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Historische Errungenschaften und Kaempfe der Frauenbewegung

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Was ist Feminismus? – Inputs zur Annäherung SDS-Leipzig, April 2011<br />

<strong>Historische</strong> <strong>Errungenschaften</strong> <strong>und</strong> Kämpfe von<br />

<strong>Frauenbewegung</strong>en<br />

Die erste Welle <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen <strong>Frauenbewegung</strong> reichte vom Zeitalter <strong>der</strong> Aufklärung bis etwa in die<br />

1920er Jahre. Im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert wurden sämtliche gesellschaftlichen Privilegien <strong>und</strong> Institutionen<br />

in Frage gestellt, die Ideen <strong>der</strong> Freiheit <strong>und</strong> Gleichheit betreten die Bühne <strong>der</strong> Ideengeschichte.<br />

Gerade diese beiden wurden in <strong>der</strong> Folgezeit von den Frauen eingefor<strong>der</strong>t. In dieser Zeit waren<br />

Frauen nicht als den Männern in Intellekt <strong>und</strong> Fähigkeiten ebenbürtig angesehen. Sie wurden auch<br />

nicht als juristische o<strong>der</strong> politische Subjekte, son<strong>der</strong>n als Objekte männlicher Dominanz betrachtet.<br />

In Ehe <strong>und</strong> Familie sind sie <strong>der</strong> absoluten Verfügungsgewalt des Ehemannes o<strong>der</strong> des Vaters<br />

ausgeliefert. Diese können uneingeschränkt Vermögen <strong>und</strong> Einkommen <strong>der</strong> Frauen verwalten <strong>und</strong><br />

nutzen, sogar Arbeitsverhältnisse <strong>der</strong> Frauen gegen ihr Wollen <strong>und</strong> ohne ihr Wissen kündigen.<br />

Bildung <strong>und</strong> Erziehung sollten Frauen nur auf ihre Zukunft als Hausfrau <strong>und</strong> Mutter vorbereiten.<br />

Der Zugang zu höherer Bildung durch Abitur o<strong>der</strong> Universitätsstudium <strong>und</strong> damit zu hoch<br />

angesehenen Berufen, sozialem Aufstieg <strong>und</strong> ökonomischer Selbstständigkeit ist ihnen verwehrt.<br />

Für bürgerliche Frauen gibt es keine Möglichkeit für sozial angesehene Erwerbsarbeit,<br />

Proletarierinnen sehen sich dafür Lohnarbeit unter unmenschlichen Bedingungen <strong>und</strong><br />

Lohndiskriminierung ausgesetzt. Gegen diese Doktrin <strong>und</strong> Praxis richtete sich in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong><br />

Aufklärung die Kritik <strong>der</strong> ersten Frauenrechtlerinnen wie Wollstonecraft <strong>und</strong> de Gouges. Sie<br />

for<strong>der</strong>ten die „ungeteilten Menschenrechte", gr<strong>und</strong>legende Rechte auch für Frauen ein, sie<br />

postulierten die Gleichwertigkeit von Frauen. Im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert konkretisieren sich die<br />

For<strong>der</strong>ungen, es bilden sich auch verschiedene Strömungen <strong>der</strong> <strong>Frauenbewegung</strong> heraus. Die<br />

Bewegung ist gespalten in ein bürgerliches <strong>und</strong> ein proletarisches Lager, beide Lager setzen sich<br />

wie<strong>der</strong>um aus heterogenen Interessengruppen zusammen. Trotz <strong>der</strong> verschiedenen Ausrichtungen<br />

<strong>der</strong> unterschiedlichen Strömungen gab es inhaltliche Schnittmengen. Alle Richtungen verlangten<br />

nach rechtlicher Gleichstellung <strong>der</strong> Frauen. Die Idee einer aus <strong>der</strong> Natur o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Religion<br />

legitimierten Min<strong>der</strong>wertigkeit <strong>der</strong> Frauen wurde bekämpft. Mit Hilfe <strong>der</strong> Erwerbsarbeit <strong>und</strong> einer<br />

Reform des Ehe- <strong>und</strong> Besitzrechtes sollte die ökonomische Emanzipation <strong>der</strong> Frauen von ihren<br />

Ehemänner beziehungsweise ihren Familien gelingen. Der Zugang zu Bildung <strong>und</strong><br />

Universitätsstudium würde die Selbstentfaltung von Frauen för<strong>der</strong>n sowie sie in bisherige<br />

Männerdomänen wie den Arztberuf aufschließen lassen. Mit dem Frauenwahlrecht wäre die<br />

politische Partizipation gesichert. Weitere For<strong>der</strong>ungen sind Pazifismus, freie Ehe, Engagement für<br />

uneheliche Mütter <strong>und</strong> Kin<strong>der</strong>, freie Wahl des Berufes, Arbeitsschutzgesetze für Frauen<br />

(Verkürzung <strong>der</strong> Arbeitszeit, Maßnahmen gegen schlechte Sicherheits- <strong>und</strong> Hygieneverhältnisse an<br />

den Arbeitsplätzen, Schwangeren- <strong>und</strong> Mutterschutz) <strong>und</strong> gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Keine<br />

