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<strong>Horst</strong>-<strong>Peter</strong> <strong>Hesse</strong>: „Gehör“ | Erschienen in: „Musik in Geschichte und Gegenwart“, 2. Ausgabe | Verlag: Bärenreiter.<br />
Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.<br />
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Modulationen der Schwingung durch eine vom Spieler bzw. Sänger erzeugte periodische<br />
Pulsation von Tonhöhe, Intensität oder Timbre (Vibrato, Tremolo). – (3) Psychische<br />
Präsenzzeit. Der von William Louis Stern (1897) geprägte Begriff bezeichnet jene kleine<br />
Zeitspanne, die ein Sinneseindruck zu seiner vollen psychischen Entfaltung und Wirksamkeit<br />
benötigt. Dies ist gleichzeitig der Zeitabschnitt, in dem ein sich in der Zeit erstreckendes<br />
Ereignis als Ganzes unmittelbar bewusst ist und als direkt gegenwärtige Einheit, als "jetzt"<br />
erlebt wird, ohne dass der in physikalischer Hinsicht bereits vergangene Anfang des<br />
Ereignisses erst aus dem Gedächtnis reaktiviert werden müsste.<br />
Bei der sprachlichen Kommunikation beispielsweise hören wir Worte und nicht Folgen<br />
von einzelnen Sprachlauten. Auch in diesem Zeitbereich sorgt ein Prozess im Nervensystem<br />
für die Zusammenfassung von zusammengehöriger Information. Die eine halbe bis höchstens<br />
etwa drei Sekunden dauernde psychische Präsenzzeit ist für die Bildung musikalischer<br />
Gestalten von grundsätzlicher Bedeutung (Epstein 1990). Tatsächlich voneinander getrennte<br />
Töne unterliegen als Wahrnehmungsgegebenheiten einem spontanen Akt der Integration zu<br />
einer bedeutungsvollen gestalteten Ganzheit, zu einem Bewegungszug, der sich insofern vom<br />
rein Klanglichen unterscheidet, als er z.B. über das beständige Diminuendo von Klaviertönen<br />
oder über Stac<strong>ca</strong>to-Tonfolgen hinwegträgt (Kurth 1931). Rhythmische Muster oder<br />
melodische Bewegungszüge sind im Bewusstsein – obgleich sie im zeitlichen Nacheinander<br />
entstehen – als mit ihren Bestandteilen gleichzeitig präsente Einheiten vorhanden, solange sie<br />
ein auch vom Hörtraining abhängiges Zeitlimit nicht überschreiten (Beck 1992). Können<br />
aufeinanderfolgende Töne als gleichzeitiger Bewusstseinskomplex präsent sein, so werden sie<br />
zu einer neuen Kategorie und lassen sich auch als ganzheitliche Vorstellungen aus dem<br />
Gedächtnis ins Bewusstsein rufen. Menschen haben ein gutes Langzeitgedächtnis für die<br />
melodischen Konturen vertrauter Lieder, und das Nachsingen ganzer Motivstrukturen fällt<br />
leichter als das Treffen bestimmter Töne oder Intervalle.<br />
3. Psychophysik<br />
Ein spezieller Zweig der Psychoakustik ist dem Ziel gewidmet, die Relationen, die<br />
zwischen messbaren Bestimmungsgrößen des Schalles und den über das Gehörorgan<br />
vermittelten Klangempfindungen bestehen, quantitativ zu beschreiben. Diese Forschung ist<br />
Gegenstand der auf Gustav Theodor Fechner zurückgehenden Psychophysik (Fechner 1860).<br />
Angeregt durch Arbeiten Ernst Heinrich Webers legte Fechner das Fundament für die mittels<br />
experimenteller und statistischer Methoden vorgenommene Skalierung der subjektiven<br />
Empfindungsstärke, die Fechner als Reaktion (R) auf die Größe physikalischer Reize (S, von<br />
stimulus) deutete. Bei der Erforschung des Tastsinnes hatte Weber festgestellt, dass der eben<br />
merkliche Unterschied keine feste Größe ist, sondern in Abhängigkeit vom Bezugswert<br />
variiert. Bei kleinen Reizintensitäten wird bereits ein geringer Zuwachs bemerkt, bei größeren