DIE NOTKOMPETENZ - Kanzlei Spengler
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BEITRÄGE<br />
RETTUNGS<strong>DIE</strong>NSTRECHT<br />
RA und FAArbR Bernd <strong>Spengler</strong><br />
<strong>DIE</strong> <strong>NOTKOMPETENZ</strong><br />
STAND 2009<br />
Allgemeines<br />
Kaum ein Thema wurde im Rettungsdienst so sehr diskutiert wie die Notkompetenz.<br />
Seit weit mehr als 20 Jahren nun schon geistert dieser Begriff durch das<br />
Rettungswesen. Insbesondere jedoch seit Inkrafttreten des Rettungsassistentengesetzes<br />
ist dieser Begriff zu einem Schlagwort geworden, dass die<br />
Rettungsassistentenausbildung fast schon beherrscht und im Laufe der Jahre die<br />
eigentümlichsten Entwicklungen in manchen Regionen genommen hat.<br />
Die rechtliche Ausgangslage<br />
Dabei ist das Thema im Rettungsassistentengesetz überhaupt nicht geregelt. In § 3<br />
RettAssG wird als Ausbildungsziel lediglich festgelegt, dass der Rettungsassistent ein<br />
Helfer des Arztes ist. Er ist somit "medizinisches Hilfspersonal" mit der Aufgabe, bei<br />
Anwesenheit eines Arztes – also nicht nur des Notarztes, sondern auch<br />
beispielsweise eines niedergelassenen Mediziners, Hautarztes oder Urologen -<br />
assistierend tätig zu werden. Hier beginnt schon das Dilemma für manchen<br />
kompetenten Rettungsassistenten als „Spezialisten für Notfallsituationen“. Einige<br />
können und wollen nämlich nur schwer akzeptieren, dass auch der niedergelassene<br />
Allgemeinmediziner, der vielleicht letztmaligst vor 10 Jahren intubiert hat, aufgrund<br />
seines Berufes zu Maßnahmen berechtigt ist, die dem Rettungsassistenten nicht<br />
zustehen. Dennoch ist das erst einmal konsequent, der der Rettungsassistent ist ein<br />
medizinischer Hilfsberuf („Assistent“).<br />
Unter Notkompetenz wird daher die Situation diskutiert, in der ein Rettungsassistent<br />
oder anderes medizinisches Hilfspersonal auf eigene Verantwortung hin ärztliche<br />
Maßnahmen ergreift, weil ein Mediziner nicht rechtzeitig für den Patienten zur<br />
Verfügung steht. Aufgabe des Rettungsdienstes ist es dabei lediglich, durch diese<br />
Maßnahmen bis zum Eintreffen des Arztes die Vitalfunktionen aufrecht zu erhalten.<br />
Insofern handelt es sich nicht um die Frage, ob die ärztliche Maßnahme eine<br />
optimalere Versorgung darstellt, sondern lediglich um die Fälle, in denen alle anderen<br />
Maßnahmen nicht zur Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen geführt haben.<br />
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RETTUNGS<strong>DIE</strong>NSTRECHT<br />
Der Begriff "Notkompetenz" ist dabei an sich schon missverständlich. Es handelt sich<br />
nämlich gerade nicht um irgendeine Kompetenz, die jemand auf Grund z.B. des<br />
Rettungsassistentengesetzes zusteht. Kompetenz an sich besitzt man - oder eben<br />
nicht. Auf jeden Fall wird man nicht kompetent, nur weil eine Notfallsituation vorliegt.<br />
Entgegen weit verbreiteter Ansichten ist die Notkompetenz weder im<br />
Rettungsassistentengesetz noch in den Rettungsdienstgesetzen geregelt. Insofern ist<br />
dieses auch keine Thematik, die neu ist. Es handelt sich lediglich um ein Schlagwort<br />
im Bereich des Rettungsdienstes, dessen gesetzliche Grundlage einzig und allein § 34<br />
des Strafgesetzbuches darstellt.<br />
§ 34<br />