<strong>der</strong> Strömungen stellte jedoch das klassische Rollenverständnis ernsthaft in Frage. Über alle<br />

ideologischen Grenzen hinweg herrschte weitestgehend Konsens in <strong>der</strong> Reduktion von Frauen auf<br />

Ehe <strong>und</strong> Familie sowie Zuschreibungen von Eigenschaften wie „Hingabe, Liebe <strong>und</strong> Aufopferung“.<br />

Sogar Clara Zetkin beschwor die „heilige Verpflichtung zur Mutterschaft“. Im bürgerlichen Lager<br />

<strong>der</strong> <strong>Frauenbewegung</strong> galt Mütterlichkeit als konstituierendes, zentrales Merkmal von Weiblichkeit.<br />

War in <strong>der</strong> ersten Phase <strong>der</strong> <strong>Frauenbewegung</strong> noch die formal-rechtliche Gleichstellung <strong>der</strong> Frauen<br />

das Ziel, so ging es ab den 1960er Jahren in <strong>der</strong> zweiten Welle <strong>der</strong> <strong>Frauenbewegung</strong> um die<br />

tatsächliche Gleichstellung <strong>und</strong> die Ausübung <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Verfassung verbrieften Rechte. Zwar war<br />

durch das Gr<strong>und</strong>gesetz <strong>der</strong> BRD die Gleichberechtigung festgeschrieben. Jedoch wurde dieses<br />

Prinzip nicht in Gesetze gegossen <strong>und</strong> nicht praktiziert. So ähneln viele For<strong>der</strong>ungen denen <strong>der</strong><br />

erste Welle: gleiche Rechte für Frauen, Partizipation <strong>und</strong> Verantwortung für Frauen in Politik,<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> Verwaltung, ein Ende <strong>der</strong> Lohndiskriminierung <strong>und</strong> gleiche Bildungschancen für<br />

Männer <strong>und</strong> Frauen. Ebenso wurden die nach wie vor bestehenden hierarchischen<br />

Machtverhältnisse in Ehe <strong>und</strong> Familie sowie die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung angegriffen,<br />

das private Ausbeutungsverhältnis als politisch <strong>und</strong> ökonomisch motiviert interpretiert. Daneben


Was ist Feminismus? – Inputs zur Annäherung SDS-Leipzig, April 2011<br />

kamen verstärkt kritische Stimmen zu Wort, die Sozialisierung <strong>und</strong> Verhaltensmuster,<br />

Verhaltenszuschreibungen <strong>und</strong> Geschlechterrollen, soziale Institutionen <strong>und</strong> Praktiken wie Familie,<br />

Schule <strong>und</strong> Sexualität problematisierten. Schauplätze dieses Kampfes um Gleichstellung waren<br />

unter an<strong>der</strong>em die Kritik <strong>der</strong> Hausfrauenehe, die Rollenzuweisung <strong>und</strong> Reduktion von Frauen auf<br />

die Mutterrolle. Themengebiete wie Sexualität (Thematisierung <strong>der</strong> heterosexuellen Norm <strong>und</strong><br />

Enttabuisierung von Homosexualität), Ehe <strong>und</strong> Eherecht, Scheidungsrecht, Recht auf<br />

Schwangerschaftsabbruch, sexuelle Gewalt gegen Frauen (z.B. Vergewaltigung in <strong>der</strong> Ehe) waren<br />

von zentraler Bedeutung. Durch eine Vielzahl von Projekten (z.B. lokale Frauengruppen,<br />

feministische Pädagogik, Literatur- <strong>und</strong> Sprachwissenschaft, Frauenhäuser, Frauencafés,<br />

Frauengruppen) wurde versucht, auf breiter Front gegen das Patriarchat vorzugehen <strong>und</strong><br />

feministische Ideen in die Gesellschaft zu tragen. Diese Bemühungen reichten bis weit in die<br />

1980er Jahre hinein.<br />

In den 1990er Jahren erweiterte die dritte Welle <strong>der</strong> <strong>Frauenbewegung</strong> die Agenda <strong>der</strong> zweiten Welle<br />

um neue Themen <strong>und</strong> theoretische Ansätze. Insgesamt sind dies eher akademisch geprägte<br />

Diskussionen, die verschiedene Lebensbereiche <strong>und</strong> Institutionen (z.B. Sprache, Psychoanalyse,<br />

Geschichte, Politik, Wirtschaftswissenschaften, Recht) einbeziehen. Konzepte wie das <strong>der</strong><br />

Intersektionalität <strong>und</strong> globale statt auf einzelne Ethnien beschränkte Sichtweisen tauchen auf <strong>und</strong> es<br />

werden dadurch auch an<strong>der</strong>e Lebenswelten als die <strong>der</strong> westlichen upper-middle-class angesprochen.<br />

Auch finden Identitätskonzepte <strong>und</strong> Geschlechtsidentität Eingang in die Diskussion. Kategorien wie<br />

Mann <strong>und</strong> Frau, Männlichkeit <strong>und</strong> Weiblichkeit werden als gesellschaftlich konstruiert <strong>und</strong> als Teil<br />

des Unterdrückungsapparates aufgefasst. Es gibt starke Überschneidungen zur LGTB-Bewegung.<br />

Nicht zuletzt Politik, Wirtschaft <strong>und</strong> Recht werden auf ihre Implikationen für die Sache <strong>der</strong> Frauen<br />

geprüft. So kann <strong>der</strong> Staat als Akteur in Gen<strong>der</strong>fragen tätig werden, in <strong>der</strong> Wirtschaft die<br />

Reproduktivarbeit in die Messung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Leistung einer Volkswirtschaft einfließen<br />

<strong>und</strong> das Recht als Instrument <strong>der</strong> Ungleichbehandlung von Frauen problematisiert werden.


