte ich nach.<br />

„Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.<br />

Nun war ich es, <strong>der</strong> lachte. „Ein trefflicher Plan, Mah´di<br />

Khan!“<br />

Er sah mich an und meinte leise: „Manche Brücken kann<br />

man erst überschreiten, wenn man sie erreicht hat...“<br />

Ich nickte ihm zu und sah wie<strong>der</strong> ins Feuer. Nach einer<br />

Weile <strong>der</strong> Stille begaben wir uns in unsere Nachtlager.<br />

Der Khan übernahm die erste Wache, dann übernahm<br />

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Chahani die zweite und ich die dritte Wache. Die Nacht<br />

verlief ohne Zwischenfälle, und am nächsten Morgen<br />

machten wir uns zeitig auf, das Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong> Mandraken-<br />

Kultur ausfindig zu machen.<br />

Wir flogen bis z<strong>um</strong> Mittag durch das ausgedehnte Feld<br />

<strong>der</strong> schwebenden Inseln. Erstaunlicherweise bekamen wir<br />

nicht einen einzigen Mandraken zu Gesicht, obwohl ich<br />

sicher war, dass uns hun<strong>der</strong>te, wenn nicht tausende<br />

Augenpaare aus dem Dickicht <strong>der</strong> Inselwäl<strong>der</strong><br />

beobachteten. Als Krieger entwickelt man einen<br />

beson<strong>der</strong>en Sinn, <strong>der</strong> es ermöglicht, Bedrohungen<br />

wahrzunehmen und einzuschätzen. Und, obwohl ich die<br />

Beobachter deutlich wahrnahm, gab es keinen Anlaß, in<br />

Alarmbereitschaft zu verfallen. Die Stimmung, die mir im<br />

Äther entgegenkam, war eher neugierig als feindselig, was<br />

mich angesichts <strong>der</strong> Dinge, die man sich über die<br />

Mandraken erzählte, wirklich verwun<strong>der</strong>te. Ich genoss<br />

also den Flug durch das Reich des Warlords Xul<br />

Eisenbeisser, bewun<strong>der</strong>te die Architektur <strong>der</strong><br />

Tunnelbrücken und ließ die Mittagssonne meinen Leib<br />

erwärmen. Die Brücken waren das einzige Anzeichen<br />

einer Zivilisation in diesem unglaublichen Haufen<br />

fliegen<strong>der</strong> Steine. Das Gewirr an Verbindungen zwischen<br />

den Inseln wurde immer dichter, je näher wir dem<br />

Zentr<strong>um</strong> kamen. Einige <strong>der</strong> Brücken schienen weit über<br />

1000 Zyklen alt zu sein, sie unterschieden sich ka<strong>um</strong> noch<br />

von <strong>der</strong> natürlichen Umgebung, so sehr waren sie<br />

bewachsen. Wie ein A<strong>der</strong>netz verbanden sie die inneren<br />

Inseln zu einem gigantischen Cluster, <strong>der</strong> wahrscheinlich<br />

von zigtausenden von Mandraken bewohnt wurde.<br />

„Dort!“ Es war <strong>der</strong> Khan, <strong>der</strong> meine Blicke mit einem<br />

Fingerzeig nach unten lenkte. Etwa 200 Faden unter uns<br />

schwebte eine gigantische Insel, die größte von allen, die<br />

wir bisher gesehen hatten. Sie war fast komplett von<br />

einem dunkelgrünen Wald bestanden. Nur in <strong>der</strong> Mitte<br />

<strong>der</strong> Insel gähnte ein Loch in dem grünen Meer. Ein großer<br />

See war dort zu sehen, mit klarem, türkisfarbenen<br />

Wasser, <strong>der</strong> aus zwei großen Wasserfällen gespeist wurde,<br />

die von einem nördlich gelegenen Sichelkranzgebirge<br />

herabstürzten. Zwischen den brodelnden Stürzen konnte<br />

man unter einen großen Felsplateau große Gebäude<br />

ausmachen, erbaut in <strong>der</strong> Technik <strong>der</strong> vorapokalyptischen<br />

Monlithkultur. Wir hatten unser Ziel erreicht: Mandra-<br />

Ghora, das Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong> mandrakischen Zivilisation. In<br />

immer enger werdenden Spiralen sanken wir langsam<br />

z<strong>um</strong> Rand <strong>der</strong> Insel herab, dort gab es einige Wiesen, auf<br />

denen wir unsere Reittiere zurücklassen konnten. Sich<br />

<strong>der</strong> Stadt im direkten Anflug zu nähern, wäre mehr als<br />

unklug gewesen, wir wollten uns langsam zu Fuß<br />

annähern, <strong>um</strong> den Mandraken Gelegenheit zu geben, uns<br />

zu studieren. Das erhöhte die Chancen, lebend vor Xul<br />

Eisenbeissers Thron zu erscheinen.<br />

Kapitel 6: Der lange Marsch<br />

Wir landeten unbehelligt auf einer Rieselgraswiese am<br />

südlichen Rand <strong>der</strong> Insel und verstauten unser Gepäck in<br />

einer Felshöhle am Waldrand. Hier gab es keine<br />

Beobachter. Wahrscheinlich hatte man erwartet, dass wir<br />

näher an <strong>der</strong> Stadt landen würden. Sorgsam tarnten wir<br />

den Eingang des Verstecks, nachdem wir das Nötigste für<br />

den Marsch an uns genommen hatten. Chahani sprach<br />

noch einen magischen Bann über die Höhle, <strong>um</strong> sie<br />

unsichtbar zu machen. Natürlich wurde die Höhle<br />

dadurch nicht wirklich unsichtbar, aber durch den Zauber<br />

entging sie gewissermaßen <strong>der</strong> Aufmerksamkeit eines<br />

Betrachters.<br />

Ich hatte mich für meine drei Schwerter entschieden. Auf<br />

meinem Rücken hingen zwei gekreuzte Kurzschwerter,<br />

<strong>der</strong>en Griffe links und rechts in Nierenhöhe seitlich<br />

abstanden, und senkrecht hing mein Langschwert Kilm<br />

´tal zwischen ihnen, <strong>der</strong> mächtige Schwertgriff mit den<br />

Drachenzähnen lag in meinem Genick. Ich befestigte noch<br />

einige kleine Transporttaschen an meinen Gürteln, die<br />

allerlei nützliche Dinge enthielten, z.B. kleine B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong>-<br />

Bomben mit Aufschlagzün<strong>der</strong>n. An den Unterschenkeln<br />

hatte ich je einen Cathlan-Dolch in gut gefetteten<br />

le<strong>der</strong>nenen Schnellzughalftern, und an den Gürteln<br />

mehrere Sharikan-Wurfsterne. Ich überprüfte alle Waffen<br />

und fand, ich war abmarschbereit.<br />

Chahani hatte sich ebenfalls mit einem Schwert und<br />

einigen Dolchen eingedeckt, sie sah im Kriegeroutfit<br />

ausgesprochen sexy aus, wie ich fand. Der Khan hatte sich<br />

<strong>um</strong>gezogen. Er trug die traditionelle Rebellenuniform, ein<br />

schwarz-grauer Le<strong>der</strong>kombi mit braunem Umhang. Den<br />

Staubschutz für das Gesicht hatte er nicht aufgezogen, er<br />

hing lose unter seinem Kinn. Auf seiner Brust prangte ein<br />

Metallschild, das ein unicursales Hexagramm in einem<br />

Heptagramm zeigte. Das Schild war emailliert, in den<br />

Farben schwarz, weiß und rot gehalten und wurde mit<br />

kleinen Karabinern an <strong>der</strong> Brustwehr seines Anzugs<br />

gehalten. Es war das Emblem des Khan, des Anführers<br />

<strong>der</strong> Rebellenarmee. Außer einer mannslangen<br />

<strong>Kampf</strong>lanze trug er keinerlei Waffen, z<strong>um</strong>indest konnte<br />

man an ihm keine sehen. Ich ging davon aus, dass <strong>der</strong><br />

<strong>Kampf</strong>anzug aber die eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Überraschung für<br />

einen potentiellen Angreifer bereithielt. Der Mah´di Khan<br />

bot in seiner Montur in <strong>der</strong> Tat einen beeindruckenden<br />

Anblick.<br />

Wir schlugen uns ins Dickicht und marschierten Richtung<br />

Norden, auf das Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong> Insel zu. Der Wald war<br />

dicht, voller Geräusche und irgendwie an<strong>der</strong>s. Die<br />

Vegetation unterschied sich deutlich von den Churka-<br />

Wäl<strong>der</strong>n des gondischen Kontinentalshelfs, hier roch es<br />

auch an<strong>der</strong>s. Ein träger, süßlicher Geruch hing in <strong>der</strong><br />

Luft, leicht gärig und allgegenwärtig. Die Bä<strong>um</strong>e, <strong>der</strong>en<br />

Art ich nicht kannte, ragten hoch in den Himmel, wo sich<br />

ihre ausladenden Kronen zu einem dichten Blätterdach<br />

verbanden, das nur gedämpft das Licht <strong>der</strong> Sonnen<br />

durchließ. Die Wurzeln <strong>der</strong> Urwaldriesen waren<br />

brettartig, weit gefächert, und wir mussten oft Umwege<br />

<strong>um</strong> diese gewaltigen Wurzelstöcke machen. Ich schätzte,<br />

dass ein Stamm dieser Bä<strong>um</strong>e ausreichen würde, <strong>um</strong><br />

mein Haus in Seguria 5 Jahre zu beheizen. Die Luft im<br />

Wald war schwül und stickig, an den zwei Mann hohen<br />

Riesenfarnen kondensierte die Luftfeuchte und tropfte zu<br />

Boden, wo das Wasser ölige Pfützen bildete. Überall gab<br />

es Epiphyten, Orchideen, Kannenbl<strong>um</strong>en und allerlei<br />

wucherndes Grünzeug, das ich noch nie zuvor gesehen<br />

hatte.<br />

Ebenfalls seltsam waren die Geräusche dieses Waldes. Er<br />

war wesentlich lauter als je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Wald, den ich<br />

bislang durchquert hatte. Überall quietschte, trällerte,<br />

s<strong>um</strong>mte und zirpte es, dazwischen hörte man immer<br />

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wie<strong>der</strong> eigenartig langgezogene, kollernde Schreie von<br />

Tieren, die man nicht zu Gesicht bekam. Wenn man<br />

genau hinsah, konnte man an den Unterseiten <strong>der</strong> großen<br />

Farnwedel kleine bunte Amphibien sehen, von denen<br />

einige Arten zwei Köpfe hatten. Vor uns tanzten<br />

Riesenmotten, <strong>der</strong>en Flügel mehr als handtellergroß<br />

waren, sie wurden von Flugechsen gejagt, die sich aus den<br />

Wipfeln <strong>der</strong> Bä<strong>um</strong>e herabstürzten und im Segelflug jedes<br />

Tier griffen, dessen sie habhaft werden konnten. Ich<br />

hoffte, dass es hier keine Shreeks gab, denn ich hatten<br />

meinen Helm beim Gepäck gelassen und <strong>der</strong> <strong>Kampf</strong><br />

gegen ein Spinnenrudel wäre hier am Boden sicherlich<br />

von ungewissem Ausgang. Ziemlich lästig waren die<br />

Stechfliegen, die hier in kleinen Schwärmen<br />

<strong>um</strong>herschwirrten. Chahani suchte einige Wurzeln<br />

zusammen, zerquetschte sie mit einem Stein und wir<br />

rieben unsere Gesichter mit dem Saft <strong>der</strong> Pflanzen ein.<br />

Der Erfolg ließ nicht auf sich warten, die Stechfliegen<br />

hielten nun gebührenden Abstand zu uns ein.<br />

Mühsam kämpften wir uns durch den dichten Dschungel<br />

auf unserem Weg nach Norden. Immer wie<strong>der</strong> bemerkte<br />

ich Schatten, die im Dickicht davonhuschten, stille<br />

Beobachter, die unseren Marsch verfolgten, aber nicht<br />

behin<strong>der</strong>ten. Nach den Dingen, die man sich von den<br />

Mandraken zu erzählen wußte, hatte ich damit gerechnet,<br />

dass wir schon mindestens dreimal angegriffen worden<br />

wären. Wir hatten schon Plätze erreicht, an denen man<br />

uns ohne Schwierigkeiten hätte attackieren können. Doch<br />

nichts geschah. Das verwun<strong>der</strong>te mich zutiefst. Der Khan,<br />

<strong>der</strong> einige Schritte voraus an <strong>der</strong> Spitze unseres kleinen<br />

Trupps ging, schien das zu bemerken, denn er drehte sich<br />

zu mir <strong>um</strong> und meinte:<br />

„Nun, Dom Fela? Was meint Ihr? Unsere Mission scheint<br />

unter einem guten Stern zu...“<br />

Weiter kam er nicht. Ohne Vorwarnung sackte er mit<br />

beiden Beinen in den Boden ein. Ich blieb ruckartig<br />

stehen und hielt Chahani fest. Binnen kürzester Zeit<br />

bildete sich <strong>um</strong> den Khan her<strong>um</strong> ein Sandtrichter, in den<br />

er langsam einsackte. Wir schnitten schnell einige Lianen,<br />

die wir ihm zuwarfen. Er schlang einen Lianenstrang <strong>um</strong><br />

seinen Brustkorb und hielt sich daran fest, wir begannen<br />

zu zweit, daran zu ziehen. Ich hoffte, dass <strong>der</strong> Strang<br />

halten würde.<br />

„Beeilt Euch!“ brüllte <strong>der</strong> Khan „Da ist etwas an meinem<br />

Bein!“ Dann ertönte ein markerschüttern<strong>der</strong> Schrei aus<br />

seiner Kehle, <strong>der</strong> nicht abreißen wollte. Wir beeilten uns,<br />

zogen mit aller Kraft, und langsam konnten wir den Khan<br />

aus dem Sandstrudel befreien. Als wir den immer noch<br />

schreienden Khan aus dem Gefahrenbereich gezogen<br />

hatten, kam Bewegung in den Sand. Etwas tauchte darin<br />

auf. Etwas, das ich noch nie gesehen hatte. Es war ein<br />

etwa 8 Fuß langer Glie<strong>der</strong>füßler mit einem segmentierten<br />

Hornplattenkörper, <strong>der</strong> zwei schrecklicke Kieferzangen<br />

besaß, mit denen man problemlos einen vierjährigen<br />

Churka-Ba<strong>um</strong> hätte durchschneiden können. In <strong>der</strong><br />

Erscheinung glich es einer langgezogenen Kalebasse,<br />

<strong>der</strong>en dickeres Ende <strong>der</strong> Kopf war. Zwischen den<br />

Kieferzangen malmte ein gediegener, dicker Schnabel, wie<br />

ich ihn von Kalmaren kannte, er war blutverschmiert. Ich<br />

blickte z<strong>um</strong> Khan zurück, <strong>der</strong> in Chahanis Armen lag, und<br />

sah, dass ihm <strong>der</strong> linke Fuß fehlte. Er blutete stark.<br />

„Stopp die Blutung!“ rief ich zu Chahani hinüber.<br />

Überflüssig, denn sie war bereits dabei, ebendies zu tun.<br />

Mit einem Kletterseil, das sie am Gürtel mitgeführt hatte,<br />

band sie das Bein stramm ab. Noch im Her<strong>um</strong>drehen zog<br />

ich das Langschwert, <strong>um</strong> mich <strong>der</strong> Bestie aus dem<br />

Untergrund entgegenzustellen. Ich musterte meinen<br />

Gegner genau, <strong>um</strong> seine Schwachstellen zu entdecken.<br />

Das Tier besaß keine Augen, dafür aber sechs Fühler, die<br />

unabhängig voneinan<strong>der</strong> suchend in alle Richtungen<br />

tasteten. Die Fühler hatten uns ausgemacht, das Tier<br />

steuerte in unsere Richtung, wobei es sich auf einer Art<br />

Flossen fortbewegte, die sich an Ringsegmenten <strong>um</strong> den<br />

Körper drehten. Auf diese skurrile Weise schraubte sich<br />

diese Ausgeburt <strong>der</strong> Erdtiefen langsam, aber zielgerichtet<br />

in unsere Richtung. Einige Momente später fand ich, was<br />

ich gesucht hatte. Die Schädelplatte, welche man mit<br />

Mühe als eine Art Stirnregion bezeichnen konnte, hatte<br />

eine kleine Wulst, hinter <strong>der</strong> die rotierenden<br />

Ringsegmente begannen. Dort mußte es eine flexible<br />

Stelle geben, durch die das Schwert dringen konnte. Ich<br />

stürmte auf das Ungeheuer los, und seine Zangen<br />

schnappten mit einem harten, klackenden Geräusch nach<br />

mir. Ich sprang zur Seite, und im Sprung hieb ich <strong>der</strong><br />

Kreatur drei Fühler mit einem Streich ab. Die Bestie<br />

heulte auf. Ein undefinierbares, schrilles Geräusch, eine<br />

Mischung aus Kreischen und Pfeifen entrann dem<br />

gebogenen Schnabel. Ich vollzog im Sprung eine Luftrolle<br />

und landete links neben dem Tier. Es wandte seinen Kopf<br />

mit weit geöffneten Zangen zu mir <strong>um</strong>, und im nächsten<br />

Sprung trennte ich die an<strong>der</strong>en drei Fühler ab. Damit war<br />

das Monstr<strong>um</strong> blind, hoffte ich und wechselte schnell die<br />

Position. Die Rotation <strong>der</strong> Ringsegmente stoppte, und das<br />

Tier blieb stehen. Scheinbar versuchte es, Witterung o<strong>der</strong><br />

die Bodenschwingungen aufzunehmen. Ich sprang auf<br />

seinen Leib, hob das Schwert mit beiden Händen weit<br />

hoch und rammte es bis z<strong>um</strong> Steg in die Spalte hinter <strong>der</strong><br />

Stirnplatte. Das Monster brach sofort tot zusammen.<br />

Mein Plan war aufgegangen, ich hatte sein<br />

Zentralnervensystem zerstört.<br />

Sofort eilte ich zu Chahani und dem Khan. Seine Wunde<br />

sah böse aus. Eine Handbreit über dem Knöchel war <strong>der</strong><br />

Linke Fuß abgetrennt, <strong>der</strong> blutige, verschmutzte St<strong>um</strong>p<br />

zuckte. Chahani hatte dem Khan ein Holz zwischen die<br />

Zähne gelegt, auf das er fest biß. Sie holte aus ihren<br />

Gürteltaschen verschiedene Blätter, zerrieb sie mit zwei<br />

Steinen und schmierte die Paste auf den St<strong>um</strong>pf.<br />

„Wir werden die Wunde ausbrennen müssen“ meinte sie,<br />

„sonst überlebt er das hier nicht.“<br />

Ich nickte und nahm eine B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong>-Bombe aus meinem<br />

Arsenal, die ich vorsichtig öffnete. Ich entnahm dem<br />

Päckchen etwas von dem hochentzündlichen Pu<strong>der</strong> und<br />

streute es auf die wunde. Dann aktivierte ich den Zün<strong>der</strong><br />

und hielt ihn an den Beinst<strong>um</strong>pf. Sofort fing das B<strong>um</strong>-<br />

G<strong>um</strong> Feuer und brannte zischend und qualmend ab. Er<br />

Khan schrie seinen Schmerz heraus und wurde<br />

ohnmächtig. Die Luft roch nach versengtem Fleisch.<br />

Chahani beschmierte die verkohlte Wunde nochmal mit<br />

dem Blätterbrei und verband sie mit Stofffetzen, die sie<br />

aus ihrer Weste riß.<br />

Danach fertigten wir aus Ästen, Lianen und großen<br />

Farnwedeln eine behelfsmäßige Trage, auf die wir den<br />

bewußtlosen Khan legten. Wir setzten uns erschöpft<br />

nie<strong>der</strong> und tranken etwas Wasser. Chahani sah mich<br />

fragend an.<br />

„Was sollen wir jetzt tun, Fela?“<br />

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„Wir müssen ihn z<strong>um</strong> Zentr<strong>um</strong> transportieren. Die<br />

mandrakischen Schamani sollen sehr gute Heiler sein,<br />

vielleicht können sie ihm helfen.“<br />

„Wenn sie das überhaupt wollen... Immerhin war er es,<br />

<strong>der</strong> die Mandraken kontaktieren sollte. Nun ist er ohne<br />

Bewußtsein, und wir beide stehen alleine vor diesem Xul<br />

Eisenbeisser. Wenn wir dort überhaupt noch<br />

hingelangen, heißt das.“<br />

Nicht nur Chahani hatte es bemerkt, ich auch. Um uns<br />

her<strong>um</strong> raschelte es im Gebüsch, an gut einem Dutzend<br />

Stellen. Mandraken, ohne Zweifel. Wir waren <strong>um</strong>zingelt.<br />

Ich erhob mich langsam, breitete die Arme seitlich aus,<br />

mit den Handflächen nach oben, und drehte mich einmal<br />

langsam <strong>um</strong> meine Achse.<br />

„Pas Jamal!“ rief ich in <strong>der</strong> alten Sprache <strong>der</strong> Vorzeit.<br />

Dies war <strong>der</strong> universelle Gruß des Friedens, von dem ich<br />

hoffte, dass er auch den Mandraken geläufig war. Das<br />

Rascheln im Gebüsch nahm zu, die Krieger näherten sich<br />

uns. Sie waren zu sechst, das war sicher nicht einmal die<br />

Hälfte <strong>der</strong> im Unterholz positionierten Krieger.<br />

Diese Krieger waren von einer beeindruckenden Statur,<br />

sie waren gut sechs Fuß hoch und hatten enorm breite<br />

Schultern. Gewaltige Muskelpakete klebten an ihren<br />

Knochen, ihre Arme waren ziemlich lang, fand ich. Die<br />

Nahkampfdistanz zu einem solchen Berserk zu erreichen,<br />

würde wohl nicht einfach sein. Ihre Haut war irgendwie<br />

grau, mit einem leicht grünen Schimmer. Perfekte<br />

Tarnfarbe hier im Dschungel. Die Augen in den finsteren<br />

Gesichtern lagen weit auseinan<strong>der</strong>, die Nasen waren breit<br />

und platt, und <strong>der</strong> Mund <strong>der</strong> Hünen war breit und voll<br />

mit spitzen, scharfen Zähnen. Diese Wesen erinnerten<br />

eher an Raubtiere, denn an menschliche Wesen. Sie<br />

trugen le<strong>der</strong>ne Kleidung und allerlei Hieb- und<br />

Stichwaffen: Seltsam wellig geformte Kr<strong>um</strong>mdolche,<br />

stachelige Keulen, Eisenholzspeere und Streitäxte mit<br />

Obsidianklingen. An ihren Gürteln konnte ich Blasrohre<br />

aus Rohrba<strong>um</strong>holz erkennen und kleine Säckchen, in<br />

denen wahrscheinlich vergiftete Pfeile steckten. Ich nahm<br />

an, dass einige dieser Blasrohre aus dem Dickicht auf uns<br />

gerichtet waren. Einer von ihnen, wahrscheinlich <strong>der</strong><br />

Zugführer, trug ein Schwert mit gandrischer<br />

Klingengravur, dessen Klinge mehrfach faltgeschmiedet<br />

war. Ich vermutete, dass es sich dabei <strong>um</strong> ein Beutestück<br />

o<strong>der</strong> Tauschware handelte. Der Krieger kam auf mich zu<br />

und baute sich vor mir auf.<br />

„Pas Jamal!“ wie<strong>der</strong>holte ich. Er sah mich an, und sein<br />

Blick glitt an mir auf und nie<strong>der</strong>.<br />

„Segurianer?“ Seine Stimme war knurrend, dröhnte<br />

bedrohlich. Wenigstens schien er Gandri zu sprechen.<br />

„Ich bin Dom Fela Ibn Aib Noirez, erster Schwertmeister<br />

von Segur Major. Ich komme in Frieden. Bring uns zu<br />

Deinem Anführer.“<br />

Er musterte mich erneut.<br />

„Ich bin Tork. Meister des Mordes von Mandrak. Mein<br />

Herr erwartet Dich, Segurianer. Folgen.“<br />

Ich war erstaunt. Sein Herr erwartete mich? Nun, das<br />

Vorsprechen bei Xul Eisenbeisser würde sicherlich<br />

Aufklärung bringen. Ich nickte also. Tork nickte zweien<br />

seiner Männer zu, und sie nahmen die Trage auf. Chahani<br />

kam dicht an mich heran. Tork schnüffelte an ihr. Sie<br />

wollte sich wegdrehen, doch ein Blick von mir ließ sie<br />

regungslos verharren. Er sah mich wie<strong>der</strong> an.<br />

„Dein Weibchen?“<br />

„Ja.“<br />

„Gutes Weibchen.“ knurrte er, „Trägt ein Balg.“<br />

Damit drehte er sich ohne weiteren Kommentar <strong>um</strong> und<br />

schritt in den Urwald. Die Träger folgten ihm. Ich sah<br />

Chahani an, es schien, als hätte <strong>der</strong> Mandrake ihr eins mit<br />

seiner Keule übergezogen. Sie stand völlig verdutzt da<br />

und schaute drein, wie ein Onkerkälbchen. Ich lachte und<br />

folgte dem Trek, Chahani schloß sich wortlos an. Wir<br />

durchstreiften den Wald auf ka<strong>um</strong> wahrzunehmenden<br />

Pfaden in Richtung Norden. Chahani sah ab und an nach<br />

dem Khan, <strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Trage ordentlich durchgeschüttelt<br />

wurde, da es auch über ziemlich unwegsames Gelände<br />

ging. Nach etwa dreissig Glasen rasteten wir an einem<br />

Bach. Chahani kam von <strong>der</strong> Trage zu mir herüber.<br />

„Er fiebert stark. Ich weiß nicht, war<strong>um</strong>, aber meine<br />

Medizin hilft nicht gegen das Fieber. Wenn nicht bald<br />

etwas passiert, wird er sterben, fürchte ich.“<br />

„Ja. Ich hoffe, die Mandraken können uns helfen.“<br />

Chahani kühlte die Stirn des Khan, <strong>der</strong> noch immer<br />

bewußtlos war und träufelte etwas Wasser auf seine<br />

Lippen. Mehr konnten wir z<strong>um</strong> gegenwärtigen Zeitpunkt<br />

nicht für ihn tun. Nach einer Weile brachen wir wie<strong>der</strong><br />

auf und marschierten weiter. Gegen Abend erreichten wir<br />

den See im Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong> Insel, an dessen<br />

gegenüberliegendem Ufer die Festungsstadt Mandra-<br />

Ghora lag.<br />

Das Ufer war seicht und hatte einen kleinen,<br />

schilfrohrbestandenen Strand, an dem vier mit Auslegern<br />

versehene Boote lagen. Wir bestiegen eines <strong>der</strong> Boote mit<br />

Tork und zwei weiteren Kriegern, die drei an<strong>der</strong>en<br />

schafften die Trage mit dem Khan auf das zweite Boot. Je<br />

zwei Mann nahmen die Stechru<strong>der</strong> und stießen die Boote<br />

ab. Sie glitten sanft ins Wasser und die Ru<strong>der</strong>leute<br />

paddelten seicht und nicht hektisch. Vorsichtig tauchten<br />

sie die Ru<strong>der</strong> ein und bewegten die Boote geräuschlos<br />

über das Wasser. Tork stellte sich an den Bug des Bootes<br />

und nahm eine lange Lanze zur Hand, die er einsatzbereit<br />

hielt. Sein Blick schweifte über das Wasser vor uns. Auf<br />

dem an<strong>der</strong>en Boot tat es ihm <strong>der</strong> dritte Krieger nach.<br />