Rechtfertigender Notstand<br />
Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit,<br />
Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder<br />
einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der<br />
widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der<br />
ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich<br />
überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr<br />
abzuwenden.<br />
Hintergrund dafür ist nämlich, dass aus Sicht der Juristen auch schon bei jedem<br />
Mediziner der Heileingriff letztendlich eine Körperverletzung darstellt, diese jedoch im<br />
Regelfall durch die Einwilligung des Patienten gerechtfertigt ist. Ergreift der<br />
Rettungsassistent als nichtmedizinisches Personal eine solche ärztliche Maßnahme,<br />
begeht er im Regelfall eine Körperverletzung. Deren Rechtfertigung hängt dann von<br />
der Einwilligung des Patienten oder der mutmaßlichen Einwilligung, bzw. der<br />
Rechtfertigung im Rahmen des § 34 StGB ab. Ausnahmsweise ist diese also durch die<br />
Situation des Notstandes gerechtfertigt im Sinne des § 34 StGB, weil der<br />
Körperverletzungseingriff das geringere Rechtsgut gegenüber Leben und Gesundheit<br />
des Patienten darstellt.<br />
Ob eine solche Maßnahme auch einen Verstoß gegen den Arztvorbehalt im<br />
Heilpraktikergesetz darstellt, der dann auch nach § 34 StGB gerechtfertigt wäre, ist<br />
umstritten. Die wohl führenden Vertreter des Rettungsdienstrechts sehen den<br />
Anwendungsbereich des Heilpraktikergesetzes, das aus dem 3. Reich stammt, nicht<br />
eröffnet. Offensichtlich wollte man das umherziehende „Heilen“ gegen Geld von<br />
Nichtmedizinern unterbinden. Den dem Arzt zuarbeitenden, nicht selbst<br />
abrechnenden Rettungsassistenten als Hilfspersonal des Arztes hatte der damalige<br />
Gesetzgeber sicher nicht vor Augen.<br />
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Allerdings ist dies keine Rechtssicherheit, denn es gibt durchaus eine nicht<br />
unerhebliche Anzahl an juristischen Stellungnahmen außerhalb des Rettungsdienstes<br />
die auch in solchen Fällen den Anwendungsbereich als gegeben ansehen und eine<br />
grundsätzliche Strafbarkeit bejahen, wenn ein Nichtmediziner ärztliche, invasive<br />
Maßnahmen ergreift. Das die arbeitsrechtliche Rechtsprechung schon in den 90-iger<br />
Jahren und erneut in 2009 Kündigungen als unzulässig erachtet hat, mag ein<br />
erfreuliches Indiz sein, eine gefestigte obergerichtliche strafrechtliche<br />
Rechtsprechung stellt das nicht dar. Man sollte also zu diesem Thema mit dem<br />
Begriff „Grundsatzentscheidung“ vorsichtig umgehen. Den Bundesgerichtshof für<br />
Strafsachen interessieren in der Regel Urteile von Arbeitsgerichten in der Provinz<br />
relativ wenig.<br />
Und der Wortlaut ist erst einmal „jede berufsmäßige Feststellung, Heilung oder<br />
Linderung…“.<br />
AUSZUG AUS HEILPRAKTIKERGESETZ<br />
§ 1<br />
(1) Wer die Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, ausüben will, bedarf dazu der<br />
Erlaubnis.<br />
(2) Ausübung der Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes ist jede berufs- oder gewerbsmäßig<br />
vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden<br />
oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird<br />
§ 5<br />
