Der Frieden will gelernt sein
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— Schule —<br />
Josephine Angelo (links) und Winnie Bojo sind beste Freundinnen. Die 18-Jährigen lernen Maurer und möchten Ingenieurinnen werden.<br />
praktischen Unterricht, sie lernen, aus<br />
Backsteinen eine sogenannte flämische<br />
Mauer zu bauen. In einem regelmässigen<br />
Muster schichten sie Steine aufeinander<br />
und kontrollieren die Konstruktion mit<br />
Winkel und Wasserwaage. Manchmal<br />
schäkern sie mit den Jungs in ihrer Klasse,<br />
aber meistens arbeiten sie schweigsam und<br />
schnell. Es ist harte Körperarbeit, doch die<br />
Mühe zahlt sich aus: Winnie hat in den Ferien<br />
mit einem Kollegen ein kleines Haus<br />
gebaut, Josephine einen neuen Ofen für die<br />
Mutter, auf dem sie nun Schnaps brennen,<br />
den sie später verkaufen. Es ist nicht selbstverständlich,<br />
dass Frauen im Südsudan<br />
klassische Männerjobs machen. Aber es<br />
wird akzeptiert. Nicht zuletzt deshalb,<br />
weil die Eltern bei der Hochzeit mehr Mitgift<br />
für ein Mädchen bekommen, das eine<br />
Ausbildung hat. An der Juba Technical<br />
High School sind über zehn Prozent der<br />
Studierenden weiblich. Jedes Jahr werden<br />
es mehr.<br />
Lehrer Jeffrey Elia Waraka, den alle<br />
nur «funny teacher» nennen, klatscht in die<br />
Hände: «Schauen Sie doch, wie schnell<br />
und sauber sie arbeiten!» Sie seien mindestens<br />
so gut wie die Jungs, und nach dem<br />
Abschluss fänden alle Arbeit. «No problem.»<br />
Ihre Ausbildung gleicht einer technischen<br />
Lehre in der Schweiz.<br />
10.30 Uhr, Pause. Auf dem Markt<br />
setzen sich Josephine und Winnie mit ihren<br />
Kollegen in eine stickige Hütte und bestellen<br />
Bohnen mit Brot. Eine Stimmung<br />
wie in einer Schweizer Schulkantine: Alle<br />
reden durcheinander, tauschen ständig die<br />
Plätze. Die Gespräche drehen sich nicht<br />
um Politik, davon hätten sie keine Ahnung,<br />
auch nicht um den Krieg, den wollten<br />
sie vergessen. Alle Schüler haben Verwandte<br />
verloren, jeder vierte sogar den<br />
Vater, die Mutter oder beide Eltern. Nein,<br />
sie kichern und tratschen über die Lehrer.<br />
Den «funny teacher» mögen alle, andere<br />
Lehrer fürchten sie. Etwa den Physiklehrer,<br />
der Winnie ins Gesicht geschlagen<br />
habe, weil sie einen Fingerring trug. Mit<br />
dem Essen kommt die Stille. Sie beugen<br />
sich tief über die Schüssel in ihrer Mitte.<br />
Bei Schulschluss ist die Mauer von Josephine<br />
und Winnie kniehoch. <strong>Der</strong> «funny<br />
teacher» misst nach, nickt, lobt und macht<br />
sich Notizen. Sie haben die Prüfung bestanden.<br />
Jetzt müssen die Mädchen heim<br />
zu ihren Grossfamilien: kochen, waschen,<br />
Hausaufgaben machen. Ein Stück des Weges<br />
gehen die Freundinnen gemeinsam,<br />
dicht nebeneinander, so dass sich zuweilen<br />
ihre Arme berühren. Die Sonne brennt auf<br />
ihre schmalen Schultern, ihre offenen Gesichter<br />
glänzen. Sie gehen vorbei an einem<br />
Plakat für Telefonwerbung mit der Aufschrift<br />
«Together we build our new nation»,<br />
vorbei an einem Bus mit dem<br />
Aufkleber «Rich people also cry».<br />
Barbara Achermann ist Reporterin/Redaktorin<br />
der Zeitschrift «Annabelle».<br />
Espen Eichhöfer ist Fotograf bei der Agentur<br />
Ostkreuz in Berlin.<br />
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Bulletin N° 4 / 2013 — 73