„Gibt es Gefahren auf den See?“ wollte ich wissen.<br />

Tork drehte sich zu mir her<strong>um</strong> und legte den Finger an<br />

die Lippen. Als er antwortete, flüsterte er fast.<br />

„Gefahr. Nicht sprechen.“<br />

Schlag auf Schlag brachten die Ru<strong>der</strong>er unsere Boote<br />

weiter in die Mitte des Sees, ich schätze, dass die<br />

Überfahrt etwa zehn Glasen dauern würde. Wenn nichts<br />

dazwischen kam. Es kam etwas dazwischen.<br />

Wir waren etwa in <strong>der</strong> Mitte des Sees angelangt, als Tork<br />

dem Speermann im Nachbarboot mit Kopfbewegungen zu<br />

verstehen gab, dass er etwas gesehen hatte. Ich kniff die<br />

Augen zusammen und sah es ebenfalls. Etwa sechzig Fuß<br />

voraus kräuselte sich das Wasser ein wenig und wurde zu<br />

einer seichten Welle aufgeworfen. Etwas zog dort dicht<br />

unter <strong>der</strong> Oberfläche seine Bahn und begann, uns<br />

einzukreisen. Als es <strong>um</strong> uns her<strong>um</strong> zog, traf Torks Blick<br />

auf meine fragenden Augen.<br />

„Ein Antrak. Hat uns gehört. Wird angreifen.“ Er gab<br />

sich keine Mühe mehr, leise zu sprechen.<br />

Reflexartig überprüfte ich schnell meine Waffen. Ich hatte<br />

keine Ahnung, womit wir es zu tun hatten, entschied mich<br />

jedoch für die verfügbaren Distanzwaffen.<br />

„Was ist das, ein Antrak?“ fragte Chahani. Tork sah sie<br />

kurz an, schaute dann aber sofort wie<strong>der</strong> auf den kleinen<br />

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Wellenkamm, <strong>der</strong> uns in immer enger werdenden Bahnen<br />

<strong>um</strong>rundete.<br />

„ Antrak ist große Seeschlange. Gefährlich.“<br />

Ich richtete mich ebenfalls auf, schärfte eine B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong>-<br />

Bombe und löste meine Sharikan-Wurfsterne im Holster.<br />

Auch das Langschwert löste ich aus <strong>der</strong> Arrettierung.<br />

Die kleine Welle verschwand links von unserem Boot.<br />

„Achtung!“ rief Tork. „Angriff!“<br />

Nur einen Lidschlag später brach die Wasseroberfläche<br />

auf und das Antrak tauchte auf. Mehr als zehn Fuß hoch<br />

hob sich <strong>der</strong> Leib des Tieres aus dem Wasser. Das Antrak<br />

war eine Mischung aus Basilisk und Fisch, es hatte einen<br />

schlangenähnlichen, beschuppten Körper, an dem einige<br />

Steuerflossen zu sehen waren. Eine lange, kammartige<br />

Rückenflosse zog sich von Kopf über den Rücken. Der<br />

Kopf des Tieres hatte etwas Drachenartiges. Er war breit,<br />

behornt und zwei große, mandelförmige Augen lagen<br />

seitlich in tiefen Höhlen. Es hatte das Maul weit<br />

aufgerissen und bleckte eine Viererreihe dolchartiger,<br />

spitzer Zähne, zwischen denen eine gespaltene Zunge<br />

herausschnellte. Das Tier brüllte und zischte laut,<br />

krümmte sich nach hinten und spannte seinen<br />

muskulösen Leib z<strong>um</strong> Stoß nach vorn.<br />

„Die Augen!“ brüllte Tork, „Die Augen!“<br />

Um das Antrak her<strong>um</strong> brodelte das Wasser. Ich schätzte,<br />

dass etwa zwei Drittel seines Leibes noch unter Wasser<br />

waren und dort durch starke Ru<strong>der</strong>bewegungen für<br />

Auftrieb sorgten. Unsere Boote schwankten bedenklich.<br />

Ich warf einen Sharikan, doch dieser verfehlte sein Ziel,<br />

das Antrak ruckte blitzartig den Kopf nach links. Das Boot<br />

neben uns wurde durch einen Schlag erschüttert, <strong>der</strong> den<br />

Speermann über Bord gehen ließ. Er landete mit lautem<br />

Klatschen im Wasser, und das Antrak wandte den Kopf zu<br />

ihm. Wie<strong>der</strong> setzte es zu seinem lauten Gebrüll an. Ich<br />

nutzte den Moment, drückte den Zün<strong>der</strong> <strong>der</strong> ersten B<strong>um</strong>-<br />

G<strong>um</strong>-Bombe, und schleu<strong>der</strong>te das faustgroße Paket tief in<br />

den Rachen des Ungeheuers. Tork sah kurz zu mir<br />

herüber, dann wie<strong>der</strong> zu <strong>der</strong> Seeschlange.<br />

Einen Moment später zündete die Bombe im Schlund des<br />

Antrak und zerriss es in tausende Fetzen, die blutig in den<br />

See klatschten. Sofort brodelte das Wasser. Aus <strong>der</strong> Tiefe<br />

waren unzählige kleine Messerfische heraufgestiegen,<br />

welche die Antrak stets in großen Schwärmen begleiteten.<br />

Sie stürzten sich auf die Fleischfetzen und zersägten sie<br />

mit ihren kleinen, scharfen Zähnen in klitzekleine Teile,<br />

die sie gierig verschlangen. Für den zweiten Speermann<br />

kam je<strong>der</strong> Rettungsversuch zu spät, auch er wurde von<br />

tausenden <strong>der</strong> kleinen Fische attackiert und binnen<br />

weniger Lidschläge zerlegt. Seine Schmerzensschreie<br />

waren markerschütternd, er starb im scha<strong>um</strong>igen,<br />

blutigen Wasser.<br />

Tork schrie den Männern im zweiten Boot etwas zu, das<br />

ich nicht verstand, und die Ru<strong>der</strong>leute begannen, mit<br />

starken und weit ausholenden Schlägen, die Boote schnell<br />

voranzutreiben. Er sah zu mir herüber und meinte:<br />

„Schnell weg, mehr Antrak kommen. Das war ein<br />

Jungtier. Muttertier wird angreifen.“<br />

Ich nickte und setzte mich wie<strong>der</strong>.<br />

Trotzdem ich die Mandraken als sehr kräftig eingeschätzt<br />

hatte, war ich von <strong>der</strong> Wucht ihrer Stärke überrascht.<br />

Blitzartig beschleunigten die Boote so sehr, dass sie eine<br />

Bugwelle warfen. Die vier Ru<strong>der</strong>leute verfielen in eine Art<br />

Mantram, dass sie als Schlaggeber nutzten.<br />

„Hung! Hung! Hung!“ ging es im Stakkato, und jedesmal<br />

tauchten die vier Ru<strong>der</strong> synchron ins Wasser, wurden<br />

durchgerissen, und waren beim nächsten „Hung!“ schon<br />

wie<strong>der</strong> im Anschlag. Die Muskeln <strong>der</strong> Männer spannten<br />

sich, Schweiß tropfte von ihren Stirnen. Ich schätzte die<br />

Fahrtzeitverkürzung aufgrund <strong>der</strong> Beschleunigung auf gut<br />

die Hälfte ein, wir würden die Feste also wesentlich früher<br />

erreichen, als gedacht. Als wir <strong>um</strong> eine ausgedehnte<br />

Landzunge her<strong>um</strong> fuhren, kam Mandra-Ghora in Sicht.<br />

Es war ein beindrucken<strong>der</strong> Anblick, <strong>der</strong> sich uns bot, als<br />

wir <strong>um</strong> das Horn <strong>der</strong> Landzunge her<strong>um</strong> waren. Wir<br />

hatten die Sonnen im Rücken, so dass die Festung und<br />

das Felsmassiv in vollem Licht erstrahlten.<br />

Vor uns erhob sich eine wenigstens 300 Faden hohe steile<br />

Felswand, die mehr o<strong>der</strong> weniger waagerecht von<br />

zahlreichen farbigen A<strong>der</strong>n durchzogen war. Es gab darin<br />

senkrechte Klüfte und Spalten, aus denen es üppig grün<br />

wucherte. Am linken und rechten Ende <strong>der</strong> Felswand<br />

brandeten 2 mächtige Sturzwasser in die Tiefe.<br />

Dazwischen lag die Feste Mandra-Ghora, ich schätzte ihre<br />

Breite auf etwa 3000 Fuß, sie bedeckte wahrscheinlich<br />

eine Fläche von 600 segurianischen Tonnen Land. Die<br />

großen Sandsteingebäude schmiegten sich an den Fels,<br />

und es war davon auszugehen, dass es im Gebirgsmassiv<br />

zahlreiche Höhlen gab, denen die Feste vorgelagert war.<br />

Aus <strong>der</strong> Luft hatten wir erkennen können, dass alle<br />

Straßen, Wege und Gebäude rechtwinklig angelegt waren,<br />

mit Ausnahme eines großen runden Platzes in <strong>der</strong> Mitte<br />

<strong>der</strong> Vorburg. Der Schildwall war etwa 30 Faden hoch und<br />

aus massivem Pentoritgestein errichtet. Die Steinblöcke<br />

fügten sich nahtlos aneinan<strong>der</strong>, mörtellos waren sie so<br />

eng zusammengefügt, dass nicht ein Haar in die Fugen<br />

paßte. Die größten Blöcke hatten das Vol<strong>um</strong>en eines<br />

großen Gh<strong>um</strong>pa-Käfers, die kleineren etwa das eines<br />

Trak-Ghena. Mandra-Ghora war ein Relikt aus <strong>der</strong><br />

Maschinenzeit, uralt und noch immer sah die Feste aus,<br />

als sei sie erst kürzlich erbaut worden. Der Schildwall<br />

reicht bis in den See, wo es eine Durchfahrt gab, die mit<br />

einem schweren Falltor aus Eisenholz gesichert werden<br />

konnte. Als wir darauf zusteuerten, sahen wir viele<br />

Mandrakenkrieger oben auf den Wehrgängen.<br />

Als wir die Durchfahrt passiert hatten, rasselten schwere<br />

Ketten, und das massive, ellendicke Tor donnerte hinter<br />

uns ins Wasser. Der Hafen war gesichert, und die vier<br />

Ru<strong>der</strong>leute unserer Boote verlangsamten das Tempo. Sie<br />

steuerten die Boote an einen Steg, <strong>der</strong> zur Hauptmole<br />

gehörte und machten fest. Erst jetzt zeigte sich die alte<br />

Stadt uns in ihrer vollen Pracht. Die Gebäude am Hafen<br />

waren mit prunkvollen Arkaden versehen, fein behauene<br />

Säulen stützten prachtvolle Erker und Balkone, die<br />

Straßen waren eben gepflastert und wie mit dem<br />

Maßstock gezogen. Sie waren viel enger als die<br />

Verkehrswege <strong>der</strong> postmaschinellen Zivilisation. Zu<br />

früheren Zeiten waren hier Wagen gefahren, die keine<br />

Zugtiere benötigten, kleine, wendige Lastenträger und<br />

Carryalls. Die Geschichten <strong>der</strong> Alten erzählten, dass<br />

dampfende Maschinen Lasten durch die Luft getragen<br />

hatten, und in <strong>der</strong> Tat entdeckte ich auf vielen Gebäuden<br />

Plattformen mit Rampen, die in das Innere <strong>der</strong> Gebäude<br />

führten. Es gab auch seltsame Türme mit vielen Fenstern,<br />

welche die meisten Häuser überragten. Viele <strong>der</strong> Gebäude<br />

waren mit freitragenden Brücken versehen, die so zart<br />

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und fragil aussahen, dass ich mir nicht vorstellen konnte,<br />

was sie einst getragen haben sollten.<br />

Überall herrschte geschäftiges Treiben. Ich hatte die Zahl<br />

<strong>der</strong> Mandraken gründlich unterschätzt, hier wimmelte es<br />

nur so vor Leben. Wenn man den Geschichten glauben<br />

konnte, lebten nur die wenigsten Mandraken in <strong>der</strong><br />

Zentralfeste, die meisten waren auf alle Inseln verstreut.<br />

Wenn das stimmte, musste es Millionen von ihnen geben.<br />

Und die vielen Seilbrücken, die wir unterwegs gesehen<br />

hatten, sprachen deutlich dafür, dass es auch so war. Die<br />

Brückenbauten <strong>der</strong> Mandraken unterschieden sich<br />

deutlich von dem Baustil, den wir hier vor Augen hatten.<br />

Welch begabte Ba<strong>um</strong>eister mußten hier am Werk<br />

gewesen sein. Voller Bewun<strong>der</strong>ung ließ ich meinen Blick<br />

schweifen, bis wir von Bord gingen.<br />

Chahani eilte sofort hinüber z<strong>um</strong> an<strong>der</strong>en Boot, wo die<br />

beiden Ru<strong>der</strong>männer gerade die Trage aufnahmen und<br />

auf den Steg legten. Sie blickte sehr besorgt auf und<br />

meinte:<br />

„Das Fieber steigt. Meine Medizin wirkt nicht. Ich<br />

fürchte, er stirbt, wenn wir nicht bald Hilfe bekommen.“<br />

Ich ging zu Tork hinüber.<br />

„Tork. Wir brauchen Hilfe für unseren Freund. Er hat<br />

ein starkes Fieber in sich. Kannst Du uns zu einem Heiler<br />

bringen?“<br />

Tork sah mich ungerührt an.<br />

„Ich bringe Euch z<strong>um</strong> Führer.“<br />

„Wir brauchen erst einen Heiler. Der Mann braucht<br />

dringend Hilfe.“<br />

„Der Heiler kann nicht helfen. Speichel des Shrinta ist<br />

giftig. Keine Medizin. Dein Freund wird sterben. Bald.“<br />

„Ihr könnt nichts tun?“ fragte ich noch einmal.<br />

„Nein. Keine Heilung. Nur Tod.“<br />

Das war eine nie<strong>der</strong>schmetternde Antwort. Chahani hatte<br />

Torks Worte gehört und blickte ins Leere. Zärtlich strich<br />

sie über die verschwitzte Stirn des Khan.<br />

Tork setzte sich in Bewegung, die Ru<strong>der</strong>männer nahmen<br />

die Trage, und wir schlossen uns an. Wir zogen so durch<br />

die Stadt, neugierig bestaunt von den ansässigen<br />

Mandraken. Ich sah keine Frauen und Kin<strong>der</strong>. Nur<br />

männliche Krieger sä<strong>um</strong>ten unseren Weg. Wir gingen<br />

über eine relativ breite Straße auf den zentralen Platz zu.<br />

Eine viertel Glase später öffnete sich vor uns <strong>der</strong><br />

großzügig bemessene Platz, an dessen an<strong>der</strong>em Ende ein<br />

Palastgebäude lag, das mit <strong>der</strong> Rückwand an den Fels<br />

grenzte.<br />

Wir hatten unser ziel erreicht. Den Palast des<br />

gefürchteten Mandraken-Warlords Xul Eisenbeisser. Ich<br />

hatte keine Ahnung, was uns erwarten würde. Unser<br />

Unterhändler lag im Sterben, ich kannte seinen Plan nur<br />

in Teilen und die Mandraken waren furchtbare Krieger,<br />

die das Eindringen in ihr Revier stets hart sanktionierten.<br />

Es konnte gut angehen, dass unser Weg hier zu Ende sein<br />

würde. Chahani sah meinen besorgten Blick und drückte<br />

sanft meinen Arm. Sie lächelte etwas gezwungen, aber sie<br />

hatte Recht. Irgendwie würden wir es schon schaffen.<br />

Ich wusste nur noch nicht, wie...<br />

Kapitel 7: Abschied<br />

Der Palast war außerordentlich prächtig in <strong>der</strong><br />

Bauausführung. Ein acht Stockwerke hoher Stufenbau,<br />

etwa 300 Fuß breit und ebenso tief, und über und über<br />

mit steingehauenen Abbildungen aus <strong>der</strong> Vorzeit<br />

dekoriert. Z<strong>um</strong> ersten Mal in meinem Leben sah ich<br />

Abbildungen von Maschinen. Da waren verschiedene<br />

Wagen mit kleinen Rä<strong>der</strong>n, Flugmaschinen, die aussahen,<br />

wie Heuschrecken mit langen Schwänzen, große Boote<br />

mit Ladekränen, aus ihren Kaminen quoll Rauch. Da gab<br />

es auch viele Abbildungen, die ich nicht verstand:<br />

Menschen, die vor qua<strong>der</strong>förmigen Kästen hockten und<br />

mit den Händen auf kleine Vierecke deuteten, die auf<br />

Brettern angebracht waren und durch Schnüre mit den<br />

Kästen verbunden waren. Da gab es seltsame<br />

Gerätschaften, welche die Menschen in Händen hielten<br />

und damit irgendwelche Tätigkeiten verrichteten. Ich<br />

fand es schade, dass <strong>der</strong> Zahn <strong>der</strong> Zeit die Farbe von den<br />

Bil<strong>der</strong>n genagt hatte, aber auch die farblosen Reliefs<br />

waren noch beeindruckend. Was musste das für eine Welt<br />

gewesen sein, als dieses Fleckchen noch Teil von Ultar,<br />

dem bewohnten Mond Gaia Assiahs, war und hier ein<br />

imposantes Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong> Zivilisation etabliert war. Dies<br />

alles war durch den Maschinenkrieg verloren gegangen.<br />

Wir erstiegen die breiten Stufen zur ersten Porta, die etwa<br />

20 Fuß über dem Boden lag, und auf einigen Dutzend<br />

qua<strong>der</strong>förmigen Säulen das Vordach trug. In <strong>der</strong> Mitte<br />

war <strong>der</strong> vierflügelige Haupteingang z<strong>um</strong> Palast eines<br />

Königs, dessen Namen man heute nicht mehr kannte.<br />

Überall an den Wänden prangten fremdartige<br />

Schriftzeichen einer Sprache, die man heute nicht mehr<br />

sprach. Es gab Hinweisschil<strong>der</strong>, in Stein gehauen, die mit<br />

Pfeilen zu Orten zeigten, die heute niemand mehr<br />

aufsuchte.<br />

Als wir die erste Halle betraten, stockte Chahani und mir<br />

<strong>der</strong> Atem. Sie war rund, gut 150 Fuß im Durchmesser und<br />

von einer Säulenreihe <strong>um</strong>zäunt, die ein gewaltiges<br />

steinernes Dach trug. Der Boden bestand aus schwarzen<br />

Vulkanit, ein Gestein, das jedes Licht schluckte. In den<br />

Fußboden waren kleine, reflektierende Pyridion-Kristalle<br />

eingelassen, die den Nachthimmel abbildeten. Die<br />

Sternbil<strong>der</strong> waren etwas verzerrt, was ich darauf<br />

zurückführte, dass dieser Palast früher auf einem Mond<br />

gelegen hatte und die Himmelsprozession sowieso über<br />

die Jahrtausende alle Sternkonstellationen verschoben<br />

hatte. Ein guter Sterndeuter könnte anhand dieses Muster<br />

sicher den Zeitpunkt <strong>der</strong> Erbauung dieses Bauwerkes<br />

bestimmen, dachte ich mir. In <strong>der</strong> Halle gab es so gut wie<br />

keine Geräusche, zahlreiche Fackeln spendeten warmes<br />

Licht. Wir durchschritten die Halle und blieben vor einem<br />

etwa 15 Fuß hohen Portal stehen, das mit einer<br />

metallenen, zweiflügeligen Tür verschlossen war. Darauf<br />

gab es Abbildungen von Tieren, die ich nie zuvor gesehen<br />

hatte, sie hatten lange Hälse, schlauchartige Nasen o<strong>der</strong><br />

sahen aus wie vierbeinige Onker, nur viel kleiner und<br />

weniger massiv. Einige Tiere sahen aus wie<br />

Säbelzahnkatzen, nur dass sie einen gewaltigen<br />

Fellkragen trugen. Vier mandrakische Krieger standen<br />

vor dem Tor Wache. Auf einen Wink Torks traten sie zur<br />

Seite, und das schwere Tor öffnete sich, wie von<br />

Geisterhand bewegt.<br />

Seite 33


Durch das Tor gelangten wir in den Thronsaal, <strong>der</strong> noch<br />

pompöser war, als die Vorhalle. Er maß über 250 Fuß in<br />

<strong>der</strong> Länge, schätzte ich, und reichte damit schon weit in<br />

das Felsmassiv hinein, das sich über <strong>der</strong> Stadt auftürmte.<br />

Er war drei Stockwerke hoch und beherbergte eine<br />

Galerie gewaltiger, überlebensgroßer Statuen, die schon<br />

seit ewigen Zeiten hier standen. Die vergoldeten Abbil<strong>der</strong><br />

zeigten Menschen <strong>der</strong> Vorzeit in abson<strong>der</strong>lichen<br />

Kostümen. Viele davon waren ohne Frage Krieger, sie<br />

trugen fremdartige Waffen, die nichts mit dem gemein<br />

hatten, was mir bekannt war. An ihren Waffengurten<br />

waren kleine, spitze Dinge befestigt, wie Pfeile, nur eben<br />

an<strong>der</strong>s. Sie trugen auch Dolche und Maschinen, die vorn<br />

aussahen wie Blasrohre und hinten verschiedene Kästen<br />

hatten. Die abgebildeten Krieger trugen diese Dinge mit<br />

Stolz, also mussten es mächtige Waffen gewesen sein.<br />

Manche <strong>der</strong> Krieger hatten geschlossene Helme auf,<br />

an<strong>der</strong>e wie<strong>der</strong><strong>um</strong> nicht. An <strong>der</strong> Decke des Saales sah man<br />

Reste von Fresken, Abbildungen von Flugmaschinen, die<br />

meisten dreieckig, in verschiedenen Posen. Aus ihren<br />

hinteren Rohren züngelten Flammen und Rauch. Alles<br />

wirkte so fremd hier, und mich erfasste eine tiefe<br />

Ehrfurcht vor den Leistungen <strong>der</strong> Vorvölker, auch wenn<br />

ihr Maschinenwahn sie in den Untergang geführt hatte.<br />

Wenn man diese Relikte <strong>der</strong> Vergangenheit betrachtete,<br />

kam einem das hiesige Leben unendlich langsam und<br />

träge vor. Um wie vieles leichter musste das Leben <strong>der</strong><br />

ersten Hochzeit gewesen sein mit all diesen Maschinen,<br />

die einem die schwere Arbeit abnahmen. Es sollte sogar<br />

Maschinen gegeben haben, die denken konnten. An<br />

keinem zweiten Ort auf unserem Planeten gab es einen<br />

Platz, an den das uralte Leben so z<strong>um</strong> Greifen nah war,<br />

wie hier.<br />

Unser Zug bewegte sich im gemäßigten Tempo durch die<br />

gewaltige Halle, auf den Thron zu. Dort saß <strong>der</strong> Führer<br />

<strong>der</strong> Mandraken, Xul Eisenbeisser. Der Thron stand auf<br />

einer Empore, zu <strong>der</strong> zahlreiche Stufen hinaufführten. Er<br />

war aus einem einzigen Stein geschnitten und stellte ein<br />

Wun<strong>der</strong>werk <strong>der</strong> Steinhauerkunst dar. Über <strong>der</strong><br />

Sitzfläche wandelte sich die Rücklehne in einen riesigen<br />

siebenköpfigen Drachen, <strong>der</strong> seine Schwingen über dem<br />

Thron ausbreitete. Der Stein, aus dem <strong>der</strong> Thron<br />

geschnitten war, hatte bestimmt das Gewicht von drei<br />

Dutzend Onkern, er war aus reinem Vulkanit gefertigt.<br />

Die Augen <strong>der</strong> Drachenköpfe waren funkelnde<br />

Blutkristalle, die im Licht <strong>der</strong> Fackeln bedrohlich<br />

schimmerten.<br />

Der Herrscher <strong>der</strong> Mandraken war ein furchteinflößen<strong>der</strong><br />