Wer, ohne zur Ausübung des ärztlichen Berufs berechtigt zu sein und ohne eine Erlaubnis<br />
nach § 1 zu besitzen, die Heilkunde ausübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder<br />
mit Geldstrafe bestraft<br />
Insofern sollte man immer zwischen berufspolitischer Stellungnahme und einer<br />
seriösen, anwaltlich Risiken einschätzenden Beratung unterscheiden.<br />
Voraussetzungen im Rahmen der Notkompetenz<br />
Um dieses klar zu betonen, nur unter den ganz, ganz engen Voraussetzungen des §<br />
34 StGB darf das Rettungsdienstpersonal überhaupt diese ärztlichen Mittel<br />
anwenden. Nur bei einer nicht anders abwendbaren Gefahr für Leib und Leben ist als<br />
allerletztes Mittel die Ergreifung ärztlicher Maßnahmen gerechtfertigt.<br />
Allerdings hat die Bundesärztekammer 1992 in einer Stellungnahme zu diesem<br />
Thema versucht, diese gesetzlichen Tatbestandsmerkmale näher auf den konkreten<br />
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RETTUNGS<strong>DIE</strong>NSTRECHT<br />
Fall der Rettungsassistenten zu umschreiben. Daraus entstand eine weit verbreitete,<br />
jedoch nicht unkritisch zu betrachtende Festlegung von Voraussetzungen:<br />
Nach der Stellungnahme der BÄK ist dieses nur dann der Fall, wenn<br />
der Rettungsassistent ohne ärztliche Unterstützung vor Ort ist und diese<br />
Unterstützung nicht rechtzeitig eintreffen wird<br />
wenn alle anderen Basismaßnahmen der ersten Hilfe und der<br />
Rettungsdienstausbildung nicht zum Erfolg geführt haben<br />
die ärztliche Maßnahme nach der Diagnose und Therapieentscheidung<br />
geeignet ist, die Vitalfunktion im Gegensatz zu den erfolglos angewandten<br />
Maßnahmen zu erhalten<br />
der Rettungsassistent die Maßnahme entsprechend beherrscht, denn nur dann<br />
liegt ein geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr vor<br />
und die Maßnahme dem Rettungsassistenten zumutbar ist.<br />
Abgesehen davon, dass es sich nur um eine Stellungnahme der BÄK handelt, ist<br />
jedoch selbst dieser Katalog der Voraussetzungen im Detail mit großen<br />
Unsicherheiten versehen. Derzeit kann keiner zeitlich genau sagen, wann ein Arzt<br />
"nicht rechtzeitig" an der Einsatzstelle eintreffen wird. Hier ist auch zu beachten,<br />
dass dies von Rettungsdienstregion zu Rettungsdienstregion völlig unterschiedlich<br />
sein kann. In ländlichen Bereichen wird im Zweifelsfalle der Notarzt eine sehr viel<br />
längere Anfahrtszeit haben als im städtischen Bereich. Da derzeit in den<br />
Rettungsdienstgesetzen eine ärztliche Hilfsfrist ebenfalls nicht geregelt ist, besteht<br />
hier völlige Rechtsunsicherheit.<br />
Der Verfasser vertritt daher die Auffassung, dass in analoger Anwendung die<br />
gesetzliche Hilfsfrist auch für Notärzte gelten müsste. Insofern könnte man dann an<br />
dieser Zeitvorgabe die Rechtzeitigkeit festlegen.<br />
Wichtig ist auch, dass vor Ergreifen einer ärztlichen Maßnahme alle anderen<br />
Basismaßnahmen und Erste-Hilfe-Maßnahmen der Rettungsdienstausbildung nicht<br />
zum Erfolg geführt haben. Wer also einen Patienten intubiert, müßte zuvor erfolglos<br />
versucht haben, diesen per Maske zu beatmen. Wer auf Grund eines Schocks einen<br />
Zugang legt, müßte zuvor die Schocklage und Selbsttransfusion versucht haben und<br />
dann zu der Entscheidung kommen, dass diese Maßnahmen nicht bis zum Eintreffen<br />