Was ist Feminismus? – Inputs zur Annäherung SDS-Leipzig, April 2011<br />

Zusammenfassung<br />

Phasen <strong>der</strong><br />

<strong>Frauenbewegung</strong><br />

Erste Welle<br />

(ca. 1750 bis 1920er Jahre)<br />

Zweite Welle<br />

(ca. 1950er bis 1980er Jahre)<br />

Dritte Welle<br />

(ab 1990er Jahren)<br />

Themen <strong>und</strong> Kämpfe<br />

• Betonung <strong>der</strong> Gleichwertigkeit von Frauen <strong>und</strong> For<strong>der</strong>ung nach<br />

vollen Menschen- <strong>und</strong> Bürgerrechten<br />

• rechtliche Gleichstellung<br />

• Zugang zu höherer Bildung<br />

• Möglichkeit zur Erwerbsarbeit unter menschenwürdigen<br />

Arbeitsbedingungen <strong>und</strong> ohne Lohndiskriminierung<br />

• Frauenwahlrecht<br />

• tatsächliche Gleichstellung gefor<strong>der</strong>t: gleiche Rechte für Frauen,<br />

Partizipation <strong>und</strong> Verantwortung für Frauen in Politik,<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> Verwaltung, Ende <strong>der</strong> Lohndiskriminierung <strong>und</strong><br />

gleiche Bildungschancen für Männer <strong>und</strong> Frauen<br />

• patriarchalische Machtverhältnisse in Ehe <strong>und</strong> Familie<br />

thematisiert: Kritik <strong>der</strong> Hausfrauenehe, die Rollenzuweisung<br />

<strong>und</strong> Reduktion von Frauen auf die Mutterrolle, Ehe <strong>und</strong><br />

Eherecht, Scheidungsrecht, Recht auf Schwangerschaftsabbruch,<br />

sexuelle Gewalt gegen Frauen<br />

• Sozialisierung, Sexualität <strong>und</strong> Verhaltensmuster als Gr<strong>und</strong>lagen<br />

<strong>der</strong> Unterdrückung problematisiert<br />

• Erweiterung <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> zweiten Welle<br />

• Intersektionalität, verschiedene Lebensbereiche <strong>und</strong><br />

Institutionen unter feministischen Gesichtspunkten analysiert<br />

• Identitätskonzepte <strong>und</strong> Geschlechtsidentität, LGTB-Bewegung<br />

<strong>Errungenschaften</strong><br />

• ab den 1890er Jahren Abitur für Mädchen<br />

• ab 1896 Zulassung von Frauen als Gasthörerinnen an<br />

Universitäten im deutschen Reich<br />

• nach 1900 Immatrikulationsrecht für Frauen<br />

• ab 1908 Vereinsfreiheit für Frauen (ohne aktives <strong>und</strong> passives<br />

Wahlrecht)<br />

• ab 1919 in Weimarer Republik viele For<strong>der</strong>ungen zumindest<br />

formal erfüllt: 1919 Frauenwahlrecht <strong>und</strong> gleichberechtigter<br />

Zugang zu Bildung <strong>und</strong> Beruf, 1920 Habilitationsrecht für<br />

Frauen<br />

• 1949 wird die Gleichberechtigung von Frauen <strong>und</strong> Männern in<br />

das Gr<strong>und</strong>gesetz aufgenommen<br />

• 1954 Aufhebung des Beschäftigungsverbotes verheirateter<br />

Frauen im öffentlichen Dienst<br />

• 1958 Gleichberechtigungsgesetz: Umsetzung des<br />

Gleichbehandlungsgr<strong>und</strong>satzes des Gr<strong>und</strong>gesetzes, Ehemann<br />

verliert das Letztentscheidungsrecht in Eheangelegenheiten,<br />

Zugewinngemeinschaft gilt als gesetzlicher Güterstand<br />

• 1976<br />

! Gleichberechtigung bei finanziellen Dispositionen jenseits<br />

<strong>der</strong> Schlüsselgewalt (Geschäfte zur angemessenen Deckung<br />

des Lebensbedarfs <strong>der</strong> Familie mit Wirkung auch für den<br />

an<strong>der</strong>en Ehegatten)<br />

! Indikationslösung für den § 218 StGB, <strong>der</strong><br />

Schwangerschaftsabbruch ist damit immer noch strafbar,<br />

aber es gibt Ausnahmen<br />

• 1997 Vergewaltigung in <strong>der</strong> Ehe wird Straftatbestand

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