Krieger. Ich schätzte seine Größe auf etwa acht Fuß, er<br />

war selbst unter Seinesgleichen ein Hüne. Sein Gesicht<br />

war kantig, das hohe Jochbein und die breite Nase<br />

stachen daraus hervor. Er trug ein metallenes Wamps,<br />

einen breiten Waffengurt und seinen Kopf zierte eine<br />

stählerne Krone, die zwei im <strong>Kampf</strong> ineinan<strong>der</strong><br />

verschlungene Drachen symbolisierte. Seine zotteligen<br />

Haare hingen darunter hervor und waren z<strong>um</strong> Teil zu<br />

dünnen Zöpfen geflochten, an <strong>der</strong>en Enden Edelsteine<br />

eingeflochten waren. Um seinen Hals hing eine<br />

grobgliedrige Kette, an <strong>der</strong> ein goldener Drachenschädel<br />

von bestimmt drei Pfund Gewicht ba<strong>um</strong>elte.<br />

Vor dem Thron, am Ende <strong>der</strong> Stufen legten die<br />

Ru<strong>der</strong>leute die Bahre nie<strong>der</strong> und Chahani und ich bauten<br />

uns neben unserem Kameraden auf. Der Warlord <strong>der</strong><br />

Mandraken sah uns eindringlich an, er musterte uns<br />

genau. Bedrohlich wan<strong>der</strong>ten seine fast schwarzen Augen<br />

in den Höhlen hin und her, dabei wiegte er den massiven<br />

Schädel leicht, wie ein kleines Kind, das interessiert ein<br />

Insekt betrachtet. Mit einem deutlich vernehmbaren<br />

knurrenden Laut hob er den Kopf und sah mich an.<br />

Seine Stimme war dröhnen und erfüllte den Ra<strong>um</strong>, als er<br />

mich ansprach.<br />

„Ich bin XUL.“<br />

Die Art, wie er das Wort ausprach, ließ den Ra<strong>um</strong><br />

erzittern. In den alten Sprachen hatte dieses Wort eine<br />

Bedeutung, Xul war das Gegenteil des Lichtes <strong>der</strong><br />

Schöpfung. Das Böse.<br />

„Ich bin <strong>der</strong> erste Warlord von Mandrak. Wer wagt es,<br />

in mein Reich einzudringen?“<br />

Ich trat zwei Schritte vor und machte mit <strong>der</strong> Rechten<br />

eine versöhnliche Geste in <strong>der</strong> Zeichensprache <strong>der</strong><br />

<strong>Trail</strong>smänner und nannte meinen Namen und Titel, wie<br />

es die Höflichkeit verlangte. Ich stellte auch meine<br />

Begleiter vor.<br />

„Schwertmeister, eh?“ äffte er verächtlich. „Wir werden<br />

sehen...“ Das klang nicht gut. Ich ging in die Offensive.<br />

„Lord Xul, unser Begleiter hier ist schwer krank. Er<br />

wurde von einem Shrinta gebissen. Er braucht dringend<br />

Hilfe.“<br />

„Er wird sterben, Schwertmeister. Bald. So sah es das<br />

Orakel.“<br />

Ein Orakel... ich brannte darauf, zu erfahren, was dieses<br />

Mandraken-Orakel noch alles prophezeit hatte.<br />

„Der Khan wird sterben.“ stellte Xul emotionslos fest.<br />

„Dann war alles <strong>um</strong>sont.“ merkte ich dazu an.<br />

„Nichts ist <strong>um</strong>sonst, Segurianer. Bringt den Khan in den<br />

Ra<strong>um</strong>, den man Euch weisen wird. Bringt ihn über die<br />

Brücke. Heute Abend werden wir seinen Tod feiern. Er<br />

soll in unserer Mitte bleiben als ein Held.“<br />

„Ich danke Euch aufrichtig für die Ehre, die Ihr einem<br />

großen Krieger zuteil werden lasst, Lord Xul.“ Ich<br />

verneigte mich.<br />

Eine Wache trat heran und wies uns in Richtung des<br />

großen Tores. Die Audienz war beendet. Wir wandten uns<br />

<strong>um</strong>, nahmen die Trage und wollten zur Tür gehen, als <strong>der</strong><br />

Warlord uns zurückhielt. Ich drehte ihm gerade den<br />

Rücken zu, als er mich ansprach.<br />

„Ein feines Schwert habt Ihr da, Segurianer. Gebt es<br />

mir.“<br />

Ich drehte mich nicht <strong>um</strong>, als ich gelassen zurückgab:<br />

„Ihr müßtet mich töten, <strong>um</strong> es zu bekommen.“<br />

Ein donnerndes Lachen aus Richtung des Thrones erfüllte<br />

die mächtige Halle. Xul hatte offensichtlich Gefallen an<br />

meiner Antwort gefunden.<br />

„Ja, vermutlich müsste ich das, Schwertmeister.“ meinte<br />

er amüsiert. „Belassen wir es dabei. Morgen reden wir<br />

über das Geschäft. Gebt Eurem Kameraden das letzte<br />

Geleit.“<br />

Wir folgten <strong>der</strong> Wache, bewegten uns in Richtung<br />

Ausgang und bogen dann unvermittelt nach rechts ab. Es<br />

ging durch einige von Fackeln erleuchtete Korridore in<br />

den östlichen Flügel des Palastes. Dort gab es große<br />

Treppenaufgänge, die <strong>um</strong> viereckige Schächte her<strong>um</strong><br />

nach oben führten. Wir stiegen einige Stufen empor, bis<br />

wir eines <strong>der</strong> oberen Geschosse erreichten, wo wir auf<br />

einen langen Flur einschwenkten. Die Schächte im<br />

Treppenaufgang waren leer, und auf je<strong>der</strong> Ebene gab es<br />

Seite 34


Öffnungen zu den Schächten. Möglicherweise handelte es<br />

sich <strong>um</strong> ein Belüftungssystem o<strong>der</strong> ähnliche<br />

Einrichtungen, vielleicht waren früher auch Maschinen<br />

darin gewesen. An je<strong>der</strong> Öffnung war die N<strong>um</strong>mer <strong>der</strong><br />

Ebene in Stein gehauen und es gab in den Wänden<br />

Aussparungen, wie für Griffe o<strong>der</strong> so. Die alte Architektur<br />

war merkwürdig. Aber letztlich hatte vieles die Zeiten<br />

nicht überdauert, im Grunde waren nur die Steinbauten<br />

aus <strong>der</strong> ersten Hochzeit geblieben. Alles an<strong>der</strong>e war<br />

zerstört worden, gestohlen o<strong>der</strong> schlichtweg verrottet. Die<br />

Wache wies uns eine Tür, die zu einem großen,<br />

ausladenden Zimmer mit Balkon führte. Dies war also <strong>der</strong><br />

Ort, an dem <strong>der</strong> Mah´di Khan, <strong>der</strong> Führer <strong>der</strong><br />

gondrischen Rebellen, sterben sollte. Ich fühlte mich<br />

nie<strong>der</strong>geschlagen.<br />

Wir betteten den Khan auf eine groß, fellbespannte Liege,<br />

die in <strong>der</strong> Mitte des Ra<strong>um</strong>es aufgestellt war. Chahani ging<br />

zu einem in die Wand eingelassenen Waschtisch und kam<br />

mit einer Schüssel klaren Wassers und einigen Lappen<br />

zurück. Sie wusch vorsichtig das Gesicht und den Hals des<br />

Khan, dann entledigte sie ihn seiner <strong>Kampf</strong>uniform,<br />

wickelte ihn in Laken, die dort bereit lagen und versorgte<br />

seine Wunde. Der St<strong>um</strong>pf des abgetrennten<br />

Unterschenkels sah übel aus. Das Fleisch war grau und<br />

roch nicht gut. Man konnte sehen, dass das Gift des<br />

Shrinta in seinen A<strong>der</strong>n schwarz emporgekrochen war,<br />

sein gesamtes Bein war von einem schwarzen Netz<br />

zerstörter A<strong>der</strong>n durchzogen. Chahani versorgte ihn, so<br />

gut es eben ging. Dann begann sie, verschiedene Stellen<br />

seines Körpers mit einer Chi´ii-Massage vom Schmerz zu<br />

befreien. Ich kannte diese Technik aus meiner Heimat,<br />

dort wurde sie angewendet, wenn verletzten Kriegern<br />

Gliedmaßen abgenommen werden mußten. Man betäubte<br />

die betreffenden Stellen vollständig, indem man<br />

bestimmte Knotenpunkte fest drückte und so die Chi´ii-<br />

Energiekanäle unterbrach. In <strong>der</strong> segurianischen<br />

Nahkampfausbildung hatte ich gelernt, durch bestimmte<br />

Fingerstöße den Gegner außer Gefecht zu setzen, indem<br />

ich seine Knotenpunkte lähmte. Auf diese Weise konnte<br />

man sogar völlig lautlos einen Gegner töten.<br />

Als Chahani fertig war, gingen wir zusammen auf den<br />

Balkon hinaus.<br />

„Wie steht es <strong>um</strong> ihn?“ fragte ich besorgt.<br />

„Nicht gut. Ich konnte die Vergiftung nicht stoppen, nur<br />

sein Leiden etwas lin<strong>der</strong>n. Das Fieber steigt, er wird<br />

bald sterben, Fela. Was sollen wir jetzt tun?“<br />

Ich sah hinaus auf die Stadt, die sich zu unseren Füßen<br />

ausbreitete. Der Abend zog auf, die Sonnen sanken dem<br />

Horizont entgegen. In den Gassen und Straßen herrschte<br />

rege Betriebsamkeit. Direkt unter unserem Balkon bot ein<br />

Händler seine waren unter einem bunten Baldachin feil,<br />

es wurde gefeilscht und gehandelt, was in <strong>der</strong> recht<br />

gutturalen Sprache <strong>der</strong> Mandraken bisweilen bedrohlich<br />

klang. Der Duft des Marktes stieg zu uns herauf, Obst,<br />

Gemüse, Gewürze. Aus den Stockwerken unter uns<br />

verbreitete sich <strong>der</strong> Geruch verschiedener Räucherharze,<br />

irgendwo erklang ein Zupfinstr<strong>um</strong>ent, das eine<br />

schwermütige Melodie von sich gab. Hier oben wehte eine<br />

leichte Brise. Die Schatten <strong>der</strong> vor ewigen Zeiten<br />

kunstvoll gearbeiteten Türme wurden länger und<br />

wan<strong>der</strong>ten über das Dächermeer.<br />

„Schwer zu sagen“ entgegnete ich, „Wir sollten die Dinge<br />

auf uns zukommen lassen, denke ich. Wenn Xul uns<br />

feindlich gesonnen wäre, würden wir nicht hier sein,<br />

son<strong>der</strong>n tot o<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Flucht. Xul hat etwas vor, und<br />

ich schätze, er wird uns seinen Plan morgen mitteilen.<br />

Heute sollten wir für unseren Freund das tun, was wir<br />

noch tun können. Bei ihm sein und ihm ein gutes letztes<br />

Geleit geben.“<br />

Chahani nickte wortlos. Sie drückte sich an mich, und ich<br />

nahm sie in die Arme. Ihr Kuß schmeckte wun<strong>der</strong>bar, ich<br />

genoss es, wenn sich unsere Energien so verbanden. Als<br />

wir unsere Lippen voneinan<strong>der</strong> lösten, sah sie mich ernst<br />

an.<br />

„Was immer auch geschieht, Fela. Ich liebe Dich. Auf<br />

ewig.“<br />

„Ich liebe Dich auch, Chahani. Auf ewig.“<br />

In <strong>der</strong> Dämmerung verließen wir den Balkon wie<strong>der</strong>,<br />

wissend, dass nun die unangenehmen Dinge zu regeln<br />

waren Wir gingen wie<strong>der</strong> in das Zimmer, hin zur Liege,<br />

auf <strong>der</strong> unser Kamerad z<strong>um</strong> Sterben lag. Sein Gesicht<br />

hatte bereits eine fahle Färbung, und <strong>der</strong> Leib zitterte<br />

leicht. Seine Augen waren geöffnet, es schien, er sei bei<br />

Bewußtsein. Chahani nahm seine Hand, die kraftlos und<br />

kalt war, und drückte sie. Eine Träne lief über ihre<br />

Wangen. Als ich sah, dass sich die Lippen des Khan leicht<br />

bewegten, ging ich z<strong>um</strong> Kopfende des Lager und kam nah<br />

an sein Gesicht. In <strong>der</strong> Tat, er flüsterte. Seine Stimme war<br />

flach und ausdruckslos, als er zu mir sprach.<br />

„Fela“ hauchte er gebrochen, „führe den Krieg an meiner<br />

Stelle. Nimm mein Amulett, trage es in die Schlacht.“<br />

Ich sah ihm tief in die Augen, die seltsam leer wirkten. Da<br />

war nichts mehr vom Feuer des Mah´di Khan, des<br />

Bezwingers von <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>. Ich sah in die Augen eines<br />

Sterbenden, Augen, in denen das Feuer langsam erlosch.<br />

„Ich habe Euch mein Wort gegeben, Khan.“ entgegnete<br />

ich. „Ich werde Euer Werk im Rahmen meiner<br />

Möglichkeiten fortsetzen. Eure Anhänger werden Euch<br />

schmerzlich missen, Khan. Ich werde Euch niemals<br />

vollständig ersetzen können. Aber ich werde mein Bestes<br />

tun.“<br />

Er versuchte zu lachen, heraus kam jedoch nur ein<br />

heiseres Krächzen. Er keuchte schwächelnd:<br />

„Segurianer. Du hast es immer noch nicht verstanden.<br />

Ich war nur ein Kelch <strong>der</strong> Götter, in den sie ihren Wein<br />

gegossen haben. Du jedoch,“ ein Hustenanfall unterbrach<br />

ihn, „Du jedoch hast soviel mehr. Du bist das Schwert des<br />

heiligen Krieges. Du wirst die Stämme einen und in die<br />

letzte Schlacht führen. Tritt nun an meine Stelle, Fela. Es<br />

ist an <strong>der</strong> Zeit ... Ich bin so müde...“<br />

Er hustete erneut, und Chahani richtet ihn in den Kissen<br />

etwas auf Noch einmal glühte ein letzter Rest des Feuers<br />

in seinen Augen. Mit letzter Kraft setzte er seine Rede<br />

fort.<br />

„Schwertmeister von Seguria, verstehst Du nicht? DU<br />

bist <strong>der</strong> Khan. Ich hatte nur die Aufgabe, das Banner bis<br />

hierher zu tragen. Nimm meinen <strong>Kampf</strong>anzug, Dein<br />

Schwert und das Siegel. In diesem Zeichen wirst Du<br />

siegen.“<br />

Dies waren seine letzten Worte. Sein Kopf sackte zur<br />

Seite, und sein Herz hörte auf zu schlagen. Der Mah´di<br />

Khan war tot. Ich zog mein Schwert, richtete mich auf<br />

und erwies ihm den Gruß <strong>der</strong> Sonnenkrieger. Chahani<br />

legte seine Hände über <strong>der</strong> Brust verschränkt zusammen<br />

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und ging zur Tür. Sie informierte die Wache und trug ihr<br />

auf, den Warlord zu informieren.<br />

Einige Glasen später kamen die Bediensteten, <strong>um</strong> den<br />

Leichnam des Khan zu waschen und zu ölen. Vom Dach<br />

des Palastes hörten wir große Kriegstrommeln einen<br />

monotonen, d<strong>um</strong>pfen Klang verbreiten. Das Fest des<br />

Todes hatte begonnen. Von überall her strömten die<br />

Mandraken herbei, <strong>um</strong> dieser Zeremonie beizuwohnen.<br />

Ich fragte einen <strong>der</strong> Leichenwäscher, ob das hier so üblich<br />

sei. Er erklärte mir, dass nur die hochrangisten Krieger<br />

auf diese Weise ins Az´gaart, das Jenseits, geleitet<br />

wurden. Der Leib des verstorbenen Kriegers würde auf<br />

dem Dach des Palastes verbrannt werden, <strong>um</strong> seine Seele<br />

zu den Göttern zu geleiten. Wir sollten uns bereithalten.<br />

Chahani und ich gingen in ein Nebenzimmer, <strong>um</strong> uns<br />

etwas frisch zu machen für die Feuerbestattung. Nachdem<br />

wir unsere Kleidung gerichtet hatten, nahm ich das<br />

Brustamulett des Khan an mich und verstaute es in einer<br />

Gürteltasche. Dann gingen wir mit einer Wache auf das<br />

Dach des Gebäudes, von dem aus man in die ganze Stadt<br />

sehen konnte. Auf den großen Platz, in allen Straßen und<br />

Gassen, selbst auf den Dächern <strong>der</strong> Häuser hatten sich<br />

Mandraken versammelt. Es waren abertausende. Ein<br />

Meer von Kriegern stand bereit, <strong>um</strong> unserem Gefährten<br />

die letzte Ehre zu erweisen. Ich war beeindruckt und<br />

ergriffen von <strong>der</strong> Szene.<br />

In <strong>der</strong> Mitte des Daches stand ein gewaltiger<br />

Scheiterhaufen, auf dem die Leichenwäscher den<br />

gesalbten Leichnam des Mah´di Khan ablegten. Offenbar<br />

hatte man seit unserer Ankunft hier gewisse<br />

Vorbereitungen getroffen. Inzwischen war die Stadt in<br />

Dunkelheit gehüllt, <strong>der</strong> Platz über den Dächern <strong>der</strong> Stadt<br />

wurde von zahlreichen Fackeln erhellt, die von den<br />

Kriegern <strong>der</strong> Leibgarde des Warlords gehalten wurden.<br />

Die Trommeln dröhnten ihr gewaltiges Stakkato, es<br />

waren sieben große Kriegstrommeln, vor denen je ein<br />

Trommler kniete und mit schweren Holzschlegeln auf die<br />

gespannten Häute schlug. Die Trommeln waren mächtig,<br />

und sie waren laut. Ich schätzte, dass man sie sogar auf<br />

den benachbarten Inseln hören konnte. Die Kohorte <strong>der</strong><br />

Krieger, die die Fackeln hielten, stand in vollen Waffen,<br />

und auch <strong>der</strong> Warlord war im Waffenrock gekommen, <strong>um</strong><br />

<strong>der</strong> Zeremonie beizuwohnen. Er stand vor dem<br />

Scheiterhaufen, und wir wurden zu ihm geführt. Ich<br />

verneigte mich vor Xul und grüßte ihn nach<br />

segurianischer Militärsitte, indem ich die rechte Faust auf<br />

die Brust schlug. Auch Chahani verneigte sich. Der<br />

Warlord hob die Arme und breitete sie aus. Schlagartig<br />

verst<strong>um</strong>mten die Trommeln.<br />

Mit tiefer Stimme sprach er.<br />

„Fhtagn!“<br />

„Der Leib dieses Kriegers vergeht. Der Mah´di Khan von<br />

<strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> geht in das Az´gaart, mögen die Götter und<br />

Helden ihn Willkommen heißen!“<br />

Er senkte die Arme und die Trommeln setzten wie<strong>der</strong> ein.<br />

Langsam, schleppend, dröhnend. Wie ein Herzschlag, <strong>der</strong><br />

Puls, <strong>der</strong> aus dem Leib des Khan gewichen war, sollte ihn<br />

nun über die Brücke zur jenseitigen Welt führen, in das<br />

Reich <strong>der</strong> Götter. Einer <strong>der</strong> Krieger trat vor und reichte<br />

dem Warlord seine Fackel. Dieser reichte sie an mich<br />

weiter. Ich trat an den nach Carbonöl riechenden<br />

Scheiterhaufen heran und stieß die Fackel hinein. Sofort<br />

leckten die Flammen gierig an dem ölgetränkten Holz<br />

empor, und binnen weniger Augenblicke stand <strong>der</strong><br />

Scheiterhaufen in Flammen. Wir traten wegen <strong>der</strong><br />

enormen Hitze etwas zurück und schauten zu, wie die<br />

Flammen den Leichnam erfassten, <strong>der</strong> kurz darauf in eine<br />

Rauchwolke gehüllt war, die senkrecht in den Himmel<br />

stieg.<br />

Wie<strong>der</strong> hob <strong>der</strong> Warlord seine Arme, und die Trommeln<br />

wurden leiser, hörten jedoch nicht auf zu w<strong>um</strong>mern. Xul<br />

wandte sich mir zu und sprach mich mit fester Stimme<br />

an.<br />

„Segurianer! Die Prophezeiung bewahrheitet sich. Das<br />

Orakel hat gesprochen:<br />

'Es wird einer kommen. Aus <strong>der</strong> Festwelt. Aus keinem<br />

erwarteten Haus wird er kommen. Er wird die Stämme<br />

Mandraks in einen großen Krieg <strong>der</strong> Taifune führen.<br />

Und <strong>der</strong> Sieg wird bei ihm sein. Nach ihm kommt <strong>der</strong><br />

Friede.'<br />

Du bist gekommen, <strong>um</strong> die Armee von Mandrak zu<br />

befehligen. Nun erweise Dich als würdig, ein Führer <strong>der</strong><br />

Mandraken zu sein. Du mußt im <strong>Kampf</strong> einen meiner<br />

Generäle besiegen, damit auch nur ein Krieger Dir folgt<br />

in Deine Schlacht. Zieh Dein Schwert, Segurianer und<br />

kämpfe.“<br />

Auf seinen Wink trat ein großer, bulliger Krieger aus den<br />

Reihen vor. Er trug ein großes gondrisches<br />

Kr<strong>um</strong>mschwert. Der Warlord stellte ihn vor.<br />

„General Szandor von Grendel. Erster Kommandant<br />

meiner Leibgarde. Er wird gegen Dich antreten,<br />

Segurianer.“<br />

Grundgütiger! Der Mann war einen guten Kopf größer als<br />

ich, wog fast das doppelte und schien erpicht darauf, mich<br />

dem Khan ins Jenseits hinterher zu schicken. Er grinste<br />

breit, als er auf mich zu trat. Da standen wir uns nun im<br />

Schein des brennenden Scheiterhaufens gegenüber, das<br />

Dach des Palastes war in oranges Licht gehüllt, es<br />

knisterte und knackte, und die Trommeln än<strong>der</strong>ten den<br />

Rhythmus. Die Schläge waren jetzt hart und kurz, an<strong>der</strong>s<br />

als die weichen, dröhnenen Schläge von eben. Die<br />

Atmosphäre war z<strong>um</strong> Zerreißen gespannt.<br />

Nach und nach verfielen die Krieger in ein Mantram, das<br />

mir schon von den Ru<strong>der</strong>leuten geläufig war. Einer nach<br />

dem an<strong>der</strong>en fiel in den Chor ein.<br />

„Hung! Hung! Hung!“<br />

Der Chor brandete über die Mauern und flutete die Stadt.<br />

Nun erklang es aus tausenden von Kehlen.<br />

„Hung! Hung! Hung!“<br />

Die Horden waren in Ekstase. Aus voller Brust feuerten<br />

sie ihren Favoriten an, <strong>der</strong> nun begann, mich langsam zu<br />

<strong>um</strong>runden. Ich regte mich nicht. Völlig entspannt stand<br />

ich da, alle meine Sinne waren aktiv. Ich konnte jede<br />

seiner Bewegungen spüren, fühlte, wie sich sein<br />

Körpermagnetismus verän<strong>der</strong>te, ich hatte sein geistiges<br />

Abbild exakt vor Augen, egal, wo er gerade war. Er würde<br />

nicht von hinten angreifen, das wäre unehrenhaft. Er<br />

wollte jedoch einen taktischen Vorteil herausholen, <strong>um</strong><br />

meine Reaktionen zu testen. Also würde er von <strong>der</strong> Seite<br />

angreifen. Ganz langsam spannten sich meine Muskeln.<br />

Mit dem schweren Langschwert hatte ich keine Chance,<br />

die zur Verfügung stehende Reaktionszeit war zu kurz.<br />

Also entschied ich mich für die beiden leichten Schwerter,<br />

<strong>der</strong>en Griffe näher bei meinen Händen waren. Ich fühlte,<br />

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wir er hinter mir das Schwert leicht anhob, seine<br />

Muskelspannung ließ auf einen schweren Hieb schließen.<br />

Dann ging alles sehr schnell. Er schlug schräg von rechts<br />

oben zu. Ohne Gegenwehr hätte er meinen Körper<br />

wahrscheinlich mit einem Hieb zerteilt. Meine Hände<br />

flogen zielsicher zu den Schwertgriffen, zogen sie und<br />

rissen die Waffen hoch. Ich parierte seinen Hieb mit<br />

einem Schwertkreuz und lenkte durch eine seitliche<br />

Ausfallbewegung die Kraft seines Schwerthiebes ab. Er<br />

geriet etwas ins Schleu<strong>der</strong>n, ich schritt zur Seite und ließ<br />

seine Klinge aus meinem Schwertkreuz auf den Boden<br />

abgleiten. Das metallische Klirren heizte die Menge an.<br />

„Hung! Hung! Hung!“<br />

Der General fing sich schnell und versuchte, von unten<br />

nachzusetzen, indem er das Schwert in meine Richtung<br />

hochriss. Ich lenkte es mit einem Schwert ab, drehte mich<br />

blitzschnell <strong>um</strong> meine eigene Achse und verpasste ihm<br />

einen Schnitt am linken Oberarm, <strong>der</strong> seinen<br />

Le<strong>der</strong>wamps durchtrennte. Blut quoll aus dem Schnitt<br />

hervor. Mein Gegner beachtete dies nicht, und stürmte<br />

nun schwertschwingend unter Kriegsgebrüll auf mich ein.<br />

Er führte harte, kurze Schläge auf mich aus, die ich<br />

wechselseitig parierte. In seinen Schlägen lag große Kraft,<br />

und ich hoffte, dass <strong>der</strong> segurianische Fe<strong>der</strong>stahl meiner<br />

