Februar 2012 - Greifswald
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Transparenz durch Schweigen?<br />
Mit soviel Har…monie hatte trotz der an sich<br />
besinnlichen Weihnachtszeit letztes Jahr wohl<br />
niemand mehr gerechnet, als unsere Bürgerschaft<br />
mit großer Mehrheit einem Vergleich mit<br />
dem städtischen Sanierungsträger BauBeCon<br />
zustimmte.<br />
Dabei war der Entscheidung ein echter Verwaltungskrimi<br />
vorausgegangen. Erst ließ die<br />
vom Oberbürgermeister (OB) verkündete Verteuerung<br />
am Technischen Rathaus die Haare<br />
der überraschten Bürgerschaft zu Berge stehen.<br />
Dann stritt man sich über Schuld und Unschuld<br />
an der ganzen Sache und so manch<br />
haarsträubende Geschichte wurde dem aufmerksamen<br />
Bürger serviert. Selbst ein Untersuchungsausschuss<br />
sollte das schuldhafte Haar<br />
in der Verwaltungssuppe finden. Und nach<br />
der ausgesprochenen Scheidung von Stadt<br />
und BauBeCon nun die Weichspülung eines<br />
Vergleiches und alles ist wieder haar…<br />
äh…harmonisch in der Hansestadt?<br />
Aber der Reihe nach:<br />
Im Mai 2010 überraschte man auf einer Bürgerschaftssitzung<br />
unsere demokratischen Vertreter<br />
mit der Summe von 13,8 Mio. Euro für<br />
den Umbau bzw. die Sanierung der Alten Post.<br />
Einige Millionen mehr, als bei den Planungen<br />
von 2006 und 2008 vorgesehen waren. Auf<br />
der Suche nach den Gründen stolperte man<br />
im Rathaus auch über eine angeblich gefälschte<br />
Unterschrift auf einem Vertrag mit dem<br />
zwecks Umbaus beauftragten städtischen Sanierungsträger.<br />
Zur lückenlosen Aufklärung<br />
der Vorgänge stellte OB König eine Strafanzeige,<br />
später berief man auch einen Untersuchungsausschuss<br />
ein. In der Konsequenz<br />
wurde bei der BauBeCon der Geschäftsstellenleiter<br />
in <strong>Greifswald</strong> ersetzt und die Stadt<br />
selbst zum Bauherrn. Die in der Verwaltung am<br />
Vorgang Beteiligten wurden gerügt, die personellen<br />
Konsequenzen, die König in seinem<br />
Hause ankündigte, blieben aus. Die lange Zusammenarbeit<br />
mit dem städtischen Sanierungsträger<br />
kündigte man zum Ende des Jahres.<br />
Das Vertrauensverhältnis sei gestört. Und<br />
entgegensetzt dieser Grundeinstellung einigte<br />
man sich dann im Dezember mit der BauBe-<br />
Con auf einen Vergleich. Selbst für Untersuchungsausschussvorsitzenden<br />
Frank Hardtke<br />
nicht unbedingt die beste Lösung: "Nach meiner<br />
Überzeugung wäre es auch möglich gewesen,<br />
eine neue, stadteigene Sanierungsgesellschaft<br />
zu errichten". Jetzt wird die Zusammenarbeit<br />
eben einfach "unter der Maßgabe<br />
erhöhter Transparenz und Kontrolle" (1) fortgeführt.<br />
Und alles ist stillschweigend vergeben<br />
und vergessen?<br />
Vor allem das Stillschweigen über den Vergleich<br />
lässt nach dem ganzen Bauskandal<br />
einen üblen Nachgeschmack übrig. Einen<br />
Schaden von etwa 1,2 Mio. Euro hatte die<br />
Stadt der BauBeCon gegenüber beklagt. Im<br />
Rahmen des Vergleichs soll diese sich an der<br />
Schadenssumme beteiligen. Nur über die<br />