des Notarztes das Überleben des Patienten sichern.<br />
Nach einer Überlegung und entsprechenden Diagnose- und Therapieentscheidungen<br />
müßte der Rettungsassistent dann zu dem Ergebnis kommen, dass tatsächlich die<br />
einzige Möglichkeit, das Überleben des Patienten zu sichern, die Durchführung der<br />
ärztlichen Maßnahme ist. Diese Diagnose und Therapieentscheidung ist voll<br />
gerichtlich überprüfbar und wird im Zweifelsfalle durch einen medizinischen<br />
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Sachverständigen untersucht werden. Kommt dieser zu dem Ergebnis, dass hier ein<br />
Zuwarten auf den Notarzt noch vertretbar gewesen wäre, befindet sich der<br />
Rettungsassistent bereits in der Situation, dass er nicht mehr gerechtfertigt wäre und<br />
somit eine Körperverletzung begangen hätte.<br />
Problematisch ist auch die Voraussetzung, dass der Rettungsassistent die Maßnahme<br />
beherrschen muss. Beherrschen bedeutet hinreichend in der täglichen Praxis erprobt<br />
und geübt. Auch hier ist die Ausbildung zum Rettungsassistenten nicht das alleinig<br />
maßgebliche, da auch hier sehr unterschiedliche Handhabungen in der Praxis<br />
existieren. Wer einen delegationsfreudigen Notarzt in seiner Region hat, wird<br />
bestimmte ärztliche Maßnahmen sehr viel häufiger üben als der Rettungsassistent,<br />
der vielleicht ein oder zweimal im Jahr nur einen Zugang legt. Das Niveau der<br />
Rettungsassistenten wird daher in der Praxis von Region zu Region hier sehr<br />
unterschiedlich sein.<br />
In der Praxis haben sich hier auch interessante Entwicklungen ergeben. In manchen<br />
Rettungsdienstbereichen erteilen Notärzte nach durchgeführten Schulungen mit ihrer<br />
Unterschrift quasi die Freigabe der ärztlichen Maßnahme für den<br />
Rettungsassistenten. In anderen Regionen hingegen wird die Anwendung der<br />
Notkompetenz von der Rettungswache im Zusammenarbeit mit bestimmten<br />
Notärzten schlicht und einfach verboten ( was im übrigen natürlich nicht geht ).<br />
Problematisch in diesem Zusammenhang sind auch spezielle Notkompetenzprüfungen<br />
oder Notkompetenzbescheinigungen, in denen bestimmte Notärzte dem<br />
Rettungsassistenten quasi für 1 Jahr dokumentieren, dass er ab jetzt wieder<br />
notkompetent ist. De facto ist dieses nämlich ein zweischneidiges Schwert. Es kann<br />
nunmehr durchaus die Situation auftreten, dass man einem Rettungsassistenten den<br />
Vorwurf macht, da er doch die Maßnahme nachgewiesen ständig beherrscht und<br />
trainiert, dass er in einer Notfallsituation die Notkompetenz unterlassen habe - was<br />
dann ebenfalls zu einer Anklage wegen Körperverletzung führen kann.<br />
Die Proteste in Rheinland-Pfalz und Hessen gegen die dortigen Versuche, auf<br />
Landesebene mit solchen Vorgaben das Problem zu lösen, sind daher mehr als<br />
verständlich. Selbst wenn die Hilfsorganisationen diesen landesrechtlichen Vorgaben<br />
folgen, den Ministerien dort fehlt natürlich jegliche Kompetenz solche Richtlinien und<br />
Pläne bezüglich eines bundesweiten Berufsbildes zu erlassen.<br />
Angesichts dieser Entwicklungen ist die Notkompetenz hinsichtlich ihrer<br />
Voraussetzungen eine äußerst schwierige Grenzsituation, bei der vor allem zu fordern<br />
bleibt, dass der zuständige Gesetzgeber (also der Bund- und nicht ministerielle<br />