Waffen diesem Ansturm standhalten konnte. Wir gingen<br />

nun in den Nahkampf über, in schneller Folge klirrten<br />

unsere Waffen aneinan<strong>der</strong>, ich bemühte mich stets, seine<br />

Angriffsenergie in Richtung Boden abzulenken. So<br />

kämpfte ich etwa eine Glase lang in <strong>der</strong> Defensive, bis ich<br />

bemerkte, dass die Schläge und Stöße des Generals leicht<br />

unkoordinierter wurden. Sein Energiebedarf für diesen<br />

<strong>Kampf</strong> musste gewaltig sein, er würde das nicht mehr<br />

allzu lange so durchhalten können. Ich würde ihn noch<br />

einigen Momente durch kontrolliertes Zurückweichen in<br />

dem Glauben lassen, er beherrsche das Gefecht. Dann,<br />

z<strong>um</strong> rechten Zeitpunkt, wollte ich zuschlagen. Die Menge<br />

genoss den <strong>Kampf</strong>.<br />

„Hung! Hung! Hung!“<br />

Der General trieb mich mit seinen ausladenden Hieben<br />

förmlich über den Platz. Der Warlord grinste. Aber er<br />

grinste nicht gehässig. Er war ein erfahrener Krieger, und<br />

er hatte meine Taktik erkannt. 'Wenn Du einen Onker<br />

fangen willst, lass ihn laufen' hatte mein Ausbil<strong>der</strong> mir<br />

gesagt. Und ich ließ ihn laufen, bis er vor Wut schä<strong>um</strong>te<br />

und schnaubte. Ich erweckte den Anschein, vor dem<br />

General zu flüchten. Ich duckte mich unter seinen<br />

Querhieben, ließ mich von seinen Schlägen zurücktreiben,<br />

strauchelte vermeintlich. Er missdeutete diese Signale<br />

erwartungsgemäß und sonnte sich im Beifall seiner Leute.<br />

Er hob die Arme und ließ sich feiern. Doch <strong>der</strong> Moment<br />

seines Tri<strong>um</strong>phes sollte seinen Untergang besiegeln.<br />

Ich richtete mich langsam auf und ließ die Schwerter<br />

fallen. Der General wandte sich <strong>um</strong> und sah mich fragend<br />

an. Dann hob ich die Rechte, fasste hinter mich und zog<br />

betont langsam mein Langschwert, Kilm´tal aus <strong>der</strong><br />

Halterung auf meinem Rücken. Ich ließ es langsam in <strong>der</strong><br />

rechten Hand rotieren. Den linken Arm streckte ich aus<br />

und winkte ihn mit <strong>der</strong> Hand heran. Sein Blick wurde<br />

ernst und zornig. Sein Verstand wurde ausgeschaltet.<br />

Mein Angriffsmuster stand fest. Ich würde das Rashith-<br />

Ha-Gilgalim einsetzen, den Beginn <strong>der</strong> wirbelnden<br />

Bewegung. Diese Taktik verlange, sie bis z<strong>um</strong> Ende<br />

durchzuführen, ungeachtet <strong>der</strong> gegnerischen<br />

Bewegungen. Dabei wurde das Schwert mit großer<br />

Geschwindigkeit in einer liegenden Acht bewegt und auf<br />

den Gegner eingedroschen.<br />

„Hung! Hung! Hung!“<br />

Im nächsten Moment startete ich meinen Angriff. Ich<br />

schwang das Schwert, stürmte los und hieb auf meinen<br />

Gegner ein. Ich hatte das Ziel des Sieges fest vor Augen,<br />

und die Gegenwehr des Generals brach in sich zusammen.<br />

Hieb <strong>um</strong> Hieb traf ihn, er blutete schnell aus zahlreichen<br />

Wunden. Ein beson<strong>der</strong>s starker Hieb von mir kam im<br />

richtigen Winkel, und sein mächtiges Schwert<br />

zersplitterte. Explosiv entlud sich die Angriffsenergie, und<br />

er flog rückwärts, strauchelte und fiel auf den Rücken, in<br />

<strong>der</strong> Hand den kümmerlichen Rest seines Schwertes. Wie<br />

<strong>der</strong> Wind war ich über ihm, trat das halbe Schwert aus<br />

seiner Hand und richtete die Spitze meines Schwertes auf<br />

seine Kehle. Die Trommeln verst<strong>um</strong>mten. Auch die<br />

Anfeuerungsrufe <strong>der</strong> Krieger verebbten. Ich sah Xul an.<br />

„War<strong>um</strong> zögerst Du? Töte ihn. Vollende es.“<br />

Ich schüttelte den Kopf.<br />

„Nein, My Lord. Es wäre falsch, einen Eurer besten<br />

Krieger zu töten. Er hat tapfer gekämpft, und ein solcher<br />

Krieger ist in <strong>der</strong> Schlacht besser aufgehoben, als auf<br />

einem Scheiterhaufen.“<br />

„So soll es sein. Ich erkläre Dich z<strong>um</strong> Sieger, Segurianer.<br />

Der <strong>Kampf</strong> ist beendet.“<br />

Ich nahm das Schwert zurück und fügte es wie<strong>der</strong> in seine<br />

Halterung ein. Dann hob ich meine beiden an<strong>der</strong>en<br />

Schwerter auf und arrettierte sie ebenfalls. Der General<br />

erhob sich und baute sich vor mir auf. Dann sank er<br />

nie<strong>der</strong>, beugte ein Knie und sprach:<br />

„Ich stehe in Eurer Schuld, Segurianer. Mein Leben für<br />

Euch.“<br />

Ich nickte und grüßte ihn militärisch. Dann trat ich an<br />

den noch brennenden Scheiterhaufen heran, zog das<br />

Amulett des Khan aus meiner Gürteltasche und legte es<br />

an. Ich drehte mich langsam <strong>um</strong> und blickte in die Reihen<br />

<strong>der</strong> mandrakischen Krieger. Diese fielen wie<strong>der</strong> in ihren<br />

Chor ein, und die Trommeln dröhnten laut.<br />

„Hung! Hung! Hung!“<br />

Meine Armee war bereit z<strong>um</strong> <strong>Kampf</strong>, <strong>der</strong> neue Mah´di<br />

Khan würde sie in eine glorreiche Schlacht führen.<br />

Kapitel 8: Die F´Dayk´n<br />

Am nächsten Morgen rief uns <strong>der</strong> Warlord zur Audienz.<br />

Ich hatte dar<strong>um</strong> gebeten, <strong>um</strong> die erfor<strong>der</strong>lichen Schritte<br />

für den bevorstehenden <strong>Kampf</strong> zu regeln. Nachdem<br />

Chahani und ich in unserem Gemach im Obergeschoß ein<br />

ausgezeichnetes Frühmal genossen und uns für den Tag<br />

vorbereitet hatten, folgten wir <strong>der</strong> Wache in die<br />

Audienzhalle, die im westlichen Flügel des Gebäudes an<br />

den Thronsaal grenzte. Auf dem Weg dorthin bewun<strong>der</strong>te<br />

ich die schlichte, aber dennoch ehrfurchteinflössende<br />

Architektur dieses Kriegervolkes. Die Gänge, die uns zur<br />

Audienzhalle führten, waren aus grauem Sandstein<br />

gemeißelt, sie waren mit Reliefs von teilweise<br />

anson<strong>der</strong>lichen, tentakelbewehrten Kreaturen verziert.<br />

Wir bogen nach links, und <strong>der</strong> Gang öffnete sich zu einem<br />

mächtigen Portal hin, das wir eilig durchschritten, <strong>um</strong> in<br />

die große Halle zu gelangen. Xul Eisenbeisser und sein<br />

innerster Stab waren dort <strong>um</strong> einen Kartentisch<br />

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versammelt. Als wir dazu kamen, salutierten die<br />

Heerführer. Ich erwi<strong>der</strong>te den Gruß, und <strong>der</strong> Warlord<br />

stellte mir seine Generäle vor. Das mandrakische Heer<br />

hatte sechs Generäle, die jeweils über eine Heeresgruppe<br />

von 125.000 Mann geboten. Ich war über die tatsächliche<br />

Truppenstärke <strong>der</strong> mandrakischen Armee überrascht.<br />

Bislang waren unsere Späher davon ausgegangen, dass<br />

die Mandraken lediglich über etwa 200.000 Mann unter<br />

Waffen verfügten, doch diese Informationen erwiesen<br />

sich als völlig falsch. Zu unserem Glück, denn Xul<br />

Eisenbeisser erklärte sich bereit, mir vier seiner<br />

Heeresgruppen anzuvertrauen. Das bedeutete, ich würde<br />

in den Krieg gegen Ninurta mit einer Million Soldaten<br />

ziehen. Die einzigen Fragen, die nun noch zu klären<br />

waren, betrafen Transportlogistik, Strategie und Taktik.<br />

Ninurta verfügte über ca. 3 Millionen Soldaten zuzüglich<br />

<strong>Kampf</strong>insekten, wovon im Schlachtfeld sicher weit mehr<br />

als zwei Drittel verfügbar sein würden. Die Rebellen<br />

waren nur etwa Hun<strong>der</strong>ttausend, dazu kamen noch etwa<br />

500.000 Mann aus <strong>der</strong> fö<strong>der</strong>alen Allianz <strong>der</strong> <strong>um</strong>liegenden<br />

Reiche. Mit <strong>der</strong> Streitmacht <strong>der</strong> Mandraken würden diese<br />

deutliche zahlenmäßige Unterlegenheit sicher etwas<br />

ausgleichen können, doch das Problem war Ninurtas<br />

Artillerie und die <strong>Kampf</strong>taranteln. Mein Bru<strong>der</strong> Thet<br />

würde, wenn <strong>der</strong> Sturm auf <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> begann, das<br />

segurianische Kontingent ins Herz <strong>der</strong> gondrischen<br />

Tiefebene führen, und aus Norden und Süden würden<br />

noch zwei gewaltige Verbände auf <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong><br />

marschieren. Das Schlachtfeld würde sich wohl etwas<br />

südlich <strong>der</strong> Stadt auftun, auf dem großen Plateau von<br />

<strong>Gonda</strong>-Nag-H´mad. Der Terror <strong>der</strong> Rebellen in <strong>der</strong> Stadt<br />

sollte für Ablenkung sorgen und einen Teil von Ninurtas<br />

Kräften binden. Wir mussten versuchen, seine<br />

Streitmacht zu teilen und möglichst viele Fronten zu<br />

eröffnen. Der mandrakische Tross sollte die Spaltung <strong>der</strong><br />

Hauptstreitmacht erwirken, <strong>um</strong> es Ninurta zu<br />

erschweren, die schwere Artillerie effektiv einzusetzen.<br />

Auf meine Frage nach dem Truppentransport meinte <strong>der</strong><br />

Warlord:<br />

„Ihr werdet überrascht sein, Khan. Wir Mandraken sind<br />

keineswegs so rückständig, wie die Festweltler<br />

glauben...“ Dabei grinste er vielsagend. General Traban<br />

zu seiner Rechten führte den Dialog fort.<br />

„Auf Fünf unserer Inseln gibt es unterirdische Hangare,<br />

in denen unsere Luftschiffe verborgen sind. Wir verfügen<br />

über 600 Holks <strong>der</strong> Imperator-Klasse, die je 2.000<br />

Mann tragen. Die Holks sind freischwebende Einheiten,<br />

ausgerüstet mit Maschinentechnologie, die wir aus<br />

historischen Aufzeichnungen rekonstruiert haben. Wir<br />

werden alle Holks einsetzen, <strong>um</strong> die Truppen und das<br />

Material zu transportieren.“<br />

„Ihr benutzt Maschinen?“ fragte ich sichtlich angewi<strong>der</strong>t<br />

„Das wi<strong>der</strong>spricht dem Codex.“<br />

Der Warlord lächelte und meinte gelassen:<br />

„Die Mandraken haben keinen Kontrakt unterzeichnet,<br />

Khan. Und darüber hinaus könnt Ihr froh sein, dass wir<br />

diese Maschinen haben. Hätten wir sie nicht, könntet Ihr<br />

zu Fuß z<strong>um</strong> Schlachtfeld ziehen. Es steht Euch natürlich<br />

frei, auf die Holks zu verzichten...“<br />

Verdammt, er hatte Recht. Wir brauchten die<br />

mandrakischen Maschinen. Ich nickte.<br />

„Gut,“ meinte Xul, „dann habe ich noch eine<br />

Überraschung für Euch. Unsere Spähtrupps fanden vor<br />

einigen Zyklen ein verborgenes Gangsystem im Innern<br />

einer unserer Inseln. Dort fanden wir, völlig<br />

abgeschlossen und unversehrt, ein Laboratori<strong>um</strong>. Die<br />

Apparate waren weitgehend unbrauchbar. Aber als wir<br />

die Kalkschichten von einer Tür entfernten, entdeckten<br />

wir dahinter etwas, das diesen Krieg möglicherweise<br />

entscheidend beeinflussen wird. In einem Lager fanden<br />

wir Teile von Glutbohrern. Es ist unseren<br />

Waffenschmieden gelungen, einen davon wie<strong>der</strong><br />

funktionsfähig zu machen. Dieser steht uns nun an Bord<br />

eines eigens dafür <strong>um</strong>gerüsteten Holks zur Verfügung.“<br />

Das war in <strong>der</strong> tat eine Überraschung. Der Umstand, dass<br />

die Mandraken Flugboote rekonstruiert hatten, war schon<br />

eine Sache, die schwer zu glauben war. Aber dass eine<br />

Waffe tausend mal tausend Zyklen überstanden hatte,<br />

grenzte an ein Wun<strong>der</strong>. Ich war geneigt, dieses Wun<strong>der</strong><br />

als ein Zeichen zu sehen.<br />

„Seid Ihr sicher, dass er funktioniert?“ wollte ich wissen.<br />

„Absolut sicher“ bestätigte Xul.<br />

Ich schaute suchend auf den Kartentisch.<br />

„Hier.“ meinte <strong>der</strong> Warlord und legte den Finger auf<br />

einen Punkt, etwa drei Tagesritte von <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong><br />

entfernt. Dort lief <strong>der</strong> Tulkman-Graben von Nord nach<br />

Süd über das Plateau von <strong>Gonda</strong>-Nag-H´mad. Es war<br />

anzunehmen, dass <strong>der</strong> Hauptkampf hier stattfinden<br />

würde, denn Ninurta zog dort seit gera<strong>um</strong>er Zeit immense<br />

Verbände zusammen. Der Kaiser wusste, dass <strong>der</strong> <strong>Kampf</strong><br />

unausweichlich war, und er wollte den Aufstand mit allen<br />

Mitteln nie<strong>der</strong>schlagen.<br />

Der Abwurf des Glutbohrers in dem Graben sollte<br />

bewirken, dass dieser aufriss und sich in einen gewaltigen<br />

Lavastrom verwandeln würde. Es war wichtig, den<br />

richtigen Zeitpunkt zu erwischen, wenn die<br />

Taranteldivisionen den Graben auf ihrem Vormarsch<br />

durchquert hatten, und das Heer noch im nordöstlichen<br />

Teil <strong>der</strong> Ebene marschierte. Ninurta schickte immer<br />

zuerst seine Taranteln in die Schlacht, und unser<br />

südwestliches Kontingent sollte für ihn Verlockung genug<br />

sein, einen Sturmangriff zu versuchen. Gelang es uns,<br />

seine Streitmacht zu teilen, würde es leichter werden, sein<br />

Heer anzugreifen, das dann ohne Artillerie und<br />

<strong>Kampf</strong>spinnen z<strong>um</strong> <strong>Kampf</strong> Mann gegen Mann gezwungen<br />

sein würde. Die Generäle versicherten mir, dass die Holks<br />

trotz ihrer enormen Größe schnell und wendig wären. So<br />

beschlossen wir, die Truppentransporter bis z<strong>um</strong> Abwurf<br />

des Glutbohrers hinter dem Nyarla-Gebirgsmassiv in den<br />

tiefliegenden Wolken zu verstecken. Wenn <strong>der</strong> Graben<br />

entzündet war, sollten sie das Gebirge überqueren und<br />

direkt ins <strong>Kampf</strong>gebiet einfliegen. Das<br />

Überraschungsmoment könnte so zu unserem Vorteil<br />

gereichen. Wenn Ninurtas Späher die Holks entdeckten,<br />

würde dem Kaiser nicht genug Zeit bleiben, Truppenteile<br />

<strong>um</strong> den langen Graben her<strong>um</strong> zu führen und seine<br />

Verteidigung neu zu strukturieren. Wir mussten den<br />

Kaiser vom Zeitpunkt des Glutbohrerabwurfes an ständig<br />

unter Druck halten, er durfte nicht zur Ruhe kommen, bis<br />

die Schlacht geschlagen war. Der <strong>Kampf</strong> war<br />

risikobewehrt, und nicht leicht zu gewinnen. Vieles<br />

konnte schief gehen. Aber wenn uns das Wohlwollen <strong>der</strong><br />

Götter zuteil würde, konnten wir einen großen Sieg<br />

einfahren und Ninurtas Schreckensherrschaft ein für alle<br />

Mal beenden.<br />

Die Besprechung ging nun ins Detail, und dreizehn<br />

Glasen später standen unsere Strategien und Taktiken<br />

weitgehend fest. Es gab Reservepläne, Ausweichmanöver<br />

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und antizyklische Variablen in <strong>der</strong> Planung, selbst für den<br />

Fall einer etwaigen Nie<strong>der</strong>lage unserer Truppen hatten<br />

wir Szenarien entwickelt. Wir waren bereit z<strong>um</strong> Krieg.<br />

Für die Zeit dieser Schlacht berief Xul Eisenbeisser mich<br />

formell auf den Posten des ersten Imperators <strong>der</strong><br />

mandrakischen Streitkräfte, da er selbst das Heer nicht<br />

führen konnte. Sein Platz war mit den verbliebenen<br />

Soldaten auf den Inseln, <strong>um</strong> im Falle einer Nie<strong>der</strong>lage die<br />

Heimat und Kultur Mandraks zu verteidigen. Die<br />

Generäle leisteten vor ihrem Führer einen Treueeid auf<br />

mich. Kein mandrakischer Krieger würde es wagen,<br />

meinem Befehl nicht zu gehorchen. Sie würden für mich<br />

kämpfen, für mich bluten und für mich sterben.<br />

Am Abend dann gab es im Thronsaal ein großes<br />

Festbankett, zu dem viele mandrakische Würdenträger<br />

geladen waren, wir sahen nun z<strong>um</strong> ersten Mal auch<br />

mandrakische Frauen. Sie waren wesentlich zierlicher als<br />

die Krieger, aber ebenso erstaunlich muskulös. Es wurde<br />

geschmaust, gelacht und getrunken. Wir genossen ein<br />

hervorragendes Ra´hd-Geschnetzeltes, verschiedene<br />

knusprig frittierte Insekten in Tunke, Rieselgrasboller mit<br />

Honigstippe, und ausgezeichnete Weine, die aus dem<br />

Nektar <strong>der</strong> Riesenbä<strong>um</strong>e vergoren wurden. Bei den in<br />

Lehm gebackenen Spinnen mußte ich allerdings passen,<br />

auch Chahani winkte dankend ab. Das Festmahl mundete<br />

vorzüglich, und auch die Musik- und Tanzeinlagen waren<br />

unterhaltsam. Bei den Mandraken gab es nur drei<br />

Grundinstr<strong>um</strong>ente: Trommel, Zitar und Blasholz.<br />

Trommeln gab es in allen Größen und Ausführungen, das<br />

Zitar war von <strong>der</strong> Konstruktion her ein vierzehnsaitiges<br />

Zupfinstr<strong>um</strong>ent mit langem Hals und einem Klangkörper,<br />

<strong>der</strong> in mehreren Ausbuchtungen für interessante, weich<br />

verzerrte Tonerzeugung sorgte. Das Zitar klang stets<br />

etwas melancholisch, doch wurde diese Grundstimmung<br />

durch die verschiedenen Blashölzer, die man kurz und<br />

hart spielte, aufgebrochen. Die Lie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mandraken<br />

waren mal langsam, episch und balladenhaft, ein an<strong>der</strong>es<br />

Mal verspielt, schnell, fröhlich. Zu einigen Stücken wurde<br />

gesungen, lei<strong>der</strong> verstand ich die alten Texte nicht gut.<br />

Aber letztlich musste man sie auch nicht verstehen, <strong>um</strong><br />

das Thema eines Liedes zu begreifen, denn die Stücke<br />

waren harmonisch und stimmungsvoll arrangiert. Dazu<br />

bewegten sich akrobatische Tanzgruppen, so dass diese<br />

Unterhaltung rundweg annehmbar war. Wir genossen das<br />

Bankett in vollen Zügen.<br />

Da am nächsten Tag die Mobilmachung beginnen sollte,<br />

war dies gewissermaßen unsere Henkersmahlzeit. Die<br />

Spione und Zuträger des Warlords hatten berichtet, dass<br />

Ninurta z<strong>um</strong> <strong>Kampf</strong> bereit war, und bereits erste Feldzüge<br />

gegen aufständische Städte in <strong>Gonda</strong> unternahm. Er<br />

wollte die Rebellen z<strong>um</strong> Handeln zwingen, und die finale<br />

Schlacht war unaufschiebbar. Die Truppenverbände <strong>der</strong><br />

fö<strong>der</strong>alen Allianz waren offen in Marsch gesetzt worden,<br />

Ninurta wußte also, dass <strong>der</strong> Tanz begonnen hatte. Auch<br />

die segurianischen Einheiten hatten ihre Tarnung<br />

aufgegeben und marschierten offen unter Waffen gen<br />

<strong>Gonda</strong>. Wie es hieß, gab es bereits erste Gefechte mit<br />

Ninurtas Grenztruppen. Überraschend waren über dem<br />

Plateau von <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> verschiedene boräalische<br />

Verbände aus mehreren Schwadronen Trak-Ghenas<br />

gesichtet worden, die Ninurtas Artillerie bereits<br />

beschäftigten. Ich hatte mit einem Eingreifen <strong>der</strong><br />

Herrscher des südlichen Boräal eigentlich nicht in dieser<br />

Stärke gerechnet. Hauptsache war, dass sie nicht den<br />

Kaiser dazu bewegten, seinen Vormarsch auf das<br />

segurianische Angreiferheer zu stoppen. Im Osten<br />

verhielten sich die Truppen noch ruhig, und es schien, als<br />

ginge unser Plan einigermaßen auf. Die Scouts<br />

berichteten, dass die großen Arachnopoden-Divisionen<br />

deutlich nach Südosten zogen, und den Graben schon fast<br />

erreicht hatten. In etwa zwei Tagen würden sie ihn<br />

durchquert haben. Die südlichen Sturmtruppen würden<br />

ein großes Opfer bringen müssen, damit unsere Taktik<br />

erfolgreich angewendet werden konnte. Die Schlacht war<br />

also schon in vollem Gange, es wurde höchste Zeit, die<br />

Kräfte zusammenzuziehen.<br />

Inzwischen war die Dämmerung vorüber, das Licht <strong>der</strong><br />

Sonnen schwand, und <strong>der</strong> Warlord lud uns ein, die<br />

Hangare <strong>der</strong> Holks zu besichtigen. In einen Zug aus etwa<br />

fünfzig Personen wan<strong>der</strong>ten wir im Licht <strong>der</strong> Fackeln<br />

über einen gewundenen Pfad ostwärts durch den Wald,<br />

hin z<strong>um</strong> Rand <strong>der</strong> Insel. In <strong>der</strong> Nacht war <strong>der</strong> Wald noch<br />

gespenstischer als am Tage. Es war kühl, knietiefer Nebel<br />

stieg vom Boden auf. Die Geräusche des Tages waren<br />

verst<strong>um</strong>mt, <strong>der</strong> Wald war leise. Nur hier und da hörte<br />

man die Geräusche <strong>der</strong> Nachtjäger im Dickicht, und ab<br />

und an schrie ein Vogel, wenn er im Schlaf zur Beute<br />

geworden war. Nach etwa zwanzig Glasen Fußmarsch, <strong>der</strong><br />

ohne nennenswerte Zwischenfälle verlief, erreichten wir<br />

den östlichen Rand <strong>der</strong> Insel. Dort kamen wir zu einer <strong>der</strong><br />

beeindruckenden Schwebebrücken, welche die Inseln in<br />

einem verzweigten Netz miteinan<strong>der</strong> verbanden. Nun<br />

hatte ich die Gelegenheit, diese architektonischen<br />

Meisterwerke aus <strong>der</strong> Nähe zu betrachten. Ich<br />

bewun<strong>der</strong>te die Baukunst <strong>der</strong> Mandraken, denn <strong>um</strong> ein<br />

solches Bauwerk zu errichten gehörte mehr dazu, als nur<br />

Stein auf Stein zu setzen, wie es in unseren Städten <strong>der</strong><br />

Fall war. Um eine Schwebebrücke zu errichten, musste<br />

zunächst ein Führungsseil zwischen den Inseln gespannt<br />

werden, wobei ich vermutete, dass dies mit Trak-Ghenas<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Fluginsekten bewerkstelligt wurde.<br />

