Vortrag von Robert Menasse - rotstift
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des Wünschenswerten zu verbessern, soll noch zur Verschlechterung des<br />
Schlechten mit Kennermiene genickt werden.<br />
Das nur als Beispiel.<br />
Wenn ich über den Zustand dessen nachdenke, was wir Demokratie nennen, dann<br />
möchte ich lieber Demokratie erst erkämpfen müssen, als in dieser zu leben. Stimmt<br />
das wirklich? Ich weiß es nicht, mein Nicht-Wissen ist der Antrieb dessen, was ich<br />
schreibe, was ich schreibend an Gedanken verfertigen und diskutieren will - aber<br />
irgendetwas muss in der Dynamik zwischen der Erinnerung an Hoffnungen und dem<br />
Erleben <strong>von</strong> Frustrationen stark genug gewesen sein, dass dieser Satz geschrieben<br />
werden wollte. Vielleicht ist er auch nur der Hinweis auf deren Synthese: Wir leben in<br />
einer Demokratie, die wir erst erkämpfen müssen.<br />
Das ist, nach all dem Gesagten, tröstlich, weil es noch einiges offen lässt. Wir<br />
erleben derzeit, noch viel zu wenig diskutiert, die Aufhebung der Demokratien der<br />
Nationalstaaten in einem nachnationalen Prozess, im Rahmen der Europäischen<br />
Gemeinschaft. Die supranationale Demokratie muss erst erfunden und - ja: -<br />
erkämpft werden.<br />
Und wenn ich Sie, die Sie bildungspolitisch engagiert sind, doch allzu sehr frustriert<br />
haben sollte, dann möchte ich Ihnen zum Schluss ein schlagendes Argument zur<br />
Unterstützung all Ihrer Anstrengungen mitgeben, einen Satz, der, <strong>von</strong> einem großen<br />
Dichter formuliert, hinweghilft über viele Frustrationen und nicht widerlegt werden<br />
kann, auch wenn er nicht ganz wahr ist, weil man auch diesen Satz nie am Moment<br />
messen darf, sondern als Prozess begreifen muss, und auf jeden Fall wird er wahr,<br />
wenn Sie ihn wiederholen, immer wieder, bei jeder Gelegenheit wiederholen. Der<br />
Satz stammt <strong>von</strong> Fernando Pessoa und lautet:<br />
"Es gibt kein Glück ohne Wissen.“<br />
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