Schnellschüsse) schnellstmöglichst klare Voraussetzungen für die erlaubten<br />
Maßnahmen im Rettungsdienst durch nichtärztliches Personal schafft. Schon eine<br />
Ergänzung des Heilpraktikergesetzes – losgelöst von der Finanzierungsfrage der 3-<br />
jährigen Ausbiildung – würde hier Rechtssicherheit schaffen. Diese jedenfalls haben<br />
weder BÄK noch die Bundesländer Rheinland-Pfalz und Hessen herbeiführen können.<br />
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Maßnahmen im Rahmen der Notkompetenz<br />
Es stellt sich nunmehr die Frage, welche Maßnahmen im Rahmen der Notkompetenz<br />
durchgeführt werden dürfen. Auch hierüber verliert § 34 StGB natürlich kein Wort.<br />
Dennoch nehmen alle Lehrbücher mittlerweile Bezug auf die Stellungnahme der<br />
Bundesärztekammer aus dem Jahr 1992, nach der dem Rettungsassistenten im<br />
Rahmen der Notkompetenz folgende Eingriffe zugebilligt werden sollen:<br />
Venenpunktion<br />
Intubation ohne Relaxantien<br />
Zugang legen und die Infusion kristalloider Lösungen<br />
Gabe ausgewählter Medikamente<br />
Frühdefribillation<br />
Die Bundesärztekammer geht davon aus, dass diese Maßnahmen nach den<br />
Ausbildungsanforderungen von den Rettungsassistenten im Notfall beherrscht<br />
werden. Diese Stellungnahme ist aber auch in gewisser Weise bedenklich.<br />
Insbesondere die Katalogfrage der Medikamente führt immer wieder zu heftigen<br />
Diskussionen.<br />
Kritik<br />
An dieser Stelle muss man ganz deutlich betonen, dass der Stellungnahme der<br />
Bundesärztekammer keinerlei rechtliche Bindungswirkung zukommt. Der<br />
Bundesärztekammer steht weder das Recht zur verbindlichen Normsetzung für das<br />
Berufsbild "Rettungsassistent" zu, noch ist die Bundesärztekammer befugt, einem<br />
anderen Berufsbild die Ausbildung vorzuschreiben. Der Katalog hat insofern allenfalls<br />
eine Indizwirkung, rechtlich jedoch wirklich nur den Wert einer Stellungnahme, wie<br />
viele anderen Stellungnahmen auch, die abgegeben werden könnten. Letztendlich ist<br />
der Wert dieser Stellungnahme nämlich auch unter dem Gesichtspunkt zu<br />
betrachten, dass die restriktive Katalogisierung der Ärztekammer auch das Interesse<br />
verfolgt, den Anwendungsbereich für den rechtfertigenden Notstand einzuschränken,<br />
um nicht ärztliche Privilegien zu verlieren. Wer sich daran erinnert, dass Anfang der<br />
achtziger Jahre die Herz/Lungen-Wiederbelebung noch als ärztliche Maßnahme galt,<br />
diese heute im Rahmen der Erste-Hilfe-Ausbildung jedem Laien beigebracht wird, der<br />
wird die Stellungnahme der Bundesärztekammer aus dem Jahr 1992 zumindest<br />
kritischer betrachten.<br />
Und wie will man eigentlich einem Rettungsassistenten erklären, dass er mit seinem<br />
Berufsbild einen rechtfertigenden Notstand bei der Frühdefibrillation benötigt,<br />
während man Laienhelfer in Behörden und Geschäftshäusern dafür ausbildet.<br />
Andererseits ist der Rettungsassistent derzeit gut beraten, sich genau an die<br />
Vorgaben der Bundesärztekammer zu halten. Nicht etwa, weil dieser eine rechtliche<br />
Bindungswirkung zukommt, sondern weil im Zweifelsfalle als Gutachter ein Vertreter<br />
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der Ärzteschaft in einem Gerichtsverfahren auftreten wird. Dieser wird sich an der<br />