An<strong>der</strong>erseits konnte ich mir auch vorstellen, dass die<br />

Mandraken hierfür ihre Flugboote einsetzten. Am<br />

Führungsseil entlang wurden dann die Tragseile<br />

montiert, an denen dann Schritt für Schritt die<br />

Brückenkonstruktion montiert wurde. Z<strong>um</strong> Schluss<br />

wurde die Wetterschutz-Verkleidungen angebracht, die<br />

den Brücken die spezifische Tunnelform verliehen.<br />

Die Brücke, die vor uns lag, überspannte eine Entfernung<br />

von rund eintausendfünfhun<strong>der</strong>t Fuß, und sie bestand<br />

schon seit Generationen, wie <strong>der</strong> üppige Bewuchs<br />

erkennen ließ. Sie war über und über bewachsen, an den<br />

Seiten hingen meterlange Flechten herunter, wie<br />

überdimensionale Haarzöpfe. Mit <strong>der</strong> Zeit hatten sich<br />

allerlei Arten von Kriechgetier auf diesen Brücken<br />

angesammelt und dort neuen Lebensra<strong>um</strong> für sich<br />

erobert. Insekten, Glie<strong>der</strong>füßler, Reptilien und Vögel<br />

hausten zwischen den vielen verschiedenen<br />

Pflanzenarten, die auf den Brücken Fuß gefasst hatten.<br />

Damit sorgten Die Brücken, die nicht nur den Mandraken<br />

als Überweg dienten, auch in <strong>der</strong> Tier- und Pflanzenwelt<br />

<strong>der</strong> Inseln für regen Austausch, so dass dieses spezielle<br />

Ökosystem ein einzigartiges Refugi<strong>um</strong> bildete, das trotz<br />

seiner Isolation nicht verkümmerte. Hier hatten sich aus<br />

den Ur-Spezies völlig an<strong>der</strong>e Arten entwickelt als auf dem<br />

kontinentalen Festland. Die Insekten waren hier<br />

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durchweg wesentlich kleiner als auf dem Festland, aber<br />

wesentlich zahlreicher. Die Gh<strong>um</strong>pas hier waren<br />

handtellergroß, nicht wie bei uns so groß wie ein Haus.<br />

Auch kleine Ghenas waren zu sehen, sie waren wirklich<br />

winzig im Vergleich zu den Reittieren, die ich aus <strong>der</strong><br />

Heimat kannte. Faszinierend, sich vorzustellen, wie aus<br />

so kleinen Käferchen im Laufe <strong>der</strong> Zyklen nach und nach<br />

große Packtiere und <strong>Kampf</strong>läufer gezüchtet worden<br />

waren.<br />

Wir betraten das kunstvoll gestaltete Brückenportal, das<br />

uns wie ein riesiger Schlund erwartete. Am Eingang gab<br />

es viele schöne Schnitzereien; Dämonen, Fabelgestalten<br />

und allerlei skurrile Fratzen waren in das Holz geschnitzt.<br />

Im Tunnel selbst war es schmucklos und wesentlich<br />

gerä<strong>um</strong>iger, als ich angenommen hatte. Vier Mann hatten<br />

bequem nebeneinan<strong>der</strong> Platz, es wehte ein leichter<br />

Luftzug durch den Gang, da die Ummantelung nicht völlig<br />

dicht war. Es gab Licht- und Luftdurchlässe, durch welche<br />

die seichte Abendbrise hereinzog. Am Tage herrschte hier<br />

wahrscheinlich ein diffuses Licht, doch nun war es<br />

stockfinster, so dass unsere Fackeln die einzigen<br />

Lichtquellen waren. Die Decke war rußgeschwärzt von<br />

Generationen, die sich im Dunkel hier von Insel zu Insel<br />

bewegt hatten. Ich war mir sicher, dass man den<br />

Fackelzug von außen nicht sehen konnte, denn die<br />

Öffnungen in den Seitenwänden waren sehr geschickt<br />

montiert worden, so dass Licht zwar hinein, aber nicht<br />

hinaus drang. Schließlich waren die Brücken nicht nur<br />

Transportweg, son<strong>der</strong>n auch Wehranlagen. Im<br />

dämmrigen Licht konnte ich verschiedene Ansitze,<br />

Schießscharten und kleine Kammern entdecken, von<br />

denen ich annahm, dass es sich <strong>um</strong> Waffenlager handelte.<br />

Etwa fünf Glasen später hatten wir die Brücke durchquert<br />

und waren auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Insel angekommen, von <strong>der</strong><br />

ich erfuhr, dass sie den Namen Holkhavn 3 trug und eine<br />

von zehn solcher Inseln war, die im Innern fast völlig hohl<br />

waren. Wir traten aus dem Brückenportal heraus und<br />

wendeten und nach Rechts. Etwa fünfhun<strong>der</strong>t Fuß weiter<br />

war ein kleines Gebäude, in das wir eintraten. Wir<br />

befanden uns in einem Ra<strong>um</strong>, dessen Wände glatt und<br />

schmucklos waren, bis auf ein kleines Kachelmuster an<br />

einer Seitenwand, das verschiedene Tiere auf 25 Fel<strong>der</strong>n<br />

zeigte. An <strong>der</strong> Decke des Ra<strong>um</strong>es gab es seltsame,<br />

milchige Leuchtkristalle von beachtlicher Größe, so dass<br />

wir die Fackeln löschen konnten. Xul Eisenbeisser drehte<br />

sich zu mir her<strong>um</strong> und sagte:<br />

„Khan. Das, was Ihr nun zu sehen bekommt, hat vor<br />

Euch noch kein Sterblicher gesehen, <strong>der</strong> nicht z<strong>um</strong><br />

inneren Kriegerkreis <strong>der</strong> Mandraken gehört. Es ist das<br />

größte Geheimnis unseres Volkes, gehütet seit<br />

Generationen, bewahrt für diesen Tag.“<br />

„Verehrter Warlord, ich weiß diese Ehre durchaus zu<br />

schätzen. Und ich bin mir <strong>der</strong> Verantwortung, die in den<br />

Entscheidungen dieses Tages liegt, voll bewusst. Ich<br />

fühle mich durch das Vertrauen, welches das<br />

mandrakische Volk in mich setzt, geehrt.“<br />

Der Mandrake nickte und wandte sich einem seiner Leute<br />

zu. Dieser trat an die Wand heran und drückte eine<br />

bestimmte Bil<strong>der</strong>folge auf <strong>der</strong> Tafel an <strong>der</strong> Wand. Ein<br />

Code, <strong>der</strong> eine geheime Tür öffnen würde, mutmaßte ich.<br />

Und so war es auch. Gegenüber <strong>der</strong> Tür, durch die wir<br />

hereingekommen waren, schob sich die Wand wie von<br />

Geisterhand betätigt zur Seite und gab den Weg in einen<br />

breiten Treppengang frei, <strong>der</strong> nach unten in das Massiv<br />

<strong>der</strong> Insel führte. Wir betraten den Gang und stiegen hinab<br />

in das Innere <strong>der</strong> Insel, wo das geheime Waffenarsenal<br />

<strong>der</strong> Mandraken verborgen lag. Der Abstieg dauerte lange,<br />

Stufe <strong>um</strong> Stufe ging es auf den gewundenen Treppen<br />

hinab, bis wir nach meiner Vermutung genau im inneren<br />

Kern <strong>der</strong> Insel angekommen waren. Nachdem wir eine<br />

weitere schwere Tür passiert hatten, betraten wir einen<br />

Balkon, <strong>der</strong> in etwa vierzig Fuß Höhe über eine Halle<br />

angebracht war, <strong>der</strong>en Ausdehnung gewaltig war. Unten<br />

in <strong>der</strong> Halle waren schätzungsweise zehntausend<br />

mandrakische Krieger versammelt, die in die Knie gingen<br />

und ihr Haupt beugten, als Xul und ich an die Brüstung<br />

des Balkons traten. Der Warlord sah mich an, machte<br />

eine ausladende Geste in Richtung <strong>der</strong> Krieger und<br />

meinte:<br />

„Mah´di Khan, dies ist Eure persönliche Leibgarde, wie<br />

es einem Heerführer geziemt. Elftausend Mann,<br />

ausgewählt aus den besten mandrakischen Kriegern:<br />

Die F´Dayk´n! Diese Krieger sind Berserks, ihre<br />

Aufgabe ist es, Euer Leben zu schützen. Sie folgen allein<br />

Eurem Befehl, und es gibt nichts, das sie aufhalten<br />

könnte. Außerdem sind hier die Heerführer <strong>der</strong><br />

mandrakischen Armee versammelt, <strong>um</strong> Euer Wort zu<br />

hören.“<br />

Ich war sichtlich gerührt. Die Mandraken hatten ein sehr<br />

hohes Kriegerethos, und die Bereitstellung einer solch<br />

gewaltigen Leibgarde zeigte, welch immens wichtige<br />

Position man mir hier zubilligte. Ich trat dicht an die<br />

Brüstung, das Siegel des Khan blitzte auf meiner Brust<br />

auf. Die Krieger erhoben sich synchron und nahmen<br />

Haltung an. Der Antritt erzeugte ein lautes und<br />

eindringliches Geräusch, das durch den großen Ra<strong>um</strong><br />

hallte. Elftausend Mann in Waffen standen stramm, <strong>um</strong><br />

ihrem Führer in die Schlacht zu folgen. Ich erhob die<br />

Stimme und sprach zu meinen Soldaten.<br />

„F´Dayk´n! Heute ist <strong>der</strong> Tag gekommen, auf den unser<br />

Planet lange Zeit gewartet hat. Der Kaiser von <strong>Gonda</strong><br />

hat seine Armen in Bewegung gesetzt, <strong>um</strong> die freie Welt<br />

zu unterwerfen. Viele Männer aus <strong>der</strong> freien Welt stehen<br />

bereit, gegen ihn anzutreten, doch ihre Waffen sind zu<br />

schwach, ihre Zahl ist zu gering, <strong>um</strong> die Legionen des<br />

Kaisers zu bezwingen. Und hier steht das Heer von<br />

Mandrak. Gerüstet und willens, die<br />

Schreckensherrschaft des Hauses Ninurta ein für alle<br />

Mal zu beenden. Wir werden über das Land ziehen wie<br />

ein Sturm, <strong>der</strong> selbst die stärksten Bä<strong>um</strong>e knicken wird.<br />

Wir werden das Reich des Kaisers verheeren und seine<br />

Tyrannei in Schutt und Asche verschwinden lassen. Vor<br />

uns liegt das Goldene Zeitalter, eine Ära des Friedens<br />

und <strong>der</strong> Völkerverständigung. Unsere Aufgabe ist es,<br />

dem Weg des Friedens mit dem Schwert aus Feuer einen<br />

Weg zu bahnen. Wenn unsere Arbeit getan ist, wenn das<br />

Große Werk vollbracht wurde, wird es ein friedliches<br />

Miteinan<strong>der</strong> aller Völker auf unserem Planeten geben<br />

können. Viele von Euch werden heute bluten, viele von<br />

Euch werden heute sterben, meine Krieger. Aber das<br />

große Opfer, welches das Volk von Mandrak heute<br />

bringt, wird in die Annalen <strong>der</strong> Geschichte eingehen als<br />

<strong>der</strong> Preis <strong>der</strong> Freiheit, den wir entrichteten, <strong>um</strong> unsere<br />

Welt lebenswert zu machen. Dieser Krieg, in den wir<br />

ziehen, ist <strong>der</strong> größte, den es seit dem Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong><br />

ersten Hochzeit gegeben hat. Sorgen wir gemeinsam<br />

dafür, dass es <strong>der</strong> Letzte bleibt. Nach uns kommen<br />

Seite 40


Generationen, die in ihren Lie<strong>der</strong>n den Heldenmut <strong>der</strong><br />

vereinten Armeen besingen werden, die stets die<br />

Erinnerung an das hoch halten werden an das, was Ihr<br />

heute getan habt. Ich, Mah´di Khan, bin erfüllt von<br />

großem Stolz, Euch in diese Schlacht führen zu dürfen.<br />

Und sollte dies mein letzter Tag auf Gaia werden, so war<br />

dies <strong>der</strong> schönste, den ich erleben durfte. F´Dayk´n!<br />

Heute ist ein guter Tag z<strong>um</strong> Sterben!“<br />

Ich zog mein Langschwert und riss die Arme hoch.<br />

Frenetischer Jubel brandete mir aus <strong>der</strong> Halle entgegen,<br />

<strong>der</strong> in ein infernalisches Kriegsgeheul überging. Die<br />

Krieger waren bereit. Es begann.<br />

Kapitel 9: Die Armada<br />

Wir zogen uns vom Balkon zurück, und <strong>der</strong> Warlord<br />

führte Chahani und mich nun in einen seitlichen Gang,<br />

<strong>der</strong> uns nach rechts führte zu einer weiteren Tür, vor <strong>der</strong><br />

zwei Wachen postiert waren. Die Wachen salutierten und<br />

traten zur Seite. Einer <strong>der</strong> Wachhabenden drückte auf<br />

einen leuchtenden Kistall in <strong>der</strong> Wand, und die<br />

zweiflügelige Tür öffnete sich lautlos. Ein<br />

durchdringen<strong>der</strong> Geruch von Schweröl und Metall<br />

strömte uns entgegen, und die Geräuschkulisse nahm<br />

deutlich zu. Sichtlich zufrieden meinte Xul:<br />

„Und nun, Mah´di Khan, erlaubt mir, Euch den Stolz <strong>der</strong><br />

mandrakischen Armee vorzustellen. Dies hier ist Holk-<br />

Hangar 13. In jedem unserer 20 Hangare sind<br />

normalerweise 30 Holks stationiert. Hangar 13 ist<br />

insofern etwas Beson<strong>der</strong>es, als dass hier auch <strong>der</strong><br />

Spezialholk stationiert ist, <strong>der</strong> den Glutbohrer tragen<br />

wird. Tretet ein und staunt.“<br />

Er grinste frech. War<strong>um</strong>, das sollte ich gleich sehen...<br />

Wir traten in die Halle ein, und ich hörte, wie Chahani<br />

scharf die Luft einsog. Und in <strong>der</strong> Tat, was ich sah,<br />

verschlug auch mir die Sprache.<br />

Der „Hangar“ (wie Xul den Ra<strong>um</strong> bezeichnet hatte) war<br />

von gigantischen Ausmaßen. Wir betraten den Ra<strong>um</strong><br />

seitlich ungefähr in <strong>der</strong> Mitte, und er dehnte sich nach<br />

beiden Seiten noch etwa 1000 Fuß aus. An den Seiten sah<br />

ich Konstruktionen, die den Eindruck riesiger Tore<br />

erweckten. Die uns gegenüberliegende Wand konnte man<br />

nicht mehr sehen, so weit war sie entfernt. In <strong>der</strong> Halle<br />

standen etwa zwei Dutzend dieser seltsamen Geräte,<br />

welche die Mandraken als Holk bezeichneten. Der<br />

Anblick war überwältigend. Die Flugmaschinen maßen in<br />

<strong>der</strong> Länge etwa sechshun<strong>der</strong>t Fuß, in <strong>der</strong> Höhe bestimmt<br />

fast hun<strong>der</strong>t, ebenso in <strong>der</strong> Breite. Auf den ersten Blick<br />

sahen die Holks aus wie etwas zu groß geratene<br />

Lastkähne, solcherart, wie man sie auch in den<br />

segurianischen Seehäfen vorfand, nur dass diese Schiffe<br />

keine Segel hatten. Der fensterlose R<strong>um</strong>pf war aus Metall<br />

gefertigt, und die Decksaufbauten bestanden<br />

weitestgehend aus Holz. Ich betrachtete eines dieser<br />

Fahrzeuge genauer, es lag direkt vor uns linker Hand. Die<br />

Aufbauten waren kunstvoll verziert und besaßen viele<br />

Fenster, man konnte <strong>der</strong> gesamten Konstruktion ansehen,<br />

dass sie nicht in Eile gefertigt worden war, son<strong>der</strong>n dass<br />

hieran Generationen mandrakischer Ba<strong>um</strong>eister<br />

gewerkelt hatten. Allein <strong>der</strong> Bug <strong>der</strong> Flugmaschine<br />

unterschied sich von herkömmlichen Schiffen. Er lief<br />

nicht spitz zu, son<strong>der</strong>n war gerade mit einer großen<br />

Ladeluke. Ein Holk daneben hatte die Luke geöffnet, und<br />

ein Bataillon mandrakischer Krieger marschierte über die<br />

Luke gerade in den Bauch des Schiffes. Das ganze vollzog<br />

sich im Gleichschritt geordnet und dennoch recht zügig.<br />

Ich mutmaßte, dass bei <strong>der</strong> Landung im <strong>Kampf</strong>gebiet,<br />

wenn alles etwas schneller ging, <strong>der</strong> Holk binnen<br />

kürzester Zeit entladen werden konnte. Wie würden<br />

unsere Truppen also bei <strong>der</strong> Landung zügig aufgestellt<br />

haben, denkbar war sogar ein Sturmangriff aus den Holks<br />

heraus.<br />

Die Flugboote hatten an den Seiten je sechs Paar<br />

mehrgliedrige Schwingen, die eigentlich proportional zu<br />

klein waren, eine solche Last zu tragen. Ich fragte mich<br />

still, wie <strong>um</strong> alles in <strong>der</strong> welt diese unförmigen Kästen<br />

z<strong>um</strong> Fliegen gebracht werden sollten. Aber das sollte<br />

nicht mein Problem sein. Wenn <strong>der</strong> Warlord meinte,<br />

diese Maschinen seien einsatzbereit und zweckmäßig,<br />

dann würde es auch so sein. Mich faszinierte <strong>der</strong><br />

Gedanke, dass dieses Volk, von dem wir so wenig wußten,<br />

das wir für wilde Waldmenschen gehalten hatten,<br />

<strong>der</strong>artige technische Errungenschaften über<br />

Generationen hinweg im Stillen erbaut hatte, allein auf<br />

das Wort einer uralten Prophezeihung hin. Und <strong>der</strong><br />

Kaiser in <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> hatte nicht die geringste Ahnung,<br />

was hier in den Höhlen <strong>der</strong> schwebenden Inseln über die<br />

Zeiten geschehen war. Das amüsierte mich. Wir hatten<br />

eindeutig einen strategischen Vorteil.<br />

Ich trat an den Holk, <strong>der</strong> links von uns lag heran und<br />

betrachtete ihn genauer. Die Nähe machte dieses Ding<br />

noch imposanter. Vor mir erhob sich eine riesige<br />

Eisenwand, <strong>der</strong>en Platten mit schweren Nieten an <strong>der</strong><br />

Stützkonstruktion befestigt waren. Ich berührte das<br />

Metall und fühlte seine Stärke. Kein Insekt auf unserem<br />

Planeten war <strong>der</strong>art stark gepanzert, ich war sicher, dass<br />

diese Panzerung sogar dem Beschuss durch<br />

Donnergh<strong>um</strong>pas standhalten würde. Man konnte im<br />

Innern <strong>der</strong> Maschine ein leichtes Vibrieren spüren, das<br />

z<strong>um</strong> Heck hin stärker zu werden schien. Ich schritt am<br />

R<strong>um</strong>pf entlang z<strong>um</strong> Heck des Holk und bestaunte die<br />

Maschinenteile, die ich dort sah. Es gab ein Leitwerk, das<br />

aussah, wie die <strong>um</strong>gedrehte Ru<strong>der</strong>anlage eines<br />

Lastenseglers, links und rechts davon gab es je zwei<br />

kreisrunde Öffnungen, die aussahen wie die Feuerrohre<br />

<strong>der</strong> riesigen Schmelzöfen in den Tellurminen von Beka-<br />

Iozid. Der Warlord schien meine Gedanken zu lesen, er<br />

trat von hinten an mich heran und meinte:<br />

„Das sind Aargon-Gasbrenner, sie wurden von unseren<br />

Maschinisten nach uralten Plänen rekonstruiert, sie<br />

wurden lediglich für den Gasantrieb modifiziert. Die<br />

Originale liefen mit Öl<strong>der</strong>ivaten. Damit beschleunigen<br />

wir die Holks auf 2000 Fuß in <strong>der</strong> Glase. So schnell fliegt<br />

kein Ghena, wir sind wie <strong>der</strong> Blitz im Unwetter. Das<br />

Aargon gewinnen wir aus den Sümpfen bestimmter<br />

Inseln, es ist in unterirdischen Reservoirs gespeichert.<br />

Je<strong>der</strong> Holk kann mit dem Inhalt seiner Tanks voll<br />

beladen 6 Tageszyklen ununterbrochen fliegen. Der<br />

Antrieb ist nahezu geräuschlos und rauchfrei. Die Holks<br />

sind leichter, als Ihr glaubt. Allein die Panzerung ist aus<br />

einer Telluri<strong>um</strong>legierung gefertigt. Der Rest besteht aus<br />

ultraleichten Karbonitholzfasern, die mit Shreekfäden<br />

verklebt wurden. Das reduziert das Gewicht des<br />

Materials auf ein Fünfzigstel bei einer zehnfachen<br />

Stahlhärte und gleichzeitiger Flexibilität. Die ältesten<br />

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dieser Holks sind dreihun<strong>der</strong>t Zyklen alt und sehen aus<br />

wie am Tag <strong>der</strong> Fertigstellung. Wir haben die gesamte<br />

Flotte für diesen einen Tag gebaut, Khan.<br />

Alle Luftschiffe sind bewaffnet, sie tragen B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong>-<br />

Kanonen und haben Abwurfschächte für B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong>-<br />

Bomben bis einhun<strong>der</strong>t Pfund. Die runden Öffnungen,<br />

die Ihr sicherlich für Fenster hieltet, sind Schießscharten<br />

für unsere Sniperguns. Je<strong>der</strong> unserer Holks ist eine<br />

fliegende Festung, die nur sehr schwer zu Fall zu bringen<br />

ist. Der Kaiser wird sich wun<strong>der</strong>n, welches Unwetter da<br />

über ihn hereinbricht.“<br />

Er lachte sichtlich amüsiert. Als ich mir das d<strong>um</strong>me<br />

Gesicht des Kaisers vorstellte, wenn diese gewaltigen<br />

<strong>Kampf</strong>maschinen über die Bergkämme des Nyarla-<br />

Massivs kommen würden, musste ich ebenfalls lachen.<br />

Der Warlord wurde wie<strong>der</strong> formell. Mit ernster Miene<br />

meinte er zu mir gewandt:<br />

Und hier haben wir unser stolzes Flaggschiff, den<br />

Nexhagus!“<br />

Er ging <strong>um</strong> den ersten Holk her<strong>um</strong>, bog nach links in<br />

einen Steitenflügel <strong>der</strong> riesigen Halle ab und blieb stehen,<br />

die Hände zu einer präsentierenden Geste erhoben. Dort<br />

lag in einer abgetrennten Bucht <strong>der</strong> mächtige Holk,<br />

welcher den Glutbohrer in seinem Innern trug. Ein<br />

gewaltiges Luftschiff, das die an<strong>der</strong>en Holks noch <strong>um</strong><br />

einiges an Größe übertraf und sich auch in <strong>der</strong> Bauweise<br />

von den Truppentransportern unterschied. Der Nexhagus<br />

hatte einen scharfen Spitzbug, war schmaler gebaut, aber<br />

deutlich länger als die Transporter. Sein gesamter R<strong>um</strong>pf<br />

war mit größeren und kleineren Schießscharten gespickt,<br />

und in <strong>der</strong> Mitte gab es einen turmartigen Aufbau, in den<br />

gerade ein riesiges Metallgerät eingeladen wurde, das die<br />

Form einer Fahrwassertonne aufwies. Unten besaß es<br />

einen Spitzkegelbohrkopf, dann folgte ein Stahlzylin<strong>der</strong>,<br />

darüber ein Gestänge mit verschiedenen Leitwerken<br />

daran. Mit einer riesigen Kettenglie<strong>der</strong>winsch wurde das<br />

Teil in den Turm abgesenkt. Das Gerät maß etwa 60 Fuß<br />

in <strong>der</strong> Länge und hatte án <strong>der</strong> dicksten Stelle einen<br />

Durchmesser von ungefähr 20 Fuß. Überall blinkte es an<br />

<strong>der</strong> Maschine in verschiedenen Farben, und an <strong>der</strong> Seite<br />

war in mandrakischen Runen das Wort Shin-Golachab<br />

aufgemalt, was soviel bedeutete wie „flammendes Feuer“.<br />

Ich vermutete, dass es sich bei <strong>der</strong> Maschine <strong>um</strong> den<br />

Glutbohrer handelte. Dieses Gerät also sollte bald auf <strong>der</strong><br />

gondrischen Hochebene den Tulkman-Graben in einen<br />

Fluß aus flüssigem Gestein verwandeln. Der Warlord sah<br />

mich an und deutete auf den Glutbohrer.<br />

„Dies, Mah´di Khan, ist <strong>der</strong> Finger Gottes. Er wurde<br />

geschaffen, <strong>um</strong> die Gläubigen von Gaia Assiah zu<br />

unterweisen. Wenn er nie<strong>der</strong>geht, schweigen die Wäl<strong>der</strong><br />

Mandraks und <strong>der</strong> Taifunkrieg beginnt. Ihr seid <strong>der</strong><br />

Bringer.“<br />

Chahani stand neben mir mit offenem Mund und war zu<br />

keiner Äußerung fähig. Sie glaubte sich in einem Tra<strong>um</strong>,<br />

niemals hätte sie es für möglich gehalten, dass so etwas,<br />

das sie hier sah, existieren könnte. Mit dieser Technologie<br />

hätten die Mandraken je<strong>der</strong>zeit riesige Gebiete Gaias<br />

erobern können, sie hätten Völker in die Knie zwingen<br />

und sich <strong>der</strong>en Reiche aneignen können. Aber sie hatten<br />

es nie getan. Aber eine Frage brannte dann doch noch auf<br />

ihren Lippen...<br />

„Was geschieht, wenn diese Schlacht gewonnen ist?“<br />

fragte sie in den Ra<strong>um</strong> und blickte weiter auf das<br />

Flaggschiff.<br />

Xul Eisenbeisser grinste. Er hatte die Frage erwartet.<br />

„My Lady. Wenn <strong>der</strong> Krieg gewonnen wurde, ist es nicht<br />

mehr nötig, gegen den Codex zu verstoßen. Für diesen<br />

Fall ist gesorgt, seid Euch dessen sicher. Diese Flotte<br />

wurde nur für eine einzige Schlacht konzipiert und<br />

gebaut. Wenn <strong>der</strong> Taifun-Krieg vorüber ist, werden auch<br />

die letzten Maschinen von diesem Planeten<br />

verschwunden sein. Alle Baupläne, jede technische<br />

Aufzeichnung ist in die Brennkammer des Glutbohrers<br />

eingelegt worden. Es gibt keine Kopien, und die<br />

Techniker, die all dies hier erbauten, werden in<br />

vor<strong>der</strong>ster Reihe für unsere Sache fallen. Es war diesen<br />

Mandraken eine Ehre, ihr Leben in den Dienst <strong>der</strong><br />

heiligen Sache zu stellen. Beantwortet das auch eure<br />

ungestellten Fragen?“<br />

Chahani nickte wortlos und blickte zu Boden. Sie war<br />

beschämt, dass sie, ohne es auszusprechen, den Warlord<br />

beleidigt hatte. Dieser jedoch lächelte mild, eine Mimik,<br />

die man diesem monströsen Krieger gar nicht zutrauen<br />

würde. Er wandte sich wie<strong>der</strong> mir zu und lud mich ein,<br />

den Holk zu betreten.<br />

„Kommt an Bord, Khan. Dies ist Euer Flaggschiff, es soll<br />

Eure Armee z<strong>um</strong> Sieg führen.“<br />

Wir betraten das Schiff durch eine <strong>der</strong> hinteren<br />

Ladeluken und durchwan<strong>der</strong>ten ein Gewirr von Gängen,<br />

die uns quer durch das gewaltige Schiff zur<br />

Kommandozentrale führten. Die Kommandobrücke des<br />

Holks lag im vor<strong>der</strong>en mittleren Teil des Luftschiffes auf<br />

zweidrittel Höhe des Deckshauses. Große Scheiben<br />

gewährten einen fast vollständigen Rund<strong>um</strong>blick, an den<br />

Seiten gab es offene Nockausleger, die über die<br />

Schiffsbreite hinausgingen. Der Ra<strong>um</strong> war sehr groß und<br />

seine Einrichtung war für uns Festweltler völlig fremd. In<br />

<strong>der</strong> Mitte des Ra<strong>um</strong>es gab es eine große senkrechte<br />