Höhe des Schadensersatzes schweigt man<br />
sich aus. Hat die BauBeCon nun einen Löwenanteil<br />
davon übernommen oder nur den symbolischen,<br />
einen Euro gezahlt? Wir werden es<br />
wohl nicht erfahren! Aber warum wirbt Baudezernent<br />
Hochheim mit mehr Transparenz in<br />
der Zukunft, wenn er sie hier gleich mal vergisst?<br />
"Ich hätte es für günstiger gehalten,<br />
wenn der gesamte Text des Vergleichs - und<br />
damit auch Inhalte bezüglich finanzieller Fragen<br />
- der Öffentlichkeit bekannt gegeben worden<br />
wäre", kommentiert Gerhard Bartels, Fraktionsvorsitzender<br />
der Linken dieses Vorgehen.<br />
Er enthielt sich bei der Abstimmung übrigens<br />
der Stimme. Noch einen Schritt weiter ging der<br />
Fraktionschef der Grünen. Er stimmte gegen<br />
den Vergleich: "Die Geheimhaltung ist kein<br />
guter Start für einen Neubeginn." (2) Mit der<br />
Beantragung der Herstellung der Öffentlichkeit<br />
in dieser Sache scheiterte seine Fraktion<br />
jedoch. Bartels hingegen kündigte schon im<br />
Dezember an, dass für die Linken die mit dem<br />
Vergleich vermeintlich abgehakte Angelegenheit<br />
noch nicht abgeschlossen sei. "Im Moment<br />
möchte ich öffentlich noch nicht über Schritte<br />
sprechen", sagte er, die weiter von seiner Fraktion<br />
unternommen werden sollen. "Ich denke,<br />
dass die Bürgerschaft nicht zulassen darf, dass<br />
der OB dies einfach so aussitzt, was er meines<br />
Erachtens offensichtlich versucht", so Bartels.<br />
Herr König habe wohl nicht verstanden,<br />
dass mit der mehrheitlichen Rüge man ihn<br />
auch aufforderte, Konsequenzen in der Stadtverwaltung<br />
zu ziehen. "Ich habe mehrfach darauf<br />
hingewiesen, dass die BauBeCon aus<br />
den Vorgängen die Schlussfolgerung gezogen<br />
hat, die Verantwortlichen in ihren Reihen auszutauschen.<br />
Ich sehe dies als mindeste Konsequenz<br />
und muss feststellen, dass auf Seiten<br />
der Stadt nicht das Geringste in dieser Hinsicht<br />
geschehen ist", erklärte er.<br />
Es sieht so aus, als wenn die Akte "Technisches<br />
Rathaus" noch lange nicht geschlossen ist,<br />
auch wenn seit dem Vergleich nun das große<br />
Schweigen darüber herrscht. Stattdessen publiziert<br />
das Rathaus lieber weniger schweigsam,<br />
dass ab März die Bauarbeiten fortgesetzt werden,<br />
"um den Bau zu einem guten Ende zu<br />
bringen" (3). Irgendwie ist da aber kein rechter<br />
Neustart gelungen, wenn er so viele Zweifel<br />
und offene Fragen hinterlässt! Einzig die<br />
Stadt geht ohne weitere Bedenken zur Tagesordnung<br />
über. Aber wie resümierte der Linkenchef<br />
Bartels so passend: "Die - gelinde gesagt<br />
- seltsamen Vorgänge […] können nicht ohne<br />
Weiteres zu den Akten gelegt werden". Wäre<br />
schön, wenn unser OB das ähnlich sähe!<br />
Text/Grafik: KM, Quellen: (1) PM der Hanse- und<br />
Universitätsstadt <strong>Greifswald</strong> vom 12.12.2011;<br />
(2) OZ vom 14.12.2011;<br />
(3) PM der Hanse- und Universitätsstadt<br />
<strong>Greifswald</strong><br />
vom 9.01.<strong>2012</strong><br />
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