Stellungnahme der Bundesärzteschaft orientieren und nachweisen, dass ja alle<br />
Rettungsassistenten in ihren Ausbildungsbüchern und Lehrbüchern diese<br />
Stellungnahme lernen würden.<br />
Man darf aber auch nicht verheimlichen, dass die Fälle der Notkompetenz, die derzeit<br />
gerichtlich entschieden ausgeurteilt worden sind, allesamt Arbeitsrechtsverfahren<br />
waren. Hintergrund hierfür war jeweils, dass ein Notarzt nach Eintreffen an der<br />
Einsatzstelle die nichtgerechtfertigte Ausübung der Notkompetenz festgestellt und<br />
sich hierüber beim Arbeitgeber beschwert hat, der daraufhin arbeitsrechtliche<br />
Schritte eingeleitet hat. In diesen Verfahren haben die Arbeitsgerichte jeweils dem<br />
Rettungsassistenten recht gegeben, und zwar sogar, obwohl dies über den<br />
Maßnahmenkatalog der Bundesärzteschaft hinausgegangen ist. Strafrechtliche<br />
Ermittlungsverfahren gab es in dieser Frage zwar bereits mehrere, jedoch konnten<br />
diese bisher alle im Interesse der Betroffenen noch vor einer Verurteilung eingestellt<br />
werden. Dies aber teilweise gegen nicht unerhebliche Geldbeträge, so auch in einem<br />
von uns vertretenen Fall, bei dem der Rettungsassistent wegen Verabreichung von<br />
Glucose im Falle einer Hypoglykämie.<br />
Persönliche Stellungnahme (August 2009)<br />
„Wer die <strong>Kanzlei</strong> <strong>Spengler</strong> & Kollegen<br />
und mich kennt, der weiß, dass ich seit<br />
vielen Jahren für ein ordentliches<br />
Berufsbild mit einer 3-jährigen<br />
Ausbildung und klar definierten<br />
Kompetenzen kämpfe. Ob das in<br />
Zusammenarbeit mit Berufsverbänden,<br />
Gewerkschaften, der Politik oder den<br />
Hilfsorganisationen geschieht, es handelt<br />
sich dabei um ein berufspolitisches<br />
Engagement. Trotz klar formulierter<br />
Thesen, ist auch dabei Seriosität gefragt,<br />
denn die Diskussion ist oftmals eh viel zu<br />
emotional geführt. Wer nur mal zu diesem Thema in den entsprechenden Internet-<br />
Foren „surft“, dem graut manchmal, für welche Thesen da auch Stellungnahmen<br />
gerne mal bewusst oder unbewusst missverstanden werden sollen.<br />
Als Anwalt in der Beratungspraxis und Verantwortung für den Mandanten habe ich<br />
eine andere Aufgabe, nämlich diesen vor öffentlichen Prozessen, Arbeitslosigkeit oder<br />
Kündigung zu schützen und damit eventuell auch seine Familie vor Armut. Ein wegen<br />
eines solchen Vorfalls eventuell verurteilter, arbeitsloser Rettungsassistent dürfte nur<br />
schwer wieder einen Job finden. So sehr es einen berufspolitisch reizen würde, zu<br />
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RETTUNGS<strong>DIE</strong>NSTRECHT<br />
manchen juristischen Halbwahrheiten etwas zu schreiben oder ein solches Verfahren<br />
als Grundsatzentscheidung tatsächlich durchzuführen, so sehr bin ich Anwalt. Und die<br />
Schweigepflicht einerseits und das absolute Interesse, für den Mandanten eine<br />
schnelle Abwendung einer Bedrohungssituation herbeizuführen, stehen daher vor<br />
jeder Eitelkeit. Das Heilpraktikergesetz halte ich nicht für einschlägig, aber Kollegen<br />
zu warnen, dass unsere juristische Auffassung nicht die Meinung der Justiz in einem<br />
Urteil sein muss, ist daher folgerichtig und seriös.<br />
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