Scheibe, auf <strong>der</strong> Punkte und Linien leuchteten und<br />

blinkten. Ich erkannte in den Linien die Topographie<br />

unseres Einsatzgebietes. An <strong>der</strong> Karte waren einige<br />

Offiziere damit beschäftigt, die Absetzorte für die<br />

Sturmtruppen zu markieren. Als wir den Ra<strong>um</strong> betraten,<br />

salutierte ein Offizier nie<strong>der</strong>en Ranges, <strong>der</strong> uns am<br />

nächsten stand und rief: „Aaaachtung! Warlord und<br />

Imperator auf Brücke!“<br />

Sofort stellten alle Anwesenden ihre Tätigkeiten ein und<br />

salutierten. Nachdem Xul und ich ebenfalls salutiert<br />

hatten, setzte die Brückenmannschaft ihre Tätigkeiten<br />

fort, <strong>der</strong> erste Offizier trat an uns heran, er salutierte noch<br />

einmal vor mir.<br />

„Imperator. Ich bin Marshall H´Atakh, erster Offizier an<br />

Bord, zu Ihren Diensten. Holk Nexhagus ist in vier<br />

Glasen bereit z<strong>um</strong> Auslaufen. Mannschaft und Ladung<br />

vollständig. Alle Systeme einsatzbereit. Wir erwarten<br />

Ihre Befehle. Erlauben Sie mir, die Brückenmannschaft<br />

vorzustellen.“<br />

Ohne eine Antwort abzuwarten begann er, die<br />

anwesenden Offiziere in Rang, Namen und Funktion<br />

vorzustellen. Ich prägte mir die Daten ein. Als er geendet<br />

hatte entließ ich ihn<br />

„Danke, Marshall H´Atakh. Weitermachen.“<br />

Der Offizier salutierte und begab sich zurück an seinen<br />

Platz neben dem etwas erhöhten Kommandeurssitz. Er<br />

bellte eine Reihe von Befehlen in die Gruppe von<br />

Offizieren, die mit den mir völlig fremden Instr<strong>um</strong>enten<br />

beschäftigt waren.<br />

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Tja, Imperator,“ meinte Xul gelassen, „dies wird nun die<br />

Stätte Eures Wirkens sein. Ich werde mich nun in den<br />

Tempel zurückziehen und für Euren Sieg beten. Wenn die<br />

Flotte bereit ist, lauft Ihr aus und zieht gegen den Feind.<br />

Bis dahin machen Eure Offiziere Euch noch mit den<br />

wichtigsten Dingen, die Technik betreffend, vertraut.“<br />

Er legte seine riesigen Pranken auf meine Schultern und<br />

sah mich fest an.<br />

„Das Schicksal <strong>der</strong> Welt liegt nun in Euren Händen, Mah<br />

´di Khan, Schwertmeister Segurias und Imperatzor <strong>der</strong><br />

mandrakischen Armee. Trefft Eure Entscheidungen mit<br />

Mut und Verstand. Möge Euch <strong>der</strong> große Geist des<br />

Waldes den Willen geben, die Dinge zu än<strong>der</strong>n, die Ihr<br />

än<strong>der</strong>n könnt, die Gelassenheit, die Dinge zu ertragen,<br />

die Ihr nicht än<strong>der</strong>n könnt, und die Weisheit, das Eine<br />

vom An<strong>der</strong>en zu scheiden. Möge das Kriegsglück auf<br />

Eurer Seite sein. Fhtagn!“<br />

Er salutierte ein letztes Mal und wandte sich <strong>um</strong>. Raschen<br />

Schrittes verließ er die Brücke des Flaggschiffes, und<br />

einige Momente später sah ich ihn mit seinen Beratern<br />

den Hangar verlassen.<br />

Ich nahm mir die Zeit, die Brücke gründlich zu<br />

inspizieren. Es gab große Tische mit vielen bunten<br />

Knöpfen, die ab und an blinkten, einige Offiziere saßen<br />

vor kleinen Fenstern, auf denen Schriften, Bil<strong>der</strong> und<br />

Zahlen in verschiedenen Farben angezeigt wurden, und<br />

die Offiziere drückten kleine Knöpfe, auf denen<br />

Buchstaben abgebildet waren. Marshall H´Atakh<br />

erklärten mir, dass es sich dabei <strong>um</strong> Schreibautomaten<br />

handelte, mittels <strong>der</strong>er die Steuerbefehle in<br />

Maschinensprache übersetzt und an die<br />

Antriebsaggregate übermittelt wurden. An<strong>der</strong>e<br />

Schreibautomaten zeigten Karten, auf denen man die<br />

Bewegungen <strong>der</strong> feindlichen Truppen aus weiter<br />

Entfernung bereits erkennen konnte, wie mir <strong>der</strong><br />

Marshall erklärte. An <strong>der</strong> linken Seite des Ra<strong>um</strong>es gab es<br />

eine Phalanx, die <strong>der</strong> Kontrolle <strong>der</strong> Bordwaffen diente,<br />

damit konnten die Geschütze exakt ausgerichtet werden,<br />

<strong>um</strong> die Waffeneffizienz möglichst hoch zu fahren. An <strong>der</strong><br />

rechten Seite des Ra<strong>um</strong>es gab es eine weitere Anordnung<br />

von „screens“ und „tables“. Dort saßen vier Offiziere, die<br />

mit den vielen bunten Knöpfen, Reglern und Bildtafeln<br />

den Glutbohrer kontrollierten. Ich erfuhr, dass die Waffe<br />

während des Transportes gekühlt wurde, und nach dem<br />

Abwurf, wenn sich <strong>der</strong> Bohrer in die Erde gefressen hatte,<br />

durch ein elektrisches Signal gezündet wurde. Diese<br />

Signale wurden durch an<strong>der</strong>e Maschinen erzeugt, die den<br />

Geheimcode zur Aktivierung <strong>der</strong> Waffe durch den Äther<br />

übertrugen. Ich fragte nicht jedes Detail nach, nur so viel,<br />

dass ich mir ein Bild von den Abläufen machen konnte.<br />

Die Fremdartigkeit <strong>der</strong> technischen Einrichtungen hier an<br />

Bord des Holk führte mir deutlich vor Augen, woran die<br />

Zivilisationen <strong>der</strong> ersten Hochzeit zerbrochen waren. Alle<br />

Arbeit wurde von Maschinen verrichtet, es gab damals<br />

Waffen, die in <strong>der</strong> Lage gewesen waren, ganze Kontinente<br />

in <strong>der</strong> Erdkruste zu versenken. Unser Glutbohrer, wurde<br />

mir versichert, sei ein sehr kleines Exemplar, man hatte<br />

in den Katakomben <strong>der</strong> Überreste von Ultar Pläne für<br />

wesentlich gewaltigere Apparate gefunden. Ich<br />

schau<strong>der</strong>te. Niemals wie<strong>der</strong> sollte es eine solche Welt<br />

geben, und ich hoffte inständig, dass es uns gelang, nach<br />

<strong>der</strong> Schlacht wirklich alle Reste dieser destruktiven Kultur<br />

zu beseitigen. Ich befand mich im Zweispalt. Einerseits<br />

verdammte ich diese zerstörerischen Waffen, an<strong>der</strong>erseits<br />

brauchte ich den Glutbohrer, <strong>um</strong> diese Schlacht gewinnen<br />

zu können. Es war eine vertrackte Situation, in <strong>der</strong> ich<br />

mich befand. Selbst wenn wir nach dem Krieg alle Pläne<br />

vernichtet hatten, wer konnte sagen, ob nicht doch in<br />

irgendeinem Winkel <strong>der</strong> schwebenden Inseln weitere<br />

verborgene Höhlen existierten, die irgendwer eines Tages<br />

entdeckte und dort weitere Technologien z<strong>um</strong> Vorschein<br />

bringen würde?<br />

Ich wischte den Zweifel fort. Die augenblickliche Situation<br />

erfor<strong>der</strong>te nun mal den Einsatz <strong>der</strong> mächtigen Waffe aus<br />

<strong>der</strong> Vergangenheit. Wir mussten diesen Krieg gewinnen,<br />

<strong>um</strong> jeden Preis. Was danach kam, nun, dafür waren die<br />

folgenden Generationen verantwortlich.<br />

Ich wandte mich an den ersten Offizier.<br />

„Marshall H´Atakh, was werden Sie tun, wenn <strong>der</strong> Krieg<br />

vorbei ist?“<br />

Er drehte sich langsam zu mir <strong>um</strong>, und ich sah in ein<br />

völlig ungerührtes Mandrakengesicht.<br />

„Nun, mein Imperator, für mich gibt es nichts nach<br />

diesem Krieg. Alle Männer in den Kommandosektionen<br />

<strong>der</strong> Holks sind ein Leben lang auf die vor uns liegende<br />

Aufgabe vorbereitet worden. Je<strong>der</strong> meiner Offiziere<br />

besitzt großes technisches Wissen, das gegen die Regeln<br />

des Codex verstößt. Wenn die Schlacht erfolgreich<br />

bestritten wurde, haben wir die Pflicht, die Holks zu<br />

zerstören und unser Leben zu beenden. Das, was wir tun,<br />

ist <strong>der</strong> letzte Dienst unserer Brigade an dem Volk von<br />

Mandrak. Die Technologie muss nach dem Einsatz<br />

vernichtet werden, <strong>um</strong> dem Codex Genüge zu tun. Und<br />

das Wissen <strong>um</strong> die Maschinen muss ebenfalls<br />

ausgelöscht werden. Die Mannschaften, welche die<br />

Holks gebaut haben, sterben in diesem Augenblick als<br />

Helden vor den Augen des Warlords im großen Tempel.<br />

Es ist ein großes fest des Todes, und ihre Namen und die<br />

ihrer Ahnen werden niemals aus den Annalen Mandraks<br />

verschwinden. Noch in Generationen wird man Lie<strong>der</strong><br />

über sie singen.“<br />

Ich sah ihn ein wenig verständnislos an.<br />

„Das, mein Imperator, ist <strong>der</strong> Lauf <strong>der</strong> Dinge. Es ist<br />

unsere Bestimmung. Wir alle wurden geboren, <strong>um</strong> zu<br />

sterben, auf die eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Weise. Wir sterben als<br />

Helden <strong>der</strong> großen Schlacht <strong>um</strong> <strong>Gonda</strong>. Es ist ein gutes<br />

Schicksal.“<br />

Ich nickte. Letztenendes hatte er Recht. Das Wissen <strong>um</strong><br />

diese Waffen musste verschwinden, so o<strong>der</strong> so. Chahani,<br />

die in <strong>der</strong> ganzen Zeit an Bord nicht ein Wort gesprochen<br />

hatte, sah ziemlich verstört aus. Das war kein Wun<strong>der</strong>,<br />

immerhin befand sie sich an Bord eines<br />

Himmelfahrtskommandos.<br />

Wir verbrachten noch einige Glasen damit, strategische<br />

Erwägungen durchzuspielen, uns mit <strong>der</strong><br />

Kommandstruktur vertraut zu machen und wie<strong>der</strong> und<br />

wie<strong>der</strong> unsere Schlachtpläne durchzugehen. Einer <strong>der</strong><br />

Adjudanten wies uns zu später Stunde eine Kabine, in <strong>der</strong><br />

wir einige Glasen ruhten. Als wir erwachten, küßte<br />

Chahani mich innig. Wir liebten uns, als sei es das Letzte<br />

Mal. War es möglicherweise ja auch. Ich liebte es,<br />

langsam und zärtlich, doch for<strong>der</strong>nd in sie einzudringen,<br />

wenn sie mir ihr Becken gierig entgegenschob. Die Form<br />

ihres Hinterteils brachte mich jedesmal wie<strong>der</strong> <strong>um</strong> den<br />

Verstand. Ich dankte den Göttern, dass sie ein solches<br />

Weib erschaffen hatten. Wie<strong>der</strong> und wie<strong>der</strong> schob ich<br />

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mein Fleisch in das ihre, brachte sie durch Meine Stöße<br />

z<strong>um</strong> Weinen. Die Intensität unserer Verbindung war<br />

unglaublich, es war, als wären wir ein Körper, <strong>der</strong> sich<br />

selbst liebte. Als wir völlig erschöpft und verschwitzt im<br />

Rausch <strong>der</strong> abklingenden Ekstase nebeneinan<strong>der</strong> lagen,<br />

die Körper noch zitternd von unserem innigen Liebesakt,<br />

meinte sie plötzlich:<br />

„Was denkst Du, Fela? Wird unser Kind eine Zukunft<br />

haben?“<br />

Ja, meine Geliebte. Es wird eine Zukunft geben. Ich habe<br />

sie gesehen. Unser Kind wird in einer Gesellschaft<br />

aufwachsen, in <strong>der</strong> es keine Unterdrückung gibt.<br />

Babalonuda, unsere Herrin <strong>der</strong> Sterne, soll die<br />

Gedanken <strong>der</strong> Menschen regieren, die Liebe unter Willen<br />

wird z<strong>um</strong> Gesetz werden. Respekt, Anerkennung und <strong>der</strong><br />

freie Wille sollen z<strong>um</strong> höchsten Gut <strong>der</strong> Menschheit<br />

werden. Unser Kind wird ein tanzen<strong>der</strong> Stern werden,<br />

geboren aus dem Chaos, aufgewachsen im Aufbruch.<br />

Unsere Welt wird sich verän<strong>der</strong>n. In <strong>der</strong> neuen Welt<br />

wird es Krieger wie mich nicht brauchen. Der Mensch<br />

steht an <strong>der</strong> Schwelle zur Überwindung aller<br />

menschlichen Fehler. Unsere Schlacht wird <strong>der</strong> letzte<br />

große Krieg auf diesem Planeten sein, davon bin ich<br />

überzeugt. Das Goldene Zeitalter naht, und das kleine<br />

Kind im blauen Ei steht an <strong>der</strong> Schwelle, die Kin<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Menschen zu begrüßen. Das Leben wird ein Spiel<br />

werden, ein leichter Tanz von Sternen unter Sternen.“<br />

„Ach, wenn es doch nur schon soweit wäre...“ sinnierte<br />

sie seufzend. Ich strich ihr liebevoll über das Haar und<br />

küsste ihre Stirn. Mein Herz wurde schwer. Ich strich<br />

sanft über ihren Bauch.<br />

„Chahani, meine Geliebte. Jetzt ist <strong>der</strong> Moment<br />

gekommen, <strong>der</strong> mich am meisten trübt. Du wirst mich<br />

jetzt verlassen müssen. Ich möchte, dass Du den<br />

Ausgang <strong>der</strong> Schlacht an einem sicheren Ort erwartest.<br />

Man wird veranlassen, dass Du <strong>um</strong>gehend in den<br />

Tempel von Mandra-Ghora gebracht wirst. Dort seid ihr<br />

beide sicher.“<br />

Sie fuhr ruckartig hoch und starrte mich zornig an.<br />

„Nein! Ich bin Deine Frau. Ich werde an Deiner Seite<br />

kämpfen und siegen o<strong>der</strong> untergehen! Du kannst nicht<br />

von mir erwarten, dass ich Dich in diesem wichtigen<br />

Moment verlasse! Das kann nicht Dein Ernst sein, Fela!“<br />

„Chahani, mein über alles geliebtes Weib. Es muß sein.<br />

Du trägst den Fortbestand des Hauses Noirez in Dir.<br />

Egal, wie dieser Krieg ausgeht, Du mußt dafür Sorge<br />

tragen, dass unser Kind behütet aufwachsen kann und<br />

dass es die Tugenden <strong>der</strong> großen Göttin erlernt.<br />

Versprich es mir!<br />

Sie sah mich aus großen Augen an, Tränen lösten sich und<br />

liefen über ihre Wangen. Aber sie sah ein, dass dieser<br />

Schritt nötig war. Sie fügte sich ihrem Schicksal, wenn<br />

auch wi<strong>der</strong>willig. Nachdem sie noch einige Zeit in meinen<br />

Armen gelegen hatte, standen wir auf und kleideten uns<br />

an. Ich legte die Uniform des Khan an, die repariert und<br />

bereitgelegt worden war. Sie passte perfekt. Als wir aus<br />

<strong>der</strong> Kabine traten, erwartete uns ein Adjudant. Ich<br />

instruierte ihn.<br />

„Sorgt dafür, dass Lady Chahani schnellstmöglich z<strong>um</strong><br />

Tempel gebracht wird.<br />

„Imperator, ich verbürge mich mit meinem Leben für<br />

Lady Chahani. Ich werde sie persönlich schützen und<br />

geleiten.“<br />

„Gut, so sei es.“<br />

Ich drehte mich zu Chahani <strong>um</strong>, küsste sie noch einmal<br />

innig und wandte mich ohne ein weiteres Wort ab. Ich<br />

ging forschen Schrittes zur Brücke hinauf, mein Herz war<br />

von Trauer schwer, doch auch erleichtert, dass Chahani<br />

und das Kind nun in Sicherheit waren. Ich rezitierte<br />

innerlich ein Mantram, <strong>um</strong> die Gefühle beiseite zu stellen.<br />

Was nun kam, bedurfte meiner vollen Aufmerksamkeit.<br />

Als ich auf <strong>der</strong> Brücke ankam, sah ich, wie zwei kleine,<br />

schnelle Ghenas mit verm<strong>um</strong>mten Gestalten darauf in<br />

Richtung eines kleinen Tores in <strong>der</strong> Seitenwand des<br />

Hangars trabten, wobei sie schon ihre Flügel lüfteten. Das<br />

schienen mir in <strong>der</strong> Tat sehr schnelle Flugkäfer zu sein,<br />

Chahani würde rechtzeitig in Sicherheit sein. Ich<br />

kümmerte mich nun <strong>um</strong> die Geschäfte des Krieges.<br />

Marshall H´Atakh informierte mich, dass für den<br />

Sturmangriff ein beson<strong>der</strong>er <strong>Kampf</strong>trak für mich<br />

bereitgestellt war. Das Tier wartete im La<strong>der</strong>a<strong>um</strong> des<br />

Holks. Ich machte mich sofort auf den Weg nach unten,<br />

<strong>um</strong> das Tier kennenzulernen. Man hatte mir versichert,<br />

dass <strong>der</strong> Käfer hoch ausgebildet war und alle<br />

<strong>Kampf</strong>kommandos explizit beherrschte. Als ich im<br />

La<strong>der</strong>a<strong>um</strong> ankam, sah ich dort einen Trak, <strong>der</strong> einem<br />

Ghena zwar ähnelte, aber dennoch völlig an<strong>der</strong>s war. Für<br />

einen Trak war das Tier riesig, doppelt so groß wie<br />

normal. Es hatte zwar auch die typischen Trak-<br />

Kieferzangen, aber darüber hinaus noch zahlreiche spitze<br />

Hornfortsätze auf dem Schädel, die in eisernen Spitzen<br />

endeten. Außerdem besaß es noch eine Hornpanzerung<br />

im Nacken, die wie ein Schild vor dem Sattel lag. Der Leib<br />

des Tieres war länglich, und an den Seiten hatte er<br />

messerscharfe Zacken, die in drei Reihen <strong>um</strong> den<br />

gesamten Rückenpanzer liefen. Der Trak war schwarz,<br />

weiß und rot in den segurianischen Reichsfarben<br />

pigmentiert, und er trug ein Stirnschild, das dem Siegel<br />

des Khan nachempfunden war. Es war ein rund<strong>um</strong><br />

prachtvolles, starkes Tier, eines Heerführers absolut<br />

würdig. Als ich mich dem Käfer näherte, kollerte er in<br />

einem tiefen Basston, <strong>der</strong> durch Mark und ein ging. Über<br />

seine Fühler nahm er meine Witterung auf. Seine<br />

schwarzen Augen musterten mich, und er erkannte mich<br />

als seinen Herrn, offensichtlich hatte man ihm meine<br />

abgelegte Kleidung z<strong>um</strong> Wittern gegeben. Er beugte seine<br />

Beine, <strong>um</strong> mich aufsitzen zu lassen. Ich schwang mich in<br />

den Sattel hinter dem Nackenschild und nahm die Zügel<br />

auf. Der mächtige Käfer erhob sich und ließ ein<br />

infernalisches Gebrüll ertönen. Was für ein Reittier! Ich<br />

schnalzte das Zeichen z<strong>um</strong> Ablegen, und <strong>der</strong> Trak legte<br />

sich nie<strong>der</strong>. Dann stieg ich ab und klopfte ihm sanft auf<br />

die linke Kieferzange.<br />

„Bald, bald mein Großer, kannst Du zeigen, was in Dir<br />

steckt...“<br />

Ich machte mich auf den Weg zurück zur Brücke, wo<br />

fleißig und <strong>um</strong>triebig gearbeitet wurde. Der Glutbohrer<br />

war verstaut, und überall in den Hangaren <strong>der</strong><br />

Mandraken bestiegen die letzten Brigaden die<br />

Transportholks. Nun sollte es bald losgehen, wir waren<br />

z<strong>um</strong> <strong>Kampf</strong> bereit. Von überall kamen<br />

Vollzugsmeldungen herein, die Armee war aufgestellt und<br />

<strong>der</strong> Abmarsch stand unmittelbar bevor. Einige Glasen<br />

später wurde es hektisch an Bord.<br />

Seite 44


Kapitel 10: Operation Golachab<br />

Über die Nachrichteneinrichtungen kamen Meldungen<br />

herein, dass <strong>der</strong> Krieg <strong>um</strong> <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> in vollem Gange<br />

war. Aus <strong>der</strong> Stadt wurden schwere Explosionen<br />

gemeldet, die Mauer <strong>um</strong> Jahw Salam war gefallen, und<br />

die Rebellen stürmten auf den Palast des Kaisers. Die<br />

Feldschlachten im Norden und Süden hatte begonnen,<br />

und Ninurtas Armen waren auf dem Vormarsch. Seine<br />

Artillerie und die <strong>Kampf</strong>taranteln sollten dort ein<br />

Exempel statuieren. Sie hatten den Tulkman-Graben<br />

bereits erreicht und durchquerten ihn in breiter Front.<br />

Ich begab mich z<strong>um</strong> Kommandeurssitz, und die Offiziere<br />

bereiteten den Holk auf das Auslaufen vor. Die<br />

Triebwerke wurden hochgefahren, Gasgemisch in die<br />

Brennkammern geleitet und von außen wurden die<br />

Verbindungsleitungen gekappt. Von allen Luftschiffen <strong>der</strong><br />

Flotte kam die Meldung: Grün bei allen Systemen. Der<br />

erste Offizier sah mich an, und ich gab den Startbefehl.<br />

„Marshall H´Atakh, setzen Sie die Flotte in Marsch. Wir<br />

laufen aus.“<br />

„Jawohl, Imperator, Zu Befehl.“<br />

Der erste Offizier drehte sich <strong>um</strong>, ging nach vorn und<br />

baute sich hinter den Navigatoren auf. Er hatte ein<br />

kleines Gerät am Kragen seiner Uniform, in das er<br />

sprechen konnte, und seine Worte wurden an bestimmte<br />

Positionen weitergeleitet. Damit ließ sich die Bewegung<br />

jedes einzelnen Holks von <strong>der</strong> Brücke des Nexhagus aus<br />

koordinieren. Die Mandraken nannten diese Technologie<br />

Sprechfunk.<br />

„1-O an Leitstand 1. Hangartore öffnen. Klar z<strong>um</strong><br />

Auslaufen.“<br />

Aus einem kleinen Kasten an <strong>der</strong> Decke kam eine quäkige<br />

Stimme<br />

„Leitstand Hangar 13 bestätigt. Öffnen Hangartore 1-4.“<br />

Nacheinan<strong>der</strong> bestätigten auch alle an<strong>der</strong>en Hangare den<br />

Befehl.<br />

Ein laut surrendes, rollendes Beben brachte die Halle z<strong>um</strong><br />

Zittern. Überall blinkten rote und gelbe Lampen<br />

abwechselnd auf. Die gewaltigen Tore, die von außen<br />

aussahen wie Felsgestein, wurden langsam abgesenkt,<br />

und Tageslicht flutete die riesige Halle. Die ersten <strong>der</strong> in<br />

