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ZUR ENTWICKLUNG DER MUSIKÄSTHETIK IN DER ZWEITEN HÄLFTE DES 18. JAHRHUNDERTS

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Zur Entwicklung der Musikästhetik in der zweiten Hälfte des <strong>18.</strong> Jahrhunderts<br />

punkte. Auch in der reinen Instrumentalmusik bleibt nach Körner „in der Art<br />

der Bewegung Bestimmtheit genug übrig, die auf einen Charakter hindeutet.“<br />

Körner, der übrigens demselben Jahrgang angehört wie sein musikalisches<br />

Ideal Wolfgang Amadeus Mozart, hat die Musikästhetik auf die Höhe seiner<br />

Zeit gehoben und förmlich revolutioniert. Keine Naturnachahmung und keine<br />

Leidenschaft soll mehr Gegenstand der Musik sein, sondern der Charakter in<br />

seiner jeweils einmaligen männlich/weiblichen Proportionierung als Prinzip<br />

der Einheit in der Mannigfaltigkeit. Das Persönlich-Subjektive – erst von den<br />

Romantikern wieder höher bewertet – wird von Körner in eine überpersönliche<br />

Ordnung eingefügt. Das entspricht, so Besseler, in der Literatur der Entwicklung<br />

vom Sturm und Drang zur Klassik. Welche musikalische Entsprechung<br />

hat diese Ästhetik, an wessen Musik hatte Körner gedacht, als er seine<br />

Abhandlung in der Sprache der Weimarer Klassik formulierte? Zweifellos,<br />

und dies ist keine willkürliche Schlußfolgerung aus den inzwischen bekannten<br />

Fakten, an die der Wiener Klassik, die ihm bis 1795 bekannt wurde, und das<br />

waren hauptsächlich Haydn und vor allem Mozart.<br />

Und jetzt, im Schlußteil meiner Darstellung der musikästhetischen Entwicklung<br />

in der zweiten Hälfte des <strong>18.</strong> Jahrhunderts, komme ich auf die eigentliche<br />

Fragestellung dieses mit den Bach-Tagen Berlin 1993 verbundenen<br />

Colloquiums zurück: auf Johann Sebastian Bachs historische Position – Abschluß<br />

oder Neubeginn? Natürlich beides. Es gibt unleugbar den „Traditionsknick“,<br />

der Hans Heinrich Eggebrecht so viel bedeutet. Es gibt aber gleichwohl<br />

genügend Anhaltspunkte dafür, daß das <strong>18.</strong> Jahrhundert musikalisch wie<br />

musikästhetisch durchaus als Einheit betrachtet werden kann. Johann Sebastian<br />

Bach war ebenso im Mittelalter verwurzelt wie prägend für seine Gegenwart<br />

und die Generation seiner Schüler, Söhne und Enkel. Da dürfen wir uns<br />

von der überwältigenden Größe seiner Erscheinung nicht irritieren lassen, die<br />

es nahelegt, von einer einmaligen Krönung und dem definitiven Abschluß einer<br />

über Jahrhunderte zurückreichenden Entwicklung nicht nur der Polyphonie,<br />

sondern einer musikalischen Ordnung im weltanschaulichen Sinne zu<br />

sprechen.<br />

Bachs Bedeutung liegt für mich gerade darin, daß er, wie Besseler in seiner<br />

berühmten „Wegbereiter“-Abhandlung von 1953 anhand der Begriffe des<br />

Gefühlhaften, des Charakteristischen, der Erlebnisform und der musikalischen<br />

Einheitsgestaltung dargelegt hat 9 , a u c h wesentliche strukturelle Elemente<br />

der Klassik vorausgenommen und damit die spätere Entwicklung auf höchst<br />

bedeutsame Weise vorgeprägt hat.<br />

9 H. Besseler, Bach als Wegbereiter, in: Archiv für Musikwissenschaft 12, 1955, S. 1-<br />

39.<br />

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