Hangar 13 stationierten Holks fuhren ihre Antriebe hoch<br />

und hoben vom Boden ab. Ein tiefes, dröhnendes<br />

W<strong>um</strong>mern erfüllte die Halle, als die Luftschiffe langsam<br />

in Richtung <strong>der</strong> offenen Tore drehten. Dasselbe passierte<br />

jetzt auch in 19 an<strong>der</strong>en Hagaren, die auf verschiedene<br />

Inseln verteilt waren. Der Nexhagus würde zuletzt<br />

starten, da er in <strong>der</strong> Spezialbucht in einer Seitenkammer<br />

des Hangars lag. Als <strong>der</strong> erste Holk langsam seinen Bug<br />

aus dem Hangartor schob, gab <strong>der</strong> 1-O an Bord des<br />

Nexhagus die Startkommandos.<br />

„Maschine: Vorbrenner zünden. Ein Drittel auf zwei<br />

Kammern voraus. Hauptkammern vorheizen und fluten,<br />

klarmachen zur Zündung. Navigator: Andockklammern<br />

lösen. Bringen Sie uns langsam raus.“<br />

Die Stationen bestätigten, und kurz darauf hob <strong>der</strong><br />

Nexhagus vom Boden ab. Ab Bord war davon nichts zu<br />

spüren, die Trägheitsdämpfer fingen jede Vibration und<br />

alle Fliehkräfte ab. Als letzte verließen wir mit dem<br />

Kommandoschiff nun den Hangar und glitten in den<br />

Himmel, <strong>der</strong> uns empfing, wie die große See.<br />

„Navigator: Ru<strong>der</strong> 290, Kurs Rendevouz 0-70-0.<br />

Hauptkammer zünden, Alle Triebwerke ein Drittel<br />

voraus.“<br />

Der Holk drehte nach links zur Seite weg und nahm Fahrt<br />

auf. Der spitze Bug schnitt sich durch die tiefhängenden<br />

Wolken, die in Fetzen an den Fenstern vorbeiflogen. Wir<br />

wurden von zwei Holks eskortiert, welche die F´Dayk´n<br />

an Bord hatten, alle an<strong>der</strong>en Holks waren bereits am<br />

Sammelpunkt angekommen o<strong>der</strong> unterwegs dorthin.<br />

Als wir am Sammelpunkt ankamen, bot sich mir ein<br />

beeindruckendes Bild. Sechshun<strong>der</strong>t Holks verschiedener<br />

Bauart waren dort versammelt, sie bildeten ein gewaltiges<br />

Rechteck, dessen Fläche größer war, als manch ein<br />

Fürstent<strong>um</strong> auf dem Festland. Die Luftschiffe lagen in<br />

einer Anordnung von 20 x 30 Holks. Ich hatte noch in<br />

meinem Leben eine solche Armada gesehen. Und es<br />

würde eine solche Flotte auch nie wie<strong>der</strong> geben auf<br />

unserem Planeten. Der Nexhagus und seine Begleitschiffe<br />

legten sich vor die Flotte, und an Bord aller Einheiten<br />

wurden die letzten Überprüfungen <strong>der</strong> Systeme<br />

vorgenommen. Auf meine Bitte reichte <strong>der</strong> 1-O mir ein<br />

Funksprechgerät und schaltete es so, dass meine Worte in<br />

jedem Ra<strong>um</strong> auf jedem Holk zu hören waren. Ich richtete<br />

meine Worte an alle, die diesen Feldzug begleiteten.<br />

„Krieger von Mandrak! Hier spricht <strong>der</strong> Imperator.<br />

Heute ist ein denkwürdiger Tag für alle Völker von Gaia<br />

Assiah va Gandri! Wir alle sind angetreten, unseren<br />

Planeten von einer existenziellen Bedrohung zu befreien,<br />

und die mandrakische Nation hat sich entschlossen, dazu<br />

einen großen Teil beizutragen. Die Entscheidung des<br />

Warlords Xul Eisenbeisser, seine Streitkräfte in die<br />

Allianz gegen Ninurta einzubringen, ist ein bedeuten<strong>der</strong><br />

Schritt für die Völkerverständigung, und ich bin geehrt,<br />

Euch in diese Schlacht führen zu dürfen. Der große<br />

Taifunkrieg, von dem die Orakel kündeten, ist nun<br />

gekommen. Unser <strong>Kampf</strong> wird sehr hart werden, viele<br />

von Euch werden nicht aus <strong>der</strong> Schlacht zurückkehren.<br />

Doch, seid gewiss, Ihr Krieger von Mandrak, euer Opfer<br />

wird nicht <strong>um</strong>sonst gewesen sein. Die kommenden<br />

Generationen werden in ihren Lie<strong>der</strong>n und Geschichten<br />

von <strong>der</strong> tapferen mandrakischen Armee künden, die<br />

unseren Planeten vor <strong>der</strong> Tyrannei des Ninurta gerettet<br />

hat. Nun lasst uns aufbrechen, unser Handwerk zu<br />

verrichten. Einmal noch stürmt, Kameraden! Einmal<br />

noch, meine Waffenbrü<strong>der</strong>, einmal noch ertränkt unsere<br />

Feinde in ihrem eigenen Blute! FHTAGN!“<br />

Ein Moment <strong>der</strong> Stille verstrich, und dann brandete<br />

frenetischer Jubel und Kriegsgeschrei aus einer Million<br />

kehlen durch die stählernen Rümpfe <strong>der</strong> Holks, so laut,<br />

dass man meinen konnte, es wäre bis <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> zu<br />

hören, <strong>um</strong> den Kaiser das Fürchten zu lehren.<br />

Doch <strong>der</strong> wusste von alledem nichts. Selbstgefällig und<br />

fettgefressen saß dieser in seinem Sessel in <strong>der</strong><br />

Einsatzzentrale <strong>der</strong> gondrischen Streitkräfte in einem<br />

Bunker tief unter den Mauern von Jahw Salam und<br />

amüsierte sich über die Versuche <strong>der</strong> Rebellen, seiner<br />

habhaft zu werden. Die Palastgarde kämpfte gegen die<br />

Rebellen, das B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong> sprengte Löcher in die Mauern,<br />

aber den Bunker erreichte <strong>der</strong> <strong>Kampf</strong> nicht. Ninurtas<br />

Generäle waren durch den Einsatz des B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong><br />

überrascht worden. Es gab Gerüchte, dass die Segurianer<br />

einen Sprengstoff besaßen. Diese wurden nun zur<br />

Seite 45


Gewißheit. Ninurta war außer sich. Er beor<strong>der</strong>te einen<br />

Teil seiner Streitkräfte in Richtung Seguria, <strong>um</strong> dort ein<br />

Exempel zu statuieren. Er ließ ein Kontingent von etwa<br />

150.000 Mann abdrehen und auf Seguria marschieren.<br />

Was <strong>der</strong> Kaiser nicht wußte, war, dass dort bereits<br />

200.000 segurianische Krieger in Waffen standen und<br />

seinem Heer entgegen kamen. Im Süden rückten<br />

Ninurtas schwere Einheiten vor und verwüsteten das<br />

Land. Die Artillerie und die großen <strong>Kampf</strong>spinnen ließen<br />

nicht einen Stein auf dem an<strong>der</strong>en. Die Bevölkerung <strong>der</strong><br />

südlichen Gefilde musste große Opfer bringen, es gab dort<br />

hun<strong>der</strong>tausende von Toten zu beklagen, denn Ninurtas<br />

Legionen machten keinen Unterschied zwischen Soldaten<br />

und Zivilisten. Sie töteten alles, was sich bewegte.<br />

Auf <strong>der</strong> Brücke des Nexhagus wurden nun die<br />

Vorbereitungen für den Anflug auf die gondrische<br />

Hochebene getroffen. Der 1-O bellte seine Befehle durch<br />

den Sprechfunk in die Sektionen.<br />

„Maschine: Actron-Generatoren anfahren, auf volle<br />

Leistung gehen. Aargon einleiten und alle<br />

Brennkammern befeuern, vorbereiten für<br />

Hochgeschwindigkeitsflug. Vibrationskompensatoren<br />

aktivieren, Stabilisatoren kalibrieren und fließend<br />

beischalten. Navigator: Kurs 0-42-0, auf<br />

Hochgeschwindigkeit gehen bei 3000 Faden.<br />

Formationsvektoren beachten. Schildwache: Aktivieren<br />

<strong>der</strong> DOR-Schilde vorbereiten. Feuerleitstand: Alle<br />

Bordwaffen aktivieren, ständige Systemchecks. An alle<br />

Stationen: Schiff klar z<strong>um</strong> Gefecht.“<br />

Da es auf den an<strong>der</strong>en Holks zur selben Zeit ähnlich<br />

zuging, kam nun Bewegung in die Formation. Die<br />

gesamte mächtige Flotte <strong>der</strong> Mandraken bewegte sich<br />

vorwärts, und die Geschwindigkeit nahm rasant zu. Die<br />

große Wolkenbank, in <strong>der</strong> wir lagen, wurde förmlich<br />

zerfetzt, und unsere Luftschiffe stießen in breiter Front<br />

aus ihr heraus. So schnell, wie die Schiffe flogen, konnten<br />

es nur wenige Glasen sein, bis wir unseren Einsatzort<br />

erreichen würden. Gedeckt durch das Nyarla-Massiv<br />

würden wir uns unentdeckt <strong>der</strong> <strong>Kampf</strong>zone nähern<br />

können. Die Holks sollten im Absetzgebiet in<br />

Fünfzigerstaffeln landen, <strong>um</strong> die Sturmtruppen auf das<br />

Schlachtfeld zu entlassen, während die restlichen Holks<br />

jeweils Angriffswellen fliegen bzw. das Landemanöver<br />

decken sollten. Der Nexhagus würde mit den<br />

Begleitschiffen über das Absetzgebiet hinausschießen, <strong>um</strong><br />

den schweren Einheiten des Kaisers am Tulkman-Graben<br />

den Rückmarsch z<strong>um</strong> Schlachtfeld durch den Einsatz des<br />

Glutbohrers zu verbauen.<br />

Der Marshall trat z<strong>um</strong> mir heran und brachte<br />

beunruhigende Nachrichten.<br />

„Imperator, es sieht so aus, als habe <strong>der</strong> Kaiser seine<br />

Taktik geän<strong>der</strong>t. Unsere Nachrichtengeber berichten,<br />

dass 10 Legionen <strong>der</strong> sechsten Armee den Tulkman-<br />

Graben erreicht haben und nach Norden ziehen.<br />

Möglicherweise sollen die Einheiten eine<br />

Zangenbewegung ausführen und zur Verstärkung des<br />

Kontingents an <strong>der</strong> segurianischen Grenze<br />

herangezogen werden.“<br />

„Schwere Einheiten?“<br />

„Jawohl, Imperator. Einun<strong>der</strong>tzwanzig Divisionen in<br />

voller Bewaffnung. 678 <strong>Kampf</strong>taranteln, über 2.000<br />

Donnergh<strong>um</strong>pas, 2.500 Traks, unzählige Onker-<br />

Schleu<strong>der</strong>n, Pechwerfer, Wehrtürme, viele Soldaten.“<br />

„Die an<strong>der</strong>en Armeen?“<br />

„Marschieren weiter gen Süden.“<br />

„Wann könnten sie im <strong>Kampf</strong>gebiet sein?“<br />

„Frühestens in drei Tageszyklen.“<br />

„Gut. Dann müssen wir unseren Plan än<strong>der</strong>n.<br />

Stabsoffiziere zur Besprechung.“<br />

Ich erhob mich und trat vor die große gläserne Karte, auf<br />

<strong>der</strong> bunte Lichter die Positionen des Feindes markierten.<br />

Ich schaute lange und eindringlich darauf, bis ich einen<br />

Entschluß faßte. Inzwischen waren die Stabsoffiziere<br />

eingetroffen.<br />

Mit ernster Miene setzte ich sie von meiner Entscheidung<br />

in Kenntnis. Ich deutete mit dem Finger auf die Karte,<br />

dort, wo eine blaue Linie den Tulkman-Graben markierte.<br />

„Meine Herren, es gibt eine Än<strong>der</strong>ung des Planes. Da<br />

Ninurta seine Armeen geteilt hat und schweres Gerät<br />

durch das <strong>Kampf</strong>gebiet transportiert, ist er im Falle<br />

unseres Angriffs zur Gegenwehr bereit. Die Entzündung<br />

des Grabens ist also von wesentlich geringerer Wirkung,<br />

als ursprünglich angenommen. Wir werden also sehr<br />

hart auf <strong>der</strong> Ebene zu kämpfen haben. Ich habe daher<br />

beschlossen, den Glutbohrer nicht hier einzusetzen,<br />

son<strong>der</strong>n hier.“<br />

Mein Finger wan<strong>der</strong>te über die Karte zu einem Punkt<br />

westlich des Grabens. Die Gesichter <strong>der</strong> Offiziere sahen<br />

aus, als hätte ich sie geschlagen. Der 1-O blickte mich<br />

völlig entgeistert an.<br />

„Verzeihung, Imperator. Das ist <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>...“<br />

„Das ist mir durchaus bewußt, Marshall H´Atakh.“<br />

„Aber... es wird sehr viele Tote unter den Zivilisten<br />

geben. Diese Stadt wird völlig zerstört, wenn wir den<br />

Glutbohrer dort abwerfen. <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> wird mit DOR<br />

überflutet und auf tausende Zyklen unbewohnbar sein.“<br />

„Das ist mir klar. Ich habe die Nachrichten studiert. Die<br />

meisten Zivilisten sind aus <strong>der</strong> Stadt geflohen. Nur die<br />

Kaisertreuen halten zu ihrem Tyrannen. Die<br />

kämpfenden Rebellen wissen, dass sie so o<strong>der</strong> so den Tod<br />

in <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> finden, Ninurtas Garde metzelt sie gerade<br />

nie<strong>der</strong>. Wenn wir <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> zerstören, wird Ninurta<br />

und mit ihm sein gesamter Hofstaat vernichtet. Das<br />

demoralisiert seine Truppen, und verschafft uns Ra<strong>um</strong><br />

für einen Überraschungsangriff. Bevor seine Armeen<br />

wie<strong>der</strong> nach Norden marschieren können, haben wir die<br />

Chance das Schlachtfeld zu rä<strong>um</strong>en. Der Nexhagus wird<br />

also nach <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> fliegen, dort den Glutbohrer<br />

einsetzen und von Nordwesten in das Schlachtfeld<br />

einrücken. Die ersten zweihun<strong>der</strong>t Holks, die<br />

Sturmtruppen abgesetzt haben, sollen unverzüglich nach<br />

Süden abdrehen und Ninurtas schwere Verbände aus<br />

<strong>der</strong> Luft angreifen, <strong>um</strong> sie zu schwächen. In <strong>der</strong> zweiten<br />

Welle folgen die nächsten zweihun<strong>der</strong>t Holks. Es wird<br />

gefeuert, bis die Magazine leer sind. Die restlichen Holks<br />

bleiben am Graben, <strong>um</strong> die Nachschublinien zu stören.<br />

Alle Holks, die ihre Reserven verbraucht haben, werden<br />

laut Plan vernichtet. Den Rest entscheiden wir dann am<br />

Boden.“<br />

Einen Moment lang herrschte betretenes Schweigen unter<br />

den Offizieren. Wie<strong>der</strong> war es <strong>der</strong> 1-O, <strong>der</strong> das Schweigen<br />

brach.<br />

„Jawohl, Imperator. Zu Befehl.“ und er bellte in den<br />

Brückenra<strong>um</strong>: „Also, was ist? Ihr habt den Imperator<br />

gehört! Funkoffizier! Verständigen Sie den Rest <strong>der</strong><br />

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Flotte über die Än<strong>der</strong>ung. Navigator: Kurs setzen auf<br />

<strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>.“ Und in sein Funksprechgerät raunzte er:<br />

„Maschine: Ich brauche jetzt alles, was drin ist. Gehen<br />

Sie auf Effizienz 1.25! AK voraus! Waffenkammer: Den<br />

Glutbohrer rekalibrieren, Eindringtiefe neu justieren<br />

und Detonationsvektoren für Streuwirkung berechnen.“<br />

Der Nexhagus drehte sacht nach links weg und lief nun<br />

unter Volldampf auf <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> zu. Wir brauchten uns<br />

nun nicht mehr hinter den Gebirgen verstecken, son<strong>der</strong>n<br />

konnten aus großer Höhe direkt auf unsere Ziele<br />

herabstoßen. Unsere Eskortschiffe folgten uns. Die<br />

an<strong>der</strong>en Holks teilten sich in drei Gruppen auf, <strong>um</strong> ihre<br />

neuen Einsatzgebiete anzusteuern. Operation Golachab<br />

hatte begonnen.<br />

Nach etwa fünfzehn Glasen kam <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> als ein<br />

brauner Fleck im grünen Rieselgrasmeer tief unter uns in<br />

Sicht. Noch immer zogen die Flüchtlinge in einem<br />

riesigen <strong>Trail</strong> aus <strong>der</strong> Stadt, für viele von ihnen würde es<br />

zu spät sein. Aber dieses Opfer musste gebracht werden,<br />

<strong>um</strong> Ninurtas Reich zu Fall zu bringen. Die verän<strong>der</strong>te<br />

Lage machte es nötig, dass das gesamte Kaiserhaus mit<br />

einem Schlag ausgelöscht wurde. Aus <strong>der</strong> Stadt stieg eine<br />

dunkle Rauchwolke hoch in den Himmel empor, die<br />

B<strong>um</strong>-G<strong>um</strong> Einsätze hatte ihre Wirkung entfaltet. Unter<br />

uns sahen wir vom Stadtwall her das Feuer von<br />

zahlreichen Donnergh<strong>um</strong>pas aufblitzen, doch wir flogen<br />

zu hoch, als dass ihre Feuerbälle uns erreichen konnten.<br />

Die Donnergh<strong>um</strong>pas waren nicht für die Luftabwehr<br />

gezüchtet worden, und die Soldaten in den Stellungen vor<br />

<strong>der</strong> Stadt staunten nicht schlecht über das, was sich ihnen<br />

da in großer Höhe näherte. Die Richtschützen des<br />

Nexhagus feuerten nun auf die Stellungen, und auf den<br />

Begleitholks tat man es uns nach. Systematisch wurde das<br />

Stadtgebiet bombardiert, <strong>um</strong> uns eine sichere Schneise in<br />

das Stadtzentr<strong>um</strong> zu schlagen. Wir flogen ein und<br />

verharrten genau über dem Bezirk Jahw Salam, <strong>der</strong><br />

Festung des Kaisers. In etwa einer Glase würde Ninurta<br />

Geschichte sein. Als <strong>der</strong> Glutbohrer einsatzbereit war,<br />

sanken wir auf 300 Faden herab und die Abwurfprozedur<br />

wurde initiiert. Unter dem großen Turm mittschiffs<br />

öffneten sich große Schotts, und die<br />

Versorgungsleitungen z<strong>um</strong> Projektil wurden<br />

nacheinan<strong>der</strong> gekappt. Zuletzt fielen die Kühlschläuche<br />

und das Steuerkabel ab, jetzt lief <strong>der</strong> Countdown. Der 1-O<br />

sah mich fragend an, und ich nickte.<br />

„Abwurf. Jetzt.“ befahl er.<br />

Mit einem scharfen, metallischen Geräusch lösten sich die<br />

Halteklammern, und <strong>der</strong> Glutbohrer löste sich aus seiner<br />

Verankerung. Er fiel senkrecht aus dem Schacht <strong>der</strong> Erde<br />

entgegen.<br />

„Navigator: Abdrehen! Kurs 180-0-35! Höchste<br />

Beschleunigung!“ bellte H´Atakh.<br />

Langsam drehte <strong>der</strong> Holk <strong>um</strong> 180 Grad und nahm zügig<br />

Fahrt auf.<br />

„Bei allen Dämonen! Was ist hier los?“ Der Kaiser war<br />

außer sich vor Wut. In seinem Befehlsstand ging es<br />

drunter und drüber. Der Putz fiel von <strong>der</strong> Decke,<br />

Schränke stürzten <strong>um</strong>, Menschen wurden durch<br />

herunterfallende Mauerbrocken verletzt. Ein gewaltiger<br />

Schlag hatte den Kommandobunker getroffen. Ein<br />

heilloses Durcheinan<strong>der</strong> herrschte, und die Nachrichten,<br />

die herein kamen, waren wi<strong>der</strong>sprüchlich. Seine Generäle<br />

plapperten durcheinan<strong>der</strong>.<br />

„Ruhe, verdammt nochmal! General Dijin, was ist los?“<br />

Die Laune des Kaisers wurde immer schlechter angesichts<br />

<strong>der</strong> beunruhigenden Nachrichten, die hereingekommen<br />

waren. Das Heer war durch das unvermutete Auftreten<br />

segurianischer Truppen aufgespalten worden, Im Süden<br />

hatten sich starke feindliche Verbände gesammelt, und<br />

sogar nubitropische Verbände hatten sich erdreistet, in<br />

den gondrischen Ra<strong>um</strong> einzudringen. Die Rebellen<br />

warfen oben in <strong>der</strong> Stadt mit einem Sprengstoff <strong>um</strong> sich,<br />

und nun dieser Schlag. Hatte es ein Erdbeben gegeben?<br />

Kurze Zeit später salutierte <strong>der</strong> angesprochene General<br />

mit demütiger Miene.<br />

„Mein Kaiser, die Späher berichten, dass am Himmel<br />

seltsame Fluggeräte erschienen sind, die eine Maschine<br />

abgeworfen haben. Eine Waffe, möglicherweise ein<br />

altertümlicher Glutbohrer.“<br />

Sie haben WAS???“<br />

„Ein Glutbohrer, wahrscheinlich. Majestät sollten diesen<br />

Ort so schnell es geht verlassen.“<br />

In diesem Moment wurde das gondrische Zentralplateau<br />

von einer gigantischen Explosion erschüttert.<br />

„Atomschlag. Jetzt.“ Der 1-O sah auf die abgelaufene<br />

Zünduhr, und <strong>der</strong> Offiziersstab sah durch die<br />

Rauchglasscheiben nach Achteraus. Dort wurden,<br />

inmitten <strong>der</strong> einst stolzen Stadt <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>, die<br />

Urgewalten des Kosmos entfesselt. Der Glutbohrer hatte<br />

sich etwa 100 Faden tief in den Boden gebohrt, und <strong>der</strong><br />

Zün<strong>der</strong> hatte die Kernspaltung eingeleitet. Eine gewaltige<br />

Detonation erschütterte die Stadt, Staub wurde<br />

aufgewirbelt. Nur einen Moment später breitete sich eine<br />

ringartige Druckwelle aus, die alles dem Erdboden<br />

gleichmachte, auf das sie traf. Es sah aus, als hätte ein<br />

Riese einen Stein in das Meer geworfen. Der Boden wurde<br />

in Wellen vom Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong> Explosion weggedrückt, er<br />

bockte dabei wie ein junger Ghena, <strong>der</strong> zugeritten wird.<br />

Entlang <strong>der</strong> Bruchkanten <strong>der</strong> Scholle schossen gewaltige<br />

Staubfontänen in bizarren Mustern gen Himmel. Dann<br />

kam <strong>der</strong> Wind. Ein glutheißer Wind fegte über die<br />

zerstörte Stadt und äscherte alles ein, was bis dahin noch<br />

nicht von <strong>der</strong> Druckwelle pulverisiert worden war. Und<br />

dann kam die Wolke.<br />

Aus dem Chaos <strong>der</strong> Explosion erhob sich eine feuerrote<br />

Wolke, wie ein Chijuba-Pilz, <strong>der</strong> den Waldboden<br />

durchbricht, <strong>um</strong> seinen Schirm zu entfalten. Nur, dass<br />

dieser Pilz viele, viele Millionen mal größer war als ein<br />

Chijuba, und viele, viele Millionen mal tödlicher. Jetzt<br />

wurde unten am Boden die Energie freigesetzt, welche das<br />

Gestein entzünden und es in einen tiefen Glutsee<br />

verwandeln würde. Die Wolke stieg hoch in den Himmel<br />

empor, über 5.000 Faden hoch, und wurde aus dem<br />

Innern heraus immer größer. Mit <strong>der</strong> Energie, die hier<br />

gerade freigesetzt wurde, konnte man eine Stadt wie<br />

<strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> hun<strong>der</strong>tausend Zyklen lang beheizen. Das<br />

Höllenmonster aus Sternenfeuer fraß sich brüllend in den<br />

Himmel, es machte vor nichts halt. Die Verheerung unten<br />

am Boden war ka<strong>um</strong> zu beschreiben. Die Druckwelle, die<br />

am Boden , ausgehen vom Explosionsherd, alles in eine<br />

einzigen, tödlichen Sturmbö <strong>um</strong>gerissen und<br />

zertrümmert hatte, kehrte nun <strong>um</strong>, und <strong>der</strong> ganze Schutt<br />

und Asche wurden zurück in Richtung Epizentr<strong>um</strong><br />

gerissen. Es war ein skurriler Anblick, Abertausende<br />

Tonnen von Gestein, Eisen und Holz wiegten sich wie<br />

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Blätter im Herbstwind hin und her, bevor sie ruckartig in<br />

Richtung <strong>der</strong> Pilzwolke fortgerissen wurden. Die Wolke<br />

stieg ganz langsam in den Himmel auf, und unter Ihr<br />

konnte man nun die totale Verwüstung erkennen, welche<br />

die Explosion hinterlassen hatte. Da, wo einst die<br />

blühende Metropole <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> gewesen war, gähnte nun<br />

ein schreckliches, kraterartiges Maul, das die Zivilisation<br />

an dieser Stelle verschlungen hatte. Dies war die<br />

Oberflächenwirkung des Glutbohrers, die erste Stufe <strong>der</strong><br />

Vernichtung. Bei dem Anblick stiegen in meinem<br />

Bewußtsein Bil<strong>der</strong> auf, wie es nach den großen Krieg <strong>der</strong><br />

ersten Hochzeit auf dem Planeten wohl ausgesehen haben<br />

mochte, und mir wurde klar, wie es möglich war, dass <strong>der</strong><br />

Mond Ulthar auseinan<strong>der</strong>gerissen worden war. Das<br />

Projektil, das wir eingesetzt hatten, war, wie mir <strong>der</strong> 1-O<br />

versicherte, klein. Aus den Aufzeichnungen, die die<br />

Mandraken gefunden hatten, ging hervor, dass es<br />

Glutbohrer mit <strong>der</strong> tausendfachen Vernichtungskraft<br />

gegeben hatte. Im Herzen trauerte ich <strong>um</strong> die<br />

Unschuldigen, die dem Einsatz unserer Waffe z<strong>um</strong> Opfer<br />

gefallen waren. Aber eines war sicher: Ihr Opfer war nicht<br />

<strong>um</strong>sonst, denn das Haus Ninurta existierte nicht mehr.<br />

Und mit dem Kaiser war die Stätte seiner Macht<br />

verschwunden, <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> existierte nicht mehr und<br />

würde auch nie mehr existieren.<br />

Jetzt entfaltete <strong>der</strong> Glutbohrer seine volle Wirkung, er<br />

begann, das Gestein zu schmelzen. Im Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong><br />

ehemaligen Stadt brodelte ein rotglühen<strong>der</strong> See aus Lava<br />

empor, und das Schicksal wollte es, dass die geologischen<br />

Verhältnisse günstig für uns waren. Unter <strong>der</strong> Stadt hatte<br />

es seit jeher eine Magmaa<strong>der</strong> gegeben, <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> lag auf<br />

einer riesigen cal<strong>der</strong>ischen Kaverne, die zu einem<br />

vergessenen Supervulkan gehört hatte. Das also war <strong>der</strong><br />

Grund, war<strong>um</strong> in <strong>der</strong> Stadt stets ein warmes Klima<br />

geherrscht hatte, dar<strong>um</strong> also gab es dort früher große<br />

Thermen und Dampfbä<strong>der</strong>. Und wir hatten mit unserem<br />

Glutbohrer diese Kaverne neu entzündet.<br />

Was das bedeutete, sollten wir sogleich zu sehen<br />

bekommen. Aus den Tiefen <strong>der</strong> Erdkruste erhob sich eine<br />

monströse Feuersäule, und glühendes, flüssiges Gestein<br />

schoss hoch in den Himmel empor. Wie eine<br />

Heißwasserfontäne von den Thermen des Ant´hai<br />

sprudelte es aus dem Boden hervor, nur dass es hier kein<br />

Brühwasser war, das da aufstieg, son<strong>der</strong>n Glutgestein.<br />

Mit einen hohen Pfeifen und Donnergrollen schoß die in<br />

sämtliche Rot- und Orangetöne gefärbte zähe Flüssigkeit<br />

über 3000 Faden hoch und plätscherte dann in<br />

gewaltigen Strömen zurück auf die Erde. Es war ein<br />

beeindruckendes Schauspiel, das trotz seiner<br />

Zerstörungskraft nicht einer gewissen Ästhetik entbehrte.<br />

Auf <strong>der</strong> Brücke schauten alle gebannt auf das Schauspiel,<br />

das sich uns da bot, als es plötzlich zu erheblichen<br />

Erschütterungen in <strong>der</strong> Erdkruste kam, die wir bis an<br />

Bord spürten. Beginnend vom Zentr<strong>um</strong> <strong>der</strong> Eruption<br />

brach die Erdkruste ringförmig nach unten weg, immer<br />

größer wurde das Loch, das sich dort auftat. Binnen<br />

kürzester zeit bildete sich ein Krater von schätzungsweise<br />

30 Meilen Durchmesser, und darin glühte es bedrohlich<br />

rot. Die gesamte Cal<strong>der</strong>a brach ein und füllte sich mit<br />

Magma. Hellrot bis gelb waren die Farben <strong>der</strong> brodelnden<br />

Masse, das flüssige Gestein musste Temperaturen haben,<br />

die weit jenseits <strong>der</strong> Schmelzgrenze von Thelluri<strong>um</strong>erz<br />

lagen. Und <strong>der</strong> Pegel in dem riesigen Loch stieg ständig in<br />

beängstigen<strong>der</strong> Geschwindigkeit an. Die Oberfläche<br />

wölbte sich dramatisch, als eine Magmablase von <strong>der</strong><br />

Größe eines Gebirges aufstieg. Die Oberfläche des großen<br />

Magmasees hob sich in einem Augeblick <strong>um</strong> 200 Faden,<br />

und dann riß die Blase. In einem gigantischen Strom<br />

schoß die Lava über den Kraterrand und ergoß sich<br />

östlich in den Tulkman-Graben, <strong>der</strong> nahe <strong>der</strong> ehemaligen<br />

Stadt vorbeilief. Die Feuerwalze schoß in den Graben und<br />

füllte ihn in wenigen Augenblicken bis z<strong>um</strong> Rand.<br />

Nachströmene Lava drückte das Glutgestein nach Norden<br />

und Süden vorwärts, und mit schätzungsweise 400<br />

Meilen in <strong>der</strong> Glase schoß <strong>der</strong> rote Pfeil im Graben durch<br />

das Land und teilte es.<br />

Wir hatten unser Ziel trotz <strong>der</strong> Umdisponierung erreicht.<br />

Der Graben stand lichterloh in Flammen, die schwere<br />

Artillerie würde unsere Truppen nicht mehr erreichen.<br />

Die Götter schienen uns gewogen.<br />

Kapitel 11: Die Schlacht <strong>um</strong> <strong>Gonda</strong><br />

Die Generäle <strong>der</strong> sechsten Armee des kaiserlichen Heeres<br />

hatten nicht die geringste Ahnung, was gerade eben<br />

geschehen war. Sie folgten ihrem Befehl und<br />

durchquerten gerade in nordwestlicher Richtung den<br />

großen Tulkman-Graben, <strong>um</strong> die segurianischen<br />

Einheiten zu vernichten, die sich erdreisteten, auf<br />

gondrisches Territori<strong>um</strong> vorzurücken. Die Erde dröhnte<br />

unter den schweren Tritten <strong>der</strong> riesigen <strong>Kampf</strong>taranteln,<br />

die in den Graben hineinliefen, und einige Meilen weiter<br />

wie<strong>der</strong> herauszukommen. Die behäbigen Donnergh<strong>um</strong>pas<br />

folgten wiegend, ihr dickes, birnenförmiges Hinterteil<br />

schwankte im Rhythmus ihrer Schritte. Dazwischen liefen<br />

Heerscharen von Lanzenträgern, Bogenschützen,<br />

Schwertkämpfern und Kriegern mit allerlei an<strong>der</strong>en<br />

Waffen. Ihre Rüstungen klirrten und schepperten, und<br />

<strong>der</strong> Vormarsch dieses Heeres wirbelte eine große<br />

Staubwolke auf. Fünf Meilen lang war <strong>der</strong> Heertross, an<br />

dessen Ende dann fahrbare Belagerungstürme,<br />

Versorgungstrails und Nachschubbataillone vorrückten.<br />

Allein dieser Tross hatte eine Stärke von über 600.000<br />

Mann, und die Leiber strömten und strömten in nicht<br />

enden wollen<strong>der</strong> Masse in den Graben. An <strong>der</strong> Anklamm-<br />

Furt marschierte die Legion in den Graben und sollte<br />

etwa dreißig Meilen weiter an <strong>der</strong> Chunguskisenke die<br />

Nordwand ersteigen. Es gab nur wenige Senken und<br />

Abstiege, und stets patrouillierte eine halbe Division<br />

berittener Krieger auf Trak-Ghenas am Rand des<br />

Grabens, dessen Wände teilweise über 200 Faden tief<br />

schroff abfielen, <strong>um</strong> Hinterhalte zu vermeiden, denn<br />

wenn die Armee erst einmal im Graben war, kam sie vor<br />

<strong>der</strong> nächsten Furt nicht wie<strong>der</strong> hinaus, Umdrehen war<br />

unmöglich, es ging nur voran.<br />

Das schwere Poltern <strong>der</strong> Felsbrocken, welche die riesigen<br />

Spinnen beim Laufen wie Kieselsteinchen wegkickten,<br />

erfüllte den Graben, und das d<strong>um</strong>pfe W<strong>um</strong>mern <strong>der</strong><br />

Spinnen- und Käferbeine mischte sich mit dem Schlurfen<br />

<strong>der</strong> Soldaten und dem Bollern <strong>der</strong> Wagenrä<strong>der</strong>. Doch da<br />

war noch ein an<strong>der</strong>es Geräusch, das sich langsam, aber<br />

stetig näherte. Erst war es nur ein subtiles, entferntes<br />

R<strong>um</strong>peln, doch es wurde immer deutlicher und lauter. In<br />

ka<strong>um</strong> merklichen Vibrationen begann <strong>der</strong> Boden zu<br />

zittern, und die Spinnen wurden unruhig. Die Reiter<br />

konnten die massigen Tiere nicht mehr halten, sie wurden<br />

schneller. Sie begannen zu rennen und trampelten alles,<br />

was sich in ihrer Bahn befand, einfach nie<strong>der</strong>. Mann und<br />

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Geschirr, selbst größere Wagen und die langsamen<br />

Gh<strong>um</strong>pas wurden gnadenlos überrannt. Für die Generäle<br />

bestand kein Zweifel: Die mächtigen, angstlosen Wesen,<br />

die ohne zu zögern in jede Schlacht gingen, flüchteten vor<br />

irgendetwas. Da näherte sich irgendetwas aus Richtung<br />

<strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>, etwas Gefährliches, Bedrohliches. Die<br />

Spinnen, und nun auch die Käfer, flohen hastig nach<br />

vorn, die Formation war aufgelöst, Reiter fielen von ihren<br />

Tieren und wurden unter den ba<strong>um</strong>starken Beinen<br />

zermalmt. Schrille schreie von Sterbenden mischten sich<br />

mit dem angsterfüllten Gekreisch <strong>der</strong> Tiere. Einige <strong>der</strong><br />

großen Spinnen versuchten, seitlich auszubrechen und an<br />

den Wänden emporzuklettern. Dabei stürzten sie immer<br />

wie<strong>der</strong> herunter in den Graben und begruben ihre Reiter<br />

und hun<strong>der</strong>te von Soldaten unter sich. Es war ein<br />

heilloses Durcheinan<strong>der</strong>, Chaos machte sich breit. Die<br />

Reiter <strong>der</strong> Patrouille oben am Rand <strong>der</strong> Klippen schrien<br />

etwas herunter, die Signalgaste schwenkten ihre Fahnen<br />

und übermittelten nur ein Wort: FEUER.<br />

Den Generälen blieb nicht viel Zeit, darüber<br />

nachzusinnen, woher in dieser Wüstenei Feuer kommen<br />

sollte, das die Spinnen veranlasste, <strong>der</strong>art durchzudrehen.<br />

Und dann sahen sie es. Hinter ihnen flimmerte die Luft.<br />

Eine gewaltige orange Wand schob sich mit<br />

unvorstellbarer Geschwindigkeit durch den Kanal, in dem<br />

8 Legionen <strong>der</strong> sechsten Armee gefangen waren. Es gab<br />

kein Entkommen. Die Feuerwand aus flüssigem Gestein<br />

brach in Augenblicken über sie herein, Männer und Tiere<br />

standen in Flammen, bevor sie von <strong>der</strong> zähflüssigen<br />

Masse bedeckt wurden. Die Glutflüssigkeit war so heiß,<br />

dass nicht einmal mehr Knochen übrig bleiben würden.<br />

Binnen weniger Momente wurden über eine hlabe Million<br />

Mann, hun<strong>der</strong>te <strong>Kampf</strong>taranteln und Donnergh<strong>um</strong>pas<br />

und noch einmal hun<strong>der</strong>te von Trak-Ghenas ausgelöscht.<br />

Zurück blieb ein reißen<strong>der</strong>, rotglühen<strong>der</strong> Strom, <strong>der</strong> die<br />

Überquerung des Grabens auf absehbare Zeit unmöglich<br />

machte. Das kaiserliche Heer war schwer getroffen<br />

worden, und dazu noch in zwei Teile gespalten, die<br />

einan<strong>der</strong> nicht erreichen konnten. Ninurtas großer Sieg<br />

über die Armeen <strong>der</strong> Welt ging buchstäblich in Schutt und<br />

Asche unter. Und die Soldaten wussten nicht, dass es<br />

keinen Kaiser und kein Reich mehr gab, für das sie<br />

starben. Unsere Holks erreichten nun das <strong>Kampf</strong>gebiet<br />

und setzten planmäßig ihre Einheiten ab. Gruppenweise<br />

landeten die mächtigen Luftschiffe und ließen ihre großen<br />

Bugrampen herunterklappen. Sofort stürmten die<br />

Soldaten über die Rampen heraus und bildeten die<br />

vorgeschriebenen Formationen. Nach den Feldkriegern<br />

kamen die Traks und die Gh<strong>um</strong>pas. Die eiserne Flotte<br />

ejakulierte vierzig Glasen lang Mensch und Material ins<br />

Schlachtfeld, ein unaufhörlicher Strom von Soldaten<br />

ergoss sich auf die Ebene. Sofort nach dem Absetzen<br />

starteten die Holks wie<strong>der</strong> durch, <strong>um</strong> ihre Aufgaben im<br />

Luft-Boden-<strong>Kampf</strong> zu versehen. Noch im Aufsteigen<br />

donnerten die mächtigen Geschütze <strong>der</strong> Holks los und<br />

spien ihr todbringendes Feuer den Feinden entgegen.<br />

Unsere Truppen formierten sich und strömten ins Tal<br />

hinab. Über die Südflanke kamen Ninurtas Armeen, bzw.<br />

das, was davon übrig war. Wie eine große, schwarze Woge<br />

schwappten die Gegner über den südlichen Klamm, ihre<br />

Donnergh<strong>um</strong>pas feuerten schon aus viel zu großer<br />

Entfernung auf unsere Phalanx. Sie waren nervös,<br />

unaufmerksam und hastig. Weit vor unseren Reihen<br />

schlugen die Projektile ein und verpufften wirkungslos.<br />

Unsere Reihen standen fest geschlossen. Dicht an Dicht<br />

standen Männer und Insekten, fast regungslos, wie eine<br />

gewaltige Wand aus Fleisch und Chitin. Ein leichter Wind<br />

zog über das Schlachtfeld, <strong>der</strong> unsere Banner auf den<br />

Standarten leicht wiegend bewegte. Der schwere, süße<br />

Duft von Burna-Bl<strong>um</strong>en zog aus <strong>der</strong> Talebene herauf und<br />

kitzelte unsere Nasen. Ich hatte schon als Kind ein Faible<br />

für diese Bl<strong>um</strong>e entwickelt. Die Onker-Weiden auf<br />

unserem Besitz waren übersät mit diesen kurzstieligen,<br />

gelben Doldenblüten, die im Sommer stets von großen<br />

Schwärmen Gunt-Faltern belagert wurden. Mein Bru<strong>der</strong><br />

und ich waren oft mit feinen Netzen unterwegs, <strong>um</strong> die<br />

Falter zu fangen und unsere Reptilien damit zu füttern.<br />

Seit ich denken konnte, hatten wir Kin<strong>der</strong> Nashdaken als<br />

Haustiere, kleine, dornige Echsen, die lustige gurrende<br />

Laute von sich gaben, wenn man ihnen zu nahe kam. Ich<br />

sah das Haupthaus unserer Farm vor mir, sah, wie ich<br />

durch die Wiesen lief, darauf zu, meine Mutter stand dort<br />

auf <strong>der</strong> Veranda und rief nach mir...<br />

„Mein Imperator. Es ist soweit.“<br />

Die Stimme eines Offiziers holte mich in die Wirklichkeit<br />

zurück. Ich begab mich zu meinem Kapmftrak, saß auf<br />

und flog in das Schlachtfeld hinein, passierte die grosse<br />

Phalanx <strong>der</strong> Krieger Mandraks und positionierte mich<br />

ungefähr in <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> Meilen breiten Front. Ich zog<br />

mein Langschwert und hob es über den Kopf. Dann ließ<br />

ich es herabsausen, das Zeichen z<strong>um</strong> Angriff. Nun würde<br />

sich nichts mehr <strong>um</strong>kehren lassen, die Schlacht hatte<br />

begonnen. In unseren Reihen erhob sich ein gewaltiger,<br />

markerschüttern<strong>der</strong> Kriegsschrei, den die Mandraken<br />

unseren Feinden entgegen schleu<strong>der</strong>ten. Er war trotz des<br />

Stakkatos, das die abertausend Füße in den Boden<br />

hämmerten und das die Erde erbeben ließ, deutlich zu<br />

vernehmen. Die Krieger schlugen mit den Waffen auf ihre<br />

Schilde und erzeugten so einen infernalischen Lärm, <strong>der</strong><br />

einem das Blut in den A<strong>der</strong>n gefrieren lassen konnte.<br />

„Hung! Hung! Hung!“ klang es rhythmisch aus ihren<br />

Reihen. Von irgendwo hinter mir erklangen schrille Töne<br />

aus blechernen Instr<strong>um</strong>enten, Trommeln wurden<br />

geschlagen. Die <strong>Kampf</strong>traks murrten ungeduldig,<br />

Metallgeschirr schepperte. Die Sonnen rückten den<br />

Schauplatz in ein unwirkliches oranges Licht und <strong>der</strong><br />

aufgewirbelte Staub verwischte die Konturen. Sand<br />

knirschte zwischen meinen Zähnen. Unsere untere<br />

Phalanx rückte geschlossen im Schritttempo vor, <strong>der</strong><br />

holpernden, geifernden Menge entgegen. Ich hielt meine<br />

Stoßtrupps noch etwas zurück, <strong>um</strong> später in die Flanken<br />

einzufallen. Aus <strong>der</strong> Vogelperspektive musste es<br />

aussehen, als würden zwei dunkle Flutwellen<br />

aufeinan<strong>der</strong>treffen. Näher und näher rückte die erste<br />

Reihe <strong>der</strong> Feinde, und als unsere Krieger auf sie trafen,<br />

brandeten unsere wogendenden Heere aneinan<strong>der</strong> auf<br />

wie die Wasser <strong>der</strong> Ozeane an <strong>der</strong> Wellenscheide tief im<br />

Süden an <strong>der</strong> Küste von Cal<strong>der</strong>an. Ich trieb unsere<br />

Truppen in drei Keilen in die breite Front des Gegners,<br />

rechts und links von unseren Flanken fielen die Feinde zu<br />

Hun<strong>der</strong>ten. Der Lärm <strong>der</strong> Schlacht, SHAVN JIHAD,<br />

erhob sich und spielte das alte Lied vom Werden und<br />

Vergehen. Von überall hörte man die gellenden Schreie<br />

Verwundeter, über die unser Heer einfach hinweg<br />

marschierte.<br />

Nun ließ ich meine Trak-Ghenas anlaufen, in schnellem<br />

Galopp stürmten wir in eine geschwächte Flanke des<br />

Feindes. Unsere Keilformation trieb eine breite Öffnung<br />

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in die Flanke, unser Ziel waren die Geschützkäfer, die von<br />

schweren Verbänden <strong>der</strong> Infanterie geschützt wurden.<br />

Unser Stoßtrupp trieb die Feinde auseinan<strong>der</strong> wie ein<br />

Phallus, <strong>der</strong> den Schoß einer geilen Houri spaltete. Immer<br />

tiefer drängte unsere Spitze in das Innerste des<br />

feindlichen Heeres. Enthauptete, zerstückelte Leiber<br />

fielen an unseren Flanken herab, und die Mandraken<br />

kämpften <strong>der</strong>art hart und unnachgiebig, dass sie ka<strong>um</strong><br />

Verluste erlitten. Der Boden färbte sich schnell rot vom<br />

Blut und wurde rutschig. Dann trafen wir auf die<br />

mittleren Reihen, in denen Ninurtas Feldherren die<br />

<strong>Kampf</strong>traks postiert hatten. Krachend fuhren die Geweihe<br />

<strong>der</strong> mächtigen Insekten ineinan<strong>der</strong>, schillernde,<br />

gepanzerte Körper wurden durch die Luft gewirbelt und<br />

verursachten beim Aufprall dichte Staubwolken. Man<br />

konnte berstende Panzer hören und das schmerzverzerrte<br />

Ausblasen verletzter Traks und Gh<strong>um</strong>pas. Es gab ein<br />

heilloses Durcheinan<strong>der</strong>. Einige <strong>der</strong> Donnergh<strong>um</strong>pas<br />

waren <strong>der</strong>art verängstigt, dass sie zwischenzeitlich blind<br />

in alle Richtungen schossen, sogar in die eigenen Reihen.<br />

Ihre Führer hatten sie nicht mehr im Griff, und seitlich<br />

von mir explodierte gerade ein Geschützkäfer, <strong>der</strong> von<br />

freundlichem Feuer getroffen war, in einer blauen Lohe.<br />

Seine Panzer barsten und flogen im hohen Bogen davon,<br />

während eine blaue Feuerzunge unter lautem Zischen aus<br />

dem Hinterleib des gewaltigen Tieres leckte. Dann knallte<br />

es ohrenbetäubend, und <strong>der</strong> Geschützkäfer war<br />

verschwunden. Inzwischen hatte es in <strong>der</strong> ersten Phase<br />

<strong>der</strong> Schlacht bereits abertausende von Toten gegeben,<br />

mehr und mehr Soldaten des Kaisers fielen unter unseren<br />

Waffen. Natürlich hatten auch wir mittlerweile einige<br />

Verluste, doch diese standen im Verhältnis 1:300, und die<br />

Armeen des Kaisers fielen wie die Fliegen. Glase <strong>um</strong> Glase<br />

schlugen wir auf Ninurtas Soldaten ein, ich war von Blut<br />

und Schweiß überströmt.Mein Langschwert hielt bittere<br />

Ernte unter den Soldaten des Feindes. Und endlich, als<br />

<strong>der</strong> Tag sich schon langsam dem Ende näherte, wurde <strong>der</strong><br />

Wi<strong>der</strong>stand schwächer. Zwei Drittel <strong>der</strong> uns<br />

gegenüberstehenden Soldaten hatten wir getötet, im Tal<br />

würde es wohl für Vögel und Gewürm ein Festmahl. Doch<br />

die Feldherren des Gegners sahen ein, dass es keinen Sinn<br />

mehr machte, etwas zu verteidigen, das es nicht mehr<br />

gab. Die Kunde von <strong>der</strong> Zerstörung <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong>s war<br />

inzwischen verbreitet worden, das Reich des<br />

exzentrischen Kaisers Ninurta hatte aufgehört zu<br />

existieren. Wir hatten die Schlacht und den Krieg<br />

gewonnen. Nach und nach ebbten die <strong>Kampf</strong>handlungen<br />

ab, eine Kohorte nach <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en ergab sich unseren<br />

Kriegern. Sie wurden entwaffnet und in einem Seitental<br />

zusammengepfercht. Dort bewachten sie grimmige<br />

Krieger <strong>der</strong> Mandraken, sie ließen keinen Zweifel daran,<br />

dass ein Fluchtversuch tödlich enden würde.<br />

Überall auf dem Schlachtfeld lagen tote Menschen, Käfer<br />

und an<strong>der</strong>e Tiere. Hier und da bewegte sich noch etwas,<br />

doch unsere „Putzer“ waren bereits unterwegs, <strong>um</strong> die<br />

Verwundeten von <strong>der</strong> Qual zu erlösen. Dazwischen<br />

Waffen, Uniformteile und Ausrüstungsgegenstände,<br />

soweit das Auge reichte. Noch in vielen Zyklen würde<br />

man Relikte <strong>der</strong> großen Schlacht hier finden, und in<br />

einigen Tagen würden geschäftige Fled<strong>der</strong>er kommen, <strong>um</strong><br />

Souvenirs zu bergen, die sie dann in den Städten<br />

verkaufen würden. Und manch ein Schmok würde dann<br />

später vor <strong>der</strong> (gekauften) Waffensammlung am<br />

Kaminfeuer sitzen und seinen Nachkommen von seinem<br />

heldenhaften <strong>Kampf</strong> am Tulkman-Graben berichten. Und<br />

alles würde sein, wie es immer war. Ich gab zwei Majoren<br />

den Befehl, eine große Tuppe zusammenzustellen, die<br />

verirrte Gh<strong>um</strong>pas einfangen sollte. Ich trug ihnen auf, alle<br />

Leichen und Gegenstände, die sie fanden, jeden einzelnen<br />

Schuh, jeden einzelnen Finger, auf Lastschlitten zu laden<br />

und samt und son<strong>der</strong>s in den Magmagraben zu werfen.<br />

Wenn unser Heer abzog, sollte dieses Tal wie<strong>der</strong> so<br />

aussehen, wie es vor <strong>der</strong> Schlacht gewesen war. An<br />

diesem Krieg sollten die Fled<strong>der</strong>er nichts verdienen. Ich<br />

sorgte dafür, dass die Kunde von dieser gewaltigen<br />

Feuerbestattung überall im Reich verbreitet wurde, <strong>um</strong> es<br />

auch den Souvenirfälschern etwas schwerer zu machen.<br />

Unsere Männer begannen nun mit ausschweifenden<br />

Siegesfeiern, wie ein Mühlstein fiel die Last des <strong>Kampf</strong>es<br />

von ihren Schultern. Überall brannten lo<strong>der</strong>nd große<br />

Siegesfeuer, es wurde gesungen, gegrölt, gesoffen und<br />

gefressen. Doch die hohen Offiziere und ich hatten noch<br />

etwas zu erledigen. Wir bestiegen unsere Traks und ritten<br />

in Richtung Nyarla-Paß davon. Nach Einbruch <strong>der</strong><br />

Dämmerung kamen wir oben am Grat an, zurrten unsere<br />

Reittiere fest und gingen hinauf z<strong>um</strong> Gipfel. Vier<br />

Soldaten, die einen Donnergh<strong>um</strong>pa geführt hatten,<br />

nahmen Aufstellung und bereiteten das Tier vor. Der<br />

Gipfel war gut 700 Schritte höher als das Gratplateau,<br />

dort pflante einer <strong>der</strong> Generäle das <strong>Kampf</strong>banner auf, <strong>um</strong><br />

das wir uns versammelten. Dort standen wir mit einem<br />

guten Dutzend Leute, die versinkende zweite Sonne in<br />

unserem Rücken tauchte die wolkenverhangenen Gipfel<br />

in feuriges Rot. Und da kamen sie. Aus Richtung Osten<br />

sahen wir eine Reihe von Holks auf uns zu fliegen. 600<br />

<strong>der</strong> mächtigen fliegenden Festungen zogen da in Reih und<br />

Glied über den Himmel.<br />

General H´Atakh warf eine kleine Brandkerze hinunter<br />

z<strong>um</strong> Plateau, und <strong>der</strong> Donnerghmupa hob kurz darauf das<br />

Hinterteil. Der Generalstab nahm Haltung an.<br />

Vorschriftsmäßig grüßten wir die Flotte militärisch, und<br />

<strong>der</strong> Donnergh<strong>um</strong>pa begann, Salutsalven zu feuern. Der<br />

Troß <strong>der</strong> Luftschiffe zog gemächlich am uns vorbei und<br />

nahm Kurs auf den Punkt, wo früher <strong>Gonda</strong>-<strong>Lah</strong> gewesen<br />

war. Über dem Kraterrand kippten die mächtigen<br />

Flugapparate und steuerten im Sturzflug in den Krater,<br />

wo sie, eines nach dem an<strong>der</strong>en, explodierten und<br />

verglühten. Im selben Moment begingen in den<br />

Katakomben des Tempels von Mandra-Ghora über 2.000<br />

mandrakische Techniker Selbstmord, mit ihnen starb das<br />

letzte Geheimnis. Gewaltige Explosionen erschütterten<br />

die Hangare, in denen zuvor die Holks gelegen hatten,<br />

alles wurde zerstört. Nichts blieb, alle Reste <strong>der</strong> alten<br />

Zeiten waren nun vom Angesicht des Planeten getilgt.<br />

Als wir we<strong>der</strong> vom Berg herabstiegen taten wir dies in<br />

Stille. Bis wir wie<strong>der</strong> im Lager ankamen, sagte niemand<br />

ein Wort. Der große Krieg war vorbei, und nun galt es,<br />

eine neue Ordnung zu errichten. Bereits zwei Zyklen nach<br />

dem Ende des Krieges wurde <strong>der</strong> große Thing einberufen,<br />

zu dem alle Völker ihre Delegationen sandten, <strong>um</strong> die<br />

neue Weltordnung zu beraten. Das Kaiserreich Ninurtas<br />

war gefallen, und an dessen Stelle rückte eine<br />

parlamentarische Monarchie, die in ihren jungen Jahren<br />

noch so manche Erschütterung zu vertragen hatte.<br />

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